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Astronomie: Prof. Dr. Thomas Janka im großen Interview Antibiotikum: Forschungserfolg für Tuberkulose- Bekämpfung Akademie: Neue Top-Berufung für IPP Direktorin Prof. Dr. Sibylle Günter

Astronomie: Antibiotikum: Akademiestadtspiegel-online.de/wp-content/...Januar2018.pdf · tung und Personal eingeschlos-sen. Bayerns Wissenschaftsmi-nister Ludwig Spaenle: „Für

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Astronomie:Prof. Dr. Thomas Janka imgroßen Interview

Antibiotikum:Forschungserfolg für Tuberkulose-Bekämpfung

Akademie:Neue Top-Berufung für IPPDirektorin Prof. Dr. Sibylle Günter

das neue Jahr ist noch über-schaubar jung und der Blicknach vorne lohnt sich. 2018wird für den Forschungscampuskein gewöhnliches Jahr des

Wachstums mit Einweihungen,Vertragsunterschriften, Spaten-stichen und Richtfesten. Heuerstarten mit der Neuen MitteGalileo und dem Planetarium

Supernova zwei Highlights indieser Stadt der Wissenschaft.Supernova wird den Campusdurch die einzigartigen Blicke indas unendliche Universum nochberühmter machen. Den Tau-senden von Erstbesuchern aufdem Campus wird in den nächs-ten Jahren nicht verborgen blei-ben, welch prominente Nach-barschaft die Supernova hat.Der Campus bekommt nochmehr allgemeine Öffentlichkeitund damit auch Chancen, dieWissenschaft zu präsentieren.Mit den Einrichtungen derNeuen Mitte bekommt der For-schungscampus mit einer jahre-langen Verspätung die überfälli-ge Infrastruktur. Dann könnendie Forscher aus der ganzenWelt endlich vor Ort wohnen,Kongresse abhalten und soauch dem Campus immer neue

Impulse geben. Das Zusammen-spiel von Wirtschaft und Wis-senschaft wird auf ein neuesLevel gehoben.2018 wird nicht nur das 150-jäh-rige Bestehen der TU Münchengefeiert, sondern auch der Cam-pus auf die nächste, vielleichtsogar die übernächste Stufe ge-hoben.Wir vom Team des Campus-spiegels freuen uns auch 2018wieder auf spannende Gesprä-che mit faszinierenden Men-schen und außergewöhnlichenWissenschaftlern. Ihnen allenwünschen wir ein gesundes,erfolgreiches und gutes Jahr2018.

Herzlichst,

Ihre Gabi Cygan undIhr Nico Bauer

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 32 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Die Akademische Jahresfeierder TU München (TUM) war An-lass für Rückblicke und Ausbli-cke gleichermaßen. Zum Auf-takt der Feierlichkeiten zum150-jährigen Bestehen der TUMgewährte Präsident Wolfgang A.Herrmann Einblicke in das Jubi-läumsprogramm und verkünde-te die Gründung der „MunichSchool of Robotics and MachineIntelligence“ unter Leitung desGewinners des Deutschen Zu-kunftspreises, Prof. Sami Had-dadin.Die Anfänge der TUM warenbescheiden – 400 Studentenund 24 Professoren bildeten1868 ihren ersten Jahrgang.2017 sind es mehr als 41.000Studierende und rund 550 Pro-fessorinnen und Professoren.„Was vor 150 Jahren als klei-ne Königlich-bayerische Poly-technische Schule zu Münchenbegann, ist heute eine Univer-sität von Weltrang“, sagte derTUM-Präsident. Den rundenGeburtstag wird die Universität

mit zahlreichen Aktionen feiern.Einer der Höhepunkte ist einFestakt am 12. April mit demBundespräsidenten und demBayerischen Ministerpräsiden-ten.

Neue Gesichter

Auch 2017 kamen zahlreicheWissenschaftler neu an dieTUM. Einer von ihnen ist derweltberühmte Architekt Prof.Diébédo Francis Kéré, der aufdie neu geschaffene Professur„Architectural Design and Parti-cipation“ berufen wurde. Kéréhielt auf dem Dies academicusauch die Festrede mit dem Titel„Inspired to build“. Darin erläu-terte er unter anderem seineBauphilosphie, die auf lokal vor-handene Materialien setzt. Einweiterer Neuzugang von Welt-rang ist Prof. Sami Haddadin,der zum 1. April 2018 dem Rufauf den Lehrstuhl für Roboter-wissenschaften und Systemin-telligenz folgen wird.

Heinz Maier-Leibnitz-

Medaille

Prof. Dr. Elisa Resconi, Profes-sorin für Experimentalphysik mitkosmischer Strahlung, wurdefür ihre international herausra-genden Forschungsleistungen inder Neutrino-Astronomie und ih-re erfolgreiche Initiative desDFG-Sonderforschungsbereichs„Neutrinos und Dunkle Materiein der Astro- und Teilchenphy-sik“ ausgezeichnet.

Karl Max von

Bauernfeind-Medaille

Forstoberrat Peter Renoth,Dipl.-Soz. David Schneider,Martina Wayand, M.A., MBA,

Team „aCar Mobility“,Akaflieg München e.V.,Team WARR Hyperloop

Nachwuchspreise der

Johannes B. Ortner-Stiftung

Dr. med. Felix Brandl –Fakultät für Medizin,Dr. Florian Groche –Fakultät für Chemie,Anna Hausner M.Sc. –Ingenieurfakultät BauGeo Umwelt,Dr. Ellen Schmid –TUM School of Management,Dr. Sandra Unterseer –WissenschaftszentrumWeihenstephan,Corinna Wiest M.A. –Fakultät für Architektur

A U S Z E I C H N U N G E N

Im Umfeld der akademischen Jahresfeier erfolgen zahlreiche Aus-zeichnungen für besondere Verdienste.

Edi tor ia l

Liebe Leserinnen und Leser,

Start in das FestjahrAkademische Jahresfeier derTU München

Die Unterschrift der Beteiligtendauerte nur ein paar Sekunden,die Vorarbeiten dagegen mehr alszehn Jahre. Dieses Jahr be-kommt das Leibniz-Rechenzen-trum (LRZ) einen neuen Compu-ter, der in der Weltspitze ist undder Wissenschaft neue Möglich-keiten bietet. Als „Next Genera-tion“ wird SuperMUC-NG demjetzigen SuperMUC folgen undeiner breitgefächerten Wissen-schaftscommunity 26,7 PFlop/sgeballte Rechenpower bieten.Der SuperMUC-NG wird nichtnur eine deutliche Verbesserungder Rechenleistung bringen, son-dern auch die Bewältigung derriesigen Datenmengen („Big Da-ta“) ermöglichen, die in wach-sendem Maße bei Experimentenund Simulationen anfallen. Zurbesseren Integration mit moder-nen Konzepten zur Verarbeitung

und Visualisierung dieser riesigenDatenmengen wird SuperMUC-NG auch an mitgelieferte Cloud-Komponenten gekoppelt.Der neue Höchstleistungsrech-ner wird mit insgesamt mehr als6.400 Lenovo ThinkSystem SD650 DWC Rechenknoten ausge-stattet sein, die auf dem IntelXeon Scalable Prozessor basie-ren. Als Hochgeschwindigkeits-verbindung zwischen den Re-chenknoten wird Intel Omni-Path-Architektur eingesetzt, wo-bei die Netzwerk-Topologie einensogenannten „Fat-Tree“ bildet.Die insgesamt mehr als 300.000Rechenkerne werden eine theo-retische Spitzenrechenleistungvon 26,7 PFlop/s (das sind26.700.000.000.000.000 Gleit-kommaoperationen, also FloatingPoint Operations, pro Sekunde)aufweisen. Das System wird mit

mehr als 700 TByte Hauptspei-cher und mehr als 70 PByte Plat-tenspeicher ausgestattet sein.Dieter Kranzlmüller, Leiter desLRZ, sieht das Rechenzentrumfür die Zukunft bestens ausgerüs-tet: „Der neue Höchstleistungs-rechner SuperMUC-NG wird denWissenschaftlern mehr Leistungbieten, aber auch noch mehrKönnen abverlangen. Mit demneuen System können Forschernoch komplexere wissenschaft-liche Fragestellungen angehen.Dafür bieten wir am LRZ eine in-tensive Betreuung der Forschen-den durch unsere Experten ander Schnittstelle zwischen Fach-community und Informatik. Wirunterstützen die Wissenschaftlerdabei, die nächste Stufe imHöchstleistungsrechnen zu errei-chen. Darauf sind wir sehr gutvorbereitet. Im Zuge des Projek-

tes werden wir die Anwender-unterstützung zudem nochmalsdeutlich verstärken.“Der SuperMUC-NG wird gemein-sam von Bund und Freistaat Bay-ern je zur Hälfte finanziert. DieGesamtkosten des Projektes be-tragen bei einer Laufzeit von sechsJahren 96 Millionen Euro. Darinsind die Kosten für Energie, War-tung und Personal eingeschlos-sen. Bayerns Wissenschaftsmi-nister Ludwig Spaenle: „Fürexzellente Forschung und Ent-wicklung braucht es exzellenteArbeitsbedingungen. Mit demkünftigen HöchstleistungsrechnerSuperMUC-NG begegnen wir die-sem Bedarf und schaffen die Vor-aussetzungen dafür, dass amWissenschaftsstandort Bayern indiesem Bereich weiterhin Spit-zenforschung betrieben werdenkann.“

COMPUTE HARDWARE• Intel Xeon Scalable Standard-Prozessor-Architektur (zwei 24-Core Sockel je Rechenknoten,insgesamt 300.000 Cores)

• 6.400 Lenovo ThinkSystem SD650 DWC Rechenknoten mit je96GByte Hauptspeicher (thinnodes) + 144 Rechenknotenmit je 768 GByte Hauptspei-cher (fat nodes)

• Gesamthauptspeicher: 715TByte• Hochgeschwindigkeits-Netz-werk: Intel Omni-Path 100G

• Netzwerk-Topologie: „Fat-Tree“sorgt für optimale, nichtblo-ckierende Kommunikation zwi-schen den 788 Rechenknoteneiner sog. Insel; für die Kom-munikation zwischen Inselnbesteht ein Blockierungsfaktorvon etwa 4

• Spitzenrechenleistung: 26,7PFlop/s (26.700.000.000.000.000Gleitkommaoperationen proSekunde)

• Erwartete High-Performance-Linpack Leistung: 20,4 PFlop/s

• Gesamtdatenrate aus demHauptspeicher: 1.320 TByte/s

• Bisektionsdatenrate über Om-ni-Path: 21 TByte/s

KÜHLUNG + ENERGIEEFFIZIENZ• Verbesserung der Kühlungsef-fizienz durch Erhöhung des insKühlwasser gebrachten Ab-wärmeanteils

• Einsatz von Adsorptionsküh-lungstechnologie zur Wieder-verwertung von Abwärme

• Energie-optimale Ausführungvon Rechenaufträgen über dy-namische Anpassung von Pro-

zessorfrequenzen während derJob-Laufzeit

SOFTWARE• Betriebssystem: SuSE LinuxEnterprise (HPC Module), Ver-sion 12

• Batch Queuing System aufBasis von SLURM

• Paralleles Filesystem: IBMSpectrum Scale (GPFS)

• Entwicklungsumgebung: Linux+ Intel Parallel Studio XE sowieverschiedene parallele Umge-bungen (Intel MPI, MPICH)

STORAGE• Plattenspeicher: Mehr als 50PByte im parallelen Dateisys-tem, mit einer aggregiertenBandbreite von mehr als 500GByte/s

• Mehr als 20 PByte an Platten-speicher für langfristige Daten-haltung mit erhöhten Ansprü-chen an die Zuverlässigkeit(„Big Data“)

CLOUD-KOMPONENTE• Anbindung einer eigenständigbetriebenen Cloud-Komponen-te mit 64 Knoten von denen 32mit je einer NVIDIA Volta 100GPU ausgestattet sind

• Unterstützung von Nutzer-defi-nierten, virtualisierten Software-Umgebungen mit Zugriff aufSimulationsdaten z. B. für BigData Analytics oder Remote-Visualisierung

• Unterstützung für dynamischeSteuerung von Simulationen(„Computational Steering“)

Die Vertragsunterschrift hat

fünf Sekunden gedauert. Wie

lange dauerte die Überzeu-

gungsarbeit davor?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Das wa-ren Jahre. Ich bin seit zehn Jah-ren am LRZ und damals gab esschon Vorgespräche.“

Wie schwierig ist es denn nun,

den Bund und das Land Bay-

ern für das Projekt zu begeis-

tern?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Es istnicht schwer zu zeigen, dass dieWissenschaft diese Instrumentefür die tägliche Arbeit braucht.Und dieser Computer ist einSuperwerkzeug. Bei dieser Grö-ße ist das auch ein finanziellerKraftakt. Das Vertragswerk um-fasst immerhin mehr als 500Seiten. Dort haben meine Mitar-beiter jede Seite und jedenBuchstaben kontrolliert.“

Wieviel Wunsch wurde denn

in den 500 Seiten umgesetzt?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Ein Ver-trag ist immer ein Kompromiss.Wir sind zuversichtlich, einen gu-ten Deal für die Wissenschaftlergemacht zu haben. Die Wissen-schaft soll das bekommen, wassie braucht.“

Sind Sie mit den Partnern Intel

und Lenovo zufrieden?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Wir ken-nen beide und haben gute Er-fahrungen gemacht. Wir gehenauch davon aus, dass das soweitergeht. Wir haben eine Lö-sung gefunden, die uns guteDienste erweisen wird. Aber na-türlich wünscht man sich immermehr Leistung. Ich sage es malunverschämt: Man hätte unsdas Doppelte anbieten könnenund wir wären nicht böse gewe-sen.“

Die Wissenschaft hätte auch

die doppelte Leistung nutzen

können?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Auf jedenFall.“

Wie kann sich der Laie vorstel-

len, wieviel mehr der Super-

MUC-NG bedeutet?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Jetzt ma-chen wir einen Sprung auf fünf-mal mehr Leistung. Das ist na-türlich ein schöner Schritt nachvorne. Wir haben auch wissen-schaftliche Anforderungen, die20 oder 100 Mal mehr Leistungbenötigen. Deswegen ist derRechner jetzt auch wieder nurein Zwischenschritt. Wir sind

jetzt schon wieder dran, dasnächste und das übernächsteSystem zu planen. Wir hattenkürzlich schon einen Workshopfür das System im Jahr 2024.Wir haben einen Horizont mit derPlanung für sechs bis siebenJahre in die Zukunft.“

Ist das jetzt ein nachrüstbarer

Supercomputer oder braucht

es in drei bzw. sechs Jahren

wieder einen komplett neuen?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Wir ha-ben wie in der Vergangenheitdas Problem, dass die Computereffizienter, stromsparender undkleiner werden. Irgendwo kommtdann der Punkt, dass eine Tech-nologie günstiger kommt, wennman etwas Neues nimmt unddas Alte nicht weiter betreibt.Diesen Punkt haben wir spätes-tens in sechs Jahren erreicht.Darauf müssen wir uns schonjetzt vorbereiten.“

Braucht es für die neue Tech-

nologie auch einen dritten

Würfel?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Derzeitkommen wir mit dem Platz gutaus. Wir lernen jetzt mit den Fir-men zusammen und haben Ge-heimhaltungsverträge über dieTechnologie unterschrieben. Da-

raus ziehen wir die Erfahrungen,was das LRZ in sechs Jahren be-nötigt.“

Stand heute haben Sie mit

dem SuperMUC-NG den dritt-

schnellsten Rechner der Welt.

Wir wissen, dass so Rankings

Ihnen weniger bedeuten als

die Chancen für die Wissen-

schaft.

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Genaudas wollte ich gerade sagen.“

Aber Hand aufs Herz: Ein biss-

chen stolz macht das schon?

Bei dem Olympischen Spielen

kriegt der Dritte eine Medail-

le.

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Es ist ei-ne Liste. Es ist wie ein Rennenin der Formel 1. Da ist es schön,dass einer gewinnt, einer Zwei-ter und einer Dritter wird. Wasmich wirklich freut, ist es, wennunsere Wissenschaftler Weltre-korde mit ihren Forschungenerzielen. Solche Nachrichtenzeigen, dass unsere Arbeit gutwar.“

Ist ein geheilter Krebspatient

wichtiger als der dritte Platz?

Prof. Dr. Kranzlmüller: „Ja, genaudas.“

Vertragsunterschrift für den SuperMUC-NG: (von links) Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller (Vorsitzender des Direkto-riums des Leibniz-Rechenzentrums), Prof. Dr. Thomas Höllmann (Präsident Bayerische Akademie der Wissen-schaften), Charles Wuischpard (Intel), Ludwig Spaenle (Wissenschaftsminister Bayern), Dr. Herbert Huber (LRZ)und Scott Tease (Lenovo).

Der Super-SpeicherVerträge für SuperMUC-NG sind unterschrieben

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 5

FA

KT

EN

SuperMUC-NG

4 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

SuperMUC-NG

„Ein Vertrag ist immer ein Kompromiss“Interview mit Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller zum neuen Supercomputer

Viele Menschen auf dem Gar-

chinger Forschungscampuswer-

den den 17. August 2017 wohl

nie vergessen. An diesem Tag

wurde erstmals die Kollision

von zwei Neutronensternen

beobachtet mit gemessenen

Gravitationswellen. Es war ein

Durchbruch mit mehreren

Glücksfällen für die Astrono-

mie. Der Campusspiegel sprach

nach diesem Ereignis mit Prof.

Dr. Thomas Janka vom Max-

Planck-Institut für Astrophysik

über seine Forschungen, Er-

kenntnisse zum Weltall und

seinen großen wissenschaft-

lichen Traum.

Herr Prof. Dr. Janka, wie ha-

ben Sie den 17. August erlebt?

Prof Dr. Janka: „Da war erstmalnichts Besonderes. Ich war hierim Haus und es war ein ganznormaler Arbeitstag. Das war einDonnerstag und ich habe erstam Freitag in der Kaffeepauseerfahren, dass bei meinen Astro-nomenkollegen seit dem Abenddes Vortages Hektik ausgebro-chen ist. Ich bin ja selbst keinBeobachter, sondern habe theo-retische Modelle entwickelt. Beidem Thema hatte ich inzwischenauch abgebremst, weil wir vie-les schon gemacht hatten.“

Wie war denn Ihre Reaktion

auf die Beobachtungen?

Prof Dr. Janka: „Die erste Infor-mation der Kollegen war, dassein Gammablitz mit einer Kilono-va gesehen wurde. Aber es waralles drei auf einmal: Die Ver-knüpfung eines Gammablitzesmit dem Kilonova genanntenLichtereignis sowie die Messungvon Gravitationswellen. Das warfast nicht zu glauben. Ungläubig-keit war meine erste Reaktion.“

Wie haben Sie die Forschung

in den Tagen und Monaten

nach dem Ereignis erlebt?

Prof. Dr. Janka: „Ich bin da sehrstoisch. Wir haben in den Jah-ren davor schon sehr viel Arbeitin die Theorie hereingesteckt.Die gute Theorie macht man

nicht in der Hinsicht, dann aufeinmal alles hinzuschmeißen.Wir hatten die Theorie erledigtund nun waren die Beobachterdran. Ich war nur am Rande be-teiligt, weil wir in unserem HausBeobachter haben. Elena Pianund Paolo Mazzali hatten direk-ten Zugang zu den VLT-Daten(Anm. d. Redaktion: Very LargeTelescope der ESO) und habenmir immer von den neuen Phä-nomenen berichtet. Ich habeihnen in der Diskussion nur Hin-weise gegeben für die Interpre-tation der Daten.Die Beobachtungsgruppen wur-den ja schon Monate vorherdefiniert und durften ab einemgewissen Zeitpunkt auch keineInformationen mit Externen aus-

tauschen. Das ist bei uns etwaslockerer gegangen, weil dieAstronomen nicht so die Ge-heimniskrämerei betrieben ha-ben. Von den Gravitationswel-len-Leuten hat man ja gar nichtsgehört.Erst sechs Wochen später habeich genauer erfahren, in welcheRichtung die Messung der Gravi-tationswellen gegangen ist undwieviel Masse bei dem Ereignisgemessen wurde. Dann habenwir angefangen, das genauer zuuntersuchen. Das geschah mitmeinem ehemaligen Doktoran-den Andreas Bauswein, der jetztin Heidelberg ist, und mit OliverJust in Japan. Wir haben die Gra-vitationswellensignatur hinsicht-lich der Einschränkungen aufdie Neutronensternzustandsglei-chung ausgewertet. Da ist mitt-lerweile auch eine Publikationerschienen.“

Jetzt haben wir etwas Ab-

stand. Wie weit hat die Praxis

Ihre theoretischen Modelle

denn bestätigt?

Prof. Dr. Janka: „Wenn man imDetail nachschürft, dann klem-men schon einige Dinge. Daskann auch damit zusammenhän-gen, dass es ein so spezielles Er-eignis war, dass viele der gene-risch erwarteten Bedingungen indem speziellen Fall nicht erfülltsind. Manche Ansätze der Erklä-rung sind natürlich auch zu ver-bessern.Bei dem Blick auf die Detailssind vor allem zwei Aspekte zunennen. Zum einen sind dasdie etwas unorthodoxen Eigen-schaften des gesehenen Gam-mablitzes. Den haben wir sichernicht entlang des Gammablitz-strahls gesehen. Wir waren 20bis 30 Grad von der Achse ent-fernt und können einen Teil derungewöhnlichen Eigenschaftendes Gammablitzes durch den Be-obachtungswinkel erklären. Viel-leicht war das aber auch keinnormaler Gammablitz, sondernein assoziiertes Ereignis, dasman so noch nicht gesehen hat.Die bisher gesehenen Gamma-blitze waren viel weiter weg undwurden daher nur entlang derAchse gesehen.Der zweite merkwürdige Punktist die Kilonova. Hier gibt es ge-rade einen Streit zwischen eini-gen Astronomengruppen bei derInterpretation der Daten, wie vie-le Komponenten freigesetzt wur-den. Man muss sich das so vor-stellen: Die Neutronensterne spi-ralieren zueinander, kollidierenund dann erfolgt der Massen-ausstoß in einer ersten Phase.Doch dann bleibt ein Überrest,der für einige Bruchteile einerSekunde einen massereichenNeutronenstern bildet. Dieser istvermutlich dann zu einemschwarzen Loch kollabiert undstößt in den Phasen davor unddanach noch einmal Materie aus.Das ist die Theorie.Aber jetzt streiten sich die Beob-achter, wie viele Phasen von aus-geschleudertem Material mannun wirklich sieht. Die einen se-hen eine, manche aber auchzwei oder sogar drei. Da wirdman noch viel zu tun haben, dieModelle zu verfeinern. UnsTheoretikern sind noch vieleHausaufgaben von dem Burstgestellt.“

Es müssen also noch einige

Explosionen von Neutronen-

sternen beobachtet werden,

um endgültige Ergebnisse zu

bekommen…

Prof. Dr. Janka: „Genau. Ein Er-eignis ist nicht so aufschluss-reich, dass man das alles verall-gemeinern sollte. Man brauchtnoch andere Ereignisse, umUnterschiede und Wiederholun-gen zu sehen.“

Hat man nach diesem ersten

Ereignis nun eine Idee, wie

weitere aufgespürt werden

können? Oder braucht es ein-

fach nur Glück?

Prof. Dr. Janka: „Nein, manbraucht nicht nur Glück. DieMessungen von Gravitations-wellen werden verfeinert mit dernächsten Sensitivitätsstufe, die

für August dieses Jahres vorge-sehen war. Das wird verschoben,weil jetzt erst einmal die Daten-Pipelines automatisiert werdenmüssen. Händisch geht das nichtmehr. 2019 werden die Beob-achter dann doppelt so weit insUniversum sehen mit dem zehn-fachen Volumen. Selbst bei pes-simistischer Sichtweise hat manein bis zwei Ereignisse pro Jahrund mit Glück könnten es jähr-lich 50 Gravitationswellen sein.Und dann wäre die Frage, wie-viele Kilonovae man sehen wür-de, also die elektromagnetischeAbstrahlung. Da habe ich kürz-lich bei einem Kongress in SantaBarbara und auch von JochenGreiner (Anm. d. Redaktion: Erarbeitet am Max-Planck-Institutfür extraterrestrische Physik undist einer der leitenden Wissen-schaftler am Burst Monitor desFermi Gamma-ray Space Tele-scope) gehört, dass man in Ent-fernungen bis 500 MillionenLichtjahre jede Kilonova sehenkann, wenn man danach suchtund vor allem, wenn man weiß,was man suchen muss. Mit demEreignis 2017 haben sich die Be-obachter jetzt darauf eingestellt.Es wird jetzt einen Rausch beider Suche nach solchen Ereig-nissen geben. Die Wahrschein-lichkeit, künftig weitere Kilono-vae mit Gravitationswellen zu fin-den, ist hoch.Bei den Gammablitzen sieht dasanders aus. Da sieht man vermut-lich nur die, bei denen wir nichtzu weit von der Achse entferntsind. Ein paar schwache Gamma-blitze sind aber auch in den nächs-ten Jahren zu erwarten.“

Was hat Sie bei dem Ereignis

von 2017 überrascht?

Prof. Dr. Janka: „Da war nichtswirklich überraschend. Seit 1995betreibe ich nun schon mehr als20 Jahre Theorie-Arbeit. Wirwussten, was uns erwartet.Überrascht hat mich nur, dasswir jetzt den Gammablitz, dieKilonova und die Gravitations-wellen zusammen beim erstenEreignis hatten. Wir wusstenvon den drei Phänomenen undsind daher nicht von einer Situa-tion überrascht worden, die wirgar nicht erwartet hätten. Ichhätte aber eher gedacht, dasserst 2019 solche Beobachtungengemacht werden.“

Aus diesem Ereignis dürften

sich nun auch neue Fragen für

Ihre Arbeit ergeben?

Prof. Dr. Janka: „Das mit Sicher-heit. Die hauptsächliche Frage istdie der Grundlagenphysik fürdie Neutronensternzustandsglei-chung, die wir noch nicht ken-nen. Da gibt es ja viele konkur-rierende Modelle. Mit den nächs-ten Messungen von Gravita-tionswellen wird es eine Flut vonDaten geben für diese Neutro-nensternzustandsgleichung. Wirwissen auch noch nicht, ob derAusstoß der Materie angerei-chert ist mit Platin, Gold, Uranund Thorium, den schwerstenbekannten Elementen. Wir ha-ben Indizien dafür, aber noch kei-ne Beweise. Die Hinweise sindaber eindeutig, dass Elementeschwerer als Eisen ausgestoßenwurden.“

Ein weltbekannter Experteder Astroforschung:Prof. Dr. Thomas Janka.

„Die galaktische Supernovaist eigentlich überfällig“Interview mit Prof. Dr. Thomas Janka über das besondereAstronomie-Jahr 2017, neue Fragen für die Wissenschaft undseinen großen Traum

Physiker des von der TUMünchen (TUM) geführtenSonderforschungsbereichs1258 „Neutrinos und Dunk-le Materie“ konnten dieNachwirkungen dieses Er-eignisses aufzeichnen. Erst-mals können nun Theorienzum genauen Verlauf derVerschmelzung überprüftwerden – und die theore-tischen Modelle zu denGrößen, Massen und Mate-rieeigenschaften von Neu-tronensternen.Die Verschmelzung vonzwei Neutronensternen er-eignete sich in der GalaxieNGC4993, rund 130 Millio-nen Lichtjahre entfernt vonder Erde. Die Gravitations-wellen dieses gewaltigenEreignisses wurden vondem amerikanischen LaserInterferometer GravitationalWave Observatory (LIGO)und seinem europäischenSchwesterinstrument VIR-GO am 17. August 2017aufgezeichnet (GW170817).Begleitet wurde dieses Er-eignis von einem kurzen,weniger als zwei Sekundendauernden Gammastrahlen-ausbruch (Gamma-ray burst)(GRB170817A).

DasEreignis

Prof. Dr. Janka

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 7

Interview

6 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Durch die Verschmelzung zweier Neutronensterne entsteht eine heftige Explosion,die als Kilonova bezeichnet wird. Von einem solchen Ereignis wird erwartet, dassschwere chemische Elemente ins Weltall gelangen. Dieses Bild zeigt einige dieserElemente mit ihren Ordnungszahlen. Bild: ESO/L. Calçada/M. Kornmesser

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 9

Interview

8 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Prof. Dr. Janka

fruchtbar. Wir leben in der Astro-physik davon, dass wir unsöffnen für viele parallele Entwick-lungen.“

Welche Ziele verfolgen Sie

2018?

Prof. Dr. Janka: „Wir sind im vier-ten Jahr meines ERC-Grants undwerden das Supernova-Projektabschließen. Wir werden die Er-gebnisse zusammenfassen undversuchen, Supernovae mit un-seren dreidimensionalen Model-len zu erklären. Wir werdenaußerdem mit einem neuenNeutrino-Schema von einemmeiner Doktoranden erste ver-besserte Modelle für Neutronen-sternkollisionen rechnen undwollen damit die Komponentender Materie besser erklären, diebei der Kollision der Neutronen-sterne ausgeschleudert wird.“

Und was ist Ihr großer Traum,

den Sie in der beruflichen Kar-

riere noch erleben möchten?

Prof. Dr. Janka: „Das ist die einegalaktische Supernova. Die Super-nova 1987A habe ich als Dokto-rand miterlebt und das Ereignisvom vergangenen Jahr war einTraum. Bis zu meiner Rente wür-de ich mir noch eine galaktischeSupernova in unserer Milchstra-ße wünschen mit einem klaren,deutlichen Neutrinosignal undvielleicht einer Gravitationswel-le.“

Die Kollision der Neutronen-

sterne haben Sie für 2019

erwartet, wann wäre die galak-

tische Supernova dran?

Prof. Dr. Janka: „In den nächstenzehn Jahren bis zu meiner Ver-rentung eben (lacht). Die letztegalaktische Supernova ist nach-gewiesen durch ihren Überrestim späten 19. Jahrhundert. Diehat man nicht sehen können. Dienächste galaktische Supernovakönnen wir nicht vorhersagen,aber die Schätzung ist zirka einEreignis in 50 Jahren. Eine ga-laktische Supernova ist eigent-lich überfällig. Wir warten sehn-süchtig darauf und ich hab es imGespür, dass wir eine solche ga-laktische Supernova in den nächs-ten zehn Jahren bekommen.“

Vielen Dank für dieses Ge-

spräch.

Was vermuten Sie?

Prof. Dr. Janka: „Ich denke, dasist die Hauptquelle für die Ent-stehung aller schweren undschwersten Elemente. Die ha-ben wir nach 70 Jahren For-schung nun identifiziert.“

Welche Rückschlüsse kann

man auf die Entstehung des

großen Ganzen ziehen?

Prof. Dr. Janka: „Das Ereignishilft, die Hubble-Konstante ein-zuschränken für die Expansions-geschwindigkeit des Univer-sums. Mit den Gravitationswel-lenmessungen sind Aussagenüber die Hubble-Konstante mög-lich und man lernt damit auch et-was über das Universum. Durchdie ausgestoßenen Elementegewinnen wir zudem ein besse-res Verständnis über die chemi-sche Entwicklung des Univer-sums. Die Entstehungsprozesseund -orte der chemischen Ele-mente stellen eine wesentlicheFrage dar. Bei den meisten Ele-menten kennen wir diese schonlange, aber eben nicht im Falleder schweren Elemente. Wir ha-ben also etwas Grundsätzlichesdazugelernt.“

Kommen wir zur Gegenwart

von Ihnen. An welcher For-

schung arbeiten Sie derzeit?

Prof. Dr. Janka: „Mein Hauptge-biet mit einem von der Europä-ischen Union geförderten ERC-Grant sind die Supernovae, diefinalen Explosionen masserei-

cher Sterne. Vor allem geht esum die Frage, warum solcheSterne explodieren. Der Mecha-nismus ist eine seit über 60Jahren ungelöste Frage mitverschiedenen Ansätzen. Wirversuchen die grundlegendenElemente der Theorie an dieBeobachtung heranzuführen.“

Wie funktioniert denn die Zu-

sammenarbeit hier auf dem

Campus?

Prof. Dr. Janka: „Bei der For-schung zu Supernovae haben wirgute Kontakte mit der ESO undauch wöchentliche Seminare.Wir sind auf dem Weg dahin,das Interface zwischen den the-oretischen Modellen und der Be-obachtung richtig aufzubauen.Meine historisch bedingt stär-keren Kontakte bestehen zurGrundlagenphysik, also der Kern-und Neutrinophysik. Neutrinosspielen bei allen solchen Ereig-nissen eine große Rolle und dieKernphysik ist essentiell für deninneren Aufbau von Neutronen-sternen.“

Die Experten sitzen hier alle an

einer Straße. Welche Bedeu-

tung hat dieses Netzwerk?

Prof. Dr. Janka: „Wir haben hierdie Leute, die die neuesten Ent-wicklungen auf den verschiede-nen Sektoren beobachten undantreiben. Als Astrophysiker kon-struieren wir am Computer dieModelle, mit denen Prozesse inexplodierenden Sternen nachge-rechnet werden. Dafür braucht

es dann den Input von unserenKollegen der Physik. Die Zu-sammenarbeit mit den Kollegenhier an der TUM im Kern-/Teilchensektor oder dem Max-Planck-Institut für Physik in Mün-chen ist essentiell, um auf demneuesten Stand zu bleiben. Siewird durch einen neuen Sonder-forschungsbereich zum Thema„Neutrinos und Dunkle Materie“weiter intensiviert.Und auf der anderen Seite gibtes die Verknüpfungen mit denBeobachtern, die uns Daten lie-fern. Von der ESO kamen jüngstwieder neue Daten zur Superno-va 1987A, die vor 30 Jahren ex-plodiert ist und deren Überrestbeobachtet wird.“

Die Synergieeffekte werden

also größer?

Prof. Dr. Janka: „Ja. Das August-Ereignis war der Anknüpfungs-punkt an unsere 20 Jahre andau-ernde Theoriearbeit. Wir warendavor reine Exoten und es be-stand wenig Interesse der Beob-achter. Bis zum 17. August hatsich kaum jemand für die Ver-schmelzung von Neutronenster-nen interessiert. Ich habe etlicheAnträge abgelehnt bekommen,wo wir nach den Kilonovae su-chen wollten. Die Hälfte der An-träge wurde abgelehnt, weil mandie Beobachtungszeit dafür ein-fach nicht hergeben wollte. Be-obachter sind immer sehr fokus-siert auf das, was sie geradevor der Nase haben. Und jetztwächst das Interesse an solchenBeobachtungen.“

Welche Rolle spielt nun der

öffentliche Druck?

Prof. Dr. Janka: „Es ist eher dieSemi-Öffentlichkeit durch dieFunding Agencies, die Geldge-ber für Projekte. Sie stellen dieverbreiterte Öffentlichkeit dar. Dakommt man mit Anträgen leich-ter durch, wenn sich bis zu die-sen Leuten herumgesprochenhat, dass es sich um etwas ganzWichtiges handelt. Ich bin keinFreund solcher Modewellen, mitdenen sich die Wissenschaft kei-nen Gefallen tut. Wir hatten im-mer so Modewellen. Das warvor 20 Jahren die Gammablitz-forschung und ist jetzt die Ver-schmelzung der Neutronenster-ne. So eine Modewelle ersticktvieles anderes und ist nicht so

Prof. Dr.Thomas JankaArbeitsgebiete:

Supernovatheorie, Gamma-blitze, Neutrino-Astrophysik,nukleare Astrophysik,numerische AstrophysikLehre an der TU München:

Astro-Teilchenphysik,Theoretische Astrophysik,Physik von Neutronenster-nen, Strahlungs- undNeutrinotransportNebenamtlich:

Öffentlichkeitsarbeit am MPIfür Astrophysikseit 2003:

Mitglied im Editorial Boarddes „Journal of Cosmologyand Astroparticle Physics“(JCAP)seit 2013:

Mitglied im Beirat von „Ster-ne und Weltraum“ (SuW)

Auszeichnungen:

1980 –1985 BayerischeBegabtenförderung1991 Otto-Hahn Medaille derMax-Planck-Gesellschaft1993 Heinz-Billing-Preis fürwissenschaftliches Rechnen(zusammen mit E. Müllerund M. Ruffert)2002 Goldene Kreide für diebeste Spezialvorlesung inPhysik an der TUM(mit F. von Feilitzsch)2004 ORNL Awards NightFinalist for Excellence inScience and Technology2011 Hanno und RuthRoelin-Preis für Wissen-schaftspublizistik (für dasBuch „Supernovae undkosmische Gammablitze“)2013Max Planck Award –Hidden Treasures? 2. Preis(zusammen mit F. Hanke,B. Müller (MPA) undE. Erastova, A. Marek,M. Rampp (RZG))2013 Goldene Kreide in derKategorie beste Spezialvor-lesung in der theoretischenPhysik an der TUM für„Explodierende Sterne“ imWS 2012/132013 ERC Advanced Grantfür das Forschungsprojekt„Modeling Stellar Collapseand Explosion: EvolvingProgenitor Stars to Super-nova Remnants“

Der Krebsnebel mit dem Krebs-Pulsar,gasförmiger und kompakter Überresteiner Supernova-Explosion im Jahr1054. Relativistische Teilchen, die derPulsar beschleunigt, bringen das Gasselbst 950 Jahre nach der Explosionzum Leuchten. Quelle: ESO

Eine Doktorarbeit an der TUMünchen (TUM) bereitet optimalauf den Berufseinstieg vor. Diessagen die Promovierten selbst.In einer Studie der EuropeanScience Foundation (ESF) wur-den promovierte Absolventenvon neun europäischen For-schungseinrichtungen befragt.Die meisten arbeiten in Jobs mitForschungsaufgaben – wer ander TUM promoviert hat, häufi-ger in der Wirtschaft als in derWissenschaft.Immer mehr Promovierendewerden während ihrer Doktorar-beit in Graduiertenschulen be-treut und gefördert. Die Europe-an Science Foundation hat nunrund 2.000 Ehemalige befragt,darunter mehr als 1.000 Perso-nen, die zwischen 2010 und2016 ihre Doktorarbeit an derTUM abgeschlossen haben. Un-

ter den befragten Promoviertender TUM herrscht Vollbeschäfti-gung: 96 Prozent haben einenJob (alle in der Studie Befragte:95 %). Sie sind auf dem Arbeits-markt so stark nachgefragt, dass74 Prozent spätestens einen Mo-nat nach Abschluss der Promo-tion in den Beruf einsteigenkonnten (alle: 66 %). Rund 40Prozent tragen bereits Personal-verantwortung (alle: 35 %).Die Hälfte (49 %) der an der TUMPromovierten arbeitet in derWirtschaft, gut ein Drittel (36 %)in Universitäten und anderen For-schungseinrichtungen. Auch vonden Beschäftigten in der Wirt-schaft haben mehr als 40 Pro-zent Forschungsaufgaben. DieZahlen zeigen, dass die TUMdeutlich mehr als andere Univer-sitäten höchstqualifizierte Fach-kräfte für die forschende Indus-

trie ausbildet. Von allen Befrag-ten der Studie arbeiten nur 17Prozent in der Wirtschaft.Ihre Doktorarbeit an der TUM se-hen die Befragten als wichtigenBaustein für ihre Karriere. 85 Pro-zent derjenigen, die in Wissen-schaft oder Wirtschaft forschen,und drei Viertel aller TUM-Alumnifühlen sich durch die Promotiongut oder sehr gut auf ihren ers-ten Job vorbereitet. Eine großeMehrheit der Befragten (85 %)würde wieder promovieren.

Graduiertenschulen – Kern-

punkt der Exzellenzinitiative

„Die Studie weist nach, dass derDoktorgrad der TUM ein vorzüg-liches Markensiegel ist, das fürdie Forschungsabteilungen derIndustrie bestens qualifiziert“,sagt Prof. Dr. Wolfgang A. Herr-

mann, Präsident der TUM. MitGraduiertenschulen die Qualitätder Promotionen zu erhöhen,war ein Kernpunkt in den erstenbeiden Runden der Exzellenzini-tiative. Die TUM hat 2009 dieTUM Graduate School eingerich-tet als Dach ihrer einzelnen Gra-duiertenzentren. Die GraduateSchool sichert hohe Qualitäts-standards.Jeweils rund zwei Drittel der be-fragten Absolventen bewertetendie Förderung von Auslandsauf-enthalten und die überfachlichenKurse als besonders gewinnbrin-gend.Derzeit promovieren mehr als6.000 Doktoranden an der TUM.2016 wurden mehr als 1.000Promotionen abgeschlossen.Seit 2014 sind alle neuen Pro-movierenden Mitglieder der Gra-duate School.

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 1110 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Aus der Forschung Aus dem Campusleben

Auf der Suche nach neuen Stra-tegien gegen lebensgefährlicheTuberkulose-Infektionen hat einTeam der TU München (TUM),der Harvard University und derTexas A&M University einenneuen Verbündeten entdeckt.Sie fanden eine Substanz, dieden Aufbau der Zellmembrandes Bakteriums stört. Es wirktselbst schon in geringer Konzen-tration und in Kombination mit ei-nem bereits bekannten Antibioti-kum verstärkt es die Wirkungum den Faktor 100.Eine der größten Herausforderun-gen bei der Behandlung lebens-gefährlicher Tuberkulose-Infek-tionen ist die wachsende Zahlvon Antibiotika-Resistenzen. Aberauch der Erreger selbst macht esden Medizinern schwer. Seinedichte Mykomembran mindert die

Wirkung vieler Pharmaka. Ange-führt von Stephan A. Sieber, Pro-fessor für Organische Chemie ander TU München, haben Wissen-schaftler eine Substanz entdeckt,die gerade den Aufbau dieserMembran empfindlich stört.Die Mykomembran des Tuberku-lose-Erregers Mycobacterium tu-berculosis ist eine Lipid-Doppel-schicht, die die Zellwand umhülltund eine äußere Barriere bildet.Ein wesentlicher Strukturbausteinsind Mykolsäuren, verzweigteß-Hydroxy-Fettsäuren mit zweilangen Kohlenwasserstoffketten.Ähnlich aufgebaute beta-Lakto-ne sollten, so die Hypothese desTeams, sich als Mykolsäure „tar-nen“, den gleichen Stoffwech-selweg wie diese gehen unddie entscheidenden Enzyme blo-ckieren können.

Hilfreicher Störenfried

Im Rahmen einer umfangreichenSuche landete die interdisziplinä-re Wissenschaftlergruppe mitdem beta-Lakton „EZ120“ einenVolltreffer. Tatsächlich hemmt esdie Biosynthese der Mykomem-bran und tötet Mykobakterieneffektiv ab.Dr. Johannes Lehmann, Mitar-beiter am Lehrstuhl für Organi-sche Chemie II, konnte währendseiner Promotion mithilfe vonEnzymtests und massenspektro-metrischen Untersuchungen zei-gen, dass der neue Inhibitor vorallem die Enzyme Pks13 undAg85 blockiert, die eine ent-scheidende Rolle beim Aufbauder Mykomembran spielen.EZ120 wirkt bereits in geringerDosis, kann die Mykomembra-

nen gut überwinden und zeigtnur eine geringe Toxizität gegen-über menschlichen Zellen. Wirddie Substanz gemeinsam mit be-kannten Antibiotika verabreicht,steigert es deren Wirksamkeiterheblich.„Vancomycin, ein gängiges Anti-biotikum, und EZ120 arbeitenhervorragend zusammen“, sagtProf. Sieber, Inhaber des Lehr-stuhls für Organische Chemie IIder TUM. „Bei einer gemeinsa-men Anwendung lässt sich dieeingesetzte Dosis um mehr alsdas 100-fache reduzieren.“ DieWissenschaftler vermuten, dassdie Schwächung der Mykomem-bran die Antibiotika leichter indie Bakterien eindringen lässt.Dies könnte ein Ansatzpunkt fürneuartige Tuberkulose-Therapiensein.

Doppelschlag gegenTuberkuloseBeta-Lakton stört Mykomembran-Biosyntheseund verstärkt Antibiotikawirkung

Dr. Johannes Lehmann (links) und Prof.Sephan A. Sieber begutachten Tester-gebnisse zur antibakteriellen Wirkungverschiedener Substanzen.Foto: Christian Fetzer / TUM

Promovierte starten erfolgreich ins Berufsleben

C A M P U S S P I E G E L 7/2017 1312 C A M P U S S P I E G E L 7/2017

Aus dem Garchinger Rathaus

Eine der grundlegenden Voraus-setzungen für das Leben auf derErde ist die Fähigkeit der Lebe-wesen, sich an wechselnde Um-gebungsbedingungen anzupas-sen. Physiker der TU München(TUM) und der Universität vonKalifornien in San Diego (UCSD)haben nun herausgefunden, dassdie Regelmechanismen, die einBakterium nutzt, um sich anunterschiedliche Umgebungenanpassen, auf einem globalenKontrollprozess basieren undsich mit einer einzigen Gleichungbeschreiben lassen.Auf der Erde ändern sich Um-weltbedingungen wie Tempera-tur, Licht, Verfügbarkeit von Nah-rung und viele andere Parameterdauernd. Jeder Organismus undsogar jede Zelle hat daher un-zählige Mechanismen, um sichdiesen Änderungen anzupassen.Eines der am besten untersuch-ten Beispiele ist Escherichia Coli,ein Bakterium, das auch imDarm des Menschen lebt. Stünd-lich ändert sich das Nahrungsan-gebot. Um zu überleben, mussdas Bakterium auf die wechseln-den Bedingungen reagieren kön-nen.Jacques Monod erhielt 1965den Nobelpreis für den Nach-weis, dass sich Bakterien an-passen, indem sie je nach Be-darf unterschiedliche Proteineherstellen. Beispielsweise syn-thetisieren sie ein Enzym zurSpaltung des Milchzuckers Lak-tose, wenn die Nahrung Lakto-se enthält. Allerdings ist es trotz

großen Interesses und gewalti-ger Forschungsanstrengungenüber mehr als ein halbes Jahr-hundert nicht gelungen, die bio-chemischen Details dieses kom-plizierten Regelmechanismusvollständig aufzuklären und da-mit zu verstehen.

Kinetik der Anpassung

Die Teams von Ulrich Gerland,Professor im Physik-Departmentder TU München und ProfessorTerence Hwa von der UCSD kon-zentrierten sich daher auf diegrundsätzlichen Mechanismender Regulierung und weniger aufdie molekularen Details der Re-aktionsketten. Sie stellten sichdie Frage: Wie schnell passensich Bakterien Änderungen ihrerUmgebung an?Im Labor erforschten sie dasWachstum der Bakterien, indemsie zunächst wenig und dannplötzlich reichlich Nahrung zurVerfügung stellten – und umge-kehrt. Das Wachstum der Bak-terien reagiert darauf mit einerVerzögerung, die auf dem An-passungsprozess beruht.Versorgten sie ihre Bakterien zu-nächst mit einer bestimmtenSorte Nahrung und später mitanderen Nährstoffen, verlang-samt sich das Wachstum vor-übergehend, obwohl immer aus-reichend Nahrung vorhanden ist.Der Grund: Die Bakterien müs-sen zunächst ihre Verdauungumstellen. Sie passen dazu dieKonzentration bestimmter Enzy-

me an – und deren Synthesedauert eine Zeit.

Das Modell des

Fließgleichgewichts

Um die Mechanismen der An-passung genauer aufzuklären,entwickelten die Physiker einModell. In einem Top-down-An-satz verwendet dieses lediglichqualitatives Wissen über die bio-chemischen Details der Regula-tionsmechanismen. Es bilanziertden Stofffluss in der Zelle underlaubt es, Gleichungen für denMaterialtransport aufzustellen.Unter Berücksichtigung der Stoff-bilanz gelang es den Wissen-schaftlern, die unterschiedlichenRegelmechanismen zu einer glo-balen Differenzialgleichung zu-sammenzufassen.

„Unser Modell des Fließgleich-gewichts der Regulierung be-schreibt die zeitlichen Verläufeder Anpassungsprozesse an sichändernde Nahrungsangebotewie Erhöhung, Senkung oderWechsel des Nährstoffangebotsquantitativ und ohne anpassbareParameter richtig“, fasst UlrichGerland die Ergebnisse der Stu-die zusammen.„Offenbar hängt die Kinetik derWachstumsanpassung gar nichtvon mikroskopischen Details dereinzelnen biochemischen Reak-tionen ab, sondern folgt einer glo-balen Strategie für die Umvertei-lung von Ressourcen für die Pro-teinsynthese“, sagt Ulrich Ger-land. „Damit könnte unser theo-retisches Modell auch für eineReihe von ähnlichen kinetischenVorgängen anwendbar sein.“

Die französische Plasmaphysike-rin Dr. Pascale Hennequin zähltzu den fünf herausragenden Wis-senschaftlern, die von der Helm-holtz-Gemeinschaft mit demHelmholtz International FellowAward ausgezeichnet wurden.Ihr Preisgeld finanziert For-schungsaufenthalte im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik(IPP) in Garching.

Die vom IPP für diese Ehrungvorgeschlagene Wissenschaft-lerin ist Plasmaphysikerin amfranzösischen Laboratoire dePhysique des Plasmas der EcolePolytechnique in Palaiseau undinternational renommierte Spezi-alistin auf dem Gebiet der Plas-madiagnostik und nichtlinearenPlasmadynamik.Ihr Forschungsthema ist die Tur-bulenz in magnetisch einge-schlossenen Fusionsplasmen.Die kleinen Wirbel können denEinschluss der Plasmateilchenim Magnetfeld empfindlich stö-ren und für einen schnellenTransport vom heißen Zentrumnach außen in die kalten Regio-nen des Plasmarandes sorgen.Um diese Vorgänge steuern zukönnen, ist es wichtig, sie genauzu verstehen.

Zu diesem Zweck entwickeltePascale Hennequin Messverfah-ren, die die Turbulenz im Plasmaberührungsfrei mit eingestrahl-tem Laserlicht oder Mikrowellenbeobachten. Mit ihrer Hilfe hatsie das Plasma in zahlreichen Fu-sionsanlagen untersucht, darun-ter TCV in der Schweiz, Tore Su-pra in Frankreich und seit 2013 –im Rahmen eines virtuellenHelmholtz-Instituts – auch AS-DEX Upgrade in Garching. An-hand der Messergebnisse lassensich numerische Simulationender Plasmaturbulenz testen. Siesollen das Plasmaverhalten ingrößeren Anlagen wie dem inter-nationalen Testreaktor ITER odereinem Demonstrationskraftwerkvorhersagen.Pascale Hennequin bekommt ne-ben einem Preisgeld von 20.000

Euro auch die Einladung zu For-schungsaufenthalten im IPP, umdie bisherige fruchtbare Koope-ration an ASDEX Upgrade zu ver-stärken.

Hintergrund

Ziel der Fusionsforschung ist es,ein klima- und umweltfreundli-ches Kraftwerk zu entwickeln.Ähnlich wie die Sonne soll esaus der Verschmelzung vonAtomkernen Energie gewinnen.Weil das Fusionsfeuer erst beiTemperaturen über 100 MillionenGrad zündet, darf der Brennstoff– ein dünnes Wasserstoffplasma– nicht in Kontakt mit kalten Ge-fäßwänden kommen. Von Mag-netfeldern gehalten, schwebt ernahezu berührungsfrei im Inne-ren einer Vakuumkammer.

Helmholtz International Fellowkommt ins IPP

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 15

Aus dem Campusleben

14 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Prof. Dr. Sibylle Günter, die Wis-senschaftliche Direktorin desMax-Planck-Instituts für Plasma-physik (IPP) in Garching undGreifswald, wurde als korres-pondierendes Mitglied in die

Schweizerische Akademie derTechnischen Wissenschaften(SATW) gewählt.Die SATW versteht sich als poli-tisch unabhängiges, nicht kom-merzielles Netzwerk von Per-sönlichkeiten und Gesellschaftenaus Wissenschaft und Industrie.Ihr Ziel ist es, relevante techno-logische Entwicklungen zu iden-tifizieren und Politik und Gesell-schaft über deren Bedeutungund Konsequenzen zu informie-ren. Die SATW zählt rund 340Einzelmitglieder sowie 50 Mit-gliedsgesellschaften. Zu korres-

pondierenden Mitgliedern kön-nen Personen gewählt werden,die im Ausland in hervorragen-der Weise technisch-wissen-schaftlich tätig sind.Sibylle Günter kam nach demStudium der Physik in Rostockund Forschungsaufenthalten inden USA 1996 in das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik.2000 wurde Sibylle Günter alsWissenschaftliches Mitglied derMax-Planck-Gesellschaft und Lei-terin des IPP-Bereichs Tokamak-theorie berufen, 2011 zur Wis-senschaftlichen Direktorin des

IPP und Vorsitzenden des Direk-toriums gewählt. Sie ist apl. Pro-fessorin an der Universität Ros-tock und Honorarprofessorin ander TU München sowie Mitgliedder Deutschen Akademie derTechnikwissenschaften (Acatech)und der Academia Europaea.Seit Januar 2018 ist Sibylle Gün-ter nun auch korrespondierendesMitglied der SchweizerischenAkademie der Technischen Wis-senschaften. Die Urkunde wirdsie auf der nächsten Mitglieder-versammlung der Akademie imMai 2018 erhalten.

IPP-Direktorin Sibylle Günter wirdMitglied der Schweizerischen Akademieder Technischen Wissenschaften

Bakterienkulturen im Temperierbad. Reak-tionen auf ein wechselndes Nährstoffange-bot ermöglichen Rückschlüsse auf derenRegulierung.Foto: Johannes Wiedersich / TUM

CAMPUSSPIEGELAusgabe Februar 2018

Aus dem Campusleben

Wie passen sich Bakterien an?Bakterieller Kontrollmechanismus zur Anpassung anwechselnde Bedingungen

Dr. Pascale Hennequin Foto: LPP

Prof. Dr. Sibylle GünterFoto: IPP, Silke Winkler

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 1716 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Aus dem Campusleben

Die TU München (TUM) bringt

ihre Start-ups ins Silicon Val-

ley. Zehn Tage lang haben fünf

Teams ein Netzwerk in der

Gründungsszene geknüpft, sich

mit Führungskräften der Glo-

bal Player ausgetauscht und

von Experten gelernt. Isabell

Franck vom Datenanalyse-

Spezialisten IPT und Artem

Kuchukov vom Bautechno-

logie-Unternehmen KEWAZO

waren beim ersten „US Ven-

ture Program“ dabei. Im Inter-

view erzählen sie von ihren

Erfahrungen.

Herr Kuchukov, vor neun Mo-

naten haben Sie noch studiert,

jetzt haben Sie Ihr Unterneh-

men im gelobten Start-up-

Land vor Publikum und einer

Jury aus Gründungsexperten

und Investoren präsentiert.

Wie hoch war Ihr Puls?

Kuchukov: „Ich war eigentlichganz entspannt, weil es im Sili-con Valley beim Pitch noch garnicht so sehr auf Produktdetailsund Zahlen ankommt. Dort ver-kaufst Du Deine Vision, währendwir in Deutschland von Investo-ren gefragt werden, was unsereProdukttests ergeben haben. Dasliegt auch daran, dass es in denUSA so viel Kapital gibt, dass dieGeldgeber möglichst früh einstei-gen wollen, bevor jemand ande-res die Chance nutzt.“

Franck: „In den USA fragen dieInvestoren auch ganz anders, vielmehr zur Person als über dasUnternehmen. Ich wurde ge-fragt, was ich in meiner Freizeitmache – und als ich erzählt habe,dass ich Fußball spiele, habensie sogar noch nach meinerPosition gefragt.“

Klingt nach einem Vorstel-

lungsgespräch.

Kuchukov: „Wir haben erlebt,dass Investoren in den USA einviel engeres Verhältnis zu denGründern haben und auch ein-fach mal persönlich vorbeischau-en. Ein wenig wie Aufsichtsräte.Man bekommt viel positiven In-put, es kann aber natürlich auchmal unangenehm werden.“

Franck: „Der Austausch kommtauch viel schneller in Gang. Mantrifft sich zum ersten Mal undhat am nächsten Tag schon zehnNachrichten ausgetauscht. Zudem Investor mit der Fußballfra-ge haben wir weiterhin einenguten Draht. Er spielt übrigensselbst Fußball. Ich habe ihn danneinfach auch nach seinen Frei-zeitaktivitäten gefragt.“

Eröffnen Sie jetzt eine Nieder-

lassung in San Francisco?

Franck: „Die potenziellen Kundenund andere Start-ups aus derAutomobilbranche haben uns ge-sagt, dass sie alle nach Deutsch-land schauen und abwarten, wasdort erfolgreich ist. Damit hatteich so nicht gerechnet. Wir wer-den also Schritt für Schritt vor-gehen.“

Kuchukov: „Auch wenn wir nochnicht so weit sind, hat es unssehr geholfen, dass wir von Bau-firmen erfahren konnten, was sievon unserem Produkt halten.Und natürlich motiviert uns, dassdie Jury begeistert war. Wir hat-ten so viele Gespräche – ohnedie Organisation durch die TUMhätten wir nicht mal 20 Prozentdavon geschafft.“

Franck: „Das Programm hatte jaauch einen Bildungscharakter.Wenn ich allein ins Silicon Valleygereist wäre, hätte ich zwar auchmit Kunden gesprochen, abersicher nicht mit so vielen Exper-ten.“

Was konnten Sie von denen

lernen?

Kuchukov: „Wie man sich bes-ser verkaufen kann. Das klingtbanal, aber das machen dieAmerikaner einfach besser. DieLektion in unserem Workshophieß: Deine Präsentation musseine Geschichte sein, die manweitererzählen kann. Von dengroßen Tech-Firmen habe ich vielüber Unternehmenskultur im Ar-beitsalltag gelernt. Wir wollenjetzt noch stärker darauf achten,welche konkreten Bedürfnisseunsere Entwickler haben.“

Franck: „Mich hat die Geschwin-digkeit beeindruckt. Die Start-upsversuchen, sehr schnell Erfolgezu erreichen. Und wenn dasnach einem Jahr nicht klappt,dann gibt es kein Geld mehr da-für und sie probieren etwas völliganderes.“

Der berühmte Spirit des Sili-

con Valley hat Sie gepackt?

Franck: „Ja, aber ich kann auchmanches, was oft gehypt wird,besser einordnen. Zum Beispielbetonen dort alle, dass sie 24Stunden am Tag, sieben Tage dieWoche arbeiten. Arbeit wird aberganz anders definiert als bei uns,auch persönliche Gespräche zäh-len dazu. Selbst Sport gilt alsArbeit, weil er die Leistungsfä-higkeit steigert.“

Kuchukov: „Man hat ein Bild imKopf, dass das Silicon Valley einOrt mit perfekten Menschen ineiner perfekten Umgebung ist.Wenn man dort ist, sieht mandas etwas realistischer. Wir ha-ben zum Beispiel mehrere Inku-batoren besucht, in denen dieTeams auf engerem Raum inweniger angenehm gestaltetenGebäuden sitzen als wir in Gar-ching. Was mich vor allem er-mutigt hat: Der Unterschied zudem, wie wir hier arbeiten, istgar nicht so groß.“

Verklumpen fehlgefaltete Pro-teine in insulinproduzierendenZellen der Bauchspeicheldrüse,können diese absterben. Jetzt istes Forschern der TU München(TUM), der Universität Michiganund des Helmholtz-ZentrumsMünchen gelungen, den Fehl-faltungsprozess genau in demMoment zu stabilisieren, in demer am gefährlichsten ist. Die For-scher hoffen, dass ihre Moment-aufnahmen bei der Suche nachWirkstoffen helfen, die die Fehl-faltung verhindern können.Die Klumpen, die von fehlgefal-teten Proteinen, sogenanntenPlaques, verursacht werden, sindan vielen Krankheiten beteiligt:Plaques beeinträchtigen beispiels-weise die Funktion von Neuro-nen im Gehirn von Menschenmit Demenz und Alzheimer. DieBildung von Plaques tötet aberauch Insulin produzierende Insel-zellen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ab.„Im Allgemeinen ist die Toxizitätfür Zellen extrem schwer zu be-weisen und zu charakterisieren“,sagte Ayyalusamy Ramamoor-thy, Professor an der Universitätvon Michigan und Hans FischerFellow am Institute for Advan-ced Study der Technischen Uni-versität München. „Auf der an-deren Seite müssen wir das kön-nen, um Medikamente für einemögliche Behandlung zu entwi-ckeln.“

Lipid-Nanodisks stabilisieren

aggregierende Proteine

Um die kritischen Proteinstruk-turen zu untersuchen, verwen-deten die Forscher Sushi-ähnli-che Nanodisks. Sie bestehen ausLipidschichten, die von einer ArtGürtel umgeben sind, umModell-Proteine während desAggregationsprozesses zu stabi-lisieren. Die Wissenschaftlerwählten die Nanodisks so, dasssich die Proteine nur bis zu ei-

nem be-stimmtenPunkt fal-ten können,genau bis zudem Moment,in dem sie für dieInselzellen am ge-fährlichsten sind.Mithilfe von Kern-spinresonanz-Spek-troskopie gewanndas Team dann Bil-der der Proteinfal-tung mit atomarerAuflösung.„Die Nanodisks sind wie derUnterschied zwischen einemSchwimmbad und dem Ozean.Im Ozean gibt es keine Grenzen,ein Schwimmbad hat Grenzen“,sagte Ramamoorthy. „Mit diesereingeschränkten Umgebung sindwir in der Lage, die Aggregationdes Proteins zu stoppen. So kön-nen wir beobachten wie es aus-sieht, bevor alles zu einer Massevon Fasern verklumpt.“

Ein erster Schritt zur Ent-

wicklung von Medikamenten

Die Fähigkeit, Proteine währenddes Prozesses der Amyloid-Ag-gregation stabil zu fixieren, er-laubt ihre Charakterisierung miteiner Vielzahl biophysikalischerWerkzeuge, einschließlich Fluo-reszenz-, Massenspektrometrie,NMR und Kryo-Elektronenmi-kroskopie. Das Forschungsteamhofft, damit Wirkstoffverbindun-gen entwickeln und untersuchenzu können, mit denen sich diediesen Krankheiten zugrundelie-genden Fehlfaltungen verhindernlassen.„Wir untersuchen jetzt Wechsel-wirkungen mit kleinen Mole-külen, um zu sehen, ob wir denAggregationsprozess, der Amy-loide erzeugt, verhindern kön-nen“, sagte Ramamoorthy. „Die-se Strukturinformationen sindsehr wichtig sowohl für das wis-

senschaftlicheVerständnis der Pa-

thologie von Amyloid-Erkrankun-

gen als auch für die Entwicklungvon Verbindungen zur Überwin-dung dieser Probleme.“

Mit der Uni ins Silicon Valley

Fünf Start-ups beim ersten „US Venture Program“ der TUM

Aus dem Campusleben

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 19

Aus dem Campusleben

18 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Warum verursachen Protein-Fehlfaltungen Typ-2-Diabetes?

Lipid-Nanodisks stabilisieren fehlgefalteteProteine für Untersuchungen

Legt man die zehn Strukturen mitder geringsten Energie übereinan-der, so zeigt die Überlagerungschön, welche Struktur das hIAPP-Molekül in einer Membranumge-bung bevorzugt – eine völlig andereStruktur als das freie Molekül ein-nehmen würde. Bild: Diana Rodri-guez Camargo /TUM

Amerikanische Satiriker erklärengerne, ein Jahr Trump käme ih-nen wie eine höllisch anmutendeEwigkeit vor. Tatsächlich bewegtTrump in schöner Regelmäßig-keit die Medien. Aber bewegt erauch das Land? Wo geht Ankün-digungsrhetorik in praktische Po-litik über? Welche Wahlverspre-chen hat er eingehalten? WelcheFolgen haben seine Versuche,die Ergebnisse der Obama-Ad-ministration aus der Geschichteder USA und der Welt auszulö-schen? Trump wirft mehr Fragenauf, als man realistisch beant-worten kann. Der Besuch vonProf. Dr. Michael Hochge-schwender in der StadtbüchereiGarching in der Reihe der Gar-chinger Gespräche wird dazudienen, das Handeln des erra-tisch wirkenden Präsidenten mit-samt seiner Gefolgschaft in dieGeschichte des Landes und sei-ne gesellschaftliche Entwicklungeinzuordnen und zu bewerten.

Prof. Dr. Michael Hochge-schwender ist Professor fürNordamerikanische Kulturge-schichte, Empirische Kulturfor-schung und Kulturanthropologiean der Ludwig-Maximilian-Uni-versität München. Michael Hoch-geschwender legte 1988 seinDiplom in Katholischer Theologiean der Universität Würzburg ab.1992 wechselte er an die Uni-versität Tübingen wo er als wis-senschaftlicher Mitarbeiter desLehrstuhls für Nordamerikani-sche Geschichte promovierteund 2003 sich habilitierte. 2004erhielt er den Ruf als Professoran das Amerika-Institut der LMU.Außerdem ist er Mitglied desVerbandes der Historiker und His-torikerinnen Deutschlands.Dienstag, 30. Januar, 19.30

Uhr. Bitte reservieren Sie kos-

tenlose Eintrittskarten an der

Infotheke der Stadtbücherei

Garching, Bürgerplatz 11, Te-

lefon (089) 320 89 211.

C A M P U S S P I E G E L 1/2018 21

Termine

20 C A M P U S S P I E G E L 1/2018

Dienstag, 23. Januar,19.00 Uhr, Campus-Cneipe: Pubquiz.Das Wettknobeln der Alleswisser gibtes jeden Dienstag ab 19 Uhr.

Mittwoch, 24. Januar,19.00 Uhr, Campus-Cneipe:Karaoke Abend.

Donnerstag, 25. Januar,14.00 Uhr, Maker Space: MetalWorkshop for Beginners – Cutting,Drilling und Grinding (English).

Samstag, 27. Januar,10.00 Uhr, Maker Space: Workshop„Bau deine eigene Holzkistentrommel“.

Dienstag, 30. Januar,Exzellenzzentrum: Career Day amCampus Garching mit Lebenslauf-Checks, Bewerbungsfotoaktion,Webinar: „Führungskraft – und nun?”Oder Career Lounge:„Chancen im Patentwesen”Weitere Informationen und Anmeldung:go.tum.de/056840.

Mittwoch, 31. Januar,20.00 Uhr, Fakultät für Maschinen-wesen, Hörsaal MW0001: Show-

Termine

Termine

Quo vadis USA?

Magnetic Moments –der Kernspin in Forschung

und Medizin

Am bayrischen Zentrum für mag-netische Kernresonanz in Gar-ching untersuchen Forscherin-nen und Forscher mit Hilfe ex-trem starker Magnete die feinenStrukturen der Proteine. Ihr Ziel:Die molekularen Ursachen vonKrankheiten verstehen und neueMethoden medizinischer Bildge-bung entwickeln. In der Wissen-schafts-Matinee des Institute forAdvanced Study erklärt Prof.Franz Hagn, wie die Großgerätefunktionieren und in welchenProjekten sie eingesetzt werden.Franz Hagn ist Professor fürStrukturelle Membranbiochemiean der Fakultät für Chemie derTU München (TUM) und leitetzudem das entsprechende For-schungslabor am BayrischenNMR-Zentrum. Hier erforscht ervor allem Membranproteine, diein der Entstehung vieler Krank-heiten, beispielsweise bei Krebssowie bei einigen neurologi-schen Erkrankungen und Stoff-wechselerkrankungen, eine we-sentliche Rolle spielen.Im Gegensatz zu anderen bio-chemischen Methoden erlaubtdas NMR-Gerät Hagn und sei-nem Team, die Proteine in ihrernatürlichen Umgebung, also ver-ankert in der Zellmembran, zuuntersuchen. Auf diese Weiseerkennen die Wissenschaftlerin-

nen und Wissenschaftler nichtnur die 3D Struktur des Proteins,sondern verstehen auch, wiesich dessen einzelne Teile be-wegen und miteinander und mitanderen Proteinen interagieren.Dieses Wissen ist essentiell umnachzuvollziehen, welche FolgenMutationen in den Proteinen ha-ben und daraufhin maßgeschnei-derte Medikamente zu entwi-ckeln.In seinem Vortrag gibt Hagn Ein-blick in die komplexe Technik derHochleistungs-NMR-Geräte, dieMagnetfelder generieren, die500.000-fach stärker sind als dasErdmagnetfeld. Anschaulich er-klärt er, wie die starken Magnetefunktionieren und zeigt, wie diemit ihrer Hilfe gewonnenenErkenntnisse dazu beitragen, ge-zieltere Therapien und neue bild-gebende Verfahren zu entwi-ckeln.

Sonntag, 28. Januar, um 11

Uhr im TUM Institute for Ad-

vanced Study (TUM-IAS) auf

dem Campus Garching. Der

Eintritt ist frei. Eine Anmel-

dung ist nicht notwendig.

Mehr Informationen:Wissenschafts-Matinee des TUMInstitute for Advanced Study:www.ias.tum.de/nachbarn

vorlesung mit Prof. Roland A. Fischerund spektakulären Experimenten unterdem Titel „The Crazy Chemist’s Guideto Universe“. Der Einritt ist frei,Ticket-Reservierung erforderlich unterwww.xing-events.com/EAT2018.html

Donnerstag, 1. Februar,17.30 Uhr, Fakultät für Maschinen-wesen Hörsaal MW1801: Vortrag vonJan Zwiener, Senior Systems Engineer,Volocopter GmbH: „Volocopter –manntragender Multikopter als Lufttaxider Zukunft“.

Montag, 5. Februar,16.00 Uhr, Maker Space:Lab for Designers.

Mittwoch, 7. Februar,19.00 Uhr, Campus-Cneipe:Karaoke Abend.

Donnerstag, 8. Februar,17.30 Uhr, Fakultät für Maschinen-wesen Hörsaal MW1801. Vortrag„Electric Propulsion Systems for Air-craft“ von Dr. Frank Anton, ExecutiveVice President, Siemens Aircraft.

Mittwoch, 28. Februar bis 2. März,Fakultät für Maschinenwesen:Studierendenforum des27. Materialflusskongresses.

So groß wie ein Virus-Capsid:Mit Bausteinen aus DNA-Origa-mi geformter Dodekaeder.Bild: Hendrik Dietz / TUM

Die Doppelstränge unserer Ge-ne machen sie so stabil. Mit ei-ner DNA-Origami genanntenTechnik baut Biophysiker HendrikDietz an der TU München (TUM)seit einigen Jahren nanometer-

große Objekte. Nun ist es Dietzund seinem Team gelungen,nicht nur die Nanometer-Grenzezu überwinden und größere Ob-jekte zu bauen, sondern auch dieHerstellungskosten durch Mas-

senproduktion um einen Faktor1000 zu reduzieren. Diese Inno-vationen eröffnen der Technolo-gie neue Horizonte.Viren schließen ihre Erbsubstanzin eine Kapsel ein, die aus vielengleichen Proteinbausteinen be-steht. Die Kapsel des Hepatitis-B-Virus beispielsweise bestehtaus 180 identischen Unterein-heiten, ein typisches Beispiel fürdie auch von der Natur gerne ge-nutzte „Fertigteil-Bauweise“.Das Team von Hendrik Dietz,Professor für Biomolekulare Na-notechnologie an der TU Mün-chen, hat nun virale Konstruk-tionsprinzipien in die DNA-Origa-mi-Technologie übertragen. Da-mit sind sie nun in der Lage,Strukturen von der Größe von Vi-ren und Zellorganellen gezielt zukonstruieren und aufzubauen.Grundlage der Technologie istein langer Einzelstrang, der durchkurze Gegenstücke zu einer dop-pelsträngigen Struktur ergänztwird. „Diese ist energetisch sostabil, dass wir den Einzelstrangdurch geschickt gewählte kurzeGegenstücke fast in beliebigeFormen zwingen können“, erläu-

tert Hendrik Dietz. „Mittlerweilekönnen wir damit am Computerpräzise Objekte konstruieren, dienur wenige Nanometer groß sind.“

Zahnräder für den Nanomotor

Mittlerweile beherrscht die Ar-beitsgruppe auch Techniken, dieObjekte durch hinzugefügte Sei-tengruppen weiter zu modifizie-ren. Doch die Größe der Objekteblieb auf die Nanometerskalabeschränkt. In ihrer im renom-mierten Fachjournal „Nature“ er-schienenen Publikation zeigensie nun, wie man aus Fertigbau-teilen größere Strukturen auf-bauen kann.Dazu schufen sie zunächstNanoobjekte in V-Form. Diesebekamen an den Seiten form-komplementäre Bindungsstellen,sodass sie sich in der Lösungschwimmend von selbst zu-sammenfügten. Je nach Öff-nungswinkel entstanden so„Zahnräder“ aus zehn bis 28 Ein-zelelementen.„Zu unserer großen Freude ent-stehen fast ausschließlich diedurch den Öffnungswinkel der

Einzelelemente vorgegebenenRinge“, sagt Hendrik Dietz. „Ent-scheidend dafür, dass wir über-haupt so groß und komplex bau-en können, sind die Präzisionund die Steifigkeit der einzelnenBausteine. Die Einzelelementemussten wir beispielsweise mitQuerstreben versteifen.“

Aufbau von Mikroröhrchen

Um das Strukturprinzip weiterauszureizen schuf das Team neueMoleküle, die nicht nur „Klebe-stellen“ an der Seite, sondern zu-sätzlich etwas schwächere Ver-bindungsstellen auf Ober- undUnterseite besitzen. Nun setzensich die „Nanozahnräder“ in ei-nem zweiten Schritt über die zu-sätzlichen Bindungsstellen zu lan-gen Röhrchen zusammen.„Mit Längen von einem Mikro-meter und Durchmessern vonmehreren Hundert Nanometernerreichen diese Röhrchen bereitsdie Größe von Stäbchenbakte-rien“, erläutert Hendrik Dietz.„Und über die Architektur derEinzelbausteine können wir dieGesamtstruktur präzise bestim-men.“

Aufbau polyedrischer

Strukturen

Inspiriert von den Symmetrienund dem hierarchischen Aufbauvon Viren, versuchten die For-scher auch Käfigstrukturen auf-zubauen. „Eine mögliche zukünf-tige Anwendung künstlicher Kä-fige könnte der Transport vonMedikamenten im Körper sein“,

erläutert Hendrik Dietz die Moti-vation. „Das Ziel dabei ist, dieWirkstoffe ausschließlich am Ein-satzort freizusetzen und denrestlichen Körper zu schonen.“Nach den bereits bei den vorhe-rigen Strukturen angewandtenPrinzipien konstruierte das Teamnun Bauteile, die sich unter denrichtigen Bedingungen zu Käfig-strukturen zusammenfügen soll-ten. Aus einem dreieckigenMittelstück und drei V-förmigenBausteinen entsteht so wiederein dreiarmiges Bauteil.Je nach Öffnungswinkel des Vfügen sich mehrere davon imzweiten Schritt zu tetraedri-schen, hexaedrischen oder do-dekaedrischen Strukturen zu-sammen. Diese Strukturen inte-grieren dabei bis zu 1.8 Millionenaddressierbare DNA Basenpaarean definierten Positionen. Die Kä-fige erreichen damit erstmals dieGröße von Viren und kleinen Zell-organellen.

Kostengünstige

Massenproduktion

Bisher beschränken die Herstel-lungsverfahren die Einsatzmög-lichkeiten auf Felder, bei denennur geringe Mengen benötigtwerden. Das mit den derzeit gän-gigen Methoden nur wenigeMikrogramm hergestellt werdenkönnen, schließt denkbare An-wendungen in der Medizin oderMaterialwissenschaft völlig aus.Das Nadelöhr sind dabei die kur-zen Klammerstränge, die auf-wändig Base für Base chemischaufgebaut werden müssen. Der

aus Bakteriophagen gewonneneHauptstrang dagegen kann ein-fach und in großen Mengen bio-technologisch produziert werden.Das Team um Hendrik Dietz ent-wickelte daher eine aus der syn-thetischen Biotechnologie stam-mende Entdeckung weiter, so-genannte DNA-Enzyme. Diessind DNA-Stücke, die bei einerhohen Konzentration von Zink-Io-nen an bestimmten Stellen aus-einanderbrechen.Die kurzen Klammer-Sequenzenverbanden sie mit jeweils zweimodifizierten DNA-Enzymen zueinem langen Strang. „Wie derEinzelstrang einer Bakteriopha-gen-DNA lässt sich ein solcherStrang, einmal präzise mit derrichtigen Basenfolge hergestellt,mit biotechnologischen Verfah-ren vervielfältigen“, erläutertDietz den Trick des Verfahrens.

Biotechnologische Produk-

tion im großen Maßstab

Die Herstellung sowohl desHauptstrangs als auch des ausDNA-Enzymen und Klammer-Sequenzen bestehenden zwei-ten Strangs gelang in einemHochzelldichte-Verfahren mit

Bakterien. Da dieses skalierbarist, sind Hauptstrang und Klam-mern auch in großen Mengenproduzierbar. Erhöht man nachIsolierung der DNA die Konzen-tration an Zink-Ionen, werdendie kurzen Klammerstränge frei-gesetzt und können den Haupt-strang in die gewünschte Formfalten.Umfangreiche reaktionstechni-sche Untersuchungen zusam-men mit Kollegen am Lehrstuhlfür Bioverfahrenstechnik zeig-ten, dass dies auch in großemVolumen möglich ist. Im Techni-kum für Weiße Biotechnologieder TU München in Garchingkonnten die Wissenschaftler sobereits Grammmengen von vierverschiedenen DNA-Origami-Ob-jekten herstellen. Auch die wei-tere Skalierbarkeit in den Kubik-meter-Maßstab erscheint nunmöglich. „Im Zusammenspielvon Biotechnologie und Verfah-renstechnik ist damit ein wirklichgrundlegender Meilenstein aufdem Weg für zukünftige Anwen-dungen der DNA-Nanotechnolo-gie gelungen“, sagt MitautorProfessor Dirk Weuster-Botz,Inhaber des Lehrstuhls für Bio-verfahrenstechnik.

Aus dem Campusleben

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Die zwei Seiten der Gedenkmünze zu Ehren des Nobelpreisträgers undehemaligen TUM-Professors Ernst Otto Fischer.Quelle: BVA/Gestaltung: Katrin Pannicke/Foto: H.-J. Wuthenow

DNA-Origamiüberwindet wichtigeGrenzenAufbau von Strukturen in Virengröße undKostensenkung durch Massenproduktion

Die Münze zum HundertstenErnst Otto Fischer, ehemaligerProfessor für Anorganische Che-mie an der TU München (TUM),hat mit seinen Forschungen zuMetall-Kohlenstoffverbindungeneinen neuen Zweig der Chemiebegründet. Seine Arbeit hat dasbis dahin vorherrschende Bildvon der chemischen Bildunggrundlegend verändert. Zu Ehrenseines 100. Geburtstags gibt dieBundesregierung im Oktober2018 eine 20-Euro-Sondermün-ze heraus. Sie zeigt Fischers be-kannteste Struktur: das Diben-zolchrom. Dafür hat er 1973 den

Nobelpreis erhalten. Seit ihm1955 die Synthese des Diben-zolchroms gelang, gilt Fischer(1918 bis 2007) als einer derHauptbegründer der Metallorga-nischen Chemie.Die Sondermünze zum Nenn-wert von 20 Euro kann ab dem11. Oktober 2018 bei Filialen derdeutschen Bundesbank erwor-ben werden. Eine Vorbestellungder Münzen ist ab sofort bei derVerkaufsstelle für Sammlermün-zen möglich unter:https://www.deutsche-sammler-muenzen.de/kontakt/

CAMPUSSPIEGELAusgabe Februar 2018