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„Studie Exklusivagentur - Quo Vadis“ Standortbestimmung & Ausblick für den österreichischen Versicherungsmarkt Mag. Christian Rottensteiner R&W Consulting 2010

„Studie Exklusivagentur - Quo Vadis“betriebswirtschaftliche und führungsmässige Fähigkeiten im Agenturmanagement setzen und - substantiellen Mehrwert für den Kunden auch außerhalb

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„Studie Exklusivagentur - Quo Vadis“

Standortbestimmung & Ausblick für den österreichischen Versicherungsmarkt

Mag. Christian Rottensteiner

R&W Consulting

2010

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Studie Exklusivagentur – Quo Vadis Mag. Christian Rottensteiner

1

Management Summary

Der Vertriebsweg Exklusivagentur hat sich in Österreich wegen der traditionell hohen

Bedeutung des angestellten Außendienstes erst später als in anderen Märkten erfolgreich

etabliert. Mittlerweile ist die Exklusivagentur jedoch zu einem relevanten Bestandteil im

österreichischen Versicherungsvertrieb geworden. Unsichere Rahmenbedingungen und

nicht zuletzt die aktuelle Finanzmarktkrise verschärfen jedoch die Notwendigkeit einer

kritischen Evaluierung der vorhandenen Agentursysteme.

Wie die vorliegende Studie zeigt, können aus der Sicht der Versicherer jene Faktoren als

erfolgskritisch angesehen werden, die

- Kontinuität und eine hohe Beziehungsqualität zwischen Versicherer und Agenturen

schaffen und

- den Agenturen einen professionellen Support im immer schärfer werdenden Wettbewerb

leisten.

Aus der Sicht der Agenturen, gelten jene Faktoren als besonders erfolgskritisch, die

- neben traditionellen verkäuferischen Qualitäten auch auf entsprechende

betriebswirtschaftliche und führungsmässige Fähigkeiten im Agenturmanagement setzen

und

- substantiellen Mehrwert für den Kunden auch außerhalb des eigentlichen Kernproduktes

generieren.

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2

Inhaltsverzeichnis

Management Summary ..........................................................................................................1

Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................2

0 Einführung .......................................................................................................................3 0.1 Problemstellung ...............................................................................................................3

0.2 Zielsetzung ......................................................................................................................3

0.3 Methodik ..........................................................................................................................4

0.4 Konzeptioneller Bezugsrahmen ........................................................................................5

1 Grundlagen .......................................................................................................................6 1.1 Der Agentenbegriff im österreichischen Recht ..................................................................6

1.2 Die Geschichte des Agenturvertriebs in Österreich ...........................................................6

1.3 Die aktuelle Marktanteilssituation des österreichischen Agenturvertriebs ........................7

2 Studienergebnisse .........................................................................................................10 2.1 Relevante Umfeldtrends ................................................................................................. 10

2.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen ........................................................................... 10

2.1.2 Arbeitsmarkt .......................................................................................................... 11

2.1.3 Technologie .......................................................................................................... 11

2.1.4 Kundenverhalten ................................................................................................... 12

2.2 Strategische Ausrichtungen und aktueller Status aus Sicht der Versicherer .................... 12

2.2.1 Mehrwert des Vertriebsweges Exklusivagentur ...................................................... 12

2.2.2 Strategische Ziele ................................................................................................. 13

2.2.3 Strategische Wege ................................................................................................ 13

2.2.4 Auswahl, Steuerung und Bindung von Agenturen .................................................. 14

2.2.5 Einbindung in die Organisationsstruktur ................................................................ 15

2.2.6 Positionierungsstrategien am österreichischen Markt ............................................ 16

2.3 Strategische Ausrichtungen und aktueller Status aus Sicht der Agenten ........................ 18

2.3.1 Hard Facts ............................................................................................................ 18

2.3.2 prioritäre Motive zur Agenturgründung ................................................................... 19

2.3.3 Standortbestimmung zu unterschiedlichen Gestaltungsfaktoren............................. 20

2.3.4 prioritäre Erwartungen der Agenturen an den Partner ............................................ 25

2.4 Bedürfnisse und Wahrnehmungen aus Kundensicht...................................................... 26

3 Fazit und Ausblick ..........................................................................................................28

Literaturverzeichnis ..............................................................................................................29

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0 Einführung

0.1 Problemstellung

Der Vertriebsweg Exklusivagentur hat sich in Österreich aufgrund der spezifischen

Rahmenbedingungen und der traditionell hohen Bedeutung des angestellten Außendienstes

erst später als in anderen Märkten etabliert.

Der angestellte Außendienst kämpft jedoch zunehmend mit der Servicierung seiner Kunden

und der Bestandserhaltung. Die derzeitigen Entlohnungssysteme im Vertrieb stoßen an ihre

Grenzen. Dem gesellschaftlichen Trend und Wunsch mancher Verkäufer nach mehr

Selbstverantwortung kann im angestellten Außendienst nur bedingt Rechnung getragen

werden. Gleichzeitig scheuen viele erfolgreiche Außendienstmitarbeiter vor dem Hintergrund

der Haftungsfrage den Schritt zum Makler. Der Direktvertrieb ist weiter im Vormarsch, auch

wenn erste optimistische Erwartungshaltungen in Richtung Abschlußquote sich nicht erfüllt

haben. Neue Kooperationen und Geschäftsmodelle entstehen und üben Druck auf die

klassische Stammvertriebsorganisation aus. Die Landschaft der Vertriebswege verändert

sich in Zeiten gesättigter Märkte sehr dynamisch. Die Positionierung des Vertriebsweges

Exklusivagentur ist in diesem „Orchester“ am österreichischen Markt noch wenig

ausdifferenziert. Dies hat in den letzten Jahren zu Kannibalisierungseffekten insbesondere

im personengebundenen Vertrieb geführt. Insgesamt stellt dies einen guten Zeitpunkt für

eine kritische und objektivierbare Zwischenbilanz und einen Ausblick für Handlungsoptionen

der Zukunft dar.

0.2 Zielsetzung und Zielgruppen

Ziel der Studie ist es, einen aktuellen Zwischenbefund zum Thema Exklusivagentur aus der

Sicht der österreichischen Versicherungswirtschaft auf einer anonymisierten Basis zu

folgendem Fragenfokus zu geben.

Wie ist der Vertriebsweg Agentur derzeit im Gesamtkontext aller Vertriebswege

aus unterschiedlichen Perspektiven aufgestellt?

Welche Trends bzw. Entwicklungsrichtungen sind erkennbar?

Welche Handlungsoptionen lassen sich daraus für die Zukunft ableiten?

Der Mehrwert der Studie ergibt sich insbesondere aus einem Mix von Hard und Soft Facts

(Benchmarks zu betriebswirtschaftlichen Basisgrößen als auch dahinterliegenden

Supportstrukturen und Leistungstreibern für den Vertriebsweg Exklusivagentur generell).

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Zielgruppen der Studie:

Sichtweise Versicherungen: Vertriebsvorstände & Vertriebsleiter (primärer Fokus)

Sichtweise Agenturen: Agenturleiter (primärer Fokus)

Sichtweise Endkunde: Konsumenten (ergänzender Fokus)

0.3 Methodik

Wie bereits zuvor angedeutet wurde bezüglich Methodik ein empirischer Zugang gewählt.

Direktbefragung der Entscheidungsträger in den Versicherungen mittels

strukturierter Interviews (siehe Interviewleitfaden im Anhang), beteiligte

Unternehmen:

- Allianz (Vertriebsvorstand)

- Basler (Vertriebsvorstand)

- Generali (Regionaldirektor)

- Helvetia (Vertriebsvorstand)

- UNIQA (Agenturverantwortlicher)

- Wiener Städtische (Agenturverantwortlicher)

Die beteiligten Unternehmen decken in Summe ca. 80 % aller Exklusivagenturen

in Österreich ab.

Anonyme Online-Befragung bei ausgewählten Agenten; ausgewertet wurden 58

Fragebögen (bei 100 ausgesandten Fragebögen).

Durchführung eines ergänzenden, strukturierten Gruppeninterviews mit

ausgewählten Konsumenten im Kontext des Studienziels.

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0.4 Der konzeptionelle Bezugsrahmen

Strategie

Struktur Systeme

Was wird als Mehrwert von Agenturen im Multi Channelling gesehen ?Woran wird der Erfolg gemessen?

Wer ist wofür verantwortlich?Wie werden Schnittstellen gestaltet?

Wie werden Agenten ausgewählt, gegründet, betreut und gesteuert?

(2) Mikroumwelt aus der Sicht der Versicherer und Agenten

Rechtliche

Rahmenbedingungen

(1) Makroumfeld: Trends zu

Arbeitsmarkt

Wettbewerbsumfeld Technologien

Kundenverhalten

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1 Grundlagen

Bevor ich mich den Ergebnissen der empirischen Befragung widme, möchte ich zum

besseren Verständnis der Arbeit zunächst unter Voraussetzung entsprechender

Basiskenntnisse mit den wesentlichsten Grundlagen einführen.

1.1 Der Agentenbegriff im österreichischen Recht

Der Begriff des Ausschließlichkeitsagenten ist im § 43 VersVG geregelt. Danach ist

Versicherungsagent, wer von einem Versicherer ständig damit betraut ist, für diesen

Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen. Gleichzeitig unterliegt der

Versicherungsagent großteils den Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes (§ 26a

HvertrG). Im § 137 Abs. 2 der Gewerbeordnung wird aufgrund der Richtlinie des

europäischen Parlaments vom 9.12.2002 bei der Versicherungsvermittlung zwischen

Versicherungsagent und Versicherungsmakler unterschieden. Dabei ist aus Sicht der

Gewerbeordnung gefordert, dass der Versicherungsmittler beim Kunden offenlegen muss,

ob er als Makler oder Agent agiert. Als Agent muss er darauf hinweisen, dass er in einem

Naheverhältnis zum Versicherer steht.

In der Regel haftet nach derzeitigem Recht die Versicherung und nicht der Agent für

Fehlverhalten des Agenten.

1.2 Die Geschichte des Agenturvertriebs in Österreich

Um ein fundiertes Bild der aktuellen Situation zeichnen zu können, lohnt es sich einen Blick

in die nähere Vergangenheit des Agenturvertriebs am österreichischen Markt zu werfen.

Bis zur Marktliberalisierung Anfang der 90er Jahre war der österreichische Vertrieb von der

Dominanz des angestellten Außendienstmitarbeiters geprägt. Marktanteile von ca. 80% in

der Schaden/Unfall Versicherung sowie mehr als 60% in der Lebensversicherung

kennzeichneten die bis dahin gültige alte Ordnung im Vertrieb. 1 Den österreichischen

Agenturmarkt bestimmten bis dahin primär Mehrfachagenten.

Mit der Liberalisierung des Marktes wurde neue Bewegung in den Vertrieb gebracht.

Generell fällt auf, dass seit diesem Zeitpunkt und des damit zeitlich einhergehenden

Aufkommens des Internetvertriebs sowohl in der Theorie als auch in der Praxis vermehrt

Fragestellungen des optimalen Vertriebswege-Mixes 2 aufgenommen wurden.

Als wesentlichste Treiber der Entwicklung im Bereich der Exklusivagentur können folgende

Punkte genannt werden:

1 Vgl. Verbandsstatistik Marktanteile VVO 1990 2 Vgl. Multi-Channel Marketing, M.Schögel 2001

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- Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen (zunehmende Professionalisierungs-

Tendenzen im Vertrieb für insbesondere nebenberufliche Mitarbeiter, zunehmende

Positionierungsdiskussion zwischen Makler-/Agenturvertrieb insbesondere zur Frage,

wer gegenüber dem Kunden wie agieren darf (Frage der Vollmacht etc.)

- zunehmender Kostendruck aufgrund der bisher gültigen Geschäftsmodelle (hohe Kosten

im Bereich des angestellten Vertriebs) und damit zusammenhängend

- Suche nach neuen Wachstumsmodellen generell

- und Motivationsmodellen für verdiente Mitarbeiter des bisher angestellten Vertriebs.

Als „First Mover“ am österreichischen Markt fungierten dabei Unternehmen mit

internationalem Marktauftritt (AXA, Allianz, Generali). Auffällig ist, dass Unternehmen

österreichischer Provenienz zunächst nur sehr zögerlich auf den Zug aufgesprungen sind

(teilweise bis jetzt). Die Praxis der Agenturgründung war primär von einer Ausgliederung von

bisher angestellten Mitarbeitern in die Agenturselbständigkeit geprägt. Ein „Agenturmarkt“ im

Sinne des Wechsels zwischen unterschiedlichen Gesellschaften oder der Nachbesetzung

von Agenten im Agenturverhältnis hatte in Österreich bis dato keine Tradition.

1.3 Die aktuelle Marktanteilssituation des Agenturvertriebs in Österreich

a) Marktanteil nach Vertriebswegen im Bereich Schaden/Unfall 3, Abbildung 1

Vertriebswegeanteil österreichischer Versicherungsmarkt Schaden/Unfall 2008 in % der verrechneten Prämie

Banken11%

angestellte MA52%

Makler20%

Exklusivagenturen10%

Sonstige Agenturen2%

Andere5%

3 Vgl. Verbandsstatistik Vertriebswege VVO 2008

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Kommentar: der angestellte Vertrieb konnte im Bereich Schaden/Unfall seine dominierende

Stellung behaupten. Die Exklusivagenturen kommen hier auf einen Marktanteil von ca. 10%.

b) Marktanteil nach Vertriebswegen Gesamt 4, Abbildung 2

Vertriebswegeanteil österreichischer Versicherungsmarkt Gesamt 2008 in % der verrechneten Prämie

Banken38%

angestellte MA31%

Makler21%

Exklusivagenturen5%

Sonstige Agenturen1%

Andere4%

Kommentar: Unter Berücksichtigung der LV-Versicherung (inkl. Einmalerläge) hält der

Bankenvertrieb insgesamt die Spitzenposition im Vertriebswege-Mix. An zweiter Stelle

befindet sich diesbezüglich der angestellte Mitarbeiter. Die Exklusivagenturen weisen einen

Gesamtmarktanteil von ca. 5% auf.

4 Vgl. Verbandsstatistik Vertriebswege VVO 2008

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2 Studienergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der durchgeführten Studie detailliert dargestellt. Dabei

wird zwischen der Eigensicht der Versicherer (abgefragt in strukturierten Interviews, Kapitel

2.1 und 2.2) der Sichtweise der Agenten (online Befragung, 2.3) und der Sicht der Kunden

(2.4) unterschieden.

2.1 Relevante Umwelttrends

2.1.1 rechtliche Rahmenbedingungen

Generell wird mit einer weiteren Verschärfung des Konsumentenschutzes durch gesetzliche

Regulative seitens der EU und der begleitenden nationalen Umsetzungen gerechnet. Die

Qualität der Beratungsleistung und Transparenz bei der Provisionsauszeichnung stehen

dabei im Mittelpunkt. Unmittelbar wird dabei eine Auswirkung auf die Maklerschaft erwartet

(Honorarberatung, Verschärfung der Haftungsregelung, Umsetzung Best Advice Prinzip)5.

Dies dürfte nach Meinung der Befragten zu einem erhöhten Aufwand (=Erlösminderung) bei

Maklern führen, das in 2 Tendenzen mündet: (1) Konzentration der (auch kleinen) Makler in

Poollösungen, (2) Rückwanderungstendenzen in die Ausschließlichkeit.6 Für

Exklusivagenten wird überwiegend die Meinung vertreten, dass insbesondere große

Versicherungsunternehmen ihre exklusiv gebundenen Berater besser entlasten können

(=längerfristiger Effizienzvorteil).

Für Mehrfachagenturen wird mehrheitlich ein zunehmender Entscheidungsdruck in Richtung

Exklusivität oder Maklerschaft vermutet.

Bei der Frage der Haftung erwarten die befragten Entscheidungsträger in den

Versicherungen bei den Agenten ähnlich wie im angestellten Vertrieb wie bisher eine

Übernahme durch das Versicherungsunternehmen. Der Druck auf den personengebundenen

Vertrieb nimmt was die Qualifikationsanforderungen betrifft weiter zu (Umsetzung

Vermittlerrichtlinie). Im Zusammenhang mit der erhöhten Preissensibilität im

Kundenverhalten führt dies zu einer verstärkten Selektion zwischen internetbasiertem

Direktvertrieb und qualitativem Beratungsvertrieb. Betreffend des künftigen Pricings wird

mehrheitlich auf ein „ratierliches“ Folgeprovisionssystem gesetzt.

5 Vgl. Artikel Versicherungswirtschaft Heft 19, 2009 6 Vgl. Artikel Versicherungswirtschaft Heft 18, 2009

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2.1.2 Arbeitsmarkt

Der eigentliche Wettbewerb im qualitativen Beratungsgeschäft wird sich künftig nach

überwiegender Meinung der Befragten im „Kampf um die besten Agenten“ abspielen. Hier

entstehen 2 wesentliche Herausforderungen:

a) Thema Quantität:

Es besteht ein hoher Nachfolgebedarf. Ca. 20% aller Agenten wird in den nächsten 5

Jahren7 aufgrund der demografischen Situation in Pension gehen. Aufgrund der aktuellen

Arbeitsmarktsituation und der nach wie vor schlechten Imagesituation der

Versicherungswirtschaft (auch durch die Finanzkrise verschärft) wird es immer schwieriger,

diesbezüglich einen entsprechend qualifizierten Ersatz zu finden. Die immer aggressiveren

Abwerbemethoden zwischen den einzelnen Gesellschaften führen zu hohen Kosten bei allen

Beteiligten (Kosten im Falle des Wechsels durch vorhandene Marktbarrieren für den

abwerbenden Agenturpartner als auch Kosten durch den bisherigen Agenturpartner durch

zusätzliche Bindungsprogramme um künftige Wechsel zu vermeiden).

b) Thema Qualität:

Die nach wie vor schwierige Imagesituation am Arbeitsmarkt und hoch kompetitive Situation

im Abwerbungsfall erfordert neue Modelle der Mitarbeitergewinnung bzw.

Nachfolgeregelung. Der österreichische Exklusivagentenmarkt ist bisher gekennzeichnet

durch eine kleingewerbliche Struktur („ein Einzelagent mit einer meist teilzeitbeschäftigten

Back-Office Kraft“). Diesbezüglich sind 2 Richtungen auszumachen:

- Aufbau grösserer Agentureinheiten mit den entsprechenden verkäuferischen,

betriebswirtschaftlichen und führungsbezogenen Differenzierungen (als eigene

Gesellschaft oder auch in Bürogemeinschaft mit anderen selbständigen Agenten)

- Erhaltung der kleingewerblichen Struktur mit rigidem Kostenmanagement

2.1.3 Technologie

Im Bereich der Technologien werden seitens der Befragten im Zusammenhang mit der

Änderung des Kundenverhaltens 3 Trends im Agenturvertrieb gesehen:

a) Zunehmende Industrialisierung im Back Office Bereich (einfache elektronische

Antragsverarbeitung „Black Berry Funktionalität in der Terminvereinbarung,

Elektronisches Ablagesystem/Scanning“)

7 Vgl. Studie R&W Consulting, Trendmonitor IVW 2010

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b) Zunehmende Beratungsunterstützung im Front Office Bereich durch technische Tools im

persönlichen Kundenkontakt (professionelle Abbildung des lösungsorientierten

Mehrphasenverkaufs analog angestellter Vertrieb).

c) Umbau bzw. Anpassung der Geschäftsstelle in Richtung eines Selbstbedienungs-

Centers analog Bankenvertrieb (Outsourcing des KFZ Vertrieb’s bei grösseren

Agentureinheiten) oder zunehmende Integration von Internetvertrieb und

Agenturvertrieb.

2.1.4 Kundenverhalten

Die befragten Entscheidungsträger sind mehrheitlich der Meinung, dass aus Kundensicht

zwischen den einzelnen Vertriebswegen, was deren Leistungsspektrum betrifft, derzeit

kaum/nicht unterschieden wird. Am ehesten gibt es noch eine Unterscheidung zwischen

Makler und gebundenem Vertrieb. Der Verkauf von beratungsintensiven Produkten bleibt auf

der persönlichen Ebene (qualitatives Sachgeschäft, Gewerbe, LV, KV). Bei Einfachprodukten

(KFZ) ist mit einer weiteren Zunahme der Preissensibilität zu rechnen. Weiters wird erwartet,

dass die Bereitschaft des Kunden für Beratungsleistungen extra zu zahlen langsam zunimmt

(Honorarbezahlung). Zusatzleistungen im qualitativen Agenturvertrieb (insbesondere

Assistance- und Community Leistungen) werden immer wichtiger.

2.2 Strategische Ausrichtungen und aktueller Status aus Sicht der Versicherer

Neben der Einschätzung der Rahmenbedingungen wurden in den Interviews insbesondere

die strategischen Ausrichtungen der Versicherer am österreichischen Agenturmarkt

ermittelt. Anbei die Auswertung zu den entsprechenden Fragestellungen:

2.2.1 Mehrwert des Vertriebsweges Exklusivagentur

a) Was wird als Mehrwert des Vertriebsweges Exklusivagentur gegenüber dem

angestellten Vertrieb wahrgenommen?

Höheres Bestandswachstum durch ein verstärktes Maß an unternehmerischen

Denkens und Handelns. Dafür werden 3 prioritäre Gründe angeführt: (1) generelle

Wachstumspotenziale durch Personalzubau in der Agentur und der damit verbundenen

Entlastung des Agenten, (2) Erhöhung der Kundenorientierung durch eigenständige

Standortentscheidung, (3) Imageaufwertung gegenüber dem Kunden

b) Was wird als Mehrwert des Vertriebsweges Exklusivagentur gegenüber dem

Maklervertrieb wahrgenommen?

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Bessere Steuerbarkeit (insbesondere Schadenkosten) und höhere Loyalität,

insbesondere auch i.S. der im Vertrieb wichtigen emotionalen Anbindung. Im

Zusammenhang mit der aktuellen Finanzmarktkrise und den verschärften

Haftungsbedingungen sind im letzten Jahr diesbezüglich vereinzelt auch

Rückwanderungstendenzen von veränderungsbereiten Maklern zu beobachten.

2.2.2 Strategische Ziele im Zusammenhang mit Exklusivagenturen (gereiht nach der

Häufigkeit der Antworten):

- Überprotionales Bestandswachstum im Vergleich zum angestellten Vertrieb

- Motivation von TOP-Mitarbeitern im bisherigen angestellten Vertrieb: diesbezüglich

hat sich in den letzten Jahren ein Wechsel im gedanklichen Zugang zunehmend

durchgesetzt. Die Agentur wird zunehmend als Karrieremodell für bisher sehr gute

Verkäufer angeboten, die sich in die Selbständigkeit entwickeln wollen und über das

entsprechende Potenzial verfügen.

- Fixkostenflexibilisierung durch Umwandlung von bisherigen Personalkosten von

angestellten Mitarbeitern in primär variable, erfolgsabhängige Provisionsleistungen.

- Absicherung vorhandener Kundenbestände

Es fällt auf, dass Wachstumsziele gegenüber Kostensenkungszielen in den letzten

Jahren priorisiert wurden. Zunehmend rücken – nicht zuletzt bedingt durch die aktuelle

Finanzmarktkrise und den daraus entstandenen Konsequenzen - aber auch wieder

Ertragsziele in den Vordergrund (Deckungsbeitrag u.a. Parameter).

2.2.3 Strategische Wege

- Priorität 1/Modell Outsourcing: d.h. Ausgliederung des bisher angestellten Vertriebs.

Dies ist auch der traditionelle Weg in österreichischen Versicherungsunternehmen

und stellt die überwiegende Mehrheit aller Exklusivagenturen dar (geschätzt ca. 80%

aller Exklusivagenturen).

- Priorität 2/Modell Insourcing: d.h. Akquise von Fremdagenturen am Markt

(Exklusivagenturen vom Mitbewerb, kleinere Makler, angestellte Mitarbeiter mit

Potenzial).

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2.2.4 Auswahl, Steuerung und Bindung von Agenturen

a) Wie werden Agenturen ausgewählt?

- Basis Mindestbestandsgrösse: Diese ist von höchster Bedeutung, um die

wirtschaftliche Existenzfähigkeit und die Abdeckung der Fixkosten der Agentur

sicherzustellen. Die Mindestbestandsgrösse liegt derzeit unternehmensspezifisch in

einer Bandbreite von ca. 500.000,-- bis 750.000,-- € je Agent (exkl. LV). Eine

zunehmende Anzahl von Sanierungen im Krisenfall zeigt, dass in vielen Fällen die

erforderliche Mindestgrösse nicht gegeben ist.

- Unternehmerische Fähigkeiten: dazu fällt auf, dass zwar alle Befragten diesen Punkt

als eminent wichtig einschätzen, aber in der Praxis kaum systematische Instrumente

in der Auswahlentscheidung zum Einsatz kommen. Vor allem bei grösseren

Agentureinheiten (in Österreich: > 6 Mitarbeiter) ist dies eine fundamentale

Voraussetzung zur erfolgreichen Agenturführung- und entwicklung, da aus der

Beratungserfahrung der bisher erfolgreiche Verkäufer in seiner Rolle als Agentleiter

nur selten über das entsprechende unternehmerische Potenzial verfügt.

- Qualitätsverbesserungspotenzial: damit können alle Kriterien subsumiert werden, die

die Entwicklung der Bestandsstruktur zum Ziel haben (Ablaufquote, Cross Selling

Quote, Vollkundenanteil etc.). Hier wird die Erwartung verbunden, mit einer

Agenturlösung und der entsprechenden Mitarbeiterunterstützung die Pflege des

Bestandes besser vorantreiben zu können.

- Was auffällt: Das Thema Sicherstellung der Agenturnachfolge genießt aus Sicht der

Befragten derzeit noch keine hohe Priorität, obwohl aufgrund der vorhandenen

Altersstruktur ca. 20% aller Agenten in den nächsten 5 Jahren in Pension gehen

werden. Nicht zuletzt zur langfristigen Bestandsabsicherung entsteht daraus aus

meiner Sicht künftig starker Handlungsbedarf.

b) Wie werden Agenturen gesteuert?

- Bonifikation: im Zentrum der Steuerung steht vertriebsspezifisch die zielorientierte

Ausgestaltung der Leistungsbonifikation, wobei je nach Steuerungsabsicht prioritär

folgende Kriterien verwendet werden: Nettobestandzuwachs je Sparte und Gesamt,

Produktion je Sparte und Gesamt, Deckungsbeitrag, Qualitätskriterien wie oben

skizziert. Diese Kriterien werden üblicherweise im Sinne eines Ratings zu

Agentursegmenten (Agenturportfolios) zusammengefasst und als Basis für die

erreichbare Bonifikation ausgeschrieben.

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- Courtage: Dazu kann grundsätzlich festgehalten werden, dass sich das aktuelle

Courtageniveau je nach strategischer Zielsetzung und Grundmodell

(Outsourcing/Insourcing) mehr oder weniger an Maklercourtagen annähert.

- Zuschüsse: diese stehen im engen Zusammenhang mit der jeweiligen

Steuerungsabsicht. Primäre Ziele, die damit verfolgt werden: Orgaausbau über die

Agenturvertriebsschiene (Zuschüsse für Front-/Backoffice Personal), Sicherstellung

eines einheitlichen Erscheinungsbildes und eines entsprechenden Bürostandards

(Markenimage stärken), Unterstützung in der laufenden Abwicklung (EDV,

Buchhaltung & Steuerberatung, Ausbildung).

TThheemmaa SSuuppppoorrttlleeiissttuunnggeenn Ergänzende Fragen an alle teilnehmenden Agenten:

Welche Supportleistungen sind für Sie von Interesse?

Welche Supportleistungen helfen Ihnen sich im Wettbewerb besser abzugrenzen/zu differenzieren?

Interesse des Agenten

Unterscheidung zum Mitbewerb / USP

hoch

niedrig

Kompetenzen Finanzierung

Werbe-budgets

Support Kunden- auftritt

Werbemittel

eigene Versicherung

EDV

Zentraler Einkauf

Ventil- lösung

Ausbildung Support MA-Ausbau

BWL-Beratung

Call/Service-Center

Unterstützung Standortwahl

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c) Wie werden Agenturen gebunden?

- Persönliche Beziehung: Im Mittelpunkt aller Bindungsbemühungen, steht aus der

Sicht der Befragten das partnerschaftliche Verhältnis zwischen dem persönlichen

Ansprechpartner des Versicherers und seiner Supportkräfte und dem Agenten. Die

überwiegende Mehrheit aller Wechselfälle ist darauf zurückzuführen, dass die

„persönliche Chemie“ nicht mehr passt.

- Die weiteren Bindungsmaßnahmen sind abhängig vom jeweiligen Modell:

o Outsourcing: primär Bindung auf Ebene des Agenturvertrages (tendenziell

restriktiver, was die Vertragsdauer, Mitnahme des Kundenbestandes und

Folgeprovisionsansprüche anbelangt), Beibehaltung bzw. adäquate Erweiterung

des gewohnten Supports in Richtung Führung und betriebswirtschaftlicher

Unterstützung

o Insourcing: losere Bindung auf Ebene des Agenturvertrages, Fokus auf

Erstabsicherung im Wechselfall durch Sicherstellung des bisherigen Einkommens

(Einkommensgarantie), Unterstützung des Kundentransfers zum neuen

Versicherer (Transferrabatt)

- Es fällt auf, dass aufgrund der aktuell intensiven Wettbewerbssituation die

verschiedenen relevanten Marktteilnehmer zunehmend auf das gesamte Repertoire

der Bindungsinstrumente zugreifen, um eigene Marktanteilsverluste zu kompensieren

aber auch neue Potenziale vom Mitbewerber zu nutzen.

2.2.5 Einbindung in die Organisationsstruktur der Versicherer:

- Priorität 1 / Ansiedlung im Stammvertrieb: bei der überwiegenden Mehrheit der

befragten Versicherungsunternehmen ist der regionale Gebietsleiter sowohl für die

angestellten Mitarbeiter als auch für die Exklusivagenturen zuständig. Vorteil: es gibt

keinen Kannibalismus zwischen diesen beiden Vertriebswegen, wenn die

entsprechenden Anreizsysteme darauf fokussieren. Es kann ein Karriereweg vom

angestellten Mitarbeiter in den Agenturvertrieb aufgebaut werden.

- Priorität 2 / Ansiedlung im Makler- oder alternativen Vertrieb: bei der Minderheit der

befragten Versicherungsunternehmen ist der regionale oder zentrale Maklerbetreuer

für die Exklusivagenturen zuständig. Vorteil: Dies erleichtert die Akquise von

Agenturen und Maklern vom Markt, weil die Bedürfnisse selbstständiger Unternehmer

besser berücksichtigt werden können.

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2.2.6 Positionierungsstrategien am österreichischen Agenturmarkt: Aus den bisherigen

Fragestellungen lassen sich modellhaft 2 grundsätzliche strategische Positionierungen

am österreichischen Agenturmarkt ableiten, je nachdem ob vorrangig Wachstums- oder

Ertragsüberlegungen einerseits und Insourcing bzw. Outsourcing Praktiken

andererseits im Vordergrund stehen.

die ertragsorientierte Outsourcing-Strategie

Merkmale:

– Ertragsorientierung und Bestandserhaltung stehen im zentralen Mittelpunkt

– Die Steuerungslogik erfolgt ähnlich wie im angestellten Außendienst über

Vertriebspläne, Support und Zuschüsse, teilweise über schadensabhängige

Bestandsremuneration

– unterdurchschnittliches oder marktadäquates Courtage-Niveau

– eingeschränkte Ventillösung

– geringe unternehmerische Selbstverantwortung (differenziertes Zuschusssystem,

Bindung über Vertrag & Side-Letter)

– Organisatorische Integration in den gebundenen Vertrieb (unter dem gleichen

Verkaufsleiter, mit eigener Betreuungsstruktur im Hintergrund)

– höhere Gesamtkomplexität innerhalb eines Vertriebsweges

– die Führung erfolgt analog zum angestellten Außendienst über

„dienstanweisungsähnliche“ Verhaltensweisen

– Personalentwicklung als Ansatz zur möglichen Weiterentwicklung für Verkäufer.

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die wachstumsorientierte Insourcing-Strategie

Merkmale:

– Bestandszuwachs steht im zentralen Mittelpunkt (egal aus welcher Sparte)

– Die Steuerungslogik ist ähnlich wie beim Makler (über BONI und nicht über Support)

– Überdurchschnittliches Courtage-Niveau

– Progressive Ventillösung („Mehrfachagentur“ für klar definierten Bestand)

– Aggressive „Lockmittel“ (Absicherung für den Übergang i.S. von Garantien,

erweiterter Absicherungsanspruch, Transferrabatte etc.)

– Hohe unternehmerische Selbstverantwortung

– Teilweise organisatorische Trennung der Vertriebswege (etwaiger

Kannibalisierungseffekt bzw. „freier Wettbewerb, solange das Ergebnis stimmt“)

– Geringere Gesamtkomplexität innerhalb eines Vertriebsweges, höhere Komplexität in

der Koordination zwischen den Vertriebswegen (latentes Konfliktpotenzial)

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Studie Exklusivagentur – Quo Vadis Mag. Christian Rottensteiner

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2.3 Strategische Ausrichtungen und aktueller Status aus Sicht der Agenten

Neben der Einschätzung aus der Sicht der Versicherer war es auch wichtig, eine aktuelle

Standortbestimmung aus der Perspektive der Agenturen durchzuführen. Dazu konnten 58

ausgefüllte Fragebögen (bei 100 ausgesandten Bögen mit persönlichem Briefing)

ausgewertet werden. Dies entspricht einer Responsequote von 58%.

2.3.1 Ausgewählte Hard facts zur Struktur der befragten Agenturen (auf Basis des Jahres 2009,

Abbildung 6)

Ø Bestandsgrösse je Agentur in € Gesamt (exkl. LV) 1.539.000,--

Ø Bestandsstruktur je Agentur in % KFZ 35%

Sachsparten 35%

Personensparten 30%

Ø Beschäftigten-Anzahl je Agentur Gesamt 3,2

davon selbstst. Agenten 1,2

davon angest. Frontoffice 0,5

davon angest. Backoffice 1,5

Rechtsformen Einzelagentur 50%

Personengesellschaften 30%

GmbH/Kapitalgesellschaft 20%

Bürogemeinschaft mit anderen Agenturen ja 40%

nein 60%

Jahresüberschuß vor Steuern in € im Ø

(Median)

Lt. Bilanz bzw.

Einnahmen-/

Ausgabenrechnung

89.000,--

Bei der Vorauswahl wurde darauf geachtet, einen möglichst repräsentativen Mix der

aktuellen österreichischen Agenturlandschaft abzubilden (Basisvoraussetzungen:

Mindestbestandsgrösse: 750.000,-- € exkl. LV, eigener Standort, zumindest ein

Beschäftigter, Mix an verschiedenen Gesellschaftsformen und Betriebsgrössen). Dazu

ist festzuhalten, dass die Agenturgrösse grundsätzlich von einer kleingewerblichen

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Struktur mit in erster Linie selbständigen Einzelagenten geprägt ist, die sich zunehmend

in Bürogemeinschaften organisieren, um die Fixkosten des Standortes senken zu

können. Gleichzeitig gibt es auch eine Reihe für österreichische Verhältnisse grösserer

Agentureinheiten, die zumeist in der Rechtsform von GmbH’s geführt werden. Unterstützt

werden diese Agenten zumeist von zunehmend verkaufsorientiertem Backoffice

Personal, die der Entlastung des Agenten im administrativen Bereich und der

Verkaufsunterstützung dienen. Zusätzlich angestellte Frontoffice-Mitarbeiter bilden

insgesamt gesehen eher die Ausnahme.

2.3.2 Prioritäre Motive zur Gründung einer Agentur

Dazu muß generell vorausgeschickt werden, dass sich die befragten Agenturen im

Schnitt ca. 11 Jahre am Markt befinden (Bandbreite der Gründung von 1992 bis 2008),

d.h. bei der Stichprobe handelt es sich in der überwiegenden Mehrheit um langjährige

Agenten mit nachhaltiger Erfahrung und Marktpräsenz.

Abbildung 7:

prioritäre Gründungsmotive (Mehrfachnennungen möglich = TOP 3, Anzahl aller Nennungen in % aller Antworten

Optimierung der eigenen Organisation mit verbessertem

Kundenservice11%

Aufbau eines eigenen, neuen Standortes

16%

Erschließung neuer Kundenzielgruppen

3%

Imageaufwertung beim Kunden17%

Nutzung unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeiten

24%

Höhere Courtagesätze 5%

Nutzung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten

3%

Verbesserung der eigenen Lebensqualität

11%

Entlastung von administrativen Tätigkeiten

5%

Besseres Geschäftswachstum durch zusätzliches Personal

5%

Als Top 3 der rückblickend längerfristig entscheidenden Gründungsmotive gelten:

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- Nutzung unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeiten (diesen Punkt haben 98%

aller Befragten genannt, teilweise im Zusammenhang mit Mitarbeiter-Ausbau,

Marktbearbeitung u.a.).

- Imageaufwertung beim Kunden (hier wird auch das grundsätzlich höhere Image des

Unternehmers beim Kunden sichtbar).

- Aufbau eines eigenen, teilweise neuen Standortes, der vielfach auch mit einer

Verbesserung des Kundenservice verknüpft wird (kundenfreundliche Infrastruktur,

bessere Öffnungszeiten und Erreichbarkeit etc.).

Die oben angeführten Motive können mehrheitlich auch als Ausdruck einer offensiveren

Gründungsmentalität angesehen werden. Es stehen durchwegs unmittelbar durch den

Agenten beeinflussbare Gestaltungsfaktoren im Sinne des Aufbaus der eigenen U.S.P. im

Vordergrund.

In der Minderheit blieben stichprobenbezogen Antworten, die von der Tendenz her stärker

defensiv auf die Verbesserung der eigenen Lebensqualität oder die kurzfristige Nutzung

steuerlicher Vorteile und höherer Courtagesätze abzielten.

2.3.3 Standortbestimmung zu unterschiedlichen unternehmerischen Gestaltungsfaktoren

a) Standortbestimmung zum Thema Mitarbeiterführung, Abbildung 8:

1,65

1,85

2,45

1,75

2,55

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Dur

chsc

hnitt

sbew

ertu

ng

(1 =

triff

t vol

lkom

men

zu,

bis

4 =

triff

t nic

ht z

u)

Reihe1 1,65 1,85 2,45 1,75 2,55

jährliche Planungsgespräche mit

den Mitarbeitern

konkrete Verkaufs- bzw. Leistungsziele für jeden

MA

Delegation von Verantwortung an die Mitarbeiter (Pouvoirs)

regelmässiges Feedback über die Zielerreichung

Die Zielvereinbarung wird schriftlich festgehalten

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Kommentar: Was aus der Eigensicht der Befragten recht gut funktioniert, ist das Thema

Planungsgespräch und Feedback zur Zielerreichung (unmittelbare Leistungsanforderung

auch vom Agenturpartner). Defizite gibt es insbesondere in den Bereichen der gezielten

Delegation und des schriftlichen Festhaltens und der Konsequenz in der Weiterverfolgung

der vereinbarten Ziele. Betreffend Delegation kann ich aus der Eigenerfahrung als Berater

nur bestätigen, dass sich der „gute“ Verkäufer schwer tut, Verantwortung an andere zu

delegieren. Formalismen wie schriftliches Festhalten von Zielvereinbarungen werden als

Kontrollzwang empfunden und skeptisch gesehen. Führungsbezogen liegen hier aber

wesentliche Hebel zur Weiterentwicklung der Agentur.

b) Standortbestimmung zum Thema Verkauf und Marketing, Abbildung 9:

2,85

1,95

1,75

2,4

2,05

2,7

2,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Dur

chsc

hnitt

sbew

ertu

ng

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triff

t vol

lkom

men

zu

bis

4= tr

ifft n

icht

zu)

Reihe1 2,85 1,95 1,75 2,4 2,05 2,7 2,5

Produktverkauf nach Sparten im

Vordergrund

Nutzung des Potenzials von Cross Selling

Nutzung bedarfsorientierter Mehrphasenverk.

zielgruppenoriente Bestandsbearbeit.

Marketing: Fokus auf klassische

Werbeaktivitäten

Marketing: Fokus auf Events

Marketing: Fokus auf Sponsoring

Kommentar:

Die Agenturorganisation orientiert sich stärker am lösungs- und beratungsorientierten

Mehrphasenverkauf im Vergleich zum spartenorientierten Produktverkauf (Hypothese:

Abnahme der direkten Steuerungsmöglichkeit durch den Versicherer im Vergleich zum

angestellten Vertrieb).

Zielgruppenorientiertes Marketing und Segmentierung der Kunden spielen aus Sicht der

Agentur dabei nur eine vergleichsweise geringe Rolle. Bei den Marketingaktivitäten

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dominieren klassische Werbemittel (Goodies für Kunden etc.). Investitionen in

Eventmarketing und Sponsoring stehen diesbezüglich klar im Hintergrund, werden aber

zunehmend wichtiger.

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c) Standortbestimmung zum Thema Organisation, Abbildung 10:

2,05

1,85

2,5

1,45

1,15

2

11

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Dur

chsc

hnitt

sbew

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1= tr

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zu)

Reihe1 2,05 1,85 2,5 1,45 1,15 2 1

klare Verantwortlichkeiten

für die MA

Alle Mitarbeiter arbeiten

verkaufsorientiert

optimale Entlastung für Agenten

kundenfreundliche Öffnungszeiten

optimale Lage und kundenfreundliche

Ausstattung

Die Kunden nutzen überwiegend das

Büro

umfassende Beratung/Begleitung

im Schadensfall

Kommentar:

Praktisch alle Befragten gaben an neben einer umfassenden Beratung auch eine Begleitung

im Schadenfall anzubieten. Standortfaktoren (Lage, Ambiente und Öffnungszeiten) werden

überwiegend positiv eingeschätzt. Bei der effizienten Nutzung des Standortes werden noch

deutliche Verbesserungspotenziale wahrgenommen (Ziel: Erhöhung der Kundenfrequenz am

Standort für insbesondere zusätzliche Abschlüsse im Massengeschäft). Weitere Defizite

können insbesondere in der Innenorganisation festgestellt werden: mangelnde Entlastung

des Agenten (dies spiegelt sich schon wie o.a. im Bereich der Mitarbeiterführung und

Delegation wider). Damit im Zusammenhang steht auch die nicht klare Verantwortlichkeit für

die Mitarbeiter (Hypothese: darauf wird seitens der Agenturleitung bisher zuwenig geachtet).

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d) Standortbestimmung zum Thema Rekruiting und Einarbeitung, Abbildung 11:

2,25

1,451,55

2,15

1,8

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Dur

chsc

hnitt

sbew

ertu

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1 =

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men

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bis

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triff

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ht z

u)

Reihe1 2,25 1,45 1,55 2,15 1,8

Anforderungsprofile für back und front office MA

vorhandenes Know How zur Ansprache von potenziellen

Mitarbeitern

Zufriedenheit mit Qualität der angestellten Mitarbeiter

schriftlicher Einarbeitungsplan und klare

Verkaufsziele

Know How, neue Mitarbeiter entsprechend auszubilden.

Kommentar: Kontakte und das Know How zur Ansprache potenzieller neuer Mitarbeiter sind

durchaus vorhanden. Woran es insbesondere mangelt ist prioritär

- das professionelle Wissen zum benötigten Anforderungsprofil (Wen brauche ich zur

Unterstützung?) sowie

- das Wissen und die zeitlichen Ressourcen, Neulinge einzuführen und entsprechend

auszubilden.

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e) Standortbestimmung zum Thema Controlling, Abbildung 12:

1,25

1,4

1,6

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Dur

chsc

hnitt

sbew

ertu

ng (

1 =

triff

t vol

lkom

men

zu,

bis

4 =

triff

t nic

ht z

u)

Reihe1 1,25 1,4 1,6

guter Überblick über die betriebswirtschaftlichen Kennziffern meiner

Agentur jährliche, agenturinterne Planung ich kümmere mich selbst darum (Planung,

Buchhaltung, lfd. Controlling).

Kommentar:

Der durchschnittliche Agent hat aus der Eigensicht der Befragten einen guten Überblick

über die betriebswirtschaftlichen Kennziffern der eigenen Agentur und kümmert sich

diesbezüglich selbst um alle Belange der Finanzen. Dabei werden teilweise beträchtliche

Zeitressourcen eingesetzt. Eine differenzierte Unterscheidung betreffend „make or buy“

(Selbst tun oder Einkauf beim versicherungsversierten Steuerberater) würde

diesbezüglich eine weitere Produktivitätssteigerung ermöglichen. Dazu ist das Basis-

Know How zum Thema Steuern und Betriebswirtschaft weiter zu erhöhen.

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2.3.4 Prioritäre Erwartungen der Agenturen an den Parnter, Abbildung 13:

1,31,1

1,85

1,11,25 1,2

1,3 1,25

1,8

11

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Marke d

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1 =

sehr

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icht

ig)

Kommentar: Als Kernfaktoren können folgende Punkte angesehen werden:

- Guter Service im Schadenfall/in der Vertragsbearbeitung

- Grundsätzliche Produktpalette (Preis-/Leistungsverhältnis)

- Klare direkte Ansprechpartner

Dazu kann festgehalten werden, dass bei den befragten Agenturen die grundsätzliche

Leistungsfähigkeit des Partners gegenüber dem Kunden im Wettbewerb (Produktpalette

und Service) sowie die persönliche Beziehungsqualität durch einen oder mehrere

persönliche Ansprechpartner (siehe gleichlautende Einschätzung durch Versicherer) im

Vordergrund stehen.

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2.4 Bedürfnisse und Wahrnehmungen aus Kundensicht

a) Vorgehensweise:

Zur Ergänzung der Hauptschwerpunkte der Studie wurden ergänzend auch die

Bedürfnisse und Wahrnehmungen aus Kundensicht im Kontext des

Untersuchungsthemas eingeholt. Dazu wurde auf das Instrument eines strukturierten

Gruppeninterviews zurückgegriffen (Zusammensetzung: 6 Privatkunden im

mittleren/gehobenen Privatkundengeschäft und 2 Kunden im Kleingewerbe aus dem

städtischen Bereich). Zu Beginn wurden konkrete Trends bzw. ausgewählte

Gestaltungsmöglichkeiten aus dieser Studie vorgestellt und zur Diskussion gestellt. Die

Vorgehensweise eignet sich aus meiner Sicht hervorragend, um in kurzer Zeit eine

Vielzahl unterschiedlicher Informationen und Bandbreiten von Meinungen sichtbar zu

machen. Auf eine umfangreichere Analyse zum Thema grundsätzlicher

Kundenbedürfnisse mit repräsentativen Stichproben wurde verzichtet, weil dies nicht

Fokus der Studie war und gleichzeitig durch andere, laufend stattfindende Umfragen

wesentlich besser abgedeckt werden kann. 8

Auf welche Fragestellungen wurde fokussiert:

- Wie wird die Exklusivagentur aus Kundensicht im Vergleich zu anderen

Vertriebswegen im österreichischen Versicherungsvertrieb wahrgenommen?

o Generelle Wahrnehmung der Exklusivagentur

o Mehrwert gegenüber anderen Vertriebswegen

- Welche grundsätzlichen Erwartungshaltungen bestehen an eine Exklusivagentur

hinsichtlich

o Standort, Öffnungszeiten und Erreichbarkeit

o Kompetenz und Beratungsumfang

o Persönliche Reputation des Agenten und Marke des Agenturpartners

b) Die wichtigsten Ergebnisse:

Frage 1: Wie wird die Exklusivagentur aus Kundensicht im Vergleich zu anderen

Vertriebswegen im österreichischen Versicherungsvertrieb wahrgenommen?

Dazu habe ich festgestellt, dass der Begriff der Exklusivagentur (analog dazu habe ich

auch entsprechende Synonyme wie Generalagentur und Ausschließlichkeitsagentur als

Begriffe verwendet) in der Wahrnehmung der Befragten praktisch kaum vom 8 Vgl. die jährlichen Kundenzufriedenheitsbefragungen von Psychonomics zum Thema Ausschließlichkeit

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Studie Exklusivagentur – Quo Vadis Mag. Christian Rottensteiner

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angestellten Mitarbeiter differenziert wird. Ein Unterschied wird aus Kundensicht lediglich

von anderen selbständigen Unternehmern gemacht („die Kommunikation von

Unternehmer zu Unternehmer wird als vertrauensbildend und professionell empfunden“).

Im Privatkundengeschäft spielt dies lediglich eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund

steht diesbezüglich vielmehr das persönliche Vertrauen in den Agenten und in die

dahinterstehende Marke des Versicherers.

Anders gestaltet sich die von den Befragten wahrgenommene Unterscheidung zum

Maklervertrieb. Hier kommt als Mehrwert die generelle Zuschreibung der Unabhängigkeit

(„Best Advice“) viel stärker zum Tragen. Eine Provisionsauszeichnung mit

Honorarberatung wurde von den Befragten generell als positiv eingestuft.

Frage 2: Welche grundsätzlichen Erwartungshaltungen bestehen an eine

Exklusivagentur?

Betreffend Standort gingen die Meinungen sehr stark auseinander. Ein Teil der Befragten

zeigte eine klare Präferenz für eine Kontaktaufnahme und ein Gespräch in den eigenen

vier Wänden. Ein gleich starker Anteil schätzt die Kontaktaufnahme über einen eigenen

Standort sowohl für das Beratungsgespräch als auch für die Abwicklung aktueller

Anliegen. Diesbezüglich stehen Kriterien wie leichte Erreichbarkeit mit ausreichender

Infrastruktur im zentralen Vordergrund. Betreffend Öffnungszeiten besteht der Wunsch

nach entsprechender Flexibilität. Neben der Möglichkeit der KFZ-Anmeldung wurden

diesbezüglich auch Möglichkeiten verlängerter Öffnungszeiten in den Abendstunden

thematisiert. Die Akzeptanz des Standortes hängt teilweise auch mit den sonstigen

Einkaufsgewohnheiten der Befragten ab (Wunsch nach einer gleichzeitigen, möglichst

raschen Erledigung einer Reihe von Aufgaben) aber auch des potenziellen

Zusatznutzens im Bedarfsfall ab (Stichwort: Kompetenzzentrum, in dem die Agentur

einen Mehrwert durch das Zusammenspiel mit anderen Professionisten wie z.B.

Steuerberatern oder Rechtsanwälten bietet).

Betreffend Kompetenz und Beratungsansatz wurden in der Diskussion die

grundsätzlichen Tendenzen in Richtung eines lösungsorientierten Beratungsverkaufs

aus Kundensicht bestätigt. Bestätigt wurde gleichzeitig aber auch das geringe Interesse

am Kernprodukt Versicherung generell, d.h. aus Kundensicht erfolgt eine Differenzierung

der Leistung einer Agentur primär über Zusatzleistungen, die einen spezifischen,

spürbaren Mehrwert aus der Sicht des Kunden generieren.

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c) Fazit und Ausblick

Der Vertriebsweg Exklusivagentur hat in den letzten Jahren einen bedeutenden Stellenwert

innerhalb des österreichischen Versicherungsvertriebs erreicht. Aufgrund der aktuell

erkennbaren Rahmenbedingungen ist trotz aller Unsicherheiten im Marktumfeld mittelfristig

mit einer stabilen Weiterentwicklung zu rechnen. Letztendlich teilt der Agenturvertrieb

diesbezüglich das Schicksal des gebundenen Vertriebs. Die Chance des exklusiven

Agenturvertriebs besteht darin, sich im Wettbewerb der Vertriebswege als Speerspitze des

Ausschließlichkeitsvertriebs zu verstehen und ihre diesbezüglichen Mehrwertpotenziale

gegenüber dem Kunden weiter zu optimieren.

Dabei stehen folgende Handlungsoptionen im Vordergrund:

a) Vorweg steht aus der Sicht der Versicherer die Klärung der Frage zur strategischen

Positionierung der Exklusivagentur im Vertriebswege-Mix. Wie die o.a.

Untersuchungsergebnisse bestätigen, liegt die Exklusivagentur im Wettbewerb auf einem

klaren Kurs zur Differenzierung im qualitativen Beratungsgeschäft und nicht zur

Kostenführerschaft (Vermeidung des Phänomens „Stuck in the middle“).

b) Konsequent weitergedacht heißt das: Investition in die Optimierung der

Beziehungsqualität zwischen Versicherer und Agent: Fokus auf die unmittelbare

Organisation vor Ort im Sinne direkter, kompetenter Ansprechpartner aber auch auf die

weitere Professionalisierung des Supports im Bereich der Servicierung im Schadenfall,

Verkaufsunterstützung und einer wettbewerbsfähigen Produktpolitik im Vertriebswege-

Mix.

c) Da diese Handlungsoption entsprechende Ressourcen beansprucht, bedeutet dies

gleichzeitig aus der Sicht der Versicherer auch notwendige Sanierungen im bestehenden

Agenturnetz durchzuführen (bei nicht ausreichender Bestandsgrösse, mangelnden

unternehmerischen Fähigkeiten des Agenturleiters und keiner klaren Positionierung im

regionalen Umfeld).

d) Gleichzeitig gilt es, für zukünftige Agenturgründungen und Unternehmens-

nachfolgeentscheidungen die entsprechenden Weichenstellungen vorzunehmen

(Nachjustierung der Anreizsysteme in Richtung verstärkter Profitabilität, Fokussierung auf

qualitativ höherwertige Produkte inkl. der entsprechenden Segmentierung der Agenturen

nach diesen Kriterien).

e) Aus der Sicht der einzelnen Agentur bedeutet es: Schaffung von Mehrwert gegenüber

dem Kunden insbesondere in den Feldern: Kompetenz & Service, Erreichbarkeit und

Zusatzdienstleistungen über das eigentliche Kerngeschäft hinaus.

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