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490 VOGEL: Tagen entfernt. Heute, unter Penicillin- und Demuschutz, braucht man nicht einmal diese Zeit. Wet einige Male solehe schweren Frakturen des Kehlkopfes mit dem durehgespieBten Knorpelstficken im Hypoloharynx und im KehlkopL lumen gesehen hat, und beobachtet hat, wie unter Krepi~ieren der Kehl- kopfknorpel in die Normallage zuriiekkehrg, der wird fiir immer davoa iiberzeugt sein, 1. wie notwendig die sofortige Versorgung des Kehl- kopfes durch den Laryngologen unmittelbar nach dem Unfall ist, der wird 2. pathologisch-anatomisch es verstehen, warum es bei dem durch- gespieBten Knorpel in der SpeiserShre zur Phlegmone des Kehlkopfes und oft zur t6dlichen Mediastinitis gekommen ist, und der wird 3. erstaunt sein, wie sehnell sich naeh der Aufrichtung und Schienung die Funktion des Kehlkopfes in bezug auf Atmung, Stimme nnd reflektori- schem VerschluBmechanismns wieder herstellen l~gt. 43. Herr VO~EL-Kiel. Atypische Sinusthrombosen. (Mit 3 Text~ abbildungen.) Das klinische Bild der Sinusthrombose ist jedem Ohrenarzt gelgufig. Wir haben dabei eine Vorstellung yon pygmischem oder septischem Fieber, Schfilte]frSsten und Metastasen, sgarker Hyperleukocytose und Linksverschiebnng des Blutbildes, grauer blasser Gesichtsfarbe, grockener Zunge und schleehtem frequentem Puls. Da die Sinusthrombose aber nicht immer so gekennzeichnet ist, so m6chte ich im l~ahmen des Kongregthemas ,,Fehler und Gefahren" kurz einige Fglle sehildern, in denen die meisten typischen Zeichen fehlten nnd welche deshalb in Gefahr geraten, verkannt zu werden und auch tatsgchlich anfangs verkannt wurden. Diese Tatsachen sind natiir- lich nieht neu und unter anderem auch in den groBen Arbeiten yon I-IAY- ~1a~ und yon MARX, SEIFERTH und HIBLE~ erwghnt. Doch bilden diese Fglle eine Ausnahme, auf die e's sich lohnt hinzuweisen. .Fall 1. Karl Kr., 19 Jahre (Abb. 1). Aufnahme in die Klinik am 25. 2. 50. ttier wurde zun~chst ein unkomplizierter akuter exaeerbierter chronischer Mittel- ohrprozeg links vorget~uscht. Nach Paracentese, Fieberabfall, Versiegen der Sekretion, Abblassen des Trommelfells. Kein Druckschmerz am Warzenfortsatz. Das Blutbild zeigte eine leicht entzfindliche Vergnderung bei normaler Gesamt- teukocytenzahl, starker Zungenbelag mit Foetor, etwas Druckschmerz im rechten Kieferwinkel, welcher auf eine Drtisenschwellung und einen Herpes labialis bezogen wurde. Es folgte ein fieberfreier Tag und die Ohrei~erung ging zurtick. Am n~chsten Tag hatte er 38~ Am Tage darauf bekam der Patient pl6tzlich FrSsteln und 39,3 ~ ])as linke Ohr flng wieder an zu laufen. Einen Schfittelfrost sol]re er am Tage vor seiner Aufnahme auch gehabt haben. Bei der nun ~r Radikal- operation ergab sich ein Cholesteatom und eine jauchige Thrombose, nieht nur des Sinus, sondern auch der ganzen v~ jugularis bis in den thorakalen Teil,

Atypische Sinusthrombosen

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Page 1: Atypische Sinusthrombosen

490 VOGEL:

Tagen entfernt. Heute, unter Penicillin- und Demuschutz, braucht man nicht einmal diese Zeit.

Wet einige Male solehe schweren Frakturen des Kehlkopfes mit dem durehgespieBten Knorpelstficken im Hypoloharynx und im KehlkopL lumen gesehen hat, und beobachtet hat, wie unter Krepi~ieren der Kehl- kopfknorpel in die Normallage zuriiekkehrg, der wird fiir immer davoa iiberzeugt sein, 1. wie notwendig die sofortige Versorgung des Kehl- kopfes durch den Laryngologen unmittelbar nach dem Unfall ist, der wird 2. pathologisch-anatomisch es verstehen, warum es bei dem durch- gespieBten Knorpel in der SpeiserShre zur Phlegmone des Kehlkopfes und oft zur t6dlichen Mediastinitis gekommen ist, und der wird 3. erstaunt sein, wie sehnell sich naeh der Aufrichtung und Schienung die Funktion des Kehlkopfes in bezug auf Atmung, Stimme nnd reflektori- schem VerschluBmechanismns wieder herstellen l~gt.

43. Herr VO~EL-Kiel. Atypische Sinusthrombosen. (Mit 3 Text~ abbildungen.)

Das klinische Bild der Sinusthrombose ist jedem Ohrenarzt gelgufig. Wir haben dabei eine Vorstellung yon pygmischem oder septischem Fieber, Schfilte]frSsten und Metastasen, sgarker Hyperleukocytose und Linksverschiebnng des Blutbildes, grauer blasser Gesichtsfarbe, grockener Zunge und schleehtem frequentem Puls.

Da die Sinusthrombose aber nicht immer so gekennzeichnet ist, so m6chte ich im l~ahmen des Kongregthemas ,,Fehler und Gefahren" kurz einige Fglle sehildern, in denen die meisten typischen Zeichen fehlten nnd welche deshalb in Gefahr geraten, verkannt zu werden und auch tatsgchlich anfangs verkannt wurden. Diese Tatsachen sind natiir- lich nieht neu und unter anderem auch in den groBen Arbeiten yon I-IAY- ~1a~ und yon MARX, SEIFERTH und HIBLE~ erwghnt. Doch bilden diese Fglle eine Ausnahme, auf die e's sich lohnt hinzuweisen.

.Fall 1. Karl Kr., 19 Jahre (Abb. 1). Aufnahme in die Klinik am 25. 2. 50. ttier wurde zun~chst ein unkomplizierter akuter exaeerbierter chronischer Mittel- ohrprozeg links vorget~uscht. Nach Paracentese, Fieberabfall, Versiegen der Sekretion, Abblassen des Trommelfells. Kein Druckschmerz am Warzenfortsatz. Das Blutbild zeigte eine leicht entzfindliche Vergnderung bei normaler Gesamt- teukocytenzahl, starker Zungenbelag mit Foetor, etwas Druckschmerz im rechten Kieferwinkel, welcher auf eine Drtisenschwellung und einen Herpes labialis bezogen wurde. Es folgte ein fieberfreier Tag und die Ohrei~erung ging zurtick. Am n~chsten Tag hatte er 38 ~ Am Tage darauf bekam der Patient pl6tzlich FrSsteln und 39,3 ~ ])as linke Ohr flng wieder an zu laufen. Einen Schfittelfrost sol]re er am Tage vor seiner Aufnahme auch gehabt haben. Bei der nun ~r Radikal- operation ergab sich ein Cholesteatom und eine jauchige Thrombose, nieht nur des Sinus, sondern auch der ganzen v~ jugularis bis in den thorakalen Teil,

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Atypische Sinusthrombosen. 491

so dab das untere Ende nicht erreicht werden konnte. Unter sehr hoher Dosierung yon Penicillin und Su]fonamiden ging der ProZel~ in ttei]ung fiber.

V e r d i i c h t i g a u / K o m p l i k a t i o n w a r in d i e sem F a l l e r s t a m 4. T a g de r

W i e d e r a n s t i e g d e r T e m T e r a t u r m i t F r S s t e l n , die D r u c k e m p / i n d l i c h k e i t

a m H a l s , de r s t a r k e Z u n g e n b e l a g m i t

F o e t o r . I m g a n z e n w a r das A n f a n g s -

b i ld u n c h a r a k t e r i s t i s c h u n d s t a n d in

k e i n e m Verhg l t n i s zu d e m s c h w e r e n

O p e r a t i o n s b e f u n d . B e s o n d e r s i rre-

f f ih rend w a r das B l u t b i l d .

E a l l 2] Christian F., 7 Jahre (Abb. 2). Klinikaufnahme am 24. 2. 50, bereits ein- real Ohrsehmerzen rechts vor 14 Tagen (angeblieh Furunkel), jetzt wieder seit eini- gen Tagen; Abducensparese rechts, rechtes Trommelfell wenig gerStet und hinten oben vorgew51bt. R5ntgenbild: Zellsystem etwas verschleiert, Pyramidenspitze spongiosiert. Lumbalpunkti~ ~/8 Zellen, 57eurologisch : Verdaeht auf niehtentzfindlichen Proze$ in

1950 2S.#: 26. 22 2,~. l.Zg: 2. ,-7

2xbb. 1. ]~arl l~r., 19 Jahre.

der Sehiidelbasis, Ophthalmologiseh: Papillen beiderseits etwas nasal gestaut. Paraeen~ese.

Am ngehsten Tag Trommelfell abgeblaBt. Es folgen 5 fieberfreie bis subfebrfle Tage mit gutem AllgemeinbeEuden. PiStzlieh wieder 400 Temperabur ohne Schiittel-

lgsg 2~ K 25.. ~. 2 Z zg. 1.~. q. g #. ~ ,s 9. 10.

ql �9 % 1. g. 3.

36

35

r162

~3g

32

Abb. 2. Christian F., 7 Jahre.

frost, 19 700 Leukoeyten und 15 Stgbe, wieder Ohrsehmerzen bei reizlosem Trommel- fell, etwas Druckschmerz des Warzenfortsatzes; dann wieder 3 subfebrfle Tage ohne Besehwerden bei gutem Appetit, normalem Trommelfell; dann am 8.3. wieder 400 Fieber, 9500 Leukocyten, 7 Stabe, vorfibergehend starke Ohrenschmerzen bei ganz leichter epi~ympanaler Reizung; nie Schii~telfrost, nur zeitweise etwas apathiseh; ziemtich abgemager~. Die 3 seheinbar unmotivier~en Fieberzacken, eine fragliehe Stauungspapilte, erneute Ohrsehmerzen reehts und eine verwaschene Zellzeichnung im RSntgenbild gaben die Veranlassung zur AufmeiBelung. Wir erwarteten eine Mastoiditis. Es fand sich eine Sinusthrombose, bei welcher weder

~fxch. Ohr- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk. Bd. 158 (Kongrel~bericht 1950). 32

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492 VOGEL: Atypische Sinusthrombosen.

nach oben, noch nach unten vom Warzenfortsatz aus das Ende erreicht werden konnte. Ohne weitere Freilegung erfolgte unter hohen Dosen von Penicillin und Sulfonamiden die Ausheilung.

Auf Komplikation verd/~chtige Zeiehen waren riickblickend die Abducensldih- mung, die /ragliche Stauungspapille; fiir Sinusthrombose eigentlich nur erst im weiteren Verlauf die scheinbar unmodivierten sporadisehen Fieberzaeken und die 2malige flfichtige Exacerbation des Blutbildes. Dieses war im iibrigen ganz un- eharakf~ristisch.

Fall 3. Richard M., 44 gahre (Abb. 3). gadikaloperation links am 2.4. 49 wegen einer exaeerbierten Cholesteatomeiterung, groBes Cholesteatom in Kuppelraum und Paukenh5hle, Eiter unf i t Druck, Sinus nicht belegt. I n den n/~ehsten 4 Tagen

18q0 21g. 3. g g. 8. Z g. ~.

o(~ 1. g. 3. r s &: 7. Vankheils'M~

Ze#ka: 18200

Abb. 3. Rich. M., 44 Jahre .

allm/~hlicher Temperaturabfall zur Norm. Besserung des Befindens. Gesamtleukoeytenzahl einmal 8400 und einmal 10900, nur geringe Linksverschiebung, : kein Druck- schmerz des Mastoids und des Jugularisgegend. Am 6. Tag nach der Operation bei normaler Tempe- ratur Stechen in der linken Brust- seite, Versehleehterung des Befin- dens, kein Schiittelfrost. In der An- nahme einer Pneumonie Verlegung nach der Medizinischen Klinik. Am n/ichsten Tag plStzlieh nieht mehr anspreehbar. 18 000 Leukocyten, 10 St/~bd ohne Fieber. Riickverle- gung in die Ohrenklinik. Wieder-

er6ffnung der OperationshShle: Ausgedehnte jauchige Sinus- und Jugularis- thrombose, kurz naeh der Operation Exitus.

Auf Synusthrombose speziell verddichtige Zeichen fehlten hier ganz. Die ein- zigen lokaleu geiehen gingen yon Lungenmetastasen und einer Pneumonie aus. Das Blutbfld lieB, abgesehen vom Tage vor dem Tode, vSllig im Stich.

Zusammen/assend k a n n zu den einzelnen S ympt ome n folgendes gasagt w e r d e n :

Die Temperatur 'war in keinem l%lle py/s oder septisch, b e i a l len 3 F/illen l andau sich tagalange fast oder ganz fieberfreie In tarval la

Schi~ttel/rost wurde nu r in einem der gehailten F/~lle beobachtet . Das Blutbild wird yon vielen Antoren als das zuverl/issigste Mittel

angesehen, u m aine Sinusthrombose zu erkennen. Die Gesamtleukocytenzahl bewegte sich in 2 F/~llen in den Tagen

vor der Operat ion immer um und un te r 10000, nu r in einem der geheilten F/~lle stieg sie vor der Operat ion in 14 Tagen 2mal tageweise auf 14000 bzw. auf 19000. Am Tage der Operat ion betrug sie in diesem Falle 9400.

Der Verschiebeindex, d. h. die Verh/iltniszahl zwischen den Versehie- bungszellen (Stabkernige, Jugendliche, Myelocyten) und den Segment- kernigen erhob Sich nu r 2real bis zu 1/5 , war dagegen m e i s t sehr viel kleiner (naeh GLASSC~EIB soll er bei Sinusthrombose 1:1 u n d 1:2 betragen).

Page 4: Atypische Sinusthrombosen

H. GREVEN : Die Bedeutung der subcpithelialen lymphatischen Apparate usw. 493

Auch die Neut~vphilie zeigte kein konstantes typisehes Verhalten. Unter 28 Blutbildern betrug die Zahl nur 2rnal mehr als 80%.

hlur die Aneosinophilie t raf in allen 3 F~llen zu. Meine Erfahrungen decken sich hier mit denen yon HIBLER aus der

Jenenser Klinik, welcher fiber 35 F~lle berichtet. Er land in 50% norm~le oder nur hochnormale Gesamtleukocytenz~hlen. Die Links- verschiebung war bei HIBLEI~ ebenso nnzuverl~ssig. Auch der Verschiebe- index erwies sich in den meisten seiner F~lle als erheblich kleiner als 1 : 1 oder 1:2. Desgleichen zeigte die I~entrophilie bei ihm kein konstgntes Verhalten, als regelmiil~igstes Zeichen erwies sich anch bei HIBL~R die Aneosinophilie.

Der A llgemeinzustand war nur in dem letalen Fall schlecht und auch dort erst am Tage vor der Nachoperation und dem Tode. In einem anderen Falle fiel nnr eine st~irkere Abmagerung nnd zeitweise Apathie anf.

Bet Zungenbelag war in 2 F~llen zeitweise verd~chtig, d. h. br~unlich und etwas troeken.

Druckschmerz der Jugularisgegend fand sieh in 2 F~]len, und zwar in dem letalen erst am Tage des Todes, in dem anderen land er sich an der Stelle geschwollener Kieferwinkeldrfisen. Nur bei einem Patienten bestand Druckschmerz des Warzen/ortsatzes, und zwar nut 1 Tag lang. In einem der F~ille war das Trommel/ell fast immer reizlos.

Als Ergebnis der Betrachtung der 3 F~lle ist zu sagen, dad bei Sinusthrombose septische und py~imische Temperaturen sowie Schiittel- frost v011kommen fehlen kSnnen, ebenso die Hyperleukocytose, starke Linksverschiebung und Neutrophilie. In Ermangelung dieser typisehen Zeichen sollen sporadische unmotivierte Fieberzacken, fifichtige sonst unerkl~irliche Exacerbationen des Blutbildes und eine hartni~ckige Aneosinophilie den Verdacht auf eine Sinnsthrombose lenken.

Literatur. GLASSCHE:~: Mschr. Ohrenheilk. 1927. - - HAYMANN: Handbuch der Hals-

Xasen-Ohrenheilkunde yon I)E~K~,R und KAHLER, Bd. VIII, S. 54. - - H~n)E- ~IAN~: Passow-Schaefers Beitr. 22, 203 (1925). - - HIBL~R: Mschr. 0hrenheilk. 81, 353 (1947).- KAISEr, FAVL: Arch. Ohrenheilk. 119, 247 (1928). - - KvMPF: Passow-Schaefers Beitr. 24 (1926). - - LEVY: Z. Hals- usw. Heilk. 13 (1926). - - M~x: Z. Hals- usw. Heilk. 88, 3 (1935). - - Sem~LING, V.: Das Blutbild und seine klinische Verwertung. Jena: Gus~av Fischer 1926.

44. Herr H. G~EVE~-I)iisseldorf. Dic Bedeutung der subepithelialen lymphatischen hpparate iiir die Entstehung und Ausbreitung der Larynx- tuberkulose. (~Iit 5 Textabbildungen.)

Die Tuberkulose des Larynx beanslorucht ira Rahmen der tuber- ku]6sen Infektion des Organismus besondere Beachtung, weil bei ihrer

Arch. Ohr- usw. t te i lk , u. Z. Hals . usw. Heilk. Bd. 158 (Kongrel]bericht 1950). 32~