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Bibliothek 25. 2001. Nr. 1 Gradmann/Hol/Wesseling – Auf dem Weg zum „Semantic Web“ 17 Stefan Gradmann/Ron Hol/Michel G. Wesseling Auf dem Weg zum „Semantic Web“ Perspektiven der Verbundarbeit aus der Sicht von Pica Ausgehend von bestehenden Verbundmodellen sowie den dabei maßgeblichen Akteuren und Diensten stellt der Bei- trag Entwicklungsperspektiven von Verbünden im Kontext WWW-basierter Informationsdienste dar. Dabei werden im ersten Teil Fragen formuliert, die im zweiten Teil unter Hinweis auf die für die Weiterentwicklung von Verbundmodellen maßgeblichen technischen Entwicklungen beantwortet werden. Der zunehmenden wechselseitigen Transparenz von bibliothekarischen Kooperationsmodellen und WWW-Diensten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Building the Semantic Web Starting from an overview of existing models of library networks and of the main actors involved, the contribution out- lines evolution prospects of such networks within the context of emerging WWW-based information services. Specific emphasis is put on the technical development issues likely to be relevant for the evolution of networked library services. Making library services and generic WWW-services transparent for each other appears to be a key issue in that re- spect. En route vers la „toile sémantique“ Prenant comme point de départ une typologie des réseaux bibliothécaires existants et des principaux acteurs, l’article dessine quelques perspectives d’évolution de ces structures dans le contexte des services d’information WWW en gé- néral et surtout en ce qui concerne les lignes d’évolution technique qui seront d’une pertinence croissante pour l’évo- lution des réseaux bibliothécaires. Un maximum de transparence mutuelle des services génériques WWW et des ser- vices bibliothécaires apparaît comme un facteur essen- tiel à cet égard. Inhalt 1 Fragen ..................... 18 1.1 Warum Verbünde? .............. 18 1.2 Verbundmodelle (wie?) ............ 18 1.3 Akteure (wer?) ................. 19 1.4 Dienste (zu welchem Zweck?) ........ 20 1.5 … und ein neuer Kontext: der globale Informationsraum des WWW ......... 20 2 Antworten ................... 21 2.1 Kontinuität ist vital: die Zukunft existierender Anwendungen und Dienste ......... 21 2.2 Ressourcen schaffen für den Wandel: die Kooperation mit OCLC .......... 21 2.3 Evolution und Migration in den InfoSpace ................... 21 2.4 Verbünde: Kooperation im doppelten Sinne ...................... 26 None of us is as smart as all of us“ (Motto des 7. Dublin Core Workshop) Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, den gegenwärtigen Stand der Verbundarbeit und einige we- sentliche, den praktizierten Konzepten zugrunde lie- gende Arbeitsprinzipien darzustellen. In der Folge wird die Sicht erweitert auf den Kontext (im Sinne der in der Informationsverarbeitung maßgeblichen Paradigmata), in dem Bibliotheken und Verbünde sich jetzt und in der Zukunft bewegen, und aus dem wesentlich gewandelte,

Auf dem Weg zum „Semantic Web“

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Starting from an overview of existing models of library networks and of the main actors involved, the contribution outlines evolution prospects of such networks within the context of emerging WWW-based information services. Specific emphasis is put on the technical development issues likely to be relevant for the evolution of networked library services. Making library services and generic WWW-services transparent for each other appears to be a key issue in that respect.

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Bibliothek 25. 2001. Nr. 1 Gradmann/Hol/Wesseling – Auf dem Weg zum „Semantic Web“ 17

Anschrift der Autoren:

Jay JordanPresident of OCLCOnline Computer Library Center6565 Frantz RoadDublin/Ohio 43017-3395U.S.A.

Prof. Dr. Elmar MittlerDirektor der Niedersächsischen Staats-und UniversitätsbibliothekD-37070 Göttingen

Stefan Gradmann/Ron Hol/Michel G. Wesseling

Auf dem Weg zum „Semantic Web“

Perspektiven der Verbundarbeit aus der Sicht von Pica

Ausgehend von bestehenden Verbundmodellen sowie den dabei maßgeblichen Akteuren und Diensten stellt der Bei-trag Entwicklungsperspektiven von Verbünden im Kontext WWW-basierter Informationsdienste dar. Dabei werden imersten Teil Fragen formuliert, die im zweiten Teil unter Hinweis auf die für die Weiterentwicklung von Verbundmodellenmaßgeblichen technischen Entwicklungen beantwortet werden. Der zunehmenden wechselseitigen Transparenz vonbibliothekarischen Kooperationsmodellen und WWW-Diensten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Building the Semantic Web

Starting from an overview of existing models of library networks and of the main actors involved, the contribution out-lines evolution prospects of such networks within the context of emerging WWW-based information services. Specificemphasis is put on the technical development issues likely to be relevant for the evolution of networked library services.Making library services and generic WWW-services transparent for each other appears to be a key issue in that re-spect.

En route vers la „toile sémantique“

Prenant comme point de départ une typologie des réseaux bibliothécaires existants et des principaux acteurs, l’articledessine quelques perspectives d’évolution de ces structures dans le contexte des services d’information WWW en gé-néral et surtout en ce qui concerne les lignes d’évolution technique qui seront d’une pertinence croissante pour l’évo-lution des réseaux bibliothécaires. Un maximum de transparence mutuelle des services génériques WWW et des ser-

vices bibliothécaires apparaît comme un facteur essen-tiel à cet égard.

Inhalt

1 Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.1 Warum Verbünde? . . . . . . . . . . . . . . 181.2 Verbundmodelle (wie?) . . . . . . . . . . . . 181.3 Akteure (wer?) . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.4 Dienste (zu welchem Zweck?) . . . . . . . . 201.5 … und ein neuer Kontext: der globale

Informationsraum des WWW . . . . . . . . . 202 Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.1 Kontinuität ist vital: die Zukunft existierender

Anwendungen und Dienste . . . . . . . . . 212.2 Ressourcen schaffen für den Wandel:

die Kooperation mit OCLC . . . . . . . . . . 21

2.3 Evolution und Migration in den InfoSpace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.4 Verbünde: Kooperation im doppelten Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

„None of us is as smart as all of us“ (Motto des 7. DublinCore Workshop)

Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, dengegenwärtigen Stand der Verbundarbeit und einige we-sentliche, den praktizierten Konzepten zugrunde lie-gende Arbeitsprinzipien darzustellen. In der Folge wirddie Sicht erweitert auf den Kontext (im Sinne der in derInformationsverarbeitung maßgeblichen Paradigmata),in dem Bibliotheken und Verbünde sich jetzt und in derZukunft bewegen, und aus dem wesentlich gewandelte,

18 Bibliothek 25. 2001. Nr. 1 Gradmann/Hol/Wesseling – Auf dem Weg zum „Semantic Web“

Tech-Bibliothek und damit die Frage nach „Perspektivender Verbundarbeit“ völlig obsolet?Auch wenn weiter unten deutlich werden wird, daß (vielgestellte) Fragen dieser Art nicht völlig unberechtigtsind, stehen ihnen doch entscheidende Argumente ge-genüber und sind sie im Kern unbegründet. Gerade inZeiten immer weiter gehender Verknappung von Haus-haltsressourcen sind Bibliotheken mehr denn je auf Ko-operation, auf Nutzung aller greifbaren Synergiepoten-tiale angewiesen. Und auch wenn man hinsichtlich derZweckmäßigkeit der noch gängigen Katalogisierungs-praxis in Bibliotheken manchen berechtigten Zweifel an-melden mag, so wird sich diese Situation wohl nur mitund in den Verbünden neu gestalten lassen, und jeden-falls nicht sinnvollerweise ohne oder gar gegen sie. Undschließlich wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nochsehr lange Bibliotheken geben – oder zumindest Ein-richtungen, die diesen Namen tragen, auch wenn vielesin diesen Einrichtungen schon in naher Zukunft radikalverändert sein dürfte, und diese Einrichtungen werdenunverändert auf Kooperationsstrukturen angewiesensein, auch wenn man sich zu Recht fragen mag, welcheKooperationsformen zweckmäßig sind.Bei der Frage nach den „Perspektiven der Verbundarbeit“geht es also nicht so sehr um das ob, sondern um daswie (Kooperationsformen), das wer (Akteure) und daswarum (was wird mit Bibliotheksverbünden bezweckt?).Diesen Teilfragen wird im folgenden nachzugehen sein.

1.2 Verbundmodelle (wie?)

Traditionell ließen sich die Bibliotheksverbünde bis vorwenigen Jahren in zwei Typen von Kooperationsstruktu-ren einteilen, inzwischen ist ein dritter Ansatz hinzuge-kommen. Die hier entwickelte Typologie stellt notwendi-gerweise eine Vereinfachung dar und ist – wie jede Sim-plifizierung – angreifbar: sie kann dennoch nützlichsein, solange man sich darüber im Klaren ist, daß essich nicht um klar geschiedene und eindeutig alternativeAnsätze handelt, sondern daß Mischformen häufig undsogar eher die Regel sind.

1.2.1 Copy Cataloguing

Ein vor allem im angelsächsischen Kontext bis heuteviel praktiziertes Verfahren ist „Copy Cataloguing“ (auch„derived cataloguing“), die Nutzung gemeinsamerFremddatenquellen für bibliographische Ressourcen mitdem Ziel der Ableitung lokaler Derivate. Viel praktiziertwird dieses Modell vor allem von kanadischen und au-stralischen Bibliotheken, die vorwiegend nationalbiblio-graphische Nachweise als eine Art gigantischen Stein-bruch nutzen, aus dem bibliographische Datensätze ab-gerufen und in die jeweiligen lokalen Systeme übertra-gen werden. Dabei wird in seltenen Fällen auch diegenutzte gemeinsame Datenquelle angereichert, derHauptaspekt liegt jedoch bei der Nachnutzung dieserQuelle und dem Anreichern der kopierten bibliographi-schen Informationen für lokale Zwecke, etwa um Exem-plardaten mit Erwerbungs- und Verfügbarkeitsinforma-tionen, aber auch um bibliographische Zusatzinforma-tionen. Der gemeinsame Verfahrenskern ist minimal,der Grad der lokalen Autonomie erheblich, ebenso aller-dings wie der Redundanzgrad in der Gesamtsicht aller

ja selbst völlig neue Anforderungen an Bibliotheken undVerbünde heran getragen werden. Ein erster Teil formu-liert einige der wesentlichen Fragen, mit denen Betrei-ber und Teilnehmer von Bibliotheksverbünden heutekonfrontiert sind. Ein zweiter, umfangreicherer – Teilstellt einige der Antworten und Lösungen dar, die Picamit Blick auf die zuvor erläuterten Fragen anbieten kannhat bzw. an denen wir derzeit arbeiten.Nicht nur behandelt der Beitrag „Perspektiven“, er istauch selbst aus der spezifischen Perspektive Picas ver-faßt, die daher zum besseren Verständnis des restli-chen Beitrags kurz skizziert werden soll.Nach den “Perspektiven der Verbundarbeit“ befragt,dürften Lieferanten von Verbundsoftware auf der einenund Betreiber von Verbünden auf der anderen Seite inder Regel wohl deutlich verschiedene Antworten geben:dies liegt in den jeweils unterschiedlichen Interessenla-gen begründet. Die Sichtweise Picas hingegen vereintbeide Positionen.Pica ist zum einen Betreiber des niederländischen Kata-logisierungs- und Fernleihverbundes mit mehreren hun-dert Teilnehmerbibliotheken.Pica ist aber auch Entwickler und Vertreiber funktionalerLösungen für die Verbundarbeit (und für die lokale Bi-bliotheksautomation) und setzt diese Lösungen im eige-nen Verbund ein, macht sie aber auch externen Part-nern – darunter die Pica-Verbünde in Deutschland undFrankreich – verfügbar.Die Integration dieser beiden Perspektiven ist ein ent-scheidendes Charakteristikum unserer Sichtweise, dabeide Aspekte ständig zusammen gesehen werden undpartikulare Antworten aus der einen oder der anderenPerspektive damit von vorne herein auf ein internes Kor-rektiv treffen.

1 Fragen

1.1 Warum Verbünde?

Die derzeit in Deutschland und weltweit existierenden Bi-bliotheksverbünde basieren mit ganz wenigen Ausnah-men im Kern noch immer auf Konzepten der siebzigerJahre. Technisch und funktional sind die Verbünde nochstets um einen Verfahrenskern der kooperativen Erschlie-ßung (Katalogisierung und Sacherschließung) herum or-ganisiert, der im Verlaufe der Jahre funktional erweitertwurde (insbesondere um Dienste für Fernleihe und Do-kumentlieferung) und der, technisch besehen, inzwi-schen weitgehend von den Großrechnerarchitekturender siebziger Jahre zu Client-Server-Ansätzen migriertist, der aber hinsichtlich seiner grundsätzlichen Arbeits-weise wenig Veränderungen unterworfen war. Vor die-sem Hintergrund liegt beim Gedanken an Perspektivendie naive Frage vielleicht nahe, welche Berechtigung bi-bliothekarische Verbundstrukturen denn überhaupt nochhaben. Handelt es sich nicht um überkommene, schwer-fällige und nicht mehr zeitgemäße Instrumente, derenPflege und technische Weiterentwicklung zudem ganzerhebliche Mittel verschlingt, die vielleicht anders besserangelegt wären? Und weiter: brauchen die Akteure dersich rapide formierenden „globalen Wissensgesellschaft“auf Dauer überhaupt noch Bibliotheken, von Verbündenderselben gar nicht zu reden? Schließlich: ist nicht dasWWW selbst schon eine gigantische weltweite High-

Bibliothek 25. 2001. Nr. 1 Gradmann/Hol/Wesseling – Auf dem Weg zum „Semantic Web“ 19

Teilnehmerbibliotheken. Ein gemeinsamer Verfügbar-keitsnachweis existiert in diesem Modell nicht.

1.2.2 Shared Cataloguing

Der zweite traditionell maßgebliche Ansatz ist die ko-operative Verbundkatalogisierung, „shared cataloguing“oder auch „union cataloguing“ in der angelsächsischenTerminologie. Gute Beispiele für dieses Modell sind diePica-Verbünde in den Niederlanden, in Deutschlandund in Frankreich oder auch die OCLC Regionalver-bünde in den USA. Der Schwerpunkt liegt hier bei dergemeinsamen Erschließungsarbeit der Teilnehmer in ei-ner gemeinsamen bibliographischen Datenbank, dieauch einen mehr oder minder großen Teil der Exemplar-informationen enthält, zumindest was die globalen Ver-fügbarkeitsinformationen angeht. Dieser Ansatz wird er-gänzt um Verfahren für den Transfer bibliographischerund exemplargebundener Informationen in die jeweili-gen Lokalsysteme, primär findet die Arbeit jedoch in dergemeinsam genutzten Datenbank statt – dementspre-chend ist der Grad der lokalen Autonomie deutlich ge-ringer, ebenso wie (zumindest dem Anspruch nach) derbibliographische Redundanzgrad: idealiter existiert ineinem solchen System für jedes Objekt genau ein be-schreibender Datensatz. Die gemeinsame Verbundda-tenbank als Herzstück dieses Ansatzes ist zugleich Ba-sis für Fernleih- und Dokumentlieferdienste.

1.2.3 Verteilte Modelle (virtual approach)

Spätestens mit dem Aufbau des Kooperativen Biblio-theksverbundes Berlin-Brandenburg (KOBV) ist einedritte „lose“ Verbundstruktur hinzugekommen: die Kata-logisierungsarbeit findet in diesem Ansatz primär – odersogar ausschließlich – in lokalen Datenbanken der Teil-nehmerbibliotheken statt, auch wenn diese (in einer Va-riante des copy-cataloguing) gemeinsam externe biblio-graphische Datenquellen nutzen. Bibliographische In-formationen sind in diesem Ansatz jedoch ausschließ-lich in den lokalen Teilnehmersystemen verfügbar undsomit verteilt, eine gemeinsame Nachweisdatenbankund eine Verbundzentrale im früheren Sinne existiertnicht: das Gesamtsystem funktioniert als virtuellesNachweissystem, in dem die verteilten Informationsres-sourcen dynamisch durch eine gemeinsame Suchma-schine aggregiert und zugänglich gemacht werden. Derlokale Autonomiegrad ist sehr hoch, der Redundanz-grad ebenfalls, letzterem wird jedoch durch hohe Ge-wichtung von Online-Verfahren für dynamische Doublet-tenbereinigung in Ergebnismengen der gemeinsamenSuchmaschinenfunktion zu begegnen versucht.

1.3 Akteure (wer?)

Traditionell waren – und sind – Bibliotheksverbünde Ko-operationsstrukturen von und für Bibliotheken, funktio-nal geprägt von genuin bibliothekarischen Anforderun-gen (insbesondere, was die regelwerksorientierte Kata-logisierungstechnik angeht) und sind erst später umendbenutzerorientierte Dienste erweitert worden. Histo-rischer Kern der Verbundansätze sind Verfahren für dieinterne Bibliotheksautomation und die Nutzung vonSynergien im bibliothekarischen Tätigkeitsfeld. Prägendfür diese Ansätze also sind und bleiben Bibliotheken.

1.3.1 „Bibliotheken“ und „Bibliothekare“: was heißt das in der Zukunft?

Dementsprechend ist eine der Grundfragen bei der Be-stimmung von „Perspektiven der Verbundarbeit“ dieje-nige nach der Zukunft von Bibliotheken (und Bibliothe-karen). Die folgenden, sehr pointiert formulierten Alter-nativen sind dabei auch für die zukünftige Standortbe-stimmung von Verbundansätzen maßgeblich:– Werden Bibliotheken im heutigen Sinn schlicht mu-

seal und verlaufen die wesentlichen Kommunikati-onsstränge der Informationsgewinnung- und -verar-beitung zunehmend an Bibliotheken vorbei (und wer-den damit die Verbünde selbst zu Nachweisinstru-menten musealer Bestände, die, selbst wenn sie mitInternet-Techniken realisiert sind, letztlich doch nurMuseumsportale sein werden)?

– Oder wandeln sich Bibliotheken zu gigantischen Link-sammlungen mit Portalfunktion, in denen der Begriff„Bibliotheksbestand“ soweit zugunsten einer Gate-wayfunktion aufgegeben ist, daß auch Verbünde sol-cher Institutionen im bisher gekannten Sinn kaummehr erkennbare Funktionen haben?

– Oder gelingt es schließlich, die beiden erstgenanntenAlternativen in überzeugenden Mischkonzepten zuvereinen, die im Sinne des „hybrid library“-Gedan-kens dazu führen, daß Institutionen mit der Bezeich-nung „Bibliothek“ weiter existieren und eine zentraleAnlaufstelle für die wissenschaftliche Informationsor-ganisation darstellen (und was bedeutet die Heraus-bildung solcher Hybridstrukturen für die Gestaltungkooperativer Verbundverfahren)?

Fragen dieser Art werden auch deshalb relevant, weilsich insbesondere beim Umgang mit primär elektro-nisch verfügbaren Inhalten die Profile anderer, bis dahinin klar voneinander geschiedenen Zusammenhängenagierender Akteure zu vermischen beginnen und klareStandortbestimmungen zunehmend schwer werden.

1.3.2 Informationsproduzenten

Dies betrifft zum einen die Produzenten wissenschafts-bezogener Information: Autoren und Verlage sind muta-tis mutandis mit ähnlichen Fragen konfrontiert, wie sieoben für Bibliotheken skizziert wurden. Für Autorenetwa werden zunehmend Publikationskanäle verfügbar,die ganz oder in Teilen außerhalb der klassischen Publi-kationskette angesiedelt sind (s. dazu mehr unter 1.5)und Verleger beginnen zunehmend aktiv im Bereich derMetadaten-Generierung tätig zu werden, lange Zeit eineDomäne der Bibliothekare (zumindest solange dieseAktivität schlicht als „Katalogisieren“ bezeichnet wur-den): vgl. dazu die „Metadata Information Clearing-house“ Initiative (MICI) der Association of American Pu-blishers (http://publishers. org/home/press/mici.htm)

1.3.3 (End-)Benutzer

Erwartungen und Ansprüche der Nutzer wissenschafts-bezogener Informationsdienste wandeln sich rapide –und sei es auch nur, weil für diese Gruppe zunehmendattraktive alternative Informations-Distributionskanäleverfügbar werden – s. auch dazu mehr unter 1.5 – sodaß sie immer weniger selbstverständlich Restriktionenbeim vermittelten Zugang zu Informationen akzeptieren

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ten Algorithmen, massiver Zeitverlust beim ,browsing‘von Web-Ressourcen durch vielfach irreführende und ir-relevante links, deren Existenz oft ausschließlich kom-merziellen Interessen zu verdanken ist und die notori-sche Unzuverlässigkeit von WWW-Diensten im Sinneder nicht-garantierten Verfügbarkeit von Ressourcensind Beispiele für solche Defizite.Die Beliebtheit von Diensten wie Yahoo! resultiert zumGutteil aus der Tatsache, daß solche Dienste Zonen re-lativ gesicherter und weitgehend „müllfreier“ Informationim Web schaffen, indem sie WWW-Informationen selek-tieren und in ihre eigene, weitgehend stabile Ontologieeinordnen. Filtern, selektieren, klassifizieren, dauerhaftverfügbar machen von Information – das alles klingt inbibliothekarischen Ohren sehr vertraut. Es liegt dahernahe, eine zukünftige Rolle von Bibliotheken bei derSchaffung und Bewahrung solcher „garbage free infor-mation environments“ anzunehmen.Dennoch kann die langfristige Tragfähigkeit solcher Lö-sungen bezweifelt werden solange diese auf die bislangverfügbaren Arbeitstechniken angewiesen bleiben: in-tellektuelle Erschließungsarbeit (ob in Yahoo! oder an-sonsten im Bibliotheksbereich) ist personalintensiv undbirgt zudem immer die Gefahr subjektiver oder gar arbi-trärer Entscheidungen in sich. Daher ist Yahoo! auchheute schon bewußt selektiv (eine vollständige Erschlie-ßung der Web-Inhalte auf dieser Basis wäre völlig un-realistisch) und wird es an Erschließungstiefe nie auchnur annähernd mit der Gesamtheit der im WWW verfüg-baren Informationsquellen aufnehmen können. DieFrage lautet also: wie können Institutionen, die in derSchaffung von „müllfreien Informationszonen“ eine ihrerHauptaufgaben sehen, instand gesetzt werden, sichdieser rein quantitativ enormen Aufgabe auch wirklichmit Aussicht auf Erfolg zu stellen?

1.5 … und ein neuer Kontext: der globale Informationsraum des WWW

Alle voranstehenden Überlegungen sind vor einem Hin-tergrund angesiedelt, der eine große Herausforderung(Chance? Bedrohung?) in gleicher Weise für Bibliothe-ken und Verbünde darstellt: mit der zunehmenden Om-nipräsenz WWW-basierter Informationsressourcen ver-ändern sich elementare Spielregeln, die bislang in derPublikations- und Rezeptionskette auch wissenschafts-bezogener Information fast selbstverständlich galten.Waren bislang Bibliotheken die Knotenpunkte des Infor-mationsmanagements, so entstehen nun parallele undalternative Informationswelten, wie etwa elektronischePreprint-Services, in denen Bibliotheken nur noch einAkteur unter vielen sind (gleiches gilt übrigens für Verle-ger).Zudem beginnen diese Informationswelten sich, zu-nächst noch zaghaft, von der Buchmetapher zu lösen:wenngleich die Analogien zur Bücherwelt der vergange-nen Jahrhunderte auch im WWW derzeit noch allgegen-wärtig sind, so ist doch zu erwarten, daß diese Formender Informationsorganisation zunehmend eine eigenSprache entwickeln und immer weniger selbstverständ-lich mit dem Vokabular der Gutenberg-Galaxis zu grei-fen sein werden. Es sei an dieser Stelle nur beispielhaftauf die Überlegungen zum Aufbau des „semantic web“hingewiesen, wie sie derzeit im Umfeld des WWW

werden, wenn diese Informationen an anderer Stelleohne Vermittlungsrestriktionen verfügbar sind.Bibliotheken und Bibliotheksverbünde befinden sich mit-hin, was ihre ureigene Klientel angeht, unvermittelt in ei-ner Konkurrenzsituation wieder, in der es nicht mehr nurdarum geht, neue Informationsdienstleistungen für Be-nutzer anzubieten, sondern auch, diese so attraktiv zugestalten, daß diese Benutzer tatsächlich Bibliotheks-benutzer bleiben.

1.4 Dienste (zu welchem Zweck?)

Es geht also bei der Bestimmung von „Perspektiven derVerbundarbeit“ auch – und letztlich – um die Frage, wel-che der traditionellen Dienste von Bibliotheken und Bi-bliotheksverbünden in der Zukunft hinreichend attraktivund konkurrenzfähig gestaltet werden können, um über-lebens- und entwicklungsfähig zu sein. Vier große Be-reiche können dabei unterschieden werden.

1.4.1 Metadatenmanagement

Die bestehenden Bibliotheksverbünde haben sich ausAnsätzen für die Katalogisierungskooperation entwik-kelt: in dem Maße, wie die klassische Katalogisierungs-arbeit zu einer Form der Metadatengenerierung untervielen wird, stellt sich die Frage, welche Verfahren fürdie Generierung und das Management von Metadatenzukünftig noch sinnvollerweise von bibliotheksspezifi-schen Kooperationsstrukturen vorgehalten werden soll-ten.

1.4.2 Document delivery und Document access

Zugang zu Dokumenten zu vermitteln bzw. auch Doku-mente (etwa per Fernleihe) verfügbar zu machen ist inden vergangenen Jahren zu einem zweiten Standbeinvieler Bibliotheksverbünde geworden: auch hier ist zufragen, welche dieser Dienste in Zukunft hinreichend at-traktiv und kostengünstig erbracht werden können, umetwa mit dem im WWW entstehenden Angebot konkur-rieren oder dieses zumindest erfolgversprechend er-gänzen zu können.

1.4.3 Resource acquisition

Viele der jetzt und in Zukunft verfügbaren elektroni-schen Dokumentressourcen werden für isoliert agie-rende Bibliotheken schlicht nicht mehr zu bezahlen sein(und sind es auch heute schon nicht mehr). Eine we-sentliche Frage also ist, wie Bibliotheken im Bereich derelektronischen Verlagspublikationen wirklich hand-lungsfähig werden können und wie sie gemeinsame Po-sitionen aufbauen können, die sie zu einem ernstzuneh-menden Verhandlungspartner für die Eigentümer elek-tronischer Inhalte machen.

1.4.4 Garbage-free information spaces

Jeder Nutzer von WWW-basierten Informationsdienstenist mit den spezifischen Schwächen und Unzulänglich-keiten des neuen Mediums vertraut: gigantischer ,recall‘gepaart mit oft unzulänglicher ,precision‘ bei suchma-schinenbasierten Ansätzen, die mangelnde Transpa-renz der jeweils für die Relevanzbewertung eingesetz-

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Consortium angestellt werden (http://www.w3.org/De-signIssues/Semantic.html).Dieser Kontext nun produziert laufend neue Erwartun-gen, denen Bibliotheken und Bibliotheksverbünde nichtohne weiteres gerecht werden können. So suggeriertetwa die dot.com-Welt derzeit zumindest die Illusion, In-formationsdienstleistungen seien für sehr wenig Geld(oder typischerweise gar gratis) zu haben und damit ein-her geht die Vorstellung, Informationsprodukte seien inder Regel per Mausklick und damit spontan zugänglich:kostenpflichtige Dienste, die dann auch noch etwasmehr als jene berüchtigten fünf Mausklicks entferntsind, werden es in diesem Umfeld schwer haben, wennsie sich nicht mit überzeugenden „quality add-ons“ pro-filieren können. Und weiter: Bibliotheken werden, wennsie in Zukunft Bezahlung für ihre Dienste erwarten, da-für sorgen müssen, daß dies zu den Bedingungen undmit den Techniken geschehen kann, die sich derzeit imSinne von Verfahren für das Micro-Payment im WWWherausbilden. Und ähnliches gilt für Verfahren für dieAuthentifizierung etwa von Benutzern: konnten hier Bi-bliotheken bislang den Einsatz ihrer eigenen, proprietä-ren, Ansätze erzwingen, so wird dies mittelfristig mit derVerfügbarkeit internetbasierter, globalisierbarer Verfah-ren (etwa auf Basis von Lightweight Directory AccessProtocol) zunehmend schwer durchsetzbar sein.Wie schon oben angedeutet: Bibliotheken und Ver-bünde haben durchaus die Chance, ihre traditionellenStärken und Qualitäten auch in diesem neuen Umfeldgeltend zu machen und sich auf diese Weise Perspekti-ven zu erarbeiten, doch erfordert dies sehr viel Kreativi-tät und Flexibilität. Erschwerend kommt dabei hinzu,daß – anders als in der neuen Welt der internet-startups– Bibliotheken und Verbünde nicht von einem Tag aufden anderen völlig neu aus dem Boden gestampft wer-den können, sondern vielmehr existierende Dienstlei-stungen kontinuierlich weiter erbringen müssen …

2 Antworten

Ich möchte im folgenden beispielhaft zeigen, welcheAntworten auf die oben angeschnittenen Fragen ausder Sicht von Pica entweder schon gegeben werdenkönnen, oder was wir derzeit zur Beantwortung solcherFragen für und mit unseren Bibliotheks- und Verbund-partnern tun.Zentrale Aspekte sind dabei die Entwicklung Picasselbst als Organisation, die Evolution unserer Produkteund Dienstleistungen, die Zukunft des Pica-Kooperati-onsmodells vor dem Hintergrund des oben angedeute-ten Paradigmenwechsels und damit die Fähigkeit, neuetechnische Entwicklungen – als „innovator“ oder als„early adopter“ – in unser vorhandenes Dienstleistungs-spektrum integrieren zu können

2.1 Kontinuität ist vital: die Zukunft existierender Anwendungen und Dienste

Ungeachtet aller zukünftigen technischen Herausforde-rungen werden Bibliotheken in ihrer heute bekanntenForm noch eine ganze Zeitlang existieren, und diese Bi-bliotheken benötigen weiter diejenigen Services, die ih-nen Verbünde heute schon bieten können. Auch wenndas Informationsumfeld des Internet fast chronisch vonTechnologiebrüchen gekennzeichnet ist, können diese

Brüche sicher nicht ohne weiteres in die Bibliotheksweltübertragen werden, ohne gewachsene Funktionalitätersatzlos preiszugeben.Infolgedessen investiert Pica weiter in erheblichem Aus-maß in die technische Konsolidierung und die funktio-nale Fortentwicklung des bestehenden Verbundanwen-dung, diese geschieht jedoch mit besonderem Augen-merk auf die Portabilität und Entwicklungsfähigkeit dertechnischen Grundlagen, um ein Höchstmaß an techni-scher Flexibilität zu erhalten, ohne das die Gefahr ab-rupter Technologiebrüche mit funktionalen Defiziten alsFolge schnell sehr groß wird.Ein Beispiel für diese Strategie ist das Pica-interneGUM-Projekt: GUM steht für Guardian to Unix Migrationund damit für eine massive Investition an know-how undProgrammierkapazität mit dem Ziel, Picas Verbundan-wendung im Jahr 2001 aus der technologischen Tan-dem-Nische in ein portables Umfeld migrieren zu kön-nen, ohne daß dies mit funktionalen Brüchen für dieNutzer dieser Verbunddienste verbunden ist.Analoge Überlegungen gelten für Pica als Organisation:im Jahr 1999 wurde die bis dahin bestehende Pica-Stif-tung grundlegend reorganisiert und in drei „businessunits“ aufgeteilt („Information Technology Center“, „On-line Information Services“ und „Bibliotheksdienste“) mitdem Ziel, bestehende Dienste kontinuierlich anbietenzu können und zugleich das Maß an Flexibilität zu errei-chen, das für den sich immer klarer abzeichnendenWandel von Aufgaben und für Informationsdienstlei-stungen eingesetzten Techniken erforderlich ist.

2.2 Ressourcen schaffen für den Wandel: die Kooperation mit OCLC

Die oben angesprochene Reorganisation ist eine not-wendige, jedoch an sich noch nicht hinreichende Vor-aussetzung, um den neuen Herausforderungen begeg-nen zu können: diese sind globaler Natur, und für ihreBewältigung sind global verfügbare Ressourcen in ei-nem Ausmaß erforderlich, wie sie im Rahmen einer reineuropäisch basierten Organisation nicht zu schaffenwären.Als Konsequenz aus dieser Einsicht kooperiert Pica seit1998 eng mit OCLC und ist inzwischen auch firmen-technisch Teil der OCLC-Organisation. Pica wird damitzum europäischen Knotenpunkt einer weltweiten Ko-operation, welche insgesamt über die erforderlicheKompetenz und die notwendigen Mittel verfügt, um dievielen Tausend angeschlossenen Bibliotheksinstitutio-nen und deren regionale Verbünde als Teil des globalen„InfoSpace“ zu etablieren.

2.3 Evolution und Migration in den InfoSpace

Neue Perspektiven der Verbundarbeit lassen sich alsoeröffnen, indem bibliotheksbasierte Informationsdiensteals Teile des sich weiter formierenden globalen Informa-tionsraums des WWW eingebunden werden, und indemdiese Dienste selbst für genuin WWW-basierte Informa-tionsdienste transparent gemacht werden, so daß sieaus Bibliothekssicht gesehen Portalfunktionen überneh-men können.Wie diese Evolution von Verbunddienstleistungen in denInformationsraum des WWW Gestalt annehmen kann,soll nunmehr anhand dreier aufeinander ausbauender

22 Bibliothek 25. 2001. Nr. 1 Gradmann/Hol/Wesseling – Auf dem Weg zum „Semantic Web“

ver, der in Kombination mit einem URL-basierten Au-thentifizierungsverfahren für eine differenzierte Zu-gangskontrolle sorgte und – wo erforderlich – dieGenerierung abrechnungsrelevanter Informationen er-möglichte.WebDOC war in vielerlei Hinsicht instruktiv. Zum einenkonnten Einsichten gewonnen werden hinsichtlich derRahmenbedingungen, zu denen allein digitale Doku-mentdienste in Bibliotheken hinreichend attraktiv reali-sierbar sind: die Konsequenz war die Realisierung desPiCarta-Dienstes (s.u.). Zum anderen wurde deutlich,daß klassische Katalogisierungstechniken nicht das ge-eignete Werkzeug für die massive Erschließung von In-ternet-Ressourcen darstellen: dies führte zusammenmit den inzwischen stabilisierten Standards für entspre-chende Metadaten zur Entwicklung der ebenfalls weiterunten dargestellten Funktion für die Übernahme vonMetadaten in Pica-Verbundanwendungen. Und schließ-lich wurde deutlich, daß der Aufwand für Pflege und Ad-ministration der Authentifizierungs- und Abrechnungs-komponenten unangemessen hoch und auf Dauer nichtzu leisten gewesen wäre: hier ist mit Partnern aus demBibliotheks- und Verlagswesen, aber auch durch Inte-gration der im Internet derzeit entstehenden Standardsfür Authentifizierungs- und Zahlungsverfahren nachneuen Wegen zu suchen (s. dazu unter 2.3.2).

2.3.1.2 PiCarta

Eine der wesentlichen Lehren aus dem WebDOC-Pro-jekt war die Einsicht, daß ein isolierter Service bezogenauf elektronische Dokumentressourcen solange wenigattraktiv bleibt, wie andere, für den Benutzer ebenfallswesentliche Informationsquellen in von diesem Servicegetrennten Nachweissystemen separaten Umgebungengesucht werden müssen. Um diesem Problem zu be-gegnen und damit der Idee eines „One Stop Shop“ fürDokumentressourcen so nahe wie möglich zu kommen,entwickelte Pica, aufbauend auf der vorhandenen Ver-bundtechnologie und dem im Pica-System ohnehin ver-fügbaren Diensten für den Zugang zu konventionellenDiensten sowie unter Einbeziehung der in WebDOC

Schritte bei der Entwicklung der Pica-Verbundanwen-dung gezeigt werden. Abschließend werden dann ei-nige der für die zukünftige Gestaltung dieser Dienstestrategisch bedeutsamen technischen Linien benannt,die Pica in den kommenden Jahren zusammen mit altenund neuen Partnern verfolgen wird.

2.3.1 Verbunddienstleistungen im Web: drei Beispiele

2.3.1.1 WebDOC

WebDOC war sozusagen Picas erster groß angelegterGehversuch, was das Management von elektronischenDokumentressourcen in einer Verbundanwendung un-ter Einsatz von WWW-Techniken angeht.Der Grundansatz von WebDOC war ein Dienstkonzept,es handelte sich vorrangig um den Versuch, im techni-schen Kontext des Internet und des WWW eine neuar-tige Dienstleistung aufzubauen und dabei auf traditio-nelle Stärken der Bibliotheken als Informationsanbieterzurückzugreifen. Im Kern ging es darum, mittels zentra-ler Erschließung und zentral implementierter Lizensie-rungsmechanismen den Endnutzerzugriff auf verteilteelektronische Dokumentressourcen zu ermöglichen.Das technisch-funktionale Konzept von WebDOC inte-grierte über eine gemeinsame Nachweisdatenbank(WebCAT) den Zugriff auf räumlich verteilt angeboteneelektronische Dokumente.Die am Projekt beteiligten Bibliotheken, service-providerund Verlage bauten dabei lokale Web-Server mit elek-tronischen Dokumenten auf. Die Inhalte dieser lokalenDokumentserver wurden im Sinne konventioneller bi-bliographischer Beschreibungen in einer gemeinsamenNachweisdatenbank, WebCAT, erschlossen. Als Spezi-fikum enthielten die Nachweisdaten in WebCAT sozusa-gen als Signaturäquivalent die Hyperlinks zu den lokalvorgehaltenen Dokumenten, die URLs.Einer der Grundsätze von WebDOC war von vorneher-ein, auf Seiten des Endnutzers ausschließlich allgemeinverfügbare Zugriffswerkzeuge (Standard-Browser) undinsbesondere keinerlei Pica-spezifische Clientsoftwarevorauszusetzen. Alle Retrievalzu-griffe auf WebCAT wurden daherdurch ein HTTP-Serversystem,WebOPC, vermittelt.Eine wesentliche projektbezogenetechnische Entwicklung war be-stimmt durch Überlegungen hin-sichtlich der Zugriffsbedingungenfür elektronische Dokumente undder hiervon abhängigen Berech-nungsverfahren. Die auf den loka-len Servern aufliegenden Doku-mente unterlagen in der Praxis un-terschiedlichen Zugriffsbedingun-gen: Dokumente in der akademi-schen public domain (diese sind ty-pischerweise frei zugänglich) sindin diesem Sinne anders zu behan-deln als kommerzielle Verlagspro-dukte.Dieser Tatsache trug eine Zusatz-entwicklung Rechnung, ein zentra-ler licensing and accounting ser-

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entwickelten Mechanismen für den Zugang zu elektroni-schen Dokumenten den Dienst PiCarta, der neben derIntegration des Zugangs zu unterschiedlichen Doku-mentressourcen auf moderner Suchmaschinentechno-logie basiert (unter Einbeziehung von Algorithmen fürdas relevance ranking in Resultatmengen). Diese bei-den zusätzlichen Komponenten sind im „screenshot“aus PiCarta durch zwei Kreise hervorgehoben.Dieser Dienst wurde im ersten Angang auf Basis derniederländischen Verbunddatenbank realisiert. In Vor-bereitung ist nunmehr dessen Ausweitung unter Einbe-ziehung der Datenbanken unserer Partner in Deutsch-land und weiterer europäischer Nachweissysteme.Dabei spielen zwei auch im WWW maßgebliche techni-sche Entwicklungen eine Rolle: Internationalisierungund Personalisierung.Internationalisierung in zweierlei Sinn. Zum einen be-trifft dies den Inhalt der PiCarta-Datenbank, in die wei-tere, nicht-niederländische Kataloge (allen voran dieVerbunddatenbank des GBV) integriert werden. DieFunktionalität von PiCarta erweitert sich dabei insofern,als nun auch deutsche Endnutzer dort Bestände ihrereigenen Bibliothek finden und Fernleihdienste, und zwarauch diejenigen der niederländischen Bibliotheken, nut-zen können (gleiches gilt selbstredend umgekehrt für

niederländische Benutzer). Zum anderen wird die Be-nutzeroberfläche von PiCarta nicht nur in niederländi-scher und englischer, sondern auch in deutscher undfranzösischer Sprache verfügbar sein. Eine erste Stufedieser Entwicklung ist im nachstehenden „screenshot“dokumentiert:Personalisierung wird erreicht durch den Aufbau lokalinstallierbarer Portalfunktionen, in denen Bibliothekenselbst den für sie relevanten Ausschnitt der in PiCartanachgewiesenen Bestände und der über Z39.50 er-reichbaren Quellen bestimmen können. Hier kann auchbestimmt werden, welchen Kriterien die Deduplikationin Resultatmengen aus Suchen über mehrere Beständegenügen soll. Die Bibliothek kann in diese Portalfunktionauch ihre eigenen Kataloge integrieren und somit einen

auf ihre Benutzerschaft zugeschnittenen Dienst realisie-ren.

2.3.1.3 Integration von Dublin Core Metadaten (DC drag-in)

Trotz erheblicher Fortschritte bei der Standardisierungs-arbeit sind die tatsächlichen Konsequenzen der DublinCore Metadateninitiative (DCMI) zur Zeit noch begrenzt:die Zeit, in der es – spitz gesprochen – auf der Weltmehr Metadatenprojekte als wirkliche Metadaten gab,scheint gerade erst vorbei.Dafür gibt es allgemein gültige Gründe, so etwa diemangelnde Unterstützung von Metadaten im Bereichder Suchmaschinen. Speziell im Bibliotheksbereichkommen zwei weitere Faktoren hinzu:– Zwar existieren inzwischen eine Reihe gut funktionie-

render Werkzeuge für die Metadaten-Generierung(wie z.B. „Reggie“, http://metadata.net) und für dieExtraktion von Metadaten aus Internetquellen sowiefür deren Konversion in bibliographische Formate(wie der „Nordic Metadata DC-MARC converter“,http://www.bibsys.no/meta/d2m/ oder „DC-Dot“, http://www.ukoln.ac.uk/metadata/dcdot/), jedoch so gut

wie keine Unterstützung fürdiese Techniken auf Seiten derklassischen Bibliotheks- undVerbundanwendungen.Die Folge ist, daß DC Metada-ten derzeit noch in so gut wiekeine Bibliotheksanwendungautomatisiert übernommenwerden können.

– Weiter handelt es sich bei denoben beispielhaft angeführtenWerkzeugen um je isolierteKomponenten: was weiterhinfehlt, ist eine Modellierung desgesamten „workflow“ im Sinneder integrierten Erzeugung vonMetadaten bis hin zu derenÜbernahme und Nutzung in be-stehenden bibliothekarischenAutomatisierungslösungen.

Im Rahmen eines begleitendenZusatzprojektes für den Aufbaudes „Système Universitaire“ inFrankreich konnte Pica zusammenmit ABES in Montpellier eine Lö-

sung für beide Probleme implementieren. Dabei wurdein einem ersten Schritt eine an DC orientierte Eingabe-schnittstelle für das WinIBW Clientsystem implemen-tiert. Weiter haben wir einen Mechanismus für die Ex-traktion von Metadaten aus Internet-Quellen und für de-ren Überführung in diese Eingabeschnittstelle realisie-ren können. Die Mechanismen für Erkennung undExtraktion von Metadaten unterstützen dabei HTML undXML/RDF Implementierungen von DC und sind überXML-basierte Konfigurationstabellen parametrisierbar,insbesondere, was die Konkordanzdefinition für das„mapping“ von DC Formaten und bibliographischen For-maten angeht.Diese Entwicklung macht folgendes Vorgehen möglich:nach Darstellung einer Internet-Ressource mit integrier-ten DC Metadaten in Internet Explorer erkennt das Pica-

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eigene Plugin die Metadaten, zeigtdiese wie im folgenden Beispiel anund bietet ihre Überführung in dieDC Eingabeschnittstelle des Ver-bundsystems an:Sobald der Benutzer die angebo-tene Funktion „Extract to WinIBW“auswählt werden die extrahiertenMetadaten in das Template-For-mat der WinIBW überführt und ineiner WinIBW-DC Maske darge-stellt (Abb. Mitte links).In dieser Maske können die Datenmodifiziert, angereichert und letzt-lich in die Verbundanwendungübernommen werden – das Resul-tat ist (in der Datenbank des Sy-stème Universitaire) eine Daten-satz im Unimarc-Format (Abb. un-ten links).Diese Entwicklung basiert sehrweitgehend auf Internet-Stan-dards (DC, XML/RDF) und machtdie Verbundanwendung ein erheb-liches Stück transparenter für Du-blin Core Metadatenquellen, ohnedabei an sich schon bibliothekari-sche Ansprüche aufzugeben (eineNachbearbeitung der Daten imUnimarc-Katalogisierungsformatdes SU ist selbstverständlich wei-ter möglich).Pica konnte mit dieser Entwicklungals erster Anbieter von Verbundlö-sungen die eigene Anwendung fürWWW-Metadaten transparent ma-chen und kann damit eine entwick-lungsfähige Alternative zur Katalo-gisierung von WWW-Dokument-ressourcen anbieten.

2.3.2 Strategisch wichtige technische Entwicklungen und neue Verbundaufgaben

Soweit Beispiele für das bislangErreichte. Im folgenden werdenabschließend – und ohne An-spruch auf Vollständigkeit – bei-spielhaft vier Bereiche benannt, indenen Pica die laufende und zu-künftige technische Entwicklungals „early adopter“ verfolgt, um vorallem dem sich wandelnden Kon-text von Informationsdienstleistun-gen (s. oben unter 1.5) gerecht zuwerden.Die Perspektive des „early adop-ting“ soll dabei besonders betontwerden: in der Regel wird es nichtdarum gehen können, Entwicklun-gen an vorderster Front mit zu be-treiben oder gar zu initiieren. Meisthandelt es sich vielmehr darum,

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relevante technische Trends rechtzeitig zu erkennenund deren Ergebnisse integrieren zu können, sobald diejeweiligen Kinderkrankheiten ausgestanden sind. EineAusnahme könnte allerdings der unter 2.3.2.4 ange-sprochene Bereich sein!

2.3.2.1 Authentifizierungs-verfahren

Die Authentifizierung von Personen und von Doku-mentressourcen sind für das Funktionieren von Web-basierten Informationsdiensten geschäftskritisch: esmuß und zwar unabhängig von einer gegebenen Einzel-anwendung – möglich sein, den Nutzer eines Dienstessicher zu identifizieren, ebenso wie die Informationsres-source, auf die ein solcher Nutzer zugreifen möchte,eindeutig identifizierbar sein und ein Mindestmaß anGewißheit hinsichtlich deren Authentizität hergestelltkönnen werden muß.Letzteres ist allein angesichts der Dynamik elektroni-scher Inhalte unverzichtbar: um eine zugegeben simpli-fizierende Analogie zu gebrauchen, würde sicher keinKunde schlicht ein Softwareprodukt X erwerben, ohnedaß sichergestellt ist, daß er damit nicht etwa dessenVersion 1.0, sondern exakt die von ihm gewünschte Ver-sion (in der Regel die zum Vertragszeitpunkt aktuelle)erwirbt. Im klassischen Verlagsgeschäft war dies keinThema: eine Publikation war klar identifizierbar, ggf. miteiner Zusatzinformation bezüglich ihrer Auflage – auchnur annähernd ähnliche Gewißheit ist bei elektroni-schen Publikationen nur schwer herstellbar.Und auch die alleinige Versicherung in einer e-mail,Herr oder Frau ABC träten als Vertragspartner für denZugriff auf eine elektronische Ressource auf, wird dieAnbieterseite nicht zufrieden stellen können: auch Herroder Frau ABC müssen identifizierbar sein, etwa eineArt elektronische Unterschrift leisten können, damit eineVertragsbeziehung zustande kommen kann.Entsprechende Standards – so etwa DOI für die Doku-mentauthentifizierung oder LDAP-basierte Verfahren fürdie Identifikation von Akteuren – sind in Entwicklungoder auch schon im ersten Anwendungsstadium undmüssen in dem Moment in Verbundverfahren integriertworden sein, sobald die Phase der „early adoption“ ab-gelaufen ist.

2.3.2.2 Zahlungsmechanismen

Ähnliches gilt für Zahlungsmechanismen im Internet:obwohl Standards, insbesondere was das sog. „micro-payment“ angeht, hier noch etwas länger auf sich war-ten lassen werden, ist doch sicher, daß Bezahlung vonInformationsdiensten im WWW auf Dauer weder überKreditkartennummern, noch über lokal implementierteChipcard-Systeme abzuwikkeln sein wird.Auch hier gilt es, die derzeit sich herausbildenden Stan-dards so aufmerksam zu Verfolgen, daß ihre Integrationin Verbundverfahren in der Phase der „early adoption“sichergestellt ist

2.3.2.3 Multiple cultures, multiple languages …

Gerade wissenschaftliche Bibliotheken und Verbündegehen klassischerweise mit Objekten heterogener kul-

tureller Provenienz und in verschiedenen Sprachen um.Eine der aktuellen Herausforderungen ist es mithin, diederzeit rapide sich entwikkelnde linguistisch basierteTechnologie intensiv zu verfolgen: effizientere Lokalisie-rungswerkzeuge oder lexikonbasierte Verfahren für dieAbbildung unterschiedlich sprachbasierter Inhalte auf-einander sind Beispiele für solche Techniken, derenNutzung erhebliche Funktionalitätszuwächse in Biblio-theksanwendungen nach sich ziehen: wäre es nicht eingroßer Schritt voran, wenn die Stichwortsuche nach„Fenstern“ in einem deutschen OPAC zugleich auch Ti-tel mit den Wörtern „fenêtres“ und „windows“ lieferte(auch wenn der Suchende eigentlich nichts über „Micro-soft Windows“ wissen wollte …) – auch für die Bereit-stellung solcher teuren und in der Implementation auf-wendigen Werkzeuge können Verbundstrukturen einegroße Unterstützung sein.

2.3.2.4 Metadaten im WWW und in Bibliotheken

Schließlich sei noch auf einen Bereich hingewiesen, derunmittelbar mit dem klassischen Aufgabenfeld von Ver-bünden zusammenhängt: diese sind originär Institutio-nen für das kooperative Metadatenmanagement. Dane-ben entstehen nun Metadaten für Web-Ressourcen, dievorerst weitgehend beziehungslos neben den bibliothe-karischen Katalogdaten existieren. Sinnvolle Modellefür die Koexistenz dieser unterschiedlichen Ansätzemüssen nun gefunden und die unterschiedlichen Meta-daten-Ansätze in kohärenter Weise aufeinander abbild-bar werden, soll es nicht auf Dauer bei einem bezie-hungslosen Nebeneinander bleiben: könne die beidenAnsätze zur Konvergenz gebracht werden? Werden sie– wenn auch klar geschieden – mit Standardverfahren(„mapping“, „crosswalks“) aufeinander abbildbar undfüreinander transparent zu gestalten sein? Bei der Be-antwortung solcher Fragen sollten die Verbundorgani-sationen eine aktive und treibende Rolle übernehmen:über bloßes „early adopting“ hinaus sollten sie hiermaßgebliche Entwicklungen mit zu betreiben und zu for-men versuchen (ein gutes Beispiel dafür ist das erhebli-che Engagement von OCLC in diesem Bereich).

2.3.2.5 Evolution klassischer Kooperationsformen

Neben den vorgenannten, eher technisch geprägtenEntwicklungen und den sich daraus ergebenden neuenAufgaben auch für Verbünde erwachsen auch aus demklassischen Kooperationsansatz der Verbünde neueChancen und Aufgaben. Ein Beispiel ist das oben(1.4.3) angesprochene Dilemma hinsichtlich der „Erwer-bung“ elektronischer Inhalte: in dieser Situation, in derzunehmend gemeinsam definierte Interessenprofile vonBibliotheken bis hin zu neuen Modellen des „resourcesharing“ überlebenswichtig werden, können den Ver-bünden neue Aufgaben zuwachsen, wenn sie sich zueffizienten Institutionen für die Bündelung der Teilneh-merinteressen etwa im Sinne der Konsortialbildung ent-wickeln können. Verbünde im Sinne großer Informati-onsräume, in denen elektronische Inhalte gesichert undzu von allen Teilnehmern gemeinsam getragenen Be-dingungen verfügbar gehalten werden, haben wahr-scheinlich durchaus eine Zukunft – allerdings sind die

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existierenden Bibliotheksverbünde von solchen Funkti-onsmodellen noch weit entfernt.Ein zweites Beispiel ist die ebenfalls oben (1.4.4) ange-sprochene Problematik der „garbage free informationzones“ im Internet, mit deren Schaffung Einzelinstitutio-nen heillos überfordert sein werden: was eine Institutionallein nicht zu leisten vermag – sei es Yahoo! oder eineBibliothek – ist in einem Verbund von Bibliothekenschon eher vorstellbar: kooperative Sacherschließunghat wahrscheinlich insbesondere im Kontext WWW-ba-sierter Informationsdienste durchaus eine Zukunft – al-lerdings nur dann, wenn die intellektuelle Erschlie-ßungsarbeit wirkungsvoll ergänzt (wenn nicht sogar par-tiell ersetzt) wird durch computerlinguistisch basierteVerfahren für die automatisierte Informationsextraktionund semantische Aggregation extrahierten, normalisier-ten Vokabulars. Solche Techniken sind teuer und kom-plex, sie sind wohl kaum von je isoliert agierenden Insti-tutionen mit vertretbarem Aufwand realisierbar: solcheDienste werden wahrscheinlich in Zukunft nur im Ko-operationsumfeld von Verbünden nutzbar (und bezahl-bar) werden!Ein drittes Beispiel ist der im niederländischen Pica-Ver-bund seit einiger Zeit mit großem Erfolg angeboteneDienst „Publiekwijzer“: im Kern handelt es sich um eineArt verbundbasierten Auskunftsdienst speziell für öffent-liche Bibliotheken, in dem Benutzer dieser Bibliothekenbeliebige Auskunftsfragen in einer „Fragendatenbank“deponieren kann. Diese Fragen werden anschließendvon einer aus den Mitarbeitern von neun verschiedenenInstitutionen zusammengestellten Redaktion beantwor-tet, auch diese Antworten werden Teil der damit ständigwachsenden Auskunftsdatenbank.Kooperative Erwerbung, koopera-tive (Sach-)erschließung und ko-operative Auskunftsdienste sindnur drei Beispiele für klassische bi-bliothekarische Aufgaben, die inZukunft in Verbundstrukturen mitneuen technischen und organisa-torischen Ansätzen weit effizienterund mit neuer Qualität zu leistensein werden.

2.4 Verbünde: Kooperation im doppelten Sinne

Abschließend seien noch einmal die zwei Aspekte desKooperationsgedankens betont, die zur Herausbildungvon Verbundorganisationen geführt haben, und dieauch weiter deren Zukunft, deren Perspektiven, maß-geblich bestimmen.Organisationen wie Pica und OCLC stehen natürlichzum einen für die funktionale und technische Koopera-tion bibliothekarischer Einrichtungen, für Modelle des„resource sharing“ und die gemeinsame Nutzung ge-meinsam entwickelter Verfahren für klassische Biblio-

thekarische Aufgabenbereiche. Dieser Aspekt kommtvielleicht am deutlichsten in OCLCs „mission statement“zum Ausdruck: „Establish, maintain and operate a com-puterized library network and to promote the evolution oflibrary use, of libraries themselves and of librarianship,and to provide processes and products for the benefit oflibrary users and libraries, including such objectives asincreasing availability of library resources to individual li-brary patrons and reducing the rate-of-rise of libraryper-unit costs, all for the fundamental public purpose offurthering ease of access to and use of the ever-expan-ding body of worldwide scientific, literary and educatio-nal knowledge and information.“Zum anderen aber sind Verbünde auf neue Partner-schaften angewiesen. Ein auf der Hand liegendes undin diesem Beitrag ausführlich diskutiertes Beispiel sinddie neuen Informationsdienstleister im WWW, mit denenüber die bloße Koexistenz hinaus Kooperationen mög-lich werden sollten: der Weg dorthin führt über einedeutlich erhöhte Transparenz von Bibliotheks- und Ver-bunddienstleistungen für dieses Umfeld. Ein anderesBeispiel sind altbekannte Akteure in der Informations-landschaft, mit denen neue Kooperationsformen ge-sucht werden sollten, so etwa Buchhändler und wissen-schaftlichen Verleger, deren Verhältnis zu Bibliothekennicht immer ungetrübt war: nunmehr bietet OCLC (vor-erst noch auf Projektbasis) in Zusammenarbeit mit demOnline- und Antiquariatsbuchhandel einen Dienst na-mens find@MyLibrary an, der bei der Suche nach Bü-chern in den WWW-Diensten solcher Buchhandlungeneine in diesem Kontext neuartige Alternative für die Aus-wahl des Lieferanten verfügbar macht. Im folgenden„screenshot“ ist der link find@MyLibrary in friedlicher

Koexistenz mit „Add to shopping bag“ auf der WWW-Seite des Online-Buchhändlers borders.com:

Anschrift der Autoren:

Stefan GradmannRon HolMichel G. WesselingPICA BibliotheksverbundSchipholweg 99NL-2316XA Leiden