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Aufbruch der Oldtimer

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Nr. 216Aufbruch der OldtimerSie sind winzig wie Insekten - doch sie lenken einen Giganten!von William Voltz

Liebe Perry Rhodan-Freunde!Statt des üblichen Vorworts zum Roman bringen wir heute an dieser Stelle die Liste aller Mutanten in PerryRhodans Diensten. Wir erfüllen damit den Wunsch vieler neuer Leser, die uns um die Veröffentlichung einersolchen Liste gebeten haben.Hier ist die Zusammenstellung; Stand 2401 Erdzeit:John Marshall - Telepath und Chef des Mutantenkorps; Tako Kakuta - Teleporter, in Japan geboren; RasTschubai - Teleporter, in Afrika geboren; Betty Toufry - Telepathin und Telekinetin; Andre Noir - Hypno;Fellmer Lloyd - Orter und Telepath; Kitai Ishibashi - Suggestor (Abart eines Hypno); Tama Yokida - Telekinet;Iwan Iwanowitsch Goratschin - Zünder (Doppelkopfmutant); Ralf Marten - Teleoptiker; Laury Marten -Telepathin und Desintregatorin (Tochter der im Einsatz gefallenen Anne Sloane); Wuriu Sengu - Späher; SonOkura - Frequenzseher; Ernst Ellert - Parapoler, der sich völlig auf jede fremde Psyche einstellen kann undder vormals die Gabe der Teletemporation besaß. (Im Einsatz verschollen.)Von den Ilts (Mausbibern) sind noch die bekanntesten und bewährtesten AII-round-Mutanten zu nennen:Gucky, Gecko und Iltu, Guckys Ehefrau. Soviel über die Mutanten.Freundliche Grüße bis zur nächsten Woche die Perry-Rhodan-Nachdruckredaktion H. G. EWERS

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Der Großadministrator kehrt an der Spitze einer Expedition in das Innere des Hollenplaneten zurück.Don Redhorse - Ein wagemutiger Pilot.Melbar Kasom, Wuriu Sengu, Sven Henderson und Lope Losar - Captain Redhorses Begleiter bei einem tollkühnenUnternehmen.Icho Tolot - Der Haluter muß sich gewaltig ins Zeug legen.Gessink - Ein Räuber, der seine „Höhle“ verteidigt.Groon, Yorgos, Rosaar, Goarg und Poarl - Überlebende einer Invasionsarmee.

1.

Redhorses Nasenflügel bebten kaum merklich, alsLosar die dritte Karte ausspielte. KorporalOgh-Taschur konnte ein zufriedenes Grinsen nichtunterdrucken. Seine Karte segelte schwungvoll aufdie beiden anderen, und Losar sagte völligausdruckslos: „Der Einsatz geht an uns, Captain.“Die breiten Hände des Waffenmeisters griffen nachden Geldscheinen und teilten sie in zwei gleich großeStapel. Einen Teil behielt Losar, den anderen bekamOgh-Taschur.

Diese beiden verdammten alten Knacker, dachteRedhorse verbittert. Er hätte schwören können, daßsie mit irgendeinem Trick arbeiteten, um ihn zuschlagen.

Ogh-Taschurs Augen glänzten, als sie sich auf dieGeldscheine richteten, die vor ihm auf dem Tischlagen.

„Sicher fordern Sie Revanche, Captain?“ fragte erlangsam.

Redhorse griff in die Tasche und spürte den letztenGeldschein zwischen den Fingern. Wahrscheinlichwürde er nie wieder Gelegenheit erhalten, diesesGeld auf einem Planeten des Imperiums auszugeben,

schon gar nicht, wenn er seine derzeitigeKörpergröße von zwei Millimetern beibehaltenwürde.

Captain Sven Henderson, der hinter Redhorsestand und das Spiel beobachtete, räusperte sichdurchdringend. Redhorse zog den Geldschein hervorund betrachtete ihn nachdenklich. Losar sah mitmürrischem Gesichtsausdruck zu, währendOgh-Taschur jede Bewegung desCheyenne-Terraners verfolgte.

Redhorse zog die Karten zu sich heran und begannsie sorgfältig zu mischen. Er hörte, wie der Korporalheftig zu atmen begann.

„Um den vollen Einsatz“, sagte Redhorse ruhig.Losar gab ein undeutliches Geräusch von sich:

Ausdruck seiner Hoffnung, Redhorses letztes Geld zugewinnen oder seiner Furcht, seinen gesamtenGewinn wieder zu verlieren. Die Reaktion desKorporals bestand in einer fahrigen Geste über dasGesicht. Wahrscheinlich hätte er gern abgelehnt,doch Redhorse war Spielmacher und konnte dieHöhe des Einsatzes bestimmen.

„Sie sind sehr leichtsinnig, Don“, bemerkteHenderson. Redhorse verstand die Warnung, aber sieerschien ihm unlogisch. Er spielte dieses Spiel nicht

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um des Geldes willen, noch nicht einmal, um zugewinnen. Doch diese Beschäftigung konnte seineGedanken ablenken, konnte ihn manchmal vergessenlassen, in welcher Lage sie sich befanden.

Ein teures Vergessen, dachte er ironisch.„Wie lange mischen Sie noch?“ fragte

Ogh-Taschur ungeduldig.Er war ein kleiner, unglaublich magerer Mann.

Wenn er lachte, schlugen seine Kunstzähneaufeinander. Am Anfang des Spieles hatte Redhorsegeglaubt, daß er jede Gefühlsregung des Korporalsdurchschauen könnte, daß sich in Ogh-TaschursGesicht der Wert seiner Karten widerspiegeln würde.Rasch hatte er herausgefunden, daß er sich getäuschthatte. Ogh-Taschurs Gesicht war wie die Maske einesClowns, und es war schwer zu sagen, ob sich hinterängstlicher Traurigkeit nicht schon die heitereGewißheit des sicheren Sieges verbarg.

Lope Losar, der Waffenmeister, sah immerverdrossen aus, so daß auch er dem Captain keinenAnhaltspunkt bot.

Don Redhorse gab Losar, der links vor ihm saß,die erste Karte. Losar ließ sie mit dem Rücken nachoben vor sich liegen. Als der Korporal seine ersteKarte bekam, griff er sie mit beiden Händen auf undschaute sie an.

Auch Redhorse betrachtete seine erste Karte. Einerote Neun. Redhorse hoffte, daß Henderson jetztnicht bestürzt aussehen würde. Er schob Losar daszweite Blatt zu, dann teilte er an Ogh-Taschur aus.Der kleine Mann fuhr sich mit der Zunge über dieLippen, aber das konnte alles mögliche bedeuten.

Diese beiden gerissenen Halunken, dachteRedhorse, und schaute seine zweite Karte an. Er hattesich einen schwarzen König gegeben. Er war fastsicher, daß die dritte Karte alles entscheiden würde.Als Losar seinen dritten Wert erhielt, nahm er dieKarten auf und fächerte sie auseinander.

„Es sieht nicht so gut aus“, bemerkte Ogh-Taschur.Das sagte er vor jedem Spiel, egal, ob er gute oderschlechte Karten hatte. Er war ein völligunorthodoxer Spieler und gerade das brachteRedhorse immer wieder in Verwirrung.

Redhorse bekam als letzte Karte eine rote Zehn,das war ein Mittelwert, und es kam jetzt ganz auf dieKarten der anderen an, wie das Spiel laufen würde.

„Sie spielen aus“, sagte Redhorse zu demWaffenmeister.

„Es ist sehr schwer“, meinte Losar, obwohl er vonKarten mindestens soviel wie von Waffen verstand -und das war eine ganze Menge.

Er spielte eine schwarze Neun vor. Das brachteRedhorse bereits in Verlegenheit. Nun kam es daraufan, was Ogh-Taschur ausspielen würde.

Der magere Mann betrachtete Losars Karte, als seisie ein fürchterliches Naturereignis, der Zauber

mächtiger Götter, mit denen der Waffenmeisterverbündet sein mußte. Seine Augen warenverschwommen, als er sie auf Redhorse richtete undgleich darauf auf den Geldschein, der vor demCaptain auf dem Tisch lag. Redhorse hoffte, daß eineschwarze Königin fallen würde, so daß er seinenKönig nutzbringend anwenden konnte. Außerdemhätte das seine rote Zehn in eine aussichtsreichePosition gebracht.

Doch Ogh-Taschur war ein listiger Mann, der aufmindestens hundert Planeten tausend verschiedeneKartenspiele gespielt hatte.

„Eine Neun ist sehr viel“, sagte er und legte einenroten Joker ab, als könnte er genau sehen, daßRedhorse keinen schwarzen Joker besaß. Damit hatteder Cheyenne nicht nur seinen schwarzen Königverloren, sondern war auch Mittelspieler geworden.

Ogh-Taschur legte eine rote Sieben auf den Tisch.Das machte Redhorses rote Zehn für die letzte Rundezu einer mächtigen Karte, wenn nicht noch ein Jokerim Spiel war.

Redhorse warf seine Neun auf Ogh-TaschursSieben. Er wünschte sich, daß der Waffenmeisterkeine hohe rote Karte besaß. Sein Wunsch ginggleich darauf in Erfüllung, denn Losar warf eineschwarze Sieben ab.

Losars Karte lag kaum auf dem Tisch, als derWaffenmeister mit einem Ruck aufstand. EineUngewisse Ahnung sagte Redhorse, was kommenwürde, doch er blieb wie gelähmt auf seinem Stuhlsitzen, selbst dann noch, als Losar seine Pistole mitMinirakgeschossen aus dem Gürtel zerrte und aufOgh-Taschur anlegte.

Das Gesicht des Korporals wurde kalkweiß vorTodesangst.

Redhorse schnellte hoch und warf dabei den Tischum. Ogh-Taschur taumelte zur Seite. Fastgleichzeitig erfüllte das Dröhnen der Explosion denRaum.

Bevor Lope Losar ein zweitesmal feuern konnte,war Redhorse bei ihm und umklammerte die Pistole.Der Schuß hatte ihn fast betäubt. Jetzt war auchHenderson heran. Zusammen entwanden sie Losardie Waffe. Der Waffenmeister kämpfte wie einWahnsinniger, doch die beiden Offiziere hielten ihnsicher in ihrer Gewalt.

Redhorse sah den kleinen Ogh-Taschur mithängenden Armen neben dem umgestürzten Tischstehen.

„Schaffen Sie sofort zwei Medo-Roboter hierher!“herrschte Redhorse den Korporal an. „Sehen Sienicht, daß Losar einen Horror-Koller hat?“ SeineStimme brachte den Korporal zur Besinnung.Ogh-Taschur hastete aus der Kabine.

Henderson blickte Redhorse mitzusammengekniffenen Lippen an.

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„Der siebte Fall in drei Tagen!“ rief er erregt.Redhorse nickte. „Ausgerechnet Losar“, gab er

zurück. „Ich hätte ihn für ausgeglichener gehalten.“Gleichzeitig bedauerte er diese Worte, dann siewaren ungerecht. Es hätte ihm ebenso gutwiderfahren können, das wußte er genau. Irgendwiehingen diese Anfälle mit dem Verkleinerungsprozeßzusammen, den die gesamte Besatzung der CREST IIdurchgemacht hatte. Mangels eines anderenAusdrucks hatten die Ärzte für diese Krankheit denAusdruck „Horror-Koller“ geprägt. Jeder, der davonbefallen wurde, ging mit der ersten erreichbarenWaffe auf seine Kameraden los. Das war das ersteStadium des Kollers. Nach zwei Stundenununterbrochenen Tobens, das nur von starkenMedikamenten eingedämmt werden konnte, brachendie Kranken zusammen und lagen stundenlang wiegelahmt da. Dann normalisierte sich ihr Befinden.Wenn sie zu sich kamen, konnten sie sich an nichtsmehr erinnern.

Drei Minuten später rollten zwei Medo-Roboter indie Kabine. Sie wußten bereits, was sie zu tun hatten.Eine Bahre wurde aufgeklappt. Losar erhielt eineInjektion und wurde mit Gewalt auf die Liegegedrückt. Feste, breite Bänder hielten ihn darauf fest.Ogh-Taschur stand mit blassem Gesicht neben derTür und beobachtete, wie die beiden Roboter mitdem Kranken verschwanden.

„Er hätte mich fast getroffen“, stammelte derKorporal.

Schweigend blickte Don Redhorse zum Einschußan der Wand. Mit einemmal war ihm die Lage wiedervoll zum Bewußtsein gekommen. Zwei Wochenterranischer Zeitrechnung waren seit dem Eintreffender ANDROTEST II verstrichen. Die Hoffnungen,die die Besatzung der CREST II in dasNachschubschiff gesetzt hatten, waren unerfülltgeblieben. Auch Oberst Kotranow war mit seinenBegleitern ins Unglück geflogen. Kurz zuvor war derVersuch, eine der vier Sudpolkuppeln durch einechemische Sprengladung zu vernichten, ebenfallsfehlgeschlagen. Das hatte nicht dazu beigetragen, dieMoral der Besatzung zu heben. Immer häufigerwurden einzelne Raumfahrer vom Horror-Kollerüberrascht.

Nun war auch Lope Losar, mit dem Redhorse seitihren gemeinsamen Erlebnissen in der BergfestungLlalag eine echte Freundschaft verband, dertückischen Krankheit zum Opfer gefallen. Es warZufall, daß Ogh-Taschur noch am Leben war.

Langsam hob Redhorse den umgestürzten Tischwieder auf. Er sammelte die Karten und das Geld ein.

Auf Losars Platz lag der schwarze Joker.

*

Man sah es schon an den Gesichtern der beidenPiloten, daß sie keine guten Nachrichten brachten.Und an der Art, wie sie sich in ihren einfachenKombinationen bewegten: ungelenk und langsam, alskönnten sie durch eine Verzögerung ihrer Ankunftdas Geschick der auf Horror verschlagenen Terranerändern.

Niedergeschlagene Männer, dachte Redhorsebekümmert, als die beiden Piloten das Panzerschottder Zentrale passierten und auf Perry Rhodan undAtlan zugingen. Männer, deren scharfer Verstand dieverhängnisvolle Situation genau einzuschätzenvermochte, deren Disziplin ihnen jedoch verbot, ihreHoffnungslosigkeit offen zu zeigen.

Etwa zehn Meter von Redhorse entfernt stand derOxtorner Omar Hawk mit seinem Okrill. Sherlockverhielt sich vollkommen ruhig. Im stillenbewunderte Redhorse den Umweltangepaßten, demes gelungen war, dieses Tier zu zähmen.

Unmittelbar vor Rhodan blieben die Piloten stehenund salutierten.

„Wir haben die Südpolstation ohneSchwierigkeiten anfliegen können, Sir“, sagte derSprecher der beiden. Redhorse wußte, daß dieRaumfahrer mit zwei chemisch angetriebenenStrahlflugzeugen vom Typ F-913 G gestartet waren.

„Berichten Sie, Leutnant Nosinsky“, sagte Rhodanruhig.

Leutnant Conrad Nosinsky war erstzweiundzwanzig Jahre alt, aber er wirkte wie einDreißigjähriger, mit seiner stämmigen Figur undseinen dunklen Haaren. Nosinsky war kein Mann, derviel von der Meinung anderer Menschen hielt, aber erwar unbedingt zuverlässig und hatte die Fähigkeit,jede Situation nüchtern zu beurteilen.

„Die Station strahlt weiterhin ihr Verdichtungsfeldaus“, gab der Offizier bekannt. Er wartete keineReaktion darauf ab, sondern fuhr fort: „Es sieht nichtso aus, als hätten die kleinen Geschütze derANDROTEST etwas ausrichten können. Außerdemhaben Sergeant Galton und ich feststellen können,daß die Station jetzt unter einem starkenSchutzschirm liegt.“ Einer der Männer, die auf deranderen Seite des Raumes standen, stieß einen lautenPfiff aus.

„Ein Schutzschirm“, wiederholte Rhodannachdenklich. „Das bedeutet, daß wir keine Chancehaben, nochmals zu den Kuppeln vorzustoßen, umeine Sprengung vorzunehmen.“

„Ja, Sir“, sagte Leutnant Nosinsky. Jeder derAnwesenden wußte, daß das Ergebnis desErkundungsfluges eine Reihe hoffnungsvoller Pläneundurchführbar werden ließ.

„Ich danke Ihnen“, sagte Rhodan. „Sie können sichjetzt zurückziehen und erholen.“ Nosinsky undGalton grüßten und verließen die Zentrale.

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„Ich glaube, wir müssen wieder ganz von vornanfangen“, sagte Rhodan. „Die Südpolstation ist imAugenblick für uns unangreifbar. Wir werden unsdarauf konzentrieren, unter allen Umständen die baldzu erwartende ANDROTEST III zu warnen, damitdiesem Schiff nicht das gleiche Schicksal widerfährtwie seinem Vorgänger.“

„Dazu benötigen wir ein starkes Funkgerät“,erinnerte Atlan. „Unsere Hyperkomgeräte arbeitennicht. Mit den drei armseligen, chemisch betriebenenNotkraftwerken sind wir nicht in der Lage, die nötigeSendeenergie für einen Warnfunkspruch zuerzeugen.“ Ohne spürbare Kraftanstrengung stießsich Don Redhorse von der Wand ab, gegen die ersich gelehnt hatte. Er wußte, daß Rhodan ihn jetztzum Sprechen auffordern würde.

„Atlan hat recht“, stimmte Rhodan dem Arkonidenzu. „Ohne einen Hypersender können wir dieANDROTEST nicht warnen. Allerdings gibt es eineMöglichkeit, einen Hypersender zu beschaffen.Captain Redhorse, erklären Sie uns bitte, wasinnerhalb der zweiten Etage Horrors geschehen ist,als Sie eine der Kaulquappen notlanden mußten.“Redhorse glaubte das Dröhnen der überlastetenTriebwerke der C-11 in seinen Ohren vibrieren zufühlen, als seine Gedanken in die Vergangenheitzurückkehrten. Fast zweieinhalb Monate warenverstrichen, seit die CREST II die Rotetage verlassenhatte.

„Ich glaube, daß ich darauf verzichten kann, Siemit näheren Einzelheiten zu langweilen“, begannRedhorse. „Für uns ist nur der Augenblick kurz vordem Aufprall der Kaulquappe wichtig. Ich bin sicher,daß vor der Vernichtung des Beibootes mindestenszwei Shifts von der positronisch gesteuertenSicherheitsanlage ausgestoßen wurden. DieseRaupenfahrzeuge müßten nach menschlichemErmessen noch in der Nähe der Aufschlagstelle zufinden sein. Da sie nicht in den Wirkungskreis desPotential-Verdichters gerieten, besitzen sie zweifellosnoch ihre ursprüngliche Größe, was bedeutet, daßihre Hypersender noch in Ordnung sind.“ Geduldigwartete Redhorse, daß sich der Aufruhr, der seinenWorten folgte, legen würde. Doch es war Rhodan,der die heftigen Diskussionen mit einerHandbewegung zum Verstummen brachte.

„Sie scheinen zu vergessen, daß wir nur nochknapp zwei Millimeter große Wesen sind“, sagteAtlan zu Redhorse. „Die Shifts haben einedurchschnittliche Länge von zehn Metern. Selbstwenn es uns gelingen sollte, ins Innere vorzudringen,haben wir keine Aussichten, das Raupenfahrzeug zustarten.“

„Außerdem werden die Shifts längst von denSchnorcheln der Stadt Kraa zerstört worden sein“,bemerkte Major Hefrich.

Redhorse wußte, daß Hefrich leicht aus der Ruhezu bringen war.

„Dies ist nicht der Plan des Captains“, mischte sichRhodan ein. „Er hat mir lediglich von denVorkommnissen berichtet.“

„He-hau!“ machte Redhorse. „Danke, Sir!“„Sprechen Sie in einer Sprache, die wir alle

verstehen!“ brauste Hefrich auf. „DieserArmabschneiderdialekt geht mir auf die Nerven.“Redhorse bewegte sich nicht. Er fragte sich, woherHefrich wußte, daß er ein Kind der Nachkommen derPowder-River-Cheyennes war, die ihren gefallenenFeinden den linken Arm abzuschlagen pflegten.

„Das genügt, Major!“ rief Rhodan. „Wir sind allenervös und verzweifelt. Bevor wir uns streiten,wollen wir darüber reden, welche Chancen wirhaben, in die zweite Etage vorzustoßen.“

„Es tut mir leid“, brachte Hefrich widerwillighervor. Redhorse nickte.

„Die Öffnung, die sich die CREST gebrochen hat,um endlich in den freien Raum zu gelangen, ist nurdreihundertachtzig Kilometer von hier entfernt“,sagte Rhodan. „Für einen OLDTIMER ist es einfach,diese Stelle zu erreichen.“

„Wollen Sie einen direkten Vorstoß bis zurzweiten Etage wagen?“

„Keineswegs!“ Rhodan schüttelte den Kopf.„Zunächst werden zwei Maschinen einenErkundungsflug machen und bis in die dritte Etagevordringen.“ Die dritte Etage, erinnerte sichRedhorse, war der Hohlraum unmittelbar unter derOberfläche des Hohlplaneten Horror. Sobald manden Kunsthimmel dieser sogenannten Gelbetagedurchstieß, gelangte man in die zweite Ebene, wosich die Shifts befinden mußten.

Die Maschinen vom Typ F-913 erreichten trotzihrer Winzigkeit eine Geschwindigkeit von fast zweiMach. Es war also anzunehmen, daß sie ihr Zielerreichen würden.

Je länger sie dem Einfluß des Potential-Verdichtersunterlagen, desto verzweifelter wurden ihreVersuche, einen Ausweg zu finden. Redhorseversuchte nachzudenken. Es schien, als hätte sichMaheo von seinem letzten Sohn abgewandt.Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, da Maheoihn nach Wanagi-Yata, dem Sammelplatz der Seelen,rufen würde.

2.

Der nagende Hunger hatte fast jedes andere Gefühlin Groon abgetötet. Er lagerte mit den Überrestenseiner Armee auf einem langgezogenen Plateau überder großen Ebene. Ihre Hoffnung, innerhalb derzerstörten Stadt etwas Eßbares zu finden, hatte sichnicht erfüllt. Der einzige Ort, wo es vielleicht etwas

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Nahrung gab, war im Augenblick nicht zugänglich.Mit brennenden Augen sah Groon ins Tal hinab,

dorthin, wo das Fahrzeug der längst verschwundenenFremden lag.

„Es bewegt sich nicht“, sagte Yorgos an seinerSeite. Die Stimme des Unterführers klang krächzend,sein froschähnlicher Kopf schwankte auf demmeterlangen Tentakel hin und her.

„Sobald wir uns dem Fahrzeug nähern, wird essich bewegen“, prophezeite Groon düster. „Wirhaben nur eine Waffe mit sieben Schuß Munition.“Die Waffe, von der Groon sprach, gewährleisteteseine Führerschaft. Vierzehn Soldaten waren nochbei ihm, vierzehn hungrige, zornige Männer, die ihnintensiv haßten, weil sie glaubten, daß er sie insVerderben geführt hatte. In den Nächten schliefGroon abseits vom Lager. Er errichtete kunstvolleFallen, um vom geringsten Geräusch geweckt zuwerden. Er war schlauer als sie alle, und er hoffte,daß er sie überleben würde. Ein einzelner Mannbrauchte weniger Nahrung als fünfzehn. Das war eineeinfache Rechnung, auf der Groon sein ganzesHandeln aufbaute. Yorgos konnte ihm vielleichtgefährlich werden, doch der Unterführer war verletztund würde nicht mehr lange am Leben sein.

„Wir müssen es versuchen“, drängte Yorgos. „Esist gleichgültig, ob wir hier oben verhungern odergetötet werden.“ Aus dem Hintergrund kamzustimmendes Gemurmel. Groon hörte, wie sichmagere Körper über den Boden auf ihn zuschoben.Er blickte hinter sich, in seinen Augen lag eine leichtzu deutende Drohung. Sie wichen zurück, nicht ausRespekt vor Groon, sondern aus Angst vor seinerWaffe.

Groon wußte, daß sie das Fahrzeug angreifenmußten. Dabei, so hoffte er, würden mindestenssieben Männer sterben. Groon verzögerte den Beginndes Angriffs immer wieder, weil er wollte, daß dieSoldaten völlig verzweifelt und kopflos waren, wennsie losschlagen würden.

„Wir müssen in zwei Gruppen angreifen“, erklärteGroon. „Eine muß den Gegner ablenken, so daß dieandere bis an das Fahrzeug herankommt.“ Groonbegann die Männer aufzuteilen. Er tat es umständlichund verwarf immer wieder seine eigenen Vorschläge.Auf diese Weise gelang es ihm, die Männer vonihrem Plan abzulenken, ihn töten zu wollen. Nahrungwar wichtiger, und Groon war sicher, daß sie einenAngriff auf ihn jetzt nicht wagen würden.

„Er bewegt sich!“ rief Yogos, der immer wiederins Tal blickte.

Groon grunzte verächtlich. Er durchschauteYorgos' Ablenkungsmanöver.

Kurze Zeit später schickte er den Unterführer mitacht Soldaten ins Tal hinab. Sie wollten sich offendem Fahrzeug nähern, um den Gegner aus seiner

Reserve zu locken. Groon wollte mit den fünfübrigen Männern den Hügelkamm entlangwandern,bis sie die Senke erreichten, in der sie unbeobachtetin die Ebene gelangen konnten.

Mit voller Absicht hatte Groon dem Unterführerden größten Teil der Soldaten überlassen. DieserSchachzug erhöhte nicht nur seine eigene Sicherheit,sondern auch die Wahrscheinlichkeit, daß sichYorgos zu einem Angriff auf das Fahrzeug hinreißenlassen und dabei sein Leben verlieren würde. Groonhatte während des Kampfes um die Stadt Kraa eineArmee verloren, aber das bedeutete nicht, daß er einschlechter Taktiker war.

Geduldig wartete er, bis Yorgos zwischen denFelsen verschwunden war.

„Wir marschieren los!“ rief er denzurückgebliebenen Soldaten zu. Er achtete darauf,daß er keinem den Rücken zuwandte. Er spürte denHaß, der ihm entgegenschlug, als sie nacheinander anihm vorbei zum Rande des Plateaus gingen. IhreFüße schleiften müde über den Boden, die Uniformenwaren nur noch Fetzen.

„Vorwärts!“ befahl Groon und vergaß für einenAugenblick, wie schlecht es um sie bestellt war.

Er erschrak, als er sich voll aufrichtete. EinenAugenblick fürchtete er, er könnte das Bewußtseinverlieren, so plötzlich kam das Schwindelgefühl überihn. Er umklammerte die Waffe, bis seine Händeschmerzten. Das half. Er schaute benommen auf dieRücken der vor ihm gehenden Soldaten.

Wußten sie, wie verwundbar er im Augenblickwar?

Groon glaubte, daß sie sich nicht viel besserfühlten. Das beruhigte ihn. Er zog seinen Kopf ein,weil er auf diese Weise beim Gehen leichter dasGleichgewicht behalten konnte. Immer wieder griffer mit der freien Hand in seine Uniformtasche, vollerHoffnung, noch einen Überrest der letzten Ration zufinden.

Der Weg, den sie einschlugen, war felsig undschwer passierbar. Wie schwerfällige Rieseninsektenbewegten sich die Soldaten zwischen den großenSteinen. Groon zog den Gurt des Karabiners über dieSchulter, denn er benötigte beide Hände, um sichfestzuhalten. Die anderen waren bereits soweitvoraus, daß er rechtzeitig feuerbereit sein konnte,wenn sie auf den Gedanken kommen sollten, über ihnherzufallen. Unter seinen Füßen bröckelten Steineauseinander. Links neben ihm lag der steile Abgrund.Ein einziger Fehltritt, und Groon würde in die Tiefestürzen.

Nach einer Weile sah er Yorgos Gruppe schrägunter sich in der Ebene auftauchen. Er klammertesich einen Augenblick an die Felsen, um die Soldatenzu beobachten. Für kurze Zeit übertraf seinTriumphgefühl den Hunger. Er erkannte Yorgos an

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der Spitze des kleinen Trupps. Yorgos ging mitseinen Männern direkt auf das Fahrzeug der Fremdenzu - genau wie Groon es befohlen hatte. Die Fragewar nur, ob er auch anhalten würde. Groon hoffte esnicht.

Er beschleunigte sein Tempo, um den altenAbstand zu seinen Männern wieder herzustellen. Dasah er, wie einer der Soldaten vor ihm den Halt verlorund abstürzte. Der lautlose Fall des Mannesschockierte Groon, er sehnte einen Aufschreipanischer Furcht herbei, doch der dumpfe Aufpralldes ausgemergelten Körpers war das einzigeGeräusch, das zu Groon heraufdrang. Groonschüttelte sich. Die vier anderen Männer hattenangehalten. Ihre Köpfe waren ausgefahren und überden Abgrund gebeugt.

„Vorwärts!“ dröhnte Groons Stimme.Die Köpfe zuckten zurück, die Soldaten gingen

weiter. Groon überkletterte einen Felsen. Er hattejetzt einen guten Ausblick nach unten, doch ervermied es, in die Tiefe zu blicken. Er konnte sichvorstellen, wie der Verunglückte zwischen denSteinen lag, mit ausgebreiteten Armen undgebrochenen Augen.

Für Männer, die sich vor Hunger kaum auf denBeinen halten konnten, war der Weg zur Senkeunendlich weit, und Groon begann zu bezweifeln,daß sie ihr Ziel jemals erreichen würden. Trotzdemänderte er seine Pläne nicht.

Yorgos' Gruppe hatte jetzt ungefähr die Hälfte desWeges zurückgelegt, der sie von dem Fahrzeuggetrennt hatte. Im Augenblick sah es so aus, alswürden Yorgos und seine Begleiter durchhalten.Groon ließ die Männer eine Pause einlegen. Schweratmend legte er sich gegen einen Felsen. Wenn ernach Kraa hinüberblickte, schien es ihm, als rauchtendie Trümmer der verlassenen Stadt noch immer. Diedunklen Silhouetten der ausgebrannten Gebäudeschienen zu Groon herüberzudrohen. Und vor derStadt - Groon schloß die Augen, wenn er darandachte - lag seine Armee, seine tote, aufgeriebeneArmee, unter Schutt, Asche und Staub.

Die letzten Bewohner von Kraa waren geflüchtet.Für sie hatte es wenig Sinn, in dieser zerstörten Stadtweiterzuleben.

Was für ein Sieg, dachte Groon bitter.„Vorwärts!“ schrie er, und sein Zorn besiegte die

Schwäche und trieb ihn voran. Nun jagte er seine vierBegleiter erbarmungslos voran und gönnte ihnenkeine Ruhe mehr. Fast zum gleichen Zeitpunkt, alsYorgos die Stelle überschritt, wo er hätte anhaltensollen, erreichte Groons Gruppe den Anfang derSenke. Die vier Männer wurden unruhig, als siesahen, daß Yorgos auf eigene Faust zu handelnbegann. Wahrscheinlich fürchteten sie, daß für sienichts übrig bleiben würde. Groon verzog sein

Froschgesicht zu einem häßlichen Lachen.Es würde nicht mehr lange dauern, bis Yorgos in

einen tödlichen Kampf verwickelt war.„Yorgos betrügt uns!“ rief einer der Männer

resignierend.Sie drangen in die Senke ein und kamen schnell

voran. Zu beiden Seiten türmten sich Felsen auf undversperrten ihnen die Sicht auf die Ebene. AberGroon besaß genügend Phantasie, um sichvorzustellen, wie Yorgos mit den acht Soldatenimmer weiter auf das Fahrzeug zuging, gierig undausgehungert. Groon schluckte mehrmals.

Er fragte sich zum wiederholten Male, wer derGegner war, der sich innerhalb des Flugkörpers derFremden verschanzt hatte. Einer der Fremden konntees nicht sein, denn die Gerüchte, die Groon vondiesen Wesen gehört hatte, besagten, daß es sich ummächtige Kämpfer handelte. Es war auch keinBewohner der Stadt Kraa, dessen glaubte Groonsicher zu sein.

Es war schwer, einen Angriffsplan zu entwickeln,wenn man nicht genau wußte, welcheVerteidigungsmöglichkeiten der Feind besaß. Als siedas Fahrzeug entdeckt hatten, waren sie fastblindlings in eine Falle gelaufen. Erst im letztenAugenblick hatte Yorgos bemerkt, daß sich bereitsein Interessent eingefunden hatte, der deutlich zeigte,daß er für hungrige Teilhaber wenig Verständnisbesaß. So schnell es ging, hatte sich Groon mit denÜberresten seiner Armee in die Hügelzurückgezogen.

Groon wunderte sich, daß Yorgos trotz seinerschweren Verletzung noch immer durchhielt. DerUnterführer verfügte über eine unwahrscheinlicheKondition. In Groon wuchs der Verdacht, daßYorgos noch Verpflegung besaß. Das war einpeinigender Gedanke.

Sie kamen aus der Senke heraus in offenes Land.Der Boden war mit Geröll bedeckt, aber vollkommenflach und von mehreren Spalten durchzogen. Inunmittelbarer Nähe der Senke ragte eine breiteFelsnadel bis zum Himmelsgewölbe hinauf.

Groon befand sich jetzt mit seinen Soldaten schräghinter dem Flugkörper. Er beobachtete, daß Yorgos'Gruppe das Fahrzeug fast erreicht hatte.

Groon zwang sich zu ruhiger Überlegung. DieTatsache, daß der Unterführer den ausgemachtenPunkt überschritten hatte, bedeutete offeneWidersetzlichkeit. Wahrscheinlich rechnete Yorgosdamit, daß er den Panzer der Fremden besetzen undgegen Groon verteidigen konnte. Es hing alles davonab, wie Yorgos und seine Begleiter mit dem Wesenfertig wurden, das jetzt den begehrten Platzbeherrschte.

„Warum gehen wir nicht weiter?“ fragte einer derSoldaten ungeduldig.

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„Yorgos greift die fremde Maschine an“, erklärteGroon. „Wir warten, was dabei herauskommt.“ Dievier Männer ließen sich auf dem Boden nieder.Zögernd folgte Groon ihrem Beispiel. Er ließ siejedoch nicht aus den Augen. Gleichzeitig verfolgte erdas Vorgehen der größeren Gruppe.

Groon sah, wie Partoos, ein großer, starker Mann,vor dem Flugkörper ankam und unmittelbar nebendem Einstieg hochzuklettern begann. Die anderendrängten hinter ihm nach. Partoos zog sich mitsicheren Griffen auf den offenen Einstieg zu. Da fuhrein dunkler Arm heraus und packte Partoosunmittelbar unter seinem Kopf am Hals. Der Soldatverlor den Halt und taumelte zurück. Die anderenversuchten an ihm vorüber in die Maschine zugelangen, doch immer mehr Arme tasteten sich insFreie und stießen die Angreifer zurück. Yorgos undvier weitere Männer ergriffen die Flucht. ZweiSoldaten krochen hastig auf die andere Seite desFahrzeugs, so daß sie aus Groons Blickfeld gerieten.Partoos und ein anderer Soldat starben vor demEingang. Mit unbewegtem Gesicht verfolgte Groonden ungleichen Kampf.

„Es ist ein Bloos“, stellte er entsetzt fest. „EinBloos befindet sich innerhalb der Maschine.“Niemand antwortete ihm. Jeder der Männer wußte,was es bedeutete, gegen ein Bloos zu kämpfen.Früher hatte man sie als Haustiere gezüchtet, dochdann waren sie durch irgendwelche Einflüsse mutiertund zu gefürchteten Raubtieren geworden.

„Wir werden sterben“, sagte ein kleinerSchnorchel, der Looster hieß. „Wir können das Bloosnicht besiegen.“ Groon betrachtete die alte Waffe inseinen Händen, für die er noch sieben SchußMunition besaß.

„Vorwärts!“ schrie er. Sein Aufschrei trieb dieanderen hoch. So taumelten sie weiter, fünf hungrige,erschöpfte Männer, die eine Stadt erobert hatten.

*

Gemächlich zog Gessink einen der toten Gegnerzu sich herein. Der Körper war schwer, und dasBloos wollte es vermeiden, seine Kräfte zuverausgaben. Gessink war überzeugt, daß bald einneuer Angriff erfolgen würde. Das beunruhigte ihnnicht besonders. Nun, da sein Nahrungsproblemgelöst war, brauchte er sich keine Sorgen mehr zumachen.

Er hatte schon zu fürchten begonnen, daß dieSoldaten nicht zurückkehren würden, nachdem er siebei ihrer ersten Annäherung erschreckt hatte. Es warein Fehler gewesen, sie sofort anzugreifen. Bevor siein seine Falle gegangen waren, hatte sie irgend etwasgewarnt, und sie waren in die Hügel geflüchtet.

Das Bloos wußte, daß es noch viel lernen mußte.

Es hatte seine Behausung erst zweimal gewechselt.Gessink war entschlossen, diese sichere Unterkunftnicht mehr aufzugeben, zumal sie ständigenNahrungsnachschub zu gewährleisten schien. DasBloos war überzeugt, daß sich immer wieder jemandfür diesen Bau interessieren würde. Bald, so hoffteGessink, würde er im Aufstellen von Fallen perfektsein. Der Zeitpunkt würde kommen, da er seinenUnterschlupf nur noch zum Entleeren der Fallenverlassen mußte.

Gessink bedauerte, daß der zweite Tote auf denBoden zurückgefallen war, so daß er ihn imAugenblick nicht hereinholen konnte. Behutsam lösteer die Uniformfetzen vom Körper des Soldaten.Angeekelt schleuderte er sie ins Freie hinaus. Ergrübelte, ob er gleich damit beginnen sollte, denLeichnam zu präparieren. Sein Hunger war groß,doch er mußte sich auf den nächsten Angriffkonzentrieren, der bestimmt erfolgen würde. Gessinknahm an, daß die Unterkunft ursprünglich denSoldaten gehört hatte. Jetzt waren siezurückgekommen, um wieder einzuziehen. Er warjedoch nicht geneigt, ihre älteren Rechte zurespektieren.

Das Bloos war nicht so intelligent, daß eskomplizierte Zusammenhänge durchschauen konnte,aber es besaß eine natürliche Schläue, die es imrichtigen Augenblick vernünftig handeln ließ. Früher,als die Bloos noch als Haustiere in den Städten derSchnorchel gelegt hatten, waren sie nie aus ihrenengen Ställen herausgekommen. DiesenHöhleninstinkt hatten die Bloos auch als Raubtierenicht verloren. Sie suchten sich einen ruhigenUnterschlupf und warteten darauf, daß ihre Opfersich näherten.

Jedes Bloos besaß ein Jagdgebiet, das ihm alleingehörte. Es kam nur selten vor, daß um eine begehrteHöhle Streit entstand. Die Bloos waren Einsiedlerund trafen sich nur während der Paarungszeit.

Gessink schob den toten Soldaten weiter in denRaum hinein, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.Dann legte er sich neben dem Eingang nieder.Wohlige Wärme herrschte im Innern seinerBehausung. Gessink bettete seinen länglichen Kopfzwischen die vier oberen Vorderarme und sah insFreie hinaus.

Er spürte, wie sich jeder einzelne Muskel seinesKörpers spannte. Trotz der langen Hungerperiodewar er voller Kraft.

Er konnte jedes Wesen töten, das sich in seineNähe wagte.

*

Yorgos lag am Boden und blickte teilnahmslos zudem breitbeinig über ihm stehenden Groon empor.

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Page 9: Aufbruch der Oldtimer

„Worauf wartest du noch?“ rief er.„Ich verschwende keine Munition“, erwiderte

Groon. „Wir brauchen jeden Schuß, um das Bloos zutöten.“ Stück für Stück ließ Yorgos seinen Kopf indie Brusthöhle zurückgleiten. Groon sah, daß derUnterführer starb. Die Soldaten hielten sich inrespektvoller Entfernung.

Noch einmal flackerte der Lebenswille in Yorgosauf.

„Das Bloos hat Partoos zu sich hereingezogen“,sagte er mit brüchiger Stimme. „Es belauert uns.“

„Wir werden es ausräuchern“, versicherte Groon.„Feuer?“ Yorgos' Körper begann zu zucken.

„Warum habe ich dich nur in diesen Krieg begleitet,Groon?“

„Um zu sterben“, erwiderte Groon gelassen.Der Unterführer gab ein unverständliches

Geräusch von sich und starb. Groon senkte den Kopf.Zwischen ihm und der Stadt Kraa lag die Maschine,die sie unter allen Umständen erobern mußten. ZehnSoldaten standen Groon noch zur Verfügung, aber siewaren am Ende ihrer Kräfte angelangt und nur nochmit äußerster Härte zum Gehorsam zu zwingen.

Das Gewicht der Waffe in Groons Händen schiensich zu verdoppeln. Die Gestalten der zehn Männerwurden zu verschwommenen Schatten. Groonbegann zu schwanken. Dann fing er sich wieder. Erstieg über Yorgos hinweg und streckte den Arm mitdem Karabiner aus.

„Wir greifen an“, sagte er. „Wir nähern uns demFlugzeug von zwei Seiten. Ich versuche, dieRückseite der Maschine zu erklettern und das Bloosvom Dach aus zu erschießen.“ Einer der Soldaten trataus der Truppe hervor.

„Wir sollten in die Stadt gehen und dieLagerhallen noch einmal genau durchsuchen.Wahrscheinlich werden wir dann etwas finden. DasBloos wird uns töten, wenn wir noch einmalangreifen.“ Groon kniff die Augen zusammen undblickte den Sprecher stumm an.

Hastig ging der Mann an seinen Platz zurück.Vielleicht, dachte Groon, habe ich sie jetzt zumerstenmal ohne die Waffe bezwungen.

Er teilte die Soldaten in zwei Gruppen auf, und siemarschierten los.

Die Ebene war in rotes Licht gebadet. Es schien,als sei die Luft mit elektrischer Spannung geladen.Von der toten Stadt kam Brandgeruch herüber.Überall lagen umgestürzte Geschütze undausgebrannte Fahrzeuge. Groons Füße brannten inden schweren Stiefeln. Er schloß für einen Momentdie Augen und wünschte sich weit fort von diesemSchlachtfeld, irgendwohin, an einen Ortvollkommener Ruhe, wo er voll satten Behagensdaliegen konnte.

Er drehte den Kopf auf seinem langen Hals, so daß

er Yorgos sehen konnte, der hinter ihnen am Bodenlag. Ein toter Soldat schien allein durch seineUniform dem gewaltsamen Tod etwas von seinemSchrecken zu nehmen. Das, erkannte Groon, war einegefährliche Täuschung, wenn man im Kampf umNahrung getötet wurde.

Groon riß sich zusammen.Irgendwo im dunklen Einstieg des Flugzeuges

lauerte das Bloos ...

3.

14. Januar 2401-Erdzeit!Uhren, die so winzig sind, daß sie von Menschen

mit normaler Größe nicht ohne Mikroskopwahrgenommen werden können, zeigten 16 Uhr.

Fünf Flugzeuge, jedes 26 Millimeter lang, lagenstartbereit in den Hangars einer Stahlkugel voneineinhalb Meter Durchmesser. Eine Weltunglaublicher Zwerge, in der das Leben trotzdemseinen gewohnten Verlauf nimmt.

Sechzehn Uhr und eine Minute!Stille im Schiff. Männer, die mit verschlossenen

Gesichtern über die Zukunft nachdenken. LeiseBefehle, dann der gleichmäßige Aufschlag vonfünfundzwanzig Stiefelpaaren auf hartem Boden.

Sechzehn Uhr und zwei Minuten!Irgendwo - zwei Stimmen. Zaghaft nur, sich der

Bedeutung dieses Augenblicks bewußt. Das leichteSummen der drei Notkraftwerke scheint lauter zuwerden. Irgendwo - ein irres Lachen. Gleich daraufdas unverkennbare Schnurren der Medo-Roboter.Horror-Koller. Der siebzehnte Fall in den letztenbeiden Tagen.

Sechzehn Uhr und drei Minuten.Fünfundzwanzig Lebewesen verteilen sich auf fünf

Flugkörper von je 26 Millimeter Länge. Ernste, aberentschlossene Gesichter. Das erste chemischeTriebwerk brüllt auf. Die Dimensionen verschiebensich, alles scheint unter diesem Dröhnen seinenormale Größe zurückzugewinnen.

Sechzehn Uhr und vier Minuten!Fünf OLDTIMER schießen aus der Schleuse,

schwingen sich über die CREST II hinweg und rasenüber eine Oberfläche davon, auf der alles nur nochden tausendsten Teil seiner ehemaligen Größebesitzt. Fünfundzwanzig Wesen, zu einemverzweifelten Unternehmen unterwegs.

14. Janur 2401 - Erdzeit!In weiten Teilen der Erde vergnügt man sich beim

Wintersport. Wer denkt schon an das Flaggschiff desSolaren Imperiums? Wer weiß, daß im gleichenAugenblick, da man in exklusiven Bars Cocktails zusich nimmt, fünfundzwanzig winzige Wesen in dasInnere einer künstlichen Hohlwelt eindringen, dieirgendwo zwischen Andromeda und der Milchstraße

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Page 10: Aufbruch der Oldtimer

steht?14. Januar 2401 - Erdzeit!Sechzehn Uhr und fünf Minuten!Die Hangarschleuse gleitet zu. Ein einzelner

Arbeiter-Robot schreitet seinem Standplatz entgegen.Dann senkt sich erwartungsvolle Stille über dasSchiff.

Sie wird anhalten. Einen Tag. Zwei Tage. DreiTage ...

*

Die fünf Maschinen vom Typ F-913 G flogen inV-Formation über die Oberfläche des KunstplanetenHorror dahin. Ihr Flug war gleichmäßig undungestört. Längst hatten die Oldtimer das Tal und dieSandkuchenberge hinter sich gelassen. Die Öffnung,die sich die CREST II gebrochen hatte, um in denfreien Raum zu gelangen, lag nur 380 Kilometer vonden Sandkuchenbergen entfernt.

Captain Don Redhorse, der zusammen mit MelbarKasom, dem Mutanten Wuriu Sengu, Captain SvenHenderson und dem wieder gesunden WaffenmeisterLope Losar in einer Maschine flog, beugte sich imPilotensitz vor. Das Land unter ihnen sah an allenStellen gleich aus. Das Schußloch der CREST IIdurchmaß dreitausend Meter. Für die nur noch knappzwei Millimeter großen Raumfahrer bedeutete daseine Einflugstelle von dreitausend KilometernDurchmesser.

Die beiden Flugzeuge, die Perry Rhodanausgeschickt hatte, um einen Erkundungsflug zuunternehmen, waren mit guten Nachrichtenzurückgekehrt. Mühelos waren die Piloten mit ihrenMaschinen in die Gelbetage vorgestoßen, wo nochimmer radioaktive Stürme tobten. Nach kurzemAufenthalt waren die beiden Oldtimer zurückgekehrt,ohne daß es zu einem Zwischenfall gekommen war.Das hatte Rhodan veranlaßt, fünf Flugzeugegleichzeitig bis in die Rotetage vordringen zu lassen,um nach den Shifts zu suchen, die nach der Aussagevon Captain Don Redhorse dort zu finden seinmußten.

Gleichzeitig hatten die Wissenschaftler dieHoffnung ausgesprochen, daß sich derVerkleinerungsprozeß nach und nach von selbstaufheben würde, wenn es den winzigen Menschengelänge, sich für einen längeren Zeitraum außerhalbdes Wirkungsbereiches des Potential-Verdichtersaufzuhalten.

Daraufhin hatte Atlan die Wissenschaftler daranerinnert, daß die Besatzung der CREST II nichtgrößer geworden sei, als man auf der Nordhalbkugelgelandet war, obwohl die Nordpolstation zu diesemZeitpunkt bereits nicht mehr existiert hatte. DieAuskunft des mathelogischen Gehirns lautete, daß

der Zeitraum zu kurz gewesen sei, um die Wirkungdes Potential-Verdichters zu neutralisieren.

Redhorse nahm an, daß ein Teil der Besatzunghoffte, ihre ursprüngliche Größe zurückzugewinnen,wenn es nur gelang, von der Südhalbkugel Horrorszu verschwinden.

Das ließ Rhodans Plan, einen Shift in der Rotetagezu bergen, in einem völlig neuen Licht erscheinen.Jetzt bestand nicht nur die Aussicht, einenFlugpanzer zu erobern, sondern man konnte unterUmständen dem Zwergendasein entrinnen. Redhorsebezweifelte zwar, daß die Theorie derWissenschaftler stimmte, aber sie stärkte seineEntschlossenheit, zusammen mit Rhodan und denanderen die Absturzstelle der C-11 zu finden.

In den anderen vier Maschinen hielten sich außerPerry Rhodan nach Atlan, Icho Tolot, die beidenMausbiber Gucky und Gecko und eine Anzahlweiterer Offiziere und Spezialisten auf. Das zeigtedem Captain, welche Bedeutung Rhodan demUnternehmen beimaß.

Das Hauptproblem würde sein, die relativgigantischen Schaltungen eines Shifts zu betätigen,wenn man erst einmal einen gefunden hatte. Tolotund Melbar Kasom hatten mehrere Flaschenzüge mitan Bord der Oldtimer gebracht, was daraufhindeutete, daß sie sich in erster Linie auf ihreMuskelkraft verlassen wollten. Noch war nichtsicher, was die drei Mutanten zu leisten imstandewaren. Die beiden Mausbiber hatten zwar in denletzten Tagen einige erfolgreiche Versuche machenkönnen, doch es war offensichtlich, daß sie nochnicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren und jederzeitwieder ausfallen konnten.

Redhorse, von Natur aus ein Optimist, war sich derGrenzen bewußt, die zwei Millimeter großenMännern in einem Shift von zehn Metern Lägegesetzt sein mußten. Er bezweifelte, daß PerryRhodan schon einen bestimmten Plan hatte. Ihreinziges Ziel war im Augenblick, die Stadt Kraa zufinden, in deren Nähe die Raupenfahrzeuge liegenmußten, wenn Redhorse sich nicht getäuscht hatte.

Als Redhorse wieder aus der Kanzel blickte, sah erunter sich die Ausbruchstelle der CREST II, für seineAugen ein unermeßlich großes Loch, das wie einschwarzes endloses Meer unter ihm lag. PerryRhodan, der die erste Maschine flog, meldete sichüber Funk.

„Wir gehen jetzt langsam tiefer!“ befahl er. „Bevorwir endgültig unter die Oberfläche tauchen, werdenwir noch kurze Zeit über der Öffnung kreisen.“Redhorse rief sich in Erinnerung, daß ihn jetzt nochtausend Kilometer von ihrem Ziel trennten. Da dieOldtimer zweifache Schallgeschwindigkeiterreichten, waren es auch für die Mikromenschentausend Kilometer.

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Page 11: Aufbruch der Oldtimer

Die Formation der fünf Maschinen löste sich auf.Nacheinander sackten die Flugzeuge in die Tiefe.Das Einflugloch vergrößerte sich zu einemgewaltigen Schlund. Gleich darauf konnte Redhorsedie Oberfläche nicht mehr sehen, obwohl sie nochnicht ins Innere des Planeten eingedrungen waren.Dünne Rauchschleier stiegen aus der Tiefe.

„Können Sie irgend etwas sehen?“ wandte sichRedhorse an Wuriu Sengu, den Späher.

Der Afroterraner schüttelte den Kopf. „Ich erkenneeine schwarze Wand“, meldete er. „Doch das hatnichts zu bedeuten.“ Redhorse wußte, daß sich derOxtorner Omar Hawk mit seinem Okrill an Bord derMaschine befand, die von Perry Rhodan geflogenwurde. Rhodan hoffte, daß Hawk und sein Tierinnerhalb der Hohlwelt wertvolle Dienste leistenkonnten.

Mehrere Minuten kreisten die fünf Oldtimer überder Stelle, an der die CREST II die Außenkruste desPlaneten durchbohrt hatte. Redhorse nahm an, daßdies eine Vorsichtsmaßnahme Rhodans war, derjedes Risiko auszuschalten versuchte.

Als Rhodans Stimme wieder ertönte, klang sieruhig und entschlossen: „Wir dringen jetztnacheinander in den Schacht ein. Captain Redhorse,Sie machen mit Ihrer Maschine den Anfang.Beschleunigen Sie bis zur Gelbetage. Dort sammelnwir uns und fliegen in Formation bis zur zweitenSchußöffnung der CREST.“

„Gut, Sir“, erwiderte Redhorse.„Wenn wir in der Gelbetage angegriffen werden,

müssen wir uns geordnet in die Rotetagezurückziehen. Auf keinen Fall dürfen wir uns ineinen Kampf einlassen.“ Rhodan machte eine kurzePause. „Ich glaube jedoch nicht, daß jemand unserenwinzigen Maschinen eine Bedeutung beimißt.“Redhorse hoffte, daß Rhodan recht behielt. Er riefsich ins Gedächtnis zurück, daß die zweiteSchußöffnung der CREST II, durch die dasFlaggschiff von der Rotetage in die dritte Ebenevorgestoßen war, nur wenige hundert Kilometer vonder Stelle entfernt lag, an der die fünf F-913 G in dieHohlwelt eindrangen. Das bedeutete, daß derAufenthalt innerhalb der Gelbetage nur kurz seinwürde, wenn es nicht zu irgendwelchenZwischenfällen kam.

Zum erstenmal empfand Redhorse einSicherheitsgefühl, wenn er an ihre geringe Größedachte. Niemand kümmerte sich um Wesen, die mitinsektengroßen Flugzeugen umherstreiften. DerCaptain nahm an, daß sie in aller Ruhe operierenkonnten.

Mit geübten Griffen änderte er die Flugrichtungder Maschine. Melbar Kasom, der unmittelbar nebenihm saß, beobachtete die Kontrollen. DerUSO-Spezialist war einer der wenigen Männer, die

den Verkleinerungsprozeß anscheinend mit inneremGleichmut hinnahmen.

Redhorse hörte, wie Rhodan die beiden nächstenMaschinen in den Schacht schickte. Als viertesFlugzeug folgte ein von dem Arkoniden Atlangesteuerter Oldtimer. Perry Rhodan mit seinerMannschaft bildete den Schluß.

Obwohl Redhorse erwartet hatte, daß der Flug indie Gelbetage ohne Zwischenfälle verlaufen würde,überraschte ihn die Eintönigkeit der Umgebung.Alles, was er zu sehen bekam, waren mehr oderweniger dicht geballte Dampfwolken, graueRauchfetzen und ab und zu Ascheflocken. Es bestandkeine Gefahr, daß einer der Oldtimer irgendwohängen bleiben würde, denn im Verhältnis zu denFlugzeugen bildeten die Ausbruchstelle desFlaggschiffes einen gewaltigen Krater.

Der Funkkontakt zu den übrigen Maschinen wurdenicht unterbrochen. Redhorse konnte sich nichterinnern, jemals so sicher geflogen zu sein. Dieheißen Aufwinde vermochten die Oldtimer nicht zubeeinflussen.

„Sechzig Kilometer!“ rief Melbar Kasom.Sie hatten bereits über die Hälfte der

Oberflächenkruste hinter sich. Von den Piloten derbeiden Maschinen, die den Erkundungsflug in dieGelbetage gewagt hatten, besaßen sie genaueUnterlagen über die Position der Durchbruchstellezwischen Gelb- und Rotetage. Trotzdem würde derFlug zwischen den beiden Schächten die längste Zeitin Anspruch nehmen. Immerhin mußten sie einenHöhenunterschied von achthundert Kilometernüberwinden. Hinzu kamen noch knapp fünfhundertKilometer, die die beiden Durchflugstellen in derEbene voneinander trennten.

Die Oldtimer besaßen einen Aktionsradius von13.000 Kilometer. Wenn es ihnen gelang, die StadtKraa schnell zu finden, brauchten sie nicht mitSchwierigkeiten zu rechnen. Rhodan hatte für denHin- und Rückflug im Höchstfall 3000 KilometerFlugstrecke eingeplant. Im stillen gestand sichRedhorse ein, daß dies eine ausgesprochenoptimistische Schätzung war, denn sie konnten unterUmständen tagelang durch die Rotetage irren, bevorsie die Stadt und damit die Absturzstelle der C-11überhaupt fanden.

„Achtzig Kilometer!“ Melbar Kasom sprach soruhig, als stände er auf einem Prüfstand.

Von allen anderen Maschinen liefen Meldungenein. Gucky berichtete, daß er schwache Impulse derGefühlswesen der Gelbetage wahrnahm. Auch Senguvermochte jetzt in die dritte Ebene einzusehen, docher stellte nichts fest, was irgendwie auf eine Gefahrhindeutete.

Für Redhorses Begriffe verlief der Flug zureibungslos. Er rechnete damit, daß früher oder später

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Page 12: Aufbruch der Oldtimer

die ersten Hindernisse auftauchen mußten. DieAußentemperatur stieg langsam an. Auch dieStrahlenmeßgeräte zeigten überdurchschnittlicheWerte. Redhorse führte das auf die Stürme innerhalbder dritten Etage zurück.

Rhodan befahl, daß die einzelnen Maschinen ihreGeschwindigkeit drosselten. Als Redhorse mit seinerF-913 G in die Gelbetage einflog, flog die Maschinenur noch 200 Stundenkilometer. Es sprach für dieGeschicklichkeit der vier anderen Piloten, daß sieinnerhalb von fünf Minuten zu Redhorseaufschlossen und die ursprüngliche V-Formationwieder einnahmen.

Die chemisch angetriebenen Flugzeuge begannenwieder zu beschleunigen. Noch wußten die Männerziemlich genau, in welche Richtung sie zu steuernhatten. Sobald sie in die Rotetage kamen, würde sichdas ändern.

Die beiden Mausbiber berichteten von einerverstärkten Impulstätigkeit der Gelbpelze, doch dieGefahr einer Kontaktaufnahme bestand nicht. Anverschiedenen Stellen vermochte Wuriu Sengu in diezweite Etage einzusehen, doch das einzige Wort, daser ebenso regelmäßig wie kategorisch wiederholte,hieß: „Felsen!“ Sherlock, der Okrill von LeutnantOmar Hawk, fand die Spuren der beiden zuersteingeflogenen Maschinen und erleichterte damit dieSuche nach der Durchbruchstelle in die Rotetage.

Schneller als Redhorse erwartet hatte, kamen siean dem riesigen Loch an, das sich diefünfzehnhundert Meter durchmessende Stahlkugelder CREST II freigeschossen hatte. Bisher war allesglatt verlaufen. Redhorse überblickte die Kontrollen.

„Mohetto!“ rief Redhorse gedämpft. „Alles ist inOrdnung!“ Maheo war seinem letzten Sohn wiederfreundlich gesinnt.

4.

Als Groon das kalte Metall des fremdenFahrzeuges berührte, schien ein elektrischer Schockdurch seinen Körper zu rasen. Dabei war es nur dieKühle des Materials, die dieses Gefühl in ihmhervorrief. Er wußte nicht, wie weit sich die Männerauf der anderen Seite dem Eingang genähert hatten,aber er wußte, daß er auf dem Dach über demEingang liegen mußte, wenn das Bloos von denSoldaten herausgelockt wurde.

Groons Verdauungsorgane waren verkrampft;selbst wenn er in naher Zukunft etwas zum Essenbekommen würde, blieb ihm wahrscheinlich einelängere Krankheit nicht erspart. Zum erstenmal seitseiner Jugend begann Groon seine Wahl derSoldatenlaufbahn in Zweifel zu ziehen. Er hattebeobachten können, wie die Disziplin derüberlebenden Soldaten mit zunehmendem Hunger

immer weiter zerfallen war, bis sie nur noch vorseiner Waffe zurückschreckten. Dieses Ereignis hatteGroon mehr erschüttert als der Verlust seinerStreitmacht. Es hatte seinen Glauben an dieÜberlegenheit soldatischer Disziplin vernichtet. Jetztwußte Groon, daß eine Uniform Gefühle zwar zuverbergen, niemals aber zu zerstören vermochte. Zuirgendeinem Zeitpunkt würde jedes Wesen seineeigenen Gefühle der Uniform überordnen und damitdiese Uniform verleugnen.

Selbst er, Groon, war ein Opfer dieserEntwicklung geworden. Dank seiner überlegenenIntelligenz hatte er sich zu einer Persönlichkeitgeformt, die mit einem Soldaten nur noch dieÜberreste der Uniform gemein hatte.

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenninnerhalb der Stadt noch einige Gegner gelebt hatten.Doch der einzige Feind der Soldaten war jetzt derHunger.

Groon schob seinen Karabiner vor sich auf dieSeitenfläche der Maschine hinauf. Mit beidenHänden packte er den überstehenden Rand derGleiskettenbleche. Allein diese Bewegungen ließenihn vor Schwäche zittern.

Er fragte sich, wie er auf das Dach des Flugwagensklettern sollte. Dazu war eine Kraftanstrengung nötig,die ihm selbst unter normalen Verhältnissenschwergefallen wäre. Er zog den Kopf in dieBrusthöhle zurück. Nun war er vollkommen blind.Einen Augenblick lauschte er, um festzustellen, obauf der anderen Seite des Fahrzeuges der Kampfbereits begonnen hatte. Seine schwach gewordenenMuskeln spannten sich. Irgendwie gelang es ihm,sich auf den Armen hochzustemmen, während dasBlut in seinen Schultern pochte, und seine Beinekonvulsivisch zu zucken begannen.

Sekundenlang hing er so da, dann schwang er einBein auf die Schutzbleche und ließ sich nach vornkippen. Er dachte, daß er nicht wieder aufstehenwürde, doch als er seinen Kopf vorsichtig ausfuhrund kühle Luft über sein Gesicht strich, gelang esihm, auf die Beine zu kommen. Auf der anderenSeite blieb es still. Hatten ihn die Soldaten im Stichgelassen und waren auf eigene Faust zur Stadtmarschiert? Er wandte sich um und schaute nachKraa hinüber. Die Trümmer der Stadt lagen imrötlichen Dunst. Die Ebene zwischen der Maschineund ihrem Angriffsziel breitete sich verlassen vorihm aus. Er atmete auf.

Als er sich bückte und seine Waffe aufhob,überkam ihn wieder das Schwindelgefühl, unddiesmal dauerte es an. Er mußte sich mit einer Handam Dach des Flugwagens festhalten, als er langsamauf der Raupenverkleidung voranging.

Schließlich erreichte er die Stelle. wo innerhalbdes Daches Schlitze und runde Löcher eingelassen

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Page 13: Aufbruch der Oldtimer

waren, die er als Stufen benutzen konnte, umhinaufzuklettern. Groon schulterte die Waffe. Erbefürchtete, sein Lärm könnte das Bloos längstgewarnt haben.

Groon spuckte den kleinen Stein aus, den er seiteiniger Zeit im Munde trug, um seine Zungefeuchtzuhalten. Fast wünschte er, an Yorgos' Stelledort draußen im Sand zu liegen.

Da erreichte ein lauter, hallender Ton sein Gehör.Angespannt richtete er sich auf.Der Ton wiederholte sich. Einmal, zweimal...Da wußte Gronn, was dieses Geräusch bedeutete,

und er hätte bitter aufgelacht, wenn sein Verstand ihnnicht gewarnt hätte, das Bloos aufmerksam zumachen.

Diese Feiglinge! dachte er wütend. Diese elendenFeiglinge!

Die Soldaten wagten sich nicht an das Fahrzeugheran. Sie warfen mit Steinen, um das Raubtierherauszulocken. Wahrscheinlich hatten sich dieMänner in sicherer Entfernung niedergelassen.Immer, wenn ein Stein gegen das Metall prallte, gabes diesen hallenden Ton.

Groon begann auf das Dach hinaufzuklettern.Lange bevor er sein Ziel erreicht hatte, konnte erschon über die Kuppel hinwegblicken. Wie ererwartet hatte, lagen die Männer weit von derGefahrenzone entfernt am Boden und warfen mitSteinen. Das Bloos zeigte offenbar nicht die geringsteReaktion.

Groon zog sich vollständig auf das Dach und bliebschweratmend liegen. Die Soldaten blicktenunschlüssig zu ihm herüber. Groon war halb vonSinnen vor Wut, aber bald gewann die nüchterneÜberlegung in ihm die Oberhand, denn er sagte sich,daß er auf sich allein angewiesen war. Vor demEingang lag noch immer der Mann, der zusammenmit Partoos gestorben war.

Zentimeter um Zentimeter schob sich Groon aufdem Dach voran, bis er unmittelbar über demEingang lag.

Behutsam, um jedes Geräusch zu vermeiden, zoger den Karabiner von der Schulter. Die Soldatenhörten auf mit Steinen zu werfen und blicktenangespannt zu ihm herüber. Groon lächelteverkrampft. Er wünschte, daß das Bloos endlichherauskäme, damit er die letzten sieben Schuß in denKörper des Raubtiers jagen konnte. Doch das schlaueBiest schien die Gefahr zu spüren, und es hätte mehrals einiger Steinwürfe bedurft, um es in blinden Zornzu versetzen.

Jetzt wünschte Groon, Yorgos wäre noch amLeben gewesen. Der Unterführer mochteunzuverlässig gewesen sein, doch feige war er niegewesen. Groon packte die Waffe mit einer Handund winkte mit der anderen den Soldaten zu. Er

beobachtete, wie sie sich berieten, und er konnte sichvorstellen, wie sie argumentierten, um ihre Feigheitvoreinander zu vertuschen.

Ich will nicht hier oben sterben, dachte Groon.Warum kommen sie nicht endlich? Und er winkteihnen abermals zu, bis sein Arm schwer wurde. Dochdie Soldaten blieben unentschlossen, ihre Furcht vordem Bloos schien die vor dem Hungertod noch zuübertreffen.

Ich muß etwas unternehmen, dachte Groon, abernoch während er dies dachte, war er sich seinerHilflosigkeit bewußt. Sein Atem ging keuchend,obwohl er sich jetzt nicht mehr anstrengte. Er hättegern gewußt, ob das Bloos unmittelbar neben demEingang lauerte oder weiter im Innern desFahrzeuges.

Als Groon wieder aufblickte, sah er, wie dieSoldaten aufstanden und in Richtung auf die Stadtdavongingen. Er riß die Waffe hoch, aber bevor erabdrückte, gewann er seine Fassung zurück. Sieließen ihn im Stich, Irgendwo in den Trümmernwürden sie nacheinander verhungern.

Groons langer Hals schob sich über das Dach.„Hallo, Bloos!“ rief er. „Jetzt sind wir beide allein.

Nur du und ich, und dieser Karabiner mit siebenSchuß. Wie gefällt dir das, Bloos?“ Das Bloos konnteseine Worte nicht verstehen, aber es würde aus demTon seiner Stimme heraushören, daß jemand in seinerNähe war, der es töten wollte.

Groon lächelte schwach, als er einen langen Fetzenvom Hosenbein abriß und mit seinem Feuerzeuganzündete. Der Lappen begann zu schwelen. Einestinkende Rauchfahne stieg von ihm hoch. Gronnbefestigte, ihn am Lauf des Karabiners und schob ihnüber das Dach.

„Vorwärts, Bloos!“ schrie Groon. „Kommheraus!“

*

Da war es wieder!Das schlurfende Geräusch hatte sich wiederholt.Gessink spannte sich. Was er die ganze Zeit schon

geahnt hatte, war nun Gewißheit: Jemand lag aufdem Dach seiner Höhle.

Die Steinwürfe der Soldaten hatten Gessink nichtreizen können, doch eine unmittelbare Bedrohungseiner Behausung war etwas völlig anderes. Im erstenMoment wollte Gessink hinausstürmen undblindlings um sich schlagen, doch dann blieb erzusammengekauert liegen. Sobald er seinenUnterschlupf verließ, lag sein empfindlicher Körperfrei vor jedem Angreifer. Es war etwas anderes, wenner nur seinen kräftigen Arm ausstreckte. In einemsolchen Fall gab es kaum einen Gegner, der ihnbezwingen konnte.

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Die Soldaten, die mit Steinen geworfen hatten,wagten sich nicht näher heran. Offenbar warteten sie,wie sich die Dinge entwickelten. Gessink konnte einegewisse Unruhe nicht verbergen. War es ein Soldat,der auf dem Dach lag, oder ein neuer Gegner, den ernoch nicht gesehen hatte?

Gessink war nicht klug genug, um zu bemerken,daß man ihn in eine Falle locken wollte. Nur seinInstinkt warnte ihn, jetzt die Höhle zu verlassen.Wieder bewegte sich das fremde Wesen auf demDach. Im Innern des Unterschlupfes hörte sich dasan, als kratze jemand an der Außenfläche. GessinksWut steigerte sich. Niemals zuvor hatte er sich einerderartigen Herausforderung gegenübergesehen. DasRaubtier in ihm versuchte ihn ins Freie zu drängen,während sein schwach entwickelter Verstand sichgegen jeden Stellungswechsel sträubte. Als das Blooswieder zu den Soldaten hinüberschaute, standen dieseauf und marschierten davon. Die kleinen AugenGessinks verfolgten jede Bewegung. Diese Feindehatten es offenbar aufgegeben, mit ihm zu kämpfen.

Der Gegner auf dem Dach jedoch blieb. Gessinkspürte ihn mit jeder Faser seines Körpers. Selbst dieLuft, die er einatmete, war vom Gestank des Wesensverpestet.

Da brach auf dem Dach Tumult los, GessinksArme zuckten in verhaltener Erregung.Unverständliche Töne erreichten das Gehör desBloos'. Gessink begriff, daß sein Gegner ihnherausforderte. War er so stark, daß er sich nicht zuverbergen brauchte?

Gessink nahm Kampfstellung ein. Sobald sich derUnbekannte zeigte, würden seine Arme aus demEingang schnellen und ihn zerschmettern. Plötzlichwitterte Gessink Brandgeruch. Er schniefte und zogden Kopf zwischen die Arme.

Ein Schatten senkte sich über den Eingang.Gessinks Arme wirbelten hinaus - und stießen insLeere. Eine graue Rauchwolke war alles, was nochzu sehen war. Vom Dach kam irrsinniges Gelächter.Gessink schrie vor Wut auf. Sein Gegner hatte ihnüberlistet. Ein letzter Rest von Selbstbeherrschungließ das Bloos auf seinem Platz verharren. SeineAugen glühten. Der Brandgeruch nahm an Intensitätzu.

Etwas fiel vom Dach herunter, unmittelbar vor denEingang von Gessinks Behausung. Funken stobenauf. Gessink wich zurück. Der Wind trieb Rauch zuihm herein. Einer seiner Arme schoß hinaus undfegte den brennenden Lappen davon. Gessinkschniefte und würgte. Jemand schien auf dem Dachherumzutrampeln, so stark war jetzt der Lärm.

Mehr und mehr verlor Gessink dieSelbstbeherrschung. Bald würde er aus seiner Höhlehervorbrechen, ein ovaler Körper mitkrallenbewehrten Armen und einem riesigen,

zähnestarrenden Maul.

*

Groon hielt den Karabiner schußbereitumklammert. So schnell war der Arm des Bloos'herausgeflogen, um den brennenden Uniformfetzenwegzuschleudern, daß Groon keine Zeit zu einerReaktion gehabt hatte.

Groon überlegte fieberhaft, wie er denWidersacher aus der Maschine locken konnte. Feuerschien dem Bloos nicht zu gefallen, doch Groonkonnte leicht seine Waffe verlieren, wenn er einzweitesmal den Trick mit dem Lappen versuchte.

Trotzdem riß er einen weiteren Fetzen von seinerHose ab und steckte ihn in Brand. Er wartete, bis sichdie schwelende Glut über den ganzen Lappenverteilte, dann warf er ihn über den Rand des Daches.Er wagte nicht, sich so weit vorzubeugen, daß er allessehen konnte, was sich am Eingang abspielte. Groonwar sich darüber im klaren, daß er das Raubtier baldstellen mußte, wenn er nicht vorher aus Schwächebewußtlos werden wollte. Inzwischen waren dieSoldaten im roten Dämmerlicht verschwunden. IhrZiel bildete zweifellos die Stadt. Groon glaubte, daßsie schon beim ersten Durchsuchen der Trümmersorgfältig vorgegangen waren, so daß die Männerkaum eine Chance hatten, etwas Eßbares zu finden.Bevor die Überlebenden aus Kraa verschwundenwaren, hatten sie alle Dinge zerstört, die denAngreifern nützlich sein konnten.

Eine Rauchfahne wehte über das Dach. Groonschluckte krampfhaft. Jeden Augenblick mußte dasBloos reagieren. Wenn das Tier herauskam, würde esäußerst gereizt und unberechenbar sein. Groonwußte, daß er so gut zielen mußte wie noch nie inseinem Leben. Er mußte alle sieben Schüsse imKörper des Untiers unterbringen, bevor das Bloosseinen Standort genau ausgemacht hatte.

5.

Die Hälfte des Treibstoffes war verbraucht, und siehatten die Stadt Kraa noch immer nicht gefunden.Rhodans Schätzung, daß sie insgesamt nicht mehr alsdreitausend Kilometer zurücklegen mußten, hattesich als falsch erwiesen. Für die fünf Flugzeuge, vondenen keines größer als eine irdische Hornisse war,schien es unmöglich zu sein, die Stadt zu entdecken.

Die Blicke von Captain Don Redhorse blieben aufdem Treibstoffanzeiger haften, als könnte er ihndadurch beeinflussen, nach oben anzusteigen.

Im Augenblick flog die Maschine des Cheyenne ander Spitze der Formation. Über Funk meldete sichPerry Rhodan.

„Es sieht so aus, als müßten wir den größten Teil

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der Rotetage durchfliegen, bevor wir die Stadtfinden“, sagte der Terraner. „Nun müssen wir unsüber die Treibstoffmenge Gedanken machen.“

„Die Frage ist“, antwortete Atlan von einemanderen OLDTIMER aus, „ob wir mit dem nochverbliebenen Treibstoff umkehren oder die Suchefortsetzen sollen.“

„Das war eine gute Formulierung“, gab Rhodanzu. „Leider haben wir nur zwischen diesen beidenMöglichkeiten zu wählen.“ Es entstand eine kurzePause, während der die einzelnen Besatzungenmiteinander berieten.

„Ich bin dafür, daß wir weiterfliegen“, sagteKasom zu Redhorse. „Wenn es uns nicht gelingt, dieANDROTEST III, die wahrscheinlich bald eintreffenwird, rechtzeitig, zu warnen, ist dieses Schiffebenfalls verloren.“

„Ich stimme ebenfalls für einen Weiterflug“, fügteCaptain Henderson hinzu. „Noch haben wir einegewisse Treibstoffreserve, denn der Rückflug wirduns auf geradem Wege zur Durchbruchstelle führen.“Wuriu Sengu, der Mutant, sagte mutlos. „Leider istmeine Psifähigkeit blockiert. Vielleicht hat Hawk mitseinem Okrill mehr Erfolg.“ Redhorse fragte sich imstillen, warum es den beiden Mausbibern bisher nochnicht gelungen war, die Mentalimpulse derEinwohner Kraas aufzuspüren. Gewiß, dieFähigkeiten der Mutanten waren fast erloschen, aberdie Impulse so vieler Wesen, die alle innerhalb einesbegrenzten Gebietes lebten, hätten sie unter allenUmständen auffangen müssen.

Der Captain begann sich Gedanken zu machen. Erteilte Rhodan mit, daß er und seine Mannschaftgeschlossen für einen Weiterflug eintraten. Von denübrigen OLDTIMERN erhielt Rhodan ähnlicheMeldungen.

„Ich habe mit dieser Entscheidung gerechnet“,gestand Rhodan. „Von Ihnen allen weiß ich, daß Siesich über die eventuelle Tragweite diesesEntschlusses im klaren sind.“ Redhorse glaubte zusehen, wie ein Lächeln Rhodans Gesicht überflog.„Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir dasTreibstoffmittel überschritten haben. Dann gibt es füruns kein Zurück mehr.“ Das, überlegte Redhorse, wareine zwar kurze, aber überaus deutliche Schilderungihrer Lage.

„Wir ändern jetzt unsere Flugformation“, ordneteRhodan an. „Es gilt zunächst einmal, unter allenUmständen die Stadt zu finden. Dazu werden wirfächerförmig fliegen. Sobald einer der Piloten Kraaentdeckt, ziehen wir uns wieder zusammen.“ DieFlugrichtungen der einzelnen OLDTIMER wurdenbestimmt. Mit leichtem Unbehagen verfolgteRedhorse, wie sich eine Maschine nach der anderenaus dem Verband löste und eine eigene Routeeinschlug. Die Flugzeuge sollten sich nur soweit

entfernen, daß direkter Funkkontakt noch möglichblieb.

An gewaltigen Felsdomen vorbei, rasten dieOLDTIMER über das felsige Land dahin. DerKunsthimmel war in rotes Licht getaucht. Irgendwohinter der hundert Kilometer dicken Kruste lebten dieGurus, die in der Lage waren, zextoeto sanistore, dengroßen Schnee, wie der Winter in Cheyenne hieß,allein durch paranormale Kräfte zu erzeugen.Redhorse erinnerte sich noch gut, wie sie die beidenShifts durch eine vereiste Landschaft gezogen hatten.Ungleich schwieriger mußte es sein, einen Shift zustarten, der im Verhältnis zu ihrer jetzigenKörpergröße zehn Kilometer lang war.

An Redhorses Seite beugte sich der ErtruserMelbar Kasom immer wieder nach vorn, umaufmerksam das Land zu beobachten.

„Man könnte glauben, Kraa sei vom Erdbodenverschluckt worden“, sagte er zu Henderson.

„Auf Horror ...“, Henderson verbesserte sich rasch,„innerhalb Horros ist alles möglich.“ Redhorseertappte sich dabei, daß er immer wieder auf denTreibstoffanzeiger blickte. Mit jedem Kilometer, densie zurücklegten, verringerten sich ihre Aussichten,den Rückflug ebenfalls mit den OLDTIMERNdurchzuführen.

„Glauben Sie, daß wir die Stadt jemals findenwerden, Sir?“ fragte Lope Losar nach einiger Zeit.Das Gesicht des Waffenmeisters war blaß undausgezehrt, die typischen Spuren eines geradeüberstanden Horror-Kollers.

„Es sieht nicht so aus, als wollte der Chef vorheraufgeben“, erwiderte Redhorse.

Kasoms dicker Zeigefinger berührte dieAnzeigesäule für die noch vorhandeneTreibstoffmenge.

„Jetzt wäre ungefähr der Zeitpunkt gekommen, dawir umkehren müßten, wenn wir Aussichten habenwollen, die Sandkuchenberge zu erreichen“, sagte ergedehnt.

Fast im gleichen Augenblick ertönte RhodansStimme im kleinen Lautsprecher desNormalfunkgerätes.

„Soeben haben wir die Treibstoffgrenzeüberschritten“, sagte Rhodan. „Die Suche wirdfortgesetzt.“ Henderson und Redhorse blickten sichschweigend in die Augen. Captain Redhorse führtedie Fingerspitzen seiner linken Hand gegen die Stirn,das uralte Zeichen seines Volkes, um tiefen Respektauszudrücken.

„Enitoene!“ sagte er rau. „Ich ehre ihn.“

*

Bizarre Felsformationen bestimmten dasLandschaftsbild. Die Umgebung wirkte weniger

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vertraut als am Anfang des Fluges innerhalb derzweiten Ebene. Vielleicht lag das daran, daß diewinzigen Männer die Rotetage jetzt aus einer anderenPerspektive sahen. Im Gegensatz zur Landschaft aufder Oberfläche Horrors hatte sich hier nichtsverändert. Für die Besatzungen der fünf OLDTIMERentstand der Eindruck, in einem roten Universumdahinzugleiten, das nie enden würde. DieseOberfläche, in diesem Falle nichts anderes als dieRückseite des Kunsthimmels der dritten Etage,wölbte sich scheinbar wie eine gigantische Schaledem Horizont entgegen.

Zwei kleinere Städte hatten die Piloten bisherentdeckt, doch von Kraa fanden sie keine Spur. SooftWuriu Sengu seinen paranormalen Blick aucheinsetzte, sooft Gucky und Gecko mit ihrentelepathischen Sinnen lauschten, sooft Hawks Okrillnach Spuren suchte - nie gab es eine Erfolgsmeldung.

Redhorse schätzte, daß sie inzwischen achttausendKilometer zurückgelegt hatten. An Bord derMaschine war es still geworden. Jeder einzelnewußte, daß sie dazu verdammt waren, für immerinnerhalb der Rotetage zu bleiben, wenn es ihnennicht gelang, die Absturzstelle der C-11 und damitauch die Shifts zu finden.

In der von Redhorse gesteuerten Maschine begannsich der Ertruser Melbar Kasom damit zubeschäftigen, die von Tolot und ihm konstruiertenFlaschenzüge einsatzfertig zu machen, als stünde dieEntdeckung der Shifts kurz bevor. Redhorsebewunderte die Art, wie die beiden Riesen mitprimitiven Mitteln diese Werkzeuge hergestellthatten. Er hoffte, daß - wenn sie jemals einen Shiftfanden - sich die Geräte nutzbringend verwendenließen.

Als sie die Stadt Kraa entdeckten, wurde ihnen miteinem Schlag klar, warum die Versuche derMutanten bisher gescheitert waren: Kraa breitete sichals riesiger Trümmerhaufen vor ihnen aus.

„Alle Maschinen zu Formationsflug aufschließen!“hallte Rhodans Stimme im Lautsprecher wider. „Dortunten liegt Kraa, oder das, was von der Stadt derSchnorchel noch übrig ist.“ Redhorses scharfenBlicken entging nicht, daß es in manchen Teilen derStadt noch brannte. Die Zerstörung schien also nochnicht lange zurückzuliegen.

„Glaubst du wirklich, daß das Kraa ist?“erkundigte sich Atlan über Funk bei seinemterranischen Freund.

„Ich bin völlig sicher“, antwortete Rhodan. „Jetztmüssen wir nur noch die Absturzstelle derKaulquappe finden. Captain Redhorse, sind Sie in derLage, uns die ungefähre Position anzugeben, wo sichdas Wrack befinden muß?“ Redhorse überlegte einenAugenblick. Das Land unter ihnen kam ihmverändert vor, die Stadt erschien ihm größer als ein

ganzer Kontinent.„Denken Sie an die veränderten

Größenverhältnisse“, klang Rhodans Stimme wiederauf, der zu ahnen schien, was den Offizier bedrückte.

„Natürlich, Sir“, sagte Redhorse. „Dennoch ist esschwer, sich neu zu orientieren.“ Redhorse spürte,wie vierundzwanzig Männer darauf warteten, daß ereinen Anhaltspunkt entdeckte. Er beugte sich weitvor, während die OLDTIMER mit verringerterGeschwindigkeit über die zerstörte Stadthinwegjagten.

„Alles ist fremd, Sir“, sagte der Chef desLandungskommandos zögernd.

„Darüber bin ich mir im klaren, Redhorse“, sagteRhodan geduldig. „Versuchen Sie irgend etwas zuentdecken, woran Sie sich orientieren können.“

Der Cheyenne beobachteten aufmerksam dasLand. Er erinnerte sich, daß ihm damals eine spitzeFelsnadel, die die Form einer Öse hatte, besondersaufgefallen war.

Doch dieses Gebilde würde seinen Augen jetzt umdas Tausendfache vergrößert erscheinen.

„An alle Piloten!“ sprach Redhorse in dasMikrophon. „Suchen Sie nach einem ringförmigenFelsgebilde.“ Er beschrieb, wie diese Felsformationungefähr aussehen mußte. Etwas hilflos fügte erabschließend zu: „Natürlich weiß ich nicht, wie esuns jetzt erscheint.“ Bevor jemand den Felsenringentdeckte, meldete sich Leutnant Omar Hawk überFunk.

„Ich glaube, Sherlock hat eine Spur des Wracksgefunden“, gab er bekannt.

Die Okrills waren Super-Spürer. Sie konnten selbstSpuren längst vergangener Ereignisse ausfindigmachen und übertrafen mit ihrer außergewöhnlichenFähigkeit jeden Infra-Detektor. Allerdings war dazuein Mann nötig, der sich mit einem Okrillverständigen konnte, und dieser Mann - der einzigeinnerhalb des Solaren Imperiums - hieß Omar Hawk,Umweltangepaßter von Oxtorne, Leutnant desGalaktischen Spezialpatrouillenkorps.

Sofort schaltete sich Redhorse ein.„Vom Wrack kann nichts mehr übrig sein“, sagte

er knapp. „Soweit ich mich erinnere, verglühte esunmittelbar nach dem Aufschlag.“

„Das genügt für Sherlock“, Hawk lachte kaumhörbar. „Der Bursche findet die Infrarotspur einer seitzehn Jahren toten Meeresschnecke auf dem Grundeines Riesenozeans.“ Die fünf Maschinen rasten aufdie von Sherlock ermittelte Stelle zu.

„Nun, Captain?“ fragte Rhodan gelassen. „Wiesieht es jetzt aus?“

„Immer gleich, Sir.“ Unwillkürlich verfielRedhorse in die gutturale Sprechweise seinerStammvater. „Ich kann nur hoffen, daß HawksRiesenfrosch sich nicht getäuscht hat.“ Da sah er

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einen schwarzgebrannten Fleck weit unter derMaschine vorbeihuschen.

„Mohetto!“ rief er. „Das ist die Aufschlagstelle,Sir.“

„Ausschwärmen!“ befahl Rhodan sofort. „DieSuche nach den Shifts kann beginnen.“

„Vergiß die Stadt nicht!“ mahnte Atlan. „Sie mußvon jemand zerstört worden sein, der unterUmständen auch für uns eine Gefahr bedeuten kann.“

„Niemand kümmert sich um Insekten“, piepsteGucky großsprecherisch dazwischen.

„Hoffentlich hast du recht, Kleiner“, meinte derArkonide nachdenklich.

Die OLDTIMER schossen in alle Richtungendavon. Redhorse beobachtete den Masseanzeiger.Wenn es dort unten noch Raupenfahrzeuge gab,mußte das Gerät früher oder später ausschlagen.

Unruhig strich Redhorse über sein blauschwarzesHaar. Irgend etwas ließ ihn nervös werden, eineunbestimmte Vorahnung, die sich nicht erklären ließ.

„Es sieht so aus, als hätten wir Gluck“, bemerkteSven Henderson.

Sie flogen über einige zerstörte Häuser amRandgebiet der Stadt. Jedes der ausgebranntenGebäude besaß für die Mikromenschen die Ausmaßeeiner Stadt. Kraa selbst bildete eine unermeßlicheFläche rauchender Trümmer, die sich bis zumHorizont zu erstrecken schien. Beinahe ruckartig rißRedhorse die F-913 G herum und jagte sie aufoffenes Land hinaus. Hier wurde derGrößenunterschied nicht so deutlich.

Plötzlich schlug der Massetaster aus. Blitzschnelllas Redhorse die angezeigten Werte ab und änderteden Kurs abermals.

Da klang Rhodans Stimme auf: „Wir haben einenShift hier oben in den Hügeln entdeckt. AlleMaschinen sammeln sich hier.“

„Achtung, Sir!“ rief Redhorse. „Wir habenebenfalls einen Panzer gefunden. Er liegt hier untenin der Ebene. Was sollen wir tun?“

„Landen Sie mit Ihrer Maschine, und versuchenSie in den Shift einzudringen. Stellen Sie fest, ob ernoch flugfähig ist. Inzwischen kümmern wir uns umdas Allzweckfahrzeug hier oben in den Bergen.“

„In Ordnung, Sir“, gab Redhorse zurück.Er verringerte die Geschwindigkeit, während drei

Flugzeuge hinter Rhodans Maschine herrasten.Redhorse erkannte, daß der Chef zunächst einmalversuchen wollte, den Shift sicherzustellen, der inden Bergen gelandet war. Es war für den Cheyenneleicht, Rhodans Vorliebe für den weiter von der Stadtentfernten Shift richtig zu deuten. Je weiter sich dieMänner von Kraa entfernten, desto sicherer waren sievor eventuellen Angreifern. Trotzdem wollte Rhodanden Panzer in der Ebene nicht vorzeitig aufgeben.

„Wir werden uns bemühen, den Shift zu starten“,

fuhr Rhodan fort. „Inspizieren Sie inzwischen denzweiten Panzer, Captain. Vielleicht gelingt es Ihnen,mit Kasoms Ausrüstung die Triebwerke in Gang zubringen. Außerdem können Sie versuchen, einigeGeräte von der Notausrüstung des Shifts zuverwenden.“

„Ich werde Sie laufend unterrichten, Sir“,versicherte Redhorse.

„Ich sehe den Wagen!“ schrie Lope Losardazwischen.

Redhorses Blicke folgten dem ausgestreckten Armdes Waffenmeisters. Im ersten Augenblick erschraker, als er das zehn Kilometer lange und vierKilometer breite Ungetüm unter dem OLDTIMERliegen sah. So sah es also aus, wenn sichMikromenschen einem zehn Meter langen Fahrzeugnäherten.

Da sagte Henderson alarmiert: „Um Himmelswillen, Don! Da liegt etwas auf dem Dach!“

*

Nebeneinander gingen die vier OLDTIMER aufder heckseitigen Ladefläche des Shifts nieder. Deroffene Laderaum wurde dazu benutzt, eineNotausrüstung mitzuführen, die verunglücktenRaumfahrern wertvolle Dienste leisten konnte. DieShifts waren Allzweckfahrzeuge, die auch inNotlagen eingesetzt wurden.

Perry Rhodan schaute einen Augenblickschweigend auf die Rückfront des Shifts. Er konntesich vorstellen, welche seelische Belastung derAnblick des Panzers für die Männer bedeutete. Hierwurde ihnen in voller Härte gezeigt, wie sehr sie sichverkleinert hatten.

Der hagere Terraner biß die Zähne aufeinander.„Aussteigen!“ rief er barsch.Sie trafen sich vor den Flugzeugen. Nur Omar

Hawk stand etwas abseits. Sein Okrill bewegte sichunruhig. Die beiden Mausbiber gesellten sich zuRhodan. Tolots mächtige Gestalt erschien nebenAtlan.

Rhodan blickte Gucky an.„Los, Kleiner! Mach einen Versuch!“ Alle sahen,

wie der Mausbiber sich konzentrierte, um einenTeleportersprung auszuführen. Sekunden spätersenkte der sonst so gesprächige Gucky schweigendden Kopf. Jeder verstand die Geste. Noch immerwaren die paranormalen Kräfte infolge derVerdichtung blockiert.

Rhodan hob einen Arm.„Wir steigen durch den Ventilationsschacht ins

Innere.“ Er nickte dem Zweiten Offizier der CRESTII zu. „Kehren Sie in ein Flugzeug zurück, MajorSedenko. Bleiben Sie mit Redhorse inFunkverbindung.“ Der schweigsame Offizier

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salutierte und zog sich zurück. Durch nichts zeigte erseinen Ärger, daß er praktisch zur Untätigkeitverurteilt wurde.

Rhodan bat Icho Tolot, den Ventilationsschacht zusuchen. Der Haluter kam von ihnen allen amschnellsten voran. Tolot überquerte die Ladefläche.Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis erzurückkam. Inzwischen hatten dieZurückgebliebenen die Geräte inspiziert, die sie aufder Ladefläche gefunden hatten. Der größte Teil warviel zu groß, um von ihnen benutzt zu werden.

„Wir können den Ventilationsschacht nur schwererreichen“, berichtete Tolot nach seiner Rückkehr.„Vor allem wird es schwer sein, die Flaschenzüge aufdiesem Weg in den Shift zu bringen. Ich schlagedeshalb vor, daß wir die Abluftöffnung benutzen. Sieliegt nicht nur näher, sondern ist auch leichterzugänglich.“ Rhodan wußte, daß er sich auf dasUrteil des Haluters verlassen konnte. Die von Tolotund Kasom konstruierten Geräte wurden unter denMännern aufgeteilt. Hawk und sein Okrill blieben alsWächter auf der Ladefläche zurück.

Tolot ging voraus, dann folgten die beidenMausbiber und die übrigen Männer. Den Abschlußbildeten Rhodan und sein arkonidischer Freund.Atlan hatte eine Kette über den Schultern hängen,Rhodan trug zwei Laufräder.

„Alles kommt einmal wieder“, bemerkte Atlanspöttisch. „Ich erinnere mich, daß die alten Ägypterauf noch viel primitivere Weise wesentlichschwierigere Probleme lösten.“

„Vielleicht“, gab Rhodan ebenso spöttisch zurück,„warst du jener geheimnisvolle Sonnengott, derangeblich immer wieder helfend eingriff.“ Atlanwurde ernst. „Ich glaube, daß ich schon so vieleRollen gespielt habe, daß alles nur eineWiederholung für mich bedeutet.“

„Immerhin findet diese Wiederholung unter einervöllig neuen Perspektive statt; vom Standpunkt einesMikromenschen aus“, sagte Rhodan.

„Wäre ich eine philosophische Natur, würde ichjetzt einwenden, daß die Größe schließlichgleichgültig ist, wenn sich die Umwelt ständigverändert“, antwortete der Lordadmiral der USO. DieKette, die er über der Schulter trug, rasselte leicht, alser sich zu Rhodan umwandte.

Mit Atlan zu diskutieren, glich dem Versuch,gegen die Weisheit und Erfahrung von zehnJahrtausenden anzugehen. Es gab kein Argument, dasder Arkonide nicht entkräften konnte, und wenn er esmit Logik nicht schaffte, zwang er seineGesprächspartner auf metaphysisches Gebiet.

Rhodan zog ein Nahrungskonzentrat aus derTasche und schob es in den Mund.

Jetzt lächelte Atlan offen. „Dein Appetit scheintden Verkleinerungsprozeß gut überstanden zu

“ Inzwischen hatte Icho Tolot die Abluftöffnungerreicht und wartete, bis alle anderen neben ihmangekommen waren. Er war gerade dabei, ein langesSeil mit einem Ende an einem Flaschenzug zuverknoten, als Rhodan und Atlan neben demLuftschacht auftauchten.

Der Haluter arbeitete unglaublich schnell. Erbefestigte das andere Ende des Seiles am Gitter überdem Schacht. Dann stieß er den Flaschenzug in dieTiefe. Das Seil straffte sich.

Rhodan hielt sich am Gitter fest und beugte sichvorsichtig über die Öffnung.

„Leider ist nichts zu sehen“, bemerkte Tolot. „Ichwerde mich jetzt hinablassen und den Flaschenzuglosbinden. Dann können Sie das Seil heraufziehenund mir nacheinander alle Geräte hinabschicken.“Noch während er sprach, zwängte sich der Gigantbereits durch das Gitter.

„Wenn ich dreimal am Seil ziehe, wissen Sie, daßalles in Ordnung ist“, sagte er.

„Und wenn du nicht ziehst?“ erkundigte sichGucky.

„Dann kommst du hinterher und rettest mich“,schlug Tolot vor. Er ergriff den dicken Strick. EinenAugenblick pendelte er über der Öffnung hin undher, dann verschwand er in der Dunkelheit desSchachtes. Rhodan, der das Seil festhielt, mußte nichtlange warten, bis das verabredete Signal erfolgte.Zwanzig Minuten später hatten sie alle Apparate inden Shift eingeschleust. Nun folgten die Männer.

Rhodan kletterte durch völlige Dunkelheit, und erwar froh, als er endlich festen Boden unter den Füßenspürte.

Unmittelbar neben ihm sagte Icho Tolot: „Ichkomme hier gut zurecht, doch für Sie alle wird esbesser sein, wenn wir uns zunächst darum kümmern,daß es hier hell wird.“ Der Schalter für dieNotbeleuchtung war zwanzig Millimeter lang,erinnerte sich Rhodan. Für zwei Millimeter großeWesen war das eine ganze Menge. Vor allem dann,wenn es galt, diesen Schalter um neunzig Grad nachunten zu schieben.

Rhodan hatte Gecko am Einstieg des Schachtszurückgelassen, damit der Mausbiber Omar Hawkbenachrichtigen konnte, sobald dies notwendigwurde. Gucky war ebenfalls mit in den Shiftgeklettert.

Tolot, der sich mit seinen infrarotempfindlichenAugen ohne Schwierigkeiten orientieren konnte,führte die kleine Gruppe zum Hauptschalter für dieNotbeleuchtung.

„Wie sieht es hier aus?“ wollte Rhodan wissen.„Gibt es Spuren, die auf die Anwesenheit fremderWesen hindeuten?“ Tolot verneinte. „Es scheint so,als habe niemand den Panzer betreten, seit er hierliegt.“ Der Marsch bis zum Hauptschalter der

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Notbeleuchtung hatte über eine halbe Stundebeansprucht. Rhodan hatte darauf bestanden, daß alleGeräte ständig mitgeführt wurden. Dadurch wollte erZeit gewinnen.

Als sie unterhalb des Kommandostandes ankamen,hatte Tolot eine schlechte Nachricht für sie bereit, aufdie Rhodan bereits gewartet hatte.

„Der Schalter liegt für unsere Begriffe etwa einenKilometer über uns“, erklärte der Haluter. „Hatjemand einen Vorschlag, wie wir ihn erreichenkönnen?“ Diese Frage dämpfte die Zuversicht derMänner erheblich.

„Ich werde es telekinetisch versuchen“, erbot sichGucky. Als er nur Sekunden später aufstöhnte,wußten sie, daß er gescheitert war. „Die Schaltung istnoch zu schwer für mich“, gestand er ein. „Ich willjedoch nichts unversucht lassen, ein Seil über denSchaltknopf zu legen.“ Gespenstische Geräuschekamen aus der Dunkelheit.

Dann sagte Tolot in die Stille hinein: „Gut,Kleiner!“ Rhodan wußte, daß nun ein tausend Meterlanger Strick zu ihnen herunterhing. Gemeinsam mitvier anderen Männern befestigte Tolot das Ende desSeils am Haken eines Flaschenzuges, den er in einerBodenplatte einhakte. Fünf kräftige Männerstemmten sich gegen den Zughebel des einfachenGerätes. Die Kette knirschte, als sie über das Laufradglitt. Das Seil spannte sich. Rhodan tastete sich biszum Hebel und griff ebenfalls mit zu. Es gelangihnen, den Hebel dreimal einzurasten, dann reichtenihre Kräfte nicht mehr aus.

„So geht es nicht“, stellte Tolot fest. „Ich werdebis zum Schalter hinaufklettern und michdagegenstemmen. Gleichzeitig müssen einigeMänner den Flaschenzug betätigen.“

„Glauben Sie, daß Sie den Schalter erreichenkönnen?“ fragte Atlan.

Tolot erwiderte gelassen: „Natürlich kann ich das.“Rhodan preßte die Lippen aufeinander. Sie waren wieMücken, die in einem Zimmer gefangen waren undvergeblich versuchten, einen Ausweg zu finden. Wiesollten sie Schaltungen vornehmen, wenn die Hebel,die sie betätigen sollten, zwei- bis dreimal so großwaren wie sie selbst? Dabei konnten sie noch frohsein, daß die Schalter aus leichtem Plastikmaterialgefertigt waren.

Tolot benötigte eine Viertelstunde, um bis zumSchalter vorzudringen. Das war auch für einenHaluter eine Energieleistung. Seine Stimme kam wieaus weiter Ferne, als er zu den Wartendenherunterrief, daß er bereit sei.

Rhodan verteilte zu beiden Seiten desFlaschenzuges je drei Männer. Er gab dieKommandos. Mit aller Kraft stemmten sich dieMänner gegen den Hebel. Das Quietschen der Ketteübertönte das angestrengte Atmen der Raumfahrer.

Es gelang ihnen, den Hebel sechsmal einzurasten.Das Seil glich einer gespannten Stahlfeder.

„Der Schalter gibt nach!“ schrie Tolot.Sie hörten, wie die für einen normalen Menschen

winzige Schaltung nach unten kippte. Gleich daraufstieß Tolot einen gellenden Warnschrei aus. Rhodanahnte, was jetzt bevorstand.

„Weg von hier!“ rief er den Männern zu.Sie stürmten in alle Richtungen davon. Tolot, der

auf dem glatten Hebel ausgerutscht war, als dieserdem Zug des Seiles und dem Druck seiner Beinenachgegeben hatte, stürzte wie ein Geschoß demBoden entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde änderteder Haluter die atomare Struktur seines Körpers. Alser aufprallte, war er zu einer Stahlkugel geworden,noch härter als der Boden. Sofort war er wieder aufden Beinen. Die flüchtenden Menschen hatten dieErschütterung gespürt, als Tolot aufgeschlagen war.

Der Kommandoraum des Shifts wurde jetztgleichmäßig erhellt.

Als Rhodan stehenblieb und sich umblickte, hatteer den Eindruck, innerhalb eines riesigen Domes zustehen. Weit über ihnen wölbte sich das Dach desRaupenfahrzeuges. Der Kommandosessel erschiendem Terraner wie ein gewaltiges Bauwerk. DerPlastikboden, der einem Menschen von normalerGröße vollkommen glatt und fugenlos erschienenwäre, entpuppte sich als ein Netzwerk voller Risseund Poren, Staubflocken und Schmutzteilchenwurden zu mächtigen Hindernissen.

Rhodan war dankbar, als Icho Tolot in seinBlickfeld geriet und ihm zuwinkte. Einen Augenblicklang hatte er fassungslos und erschüttert dieOhnmacht eines Mikrowesens gespürt.

Sie versammelten sich unter der Kontrollanlage.Stolz sagte Tolot: „Jetzt können wir uns auch an

den Hauptschalter des Atomreaktors heranwagen.“Das Gewirr der Hebel und Schaltungen hoch überihren Köpfen glich einem undurchdringlichenDschungel. Jeder Hebel besaß die Dimensionen eineskleineren Baumes. Der größte von allen war derSchalter für den Reaktor. Ihn mußten sie innerhalbseiner Arretierung um über hundert Gradverschieben. Nicht nur das, sie mußten gleichzeitigeine genaue Justierung vornehmen und alleSchalthebel in die richtige Lage bringen. DieAntigravfelder mußten in Betrieb genommen werden,denn es war unter den erschwertenSteuerbedingungen zu riskant, sich beim Start auf dieTriebwerke allein zu verlassen.

Im Vergleich dazu erschien das Einschalten derNotbeleuchtung völlig unkompliziert und kindlicheinfach.

*

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Der erste Impuls von Captain Don Redhorse,sofort Perry Rhodan zu benachrichtigen, mochtezwar richtig sein, doch als der Schock vorüber war,schüttelte der Cheyenne stumm den Kopf, als er sah,wie Henderson sich über die Funkanlage beugte.

„Immer mit der Ruhe, Sven“, meinte er. „Wennwir jetzt den Chef alarmieren, halten wir ihn davonab, den anderen Shift startklar zu machen. ImAugenblick besteht für uns keine Gefahr. Ich schlagedeshalb vor, daß wir uns hier erst einmal umsehen,bevor wir eine Nachricht abgeben.“ DieseEntscheidung war genau nach dem Geschmack vonMelbar Kasom. Er gab ein zustimmendes Knurrenvon sich. Auch Losar nickte, und Wuriu Sengu bliebapathisch. Henderson wirkte skeptisch, doch erbrachte keinen Einwand hervor.

„Der Bursche auf dem Dach ist ein Eskie“, stellteRedhorse fest. „Ein Schnorchel“, fügte er hinzu undnannte damit den endgültigen Namen, den man fürdie Angehörigen dieser Rasse gefunden hatte. „Er hateine Waffe bei sich und sieht ziemlich mitgenommenaus.“ Sengu sagte ruhig: „Ich sehe, daß sich innerhalbdes Shifts noch zwei Wesen aufhalten. Eines ist tot.Das zweite Wesen jedoch lebt.“ Sengus Gesichtverzog sich vor Anstrengung. „Es sieht so aus, alshätte ein Kampf stattgefunden.“

„Vor dem Shift liegt noch ein toter Schnorchel“,stellte Losar fest.

„Was ist das für ein Wesen innerhalb desPanzers?“ fragte Redhorse.

„Komisches Ding“, erklärte Sengu in seinerknappen Art. „Sieht aus wie eine Riesenspinne. VieleArme oder Beine, die um einen ovalen Körpergruppiert sind.“ Redhorse fragte: „Denken Sie, daß esintelligent ist?“

„Schwer zu sagen. Ich glaube kaum.“„Wir sollten doch besser Rhodan benachrichtigen“,

warf Henderson unruhig ein.„Noch nicht“, entschied Redhorse. „Ich will genau

wissen, was sich da unten abspielt.“ In einer weitenSchleife kehrte der OLDTIMER über den Shiftzurück. Redhorse ließ die Maschine tiefer sinken. Erkonnte jetzt sehen, daß vor der Schleuse desAllzweckfahrzeuges einige Uniformfetzen schwelten.Die F-913 G schoß wieder davon. Melbar Kasomentdeckte den toten Yorgos, der nicht weit von demShift entfernt am Boden lag.

„Noch ein Toter“, stellte er fest. „Das Wesen, dassich in unserem Panzer eingenistet hat, scheint nichtgerade friedfertig zu sein.“

„Vor allem ist es gefährlich“, sagte Hendersonbedeutungsvoll. Er konnte seine Nervosität nichtlänger verbergen. Er hielt es für unverantwortlich,daß sie Rhodan noch nicht verständigt hatten.

Im Augenblick sah sich Redhorse überfordert. Erkonnte sich kein Urteil darüber bilden, was in der

Nähe des Shifts geschehen war oder noch geschah.Die Tatsache allein, daß das Wesen im Shift mehrereSchnorchel getötet hatte, sprach noch nicht dafür, daßes ein Gegner sein mußte. Man konnte es zum Tötengezwungen haben. Redhorse ahnte, daß dort untenein Kampf um den Allzweckpanzer im Gang war.Das bedeutete, daß sie der dritte Bewerber waren, dersich für den Shift interessierte.

Rhodans Befehl lautete, daß sie versuchen sollten,in den Shift einzudringen. Redhorse fühlte einschwaches Prickeln im Nacken. Die Gefahr dortunten reizte ihn, aber im Augenblick trug er nicht nurdie Verantwortung für sich allein. Der Cheyenneunterdrückte vorläufig den Wunsch, den Shiftanzufliegen.

„Der Kerl auf dem Dach wartet offenbar darauf,daß der Bewohner unseres Fahrzeugesherauskommt“, vermutete Losar.

„Das gefällt mir alles nicht“, knurrte Hendersonzornig. Rangmäßig stand er mit Don Redhorsegleich, aber Kasom bildete die größte Autoritätinnerhalb des OLDTIMERS, und er schienRedhorses Pläne zu unterstützen.

Sengu rief: „Das Ding im Shift bewegt sich!“Angespannt blickten die Männer in die Tiefe, doch esblieb weiterhin alles ruhig. Die F-913 G durchflogeine Rauchwolke, die von den brennendenUniformteilen aufstieg.

„Kommt es heraus?“ fragte Redhorse.Sengu biß sich unschlüssig auf die Unterlippe. „Es

ist schwer, sein Verhalten richtig zu deuten.Vielleicht besitzt es doch geringe Intelligenz undweiß, was es erwartet.“

„Solange es da drinnen ist, können wir nichthinein“, gab Losar zu bedenken. „Es kann uns nurrecht sein, wenn der Schnorchel es im Freienerschießt.“

„Dadurch gewinnen wir nichts“, erwiderteRedhorse. „Der Schnorchel wird in den Shift gehen,sobald er Gelegenheit dazu bekommt. Dessen bin ichsicher.“

„Vielleicht bringen sie sich gegenseitig um“,meinte Kasom gelassen.

Redhorse gab sich einen Ruck. Es widerstrebteihm, hier oben herumzufliegen und darauf zu warten,daß die beiden Gegner übereinander herfielen. DerKampf fand in einem Fahrzeug statt, das zur CRESTII gehörte. Es wurde von der Besatzung desFlaggschiffes dringend benötigt. Redhorse entschloßsich, ebenfalls Besitzansprüche geltend zu machen.

6.

Der Reiz, den die schwelende Glut derUniformfetzen auf Gessinks empfindlicheGeruchsnerven ausübte, wurde immer unerträglicher.

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Page 21: Aufbruch der Oldtimer

Mit jedem Schniefen begann der Körper des Bloos'heftiger zu vibrieren. Gessinks Arme trommelten aufden harten Boden. Das große Maul des Raubtieresschnappte auf und zu. Mit jedem Augenblick, derverstrich, verlor Gessink mehr die Übersicht. Derdumpfe Haß, den er auf den Gegner empfand,steigerte seinen Willen zum Kampf.

Was Gessink noch zurückhielt, waren Furcht unddie Ungewißheit darüber, was ihn außerhalb dersicheren Höhle erwartete. Jener Teil seineskümmerlichen Verstandes, der auch jetzt nocharbeitete, warnte nachdrücklich vor einem Verlassender Behausung. Das Bild, wie sein ungeschützterKörper von mehreren Schüssen durchbohrt wurde,entstand als drohende Vision in Gessinks Gedanken.

Vielleicht hätte Gessink nie den Shift verlassen,wenn nicht äußere Einflüsse eine Entscheidungherbeigeführt hätten. Das unbedeutende Ereignis, daßder Wind sich drehte, gab den Ausschlag. Eineübelriechende Wolke wurde direkt zu Gessinkhereingeweht. Er erstickte fast vor Ekel und Zorn.Seine Arme trommelten heftiger auf den Boden.Seine Augen sonderten grüne Tränen ab.

Wie eine riesige Stahlfeder schnellte das Bloos ausder Schleuse.

Groon fühlte die Kälte von den Füßen aus inseinem Körper hochkriechen. Mit letzter Kraftversuchte er die Beine zu bewegen, doch alles, was ernoch zustande brachte, glich einem unkontrolliertenZucken. Der Absterbungsprozeß begann einzusetzen.Gelähmt vor Entsetzen lag Groon da. Er hatte nichterwartet, daß es so früh beginnen würde, und jetztgab es keine medizinische Hilfe für ihn. Er konntenur noch gerettet werden, wenn er auf demschnellsten Wege etwas zum Essen bekam.

Groon fuhr den Kopf aus und blickte an sichherunter. Seine Füße sahen höchst lebendig aus,obwohl er sie nicht mehr spüren konnte. Wenn erjetzt den Versuch unternommen hätte, sichaufzurichten, wäre er einfach eingeknickt undzusammengebrochen.

Ich habe immer noch meine Arme, dachte ertrotzig, aber es war ein bitterer Trotz, der schonetwas von jener sinnlosen Hartnäckigkeit in sich trug,mit der sich Sterbende ans Leben klammern. So lagGroon auf dem Dach des Shifts. Er spürte keinenHunger mehr, aber er war ein sehr einsamer Soldat ineiner zerrissenen Uniform und einem unklarenSchmerz in seiner Gefühlszone. Einst hatte er eineArmee angeführt, und auch seine Gegner hatten ihmzugestanden, daß er einer der ganz wenigen großenStrategen seiner Stadt war. Doch seine Armee war ineinem sinnlosen Kampf vor den Toren der Stadt Kraazugrundegegangen.

Etwas flog mit scharfem Summen über Groonhinweg. Irritiert blinzelte er mit den Augen. Er sah

einen kaum wahrnehmbaren Gegenstand über sichhinweghuschen. Groon befürchtete, daß er bereits anSehschwäche litte, und er wünschte, daß das Bloosendlich herauskäme.

Er stützte sich auf seine Arme.„Ich bin immer noch hier, Bloos!“ krächzte er. Er

wunderte sich, wie schwach seine Stimme klang undwie müde. Sie war viel zu leise, als daß das Bloos siehören konnte.

Einen Augenblick schloß Groon die Augen.Als er sie, gewarnt durch ein pfeifendes Geräusch,

wieder aufriß, war das Bloos da. Wie von einerSehne geschnellt, schoß es aus seiner Höhle.

Groon hörte auf zu atmen, als er drei Schüssehintereinander aus dem Karabiner jagte. Er fehltedreimal, und das Bloos warf sich herum, mit weitaufgerissenem Rachen, so daß Groon in schrecklicherDeutlichkeit die beiden Reihen gelber Zähneerkennen konnte. Die Sicherheit und Ruhe, mit derGroon jetzt schoß, war bewundernswert, doch für diegeballte Masse aus Armen und Zähnen war er viel zulangsam.

Groon gab noch einen Schuß ab, dann fegte einbrauner Arm auf ihn zu und drückte ihm fast denBrustkorb ein. Er geriet ins Rutschen. Das Dach botkeine Möglichkeit zum Festklammern, und Groonsank rückwärts herunter. Er schlug schwer auf dieseitliche Raupenverkleidung und brach sich einenArm. Trotzdem hielt er den Karabiner fest.

Das Bloos tobte um den Shift herum, unter derWucht seiner Arme wirbelten kleinere Felsbrockenwie Konfetti in die Höhe. Eine Staubwolke bliebhinter dem rasenden Untier zurück.

Mit dem gesunden Arm schwenkte Groon denKarabiner herum. Er sah nichts mehr außerverschwommenen Schatten, und alles, was er indiesem Moment hören konnte, war dasheranstürmende Bloos.

„Hierher, Bloos!“ schrie Groon mit versagenderStimme.

Ein Schatten senkte sich über ihn. Groon schoßzweimal, dann trennte ein einziger Prankenhieb desRaubtiers ihm den Kopf ab. Polternd fiel derKarabiner mit der letzten Patrone auf den Boden.Groon verschwand unter dem Körper des Untiers.

So schnell, wie die sinnlose Wut ihn überfallenhatte, so schnell wurde Gessink wieder nüchtern. Erpackte den Körper des getöteten Feindes und zerrteihn mit um seine Behausung herum. Vor demEingang legte er den Leichnam nieder.

Als Gessink wieder aufblickte, kam einungläubiges Knurren aus seinem Maul.

Der Eingang, durch den er seine Höhle verlassenhatte, war jetzt verschlossen.

7.

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Als Perry Rhodan sprach, spürte niemand etwasvon einer Enttäuschung darüber, daß ihrkräfteverzehrender Versuch, den Hauptschalter fürden Atomreaktor zu betätigen, mißlungen war.

„Sie sind der schnellste von uns. Tolot“, wandtesich Rhodan an den Haluter. „Gehen Sie bitte zumEntlüftungsschacht und bringen Sie Gecko hierher.Vielleicht gelingt den Mausbibern eine telekinetischeBeeinflussung der Schaltung, wenn sie sichgemeinsam konzentrieren.“ Schweigend stieg IchoTolot über das Gewirr von Stricken und Kettenhinweg, mit dessen Hilfe sie vergeblich versuchthatten, den Hebel in seiner Lage zu verändern. SelbstTolots Kräfte hatten nicht genügt, den Riesenschalterherumzuwerfen.

„Solange der Haluter unterwegs ist, können wiruns damit beschäftigen, die Justierungsschaltungenvorzubereiten“, ordnete Rhodan an. „UnsereAusrüstung reicht aus, an drei Stellen gleichzeitigFlaschenzüge aufzustellen.“ Die Männer machtensich an die Arbeit. Brechstangen, Flaschenzüge,Ketten, Klemmeisen und Stricke wurden unterhalbder Justierungsschaltungen niedergelegt. Zwei dergeschicktesten Männer bekamen Stricke um denKörper gebunden Sie mußten den schwierigenAufstieg bis zu den Schaltknöpfen wagen. DiePerforierung der Armaturenverkleidung bot ihnen dieeinzige Möglichkeit zum Festhalten.

Eine Strecke von ungefähr einem Meter bildete fürdie Mikrowesen eine Entfernung von einemKilometer. Rhodan war froh, daß die wichtigstenHebel untereinander angebracht waren, so daß nachihren Begriffen nur fünfhundert Meter überwundenwerden mußten, um die unterste Schaltung zuerreichen.

Als die beiden Kletterer ihr erstes Ziel fast erreichthatten, kehrte Icho Tolot zurück. Auf seinenSchultern thronte Gecko.

„Ich ahnte bereits, daß ihr ohne mich nichtserreichen würdet“, erklärte der korpulente Mausbibergroßspurig.

Tolot setzte ihn unsanft auf den Boden, ohne sichum die erregten Proteste zu kümmern, mit denen sichGecko über diese Behandlung beschwerte.

„Hoffentlich ist deine paranormale Fähigkeitmindestens halb so groß wie dein Mundwerk“,wünschte Gucky.

Gecko bedachte ihn mit einem giftigen Blick, dannwandte er sich an Rhodan.

„Was soll ich tun?“ fragte er hoheitsvoll.Rhodan zeigte mit dem Daumen nach oben.„Den Atomreaktor in Gang bringen“, erwiderte er

trocken.Geckos Selbstsicherheit schmolz dahin.

Hilfesuchend watschelte er auf Gucky zu.„Hast du es schon versucht?“ wollte er wissen.

Gucky musterte seinen alten Kampfgefährtendurchdringend. „Natürlich nicht. Ich wartete auf denMeister.“ Wenn Gecko etwas von dem Spott inGuckys Stimme spürte, dann ließ er sich nichtsanmerken.

„Fangen wir an!“ rief er.Die beiden Mausbiber versanken in stummer

Konzentration. Unter normalen Umständen wäre eineBeeinflussung der Schaltung durch paramechanischeKräfte auch für einen einzelnen Telekineten einfachgewesen, doch Gucky und Gecko litten noch immerunter der Verkleinerung.

Erwartungsvoll sahen die Männer nach oben.Jemand stieß einen leisen Seufzer aus. Als sei diesesGeräusch das entscheidende Signal, schwenkte derHebel zur Seite. Gecko taumelte etwas, ein sicheresZeichen dafür, daß er sich völlig verausgabt hatte.

„Verteilt euch!“ klang Rhodans befehlsgewohnteStimme auf. „Wir müssen jetzt die einzelnenJustierungsschaltungen vornehmen.“ Inzwischenwaren die beiden Kletterer am untersten Hebelangekommen und hatten die Stricke befestigt.Kontrolllampen, die den Mikrowesen so groß wieSonnen erschienen, flammten überall auf. DerAtomreaktor war angelaufen.

Die schwerste Arbeit stand den Männern jedochnoch bevor: Sie mußten den Shift starten undTausende von Kilometern mit ihm fliegen.

*

„Wir verlieren immer mehr an Höhe, Don“, stellteCaptain Henderson fest. Obwohl er vollkommensachlich gesprochen hatte, hörte Redhorse dieMißbilligung aus den Worten des Mannes.

„Wir werden noch tiefer gehen“, verkündete er.„Wir werden uns in den Kampf um den Shifteinschalten!“ Für einen Augenblick verlor Hendersondie Fassung. „Sie ... Sie Indianer!“ rief er erregt.

Kasom begann dröhnend zu lachen, als Redhorseunbeeindruckt dicht über das Dach dahinflog. Als derOLDTIMER in einer weiten Schleife zurückkam,sprang Wuriu Sengu auf.

„Jetzt kommt er heraus!“ schrie der Mutant. Jedeman Bord der F-913 G war in diesem Augenblick klar,wen Sengu gemeint hatte. Ein riesiger, dunkelbraunerSchatten huschte aus dem Gleiskettenfahrzeug.Dreimal hintereinander bellte der Karabiner desSoldaten.

„Das ist unsere Chance!“ rief Redhorse aus. DerOLDTIMER sank immer rascher dem Bodenentgegen.

„Was machen Sie da, Captain?“ erkundigte sichMelbar Kasom.

Während er mit einer Hand die Steuerungumklammerte, zeigte Redhorse mit der anderen auf

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die offene Schleuse des Shifts.„Eine bessere Einflugöffnung können wir uns nicht

wünschen“, grinste er verwegen.„Einer der beiden Kämpfer wird nach uns in den

Shift kommen“, prophezeite Henderson.„Sofern er noch hinein kann“, meinte Redhorse

zweideutig.Sie beobachteten, wie der verwundete Soldat vom

Dach fiel und das Ungeheuer auf die andere Seite desShifts stürmte. Dann ragte das Fahrzeug wie eineunüberwindliche Mauer vor ihnen auf.

„Wir sind zu schnell, Sir!“ stöhnte Lope Losar auf.Wie eine stählerne Biene schoß der OLDTIMER

auf die Schleuse zu. Mit zusammengekniffenenAugen vollführte Redhorse das Manöver. ImSturzflug verschwand die Maschine in der Schleuse.

„Warum landen Sie nicht, Don?“ fragteHenderson.

Mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken desKopfes wies Redhorse hinter sich.

„Die Schleuse“, knurrte er. „Wir müssen sieschließen.“ Die Augen von Captain Sven Hendersonrundeten sich. Er glaubte, nicht richtig gehört zuhaben.

„Schließen?“ wiederholte er fassungslos. „Wirhaben nicht die geringste Aussicht, die Schaltung zubetätigen, bevor der Soldat oder das Monstrum hierhereinkommen.“ Redhorse gab sich gelassen.

„Festhalten!“ rief er der Besatzung zu. Fastgleichzeitig riß der den OLDTIMER nach oben.Melbar Kasom begriff zuerst, was der Captainvorhatte. Die Handnotschaltung derSchleusenkammer ragte ein kleines Stück senkrechtin den Schleusenraum hinein. Ein sehr geschickterFlieger konnte bei viel Glück den Hebel so streifen,daß dieser einrastete, ohne daß die Maschineabstürzte.

Unmittelbar unter der Schleusendecke raste dasFlugzeug dahin. Kasom sah den Hebel als gewaltigeschwarze Silhouette deutlich gegen den hellenHintergrund der Landschaft. Der Ertruser hoffte, daßMaheo, Redhorses Indianergott, es gnädig mit ihnenmeinte.

Als Kasom unverhofft aufblickte, trafen sich seineAugen mit denen Sengus, und er begriff, daß derMutant die Absicht des Captains ebenfalls verstandenhatte.

Der OLDTIMER strich unter der Schaltunghinweg, ohne sie zu berühren. Redhorse biß dieZahne aufeinander. In einer engen Schleife steuerteer die Maschine zur Schleuse zurück.

„Der Schalter!“ entfuhr es Henderson. „Sie wollenden Schalter rammen.“

„Beeilen Sie sich“, drängte Sengu. „Der Soldatscheint tot zu sein. Das Biest schleift ihn gerade umden Shift.“ Wieder tauchte der OLDTIMER ins

Halbdunkel der Schleuse. Redhorse wußte, daß derzweite Versuch sein letzter sein würde, denn inwenigen Augenblicken würde das Ungeheuer in denShift zurückkehren.

„Überlegen Sie, was Sie da tun, Don“, warnteHenderson bedächtig.

Redhorse war überzeugt davon, daß Hendersonkeine Angst hatte, aber es war dem Chef desJägerkommandos unangenehm, ohne RhodansEinwilligung zu handeln.

Die Maschine raste in die Höhe. Redhorseorientierte sich nur an dem weithin sichtbarenSchalter. Wenn das Flugzeug nur wenige Millimeterzu hoch unter dem Schalter durchflog, würde eszerschmettert am Boden landen.

Vor der Kanzel wurde der Hebel rasch größer.Redhorse biß die Zahne aufeinander. DieKontrollgeräte gaben ihm keinen Anhaltspunkt, erkonnte nur nach Gefühl fliegen.

„Jetzt!“ rief er.Der OLDTIMER erhielt einen Schlag und trudelte

zur Seite. Mit beiden Händen mußte sich Redhorsefesthalten, um nicht aus dem Sitz geschleudert zuwerden. Er stemmte sich gegen das Steuer. EinenMeter über dem Boden fing er die F-913 G ab. Als eraus der Kanzel blickte, sah er, wie die Seitenwandzuglitt. Fast im gleichen Augenblick schoßRedhorses Maschine durch die verbleibende Öffnungin den Raupenpanzer hinein. Unmittelbar hinterihnen schloß sich die Schleuse endgültig.

Mitten im Kommandoraum setzte Redhorse zurLandung an. Der tote Schnorchel lag wie eingewaltiges Gebirge in der Nahe derSchleusenkammer.

Einen Augenblick herrschte innerhalb desOLDTIMERS Stille.

„Ich gratuliere Ihnen, Captain“, sagte Kasom.Redhorse schwang sich mit der ganzen

Leichtigkeit seines hageren, durchtrainierten Körpersaus dem Pilotensitz. Als er lächelte, blickte er nurHenderson an.

„Hova hestovahn“, sagte er. „Es war nichts.“

*

Der Strick zerriß mit einem explosionsartigenKnall. Rhodan fuhr herum. Ein Warnschrei hallte zuihm herüber. Automatisch ließ er sich fallen undbedeckte seinen Kopf mit den Händen. Mit einemdumpfen Platschen schlug das abgerissene Stück desSeiles neben Rhodan auf. Schnell kam er wieder aufdie Beine. Von allen Seiten rannten die Männer aufihn zu.

Der Erste Feuerleitoffizier der CREST II, MajorGero Wiffert, lag unter dem Seil eingeklemmt. SeinGesicht war vor Schmerzen verzerrt.

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Rhodan hörte das Schleifen, mit dem der obereTeil des Strickes an der Kontrollverkleidung hin- undherpendelte. Gemeinsam zerrten sie das lange Seilvon Wifferts Körper.

Die Brust des Majors hob und senkte sich. Erhustete mühevoll.

„Es hat mich genau erwischt“, erklärte er. „Bevorich zur Seite springen konnte, schmetterte es mich zuBoden.“

„Wie fühlen Sie sich, Major?“ erkundigte sichAtlan teilnahmsvoll.

Wiffert brachte ein Grinsen zustande.„Wie neugeboren“, gestand er. Mit Tolots Hilfe

kam er auf die Beine.„Es ist besser, wenn Sie sich jetzt nicht mehr

anstrengen“, empfahl Rhodan dem Feuerleitoffizier.Wiffert wollte protestieren, doch ein plötzlicher

Schmerz ließ ihn verstummen. Er nickte schwach undlehnte sich gegen eine Befestigungsschraube desKommandosessels.

Atlan deutete auf den abgerissenen Strick. „Daskostet uns viel Zeit“, sagte er.

Sie hatten inzwischen drei Justierungsschaltungenvorgenommen. Rhodan wagte nicht zu starten, bevoreine reibungslose Steuerung gewährleistet war.

„Bringt einen neuen Strick!“ befahl er. „Bitte,klettern Sie hinauf, Icho Tolot.“ Der Atomreaktor liefreibungslos. Auch die Antigravanlage wareinsatzbereit. Es kam nur noch darauf an, dieSteuerung nach den Wünschen der Männereinzuschalten. Die Anlage mußte völlig unter ihrerKontrolle sein, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten,an einem Felsen zu zerschellen. Sieben starke Strickeführten vom Hauptsteuerhebel auf den Bodenherunter. Jeder einzelne war mit einem Flaschenzugverbunden. Auf diese Weise hoffte Rhodan,einfachere Flugmanöver reibungslos ausführen zukönnen. Fliegerische Kunststücke würden sie nichtausführen können, doch das lag auch nicht in ihrerAbsicht.

Vor allem befürchtete Rhodan, daß sie nur sehrlangsam fliegen konnten, denn eineRichtungsänderung mit Hilfe der Flaschenzügevorzunehmen, würde einige Zeit in Anspruchnehmen.

Rhodan verfolgte aufmerksam, wie Icho Tolot anStelle des gerissenen Strickes einen neuen befestigte.Dann kletterte der Haluter wieder herunter. Alseinziger Teilnehmer des Unternehmens zeigte erkeinerlei Spuren einer Anstrengung. Auch Rhodanund Atlan überstanden die schwere Arbeit besser alsdie anderen Männer. Das verdankten sie ihrenZellaktivatoren.

Ein Zuruf Atlans riß Rhodan aus seinen Gedanken.Er blickte auf und sah, wie Omar Hawk sich am Seilherabließ, das durch den Abluftschacht in den

Kommandoraum hing.„Etwas muß passiert sein“, vermutete der

Arkonide.Rhodan wurde nachdenklich. Sollte mit Wifferts

Unfall eine Serie von Zwischenfällen begonnenhaben?

Hawk kam in großer Eile auf sie zu. Als er jedochvor Rhodan stehenblieb, machte er einenvollkommen ruhigen Eindruck. Rhodan blickte ihnscharf an.

„Was ist passiert, Leutnant?“ Hawk, dem mannachsagte, daß er kaltblütiger als selbst Atlan sei,atmete durch den Mund. Das war ein sicheresZeichen, daß er sich sehr beeilt hatte, um hierher zukommen.

„Redhorse sitzt in einer Klemme“, berichtete er.„Major Sedenko hat Funkkontakt zu dem fünftenOLDTIMER gehabt.“

„Sprechen Sie“, forderte Rhodan ungeduldig.„Redhorse sitzt innerhalb des Shifts fest“, sagte

Hawk und schaute zum Einstieg zurück.Offensichtlich machte er sich Gedanken über seinenOkrill, den er oben auf dem Panzer zurückgelassenhatte. Dann sagte er: „Redhorse sprach von einemUngeheuer, das einige Schnorchel getötet haben soll.Es lauert nun vor der Schleuse und will in den Panzereindringen.“

„Ich nehme an“, sagte Rhodan gedehnt, „daßCaptain Don Redhorse sich und seine Begleiter indiese Situation gebracht hat. Besteht Lebensgefahrfür die Männer?“ Hawk schüttelte den Kopf.

„Keineswegs, Sir. Wie ich die Sache sehe, befindetsich die Maschine sicher im Innern des Shifts.“Rhodan rieb sein Kinn zwischen! Daumen undZeigefinger. Hawk beobachtete ihn aufmerksam.

„Gehen Sie zu Major Sedenko, Leutnant“, ordneteRhodan an. „Er soll Captain Redhorse ausrichten,daß wir hier noch viel zu tun haben. Sobald wir Zeithaben, werden wir uns um ihn kümmern. Vielleichtdämmt das die Unternehmungslust des Häuptlings inZukunft etwas ein.“ Hawk gab sich keine Mühe,seine Zufriedenheit zu verbergen.

„Gewiß, Sir!“ schnarrte er.„Hat Redhorse nähere Angaben über dieses

Ungeheuer machen können?“ wollte Rhodan wissen.„Nein, Sir! Aber aus dem Funkspruch ging hervor,

daß es ausgesprochen gefährlich ist.“ In HawksStimme schwang Bedauern mit, daß er dazu verurteiltwar, Funksprüche zu überbringen, während ananderen Stellen wesentlich interessantere Dingegeschahen.

„Sie können gehen, Hawk“, verabschiedeteRhodan den Oxtorner.

„Er gefällt mir“, sagte Atlan, als derUmweltangepaßte außer Hörweite war. „Ich glaube,daß er sehr zuverlässig ist.“

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„Was machen wir mit Redhorse?“ fragte Rhodan.„Wenn es gefährlich für seine Mannschaft wird,müssen wir ihm helfen.“

„Ich glaube, daß der Captain ein durchtriebenerHalunke ist“, sagte Atlan. „Wahrscheinlich hat er dasUngeheuer schon früher entdeckt. Er hat uns jedocherst informiert, als er sicher sein konnte, daß wir ihnnicht mehr zurückbeordern können.“

„Das denke ich auch“, gab Rhodan zu.„In der arkonidischen Flotte hätte man ihn

degradiert“, sagte Atlan.„Ich weiß“, entgegnete Rhodan. „Deshalb gibt es

auch keine arkonidische Flotte mehr.“

*

Captain Sven Henderson beugte sich weit im Sitzzurück und schaute mit offensichtlicher Zufriedenheitauf den offenen Ausstieg des OLDTIMERS.

„Vielleicht“, bemerkte er spöttisch, „erleben wirnun den historischen Flug Captain Don Redhorsesvon Schalter zu Schalter, wie der unübertrefflicheMeisterflieger den Shift allein dadurch zum Startenbringt, daß ...“

„Ich freue mich, daß Sie Ihren Humorwiedergefunden haben, Sven“, unterbrach ihnRedhorse. „Sind Sie zufrieden, daß wir mit MajorSedenko gesprochen haben?“

„Es ist Rhodans Antwort, die mich beruhigt“, gabHenderson zurück.

„Man ersieht daraus, daß der Chef sich keineüberflüssigen Sorgen um uns macht. Im Gegenteil, ertraut uns zu, daß wir einen Ausweg aus dieserSituation ohne fremde Hilfe finden werden.“

„Warum spotten Sie, Captain?“ fragte Losar. „Siesind bei uns, daran können Sie nichts ändern.“Redhorse zog es vor zu schweigen und sprang durchden Ausstieg hinaus. Die vier Männer folgten ihm.Sie blickten sich im Kommandoraum um, der ihrenAugen als eine gigantische Halle erschien.

„Wir wollen die Flaschenzüge ausladen“, schlugKasom vor. „Vielleicht haben wir eine Möglichkeit,den Shift zu starten.“ Sengu hob plötzlich beideArme. Sofort wurden die Männer ruhig.

„Sehen Sie etwas, Sengu?“ fragte Kasom leise.Der Mutant nickte. „Das Biest bewegt sich“, gab er

bekannt. „Die ganze Zeit über hat es nur still vor derSchleuse gehockt, doch jetzt hat es offenbar einenEntschluß gefaßt.“

„Was tut es?“ fragte Redhorse den Späher.Die paranormalen Blicke des Negers verfolgten die

Geschehnisse im Freien. Seine Arme sanken langsamherab.

„Es sieht so aus, als verliere es die Geduld.“ Erspreizte die Hände. „Es zieht sich zurück.“

„Sind Sie sicher?“ fragte Losar.

Sengu zuckte zusammen.„Es kommt zurück!“ schrie er auf. „Es will...“ Eine

schwere Erschütterung unterbrach ihn. Die fünfMänner verloren den Halt und wurden ein Stück überden Boden geschleudert. Der gesamte Shift schien zubeben. Der OLDTIMER wackelte, als würde er jedenAugenblick umstürzen.

Redhorse überschlug sich dreimal, bis er seinGleichgewicht wiederfand. Schnell richtete er sichauf und blickte sich um.

Er sah Kasom auf das Flugzeug zurennen. Losarkroch vor ihm über den Boden. Sengu undHenderson bildeten ein Knäuel wild rudernder Armeund Beine.

„Was war das?“ rief er erregt.Sengu, der es gewöhnt war, ungewöhnliche Dinge

zu erleben, zeigte keine Panik.„Das Monstrum hat die Schleuse gerammt“, sagte

er. „Es will offenbar gewaltsam eindringen.“„Wir müssen die Maschine absichern!“ schrie

Kasom vom OLDTIMER zu ihnen herüber. „Siekippt um, wenn sich die Erschütterung wiederholt.“

„Können Sie noch etwas sehen?“ fragte Redhorseden Mutanten.

„Es hockt vor der Schleuse“, berichtete Sengustockend. „Offenbar ist es überrascht, daß es nichtdurchgekommen ist. Ich glaube, es wird den Versuchwiederholen.“ Sie halfen Kasom, das Fahrgestell desOLDTIMERS abzusichern. Wenn das Flugzeugumschlug, hatten sie keine Möglichkeit mehr, vomShift wegzukommen. Sengu ließ den Angreifer jetztnicht mehr aus den Augen.

So schnell es ging, brachten sie alle wichtigenGeräte aus dem OLDTIMER heraus. Kasom ordnetean, daß alles unterhalb des Kommandoplatzesabgelegt wurde.

Henderson wies auf den toten Schnorchel. „Ichwünschte, wir könnten ihn irgendwie hierwegschaffen.“ Auch den anderen war dieAnwesenheit der Leiche unangenehm. Sie wußtenjedoch, daß sie nichts dagegen unternehmen konnten.Obwohl der Tote seinen Kopf eingezogen hatte, warer noch über einen Meter lang. Für die Mikrowesenbedeutete dies eine Körperlänge von über einemKilometer. Wahrscheinlich hätte die gesamteBesatzung der CREST II nicht ausgereicht, um denRiesen aus dem Shift zu entfernen.

„Das Biest bewegt sich wieder“, warnte Sengu, alsKasom die Flaschenzüge einsatzfertig machte.

„Hinlegen!“ kommandierte der Ertruser. „Wirmüssen uns festhalten.“

„Hoffentlich hält die Schleuse die Rammstößeaus“, sagte Losar.

„Keine Sorge“, beruhigte ihn Henderson. „Damüssen härtere Brocken kommen.“

„Es nimmt einen großen Anlauf“, gab Sengu

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bekannt.Redhorse klammerte sich mit beiden Händen fest

und wartete auf die Erschütterung. Er dachte an denOLDTIMER. Hoffentlich blieb die Maschine stehen.

Der zweite Stoß war doppelt so heftig wie dererste. Redhorse wurde mit dem Strick, an dem er sichfesthielt, ein Stück davongeschleudert. Er prallte mitdem Rücken gegen einen Flaschenzug und bliebliegen. Sein erster Blick galt dem Flugzeug. DieF-913 G stand noch. Redhorse stieß die Luft aus.

„Wir müssen uns die Schleuse ansehen“, riefKasom dröhnend. „Das Monstrum entwickeltungeheure Kräfte. Ich glaube, daß es in der Lage ist,den gesamten Shift anzuheben.“ Niemandwidersprach dem Ertruser. Während der zweitenErschütterung hatte die Notbeleuchtung zu flackernbegonnen, die sich nach dem Schließen der Schleuseautomatisch eingeschaltet hatte.

Die fünf Männer rannten quer durch denKommandoraum. Redhorse wartete jedenAugenblick darauf, daß Sengu einen neuenRammstoß des Monstrums ankündigen würde.Solange der Gigant vor dem Shift herumtobte, hattensie keine Gelegenheit, sich um die Schaltanlagen zukümmern.

Der dritte Stoß erfolgte ohne Vorwarnung Sengus.Redhorse dachte, der Boden würde vor ihmumgestülpt werden, so ruckartig wurde er von denFüßen gerissen. Instinktiv breitete er die Arme ausund fing den Aufprall ab. Der Shift knirschte, alswollte er auseinanderbrechen.

„Der OLDTIMER!“ schrie Kasom irgendwo in derNähe.

Redhorse ahnte, daß etwas mit dem Flugzeugpassiert war. In die Erschütterung hinein hatte ereinen Schlag gehört. Er richtete sich auf und blicktedorthin, wo sie die F-913 G abgesichert hatten. DieMaschine war aus den Halterungen geschleudert undmehrere Meter davongerollt, bevor sie seitlichumgekippt war. Die Flaschenzüge, die sie in derNähe des Kommandosessels abgelegt hatten, lagenüber den ganzen Raum verstreut.

Redhorse sah Kasom, Sengu und Henderson inseiner unmittelbaren Nähe. Losar war verschwunden.

„Wo ist der Waffenmeister?“ fragte Redhorse.Henderson machte eine unbestimmte Geste in

Richtung zur Schleuse.„Er soll nachsehen, wie es dort aussieht. Wir

müssen uns um die Maschine kümmern.“„Dazu ist es zu spät“, brummte Kasom. „Der

OLDTIMER wird nicht mehr fliegen.“„Das Funkgerät“, erinnerte Redhorse. „Hoffentlich

ist das Funkgerät noch in Ordnung, damit wirRhodan unterrichten können.“ Dieser Gedanke schiensie anzutreiben, denn wie auf ein geheimesKommando stürmten sie dem umgestürzten Flugzeug

entgegen. Redhorse machte sich im stillen Vorwürfe,daß er in den Shift eingeflogen war. Es stellte sichjetzt heraus, daß er den Gegner unterschätzt hatte.Zwei steile Falten erschienen auf seiner Stirn. Er warbereit, für seinen Fehler die Verantwortung zuübernehmen, doch jetzt hatte er keine Zeit, sichdarüber Gedanken zu machen.

„Beobachten Sie das Biest“, sagte Kasom zuSengu. „Es kann uns das Leben kosten, wenn derShift während unseres Aufenthaltes in der Nähe desOLDTIMERS gerammt wird.“ Als sie die Maschineerreichten, mußte Redhorse feststellen, daß dieBeschädigungen schlimmer waren, als er befürchtethatte. Die linke Tragfläche der F-913 G wareingeknickt. Eine Ölleitung mußte beschädigt wordensein, denn unter dem Rumpf hatte sich eine dunkleLache gebildet.

Niemand sprach. Jeder von ihnen besaß sovielErfahrung, um zu wissen, daß dieses Flugzeug nichtwieder starten würde.

„Hoffentlich sieht es im Innern nicht schlimmeraus“, bemerkte Henderson. „Die Kanzel ist fast völligeingedrückt.“ Sie kletterten an den Trümmern derTragfläche hinauf. Kasom zerrte einige Teile derzerstörten Kanzel zur Seite, so daß sie ins Innereeindringen konnten. Redhorse zwängte die Beinedurch das entstandene Loch und ließ sich einfachfallen. Er kam mit den Füßen auf und rutschte einStück über den schrägen Boden, bis er am Pilotensitzhängenblieb. Bruchstücke der Kanzel lagen überallherum. Redhorse hörte, wie die anderen ebenfallshereinkamen.

Ein Sitz hatte sich aus seiner Verankerung gerissenund hing quer über der Funkanlage. Zusammen mitKasom schob Redhorse das Hindernis zur Seite.Henderson kam heran und schaltete das Funkgerätein. Er überprüfte die Schaltanlage.

„Wie sieht es aus?“ fragte Sengu gepreßt.„Alles intakt“, sagte Henderson erleichtert. „Wenn

unser Freund vor dem Shift in den nächsten MinutenRuhe hält, haben wir Zeit, Major Sedenko vonunserem Pech zu berichten.“ Es war typisch fürHenderson, daß er von „ihrem Pech“ sprach und mitkeinem Wort erwähnte, daß er gegen einen Einflug inden Shift protestiert hatte.

Als Henderson die Verbindung herstellte, sprangLope Losar zu ihnen herein. Waffenmeister sah sieder Reihe nach an.

„Die Schleusenwand ist auf einer Seite starkeingedrückt“, berichtete er. „Wenn sie noch dreiharte Stöße erhält, wird sie nachgeben.“ Hendersonblickte auf.

„Soll ich das in unserem Funkspruch an Sedenkoerwähnen?“

„Nein“, entschied Redhorse. „Rhodan soll uns erstdann abholen, wenn es gelungen ist, den anderen

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Shift zu starten.“ Henderson zog den Kopf zwischendie Schultern. „Vielleicht haben wir jetzt zum letztenMal Gelegenheit, einen Funkspruch auszusenden.“

„Vielleicht sollten Sie sich alle zusammen dieSchleuse ansehen“, schlug Lope Losar grimmig vor.

„Darauf können wir verzichten“, mischte sichKasom ein. „Los, Captain Henderson, rufen SieMajor Sedenko.“ Damit unterstützte der ErtruserRedhorses Entscheidung. Für die fünf Männerbedeutete das nichts anderes, als daß sie dasMonstrum außerhalb des Shifts solange in Schachhalten mußten, bis Rhodan erschien, um sie aus ihrerunangenehmen Lage zu befreien.

*

Major Gero Wiffert fühlte die Kälte der Wanddurch seine Uniform dringen. Seine Schmerzenhatten spürbar nachgelassen. Er beobachtete dieanderen Männer, die damit beschäftigt waren, dieletzten Schaltungen unter Kontrolle zu bringen.

Wiffert spreizte die Hände und drückte sichlangsam von der Wand ab. Er hielt den Atem an undwartete, daß die Schmerzen zurückkehren würden.Dann machte er einen Schritt nach vorn. Erleichtertstellte er fest, daß ihm das keine Schwierigkeitenbereitete. Sein Entschluß, sich wieder an denArbeiten zu beteiligen, wurde dadurch noch gefestigt.Seine Augen suchten Perry Rhodan. Er entdeckte ihnin einer Gruppe von Männern, die damit beschäftigtwaren, einen Strick zu befestigen.

Wiffert war 34 Jahre alt, ein Mann von untersetzterStatur, mit blonden Haaren und einer breiten Narbeauf der linken Wange. Der Major sprach nicht viel,doch als Erster Feuerleitoffizier der CREST II war erfast unentbehrlich.

Mit gleichmäßigen Schritten ging Wiffert auf dieGruppe der arbeitenden Raumfahrer zu. Er hielt denKopf angestrengt hoch, weil er fürchtete, daß derheftige Druck in seiner Brust zurückkehren würde,wenn er sich lässiger bewegte.

Als Wiffert spürte, daß er mit dem Fuß am Randeeiner Verschraubung hängenblieb, war es für eineReaktion schon zu spät. Die Verschraubung gehörtezu einer Abdeckplatte im Fußboden. Die Schraubewar irgendwann einmal abhanden gekommen undnicht wieder ersetzt worden. Das Loch, das dadurchentstanden war, durchmaß acht Millimeter. Unternormalen Umständen hätte die fehlende Schraubekeine Schwierigkeiten ausgelöst.

Major Gero Wiffert jedoch war nur 1,65Millimeter groß, und er stürzte im Vorwärtstaumelnin die Schraubenöffnung hinein. Wiffert schrie noch,als er irgendwo in völliger Dunkelheit aufschlug undwie betäubt liegenblieb. Er verstummte, als er weitüber sich die Öffnung sah, die ihm zum Verhängnis

geworden war. Ein schwacher Lichtstrahl fiel herein,doch er reichte nicht bis zu Wiffert herunter.

Der Feuerleitoffizier wußte, daß er in denMaschinenraum des Shifts gefallen war. Wenn esihm nicht gelang, hier herauszukommen, bevor dasAllzweckfahrzeug startete, mußte er sich mit demGedanken vertraut machen, zu sterben. Wiffert warsich darüber im klaren, daß jetzt jeder Hilferuf zuspät kam. Wenn die anderen seinen Aufschreiüberhört hatten, reichte die Kraft seiner Stimme vondiesem Platz nicht aus, um ihre Aufmerksamkeit zuerwecken. Wiffert konnte nur darauf hoffen, daß manihn vermissen würde.

Von seinem Standpunkt aus war er vier Meter tiefgestürzt, in Wirklichkeit befand er sich jedoch nurvier Millimeter unterhalb der Schraubenöffnung.Wiffert stand vorsichtig auf. Er war froh, daß er denSturz ohne Verletzungen überstanden hatte. Um ihnherum roch es nach Maschinenöl. Die Hände weitausgestreckt, ging Wiffert weiter. Er besaß nochkeinen Plan, wie er sich befreien konnte, aber erwollte es riskieren, sich auf Hörweite von derÖffnung zu entfernen, um herauszufinden, anwelcher Stelle des Maschinenraums er sich befand.

Plötzlich hatte er das Gefühl, daß der Boden steilanstieg. Er beugte sich etwas nach vorn, und seineHände berührten kaltes, öliges Metall. Wiffert bißsich auf die Unterlippe. Er drehte sich um seineeigene Achse und ging in die entgegengesetzteRichtung davon. Nach drei Schritten stieß er auf dengleichen Widerstand. Nun bewegte er sich im rechtenWinkel zu der gedachten Linie, auf der er sich bishergehalten hatte. Jetzt kam er fast zehn Schritte voran,ohne daß er aufgehalten wurde. Dann jedoch sanksein tastender Fuß ins Leere. Hastig zog sich Wiffertzurück.

Er war genau in ein Zahnrad gestürzt.Wahrscheinlich gab es überhaupt keine Möglichkeitfür ihn, die Mulde, in der er sich aufhielt, zuverlassen. Die Tiefe, die ihn zu beiden Seiten desZahnrades erwartete, konnte er nicht abschätzen, dieeinzelnen Verzahnungen waren zu steil und ölig, alsdaß er an ihnen hinaufklettern konnte, bis er auf einkleineres oder größeres Rad stieß.

Wiffert überlief es kalt, wenn er über seine Lagenachdachte. Sobald der Shift startete, mußte er damitrechnen, daß sich auch dieses Zahnrad bewegenwürde. Obwohl es weder mit dem Atomreaktor nochmit den Triebwerken etwas zu tun hatte, war es mitgroßer Sicherheit an irgendeine Schaltungangeschlossen. Der Major war kein ausgesprochenerPessimist, aber er machte sich keine Illusion darüber,was mit ihm geschehen konnte, wenn er keinenAusweg fand.

Er bildete mit den Händen vor dem Mund einenTrichter und rief laut zur Öffnung hinauf. Er

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bezweifelte, daß die beiden Mausbiber ihntelepathisch wahrnehmen konnten. Gucky und Geckolitten nicht nur unter der Verkleinerung ihresKörpers, sie hatten sich auch bei ihren letztenparanormalen Anstrengungen total erschöpft.

Wiffert verwünschte seinen Entschluß, die Arbeitwieder aufzunehmen. Wenn er sich RhodansAnordnung nicht widersetzt hätte, könnte er jetztnoch sicher an seinem Platz stehen.

Wieder rief Wiffert. Seine Stimme erzeugteinmitten der Maschinenanlagen ein mehrfaches Echo.Wiffert befürchtete, daß sie überhaupt nicht bis nachoben drang. Er fragte sich, wie weit die Männerinzwischen die Arbeiten vorangetrieben hatten. Eingleichmäßiges Summen, das vom Reaktor kam, ließden Major hoffen, daß der Start noch nichtunmittelbar bevorstand.

Plötzlich verdunkelte sich die Öffnung über ihm.„Hier!“ schrie Wiffert. Sein Herz begann heftig zu

schlagen. Gleich darauf sah er die Silhouette einesmächtigen, unverkennbaren Schädels.

„Tolot!“ schrie Wiffert, so laut er konnte.„Ich sehe Sie“, erklärte Tolot, und der dröhnende

Klang seiner Stimme wurde durch dieSchraubenöffnung noch verstärkt. „Sie haben sicheinen ungemütlichen Platz ausgesucht.“ Die Ruhedes anderen ließ Wiffert sein Gleichgewichtwiederfinden.

„Holen Sie mich hier heraus!“ drängte er, „ichdachte schon, daß man mich nicht entdecken würde.“Tolot verschwand ohne ein weiteres Wort, aberwenige Augenblicke später kam er zurück.

„Ich lasse ein Seil zu Ihnen hinab, Major“, sagteer. „Halten Sie sich daran fest, ich werde Siehochziehen.“ Wiffert atmete auf. Die Gefahr schienbereinigt. Da spürte er, wie der Boden unter seinenFüßen zu zittern begann. Seine Nackenhaarerichteten sich auf, als ein lautes Surren an seineOhren drang.

„Beeilen Sie sich!“ schrie er. „Das Teufelsdingscheint loszugehen.“ Er sah das Ende des Strickesnur noch einen Meter über sich baumeln. InWirklichkeit war das nur ein Millimeter, doch darandachte Wiffert im Augenblick nicht. Er reckte seineHände, die Fasern des Strickes berührten ihn, daruckte das Zahnrad an und trug ihn seitlich davon.Wiffert schrie verzweifelt auf und warf sich gegendie Seitenwand der hinteren Verzahnung.

„Anhalten!“ brüllte er. „Sie sollen anhalten!“ DasGeräusch des anlaufenden Getriebes übertönte seineWorte. Tolot ließ das Seil blitzschnell noch einigeMeter weiter herabsinken und brachte es zumPendeln. Doch Wiffert konnte es nur unmittelbarunter der Öffnung sehen, dann entzog die Dunkelheites seinen Blicken. Hastig tastete er um sich, damit eres greifen konnte, doch seine Hände bekamen immer

wieder nur ölverschmiertes Metall zu fassen.Die Öffnung lag jetzt schräg über ihm. Das

Zahnrad rotierte langsam aber stetig weiter. Mit vorAngst aufgerissenen Augen sah Wiffert in die Höhe,um so herauszufinden, wo das Seil herabhing. Da saher Icho Tolot am Seil herunterturnen. Offenbar hatteder Haluter das andere Ende irgendwo verankert.Durch geschickte Drehungen seines Körpers brachteTolot den Strick zum Pendeln. Gleich daraufentschwand er Wifferts Blicken.

„Ich sehe Sie, Major!“ grollte Tolot. „Ich versucheSie zu erreichen, bevor Sie auf die andere Seitedavongetragen werden.“ Wiffert wußte genau, wasihn auf der anderen Seite erwartete. Voller Hoffnungdachte er daran, daß der Gigant sich auch in völligerNacht orientieren konnte.

„Strecken Sie die Arme aus“, erklang es dröhnend.Wiffert reckte beide Arme in die Höhe. Er spürte

die Erschütterungen, und das Schraubenloch erschienihm bereits unerreichbar fern. Da wurden seineUnterarme gepackt. Wiffert verlor den Halt unter denFüßen und fühlte sich hochgerissen.

„Das war knapp“, erklärte Tolot.Wiffert spürte, wie ihm der Haluter den Strick in

die Hände drückte.„Halten Sie sich daran fest, bis ich oben bin und

Sie herausziehe.“ Wifferts Kehle war soausgetrocknet, daß er nur ein undeutliches Geräuschzustande brachte. Was aber hätte er dem Retter zuverstehen geben können, wenn nicht völligeZustimmung?

Schneller als Wiffert erwartet hatte, kam Tolotoben an und begann ihn hochzuziehen. Wiffertglaubte zu hören, wie unter ihm die Zahnräderknirschten. Hilfreiche Hände packten ihn, als er amRand des Loches erschien und zogen ihn endgültigheraus.

Wiffert schaute Tolot an.„Danke“, sagte er nur.„Sie haben eine merkwürdige Art, Ihre

Ruhepausen auszufüllen“, bemerkte Rhodanlächelnd. Wiffert hörte den leichten Verweis ausdiesem Satz heraus.

Er nickte langsam. „Es tut mir leid, Sir.“„Einer der Steuerungsschalter ist in die falsche

Richtung abgekippt“, informierte ihn Rhodan. „Dashatte fast Ihr Ende bedeutet.“ Wiffert wagte nichtmehr daran zu denken, wie knapp er dem Todentronnen war. Er nahm ein Tuch entgegen, das ihmeiner der Männer reichte und reinigte seineölverschmierten Hände.

„Ich bin jetzt voll einsatzfähig, Sir“, erklärte erdann.

Rhodan schaute ihn prüfend an.„In Ordnung, Major“, sagte er trocken.Da erst begann Wiffert zu reagieren. Er steckte

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beide Hände in die Hosentaschen, um das Zittern zuverbergen, das ihn überfiel. In seiner Kehle saß eintrockener Klumpen.

*

Nachdem sie den Funkspruch an Sedenkoabgesetzt hatten, verließen Redhorse und seineBegleiter den OLDTIMER. Sengu behauptete zwar,daß der Gegner sich im Augenblick nicht bewegte,doch das konnte sich schnell ändern. Innerhalb derMaschine war es zu gefährlich.

Melbar Kasom hatte entschieden, daß esvollkommen sinnlos sei, die Flaschenzüge wiederzusammenzusuchen. Solange das fremde Wesen siebelagerte, waren die Erfolgsaussichten für eineInbetriebnahme des Atomreaktors gering.

Im Augenblick waren sie dazu verurteilt, dienächsten Handlungen des Gegners abzuwarten.Redhorse und Henderson hatten mit der Suche einesgeeigneten Verstecks begonnen, wahrend Kasom,Sengu und Losar die Schleuse beobachteten. Sobaldes dem Ungeheuer gelang, in den Shift einzudringen,mußten die Männer sich irgendwo verkriechen.Selbst dann, wenn der eventuelle Eindringling sie aufGrund ihrer Winzigkeit nicht wahrnahm, bestand dieGefahr, daß er sie einfach niedertrampelte.

Captain Don Redhorse blickte sich unschlüssigum, als sie unmittelbar neben der Schulter des totenSchnorchels standen.

„Es muß ein Versteck sein, das uns völligeSicherheit bietet, aber auch die Möglichkeit einesschnellen Entkommens, wenn Rhodan uns hierherausholen will“, sagte Henderson.

Redhorse schaute nachdenklich auf denSchnorchel, dessen Brust wie ein Gebirge vor ihmaufragte.

„Wenn wir uns nicht in der Schleusenkammerverkriechen wollen, bietet die Leiche die einzigeMöglichkeit in der Nähe des Eingangs. Von hier auskönnen wir in zwanzig Minuten die Schleuseerreichen.“ Henderson lächelte traurig, als er darandachte, daß ein normalgewachsener Mensch mit dreioder vier Schritten von diesem Platz aus dieEntfernung zur Schleuse überbrücken könnte.

„Kasom ist dagegen, daß wir uns unmittelbar amEingang verstecken“, sagte Henderson. „Erbefürchtet, daß das Untier zusammen mit der äußerenWand hereinbricht und uns unter den Trümmernbegräbt.“ Redhorse deutete auf den Toten.

Henderson schluckte. „Was für ein Gefühl“, klagteer, „zu wissen, daß man sich an einer Leicheverstecken muß.“ Redhorse trat etwas näher an denSchnorchel heran. Mühsam überkletterte er einenUniformfetzen. Dann rief er Henderson zu sich.

„Sehen Sie hier, Sven! Das scheint eine

Metallspange zu sein, mit der die Uniformzusammengehalten wurde. Sie ist hohl. Durch dieÖse können wir ins Innere gelangen. Ich glaube, daßwir dort einigermaßen sicher sind.“ Hendersonschlüpfte in die Spange hinein. Seine Stimme klanghohl, als er Redhorse zurief: „Ich denke, das ist einguter Platz.“

„Warten wir auf die anderen“, sagte Redhorse.Sie ließen sich neben dem Schnorchel nieder.

Henderson schloß die Augen und gähnte. AuchRedhorse spürte, wie seine Müdigkeit zunahm. Eswurde Zeit, daß es zu einer Entscheidung kam.

Sie mußten lange warten, bis die drei anderenauftauchten. Die Gesichter Sengus und Losarsdrückten deutlich aus, wie es an der äußerenSchleusenwand aussah. Kasom dagegen wirkte ruhigwie immer.

„Es sieht so aus, als hätte der Bursche dort draußeneine Ruhepause eingelegt“, sagte der Ertruser.

Redhorse zeigte dem USO-Agenten dieMetallspange.

„Das wird unser Versteck sein, wenn das Biestjemals hereinkommen sollte“, sagte er.

Sengu sah ihn bedeutungsvoll an. „Es wirdhereinkommen!“ sagte er mit Nachdruck. „Es nimmtgerade einen neuen Anlauf.“

*

Als sie den Flugwagen fanden, waren sie noch zudritt. Drei Soldaten, der Rest einer mächtigen Armee,die ausgezogen war, um die Stadt Kraa zu erobern.Alle anderen Überlebenden waren auf der Streckegeblieben und vor Hunger gestorben.

Rosaar, der Mann, der an der Spitze ging, hob miteiner müden Bewegung den mageren Arm. Aber erst,als er seine beiden Begleiter festhielt, blieben siestehen. Ihre entzündeten Augen blickten ihnverständnislos an.

Sie bewegen sich, ohne zu denken! schoß esRosaar durch den Kopf. Sie sind völlig apathisch vorHunger.

„Der Wagen!“ zischte er. „Dort vorn zwischen deneingestürzten Häusern.“ Es war beinaheschockierend, zwischen dieser vollständigenZerstörung einen Flugwagen zu sehen, der flugfähigzu sein schien.

„Ein Wagen!“ wiederholte Goarg, der zweiteMann, stumpfsinnig.

Poarl, der dritte, strengte seine Augen an undwischte mit der Hand über die Stirn.

„Wo ist er?“ fragte er unglücklich. „Ich kann ihnnicht sehen.“ Rosaar erklärte es ihm, dannschwankten sie nebeneinander auf das Wunder zu.Rosaar wagte nicht daran zu denken, daß sie etwasEßbares finden würden. Er hoffte jedoch, daß er die

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Maschine fliegen konnte. Entsetzt dachte er an dieMöglichkeit, daß sie zu schwach sein würden, umden Eingang zu öffnen, doch als sie näherherankamen, sah er erleichtert, daß der Flugwagenunverschlossen zwischen den Trümmern stand.

Er spürte, wie er schneller wurde. Seine Füßeschleiften über umgestürzte Mauern. Poarl und Goarghielten mühevoll mit ihm Schritt.

Rosaar taumelte durch den offenen Eingang insInnere des Wagens. Hier sah Rosaar mehrere toteSoldaten am Boden liegen. Doch er hatte sich so anden Anblick des Todes gewöhnt, daß er davon nichtmehr berührt wurde.

Dann sah er noch etwas. Eine kleine Kiste, mit dertypischen Kennzeichnung aller Nahrungspakete. Miteinem unartikulierten Laut stürzte Rosaar darauf zu.Er blieb am Bein eines Toten hängen und fiel genauvor die Kiste. Mit beiden Händen zerrte und riß erdaran herum. Gleichzeitig erwachte Besitzgier inihm. Dies war seine Nahrung. Weder Poarl nochGoarg durften etwas davon erhalten. Er scharrte dieeinzelnen Nahrungsmittel, die aus der Kiste fielen,unter seiner Brust zusammen. Da hörte erschmatzende Geräusche hinter sich. Er blicktezurück. Seine Begleiter hockten im hinteren Teil desFlugwagens in einem Stapel von Nahrungskisten undschlangen alles in sich hinein, was ihre Hände zufassen bekamen.

Mit einem trockenen Schluchzen ließ Rosaar denKopf sinken. Sie hatten einen Transporter gefunden,der mit Nahrungsmitteln vollgestopft war. Bei ihrerersten Durchsuchung der Stadt mußten sie daranvorbeigegangen sein, ohne ihn zu sehen.

Rosaar begann zu essen, bis ihm übel wurde. Dannsank er in sich zusammen und schlief ein.

Er wußte nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als erwieder erwachte. Er schlug die Augen auf und dachteseltsamerweise sofort an Groon. Es war einbeunruhigender Gedanke, den er sofort aus seinemGehirn vertrieb. Für Rosaar bestanden keine Zweifeldaran, daß sein Anführer nicht mehr unter denLebenden weilte.

Rosaar fuhr seinen Kopf aus und sah Poarl undGoarg zusammengerollt zwischen denLebensmittelkisten liegen. Im Schlaf zuckten ihreKörper und schienen noch einmal die Strapazen desKampfes und des Hungers durchzustehen.

Rosaar rief sie an, doch sie reagierten nicht. Erst,als er sie mit leeren Büchsen bombardierte, hoben sieihre Köpfe.

Rosaar stand auf und ging in den Steuerraum.Auch hier schien noch alles intakt zu sein. Auf dieKanzel des Transporters waren zwei schwereGranatwerfer montiert. Unmittelbar neben den beidenVordersitzen erkannte Rosaar einen bestücktenBombenschacht. Das alles machte ihn zuversichtlich.

Er traute sich zu, den Flugwagen zu steuern, wenn esüberhaupt noch möglich war.

Hinter ihm kamen die beiden anderen herein.„Ich bin noch müde“, beschwerte sich Poarl. „Wir

sollten noch etwas schlafen.“ Rosaar schaute ihnverächtlich an. „Sollen wir warten, bis diegeflüchteten Bewohner Kraas zurückkommen? Eswird Zeit, daß wir von hier aufbrechen. Wir wollenuns um den Flugwagen der Fremden kümmern, der inder Ebene liegt. Jetzt können wir das Bloos aus derLuft angreifen, ohne in Gefahr zu geraten.“

„Wir sollten besser sofort nach Hause fliegen“,wandte Goarg ein. „Was kümmert uns die fremdeMaschine?“ Rosaar erkannte mit plötzlichem Stolz,daß er schlauer als seine beiden Begleiter war. Sieakzeptierten ihn als Führer.

„Wir haben eine Armee verloren“, erklärte ergelassen. „Niemand in unserer Stadt wird sich überdrei Überlebende freuen, die mit leeren Händenzurückkommen.“ Goarg sagte schrill: „Du willst denFlugwagen der Fremden erobern?“

„Das habe ich vor“, bekannte Rosaar.Ohne sich um die beiden anderen zu kümmern,

begann er den Kommandostand des Flugwagens zuuntersuchen, um sich mit der Steuerung vertraut zumachen. Das Flugzeug gehörte zur Ausrüstung desvernichteten Feindes, aber im Prinzip glich es jenen,die sie in ihrer Armee mitgeführt hatten.

Rosaar schloß den Eingang. Er befahl den beidenSoldaten, auf den Sitzen Platz zu nehmen. Poarl undGoarg trugen Lebensmittel bei sich, als fürchtetensie, der Hunger könnte zurückkehren.

Rosaar untersuchte die beiden Granatwerfer. Poarlkam zu ihm.

„Ich gehörte zu den Schützen“, sagte er. „Ich kannmit Waffen gut umgehen.“ Rosaar nickte befriedigt.Er ließ Poarl hinter den Granatwerfern Stellungbeziehen und befahl ihm, die Funktion der Waffengenau zu studieren. Er selbst wollte denBombenschacht öffnen, wenn sie das Bloos angreifenwürden.

Rosaar fand den Schalthebel zum Schließen desEingangs. Er wartete, bis der Wagen startbereit war,dann ließ er ihn zwischen den Trümmernherausgleiten. In allen Fugen ächzend, hob sich dasprimitive Flugzeug vom Boden ab. Der Lärm derbeiden großen Rotoren klang bis in den Steuerraumherein.

Rosaar sah die Trümmer unter sichhinweghuschen. Seine Augen suchten den Horizontab, bis er sein Ziel gefunden hatte. Geräuschvolländerte der Flugwagen die Richtung und flog derweiten Ebene entgegen.

*

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Für Gessink bedeutete es eine fürchterlicheSchmach, seine Behausung verloren zu haben. Eswar das Schlimmste, was einem Bloos widerfahrenkonnte. Gessink nahm an, daß jetzt ein Soldat imInnern der Höhle hockte und die BemühungenGessinks belächelte, sich gewaltsam Eintritt zuverschaffen.

In sinnloser Wut schmetterte Gessink seine Armegegen den toten Soldaten, den er vom Dach geworfenhatte. Er sah zwar, daß der verschlossene Eingangetwas eingedrückt war, aber seine Intelligenz reichtenicht aus, um den Grad der Zerstörung richtigeinzuschätzen. Er ließ sich auf den rauen Bodensinken und streckte alle Arme von sich. Bevor erdiese wunderbare Höhle aufgab, würde er liebersterben. Obwohl er hungrig war, ließ er seine totenGegner unbehelligt, denn es widerstrebte ihm, seineMahlzeiten im Freien zu präparieren.

Bisher hatte Gessink geglaubt, daß es nichts gab,was der ungeheuren Kraft seiner Arme widerstehenkönnte, doch der geschlossene Eingang hatte diesenGlauben schwer erschüttert. Wenn das Bloos seineArme mit voller Wucht auf einen Felsen trommelnließ, konnte es diesen zu Staub zerschlagen.

Gessink schniefte angewidert, als der Geruch derlängst erloschenen Uniformfetzen zu ihmherangeweht wurde. Er richtete sich auf und entferntesich von seiner Behausung. Er verfügte jetzt wiederüber genügend Kraft, um sich noch einmal gegen denversperrten Höhlenzugang zu werfen. Auf seinenBeinen kroch er wie eine schwarze Riesenspinnevoran.

Langsam wandte er sich um. Seine Muskelnversteiften sich. Seine Beine knickten ein, dann floger mit unglaublicher Geschwindigkeit dem Shiftentgegen. Er bremste auch unmittelbar vor derSchleuse nicht ab. Jedes andere Wesen des PlanetenHorror wäre von dem fürchterlichen Aufprall getötetworden, mit dem sich das Bloos gegen die äußereSchleusenwand warf.

Es gab einen explosionsartigen Knall, als dieWand aus ihrer Verankerung gerissen wurde undzusammen mit dem wütenden Angreifer in dieSchleusenkammer fiel. Gessinks Beine hämmerten indie Trümmer hinein, er schrie seinen Zorn und seinenTriumph heraus und wälzte sich über den zerstörtenEingang hinweg.

Seine kleinen, bösartigen Augen richteten sich insInnere der Höhle.

In wilder Erregung schlugen seine Zähnegegeneinander.

Dann stieg Gessink über die eingefalleneSchleusenwand hinweg, um den zu suchen, der esgewagt hatte, seine Behausung für sich in Anspruchzu nehmen.

*

Sie schwebten über den Stadtrand dahin, aber auchhier änderte sich das Bild der Zerstörung nicht. Eswar eine Sache, eine Stadt zu erobern und sie zuvernichten, aber es war eine andere Sache, späterüber sie hinwegzufliegen und zu sehen, was mangetan hatte. Es war keine Reue, die Rosaar empfand,aber der Anblick der eingestürzten undausgebrannten Gebäude löste ein unerklärlichesUnbehagen in ihm aus, und er fragte sich, was erwohl denken würde, wenn er seine eigene Stadteinmal so sehen müßte.

Goarg und Poarl schienen nicht von derartigenÜberlegungen belastet zu werden. Sie beschäftigtensich damit, die Lebensmittel zu sortieren und imSteuerraum aufzustapeln.

Rosaar blickte auf die Ebene hinaus, auf den rotenSand und die steilaufragenden Felsnadeln. In weiterFerne erkannte er einen winzigen Punkt: dieFlugmaschine der Fremden, die jetzt von einemBloos beherrscht wurde.

Rosaar hoffte, daß der Treibstoff für seinVorhaben ausreichen würde. Immer wieder mußte eran Groon denken. Manchmal begann er am Tod desAnführers zu zweifeln. Soldaten wie Groon schienengegenüber dem Tod eine unerklärliche Immunität zubesitzen. Rosaar sträubte sich gegen seine unbewußteGlorifizierung von Groons Person. Er mußte sichauch gefühlsmäßig von dem Armeeführer lösen,wenn er Poarl und Goarg beherrschen wollte.

„Warum fliegen wir direkt auf den Flugkörper zu,in dem das Bloos haust?“ fragte Poarl und streckteseinen Kopf zur Tür des Steuerraums herein.

„Es ist vollkommen gleichgültig, von welcherSeite wir uns nähern“, erwiderte Rosaar geduldig.„Das Raubtier wird uns hören.“ Die Aussicht, vondem Bloos entdeckt zu werden, schien den Soldatennicht fröhlicher zu stimmen. Rosaar hatte längstbemerkt, daß seine Begleiter wenig Neigungverspürten, ihre satte Sicherheit aufzugeben, um ihnin einen neuen Kampf zu begleiten. Bisher hatten sieihren Unwillen noch nicht offen bekundet, undRosaar vermutete, daß sie es auch nicht wagenwurden, denn schließlich konnte nur er denFlugwagen steuern.

„Vielleicht hat Groon das Bloos bereits getötet“,bemerkte Goarg, als er sich an Poarl vorbeischob undden Steuerraum betrat. Ärgerlich hörte Rosaar dieFurcht aus Goargs Stimme.

„Groon ist tot!“ wies er ihn barsch zurecht.„Niemand kann gegen ein Bloos bestehen, nur miteinem Karabiner und sieben Schuß Munition.“ DieBlicke, die Poarl und Goarg wechselten, zeigtenRosaar, daß die beiden Soldaten Groon alles

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mögliche zutrauten, auch die Tötung eines Bloos -und sei es mit einem armseligen Karabiner.

Rosaar umklammerte die Steuerung, bis seineKnöchel weiß wurden, dann hatte er sich wieder inder Gewalt. Schweigend bezog Poarl den Platz hinterden Granatwerfern, während Goarg unschlüssigneben dem Eingang stand und offenbar daraufwartete, wie sich die Dinge entwickelten.

Der dunkle Punkt, der die fremde Flugmaschinewar, nahm rasch an Größe zu. Rosaar hielt direktdarauf zu. Das Geräusch der Rotoren war ihm nunschon vertraut und beunruhigte ihn nicht mehr. DieFunktion einiger Kontrollgeräte konnte er sich nichterklären, aber sie schienen für den Flug nicht sowichtig zu sein. Der Flugwagen hielt sich in einerdurchschnittlichen Höhe von zwanzig Metern. Rosaarwollte in der Nahe des Flugkörpers höher gehen, umnicht von der Wirkung der eigenen Bomben erfaßt zuwerden, die er abzuwerfen beabsichtigte. Zunächstjedoch wollte er sich genau umsehen.

Die zunehmende Nervosität der Soldaten entgingihm nicht. Hoffentlich blieb Poarl ruhig, wenn er denGranatwerfer bedienen mußte.

Sie waren jetzt so nahe, daß sie Einzelheitenunterscheiden konnten.

Plötzlich stieß Goarg einen Ruf aus.„Groon!“ Sein Kopf zitterte, als er sich weit über

die Kanzel beugte.Rosaar sah den toten Armeeführer vor dem

Flugkörper der Fremden liegen. Das Bloos hatteGroon übel zugerichtet.

„Er hat gegen das Raubtier gekämpft“, sagte Poarlschuldbewußt. „Wir sind geflüchtet, aber er hat sichzum Kampf gestellt.“

„Er war ein Narr!“ Rosaar machte eineentschiedene Geste. „Er konnte nicht überlegen, sonsthätte er uns in die Stadt begleitet.“

„Wenn er ein Narr war, dann war er ein sehrtapferer Narr“, stellte Poarl ruhig fest, und Rosaarfühlte, daß er jetzt besser schwieg. Er steuerte denFlugwagen über den Kampflatz hinweg, ohne daß sieeine Spur des Bloos entdecken konnten.

„Es muß immer noch im Innern der Maschinesein“, vermutete Goarg.

„Wir locken es mit einigen Schüssen heraus“,sagte Rosaar.

Der Flugwagen gewann an Höhe. Bevor sie jedochdie ersten Bomben ausklinken konnten, geschahetwas, was ihre Pläne vorerst zum scheitern brachte.

Über den Hügeln hinter der Ebene stieg eineFlugmaschine der Fremden empor. Sie glich jener,die von dem Bloos besetzt wurde. Rosaar sah siezuerst.

„Was jetzt?“ fragte Poarl, der sie gleich daraufentdeckte.

„Wir müssen die Fremden angreifen“, entschied

Rosaar. „Sie sind schneller als wir und werden unseinholen, wenn wir flüchten.“ Poarl kauerte sichhinter den Granatwerfern zusammen. Jetzt, dachteRosaar sarkastisch, konnte er den beiden anderenbeweisen, daß seine Tapferkeit der Groons nichtnachstand.

*

Obwohl Gessink seine Höhle dreimal gründlichdurchsucht hatte, fand er keine Spur einesEindringlings. Er begann zu glauben, daß sich derEingang durch einen Zufall geschlossen hatte.Allmählich wurde er ruhiger. Nichts deutete daraufhin, daß sich außer ihm noch jemand in derBehausung aufhielt. Gessink spähte zum Einganghinaus, aber auch dort regte sich nichts.

Gessink schnaubte erleichtert und wandte sichseinem Opfer zu, das tot in der Nähe des Eingangslag. Jetzt hatte er genügend Ruhe, um es zupräparieren. Nach wie vor glaubte das Bloos, daß eseine ausgezeichnete Höhle besaß, wahrscheinlich diebeste, die es in diesem Lande finden konnte. Immerwieder würde es um ihren Besitz kämpfen,gleichgültig, wer sie ihm streitig machen wollte.

Gessink schob sich über den toten Soldaten. Diewenigen Uniformfetzen, die noch zurückgebliebenwaren, störten ihn nicht. Er öffnete seine Säuredüsenund begann sein Opfer gleichmäßig einzusprühen.

9.

Das Dröhnen wurde unerträglich und schien dieTrommelfelle der Männer zu zerreißen. DieFlaschenzüge, an denen sie sich festklammerten,begannen zu vibrieren, die Stricke, die zu denSchaltungen hinaufführten, zitterten wie Stahlfedern.

Perry Rhodan hatte damit gerechnet, daß der Startzu einer Qual würde. Erschütterungen, die einnormalgewachsener Mensch nicht wahrnahm,bedeuteten für die Mikrowesen schon ein mittleresErdbeben. Angespannt schaute Rhodan zu denSchaltungen hinauf. Jetzt kam es darauf an, ob diefestgezurrten Stricke den Belastungen standhielten.Was sie vorhatten, war ein halber Blindflug, denn eswar fast unmöglich, von hier unten aus dieKontrollen richtig abzulesen.

Icho Tolot hielt sich als einziger zwischen denHebeln auf, um sofort einzugreifen, wenn es sich alsnotwendig erweisen sollte. Die beiden Mausbiberhielten sich ebenfalls bereit, aber es blieb fraglich, obihre geschwächten paranormalen Fähigkeiten imentscheidenden Moment ausreichen würden.

Alle Männer standen bereit, um sich gegen dieHebel der Flaschenzüge zu stemmen, wenn eineRichtungsänderung nötig sein sollte.

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Rhodan hob den Arm. Er wußte, daß er von allenbeobachtet wurde.

„Schaltet den Antigravantrieb ein!“ befahl er.Sieben Männer legten einen Hebel um, der größer

war als sie alle zusammen. Das Seil wurde schlaff,als der an ihm befestigte Schalter in der Arretierungeinrastete.

„Ausgezeichnet!“ brüllte Tolot von oben zu ihnenherunter.

Rhodan versuchte auf dem riesigen Bildschirm derAußenbeobachtung etwas zu erkennen, aber dieMattscheibe glich einem unermeßlichen Ozean vollgrauer Schatten.

„Wir heben ab!“ schrie jemand.Rhodan erschauerte. Sie hatten das Unmögliche

geschafft und den Shift zum Fliegen gebracht.Winzige Wesen von knapp zwei Millimetern Größezwangen eine Maschine von zehn Metern Längeunter ihre Kontrolle. Rhodan verstand dieBegeisterungsausbrüche der Männer.

„Haltet euch bereit!“ rief er ihnen zu. „Dieschwierigste Aufgabe steht uns noch bevor.“ Höherund höher stieg der Shift. Auf dem Bildschirmwechselten die Schatten ihre Farbe. Es wurde hellerund heller. Das war der sichtbare Beweis, daß derAntigravantrieb funktionierte.

Rhodan beabsichtigte, den Shift so hoch steigen zulassen, daß er durch niedrige Felsformationen nichtmehr gefährdet werden konnte. Die einzigenHindernisse würden dann noch die mächtigenFelsnadeln sein, die bis in den Kunsthimmelhinaufragten. Rhodan hoffte, daß es ihnen gelang,sicher an diesen gigantischen Gebildenvorbeizukommen.

„Wir sind hoch genug“, rief Tolot von seinemunsicheren Platz aus.

Rhodan zögerte einen Augenblick. Nun kam dieentscheidende Sekunde, in der sie die Triebwerkestarten mußten. Er wünschte, daß ihnen das ebensogut gelang, wie das Einschalten desAntigravantriebes.

Inzwischen waren auch Omar Hawk und seinOkrill zu ihnen heruntergekommen. Lediglich MajorSedenko war in einem der OLDTIMER geblieben,um die Mannschaft von Don Redhorse abzuholen.Sedenko sollte mit seiner F-913 G von derLadefläche des Shifts aus starten und in den zweitenRaupenpanzer einfliegen. Dort sollte er RedhorsesGruppe übernehmen und in den gestarteten Shiftzurückkehren.

Rhodan war sicher, daß dieses Manöver nicht ohneSchwierigkeiten verlaufen würde. Im Augenblickjedoch gab es noch andere Probleme.

„Triebwerke einschalten!“ rief er.Während ein Teil der Männer mit allen Kräften an

den entsprechenden Flaschenzügen arbeitete, wartete

der andere einsatzbereit an den Stricken, die zurSteueranlage hinaufführten.

Der Antigravantrieb setzte aus. Für einenAugenblick hing der Shift antriebslos in der Luft,dann machte er einen Satz nach vorn. Rhodan hätteden Halt verloren, wenn er sich nicht rechtzeitig aneinen Strick geklammert hätte.

Tolot schrie seine Befehle zu den Männern an denSteuerseilen herunter. Der Raupenpanzer taumelteund schlingerte, aber er behielt seine einmal erreichteHöhe bei. Die Raumfahrer rutschten hin und her. DieFlaschenzüge drohten aus ihren Verankerungen zureißen. Der Flug erinnerte Rhodan an eine Fahrt aufeinem winzigen Schiff inmitten eines aufgewühltenMeeres.

Auf dem Bildschirm, der für Rhodans Mikroaugeneinen halben Kilometer durchmaß, zeichnete sich dasoffene Land ab. Weit im Hintergrund glaubte Rhodandie Silhouette der zerstörten Stadt zu erkennen.

Träge, wie ein urweltliches Ungetüm, schob sichdas Allzweckfahrzeug voran. Die Männer an denSteuerseilen mußten alle Kraft aufbieten, um denKurs zu halten. Rhodan, der sich ebenfalls gegen denHebel seines Flaschenzuges stemmte, spürte, wieseine Adern an den Schläfen hervortraten.

Endlich gelang es ihnen, die Flugbahn des Shiftszu stabilisieren. Nicht ein einziges Seil war gerissenRhodans Zuversicht stieg.

„Können Sie Einzelheiten auf dem Bildschirmausmachen?“ rief er zu Tolot hinauf.

Der Haluter war von Rhodans Platz aus kaum zusehen.

„Ich glaube, ich sehe den Shift“, gab er zurück.Rhodan dachte an Sedenko, der jetzt auf der

Ladefläche stand und auf das Land hinabblickte, umsofort zu starten, wenn das Allzweckfahrzeug in seinBlickfeld geriet.

Alles schien so zu verlaufen, wie Rhodan esgeplant hatte.

„Da ... da ist etwas vor uns in der Luft!“ schrieTolot plötzlich.

Rhodans Kopf flog hoch. Er sah einen großenschwarzen Fleck auf dem Bildschirm, der sichoffenbar bewegte. Das Gefühl einer nahenden Gefahrerwachte in Rhodan. Die Blauen Herrscher fielen ihmein. Hätte er nicht mit eigenen Augen ihr Endemitverfolgt, er hätte daran geglaubt, daß ein Angriffeiner dieser Station bevorstand.

„Das unbekannte Flugobjekt hält auf uns zu“, gabTolot bekannt.

Rhodans Blicke suchten Atlan. Der Arkonide standzusammen mit vier anderen Männern an einemSteuerseil und wartete auf seinen Einsatz. Instinktivschien er zu spüren, daß ihn Rhodan anblickte. Erschaute und lächelte.

Rhodan wußte, daß sie jedem Angreifer wehrlos

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ausgesetzt waren. Sie konnten weder einenAbwehrschirm errichten, noch das Feuer auf einenGegner eröffnen.

„Ich spüre schwache Mentalimpulse“, gab Guckybekannt.

„Kannst du herausfinden, wer das Flugobjektsteuert?“ wollte Rhodan wissen.

Gucky schien einen Augenblick auf unhörbareStimmen zu lauschen.

„Ich denke, daß es ein paar Schnorchel sind“, sagteer dann.

Rhodan atmete auf. Wenn Gucky recht hatte, dannbestand kaum Gefahr. Die Bewohner von Kraawürden sich daran erinnern, wer sie von dem Terrorder Blauen Herrscher befreit hatte.

Da fegte ein Blitz über den Bildschirm undblendete Rhodan. Gleich darauf erfolgte dieDetonation. Der Shift machte einen Sprung nachvorn. Einige Männer schrieen auf und verloren denHalt. Rhodan klammerte sich verzweifelt fest.

„Haltet die Steuerseile!“ schrie er.Wenn sie jetzt die Kontrolle über den Flugpanzer

verloren, war alles aus.„Bist du sicher, daß es Schnorchel sind?“ fragte

Rhodan Gucky.„Ja!“ schrillte der Mausbiber. „Aber sie scheinen

nichts von unserer Freundschaft zu wissen. Was ichvon ihren Gedanken aufschnappen kann, besteht nuraus Bosheit und Angriffslust.“ Die zweite Explosionlag weiter ab und konnte dem Shift nicht schaden.Rhodan gab sich jedoch keinen Illusionen hin. Eineinziger Volltreffer würde ihrem Flug ein Endebereiten.

„Wir müssen beschleunigen!“ rief er Tolot zu.Er glaubte zu sehen, wie der vierarmige Riese sich

gegen den entsprechenden Schalter stemmte.Sedenko fiel ihm ein, der jetzt eine unlösbareAufgabe zu bewältigen hatte. Hoffentlich war derMajor nicht bei der ersten Erschütterung zusammenmit den OLDTIMERN von der Ladefläche gestürzt.

„Der Gegner kommt näher!“ teilte Tolot mit.Wie um seine Worte zu unterstreichen, explodierte

die dritte Granate unmittelbar über dem Shift. DerLuftdruck trieb das schwere Flugzeug schräg nachunten. Die Männer, die inzwischen mühsam an ihrePlätze zurückgekehrt waren, wirbelten abermalsdurcheinander. Zwei der Steuerseile rissen, und derShift neigte sich vornüber.

Rhodan erkannte, daß die Katastrophe kaum nochzu verhindern war.

Er verließ seinen Platz und rannte über denunsicheren Boden auf die bedrängte Mannschaft zu.Da wurde das Raupenfahrzeug schlagartig schneller.

Rhodan verlor das Gleichgewicht und fiel zuBoden. Der Shift bäumte sich auf wie ein rasendesTier. Die Triebwerke brüllten. Rhodan schlitterte

quer über den Boden. Er landete unsanft inmitteneiner Steuermannschaft. Weit hinter ihnenexplodierte die vierte Granate.

„Sie verfolgen uns!“ schrie der Haluter.Mit Handzeichen trieb Rhodan die Männer zum

Handeln an. Gemeinsam warfen sie sich in das Seilund zwangen die Steuerung herum.

„Felsendom voraus!“ kam Tolots Warnruf.Die fünfte Granate übertönte fast seinen Schrei.

Sie lag wieder näher, aber der Shift war bereits überihre Wirkungszone hinausgerast.

Ein Blick auf den Bildschirm zeigte Rhodan inüberraschender Deutlichkeit, daß sie jetzt unmittelbarüber dem zweiten Shift flogen. Dort warteteRedhorses Gruppe darauf, daß Hilfe kam.

Wenn Major Jury Sedenko, der Zweite Offizier derCREST II, jetzt noch am Leben war, mußte er indiesem Augenblick von der Ladefläche des Shifts miteinem OLDTIMER starten.

Es schien unwahrscheinlich, daß Sedenko Erfolghaben würde. Auch wenn es ihm gelang, Redhorse zubefreien, mußte ein Wunder geschehen, wenn es beiseiner Rückkehr noch einen Shift gab, der denOLDTIMER aufnehmen konnte.

Das Raupenfahrzeug raste auf den Felsendom zu,während hinter ihm ein gnadenloser Gegner diesechste Granate abfeuerte.

*

Sie hockten nebeneinander in der Uniformspangedes toten Soldaten und wagten kaum zu atmen. Dergewaltige Körper des Ungeheuers verdunkelte ihreUmgebung. Die Bestie mußte sich direkt auf demLeichnam niedergelassen haben.

In Kasoms Augen entstand ein UngewissesFlackern, als er sich an Redhorse wandte: „Wirklich,Captain: dies ist der sicherste Platz innerhalb desShifts.“ Redhorse versuchte ein Lächeln.

Der gutmütige Spott des Ertrusers war berechtigt,denn es war Redhorses Vorschlag gewesen, sich hierzu verkriechen.

„Ich glaube nicht, daß wir entdeckt werden“, sagteHenderson. Es klang beschwörend.

Sie konnten nur dasitzen und darauf warten, wasihr Gegner unternehmen würde. Als das Monstrumhereingekommen war, hatte es zunächst allesgründlich untersucht. Dann erst hatte es sich seinemOpfer zugewandt.

Redhorse sah, wie Kasom den Mund öffnete, umirgend etwas zu sagen. Die Worte des USO-Agentengingen jedoch in einem Höllenlärm unter, derRedhorse erschauern ließ. Es klang, als ständen sieunter einem Wasserfall.

„Was, zum Teufel, ist das?“ schrie Losar,Redhorse hatte Mühe, den Waffenmeister zu

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verstehen.Da wurde die hohle Spange, in der sie sich

aufhielten, so erschüttert, daß die fünf Männerübereinander fielen. Eine grünliche, ätzendeFlüssigkeit drang durch die Öffnung zu ihnen herein.Gleichzeitig begann die Spange zu schaukeln.

Wir werden davongespült, dachte Redhorsebestürzt. Er versuchte aus den Lachen zu kriechen,die sich überall bildeten. Die winzige Spange tanztewie ein Brummkreisel auf der Oberfläche desunerwarteten Wolkenbruches herum, den nur dasUngeheuer erzeugt haben konnte.

Es war sinnlos, sich auf den Beinen halten zuwollen. Die Bewegungen des unfreiwilligen Booteswarfen die Männer immer wieder auf den Bodenzurück. Redhorse hielt die Arme über dem Kopfverschränkt, um sich vor den harten Stößen zuschützen.

Er taumelte gegen Kasom. Der Ertruser mit seinenBärenkräften packte den Captain und hielt ihn hoch.Fast im gleichen Augenblick gab es einen heftigenSchlag, und die Spange kam zur Ruhe. Von draußendrang das Plätschern der unerwarteten Flut herein.

„Puuh!“ machte Kasom und wischte über seinfeuchtes Gesicht. „Diese Bootsfahrt werde ich meinLeben lang nicht vergessen.“ Redhorse sah, wieSengu systematisch auf die Öffnung zukroch undhinausblickte. Gleich darauf wandte sich dasschwarze Gesicht des Mutanten in ihre Richtung.

„Wir sind in die Schleuse geschwemmt worden“,sagte er fassungslos. „Ringsum sind wir von diesergrünlichen Brühe umgeben. Die Spange liegt aufeinem Trümmerstück der Schleuse.“

„Schöne Aussichten!“ meinte Redhorse mitGalgenhumor.

Sie versammelten sich am Ausgang ihresUnterschlupfes. Redhorse schaute in die Fluten, diein Wirklichkeit nur ein harmloses Rinnsal waren.

„Wir müssen hier heraus, bevor wir irgendwounter die Trümmer getrieben werden.“ Er kniff dieAugen zusammen und sprang hinaus. Er hatteerwartet, daß die Flüssigkeit über ihmzusammenschlagen würde, doch sie reichte ihm nurbis zur Hüfte. Er watete auf das Ufer zu, das sich inForm eines aufragenden Metallstückes vor seinenAugen ausbreitete. Hinter ihm folgten Kasom undHenderson.

Redhorse zog sich aus der grünen Brühe und bliebschweratmend sitzen.

Er sah, wie die Spange wieder zu schaukelnbegann, als Sengu und Losar aus ihr heraussprangen.Gleich darauf wurde sie von der wiederanschwellenden Flut erfaßt und abgetrieben.Schwimmend erreichten Losar und er Mutant denrettenden Platz.

Henderson hob schnüffelnd den Kopf.

„Sie riechen nicht gerade angenehm, Don“, sagteer grinsend.

Redhorse hob den Arm und vergrub seineIndianernase im nassen Ärmel der Uniform.

„Es wird nachlassen“, stellte er lakonisch fest.Kühler Wind drang durch die gewaltsam geöffnete

Schleuse und ließ die Männer erschauern. Sofortstand Redhorse auf.

„Ich glaube, wir können uns jetzt auf den Wegmachen“, schlug er vor. „Es wird einige Zeit dauern,bis wir einen sicheren Platz gefunden haben, vondem aus wir den OLDTIMER sehen können, der unsabholen wird.“ Er sagte noch etwas, aber seine Wortegingen im Donner einer Explosion unter, der raschhintereinander fünf weitere folgten.

Die Männer schauten sich an.„Irgend etwas ist im Gang“, sagte Henderson

bedrückt.„Ich wünschte, wir hätten das alles schon hinter

uns“, sagte Losar.Sie begannen sich durch die Trümmer

vorzuarbeiten, obwohl sie jetzt nicht mehr mitSicherheit sagen konnten, was sie an ihrem Zielerwartete.

*

Von Major Jury Sedenko wurde behauptet, er seiso ruhig, daß er am Rande eines aktiven Vulkansstehen und sich Feuer für seine Zigarette nehmenkonnte, bevor er die Flucht vor den Lavamassenergriff. Das war natürlich eine Übertreibung, aberSedenko war tatsächlich ein wortkarger Mann, deralles was er tat, mit Gelassenheit erledigte.

Vielleicht war es diese sprichwörtliche Ruhe, dieSedenko vor dem Tode rettete. Ohne sich zu rühren,hockte er im Pilotensitz des OLDTIMERS undwartete den richtigen Augenblick zum Start ab,während ringsum die Hölle losgebrochen war.

Sedenko wußte, daß nur noch Trümmer von derMaschine übrigbleiben würde, wenn er nichtaufpaßte. Die zitternde Ladefläche konnte sich ineine unbarmherzige Katapultiermaschineverwandeln, wenn sie den gerade aufsteigendenOLDTIMER traf. Sedenko mußte warten, bis dieErschütterungen nachließen; er mußte warten,obwohl sie den Shift bereits passiert hatten, in demsich die fünf Männer aufhielten, die er zu rettenbeabsichtigte. Als Sedenko endlich das Flugzeugstartete, tat er es ohne Hast. Die Ladefläche desAllzweckfahrzeugs blieb unter ihm zurück. DerMajor lehnte sich im Sessel zurück und atmete tiefein. Die Anspannung der vergangenen Minuten fielvon ihm ab. Im Augenblick bestand keine Gefahr fürihn, denn er bot mit seiner winzigen Maschine keinsichtbares Ziel für den Gegner, der den Shift

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hartnäckig verfolgte.Sedenko steuerte den OLDTIMER in die Richtung

zurück, aus der sie mit dem Allzweckfahrzeug geradegekommen waren. Nun konnte er weit voraus denzweiten Shift sehen. Sedenko hielt direkt darauf zu.Von dem Ungeheuer, das Redhorses Gruppe so zuschaffen machte, konnte er nichts entdecken. DerMajor begann zu befürchten, daß es der Bestiegelungen war, in den Shift einzudringen.

Der Zweite Offizier der CREST II biß die Zähnezusammen und flog weiter. Solange er sich nichtpersönlich vom Schicksal der fünf Männer überzeugthatte, würde er nicht umkehren.

Als er unmittelbar über den Flugpanzerdahinschoß, sah er zwei tote Schnorchel vor derSchleuse liegen. In einiger Entfernung entdeckte ereinen dritten Toten. Sedenko verlangsamte dieGeschwindigkeit und ließ den OLDTIMER in dieTiefe sinken.

Er flog jetzt so, daß er die Schleuse beobachtenkonnte. Was er sah, ließ ihn aufstöhnen. Die äußereSchleusenwand war gewaltsam aufgebrochen wordenund in die Kammer gestürzt. Sedenko konnte leichterraten, wer für die Zerstörung verantwortlich war.Er begann sich ernsthafte Sorgen über das Schicksalder fünf Männer zu machen, die er hier abholensollte.

Sedenko ignorierte seine eigene Sicherheit undsteuerte den OLDTIMER der offenen Schleuseentgegen. Seine Augen erspähten eine breitflächigeMetallplatte, die er als Landebahn benutzen konnte.Wenige Augenblicke später setzte das Fahrgestell deswinzigen Flugzeuges auf. Sedenko ließ den Antrieblaufen, um ohne Verzögerung wieder starten zukönnen. Dann öffnete er die Kanzel. Wind blies ihmins Gesicht, Wind, der einen ekelerregenden Geruchheranwehte. Sedenko gehörte nicht zu den Männern,die sich durch so etwas aufhalten ließen. Er kletterteaus dem Flugzeug und ließ sich auf die Landebahnhinabgleiten. Nun mußte er sich neu orientieren.

Von irgendwoher kamen Geräusche, die Sedenkoan das Gurgeln eines Sturzbaches erinnerten. Erbeschleunigte sein Tempo und erreichte das Ende derMetallplatte. Von diesem Platz aus konnte er fast diegesamte untere Schleusenkammer überblicken, diesich wie eine Landschaft vor ihm ausbreitete. Etwaeinen Kilometer von ihm entfernt toste ein grünlichschillernder Fluß zwischen den Trümmern deräußeren Schleusenwand. Gewaltsam erinnerte sichSedenko an die Tatsache, daß der Kilometer nur einMeter und der Fluß nur eine kleine Pfütze war.

Sedenkos geübten Augen entging nicht, welcheSchwierigkeiten ihn auf dem Weg ins Shiftinnereerwarteten. Überall türmten sich Trümmerberge auf.Der Major wagte nicht daran zu denken, wasgeschehen konnte, wenn der unbekannte Gegner

herauskam. Dabei konnte der OLDTIMER vernichtetwerden. Diese Vorstellung genügte, um Sedenko zunoch größerer Eile anzutreiben. Er rannte auf dieandere Seite der Metallplatte, von wo er leichter aufden Boden der Schleuse gelangen konnte. Er hörtedas Trommeln seiner schweren Stiefel auf demMetall, aber darüber machte er sich keine Gedanken.Für Wesen von der Größe eines Menschen bliebdieser Lärm unhörbar.

Er sprang von der Metallplatte auf eineaufgerissene Lasche und blieb einen Augenblickstehen. Die Platte ragte ein Stück über die Laschehinweg. So entstand ein dunkler Hohlraum, derSedenkos Blicken verborgenblieb. Der Major wollteweitergehen, als er hörte, wie jemand seinen Namenrief. Ruckartig blieb er stehen. Dann fuhr er herum.

Unterhalb der Platte tauchte Melbar Kasomsgroßer Kopf mit der zerzausten Sichellocke auf.Gleich darauf schob sich Redhorses Indianergesichtheraus.

Der Captain lächelte.„Was machen Sie hier, Sir?“ erkundigte er sich.Sedenko winkte den Männern zu.„Wir müssen uns beeilen!“ rief er. „Wir haben den

Shift gestartet, aber wir wurden angegriffen.“ Ermußte keine weiteren Erklärungen geben. An derSpitze der Männer rannte er zur Maschine zurück. InSekundenschnelle verschwanden die Geretteten mitihren klatschnassen, stinkenden Uniformen innerhalbdes Flugzeuges. Sedenko ließ sich in den Pilotensitzsinken. Gleich darauf hob sich die Maschine von derMetallplatte ab.

„Wo ist der Shift im Augenblick?“ fragte Kasom.Sedenko schaute über die Schulter. „Wenn ich das

wüßte, wäre alles sehr einfach“, gab er zurück.Aufheulend schoß die F-913 G davon. Der nutzlos

gewordene Allzweckpanzer blieb unter ihnen zurück.Sedenko klopfte mit dem Knöchel seines rechtenZeigefingers gegen den Treibstoff-Anzeiger.

„Wir haben ungefähr noch für fünfhundertKilometer Treibstoff“, erklärte er. „Daran können Sieermessen, wie schnell wir den Shift finden müssen.“Sie rasten über das Land dahin, vorbei an der totenStadt Kraa, auf die fernen Gebirge am Ende derEbene zu. Schließlich entdeckte Sedenko denfeindlichen Flugkörper, der den Shift angegriffenhatte.

„Er kommt auf uns zu“, stellte der Major fest. „Essieht so aus, als wollte seine Besatzung nach Kraazurückfliegen.“ Er kniff die Augen angestrengtzusammen, aber der gestartete Shift war nicht zusehen.

„Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten“,meinte Wuriu Sengu. „Entweder wurde der Panzerabgeschossen oder er ist entkommen.“

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*

Der Bildschirm schien zu erlöschen, aber es warnur die Fläche der Felswand, die ihn verdunkelte.Rhodan senkte den Kopf. Jeden Augenblick mußteder Aufprall erfolgen, der ihren Bemühungen einEnde setzen würde. Sie waren dem Gegnerentkommen, doch die Steuerung des Shifts reagiertezu langsam.

„Wir sind vorbei!“ schrie Tolot.Fast gleichzeitig mit Rhodan ließen die anderen

Männer die Hebel der Flaschenzüge los. Dieübermächtige Anstrengung hatte sie überfordert.

Als Rhodan aufblickte, wurde der Bildschirmheller. Offenes Land zeichnete sich darauf ab.

„Drosseln Sie die Geschwindigkeit!“ rief Rhodanzu dem Haluter hinauf.

Allmählich begann die Flugbahn des Shifts sichwieder zu stabilisieren. Rhodan ließ die kräftigstenMänner an den Seilen zurück, damit sie sofort dieRichtung des Shifts ändern konnten, wenn es daraufankam. Die anderen erhielten ihre längst verdienteRuhepause.

Atlan folgte Rhodan bis unmittelbar unter demKommandosessel.

„Jetzt haben wir Aussichten, die Gelbetage zuerreichen und Funkkontakt zur CREST IIherzustellen“, sagte der Arkonide.

Rhodan runzelte die Stirn. „Wo bleibt deinPessimismus, Admiral?“

„Ich werde ihn an Major Sedenko verschwenden“,meinte Atlan. „Und an die fünf Männer, die erabholen soll.“ Rhodan wurde ernst. „Glaubst du, daßSedenko in Schwierigkeiten gerät?“

„Nein“, antwortete Atlan trocken, „ich glaube, daßer schon bis über beide Ohren drinsteckt.“

*

Niemals zuvor war Major Jury Sedenko dieLandschaft der Rotetage so trostlos und verlassenvorgekommen, wie in diesen Stunden. Fast nochtrostloser war der Anblick des Treibstoffanzeigers.Unerbittlich verringerte sich die Menge in den Tanks.Sedenko schätzte, daß sie noch zweihundertKilometer fliegen konnten. Da das Leben dergesamten Besatzung der CREST II von RhodansRückkehr abhing, konnte sich der Chef nichterlauben, auf den von Sedenko geflogenenOLDTIMER zu warten. Darüber waren sich die sechsMänner an Bord der Maschine im klaren. Wenn sieden Shift nicht landen, bevor er in die Gelbetagevorstieß, mußten sie in der zweiten Ebene derHohlwelt zurückbleiben.

Mit Höchstgeschwindigkeit raste der OLDTIMER

jetzt über das Land, und Redhorse konnte fastzusehen, wie die Leuchtmarke desTreibstoffanzeigers dem Nullpunkt entgegensank.

Dann sah er den großen, schwarzen Schatten desShifts weit vor ihnen zwischen den Bergenauftauchen. Er tippte Major Sedenko leicht auf dieSchultern.

„Schon gesehen, Captain“, sagte Sedenkoaufatmend. „Jetzt können wir es schaffen.“ DieSpitze des OLDTIMERS richtete sich auf die fernenBerge.

„Der Shift ist nicht sehr schnell“, stellte Sedenkofest. „Wir holen rasch auf.“ Auch jetzt waren sienoch nicht endgültig in Sicherheit. Redhorse ahnte,daß die Landung nicht einfach sein würde.

Minuten später hing das winzige Flugzeug überdem Raupenpanzer. Sedenko zeigte nach unten.

„Sehen Sie die Ladefläche, Captain?“ fragte erRedhorse.

Redhorse beugte sich vor. Er konnte die schlankenMaschinen erkennen, die auf der Ladeflächeabgestellt waren.

Sedenko drückte den OLDTIMER allmählichtiefer.

„Der Shift fliegt jetzt ruhig“, sagte er befriedigt.„Während des Starts gebärdete er sich wie ein wildesTier.“ Der Gedanke, daß insektengroße Männerdieses für sie gigantische Allzweckfahrzeugkontrollierten, erfüllte Redhorse mit Stolz. Er hattesich lange genug im Kontrollraum des zweiten Shiftsaufgehalten, um sich über die Größenunterschiede imklaren zu sein, die zwischen den Raumfahrern undden zu bedienenden Anlagen herrschten.

Es gab einen harten Ruck, als Sedenko dieMaschine aufsetzte. Redhorse hielt sich fest, als derOLDTIMER ausrollte. Das Geräusch der Triebwerkeverstummte.

„Wir sind da“, sagte Melbar Kasom. „Jetzt müssenwir ins Innere gelangen.“

„Wir benutzen einen Abluftschacht“, erklärteSedenko. „Tolot hat dort ein Seil befestigt, das in denKontrollraum hinabhängt.“ Nacheinander klettertensie aus dem kleinen Flugzeug. Heftiger Wind bliesihnen entgegen, doch sie konnten sich ohne Gefahrbewegen. Sedenko übernahm die Führung. DerZweite Offizier der CREST II verschwand zuerst imLuftschacht, Losar und Kasom folgten ihm.

Sengu stand neben dem Einstieg und blickteRedhorse an, der wie eine leblose Statue wirkte.

Der Mutant räusperte sich.„Man erwartet uns“, sagte er. „Ich kann sehen, daß

Rhodan und Atlan unterhalb des Schachtes stehen.“„Gehen Sie voraus“, sagte Redhorse. Er wartete,

bis Sengu in den Schacht geklettert war, dann blickteer in den rotgefärbten Kunsthimmel hinauf.Würdevoll verneigte er sich in alle vier

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Himmelsrichtungen.„He-hau!“ Das Dankeswort der Cheyenne kam

andächtig über seine Lippen.Je länger der Flug dauerte, desto langsamer

reagierten die Männer an den Steuerseilen. Rhodanhatte die Mannschaften geteilt, so daß eine Hälfteimmer eine Ruhepause einlegen konnte. Trotzdemging die Belastung weit über die Kräfte derRaumfahrer.

Als sie die Schußöffnung erreichten, die sich dieCREST II gebrochen hatte, um von der zweiten in diedritte Etage vorzudringen, war der Zustand von dreiMännern so bedenklich, daß Rhodan ihnen verbietenmußte, sich weiter an den Steuerarbeiten zubeteiligen.

Wahrscheinlich hätten sie ohne Icho Tolot undMelbar Kasom ihr Ziel nie erreicht. Vor allem derHaluter verrichtete die Arbeit von einem DutzendMänner.

Endlich kamen sie am Himmelsgewölbe der drittenEtage heraus. Achthundert Kilometer unter ihnen lagder Boden der Gelbetage, der gleichzeitig dieInnenseite der äußeren Kugelschale Horrors bildete.

Rhodan legte eine Pause für alle ein, während derShift mit halber Kraft hoch über dem Boden seinemnächsten Ziel entgegenflog. Sie hatten beschlossen,den Panzer unmittelbar neben der Schußöffnung zulanden, die zur Oberfläche hinausführte.

Rhodan ließ seine Steuermannschaft pausieren, bisder Shift nur noch einhundert Kilometer über demBoden dahinflog. Dann rief er die erste Mannschaftan die Arbeit zurück. Es galt jetzt, das Fahrzeug andie vereinbarte Stelle zu bringen. Nur dort hatten sieeine Chance, mit der CREST II in Funkkontakt zutreten und die zu erwartende ANDROTEST III zuwarnen. Sie durften nicht wagen, mit dem Shift bisan die Oberfläche vorzudringen, weil dann dieGefahr bestand, daß er sich - und seine Funkgerätemit ihm - ebenfalls verkleinerte.

Der letzte Teil des Fluges erschöpfte dieBesatzung des Raupenpanzers vollständig. Nur nochmühsam führten die Steuermannschaften die Befehleaus. Endlich, als Rhodan bereits befürchtete, daßseine Begleiter an den Hebeln der Flaschenzügezusammenbrechen würden, kam die ausgedehnteSchußöffnung der CREST II in Sicht.

Das unglaublichste Unternehmen in derGeschichte der Raumfahrt war zu Ende gegangen.Mikromenschen, die durchschnittlich nicht größer als1,8 Millimeter waren, hatten nicht nur einen zehnMeter langen Shift gestartet, sie hatten ihn auch übereine Strecke von fast 10.000 Kilometer gesteuert undschließlich gelandet.

„Nohetto!“ rief Captain Don Redhorse, als derRaupenpanzer zwischen den Felsen der Gelbetageniederging.

„Nohetto! Es ist vorüber!“ 10.Acht Tage Standardzeit waren seit dem Aufbruch

der fünf OLDTIMER verstrichen. Oberst Cart Rudo,der Kommandant der CREST II, wagte nicht mehr,Rhodans Frau in die Augen zu blicken. Was sollte erihr noch sagen, um ihre quälenden Sorgen zulindern? Alle seine trostreichen Argumenteerschienen sinnlos gegenüber der Tatsache, daßRhodan und seine Begleiter bereits einige Tageüberfällig waren.

Zwar ließ Mory Rhodan-Abro durch nichtserkennen, was sie dachte, doch Rudo warMenschenkenner genug, um die unnatürliche Ruheder Frau richtig zu deuten. Wie schon oft in denletzten Tagen, verglich Rudo die Zeit der Borduhrmit der seiner eigenen. Es gab keinen Unterschied.Beide Uhren zeigten genau zehn Minuten nachZwölf.

Fast im gleichen Augenblick sprachen dieEmpfänger der Ultrakurzwellengeräte an, dieeinzigen, die an Bord noch funktionierten. Obwohlder Funker blitzschnell reagierte und umschaltete,war Rudo fast im gleichen Augenblick neben ihm.

„Das mache ich!“ sagte er aufgeregt.„Benachrichtigen Sie inzwischen Rhodans Frau.“

„Sofort, Sir!“ Der Mann stürmte davon. Rudo hatteseine Antwort schon nicht mehr gehört. Dreimalhintereinander meldete er sich mit dem vereinbartenSignal.

Rudo mußte nicht lange warten, bis dieausgestrahlten Funkimpulse des Shifts in denEmpfängern registriert wurden. Rudo erfuhr, daßRhodans Kommando einen Allzweckpanzergefunden und in Sicherheit gebracht hatte. DasFahrzeug lag neben der Schußöffnung der CREST IIauf der Innenseite der äußeren Kugelschale Horrors.

Rudo bestätigte hastig und wartete auf weitereNachrichten.

Rhodan gab durch, daß Gelbpelze sie kurz nachihrer Ankunft in der dritten Etage heimgesucht, abernicht entdeckt hätten. Alle Besatzungsmitgliederhatten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können.Die Gehirnschwingungen der winzigen Raumfahrergenügten nicht, um von den Eindringlingen genauangepeilt zu werden. Rhodan teilte mit, daß sich dieAngreifer wieder zurückgezogen hatten. Nun bestandkeine Gefahr mehr.

Hinter Oberst Rudo versammelten sich weitereMänner. Nur einmal teilte sich die Menge, umRhodans Frau vorzulassen. Rudo nickte ihrberuhigend zu.

Rhodan gab bekannt, daß nun Testversuche mitdem Hyperkomsender des Shifts unternommenwerden sollten. In wenigen Stunden würden dieersten Hyperkomfunksprüche in den Raum rasen.

Danach beendete Rhodan den Funkkontakt.

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Oberst Cart Rudo mußte beide Arme heben, um denJubel der Raumfahrer zu unterbrechen. Er lächelteMory zu.„Ich glaube, daß nun alles in Ordnung ist“, sagte erschwerfällig. „Der Shift ist sicher gelandet. Die Testsmit dem Hyperkomgerät werden bald beginnen.“ Esentsprach Morys Charakter, daß sie sofort an dieSicherheit anderer dachte.„Die Ankunft der ANDROTEST III kann unmittelbarbevorstehen“, sagte sie. „Oberst Kotranow hatberichtet, daß Tifflor den Start des drittenANDROTEST-Schiffes vierzehn Tage nachKotranows Aufbruch geplant hat.“„Das stimmt“, bestätigte Rudo. „Vielleicht könnenwir das zu erwartende Schiff rechtzeitig warnen.“Mory blickte ihn ernst an.„Ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen, und ich

bitte Sie, mir ehrlich zu antworten.“ Rudo fühlte sichverlegen werden. Er wußte nicht, wie er sichgegenüber dieser Frau verhalten sollte.„Also gut“, sagte er. „Fragen Sie.“„Glauben Sie, daß wir jemals wieder unsere normaleGröße zurückerhalten können, Oberst?“ Betroffensah Rudo sie an. Eine solche Frage hatte er nichterwartet. Er schluckte heftig und wünschte, er hättesich unauffällig zurückziehen können. Doch MorysAugen ließen ihn nicht los. Ihr Blick zwang ihn zueiner Antwort.„Solange ich atme, werde ich nicht aufhören, daranzu glauben“, sagte Oberst Rudo ernst.

E N D E

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