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Insel Verlag Leseprobe Sackville-West, Vita Meine Lieblingsblumen Aus dem Englischen von Christel Dormagen Mit zahlreichen farbigen Illustrationen von Graham Rust © Insel Verlag insel taschenbuch 4436 978-3-458-36136-7

Aus dem Englischen von Christel Dormagen Mit … · innere Oberfläche der Adonisblut-Anemone ist zart wie Samt, und doch gibt es keinen Anflug von Flor, jeden- ... sichtig, und das

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Insel VerlagLeseprobe

Sackville-West, VitaMeine Lieblingsblumen

Aus dem Englischen von Christel Dormagen Mit zahlreichen farbigen Illustrationen von GrahamRust

© Insel Verlaginsel taschenbuch 4436

978-3-458-36136-7

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Vita Sackville-West ist nicht nur für ihr literarisches Schaffen, son-dern auch für die wunderschöne Gartenanlage von Sissinghurst Castle berühmt. In diesem Buch beschreibt sie 25 ihrer Lieblings-blumen aus Sissinghurst, ihr Aussehen, ihre Besonderheiten und die optimalen Wachstumsbedingungen. Entstanden sind ebenso praktische wie poetische Porträts, die blumenbegeisterte Amateure genauso wie Gartenprofis inspirieren. Spielend gelingt ihr der Spa-gat zwischen nützlichem Fachwissen und kleinen literarischen Gar-tengeschichten.

»Blumen für Maler« nannte Vita die ausgewählten Pflanzen, cha-rakterisiert durch eine ganz spezielle Schönheit. Ihre Texte liegen nun in neuer Übersetzung vor – wunderbar ergänzt um die elegan-ten und bezaubernden Aquarelle von Graham Rust.

Victoria Mary Sackville-West (1892-1962), genannt Vita, publizier-te in ihrem Leben über fünfzig Bücher. Für den Observer schrieb sie jahrelang eine erfolgreiche Gartenkolumne. 1930 erwarb sie Sis-singhurst Castle in Kent, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen der schönsten Gärten Englands entwarf und anlegte.

Graham Rust (geboren 1942) studierte Zeichnen und Malen an der Polytechnic School of Art, der Central School of Arts and Crafts in London und der Woodbury School in Virginia, USA. Er ist inter-national bekannt für seine Wandmalereien, Buchillustrationen und Trompe-l’œil-Kunst. Graham Rust lebt und arbeitet im englischen Suffolk.

Christel Dormagen (geboren 1943) studierte Anglistik und Ger-manistik. Sie ist Übersetzerin für angelsächsische Literatur und au-ßerdem als Journalistin für Rundfunk und Printmedien tätig. Sie lebt in Berlin.

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insel taschenbuch 4436Vita Sackville-West

Meine Lieblingsblumen

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V I T A S A C K V I L L E - W E S T

Meine Lieb l ingsb lumen

Aus dem Englischen von Christel DormagenMit zahlreichen farbigen Illustrationen

von Graham Rust

I n S E L V E R L A G

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Der Text der vorliegenden Ausgabe erschien erstmals 1937 unter dem Titel Some Flowers. Text copyright © The Beneficiaries

of the Literary Estate of Vita Sackville-West, 1937.

Die Originalausgabe des vorliegenden Bandes erschien 2014 bei national Trust Books, Großbritannien. Copyright © national Trust Books, 2014.

Die Zeichnungen der Rosa centifolia muscosa und der Rosa gallica wurden nach der ›White Bath‹ beziehungsweise

der ›Tuscany Superb‹ angefertigt.

Erste Auflage 2016insel taschenbuch 4436

Originalausgabe© Insel Verlag Berlin 2016

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch

Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Vertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch VerlagUmschlag: Rothfos & Gabler, Hamburg

Umschlagabbildungen: Graham Rust, SuffolkDruck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in GermanyISBn 978-3-458-36136-7

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I n H A LT

Vorwort13

Hamameli s mol l i sZaubernuss

21

Ir i s unguiculari sAuch s ty lo sa genanntKretische Schwertlilie

24

Ir i s ret i culatanetzblatt-Schwertlilie

28

Frit i l lar ia imperia l i sKaiserkrone

32

Frit i l lar ia meleagri sSchachblume

36

Tulipa c lus ianaDamentulpe

40

Primula auriculaAurikel

44

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Punica granatumGranatapfel

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VerbascumKönigskerze, Cotswold-Sorten

53

Dianthus caes iusPfingstnelke

58

Rosa moyes i iMandarinrose

63

Rosa cent i fo l ia muscosaMoosrose

68

Rosa mundi73

Rosa gal l i ca Tuscany78

Abuti lon megapotamicum Auch vexi l larium genannt

Schönmalve81

Primula pulverulentaBartley strainMehlprimel

85

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Primula l i t tonianaOrchideenprimel

90

Mutis ia retusa94

Lil ium regaleKönigslilie

98

Lil ium giganteumRiesenlilie

102

ZinniaeZinnienarten

107

TigridiaTigerlilie

111

Gerbera jamesoni iTransvaal daisy

Gerbera-Art115

Salpig lo s s i sTrompetenzunge

120

Lil ium auratumJapanische Goldbandlilie

124

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V O R W O R T

Dieses Büchlein ist sehr persönlich und in der Zusammen-stellung sehr subjektiv. Es stellt rund zwei Dutzend all der Pflanzen vor, die ich in meinem eigenen Garten gerne ste-hen habe. Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als gäbe es absolut nichts, was diese ausgewählten Exemplare mitein-ander verbindet. Ich kann aber hoffentlich erklären, dass dem nicht so ist. Das Buch wendet sich nicht an professio-nelle Gärtner, sondern an Amateure. Dieses Land ist ein Land der Gartenliebhaber, und es gibt unter ihnen sicher-lich viele, die es einigermaßen leid sind, Jahr um Jahr haar-genau dasselbe anzupflanzen wie ihre nachbarn, und die sich nach etwas neuem umschauen, das weder ihre Geld-börse noch ihre Zeit und ihre Kenntnisse strapaziert. Wir alle dürfen natürlich gern weiter unseren Goldlack und Rit-tersporn, unsere Lupinen und Löwenmäulchen pflanzen. Es liegt mir fern, diese treuen Verbündeten schlechtzureden; und dennoch kommt stets der Moment, in dem jeder echte Blumenliebhaber sich dem etwas weniger Üblichen und Of-fensichtlichen zuwendet. Und genau diese Art von Gärtnern habe ich im Sinn. Auch wenn alle Pflanzen, die ich beschrei-be, nicht teuer sind und sich vergleichsweise einfach kulti-vieren lassen, besitzt jede von ihnen etwas, das sie, wie ich finde, besonders macht, und außerdem findet man sie nicht gleich in jedem Garten.

Mit der besonderen Eigenschaft meine ich etwas, das die-se Blumen mit einigem Recht zu »Blumen für Maler« macht. Was bedeutet, dass ihre Schönheit, die auf den ersten Blick

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nicht dramatisch und effektvoll ist, sorgfältiger betrachtet und nach Kriterien bewertet werden will, die anders sind als die, nach denen wir, zum Beispiel, die Farbenpracht ei-ner Blumenrabatte im Hochsommer beurteilen. Für dieses schmale Buch habe ich Pflanzen ausgewählt, die nichts mit dem zu tun haben, was wir unter einem »großen Garten« verstehen, auch wenn sie (zumindest manche von ihnen) dort ihren Platz finden mögen. Ich habe sie vor allem auf-grund ihrer Schönheit in Form, Färbung, Zeichnung und Struktur ausgewählt.

Insgesamt handelt es sich um Blumen, die man intensiv betrachten muss, um ihre Eigenheit und ihren Liebreiz wirklich zu erkennen und zu schätzen. Es sind Blumen, die Künstler voller Entzücken gemalt haben oder malen soll-ten.

II

Es ist sehr schwer, über Blumen zu schreiben. Das stellte ich allerdings erst fest, als ich selbst damit begann. Davor hatte ich stets nur gegen all die gewettert, die sich darin versuch-ten. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich ständig über die unerträglich sentimentale Ausdrucksweise erregte, die sich offenbar automatisch bei allen noch so aufrechten und red-lichen Gärtnern einstellt, sobald sie sich bemüßigt sehen, ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Gefühle anderen, weniger kundigen Menschen mitzuteilen. Es kam mir vor, als wür-den sie allesamt dasselbe schauderhafte Vokabular benutzen, das glatt ein eigenes Wörterbuch verdient hätte, so unver-

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meidlich, wie da immer wieder auf dieselben Formulierun-gen zurückgegriffen wird.

Es ist in der Tat sehr schwer, über Blumen zu schreiben.Denken Sie nur daran – um mal konkret zu werden –,

wie schwierig es ist, in normaler Sprache etwa die schlichte Tatsache auszudrücken, dass eine Blume gut riecht. Im ge-bräuchlichen Englisch gibt es keine andere Formulierung, mit der sich diese Eigenschaft ausdrücken ließe. Wenn wir sagen: »Sie riecht« (it smells), impliziert das automatisch, dass sie schlecht riecht. Also greifen wir notgedrungen an-statt zu dem ehrlichen Wort »Geruch« (smell) zu den ge-zierteren Ersatzbegriffen »Duft« (scent) oder »Parfüm« (per fume) – und beide vermitteln keineswegs, was wir mei-nen, wenn wir sagen, eine Blume rieche gut. »Gut riechen« ist aber zumindest eine ehrliche Formulierung, und weder »Duft« noch »Parfüm« noch »Odeur« (odour) noch »Wohl-geruch« (fragrance) können an dessen Stelle treten. Sie werden allesamt in jenes spezielle Wörterbuch für Blumen- und Gartenschriftsteller verbannt, in dem auch »malerisch«, »anmutig« und »zauberhaft« einen Ehrenplatz einnehmen.

Eine andere Falle ist die Farbe. nicht nur, dass Farben sich so gut wie gar nicht anschaulich in Worten wiederge-ben lassen, sondern man muss, wenn der Begriff sich nicht dauernd wiederholen soll, zu Ausflüchten wie »Tönung« (hue) und »farbenprächtig« (colourful) greifen – wobei letz-teres Wort ein Amerikanismus ist, dem ich mich verweige-re. »Tönung« finde ich gerade noch zulässig, wenn man es nur sehr selten und besonders geschickt gebraucht; ansons-ten unentschuldbar. Reginald Farrer nimmt unter den bo-tanischen Schriftstellern, denen es gelingt, etwas von der

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Farbqualität einer Blume in Worte zu fassen, eine Sonder-stellung ein; und prompt hat man ihm vorgeworfen, er sei zu poetisch und rhetorisch. Er war zugegebenermaßen ein sehr bewusster Stilist. Und doch zählen seine Beschreibun-gen zu den besten ihrer Art, nicht nur in sprachlicher Hin-sicht, sondern auch, was ihre botanische Präzision angeht. nehmen Sie, als Beispiel, seinen Bericht darüber, wie er zum allerersten Mal den Enzian erblickte, der heute seinen na-men trägt – und diese Passage ist nur eine unter all den vie-len, die sich zitieren ließen:

»Und diese Schönheit! nichts von ihrem Charakter und ihrer zukünftigen Geschichte hätte ich an jenem Tag ahnen können, als ich, in hingerissene Betrachtung versunken, vor der leibhaftigen Pflanze stand … ein zarter, feiner grasartiger Tuff, aus dem ein halbes Dut-zend dünner, zittriger Stängel hervorragt – das ist Gen-tiana farreri, ziemlich unscheinbar und versteckt in den vielen Hochalmen des Da-Tung-Gebirges … Bis sie dann Anfang September zu blühen beginnt: Jeden Tag ereignet sich dann eine neue schmetternde Farb-explosion im Schoße der Wiesen. Denn jeder dieser schwächlichen Stängel endet in einer enormen, auf-wärts gerichteten Trompete, prächtiger als alles, was die Gentiana gentianella zustande bringt, aber doch iden-tisch in Stil und Form. nur die Silhouette unterschei-det sich, der Kelch ist weniger bauchig, und er trägt außen kräftige dunkelviolette Streifen, die lange, spitz zulaufende Felder im blassen Blau des Immergrüns von nanking-gelben Flächen trennen: Innen sind

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Trompete und Schlund weiß, aber der Mund und der weite, strahlende Zackenkranz sind von einem solch intensiv leuchtenden hellen Azur, dass eine einzige Blüte von einem Ende des Tals zum anderen herüber-funkelt. Von keiner anderen Pflanze, außer vielleicht der Ipomoea learii oder der Nemophila, kenne ich solch eine überwältigende Heftigkeit der Farbe: Sie ist wie der klare Himmel kurz nach Sonnenaufgang, grell und durchscheinend, als würde sie von innen beleuchtet. In den Hochgebirgswiesen brennt sie buchstäblich wie ein elektrischer Edelstein, ein hell glühender Türkis.«*

Sie müssen diese Art des Schreibens nicht unbedingt mö-gen; ich für mein Teil finde allerdings, sie hat eine Extrava-ganz und eine Bravour, die mir gefallen und etwas von der aufgeregten Begeisterung vermitteln, die den Autor beflü-gelt haben muss. Und sie gefällt mir umso mehr, als er trotz aller Aufregung nie seine Vergleichskriterien aus dem Blick verliert: »Von keiner anderen Pflanze, außer vielleicht der Ipomoea learii oder der Nemophila …« Er kann beides sein, akkurat ebenso wie extravagant.

Und dann ist da D. H. Lawrence. Lawrence kommt ei-nem nicht unbedingt zuerst als Blumenschriftsteller in den Sinn, aber niemand war empfänglicher für die Schönheit der Blumen als er, und niemand konnte sie schöner in Wor-

* Gentiana farreri heißt heute Gentiana lawrencei. Hinter der Umbenen-nung, die mit dem Anspruch auf botanische Erstbeschreibung verbun-den ist, verbirgt sich eine höchst verwickelte Entdeckergeschichte. Für diesen Hinweis und andere botanische Erläuterungen danke ich Holger Mihm. (A.d.Ü.)

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te fassen. Der Unterschied zwischen seiner und Farrers Art zu schreiben ist aufschlussreich: Farrer ist halb Dichter, halb Botaniker; Lawrence ist ganz und gar Dichter. Hier spricht er von der roten Anemone, die er bezeichnenderweise lie-ber »Adonisblut-Anemone« nennen möchte, während Far-rer sie bei all seinem Lyrismus als »Anemone fulgens« be-zeichnet hätte:

»Wenn Sie in der Sonne spazieren gehen, reckt sich plötzlich etwas Scharlachfarbenes in die Luft, eine der schönsten Scharlacherscheinungen auf der Welt. Die innere Oberfläche der Adonisblut-Anemone ist zart wie Samt, und doch gibt es keinen Anflug von Flor, jeden-falls nicht so wie bei einer samtenen Rose. Und dieses weiche Innere bringt die rote Farbe hervor, vollkom-men rein und unirdisch, ohne jedes Erdhafte und doch fest, nicht durchsichtig. Wie eine Farbe kräftig und undurchlässig sein kann, doch gleichzeitig von einer Reinheit, die verdichtetes Licht suggeriert, aber nicht leuchtet, zumindest nicht durchscheinend ist, bleibt un-begreiflich. Die Mohnblume ist in ihrem Glanz durch-sichtig, und das absolute Rot der Tulpe hat einen Hauch von undurchlässiger Erde. Aber die Adonisblut-Anemo-ne ist weder durchscheinend noch undurchlässig. Sie ist einfach reines, verdichtetes Rot, von einer Samtig-keit ohne Samt und einem Scharlachrot ohne Glühen.«

Eines jedoch ist beiden, Farrer und Lawrence, trotz ihrer Unterschiede gemeinsam: Sie schreiben kraftvoll und nicht sentimental. Für beide ist eine Blume etwas Lebendiges,

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Vibrierendes, ausgestattet mit Eigenschaften, die weit über den Bereich der bloßen Botanik hinausgehen. Bei Farrer brennt die Enzianpflanze, »als würde sie von innen beleuch-tet«. Und das Innere der Anemone »bringt die rote Farbe hervor, vollkommen rein und unirdisch«, schreibt Law-rence. Kurz gesagt, nähern sich beide der Blume, als wäre sie etwas Mystisches, das eine fremdartige Schönheit wider-spiegelt, die in Vollendung nur in einer anderen, unbekann-ten Welt zu finden ist. Und doch versucht keiner der bei-den zu sentimentalisieren. Beide bewegen sich in gänzlich anderen, höheren Regionen.

III

All das hat mich von meinem eigenen Buch und den Schwie-rigkeiten, die sich ergaben, weggeführt. Diese Schwierig-keiten wurden, wie ich feststellte, dadurch noch größer, dass ich auf sehr engem Raum das Beschreibende mit dem Praktischen verbinden musste – also die Blüten mit den Schnecken; die Schönheit mit Dünger; Opulenz mit Anwei-sungen zum Beschneiden. Erfolgreiches Gärtnern besteht aus all diesen Dingen, und jeder erfolgreiche Gärtner muss auch Realist sein. Aber wenn man alles auf zwei Seiten zu quetschen versucht, prallen beide Strategien notgedrungen hart aneinander. Ich habe mich jedenfalls bemüht, eine kleine Vorstellung von beidem zu geben – davon, wie eine Pflanze aussieht und wie sie gern behandelt werden möchte bzw. was sie verabscheut. Das war weder ein einfaches noch ein befriedigendes Unterfangen.

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Ich sollte noch ein letztes erklärendes Wort hinzufügen. Wenn ich gelegentlich bei einer Pflanze empfohlen habe, sie in einen Topf oder eine Schale zu setzen anstatt draußen in den Garten, dann nicht, weil irgendeine meiner ausgewähl-ten Exemplare ›schwierig‹ wäre. Ich schlage das nur vor, weil eine kleine Blume im Freien leicht untergeht, im Dschungel ihrer robusteren nachbarn verschwindet oder Regen und spritzender Matsch ihr so zusetzen, dass sie bald nur noch halb so schön ist. Um wirklich seine Freude an solchen Blu-men zu haben, sollte man sie separieren, die Blüten und die Blätter sollten unbeschädigt sein. Aus diesem Grund habe ich manchmal geraten, die blühenden Pflanzen abzuschnei-den und ins Haus zu bringen. Fast all meine ausgewählten Blumen sind nicht vordergründig spektakulär, sie gewinnen vielmehr, wenn sie von nahem betrachtet werden; und das ist nur möglich, wenn man den Topf oder die Vase vom Tisch hochnehmen und sie immer mal wieder, wenn man gerade sonst nichts zu tun hat, genauer anschauen kann.