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Aus dem Labor: Kapazitive Membran-Manometer zur Feinvakuum-Messung W. Jitschin Bei thermostatisierten Membran-Manometern tritt der gasartabhangige Effekt der thermischen Transpiration auf Drucke irn Feinvakuurn-Bereichkonnen rnit kapazitiven Mernbran-Manornetern gernessen werden, die sich durch hohe MeOgenauigkeit, kurze Ansprech- zeit und groOe Robustheit auszeich- nen. Hochwertige Mernbranrnanorneter erreichen eine Auflosung von besser als 10-5mbar, so daO ein Druck von 1 0-3 rnbar rnit einer auflosungsbegrenz- ten relativen Unsicherheit von 1% gernessen werden kann. Diese Gerate werden haufig bei hoheren Drucken ka- libriert, und man extrapoliert die Sensiti- vitat zu kleinen Drucken hin unter An- nahrne eines linearen Verhaltens zwi- schen Ausgangssignal und Druck. Die Erfahrung zeigt, daO eine lineare Extrapolation bei nicht thermostati- sierten MeOkopfen zulassig ist, bei de- nen irn MeOkopf und irn Rezipienten die gleiche Ternperatur herrscht. Eine ver- besserte Nullpunktstabilitat bieten ther- mostatisierte MeOkopfe, bei denen die Ternperatur irn MeOkopf hoherals irn Re- zipienten ist. Hier kann eine lineare Ex- trapolation der Sensitivitat zu einern MeOfehler fuhren, da die Sensitivitat un- terhalb von etwa 1 rnbar infolge des Ef- fekts der thermische Transpiration an- steigen kann. Die therrnische Transpiration tritt im Bereich der Molekularstrornung auf, also wenn die freie Weglange der Gas- teilchen vergleichbar rnit oder groOer als die Abrnessung der Verbindung von MeOkopf und Rezipient ist. Der Ef- fekt IaOt sich irn Rahmen der kineti- schen Gastheorie leicht erklaren: Die warrneren Gasteilchen innerhalb des MeOkopfes haben eine hohere Ge- schwindigkeit als die Gasteilchen im Re- zipienten und konnen daher diesen bes- ser verlassen. Folglich ist die Anzahl- dichte der Gasteilchen irn MeOkopf ge- ringer als die irn Rezipienten. Allerdings sind diese Gasteilchen schneller und treffen sowohl haufiger als auch heftiger gegen die Mernbranwand. Die Folge ist, daO sich irn MeOkopf ein groOerer Druck als im Rezipienten einstellt und das Mernbran-Manometer einen zu hohen Druck anzeigt. Eine Durchrechnung der therrnischen Transpiration ergibt, daO der Druck in verbundenen Behal- tern bei Molekularstrornung sich irn Idealfall wie 8 (T therrnodynarnische Ternperatur) verhalt. Es folgt somit fur das Verhaltnis der Drucke irn MeOkopf und irn Rezipienten (Index M fur MeOkopf, Index R fur Re- zipient). In der Literatur finden sich eini- ge genaue Untersuchungen zur GroBe des Effektes der therrnischen Transpira- tion, siehe Ref. 1 und die dort angegebe- nen Referenzen. Der Druck, unterhalb dessen der Effekt einsetzt, hangt von der Gasart ab. Er wird von der rnittleren freien Weglange der Gasteilchen be- stirnrnt, die urngekehrt zu ihrer GroOe ist. In der Praxis ist es wichtig, den Effekt der therrnischen Transpirationfur ein be- liebiges Gas einigermaBen zuverlassig abschatzen zu konnen. Deshalb wurde irn Labor fur Vakuurntechnik der Fach- hochschule in GieOen der Effekt gezielt verrnessen, indern zwei kapazitive Mernbranrnanorneter, narnlich ein ther- rnostatisiertesund ein nicht therrnostati- siertes direkt verglichen wurden. Beide MeOkopfe waren am gleichen Rezipien- ten angeschlossen und sornit dem glei- chen Druck ausgesetzt. Die Anzeige des therrnostatisierten MeRkopfes unterliegt der therrnischen Transpiration, wahrend die Anzeige des nicht therrnostatisierten MeRkopfes hierdurch nicht beeinflufit wird. Das Verhaltnis der beiden Anzei- gen entspricht somit unrnittelbar dern Druckverhaltnis pdpR. Abb. 1 zeigt die MeOergebnisse fur die drei Gase: He (kleinstes Gasteilchen uberhaupt), Luft (rnittelgroBe Gasteilchen) und Kaltemit- tel R12 (CCI,F, relativ groOes Gasteil- chen). Die Kalibrierdaten zeigen bei kleinen Drucken eine Erhohung von etwa 2,7%. Bei den Temperaturen im MeB- kopf (45°C Y 318 K nach Hersteller) und irn Rezipienten (22°C FZ 295 K) er- Vakuum in Forschung und Praxis (1996) Nr. 2 99-100 0 VCH Verlagsgesellschafl mbH, D-69451 Weinheim, 1996 0947-076W96/0204-0099/510.00+.25/0 99

Aus dem Labor: Kapazitive Membran-Manometer zur Feinvakuum-Messung

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Aus dem Labor: Kapazitive Membran-Manometer

zur Feinvakuum-Messung W. Jitschin

Bei thermostatisierten Membran- Manometern tritt der gasartabhangige Effekt der thermischen Transpiration auf

Drucke irn Feinvakuurn-Bereich konnen rnit kapazitiven Mernbran-Manornetern gernessen werden, die sich durch hohe MeOgenauigkeit, kurze Ansprech- zeit und groOe Robustheit auszeich- nen. Hochwertige Mernbranrnanorneter erreichen eine Auflosung von besser als 10-5mbar, so daO ein Druck von 1 0-3 rnbar rnit einer auflosungsbegrenz- ten relativen Unsicherheit von 1% gernessen werden kann. Diese Gerate werden haufig bei hoheren Drucken ka- libriert, und man extrapoliert die Sensiti- vitat zu kleinen Drucken hin unter An- nahrne eines linearen Verhaltens zwi- schen Ausgangssignal und Druck.

Die Erfahrung zeigt, daO eine lineare Extrapolation bei nicht thermostati- sierten MeOkopfen zulassig ist, bei de- nen irn MeOkopf und irn Rezipienten die gleiche Ternperatur herrscht. Eine ver- besserte Nullpunktstabilitat bieten ther- mostatisierte MeOkopfe, bei denen die Ternperatur irn MeOkopf hoherals irn Re- zipienten ist. Hier kann eine lineare Ex- trapolation der Sensitivitat zu einern MeOfehler fuhren, da die Sensitivitat un- terhalb von etwa 1 rnbar infolge des Ef- fekts der thermische Transpiration an- steigen kann.

Die therrnische Transpiration tritt im Bereich der Molekularstrornung auf, also wenn die freie Weglange der Gas- teilchen vergleichbar rnit oder groOer

als die Abrnessung der Verbindung von MeOkopf und Rezipient ist. Der Ef- fekt IaOt sich irn Rahmen der kineti- schen Gastheorie leicht erklaren: Die warrneren Gasteilchen innerhalb des MeOkopfes haben eine hohere Ge- schwindigkeit als die Gasteilchen im Re- zipienten und konnen daher diesen bes- ser verlassen. Folglich ist die Anzahl- dichte der Gasteilchen irn MeOkopf ge- ringer als die irn Rezipienten. Allerdings sind diese Gasteilchen schneller und treffen sowohl haufiger als auch heftiger gegen die Mernbranwand. Die Folge ist, daO sich irn MeOkopf ein groOerer Druck als im Rezipienten einstellt und das Mernbran-Manometer einen zu hohen Druck anzeigt. Eine Durchrechnung der therrnischen Transpiration ergibt, daO der Druck in verbundenen Behal- tern bei Molekularstrornung sich irn Idealfall wie 8 (T therrnodynarnische Ternperatur) verhalt. Es folgt somit fur das Verhaltnis der Drucke irn MeOkopf und irn Rezipienten

(Index M fur MeOkopf, Index R fur Re- zipient). In der Literatur finden sich eini- ge genaue Untersuchungen zur GroBe des Effektes der therrnischen Transpira- tion, siehe Ref. 1 und die dort angegebe- nen Referenzen. Der Druck, unterhalb

dessen der Effekt einsetzt, hangt von der Gasart ab. Er wird von der rnittleren freien Weglange der Gasteilchen be- stirnrnt, die urngekehrt zu ihrer GroOe ist.

In der Praxis ist es wichtig, den Effekt der therrnischen Transpiration fur ein be- liebiges Gas einigermaBen zuverlassig abschatzen zu konnen. Deshalb wurde irn Labor fur Vakuurntechnik der Fach- hochschule in GieOen der Effekt gezielt verrnessen, indern zwei kapazitive Mernbranrnanorneter, narnlich ein ther- rnostatisiertes und ein nicht therrnostati- siertes direkt verglichen wurden. Beide MeOkopfe waren am gleichen Rezipien- ten angeschlossen und sornit dem glei- chen Druck ausgesetzt. Die Anzeige des therrnostatisierten MeRkopfes unterliegt der therrnischen Transpiration, wahrend die Anzeige des nicht therrnostatisierten MeRkopfes hierdurch nicht beeinflufit wird. Das Verhaltnis der beiden Anzei- gen entspricht somit unrnittelbar dern Druckverhaltnis pdpR. Abb. 1 zeigt die MeOergebnisse fur die drei Gase: He (kleinstes Gasteilchen uberhaupt), Luft (rnittelgroBe Gasteilchen) und Kaltemit- tel R12 (CCI,F,, relativ groOes Gasteil- chen).

Die Kalibrierdaten zeigen bei kleinen Drucken eine Erhohung von etwa 2,7%. Bei den Temperaturen im MeB- kopf (45°C Y 318 K nach Hersteller) und irn Rezipienten (22°C FZ 295 K) er-

Vakuum in Forschung und Praxis (1996) Nr. 2 99-100 0 VCH Verlagsgesellschafl mbH, D-69451 Weinheim, 1996

0947-076W96/0204-0099/510.00+.25/0 99

1,03 n

n . - I

1,oz

1.01

l ,w

0.99 0,Ol 0.1

Abb. 1: Vergleich der Anzeigen eines thermostatisierten und eines nicht thermostatisierten kapazitiven Mem- bran-Manometers. Die Linien verbin- den die einzelnen MeBpunkte.

wartet man nach Gleichung 1 einen Ef- fekt von etwa 3,8%. Offenbar ist der Ef- fekt der therrnischen Transpiration hier nicht voll ausgebildet. Moglicherweise besitzt das Gas irn MeBkopf infolge der endlichen GroOe der AnschluOoff- nung keine hornogene Ternperaturver- teilung. An einern anderen therrnostati- sierten MeOkopf, der ein AnschluOrohr rnit groOern Durchrnesser besitzt, wur- de praktisch kein therrnischer Transpira- tionseffekt beobachtet.

Fur verschiedene Gasarten sollte sich der Effekt der therrnischen Transpiration naherungsweise wie die rnittlere freie Weglange t? der Gasteilchen verhalten - sieht man von einer unterschiedlichen Energieakkornrnodation der Gasteilchen an den Wanden ab. Es bietet sich daher an, fur eine universelle Darstellung des Transpirationseffektes als Abszisse nicht den Druck p, sondern die inverse Knudsenzahl Kn zu verwenden:

Kn-’ = d/?

= d . p/(t?. p) (2)

Das Produkt t?. p aus rnittlerer freier Weglange und Druck ist eine Kon-

1,03 L - I n

1,02

1.01

1,oo

0.99 0.1 I 10 100 1000

1 I K n

Abb.2: Gleiche Daten und Symbole wie in Abb. 1, nur ist als Abszisse die inverse Knudsenzahl aufgetragen.

stante, der Einfachheit halber sind Wer- te in Tab. 1 angegeben. Fur den Durch- rnesser d des AnschluOrohres wurde ein geschatzter Wert von 4 rnm verwendet. Abb. 2 zeigt die MeOdaten aufgetragen gegen die inverse Knudsenzahl. Wie er- wartet, fallen die MeOpunkte fur die ver- schiedenen Gase nahezu auf eine Kurve zusarnrnen. Es gibt allerdings auch cha- rakteristische Abweichungen. Man kann spekulieren, daO der bei der Darstellung benutzte Skalierungspararneter t? . p nicht vollig in Ordnung ist. Die freie Weg- Iange beruht auf der einfachen Vorstel- lung von Gasteilchen als harte Kugeln und wird hauptsachlich aus Viskositats- daten abgeleitet. Weiterhin wird die un- terschiedliche Energieakkornrnodation der verschiedenen Gasteilchen an den Wanden des AnschluOrohres die therrni- sche Transpiration beeinflussen.

Die durchgefuhrten Messungen zei- gen, daO der Effekt der therrnischen Transpiration bei der Messung von Fein- vakuurndrucken rnit thermostatisierten kapazitiven Mernbran-Manornetern be- rucksichtigt werden rnuO. Die Druckan- zeige kann unterhalb von etwa 1 rnbar urn wenige Prozent zu groO sein. Die tat-

Tab. 1: Produkt aus mittlerer freier Weglange und Druck fur einige Gase bei 20°C [2]

Gasart

Helium Neon Wasserstoff Deuterium Sauerstoff Argon trockene Luft Stickstoff Kohlenmonoxid Krypton Methan Chlorwasserstoff Ammoniak Wasserdampf Kohlendioxid Distickstoffoxid Xenon Acetylen Ethylen Ethan Schwefeldioxid Chlor Propan R 12 Butan Tetrac hlorkohlenstoff Benzol

Forrnel

He Ne H2 D2 0 2

N2

CH4

NH3 H2O CO2 N2O

C2H2

so2 CI2 CA-6

CCI,

Ar

CO Kr

HCI

Xe

C2H4 C2H6

CC12F2 C4H10

C6H6

e . p Cm ’ mbar)

190 136 122 121 69 68 65 64 64 53 53 47 47 44 43 42 39 37 37 35 31 30 24 23 20 18 17

sachliche GroOe des Effektes hangt von Druck, Gasart und Bauforrn des Mano- meters ab. Die bei einern Sensor fur ein bestirnmtes Gas errnittelten Werte lassen sich naherungsweise auf andere Gase ubertragen, wenn der Druck rnit- tels der Knudsenzahl skaliert wird.

[l] W. Jitschin und I? Rohl, J. Vac. Sci.

[2] W. Jitschin, Vakuurn in der Praxis 5, Technol. A 5, 372 (1987)

EtDJ 35 (1993)

100 ~ ~~

Vakuum in Forschung und Praxis (1996) Nr. 2