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InfoMagazin Mai 2013 Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds. Herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung Weiterbildung in Baden-Württemberg Eindrücke – Übersichten – Ausblicke Was wollen die Unternehmen? Dazu sprach beim gutbesuchten Jahresempfang des Netzwerks Fortbildung am 19. März 2013 in Stuttgart als Gastredner Prof. Dr. Armin Trost von der Hoch- schule Furtwangen. Er komme viel herum, erklärte der dynamische Dekan, Autor und Berater selbst- bewusst, und könne insofern einiges berichten von aktuellen Trends, heißen Themen und akuten Schmerzen bei den Unternehmen. „Da draußen tut sich ungeheuer viel“, so Trost über den „Wandel in der betrieblichen Arbeitswelt - und wie sich die Weiterbildungslandschaft darauf einstellen sollte “. Die berufliche Weiterbildung ist eine „unabdingbare Zukunftsinvestition“, erklärte Ministerialdirektor Rolf Schumacher vom Ministerium für Finanzen und Wirt- schaft zum Auftakt des Jahresempfangs. Zwar würden schon heute rund 60 Prozent aller Unternehmen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter fördern. Aber das heiße auch: „40 Prozent sind noch nicht dabei.“ Diese Unter- nehmen anzusprechen sei eine wichtige Aufgabe, die nur gemeinsam gelöst werden könne, so Schumacher. Das Ministerium werde noch in diesem Jahr mit der Ausarbeitung eines Bildungsfreistellungsgesetzes be- ginnen. Derzeit würden Regelungen und Erfahrungen anderer Bundesländer gesichtet, „um zu denen aufzu- schließen, die da schon erfolgreich aktiv sind“. Besonderheit in Baden-Württemberg: der gute Kontakt zwischen dem Ministerium und den Unternehmen und Weiterbildungseinrichtungen im Lande. Schumacher beim Jahresempfang: „Das Ministerium ist sich der Be- deutung der Netzwerke für berufliche Fortbildung sehr bewusst.“ Jahresempfang: „connect“ statt „collect“: Jahresempfang des Netzwerks Fortbildung ............................ 1 Synchrone Kollaboration im web 2.0: Praxisworkshop „Virtuelle Lernumgebungen“.................................... 3 Lernergebnisse im Spinnennetz: Fachtag zum Deutschen Qualifikationsrahmen DQR ................................. 5 Neue Sinus-Milieus - Die Kartoffel lebt: Seminar zu professionellem Bildungsmarketing ............................ 9 Startklar für die Arbeitswelt: Auftaktveranstaltung der Reihe „45 + Mut zu neuen Wegen“..................... 11 Jahresempfang: „connect“ statt „collect“ Begrüßung beim Jahresempfang: MD Rolf Schumacher Gastredner Prof. Armin Trost: Internet in der Jackentasche

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Weiterbildung in Baden-Württemberg WB Report BW Juni 2013 Eindrücke - Übersichten - Ausblicke

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InfoMagazin Mai 2013

Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds.

Herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung

Weiterbildung in Baden-WürttembergEindrücke – Übersichten – Ausblicke

Was wollen die Unternehmen? Dazu sprach beim gutbesuchten Jahresempfang des Netzwerks Fortbildung am 19. März 2013 in Stuttgart als Gastredner Prof. Dr. Armin Trost von der Hoch-schule Furtwangen. Er komme viel herum, erklärte der dynamische Dekan, Autor und Berater selbst-bewusst, und könne insofern einiges berichten von aktuellen Trends, heißen Themen und akuten Schmerzen bei den Unternehmen. „Da draußen tut sich ungeheuer viel“, so Trost über den „Wandel in der betrieblichen Arbeitswelt - und wie sich die Weiterbildungslandschaft darauf einstellen sollte “.

Die berufliche Weiterbildung ist eine „unabdingbare Zukunftsinvestition“, erklärte Ministerialdirektor Rolf Schumacher vom Ministerium für Finanzen und Wirt-schaft zum Auftakt des Jahresempfangs. Zwar würden

schon heute rund 60 Prozent aller Unternehmen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter fördern. Aber das heiße auch: „40 Prozent sind noch nicht dabei.“ Diese Unter-nehmen anzusprechen sei eine wichtige Aufgabe, die nur gemeinsam gelöst werden könne, so Schumacher. Das Ministerium werde noch in diesem Jahr mit der Ausarbeitung eines Bildungsfreistellungsgesetzes be-ginnen. Derzeit würden Regelungen und Erfahrungen anderer Bundesländer gesichtet, „um zu denen aufzu-schließen, die da schon erfolgreich aktiv sind“.

Besonderheit in Baden-Württemberg: der gute Kontakt zwischen dem Ministerium und den Unternehmen und Weiterbildungseinrichtungen im Lande. Schumacher beim Jahresempfang: „Das Ministerium ist sich der Be-deutung der Netzwerke für berufliche Fortbildung sehr bewusst.“

Jahresempfang: „connect“ statt „collect“: Jahresempfang des Netzwerks Fortbildung ............................ 1

Synchrone Kollaboration im web 2.0: Praxisworkshop „Virtuelle Lernumgebungen“ .................................... 3

Lernergebnisse im Spinnennetz: Fachtag zum Deutschen Qualifikationsrahmen DQR ................................. 5

Neue Sinus-Milieus - Die Kartoffel lebt: Seminar zu professionellem Bildungsmarketing ............................ 9

Startklar für die Arbeitswelt: Auftaktveranstaltung der Reihe „45 + Mut zu neuen Wegen“..................... 11

Jahresempfang: „connect“ statt „collect“

Begrüßung beim Jahresempfang: MD Rolf Schumacher Gastredner Prof. Armin Trost: Internet in der Jackentasche

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> Jahresempfang: „connect“ statt „collect“

Als Vertreter des Sprechergremiums im Netzwerk Fort-bildung hielt Wolfgang Varges in seiner Begrüßung der rund 150 Teilnehmer auch seinerseits ein Kompliment bereit: Das Ministerium leiste durch die Unterstützung der Netzwerke und durch die ESF gestützte Finanzie-rung der Regionalbüros eine „sehr gute Hilfe zur Selbst-hilfe“. Aufgabe der Netzwerke sei es, die Fortbildung in die Fläche zu bringen und Transparenz hinsichtlich der Angebotsstruktur zu schaffen. Die Datenbank auf www.fortbildung-bw.de sei dazu „ein tolles Instrument“.

Felder mit Handlungsbedarf

Varges sieht zwei große Felder mit aktuellem Hand-lungsbedarf: die Herausforderung Bildungsberatung und die Durchlässigkeit und Messbarkeit von Weiter-bildungsangeboten im Sinne des Deutschen Qualifi-kationsrahmen DQR. Wichtig sei die „Passung zwischen dem, was Unternehmen wollen, und dem, was Bil-dungsträger leisten können“..

Was wollen die Unternehmen? Dazu referierte kennt-nisreich Prof. Dr. Armin Trost von der Hochschule Furt-wangen. Er wisse aus vielen Gesprächen um die aktu-ellen Trends, heißen Themen und akuten Schmerzen bei den Unternehmen. Mit sechs Thesen unterlegt er seine Einschätzung zu den „zukünftigen Herausforde-rungen in der betrieblichen Weiterbildung“:

• Relevante Bildung ist einer der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren

• Unternehmen investieren zunehmend in strate-gisch relevante Zielgruppen

• Lerninhalte werden sich mehr an den realen strate-gischen Zielen orientieren

• Standardinhalte gibt’s zunehmend kostenlos• Experten lernen zunehmend von anderen Exper-

ten• Mitarbeiter übernehmen die Verantwortung für

ihre berufliche Entwicklung.

Der Reihe nach. These 1: Was bedeutet „relevante Bildung“, und warum ist diese ein entscheidender Wettbewerbsfaktor? Früher sei das selbständige Den-ken, erläutert Trost, alleinige Aufgabe der Manager gewesen. Die ausführenden Mitarbeiter hatten ent-sprechend zu handeln. Heute aber seien die Mitar-beiter gefragt und gefordert als Ausführer, Mitdenker, Problemlöser und Innovatoren. Und nur mit solchen selbständig denkenden und handelnden Mitarbeitern könnten die Unternehmen in Baden-Württemberg bei Prozess- und Produktinnovationen ihre Spitzenstellung dauerhaft behaupten.

These 2: Solche perfekten Mitarbeiter sind nicht ein-fach da, sie brauchen Unterstützung, um sich zu mit-denkenden kreativen Problemlösern zu entwickeln. „Wenn ich die Leute nicht vom Arbeitsmarkt bekomme, muss ich sie weiterbilden“, empfiehlt der Talentma-nagement-Experte. Dabei investieren die cleveren Firmen seiner Erkenntnis nach vor allem in jene Mitar-beiter, deren Jobs für die Zukunft des Unternehmens besonders relevant sind.

These 3: Was sind die passenden Lerninhalte? Trost geht davon aus, dass auch hier die strategischen Ziele der Unternehmen die Richtung vorgeben. Es müsse geklärt werden, welche Relevanz die jeweiligen Kom-petenzen für den Unternehmenserfolg haben. Ein Führungskräftetraining allgemein sei nicht schlüssig. Vielmehr müsse geklärt werden, was Führung in ver-schiedenen Situationen ausmache. Insgesamt stün-den Kurse immer weniger im Mittelpunkt, warnt Trost. „Action Learning“ dagegen nehme zu: „Die Mitarbeiter können viel miteinander und voneinander lernen.“ Manche Unternehmen würden diesen konstruktiven Wettbewerb nutzen und daraus eine Art „interne Volks-hochschule“ aufbauen.

These 4: Standardinhalte kostenlos. Hierzu zeigt Trost ein Chart, auf dem er die Schulungsarten in einer Ma-trix nach „verordnet / nachgefragt“ und „speziell / stan-dardisiert“ geordnet hat. Wandel in den Unternehmen

Lauschen den Thesen: D. Stengele (l.) und R. SchumacherWirbt für den Blick über den Tellerrand: Wolfgang Varges

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> Jahresempfang: connect statt collect

bedeute immer auch Schulung und Weiterbildung. Daher sei rechts oben bei ‚speziell‘ und ‚nachgefragt‘ „richtig viel Musik drin“. Große Gefahr bestehe aller-dings für die Standard-Schulung. Es gebe heute jede Menge kostenlose Vorlesungen über Internet. YouTu-be sei längst die größte Lernplattform der Welt. Und die Mitarbeiter hätten das Internet ohnehin in der Jackentasche. Trosts offene Frage: Wie gestalten wir die Weiterbildung im Rahmen des Social Learning?

Persönlicher Austausch wichtig

These 5: Experten lernen von Experten. Das sei bei den Professoren in der Wissenschaft ja schon immer so ge-wesen, erklärt Trost. Jetzt aber gelte das für die Arbeits-welt genauso. Mitarbeiter tauschen sich aus, lernen voneinander. Es reiche auch nicht aus, die Wissensbe-stände eines Unternehmens in einer Datenbank abzu-speichern. Vielmehr gehe der Trend vom „collect“ zum „connect“: Wer weiß was? Wie machst Du das? Gelbe Seiten, Foren und Wikis können beim Wissenstransfer nützlich sein. Auch die Datenbank-gestützte Suche

nach (firmeninternen) Experten. Entscheidend sei aber der persönliche Austausch. Denn: „Implizites Wissen landet niemals in einer Wissensdatenbank!“

These 6: Mitarbeiter übernehmen Verantwortung für ihre berufliche Entwicklung. Trost sieht darin „die natürliche Konsequenz des Fachkräftemangels“: Die Mitarbeiter werden befähigt, ihren eigenen Weg im Unternehmen zu finden. Dabei gebe es viele unter-schiedliche individuelle Lebensentwürfe mit wech-selnden Karriere-, Weiterbildungs- und Familienpha-sen. „Da hilft kein SAP System mehr“, bemerkt Trost (der selbst jahrelang als Personalverantwortlicher bei SAP gearbeitet hat).

Als der Gastredner zum Abschluss seines Vortrags von „Talents“, „Working Horses“ und „Low Performern“ spricht, geht ein Raunen durch den Saal. Hatte nicht vorhin Wolfgang Varges in seiner Eröffnungsrede kri-tisch angemerkt: „Hat die Weiterbildung nur Platz, wenn sie verwertbar wird?“ Den Wandel in der betrieb-lichen Arbeitswelt jedenfalls, das wurde beim Jahres-empfang deutlich, sollten die Netzwerkmitglieder auf-merksam im Auge behalten.

Synchrone Kollaboration im web 2.0Soviel steht fest: Die Sache mit dem web 1.0 basier-ten E-Learning der 1990er Jahre, das war Quatsch. Alles nur noch individualisiert und online am häus-lichen PC, das hat nicht funktioniert. Der Mensch lernt am besten als soziales Wesen, also gemeinsam mit anderen. Das Besondere an dieser Erkennt-nis: Inzwischen kann man im web 2.0 sehr gut mit anderen zusammen lernen. Wie das geht, darüber informierten sich rund 60 Teilnehmer beim Praxis-Workshop „Virtuelle Lernumgebungen“ der Regio-nalbüros Karlsruhe, Lörrach, Tuttlingen und Ulm im Literaturhaus in Stuttgart.

Dr. Johannes Moskaliuk von der Universität Tübingen hat zur Erläuterung der aktuellen Lernmöglichkeiten eine futuristische Illustration aus dem Jahr 1910 mit-gebracht. Da sind Schüler (welche visionäre Präzision!) im Jahr 2000 mit Kopfhörern elektrisch an eine Wis-sensverarbeitungsmaschine angeschlossen. Ein Lehrer stopft beflissentlich Bücher in die Maschine. Nürnber-ger Trichter auf elektronisch. Genau das sei aber heute komplett anders zu verstehen beim digitalen Lernen. Nicht der Lehrer packt die Wissensbausteine ins Netz, sondern aus dem Meer der Informationsbrocken gene-rieren die „User“ ihren „Content“ selbst.

Und dieses neudeutsche Content Generieren soll Ler-nen sein? Ja, sagt Dr. Moskaliuk und beruft sich u.a. auf

den Ahnherrn des Social Learning, Lew Wygotzki, und dessen Sozialen Konstruktivismus: Wir lernen, indem wir uns mit anderen austauschen. „Wir konnektieren uns“, so Moskaliuk. Das sei aber nicht ganz einfach für ungeübte web-Lerner. Wer vom Social Learning im Netz profitieren wolle, müsse selbstreguliert lernen können, müsse seine Motivation aus erlebter Selbst-wirksamkeit beziehen, seine Lernumgebung förderlich gestalten und Kooperationen eingehen können, um damit Teil einer Community zu werden. Dann freilich gibt es den Orden: „Digital Resident“.

Prof. Dr. Thomas Jechle von der Hochschule Furtwan-gen hat bereits mit vielen dieser Digital Residents zu

Vision aus dem Jahr 1910: Online Lernen als moderner Trichter

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tun. Er freut sich darüber, dass man im virtuellen Klas-senzimmer von mehreren Orten aus zum gleichen Zeit-punkt realitätsnah, konstruktiv und kooperativ lernen könne. Allerdings müssten die Teilnehmer, das be-stätigt auch Workshop-Redner Jechle, ihre Lernwerk-zeuge gut beherrschen und über ein hohes Maß an eigenständiger Lernfähigkeit verfügen. Der neue Deal im web 2.0 heißt „Kontraktlernen“. „Wir definieren, in welcher Zeit welche Inhalte wie intensiv bearbeitet werden sollen“, so der HFU-Akademieleiter.

Vielfältige Online Lernmethoden

Für das erfolgreiche Kontraktlernen hält Jechle einen ganzen Strauß an Online Lernmethoden bereit: Web-based Training, Programmierte Instruktion, Planspiel und Simulation, Game Based Learning, Fallbasiertes Lernen, Tutorielle Lernprogramme, Drill & Practice, WebQuest. Das ganze funktioniere aber am besten in „angereicherten“ Blended Learning Konzepten. Jechles Mischungs-Formel:

• 20 % synchrones Lernen im virtuellen Klassenzimmer• 55 % asynchrones Lernen mit Lernmaterialien, in

Foren oder per Mail• 25 % Präsenz am zentralen Ort.

Didaktisch müsse dabei einiges auf den Kopf gestellt werden. Die Rolle des Lehrenden bestehe bei dieser Form des Blended Learning nicht mehr in der Wissens-vermittlung. Jechle sieht den Digital Resident Lehrer eher in der Rolle des Scouts für Lernmaterial, als Berater für zielführendes Lernen und als Moderator für Grup-penprozesse.

Bei alfatraining in Karlsruhe ist ein solches Vorgehen längst gelebte Realität. Das demonstriert eindrucks-voll Niko Fostiropoulos. Im Handumdrehen schaltet er alle seine Kolleginnen und Kollegen zugleich auf die Leinwand. Und tatsächlich: In Echtzeit winken die Weiterbildungs-Experten aus ihren Standorten überall

Kollegium auf dem Schirm: Zusammenarbeit bei alfatraining

in Deutschland hinüber zum Workshop im Stuttgarter Literaturhaus. Man hört sie auch klar und deutlich spre-chen. „Für uns ist die synchrone Kollaboration Alltag“, sagt der Alfa-Trainer. Aber man merkt Fostiropoulos doch an, dass auch er eben ein bisschen aufgeregt war, ob alles mit der Schaltung klappt. Und dann kommt er auf den riesengroßen Vorteil des synchronen Online-Lernens zu sprechen. „Wir können unseren Kunden ga-rantieren, dass ein Kurs auch stattfindet.“ Bundesweit würden für die Weiterbildungsangebote seines Hauses immer genug Teilnehmer zusammen kommen.

Chance für Netzwerkmitglieder

Gut, dass nun Roland Bauer vom Kultusministerium spricht. Denn er macht klar, dass die reibungslos funk-tionierende Blended Learning Welt von Fostiropoulos keine Zukunftsmusik ist, sondern vielmehr für alle Bil-dungsträger im Netzwerk Fortbildung zum Greifen nah liegt. Bauer betreut auf www.fortbildung-bw.de den virtuellen Konferenzraum Vitero, den alle Bildungs-träger über die Open Source Plattform Ilias nutzen können. Das System ermöglicht eine Personalisierung („persönlicher Schreibtisch“) ebenso wie das gesamte Kursmanagement. Dadurch bieten sich viele Möglich-keiten zur Kooperation und Kommunikation. Lernende können über die Plattform Ilias Tests absolvieren und an Umfragen teilnehmen.

Auch in Sachen Systemadministration präsentiert sich Ilias sehr aufgeschlossen. Das Spektrum reicht von Schnittstellen zur internen Verwaltungssoftware bis zu individuellen Anpassungen von Funktionalitäten und eigenem Erscheinungsbild. Das System kann den Netz-werk-Mitgliedern unter bestimmten Bedingungen ko-stenfrei zur Verfügung gestellt werden. „Damit haben Sie die Chance, ohne finanzielles Risiko neue Formen der Weiterbildung durch die Integration von internet-basierten Kommunikationsprozessen zu testen und zum Einsatz zu bringen“, schwärmt Bauer. Sein gene-reller Rat beim Workshop: „Überlegen Sie nicht, was die Technik kann. Überlegen Sie, was Sie wollen!“

Mit Kopfhörer und Mikro kann‘s losgehen: Treffpunkt Vitero

> Synchrone Kollaboration im web 2.0

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die unter der Moderation der SWR-Journalistin Angelika Hensolt in den Räumen der Fernuniversität Hagen am Stuttgarter Pragsattel stattfand, waren an die hundert Teilnehmer gekommen.

„Es ist absolut sinnvoll, dass sich die Weiterbildung in Deutschland und in Baden-Württemberg mit dem The-ma DQR befasst“, betonte Prof. Dr. Markus Müller vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg in seiner Begrüßungsrede. Durch den DQR werde die berufliche Bildung in ihrer Bedeu-tung gestärkt, was das Ministerium sehr begrüße. Müller wusste aktuell zu berichten, dass inzwischen auch die Wirtschaftsministerkonferenz dem DQR ein-stimmig ihre Zustimmung einteilt hätte. „Damit ist der Prozess im wesentlichen beschlossen“, so Müller. „Andererseits fängt es jetzt erst an.“

Was heißt Kompetenzorientierung?

Viel zu klären gibt es für die Bildungsträger. Wie sind die Niveaustufen des DQR von 1 bis 8 jeweils inhaltlich zu füllen? Welche branchenspezifischen Fragen stel-

len sich? Wie ist die Kompetenzorientierung des DQR zu verstehen? Wie können zu den formalen und non-formalen Qualifikationen auch die informellen Lern-ergebnisse bei der Kompetenzermittlung einbezogen werden? Viele fragende Gesichter.

DQR-Experte Prof. Dr. Dieter Gnahs vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) half in seinem Beitrag beim Fachtag zunächst noch einmal bei der grundsätzlichen Einordnung des Themas.

Ursprünglich, rief Gnahs in Erinnerung, sollte sich die Europäische Union mit ihrer neuen Freizügigkeit für Arbeitnehmer bereits bis zum Jahr 2010 zum „wettbe-werbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten

Lernergebnisse im SpinnennetzMit dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) für lebensbegleitendes Lernen gibt es erstmals ein umfassendes, bildungsbereichsübergreifen-des Profil der in Deutschland erworbenen Kom-petenzen. Die Umsetzung des DQR wird zwar für Weiterbildungseinrichtungen keine zwingenden rechtlichen Konsequenzen zur Folge haben, jedoch stellt er eine Handlungsempfehlung für Bildungs-einrichtungen dar. Kernpunkte: Weiterbildungs-maßnahmen sollten künftig kompetenzorientiert angeboten werden, um in das Raster des DQR zu passen. Und Lernergebnisse sollten als messbare Kompetenzen sichtbar werden.

Früher war es einfach. Da hat man irgendetwas gelernt, irgendeine Prüfung gemacht und irgendeine Note be-kommen. Jedes Land hatte dafür eigene Kategorien und Kriterien. Dann kam Europa. Und mit Europa die Idee, dass jeder EU-Bürger dort leben und arbeiten können solle, wo er oder sie möchte bzw. wo sich bei entsprechender Qualifikation gute Arbeitsmöglich-keiten bieten. Aus dieser Freizügigkeit heraus entstand die Suche nach einem einheitlichen Qualifikationsrah-

men, um Kompetenzen, egal unter welchen nationalen Bedingungen und Regelungen sie erworben wurden, europaweit vergleichbar zu machen. Das Ergebnis ist der Europäische Qualifikationsrahmen EQR bzw. seine deutsche Entsprechung, der DQR.

DQR kommt langsam an

Zur Diskussion über den aktuellen Stand des Deut-schen Qualifikationsrahmens und seiner Umsetzung in der Praxis hatten die Regionalbüros Stuttgart, Ess-lingen, Ortenau und Mannheim am 10. April 2013 zum Fachtag nach Stuttgart eingeladen. Das etwas sperrige Thema DQR kommt offenbar langsam an im Alltag der Netzwerk-Mitglieder. Zu der Veranstaltung jedenfalls,

EQR Experte Dieter Gnahs: Rahmen für Lifelong Learning Fachtag DQR: Wie funktioniert die praktische Umsetzung?

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Wirtschaftsraum der Welt“ entwickeln. Das habe bis-lang noch nicht ganz geklappt. Angesichts der anhal-tenden Wirtschafts- und Finanzkrisen solle nunmehr bis 2020 europaweit ein „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ verwirklicht werden.

Vier strategische Ziele

Entsprechend ist jetzt laut EU-Ratsbeschluss „ET 2020“ ein „strategischer Rahmen für die europäische Zusam-menarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und be-ruflichen Bildung“ angesagt. Das „E“ steht dabei für „Education“, das „T“ für „Training“. Mit ET 2020 verfolgt die Europäische Union vier strategische Ziele:

• Verwirklichung von lebenslangem Lernen und Mobilität

• Verbesserung der Qualität und Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung

• Förderung der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenhalts und des aktiven Bürgersinns

• Förderung von Innovation und Kreativität auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung.

Zum Erreichen dieser Ziele würden „flexible Bildungs-wege benötigt, die Einstieg und Vorankommen auf dem Arbeitsmarkt verbessern, den Übergang zwischen Arbeits- und Lernphasen erleichtern und eine Validie-rung des nichtformalen und des informellen Lernens begünstigen können“. Hier sollen der EQR und die je-weiligen nationalen Qualifikationsrahmen ihre volle Wirkung entfalten. Also ran an die Messung und Ein-sortierung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompe-

tenzen, wie es der EQR vorgibt, bzw. von Wissen, Fer-tigkeiten, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz, wie es im DQR gegliedert ist.

Bachelor und Fachwirt auf Stufe 6

Einen großen Vorteil habe der DQR bereits gebracht, erläuterte Gnahs, nämlich die Einstufung des (akade-mischen) Bachelor und des (beruflichen) Fachwirts auf gleicher Stufe 6. Die Universitäten würden sich aber nach wie vor schwer tun mit der Anerkennung beruf-licher Vorbildung.

Kompliziert wird es auch bei der Anerkennung infor-mell erworbener Kompetenzen, also bei all dem, was man nicht in Kursen, Seminaren oder Lehrgängen ge-lernt hat, sondern einfach durch Zuschauen und Aus-probieren, durch Learning by doing. Wie können sol-che Kompetenzen überhaupt ermittelt werden?

Der Rat der Europäischen Union, berichtete Prof. Gnahs, habe kurz vor Weihnachten 2012 noch schnell eine Reihe von Validierungs-Empfehlungen bekannt gege-ben. Begründung: „Die Validierung von Lernergebnis-sen, insbesondere von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die auf nichtformalem und informellem Wege erzielt werden, kann für die Steigerung von Be-schäftigungsfähigkeit und Mobilität eine wichtige Rolle spielen und insbesondere sozio-ökonomisch benachteiligte oder niedrigqualifizierte Menschen verstärkt für lebenslanges Lernen motivieren.“

Laut EU-Rat gelte es nun, die Lernergebnisse, die eine Person auf nichtformalem oder informellem Weg erzielt habe, einzeln oder in Kombination zu identifizieren, zu dokumentieren, zu bewerten und zu zertifizieren. Wie

> Lernergebnisse im Spinnennetz

Entwicklung, Messbarkeit und Evaluierung von Kompetenzen: Felix Rauner beim gut besuchten Fachtag DQR in Stuttgart

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InfoMagazin der Regionalbüros Mai 2013 Seite 7

das genau zu geschehen habe, sollen die EU Mitglieds-staaten bis spätestens Ende 2018 durch entsprechende Erlasse regeln.

Schritt für Schritt geht es also voran mit dem DQR. Die Kultusministerien haben sich darauf verständigt, die noch ausstehende verbindliche Einsortierung des Abiturs (Stufe 4 oder 5) innerhalb der nächsten fünf Jahre zu klären. Für die berufliche Bildung stellt der DQR aber schon jetzt einen wichtigen Orientierungs-rahmen dar. Dreh- und Angelpunkt im modernen (Berufs-)Bildungsverständnis sind die Kompetenzen. Und da ist Prof. Dr. Felix Rauner von der Universität Bremen der richtige Mann.

Vollständige Lösung beruflicher Aufgaben

Berufliche Kompetenz bedeutet für Rauner: „Berufliche Aufgaben situationsspezifisch und vollständig lösen und dabei die jeweils gegebenen Lösungs- und Ge-staltungsspielräume in ökologischer und sozialer Ver-antwortung ausschöpfen.“ Wie aber kann man diese berufliche Kompetenz messen? Rauner hat hierfür zum Fachtag DQR ein Qualitäts-Diagramm mitgebracht, bei dem sechs Faktoren berücksichtigt werden:

• Fachliches Ausbildungsniveau• Selbständiges Arbeiten und Lernen• Prozessbezogene Ausbildung• Berufsfähigkeit• Berufliches Engagement• Erfahrungsbasiertes Lernen.

Auch zur Validierung von informell erworbenen Kom-petenzen hat Prof. Rauner einen Vorschlag. Er verweist dabei auf das EU-Projekt KoDE (Kompetenz-Diagnostik und -Entwicklung). Danach werden didaktische Richt-linien und konkrete Lehrmaterialien für Lehrkräfte, Ausbilder und Berater entwickelt, mit denen sich die nonformalen und informellen Kompetenzen messen und bewerten lassen.

Fragen zur realen Arbeitssituation

Beispiel: Im WCI (work-based competence interview) werden offene Fragen gestellt, die sich auf reale Ar-beitssituationen beziehen. Zur „Kommunikationskom-petenz“ etwa heißt die Aufgabe: „Beschreiben Sie bitte eine Situation, in der Sie vor allem aufgrund ihrer gu-ten mündlichen Kommunikationsfähigkeit erfolgreich waren.“ Der Interviewpartner kann nun aus seinem Er-fahrungsbereich erzählen. Die Bewertung erfolgt an-hand von sieben Stufen, von „nicht überzeugend“ über „passt gut“ bis hin zu „exzellent“. Detaillierte Beschrei-bungen verdeutlichen die jeweilige Stufe.

Felix Rauner ist überzeugt, dass man Kompetenzen mit solchen Instrumenten sehr gut erfassen und auch ent-wickeln kann. Die jeweiligen Daten werden in einem Netzdiagramm („Spinnennetz“) eingetragen. Bei er-neuter Befragung zu einem späteren Zeitpunkt kön-nen Veränderungen im Kompetenzprofil leicht identi-fiziert werden.

Liegt den Zertifikaten der Weiterbildung künftig also immer ein aktuelles Spinnennetz zur Kompetenz-Abbildung bei? Bis spätestens 2018 sollten wir uns dazu - nicht zuletzt auch im Netzwerk Fortbildung Baden-Württemberg - verständigt haben.

> Lernergebnisse im Spinnennetz

Netzdiagramm zur Darstellung von Kompetenzen (nach Rauner)

Angeregte Diskussionen in der Mittagspause: Wie kann die Kompetenzorientierung des DQR in der Praxis umgesetzt werden?

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InfoMagazin der Regionalbüros Mai 2013 Seite 8

Stgt Hbf: Werbung für Weiterbildung

Großer Aufschlag zum Deutschen Weiterbildungstag auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof: Testimonial-Kampagne der Regionalbüros

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InfoMagazin der Regionalbüros Mai 2013 Seite 9

Konservative wünschen sich detaillierte Vorabinfor-mationen. Präferiert werden Themen der allgemeinen Weiterbildung. Überhaupt nichts anfangen können Konservative mit psychologisch-therapeutisch, esote-risch bzw. gruppendynamisch anmutenden Kurstiteln und –angeboten. Klassische Vortrags- und Seminarme-thoden sind ihnen am liebsten, gerne am Vormittag. Schön, wenn das gepflegte Ambiente des bekannten und renommierten Anbieters mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln erreichbar ist. Beim Preis herrscht ein aus-geprägtes Qualitäts- und Leistungsbewusstsein. Aber wehe, der Preis ist zu hoch, dann gilt der Anbieter als unseriös.

Bei den Etablierten spielt der Preis keine Rolle. Hoch-spezialisierte (private) Anbieter werden bevorzugt. Man erwartet eine homogene und hoch motivierte Teilnehmerschaft. Rasches Lerntempo und höchste Ansprüche an Ambiente und Komfort werden ebenso geschätzt wie der Raum für selbstgesteuerte Lernpro-zesse. Und bitte: Gezielte und exklusive Ansprache mit klaren, nüchternen Informationen.

Im traditionellen Milieu werden vor allem Angebote mit pragmatischem, alltagsbezogenem Verwertungs-aspekt geschätzt. Dabei spielt die Geselligkeit eine

nicht unbedeutende Rolle. Nachmittagsstunden in sauberen und ordentlichen Räumlichkeiten (möglichst in der Nähe) werden bevorzugt. Die Preise sollten dem schmalen Budget angepasst sein. Werbung im Briefka-sten kommt nicht gut an, umso besser ein übersicht-liches und detailliertes Programmheft.

Konsum-Materialisten haben oft negativ prägende Bildungserlebnisse. Entsprechend hoch sind Schwel-len- und Prüfungsängste. Die Teilnahme an Weiter-bildungsmaßnahmen wird ihnen oftmals von außen

Neue Sinus-Milieus: Die Kartoffel lebtDie zur Beschreibung der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung hilfreichen Sinus-Milieus in Deutschland haben 2010 ein Update erfahren. Anhand der neu zugeschnittenen Milieuprofile (wegen ihrer Formen gerne als „Kartoffeln“ be-zeichnet) können nun gerade auch die Weiterbil-dungseinrichtungen ihre angepeilten Zielgruppen genauer bestimmen und das Angebot bezüglich Kursplanung, didaktischer Gestaltung, Zeit und Ort, Preisgestaltung und werblicher Ansprache wirksamer ausrichten.

Vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu stammt die Erkenntnis, dass sich im Alltagsleben der Industrie-gesellschaften immer mehr „feine Unterschiede“ he-rauskristallisiert haben. Kleidung, Essgewohnheiten, Wohnungseinrichtung: Daran erkennen und darin un-terscheiden sich die Menschen. Das wiederum hat in den 1980er Jahren einige Heidelberger Sozialforscher veranlasst, diese moderne Gesellschaft in einer Matrix aus sozialer Lage und Grundorientierung bezüglich des gesellschaftlichen Wandels zu vermessen.

Soziale Lage und Grundorientierung

Herausgekommen sind die sogenannten Sinus-Milieus. Wie man daraus ein professionelles Bildungsmarketing ableiten kann, erläuterte der Leiter der Sinus-Akade-mie Peter Martin Thomas bei einem Seminar des Netz-werks Fortbildung im vergangenen September in der Volkshochschule Stuttgart, das die Regionalbüroleite-rinnen Veronika Erler und Ulrike Goldschmitt-König organisiert haben. „In den Sinus-Milieus gruppieren wir Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln“, so der Sinus-Forscher. „Grundle-gende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen zur Arbeit, zur Fa-milie, zur Freizeit und zu Geld und Konsum.“

Damit bieten die Sinus-Milieus für Weiterbildungsein-richtungen eine gute Grundlage, um die angepeilten Zielgruppen näher zu bestimmen und das Angebot bezüglich Kursplanung, didaktischer Gestaltung, Zeit und Ort, Preisgestaltung und werblicher Ansprache entsprechend zu gestalten.

Menschen in der Bürgerlichen Mitte interessieren sich für Angebote, die an aktuellen Trends ausgerichtet sind. Sie bevorzugen Vorträge und achten auf das Fachwis-sen und die Souveränität des Kursleiters. Aufgrund fa-miliärer und beruflicher Verpflichtungen kommen vor allem Abendveranstaltungen in Frage, Kursende bis 21 Uhr. Helle und gepflegte Räumlichkeiten kommen gut an, Schulklassenzimmer werden abgelehnt. Wenn ein Kurs beruflich verwertbar ist, darf er auch etwas kosten.

Tipps fürs Bildungsmarketing: Peter Martin Thomas

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aufoktroyiert. Ein langsames Lerntempo ist hilfreich. Selbstgesteuerte Lernprozesse stoßen auf geringes Interesse. Wenig vertraute Methoden wie Rollenspiele werden abgelehnt. Wichtig sind Freundlichkeit, Kame-radschaftlichkeit und Geduld des Dozenten. Begrenzte Kurszeiten und die Einhaltung von Pausen machen das Angebot in angenehmem zwecktauglichem Ambiente attraktiv. Da in der Regel keine selbständige Informa-tionssuche erfolgt, ist eine aufsuchende Bildungswer-bung inmitten der persönlichen Lebenswelt angesagt.

Den Hedonisten geht es vor allem um Spaß, Spannung und intensive Erlebnisse. Sie sind offen für informelle Formen der Weiterbildung, gerne im Freundeskreis. Überhaupt nicht leiden können sie Frontalunterricht, Theorielastigkeit und Schulatmosphäre. Zeitlich sind die Hedonisten flexibel. Außer am Abend, da werden Freizeitaktivitäten bevorzugt. Veranstaltungsräume sollten eine Wohlfühlatmosphäre ausstrahlen. Das gan-ze darf nicht viel kosten. Werbung wird gerne wahrge-nommen, vor allem, wenn sie die Botschaft vermittelt: Weiterbildung macht Spaß.

Postmateriell orientierte Menschen lernen gerne. Sie sind offen für Alternatives und Unkonventionelles. Entsprechend sind sie auch interessiert an innovativen Lehr- und Lernmethoden. Sie präferieren aufgrund zeitlicher Belastung Blockseminare und freuen sich über einen Tagungsort im Grünen, der im besten Fall sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.

Moderne Performer setzen auf brandaktuelle und zukunftsträchtige Themen. Dabei präferieren sie indi-vidualisierte und informelle Formen der Weiterbildung, gerne in einer exklusiven und leistungsbezogen homo-genen Teilnehmergruppe. Zügige Wissensvermittlung, vielfältiger Medieneinsatz, hohe Lernzielorientierung gepaart mit höchsten Ansprüchen an die Fachqualifi-kation des Dozenten stehen hoch im Kurs. Hochpreisi-ge Angebote wie Blockseminare an einem ausgefallen Tagungsort kommen gut an. Vorausgesetzt, man wird exklusiv, individuell und professionell darauf aufmerk-sam gemacht.

Experimentalisten zeichnen sich durch ein breit ge-streutes Themeninteresse aus. Sie möchten dabei vor allem ihre Persönlichkeit entfalten und entwickeln. Informelle Lernprozesse in heterogener und hoch mo-tivierter Teilnehmergruppe kommen dem entgegen, wobei die Dozenten eine hohe Motivation und Begei-sterungsfähigkeit ausstrahlen sollen. Zeitliche Unge-bundenheit und flexible Zeiteinteilung sind wichtig, daher werden Blockseminare an einem gut erreich-baren Ort bevorzugt. Für innovative Angebote, die man sich selbst in Programmheften und Internetforen aus-sucht, wird gerne bezahlt. Bitte keine schrille Werbung.

Soweit die Empfehlungen für zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote, wie sie u.a. im „Praxishand-buch Milieumarketing“ von Heiner Barz und Rudolf Tippelt (2. Aufl. 2007) auf der Basis der Sinus-Milieus ausführlich dargestellt werden. Aber unsere heutige Gesellschaft ist im schnellen Wandel begriffen. Und so müssen auch die Sinus-Milieus von Zeit zu Zeit grund-legend neu gefasst werden. Das aktuelle Ergebnis auf der Datenbasis von 2010 wurde im Netzwerk-Seminar präsentiert. Mit zum Teil deutlich veränderten „Kartof-feln“: Die „Konservativen“ sind ein bisschen offener für Veränderung – und haben sich dadurch verdoppelt. Die „Experimentalisten“ sind bezüglich ihrer sozialen Lage aufgestiegen. Die „Konsum-Materialisten“ sind abge-stürzt ins „Prekäre Milieu“. Die „DDR-Nostalgischen“, bis 2009 noch ein eigenständiges Milieu, haben sich nach Auffassung der Sinus-Sozialforscher verflüchtigt.

Neuer Zuschnitt: Sinus-Milieus 2010

Bei den aktuellen Sinus-Milieus, erläuterte der Pädago-ge und Sozialforscher Thomas, zählt die „Bürgerliche Mitte“ nur noch 14 % der Bevölkerung. Darum herum finden sich 15 % „Traditionelle“, 10 % „Konservativ Etablierte“, 7 % „Sozialökologische“, 9 % „Adaptiv Pragmatische“, 15 % „Hedonisten“ und 9 % „Prekäre“. Etwas weiter von der Mitte entfernt gibt’s dann nach aktueller Sinus-Erkenntnis noch 7 % „Liberal Intellek-tuelle“, 7 % „Performer“ und 6 % „Expeditive“.

Neuestes Angebot des Sinus-Instituts: Man kann sich die unterschiedlichen Milieus nach genauer örtlicher

Verteilung aufzeigen lassen, sogar herunter gebrochen auf den einzelnen Straßenzug. Dazu werden anonymi-sierte Daten zu Automarken, Umzugsverhalten, Kin-deranzahl und Einkommensklasse ausgewertet. Wie das Ergebnis aussieht, konnten die Seminarteilnehmer kurz anhand eines Stuttgarter Milieu-Stadtplans erken-nen. Aber solche Angebote vom Sinus-Institut gibt’s nur auf Anfrage – und im vergleichsweise hochpreisi-gen Segment.

> Neue Sinus-Milieus: Die Kartoffel lebt

Milieumarketing: Zielgruppengenau nach Stadtteil

Page 11: Ausgabe 6 info magazin der regionalbueros märz 2013

Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds..

Weiterbildung in Baden-WürttembergEindrücke – Übersichten – Ausblicke

InfoMagazin der Regionalbüros Mai 2013 Seite 11

Startklar für die Arbeitswelt der ZukunftCaptain Kirk und seine Crew auf dem Raumschiff Enterprise verkörpern für Ute Noack ein geniales Team für komplexe Zukunftsaufgaben: In der Fern-sehserie aus den Sechzigern arbeiten Menschen verschiedener Nationalitäten, Frauen und Män-ner, in einem hoch technisierten Feld erfolgreich zusammen. In der Öhringer Kultura richtete die Personalentwicklerin und Psychologin den Blick von heute aus auf die Arbeitswelt der Zukunft. Für rund 50 Gäste umriss der Auftaktvortrag zu der Veranstaltungsreihe “45+ - Mut zu neuen Wegen“ die Herausforderungen, denen sich Berufstätige, aber auch Arbeitgeber stellen müssen.

Gemeinsam mit Susanne Ehrmann und Tanja Zeiner, von der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall – Tauber-bischofsheim hat Nadine König vom Netzwerk für be-rufliche Fortbildung die Workshopreihe „45 + Mut zu neuen Wegen“ geplant. Die Veranstaltungen richten sich bewusst an ältere Arbeitnehmer, deren Anteil am Erwerbsleben nachweislich zunimmt. „Die Jobs der Zu-kunft passen in keine traditionelle Schublade mehr“, weiß Nadine König. Was die Regionalbüroleiterin im Be-ratungsalltag zur beruflichen Weiterbildung beobach-tet, spiegelte sich zum Teil auch in den Arbeitsmarkt-zahlen, die Agentur-Geschäftsführer Stefan Gutfreund vorlegte: „Der Bedarf an Fachkräften in der Region bietet in einigen Branchen sehr gute Chancen für (Wie-der-)Einsteigerinnen. “

Der Mut zu neuen Wegen sei ein sehr gutes Investment in die Zukunft, bestätigte die Referentin – und der erste Schritt in Richtung Eigeninitiative. Ohne dass jemand die Verantwortung dafür übernehme, seine Beschäf-tigungsfähigkeit zu erhalten, funktioniere gar nichts, nannte Noack die wichtigste Voraussetzung, um Arbeit zu finden. „Ihre Identifikation mit Ihrem Beruf und Ihre Motivation übernimmt keine Firma für Sie“, machte die lebhafte Dozentin deutlich.

Darüber hinaus sei es grundlegend, „den eigenen Tauschwert am Arbeitsmarkt zu kennen“. Basiskompe-tenzen, die etwa im Lehrberuf vor 20 Jahren ausreich-ten, müssten wiederbelebt, Stärken ausgebaut werden. Neugier zählt Noack dazu, Hartnäckigkeit, aber auch die Fähigkeit, sich schnell von Stress zu erholen. Arbeit, Privatleben und Gesundheit seien schon jetzt enger verwoben denn je: Arbeitsplätze der Zukunft nehmen Rücksicht auf gesundes Sitzen, Entspannungsmöglich-keiten oder gute Verpflegung und orientieren sich an persönlichen Lebensplänen statt an starrer Unterneh-mensroutine.

Neue Arbeitszeitmodelle fassen bereits Fuß, von der Kombination Teilzeit- plus Minijob bis hin zu Firmen ohne Anwesenheitspflicht, in denen Ergebnisse statt Arbeitszeit vergütet werden. 2050 könnte die neue Vollzeitbeschäftigung 30 Stunden betragen – bei einem Renteneintrittsalter von 72 Jahren. Spätestens dann müssen Arbeitgeber auch für die sogenannten Grey Silvers flexible Arbeitsbedingungen schaffen. Schon jetzt würden sich Unternehmen bewusst, dass die menschlichen Ressourcen der wichtigste Wirt-schaftsfaktor in einem Exportland wie Deutschland sei.

Netzwerke knüpfen, Profil schärfen

Vor diesem Hintergrund werden auch Werte wie Ver-lässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Mobilität Eckpfeiler künftiger Firmenkultur, ist sich Noack sicher. Im „Raum der offenen Möglichkeiten“ macht die 46-jährige Re-ferentin Energie und Mobilität, Restauration oder me-dizinische Dienstleistungen als Gewinnbranchen aus. Die Automobilindustrie zählt sie dagegen zu den Kri-senbranchen. Um in diesen Arbeitsszenarien seinen Platz zu finden, reiche es nicht, siegessicher vorzupre-schen. Wichtig sei es, Netzwerke zu knüpfen, sein Profil zu schärfen und auf sich aufmerksam zu machen, um startklar zu sein für veränderte Märkte, gab Noack ih-ren Zuhörern mit : „Hören Sie das Gras wachsen.“ (ag)

Profi-Tipp: Basiskompetenzen wiederbeleben, Stärken ausbauen

Gute Chancen für (Wieder)Einsteigerinnen: Referentin Ute Noack

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Weiterbildung in Baden-WürttembergEindrücke – Übersichten – Ausblicke

InfoMagazin der Regionalbüros Mai 2013 Seite 12

zum Schluss… Neuer Lernladen in Tübingen

Zwischen den Gewerbebauten gleich hinter der Blauen Brücke findet sich linkerhand der neue Tübinger Lern-laden. Hier hat die team training GmbH, unterstützt durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, eine trägerneutrale Beratungs-stelle platziert. Braucht man so etwas in einer mit Bil-

dungsangeboten reich gefüllten Universitätsstadt? Gerade da, sagt ttg Chef Cornelius Ambros (im Bild l.), denn viele trauen sich nicht, bei den Anbietern direkt zu fragen oder kommen mit der Vielfalt der Angebote nicht zurecht. Im Lernladen kümmert sich die Pädago-gin Leonie Vetter (Bildmitte) mit reichlich „Beat“ um die Besucher: Bildung, Essen, Aktion, Tun.

Beratungstandems in Freiburg

Alle fragen sich, wie man die sogenannten Bildunsgs-fernen am besten erreicht. In einem Workshop bei der Fachtagung „Bildungsberatung in Freiburg“ stellten Regionalbüroleiter Andreas Gässler und Kerstin Hege von der vhs Freiburg ihr Konzept vor. Erfolgreich sind eingespielte Tandems aus Bildungsberatern und Multi-plikatorInnen. Wie schafft man das? Durch gute Netz-werkarbeit.

Impressum

Dieses InfoMagazin wird herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung Baden-Württemberg. Ausgabe 6/2013

Für die Redaktion ist eine Arbeitsgruppe zuständig, Mitglieder sind derzeit Achim Kühne-Henrichs und Dr. Gerhard Mehrke.

Ansprechpartner und Kontakt: Achim Kühne-Henrichs Regionalbüro des Netzwerks Neckar-Alb c/o Volkshochschule Reutlingen Im Wasen 10, 72770 Reutlingen Tel.: 07121 / 955357 Email: [email protected]

... demnächstTermine

Erfolgreich wirtschaften - nachhaltig wirtschaftenVortrag von Prof. Dr. Martin Müller zu Perspektiven für eine innovative Entwicklung in Unternehmen Dienstag, 25. Juni 2013, 18.30 - 20.00 Uhr, Handwerkskammer Ulm, Olgastraße 72, 89073 Ulm

17. Karlsruher Weiterbildungstag Kontaktbörse mit 20 Weiterbildungseinrichtungen und Personaldienstleistern. Workshops und Vorträge Donnerstag, 11. Juli 2013, 13 - 19 Uhr,Regierungspräsidium Karlsruhe, Karl-Friedrich-Str. 17

12. Stuttgarter WeiterbildungstagWeiterbildungseinrichtungen aus Stuttgart und Um-gebung präsentieren ihre Weiterbildungsangebote. Freitag, 20. September 2013,11.00 - 18.30 Uhr, Treffpunkt Rotebühlplatz, 70173 Stuttgart

Treffpunkt Fortbildung 2013Kooperationsveranstaltung der Regionalbüros Pfullen-dorf und Lörrach. Vorträge von Jasmina Prpic (Erfolg-reich netzwerken) und J. Warth (7 Schritte zum Erfolg) Dienstag, 22.Oktober 2013, Bildungsakademie Singen, Lange-Str. 20, 78224 Singen

Buchstäblich niederschwellig: Der neue Lernladen in Tübingen

Workshop zu Beratungstandems: MultiplikatorInnen einbinden