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Ausgabe Nr. 3/2017, 22.05.2017 I. Widerruf eines Anwaltsvertrages bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen gem. §§ 312g, 312b, 312c, 355 BGB Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer möchte Sie hinsichtlich der Widerrufsmöglichkeit eines Anwaltsvertrages durch Verbraucher gem. §§ 312g, 312b, 312c, 355 BGB sensibilisieren. Kommt ein Anwaltsvertrag mit einem Mandanten, der Verbraucher ist, ausschließlich mittels Fernkommunikationsmitteln oder außerhalb der Kanzlei zustande, muss der Mandant unbedingt auf sein Widerrufsrecht hingewiesen werden. Belehren Sie den Mandanten nicht, laufen Sie Gefahr, Ihren Vergütungsanspruch zu verlieren. Nach §§ 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage. Fernabsatzverträge (§ 312 c BGB) sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Fernkommunikationsmittel sind nach 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie bspw. die dort genannten Briefe, Telefonanrufe, E-Mails, SMS. Außergeschäftsraumverträge sind nach § 312b BGB solche Verträge, die nach Nr. 1 der Vorschrift bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Mit einem solchen Außergeschäftsraumvertrag hat sich das LG Stade mit Urteil vom 21.12.2016 (2 O 160/16) befasst. Eine Anwältin war in einer Erbangelegenheit für eine betagte gehbehinderte Dame erfolgreich tätig. Die entsprechenden Unterlagen hatte sie vorab per E-Mail erhalten und sodann den Besprechungstermin als „Hausbesuch“ bei der Mandantin abgehalten. Nach Mandatsbeendigung hat der Sohn der Mandantin den Anwaltsvertrag für seine Mutter widerrufen und auf Rückzahlung des Anwaltshonorars vor dem LG Stade geklagt. Das LG Stade

Ausgabe Nr. 3/2017, 22.05.2017 I. - rakcelle.de · Voraussetzung für das Entstehen dieser Gebühren ist, dass der Auftrag vom Mandanten, bzw. durch den Prozessbevollmächtigten in

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Ausgabe Nr. 3/2017, 22.05.2017

I. Widerruf eines Anwaltsvertrages bei außerhalb von Geschäftsräumen

geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen gem. §§ 312g, 312b, 312c, 355 BGB

Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer möchte Sie hinsichtlich der Widerrufsmöglichkeit eines Anwaltsvertrages durch Verbraucher gem. §§ 312g, 312b, 312c, 355 BGB sensibilisieren. Kommt ein Anwaltsvertrag mit einem Mandanten, der Verbraucher ist, ausschließlich mittels Fernkommunikationsmitteln oder außerhalb der Kanzlei zustande, muss der Mandant unbedingt auf sein Widerrufsrecht hingewiesen werden. Belehren Sie den Mandanten nicht, laufen Sie Gefahr, Ihren Vergütungsanspruch zu verlieren. Nach §§ 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage. Fernabsatzverträge (§ 312 c BGB) sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Fernkommunikationsmittel sind nach 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie bspw. die dort genannten Briefe, Telefonanrufe, E-Mails, SMS. Außergeschäftsraumverträge sind nach § 312b BGB solche Verträge, die nach Nr. 1 der Vorschrift bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Mit einem solchen Außergeschäftsraumvertrag hat sich das LG Stade mit Urteil vom 21.12.2016 (2 O 160/16) befasst. Eine Anwältin war in einer Erbangelegenheit für eine betagte gehbehinderte Dame erfolgreich tätig. Die entsprechenden Unterlagen hatte sie vorab per E-Mail erhalten und sodann den Besprechungstermin als „Hausbesuch“ bei der Mandantin abgehalten. Nach Mandatsbeendigung hat der Sohn der Mandantin den Anwaltsvertrag für seine Mutter widerrufen und auf Rückzahlung des Anwaltshonorars vor dem LG Stade geklagt. Das LG Stade

hat mit Urteil vom 21.12.2016 (2 O 160/16) entschieden, dass der Vertrag gemäß §§ 312g, 312b, 355 BGB widerrufen werden konnte, weil sich die Beklagte (= Anwältin) mit der Klägerin (= Mandantin) zur Besprechung und zur Unterzeichnung der Vollmacht zur Klägerin nach Hause begeben hat. Damit lag ein sog. Außergeschäftsraumvertrag vor. Da die Beklagte nicht über das Widerrufsrecht belehrt hat, war auch die Widerrufsfrist bei Ausübung des Widerrufs nicht abgelaufen. Das Erlöschen des Widerrufsrechts durch die vollständige Erbringung einer Dienstleistung gemäß § 356 Abs. 4 BGB konnte ebenfalls nicht angenommen werden, so das LG Stade, da die Klägerin (= Mandantin) nicht ihre ausdrückliche Zustimmung zur Leistungserbringung vor Fristablauf in – ausdrücklich bestätigter - Kenntnis des Umstandes erteilt hat, dass sie bei Leistungserbringung das Widerrufsrecht verliert. Aus demselben Grund kann die Beklagte von der Klägerin auch nicht gem. § 357 Abs. 8 BGB Wertersatz für die erbrachte Leistung verlangen. Ein weiterer Fall des sog. Außergeschäftsraumvertrages ist die Erteilung eines Mandats in der JVA. Insbesondere in diesen Fällen ist häufig ein Abwarten der Widerrufsfrist von 2 Wochen nicht praktikabel. Hier sollte gemäß § 356 Abs. 4 BGB die Zustimmung des Mandanten eingeholt werden, bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist tätig zu werden, verbunden mit der ausdrücklichen Belehrung, dass der Mandant, wenn der Anwalt vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Tätigkeit beginnt, sein Widerrufsrecht verliert bzw. bei Widerruf innerhalb der Zweiwochenfrist die bis dahin erbrachte Tätigkeit vergüten muss. Der BGH hat sich in zwei Verfahren, die allerdings Maklergebühren betreffen, mit dem Widerrufsrecht auseinandergesetzt (BGH Urteile vom 07.07.2016, I ZR 30/15 und I ZR 68/15). Die entsprechende Muster-Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular können auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) heruntergeladen und entsprechend angepasst werden.

II. Abrechnung bei Einschaltung eines Terminsvertreters

Mit der Gebührenabrechnung bei Einschaltung eines Terminsvertreters haben sich die Gebührenreferenten der BRAK auf ihrer letzten Tagung befasst. Wird ein Terminsvertreter bestellt, erhält dieser nach dem RVG folgende Gebühren: Verfahrensgebühr in Höhe der Hälfte der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3401 VV RVG. Terminsgebühr in Höhe der einem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Terminsgebühr, in der Regel eine 1,2 Gebühr, gemäß Nr. 3402 VV RVG.

Voraussetzung für das Entstehen dieser Gebühren ist, dass der Auftrag vom Mandanten, bzw. durch den Prozessbevollmächtigten in Vollmacht für den Mandanten erteilt worden ist. Werden mit dem Terminsvertreter geringere als die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren vereinbart, müssen zwei Fallvarianten unterschieden werden:

a) Auftragserteilung durch den Mandanten bzw. dessen Prozessbevollmächtigten

Soll der Terminsvertreter geringere als die gesetzlich vorgesehenen Gebühren erhalten, verstößt diese Vereinbarung gegen § 49b BRAO und ist berufsrechtlich zu ahnden. Gleichwohl kann der Terminsvertreter nicht mehr als die vereinbarte Vergütung vom Mandanten verlangen. Dem Hauptbevollmächtigten steht jedoch nicht die Differenz zu den gesetzlichen Gebühren gegenüber dem Mandanten zu. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren kann nur die reduzierte Vergütung des Terminsvertreters angemeldet werden.

b) Auftragserteilung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt Beauftragt ein Anwalt den Terminsvertreter im eigenen Namen und nicht in Vollmacht des Auftraggebers, liegt ein Vertrag zwischen den beiden Anwälten vor. Dann schuldet der Anwalt nur die vertraglich vereinbarte Vergütung an den Terminsvertreter. Ein Verstoß gegen § 49b BRAO liegt hier nicht vor, da dieser nur das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant betrifft, nicht aber das Verhältnis der Anwälte untereinander. Achtung! Der beauftragte Rechtsanwalt haftet trotzdem in vollem Umfang für etwaige Fehler. Mit dem Mandanten können dann nur die dem Hauptbevollmächtigten in seiner Person entstandenen gesetzlichen Gebühren abgerechnet werden, also insbesondere keine zusätzliche halbe Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG. Gleiches gilt für die Anmeldung im Kostenfestsetzungsverfahren. Eine Vereinbarung des Inhalts, dass die Vergütung des Terminsvertreters nur im Erfolgsfall nach RVG abgerechnet wird, wenn also ein Kostenerstattungsanspruch besteht, ist eine unzulässige Erfolgshonorarvereinbarung.

III. Dokumente mit Kennwortschutz im elektronischen Rechtsverkehr

Technische Rahmenbedingungen bzgl. der Einreichung von Dokumenten bei Gerichten im elektronischen Rechtsverkehr werden durch die Rechtsverordnungen nach § 130a Abs. 2 ZPO (und entsprechenden Vorschriften anderer Verfahrensordnungen) festgelegt. Unter anderem finden sich in diesen Rechtsverordnungen Vorgaben über die zulässigen Dateiformate. Derzeit erlassen Bund und Länder Rechts-verordnungen jeweils für ihren Bereich, künftig (grundsätzlich ab 2018) wird stattdessen einheitlich eine Rechtsverordnung des Bundes gelten. Neben den in den Rechtsverordnungen festgelegten technischen Rahmenbedingungen hat sich in der Praxis gezeigt, dass gewisse Varianten von

Dateiformaten zu Schwierigkeiten bei der Weiterverarbeitung in der Justiz führen: Wenn elektronische Dokumente (Microsoft Word, PDF etc.) mit einem Kennwortschutz versehen sind, der ein Ausdrucken der Datei oder ein Kopieren von Textbestandteilen verhindert, führt dies zu technischen Schwierigkeiten bei Gerichten. Unabhängig von der Frage der verfahrensrechtlichen Zulässigkeit geben wir daher die Bitte aus der Justiz weiter, im elektronischen Rechtsverkehr auf Dokumente mit einem Kennwortschutz zu verzichten.

IV. 5. Soldan Moot – Richter und Juroren gesucht

Bereits zum 5. Mal richtet das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht der Universität Hannover gemeinsam mit der Soldan Stiftung, BRAK, DAV und dem Deutschen Juristen-Fakultätentag den Soldan Moot aus. Dieser findet in der Zeit vom 11.10. bis 14.10.2017 in Hannover statt. In diesem Jahr werden bis zu 40 Teams erwartet.

Zur Durchführung des Wettbewerbs werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gesucht, die als Richter die mündlichen Verhandlungen leiten oder als Juroren die Leistungen in den mündlichen Verhandlungen bewerten. Interessierte könnten sich unter http://www.soldanmoot.de/registrierung/index.html anmelden. Weitere Informationen finden Sie unter www.soldanmoot.de

V. Die Pariser Anwaltskammer sucht junge Anwälte für zwei internationale

Programme

Wie die BRAK in ihrem Newsletter mitteilt, organisiert die Pariser Anwaltskammer (Barreau de Paris) in diesem Jahr zwei internationale Programme für junge Anwälte (bis 40 Jahre), bestehend aus Kursen über das französische Rechtssystem sowie aus einem Praktikum in einer Kanzlei.

Das zweite Programm (sog. "stage international") findet im Oktober und November 2017 statt und richtet sich an französischsprechende Anwälte. Für dieses Programm läuft die Bewerbungsfrist noch bis zum 15. Juni 2017.

Die Kosten für die Kurse werden von der Pariser Anwaltskammer übernommen. Dafür muss der Bewerber die Kosten für die Anreise, für die Unterkunft und für den Lebensunterhalt übernehmen. Sollten Sie Interesse an der Teilnahme haben, können Sie weitere Informationen bei der zuständigen Mitarbeiterin der Pariser Anwaltskammer Aurore Legrand ([email protected]) erhalten. Bei ihr müssen auch die Bewerbungsunterlagen (CV, Motivationsschreiben, Foto, Passkopie, Zulassungsnachweis einer Rechtsanwaltskammer) in der jeweiligen Sprache eingereicht werden. Aktuelle Informationen bzw. Veranstaltungshinweise finden Sie auch auf unserer Homepage unter: http://www.rakcelle.de/anwaelteN/aktuelles.htm und unter: http://www.rakcelle.de/anwaelteN/veranstaltungen.htm