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Ausgabe Nr. 9 | November 2010 | SPECTATOR DENTISTRY Stuttgart – Der Einsatz von Hyp- nose, vor allem bei der Behand- lung von Angstpatienten, wird im- mer beliebter. SPECTATOR sprach mit Dr. Albrecht Schmierer über die Vorurteile, die der klinischen Hypnose im- mer noch anhaften. Z ahnärztliche Hypnose hat nichts mit der Showhypnose zu tun, die man aus dem Fernsehen kennt. Es geht dabei um die Vermin- derung von Angstzuständen und Schmerzreduktion bei der Patien- tenbehandlung. Schmierer, nieder- gelassen in eigener Praxis in Stutt- gart, ist als Präsident der Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hyp- nose (DGZH) ein Experte auf dem Gebiet der Hypnose. SPECTATOR: Wie viele Zahnärzte arbeiten deutschlandweit etwa mit zahnärztlicher Hypnose und wie sieht der Trend in diesem Bereich aus? Dr. Albrecht Schmierer: Seit 1982 habe ich persönlich über 5000 Kollegen in Hypnose ausgebildet, es sind aber si- cher noch sehr viel mehr, da neben der DGZH auch die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH), die Milton Erickson Gesell- schaft für Klinische Hypnose (MEG) und freie Anbieter Hypnoseseminare für Zahnärzte anbieten. Ich schätze die Zahl der Kollegen, die Hypnosefortbildung besucht haben auf rund 10 000. Davon wendet aller- dings nur ein kleiner Teil Hypnose offi- ziell an. Bei der DGZH sind von 1550 ak- tuellen Mitgliedern nur 633 auf unseren Internetseiten (www.dgzh.de) ver- öffentlicht. Viele Kollegen wollen nicht offiziell mit Hypnose werben, da sie be- fürchten, damit mehr psychosomati- sche Fälle in die Praxis zu bekommen. Sie wenden aber die suggestive Kom- munikation mit indirekten Hypnose- techniken an, um die Compliance zu verbessern und entspannt arbeiten zu können. Viele Seminarteilnehmer nut- zen die Ausbildung auch für ihre eige- nen Bedürfnisse, im Sinne von Stress- bewältigung, Gesundheitsvorsorge und Kommunikationseffizienz machen. SPECTATOR: Können Sie mir Patien- tenfälle nennen, bei denen Sie erfolg- reich mit Hypnose gearbeitet haben und natürlich warum Patienten diese benötigen? Schmierer: Die häufigste Indi- kation aller Hypnosezahnärzte ist der Angst- und Stressabbau für un- sere Patienten. Wir erklären den Angst- und Phobiepatienten schon am Telefon das Vorgehen und streu- en dabei Suggestionen und Vor- schläge für einen erfolgreichen Angstabbau ein. Den Patienten wird angeboten, das Buch Schmierer/ Schütz „Entspannt zum Zahnarzt – So überwinden Sie die Angst“ zu le- sen, bevor sie in die Praxis kommen. Dann werden sie darüber infor- miert, dass sie zunächst nur zu ei- nem Vorgespräch kommen, in dem sie dann entscheiden, ob sie eine vorbereitende Hypnose oder gleich eine Inspektion und Behandlungs- planung haben möchten. Über pro- fessionelle Prophylaxe werden sie (mit Hilfe der CD „Beim Zahnarzt ohne Stress“) sanft an eine Behandlung ge- wöhnt und dann genügt vor der ersten Zahnbehandlung eine durchschnitt- lich zehn Minuten dauernde Hypnose durch den Behandler, um sie völlig entspannt und sicher behandeln zu können. Bei schweren Phobien sind selten mehr als eine vorbereitende Hypnose von etwa 45 Minuten Dau- er (ohne Zahnbehandlung) erfor- derlich. Die zweithäufigste Indikation ist die Kinderbehandlung. Mit der Kin- derhypnose können viele Eingriffe in Vollnarkose vermieden werden, die Kinder lernen in Trance wie sie schnell und angenehm behandelt werden können, während ihr Arm in der Luft schwebt. Die dritthäufigste Indikation sind Patienten mit Brechreiz. Da be- komme ich die meisten Überwei- sungen von Kollegen. Besonders ef- fektiv hilft Hypnose auch bei CMD Patienten, die lernen, locker zu las- sen und Schmerzen zu vergessen. SPECTATOR: In der zahnärztlichen Hypnose arbeiten Sie mit einem leichten Trancezustand beim Pa- tienten. Was ist der Unterschied zur „Showhypnose“? Schmierer: Showhypnose ist ethisch nicht vertretbar und für die DGZH-Mitglieder verboten. Sie erzeugt bei den Menschen Angst vor der Hyp- nose. Wir vermeiden Tieftrancezustän- de, weil die Patienten ängstlich reagie- ren, wenn sie gar nichts mehr mit- bekommen. Für eine gute Behandlung genügt ein leichter bis mittlerer Trance- zustand, bei dem der Patient immer die Kontrolle behält. Langzeitbehandlun- gen von drei bis sechs Stunden Dauer sind unter Hypnose sicher, schonend und entspannt durchführbar. SPECTATOR: Wie lange dauert eine Hypnoseausbildung bei einem Zahn- arzt und welche Kosten kommen da- bei auf ihn zu? Schmierer: Das Curriculum „Zahn- ärztliche Hypnose und suggestive Kommunikation“ umfasst sechs Wo- chenendseminare mit insgesamt 96 Ausbildungsstunden sowie 32 Stunden Supervision, in der die eigenen Hypno- seergebnisse auf Video von den Ausbil- dungskandidaten vorgestellt und dis- kutiert werden. Der Preis für das Curri- culum 2011 in Stuttgart ist für DGZH- Mitglieder 2600 Euro, für die Supervisi- on 720 Euro für 32 Stunden. Es gibt aber auch Angebote für Su- pervisionen im Rahmen unserer Tagun- gen, bei der die Supervision in der Teil- nehmergebühr enthalten ist und nicht zusätzlich berechnet wird. Insgesamt schlägt die Ausbildung (ohne Lehr- bücher oder CDs, die aber nicht vor- geschrieben sind) also mit rund 3000 Euro zu Buche, wenn preiswerte Super- visionsmöglichkeiten genutzt werden. SPECTATOR: Ist die zahnärztliche Hypnose in Deutschland fachlich anerkannt oder wird sie noch etwas belächelt? Was würden Sie sich für die Zukunft dieser Fachdisziplin wün- schen? Schmierer: Ja, die Hypnose ist heu- te fachlich anerkannt. Als ich vor drei- ßig Jahren von meinen guten Erfahrun- gen mit Hypnose bei CMD-Patienten berichtete, gab es nur Hohn und Spott. Ähnlich ging es damals ja auch anfangs mit der Gnathologie. Heute zeigt sich: Bücher über Hypnose hatten beacht- liche Auflagen, an vielen Kammerfort- bildungsinstituten läuft unser Curricu- lum und an nahezu allen Universitäten gab und gibt es Veranstaltungen zur medizinischen Hypnose. Ich selbst ha- be einen Lehrauftrag für medizinische Hypnose und Kommunikation in Tü- bingen und Berlin. Es gibt inzwischen zwei Habilitationsschriften über Hyp- nose in der Zahnmedizin, sowie eine beachtliche Zahl von Dissertationen und Studien. In sehr vielen Gesprächen mit Lehr- stuhlinhabern und Standespolitikern auf Tagungen wurde in den letzten Jah- ren Hypnose als Bestandteil des Zahn- medizinischen Werkzeugkoffers aner- kannt. Natürlich ist noch viel Aufklä- rungsarbeit gegenüber den Kollegen in der Praxis zu tun – vor allem um die gängigen Vorurteile gegenüber der Hypnose zu entkräften. SPECTATOR: Herr Dr. Schmierer, vie- len Dank für das Gespräch. (su) Eine leichte Trance Dr. Albrecht Schmierer spricht über Indikationen und Vorurteile zahnärztlicher Hypnose – Hilfe für Angstpatienten Anzeige ZAHNMEDIZIN | 6 Dr. Albrecht Schmierer bereitet einen Patienten mit seinem Team auf die Be- handlung unter Hypnose vor. Bei der Behandlung von Kindern kann durch die Hypnose eine Voll- narkose vermieden werden. Schmierer (2)

Ausgabe Nr. 9 | November 2010 | SPECTATOR DENTISTRY ... · angeboten, das Buch Schmierer/ Schütz „Entspannt zum Zahnarzt – So überwinden Sie die Angst“ zu le-sen, bevor sie

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PECTATOR: Wie viele Zahnärzte arbeiten deutschlandweit etwa mit zahnärztlicher Hypnose und wie sieht der Trend in diesem Bereich aus?

Dr. Albrecht Schmierer: Seit 1982 habe ich persönlich über 5000 Kollegen in Hypnose ausgebildet, es sind aber si-cher noch sehr viel mehr, da neben der DGZH auch die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH), die Milton Erickson Gesell-

schaft für Klinische Hypnose (MEG) und freie Anbieter Hypnoseseminare für Zahnärzte anbieten.

Ich schätze die Zahl der Kollegen, die Hypnosefortbildung besucht haben auf rund 10 000. Davon wendet aller-dings nur ein kleiner Teil Hypnose offi-ziell an. Bei der DGZH sind von 1550 ak-tuellen Mitgliedern nur 633 auf unseren Internetseiten (www.dgzh.de) ver-öffentlicht. Viele Kollegen wollen nicht offiziell mit Hypnose werben, da sie be-fürchten, damit mehr psychosomati-

sche Fälle in die Praxis zu bekommen. Sie wenden aber die suggestive Kom-munikation mit indirekten Hypnose-

techniken an, um die Compliance zu verbessern und entspannt arbeiten zu können. Viele Seminarteilnehmer nut-zen die Ausbildung auch für ihre eige-nen Bedürfnisse, im Sinne von Stress-bewältigung, Gesundheitsvorsorge und Kommunikationseffizienz machen.

SPECTATOR: Können Sie mir Patien-tenfälle nennen, bei denen Sie erfolg-

reich mit Hypnose gearbeitet haben und natürlich warum Patienten diese benötigen?

Schmierer: Die häufigste Indi-kation aller Hypnosezahnärzte ist der Angst- und Stressabbau für un-sere Patienten. Wir erklären den Angst- und Phobiepatienten schon am Telefon das Vorgehen und streu-en dabei Suggestionen und Vor-schläge für einen erfolgreichen Angstabbau ein. Den Patienten wird angeboten, das Buch Schmierer/Schütz „Entspannt zum Zahnarzt – So überwinden Sie die Angst“ zu le-sen, bevor sie in die Praxis kommen. Dann werden sie darüber infor-miert, dass sie zunächst nur zu ei-nem Vorgespräch kommen, in dem sie dann entscheiden, ob sie eine vorbereitende Hypnose oder gleich eine Inspektion und Behandlungs-planung haben möchten. Über pro-

fessionelle Prophylaxe werden sie (mit Hilfe der CD „Beim Zahnarzt ohne Stress“) sanft an eine Behandlung ge-wöhnt und dann genügt vor der ersten Zahnbehandlung eine durchschnitt-lich zehn Minuten dauernde Hypnose durch den Behandler, um sie völlig entspannt und sicher behandeln zu können. Bei schweren Phobien sind selten mehr als eine vorbereitende Hypnose von etwa 45 Minuten Dau-er (ohne Zahnbehandlung) erfor-derlich.

Die zweithäufigste Indikation ist die Kinderbehandlung. Mit der Kin-derhypnose können viele Eingriffe in Vollnarkose vermieden werden, die Kinder lernen in Trance wie sie schnell und angenehm behandelt werden können, während ihr Arm in der Luft schwebt.

Die dritthäufigste Indikation sind Patienten mit Brechreiz. Da be-komme ich die meisten Überwei-sungen von Kollegen. Besonders ef-fektiv hilft Hypnose auch bei CMD Patienten, die lernen, locker zu las-sen und Schmerzen zu vergessen.

SPECTATOR: In der zahnärztlichen Hypnose arbeiten Sie mit einem leichten Trancezustand beim Pa-tienten. Was ist der Unterschied zur „Showhypnose“?

Schmierer: Showhypnose ist ethisch nicht vertretbar und für die DGZH-Mitglieder verboten. Sie erzeugt bei den Menschen Angst vor der Hyp-nose. Wir vermeiden Tieftrancezustän-de, weil die Patienten ängstlich reagie-ren, wenn sie gar nichts mehr mit-bekommen. Für eine gute Behandlung genügt ein leichter bis mittlerer Trance-zustand, bei dem der Patient immer die Kontrolle behält. Langzeitbehandlun-gen von drei bis sechs Stunden Dauer sind unter Hypnose sicher, schonend und entspannt durchführbar.

SPECTATOR: Wie lange dauert eine Hypnoseausbildung bei einem Zahn-arzt und welche Kosten kommen da-bei auf ihn zu?

Schmierer: Das Curriculum „Zahn-ärztliche Hypnose und suggestive Kommunikation“ umfasst sechs Wo-chenendseminare mit insgesamt 96 Ausbildungsstunden sowie 32 Stunden Supervision, in der die eigenen Hypno-

seergebnisse auf Video von den Ausbil-dungskandidaten vorgestellt und dis-kutiert werden. Der Preis für das Curri-culum 2011 in Stuttgart ist für DGZH-Mitglieder 2600 Euro, für die Supervisi-on 720 Euro für 32 Stunden.

Es gibt aber auch Angebote für Su-pervisionen im Rahmen unserer Tagun-gen, bei der die Supervision in der Teil-nehmergebühr enthalten ist und nicht zusätzlich berechnet wird. Insgesamt schlägt die Ausbildung (ohne Lehr-bücher oder CDs, die aber nicht vor-geschrieben sind) also mit rund 3000 Euro zu Buche, wenn preiswerte Super-visionsmöglichkeiten genutzt werden.

SPECTATOR: Ist die zahnärztliche Hypnose in Deutschland fachlich anerkannt oder wird sie noch etwas belächelt? Was würden Sie sich für die Zukunft dieser Fachdisziplin wün-schen?

Schmierer: Ja, die Hypnose ist heu-te fachlich anerkannt. Als ich vor drei-ßig Jahren von meinen guten Erfahrun-gen mit Hypnose bei CMD-Patienten berichtete, gab es nur Hohn und Spott. Ähnlich ging es damals ja auch anfangs

mit der Gnathologie. Heute zeigt sich: Bücher über Hypnose hatten beacht-liche Auflagen, an vielen Kammerfort-bildungsinstituten läuft unser Curricu-lum und an nahezu allen Universitäten gab und gibt es Veranstaltungen zur medizinischen Hypnose. Ich selbst ha-be einen Lehrauftrag für medizinische Hypnose und Kommunikation in Tü-bingen und Berlin. Es gibt inzwischen zwei Habilitationsschriften über Hyp-nose in der Zahnmedizin, sowie eine beachtliche Zahl von Dissertationen und Studien.

In sehr vielen Gesprächen mit Lehr-stuhlinhabern und Standespolitikern auf Tagungen wurde in den letzten Jah-ren Hypnose als Bestandteil des Zahn-medizinischen Werkzeugkoffers aner-kannt. Natürlich ist noch viel Aufklä-rungsarbeit gegenüber den Kollegen in der Praxis zu tun – vor allem um die gängigen Vorurteile gegenüber der Hypnose zu entkräften.

SPECTATOR: Herr Dr. Schmierer, vie-len Dank für das Gespräch. (su)

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Dr. Albrecht Schmierer bereitet einen

Patienten mit seinem Team auf die Be-

handlung unter Hypnose vor.

Bei der Behandlung von Kindern

kann durch die Hypnose eine Voll-

narkose vermieden werden.

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