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$18 Ausgestorbene Viigel. Naeh S t r i c k I a n d's ,the Dodo and its Kindred" und anderen Quellen. I. Die kurzfl~gelt~en V/igel Bourbons. Ainsi, helas! a nagu~re fair le Dronte, qui dtait cependant un oiseau de fort tonnage et trbs-eommun encore dans File de Franee du tems de Louis XIV. Ils l'ont andanti depuis, mais si totalemen L mais si vite, qu' il ne, reste plus 'aujourdhui clans le monde entier qu'une seule patte de ee volatile, et que l'oiseau, dent la cendre est rdfroidie it peine, est d6j~ pass6 dans la science ,t ldtat de pro- blbme insoluble et fournit ehaque annde matibre k une foule de dis- sertations, non moins volumineuses qu'obseures, sur la question de savoir, si le ddfund dtait de son vivant vautour, pigeon ou dinde. T o u s s e a e 1, l'esprit des b6tes. Unter den, jede mit einer ihr eigenthiimliehen Species flugunfiihi- get, dodo- oder dronteartiger V6gel yon der Natur ausgestatteten Mas- earenhas-lnsein zeiehnet sieh Bourbon dutch das~ historisch constatirte Vorkommen yon sogar zwei derselben aus; we~n man nieht etwa als den dritten noeh die Dronte selbst .(Didus ineptus L.) hinzureehnen will: wozu ein, wenn aueh nur schwacher Grad yon Wahrseheinlichkeit wenigstens einige Bereehtigung gewfihren dtirfte. Die zwei ersteren dieser ViSgel, einer wenigstens mit Beslimmtheit~ seheinen den vorhan- denen Nachriehten zufolge hier um mehr denn ein Jahrhundert lfinger, als ihre verwandten Sehieksalsgenossen auf den benaehbarten Eilanden, ihr Dasein gefristet zu haben. Und doeh besitzen wir gerade in Bezug auf sie die allerunvollkommensten Notizen; doeh sprechen nur gesehieht- liehe Belege in kurzen Worten und mangelhaften Besehreibungen yon ihrem einstmaligen Vorhandensein. Das Bild der Dronte geht dureh die Welt; yon grossen Kiinstlern ve,rewigt, prfigt es sich dem lern- begierigen Gemtithe in friiher Kindheit unausliischlich ein; abet kein Griffel hat die Umrisse des ,,Solitail'e" yon Bourbon oder des ,Oiseau- bleu" auf unsere Tage gebracht; kein Fragment ihres Skeletts ist bis jetzt dem Boden ihrer fernen Heimath entrissen worden, um neben den gesehiehtliehen Beweisen auch als anatomiseher Zeuge der friiheren Existenz dieser Viigel in unseren Museen aufbewahrt zu werden. Das Sehweigen, welches um die Grfiber dieser ganzen Arten an den Basalt- gestaden und auf den hohen, wilden Tafellfindern Bourbons sehwebt, ist noeh tiefer und melaneholiseher, als das die Grotten yon Isle de France und Rodriguez umlagernde; denn die Vergessenheit gesellt sieh ibm in noeh h6herem Grade zu. Die Analogie allein kann uns leiten, wenn wir uns naeh einem Platze im Systeme fiir diese untergegangenen

Ausgestorbene Vögel

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Ausgestorbene Vii gel. Naeh S t r i c k I a n d's , the Dodo and its Kindred" und anderen Quellen.

I. D i e k u r z f l ~ g e l t ~ e n V / i g e l B o u r b o n s .

Ainsi, helas! a nagu~re fair le Dronte , qui dtait cependant un oiseau de fort tonnage et t rbs-eommun encore dans File de Franee du tems de Louis XIV. Ils l 'ont andanti depuis, mais si totalemen L mais si vite, qu' il ne, reste plus 'aujourdhui clans le monde entier qu'une seule patte de ee volati le, et que l'oiseau, dent la cendre est rdfroidie it peine, est d6j~ pass6 dans la science ,t ldtat de pro- blbme insoluble et fourni t ehaque annde matibre k une foule de dis- sertations, non moins volumineuses qu'obseures, sur la question de savoir, si le ddfund dtait de son vivant vautour, pigeon ou dinde.

T o u s s e a e 1, l 'esprit des b6tes.

Unter den, jede mit einer ihr eigenthiimliehen Species flugunfiihi- get, dodo- oder dronteartiger V6gel yon der Natur ausgestatteten Mas- earenhas-lnsein zeiehnet sieh Bourbon dutch das~ historisch constatirte Vorkommen yon sogar zwei derselben aus; we~n man nieht etwa als den dritten noeh die Dronte selbst .(Didus ineptus L.) hinzureehnen will: wozu ein, wenn aueh nur schwacher Grad yon Wahrseheinlichkeit wenigstens einige Bereehtigung gewfihren dtirfte. Die zwei ersteren dieser ViSgel, einer wenigstens mit Beslimmtheit~ seheinen den vorhan- denen Nachriehten zufolge hier um mehr denn ein Jahrhundert lfinger, als ihre verwandten Sehieksalsgenossen auf den benaehbarten Eilanden, ihr Dasein gefristet zu haben. Und doeh besitzen wir gerade in Bezug auf sie die allerunvollkommensten Notizen; doeh sprechen nur gesehieht- liehe Belege in kurzen Worten und mangelhaften Besehreibungen yon ihrem einstmaligen Vorhandensein. Das Bild der Dronte geht dureh die Welt; yon grossen Kiinstlern ve,rewigt, prfigt es sich dem lern- begierigen Gemtithe in friiher Kindheit unausliischlich ein; abet kein Griffel hat die Umrisse des ,,Solitail'e" yon Bourbon oder des ,Oiseau- bleu" auf unsere Tage gebracht; kein Fragment ihres Skeletts ist bis jetzt dem Boden ihrer fernen Heimath entrissen worden, um neben den gesehiehtliehen Beweisen auch als anatomiseher Zeuge der friiheren Existenz dieser Viigel in unseren Museen aufbewahrt zu werden. Das Sehweigen, welches um die Grfiber dieser ganzen Arten an den Basalt- gestaden und auf den hohen, wilden Tafellfindern Bourbons sehwebt, ist noeh tiefer und melaneholiseher, als das die Grotten yon Isle de France und Rodriguez umlagernde; denn die Vergessenheit gesellt sieh ibm in noeh h6herem Grade zu. Die Analogie allein kann uns leiten, wenn wir uns naeh einem Platze im Systeme fiir diese untergegangenen

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BUrger einer doch der Jetztwelt angeh6renden Fauna umschauen~ denen die Wissenschaft nicht einmal einen Namen zu geben gewagt hat. ~") In dem leeren Fe|de zwischen den taubenartigen Dronten und den Ki- wikiwis (Apteryx) Neuseeland's m6chte die Wiinschelruthe in der Hand des Forschers, ihre Stelle vag bezeichnend~ sich dem Boden vielleicht am passendsten zuneiffen.

Die Entdeckung aller Ostlich yon Madagascar gelegenen afrikani- schen Inseln kniipft sich an die Zeit der Bliithe Portugals. Als die in- dischen Eroberungen gegen Osten hin an. Umfang zunahmen, selbst Malacca und der Archipel der Gewih'zinseln yon der Miindung des Tajo aus beherrscht zu werden anfing: da begannen auch die Versuche, das dorthin fahrende Weltmeer in geraderer Linie vom Cap gegen die Sun- dastrasse hin zu durchschneiden. Doch fehlen tiber das erste Auffinden yon Bourbon sowohl, wie von Isle de F r a n c e , - Namen, die natiirlich viel sp~iteren Ursprunges sind, .................... alle geschriebenen Berichte; oder falls sie vorhanden sind, schlummern sie in den Archiven des Thurmes do Tombo zu Lissabon. Alles, was wir wissen, ist: dass der Admiral Mas- carenhas zu Anfange des 16. Jahrhunderts, zwischen 1.509~ und 154,5, diese Eilande entdeckte; und dass seit der Zeit die am westlichsten ge- legene, ungef~ihr 24 deutsche Meilen yon Mauritius entfernte Insel seinen Namen erhalten hat: w~ihrend der letzteren selbst yon den Por- tugiesen die, far unsere Zwecke charakteristische Benennung Cisne, die Schwaneninsel, beigelegt ward.

Die frtiheste Nachricht, welche wir hinsichtlich der drontenartigen V6gel Bourbons besitzen, riihrt vom Capit~in Castleton her, dessen Lan- dung daselbst in das Jahr 1613 f~illt. In der yon J. Tatton, einem seiner Officiere, verfassten Reisebeschreibung kommt folgende Stelle vor:

,Es giebt dort eine Menge LandvOgel, gross und klein: Ueberfluss an Tauben, grosse Papageien u. dgl. m.; endlich einen grossen Vogel vom Umfange eines Truthahnes, sehr fett und dermaassen kurzfliigelig, class er sich nicht von der Erde erheben kann. Er ist weiss und aus- serordentlich zahm; doch das sind auch all die anderen V~gel, da sie hie gestort und dutch Schiessen in Furcht gesetzt worden sind. Unsere Mannschaft schlug sie mit St~cken und Steinen nieder. Zehn M~nner sind im Stande, VOgel genug zu fangen, um 40 Mann einen Tag lang damit zu s~ittigen."

Im Jahre 1618 landete der beriihmte holl~indische Seefahrer Bon-

*) Erst ganz neuerlich hat Selys de Longchamps die systematische Benen- nung .4pterornis coerulescens fiir einen der ausgestorbenen Bourbonvtigel in Vorschlag gebracht.

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tekoe auf Masearenhas, wo er 221 Tage zubraehte. Ausser einem ge- waltigen Ueberfluss an Vogelwildpret uberhaupt traf er, seinen eigenen Worten zufolge, aueh. ,einige Dodaersen (D0do's~ l)ronten,) die kleine Fltigel batten und nieht fliegen konn ten ; sie waren so fett, dass sie kaum zu gehen vermoehten, und beim der Erde. ~'

Es unterliegt keinem kannte, diesen Vogel yon

Laufen sehleppte ihr Baueh auf

Zweifel, das Bontekoe, der den wahren Dodo Bourbon fiir identiseh mit demselben hielt.

Und in der That, seine ungelenke I(orpulenz und die Kurze der Beine gestatten uns nicht, dabei an eine der beiden spiiter zu sehildernden Arten zu denken. Die Dronte kann allerdings wohl auf zwei Inseln einheimisch gewesen sein, nur auf Bourbon vielleicht in geringerer Zahl, als auf Mauritius, und aus diesem Grunde der Aufmerksamkeit der Spii- teren dort mehr als hier entgangen sein. ]Vli~glieh wiire es jedoeh aueh, dass Striekland Reeht hatte, wenn er annimmt: Bontekoe's Berieht, der aus dem Gediiehtnisse niedergesehrieben sein muss i (denn sein Sehiff wurde sp~iter in die Luft gesprengt, und er allein kam mit dem Leben davon,) k~nne in dieser Hinsieht keine volleGlaubwtirdigkeit verdienen. Es sei wahrseheinlieh, dass, als er naeh Jahren die Besehreibung seiner gefahrvollen Abenteuer aufsetzte, nur die unbestimmte Erinnerung an einen grossen, nieht fliegenden Vogel auf Masearenhas. dessert Zahmheit ihn zu einer leiehten Beute der Matrosen maehte, in seinem 6ediieht- nisse gelebt habe; diesen Vogel nun habe er mit dem Dodo zusam- mengeworfen und yon Letzterem Namen und Besehreibung entlehnt.

Der Dritte in der Reihe unserer Beriehterstatter ist der Franzose Carrd, der i. J. 1668 auf jener Insel war. Seine Erz~ihlung ]autet:

.,lch erbliekte hier eine Art yon V0geln~ die ieh nirgend anderswo getroffen habe. Die Einwohner, (sehon d~mals, aber wohl erst seit l(urzem angesiedelte franzi~sisehe Colonisten,) nennen ihn ,Oiseau soli- taire ~:., Einsiedlervogel. Er liebt aueh wirklieh die Einsamkeit und weilt nur an den abgelegensten Orten. Man sieht niemals zwei oder mehrere yon ihnen beisammen: sie sind stets allein. Er ist nieht un~ihnlieh; nur sind seine Beine l~nger. Die Gefieders bietet einen bewundernswUrdigen Anbliek weehselnden Farben, mit gelber Hauptsehattirung. kOstlieh: es liefert eine der besten Sehtisseln des Landes und wtirde selbst auf unseren Tafeln far einen Leekerbissen gelten. Wir hatten die Absicht, zwei dieser VOgel mit naeh Frankreieh zu nehmen, und bestimlnten sie zu einem Gesehenke for Se. Majestiit; allein kaum an

einem Truthahne SehOnheit seines

dar. Es spielt in Sein Fleiseh ist

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Bord gebracht, Speise und Trank

Hier tritt uns Bedauern erfiillen

starben sie vor Traurigkeit, nachdem sie hartn~ickig zu sich zu nehmen verweigert hatten. ~

eine Eventualit~it entgegen~ die uns mit lebhaftem muss. Ein P~irchen dieser Einsiedlervt~gel, (denn

sicher hatte man Mfinnchen und Weibchen dazu gew~ihlt,) war im Begriff, nach Europa gesandt llnd Ludwig XIV. zu Ffissen gelegt zu werden. Hiitte es Frankreich glticklich erreicht, so konnte eine Domestication gelingen; und Versailles oder der Jardin des plantes h~tten eine Nach- kommenschaft aufwachsen sehen mOgen~ die unserem Hausgefltigel einen um so werthvolleren Zuwachs verschafft haben wiirde~ als die Vorziig- lichkeit des Fleisches dieser VOgel in so hohemMaasse lobend hervor- gehoben wird. Gewiss hatte der C apitain, der sie an Bord nahm, diesea Nebengedanken dabei gehabt, vielleicht schon auf des grossen K0nigs gastronomische Schwfichen~ yon denen die Memoiren der Zeitgenossen reden~ im Stillen speculirt. Die Worte des Berichts: ,pourrait faire les ddlices de nos tables ~ scheinen darauf hinzudeuten. An dem Leben w eier Individuen hing es vielleicht~ dass unsere Htihnerh0fe mit einer Art bev01kert~ unsere Mfirkte mit einem Gefltigel versehen worden w~i- ten, yon dem wir zur Stunde nicht einmal eine Abbildung besitzen. Aber das hartn~ickige Verweigern der Nahrung deutet auf eine Wild- heit~ wie wir sie z. B. bei den Trappen ~ noch jetzt als ausgesprochenen Charakter wiederfinden, und die allen Zfihmungsversuchen unfibersteig- liche Schwierigkeiten bereiten mtisste~ so lange es nicht auf der Insel selbst versucht worden wfire~ Junge aufzuziehen oder von zahmem Fe- dervieh ausgebriitete Exemplare dauernd fiir den Menschen zu gewinnen. Dergleichen Experimente aber diirfen wir yon jenen firmlichen Colo- nisten eines lfingstverflossenen Jahrhunderts weder erwarten~ noch for- dern. Jedenfalls musste der Solitaire in jenen Gegenden damals yon sich sprecheu machen und sogar eine gewisse Beriihmtheit erlangt ha- ben; sonst wtirde es Leguat~ der Bourbon nie besucht hatte~ dreissig" Jahre sp~iter nicht in den Sinn gekommen sein~ dem Vogel yon Ro- driguez~ in welchem cr aus vielen Ursachen dieselbe Art vermuthete, ebenfalls den Namen Solitaire, den er nur in der Hauptcolonie Isle de France kennen gelernt haben konnte~ beizulegen.

Daran, dass Tatton den Vogel weiss nennt, Carrd ihm aber~ etwas unbestimmt~ ,une couleur chang'eante qui stire sur ]e jaune ~ zuschreibt~ brauchen wir ~brigens, wie schon Strick]and bemerkt, keinen Anstoss zu nehmen~ noch weniger eine Verschiedenheit darauf begriinden wollen. Ein gelbliches Milchweiss oder ein sehr belles Weissgelb konnte~ die

Journ. f. Ornith., IV. Jahrg., Nr. 22, Juli 1856. ~1

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Grundfarbe bildend, recht wohl in so versehiedenen Ausdruek finden.

Ein Jahr nach Carr6's Anwesenheit ward eine

Redeweisen seinen

regelm~issige fran- zi~sisehe Colonie, unter dem Oberbefehl de la Haye's, aus Madagasca r nach Bourbon gesandt. Ein Mitglied derselben, welches sieh selbst Sieur D. B. nennt, hat ein interessantes Tagebueh geschrieben, dessen Manuscript Mr. Telfair der Londoner zoologisehen Gesellsehaft zum Ge- sehenk gemacht hat. In demselben werden nicht nur die friiheren Be- riehte tiber den ,,Solitaire" best~itigt, sondern es ergiebt sieh daraus aueh noeh die Existenz eines zweiten ~ihnliehen Vogels derselben Gruppe

der Aufz~ihlung aller daselbst vorkommenden auf jener Insel. lnmitten Landv0gel heisst es:

1. ,Solitaires. Diese Vogel heissen so, weil sie stets allein gehen. Sie sind so gross, wie eine starke Gans, und haben weisse Federn; nur an der Spitze der Fliigel und des Schwanzes sind diese schwarzl Am Sehwanze stehen Federn, die denen des Strausses ahnlich sehen, lhr Hals ist lang; ihr Schnabel dem der Schnepfen ahnlich geformt, nur dicker. Beine und Fiisse wie die der Truthtihner. Man fangt diesen Vogel im Laufe; denn er kann nut sehr wenig tliegen."

2. ,Oiseaux bleus. Blaue VOgel; so gross wie die Solitaires, haben ein ganz blaues Gefieder, Schnabel und Fiisse roth, letztere wie Hah- nerftisse; k0nnen nicht fliegen, laufen aber ausserordentlich sehnell, so

Hund Mtihe hat, sie im Rennen zu fangen. Sind sehr gut zu dass ein e s s e n . ~

Die einzige Naehrieht, die sonst noch yon diesem Oiseau bleu vor- handen ist, befindet sich in Roes' Cyclopadia, Artikel Bourbon, wo ge- sagt wird: ,,Es giebt daselbst eine Art grosset Flederm~iuse, Oiseaux- bleus genannt, die abgezogen, a, ts eine grosse Leekerei verspeist werden." Wenn aueh die Verweehselung mit einer Fledermaus ein laeherlicher Irrthum ist, so geht doeh daraus hervor, dass ausser dem Sieur D. B. noch irgend ein anderer Autor den ,~blauen Vogel, beobaehtet haben muss. Wer abet dieser sein mag, ist uns unbekannt. Eine riesenhafte Porphy'rio-Art, woran man im ersten Augenblieke zu deuken versucht sein m~chte, kann es nicht gewesen sein: denn sammtliche Species dieser Gattung besitzen Flugverm0gen; auch lassen ihre, far das Schwim- men organisirten Ftisse sieh durehaus nieht mit denen des Huhnes ver- gleiehen, eben so wenig als die Gr0sse, welche die einer Gans gewesen sein soll, stimmen dtirfte. Die unbedeutenden sassen Gew~isser einer kleinen, ausserst gebirgigen Insel konnten unmOglieh ein so gigantisehes Wasserhuhn erzeugen. Wie h~itte noch iiberdiess ein Porphyrio von

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dem Sieur D. B. unter den Landv0geln aufgefiihrt werden kt}nnen[ Diese zweite Art kurzflti~eliger bourbonischer VOgel mag durch ihre Gewandtheit im Laufen, vielleieht verbunden mit einem Aufenthalt im tieferen Innern, sich den Augen der ersten Reisenden~ welehe nut lan- deten und kurze Zeit verweilten~ entzogen haben und erst bei einer bleibenden Colonisation mit dem Mensehen in Beriihrung getreten sein. Die Dronte, wenn si% was aueh Bory de St. Vincent annimmt, ursprUng- lieh auf Bourbon einheimiseh war, konnte, da sie um dieselbe Zeit auf Isle de France versehwindet, aueh auf der uns hier beseh~iftigenden Naeh- barinsel yon den Seefahrern bereits vollkommen oder bis auf wenige, sieh nieht mehr fortpflanzende und an den unbesuehtesten Stellen einer hafenlosen Kiiste lebende Individuen ausgerottet worden sein. Wit diirfen daher nieht erstaunen, sie nieht mehr erw~ihnt zu finden. Die ganze Sehilderung, das weissgelbe Gefieder~ der lange Sehnabel, die htiheren Beine trennen den Solitaire ebenso vollkommen yon dem ~ich- ten Dodo, (Didus ineptus,) als die strauss~ihnliehen Federn am Steisse wieder eine, sieher abet nieht einmal generisehe Verwandtschaft zwi- sehen beiden zu begrtinden seheinen. Dass der Sieur D. B. dem Vogel ein% wenn aueh nur unbedeutende Flugkraft, der Ansieht der friiheren Beriehterstatter entgegen, zusehreibt, dtirfte sieh leieht als das Ergebniss l~inger fortgesetzter, anhaltenderer Beobaehtungen desselben herausstel- len, und, da der Solitaire sieh derselben gewiss nur im ~iussersten iNoth- fall bediente, immer noeh keine untibersteigliehe Seheidewand zwisehen ihm und seinen :Naehbarn aufriehten~ denen er, ohne ganz flugunf~ihig gewesen zu sein, doeh immer noeh in hohem Grade analog gedacht werden kann.

Ihrer besseren Organisation~ neben der bedeutenderen Ausdehnung der Wildnisse des inneren Bourbons~ dessen yon Vulkanen verwiisteter Boden auf weite Streeken der Cultur ganz andere Hindernisse, als die iippigere~ mildere Natur yon Isle de Franee~ entgegensetzte,---verdankt wahrseheinlieh eine dieser beiden Arten ihr l~ingeres Ausdauern; denn es sind Beweise dafiir da, dass sie sieh his um Mitre des vorigen Jahr- hunderts erhielten. M. Billiard, der die lnsel yon 1817~20 bewohnte, und dem einige der Original-Archive des Landes zug~inglieh gewesen zu sein seheinen~ sagt uns~ dass zur Zeit der e~'sten Ansiedlungen ,die Waldungen yon Vtigeln wimmelten~ welehe die Ann~iherung des Men- sehen nieht sehreekte. Darunter befand sieh der Dodo oder Solitaire, den man zu Fuss verfolgte. Es gab deren noeh zur Zeit de la Bourdon- naye's, und dieser hat sogar ein Exemplar desselben als Merkwiirdigkeit an einen der Direetoren der Compagnie gesehiekt"; ob naeh Frankreieh~

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ist dass Europa Nun dauerte renhas-Inseln

nieht gesagt~ aber wahrseheinlieh; und so kOnnte es doeh sein, wenigstens Einen dieser wunderbaren Ytigel gesehen habe. aber die Statthaltersehaft la Bourdonna~re's auf den Masea- yon 1 7 3 5 - - 4 6 , dieselbe Epoehe, in welehe der geniale

Solitaire muss daher m~iglieher Weise abet

hinaus, gelebt haben. - - In ,Bemerkungen

und phantasiereiehe Bernardin de St. Pierre et Yirginie" spielen l~isst~ worin der gute ebenfalls auftritt. Der genannten Jahre, kann genannten, ja dartiber p. 167, findet sich ein Auszug aus

seine reizende Idylle ,Paul Gouverneur ja bekanntlieh friihestens im ersten der sehr wohl his zum letzt-

Grant's ,Mauritius", tiber Bourbon, 1763

yon einem britisehen Marineoffieier angestellt", der so gedeutet werden kann, als h~itte noeh in jenem Jahre die Race dieser seltsamen VOgel unter den Lebenden geweilt, wo der Friede yon Hubertsburg und Paris naeh siebenj~ihrigen Kriegsdrangsalen der Welt die Ruhe wiedergab.

,Die Ebene der KatTern wird dureh die Gipfel des Gebirges in sehr betr~iehtlieher Erhebung tiber dem Meere gebildet. Auf diesem Plateau waehsen nur verkriippelte B~iume, Ginster, eine Art wilden Ha- fers und strauehartige Farren. Es leben daselbst aueh einige merkwtir- dige VOgel, die nie zur Seektiste hinabsteigen und die vor dem Anbliek des Mensehen, dessen sie nieht gewohnt sind, so wenig ersehreeken, dass sie sieh mit einem Spazierstoeke todt sehlagen lassen. C~ Ob die- selben wirklieh zu den Dodoartigen geh0rten, ermangelt indess eines jeden n~iheren Beweises und kann nur als Vermuthung hingestellt wer- den. Uns seheint der Untersehied des Klima's zwisehen dem Hoehlande und dem Littoral zu bedeutend, als dass die H~ypothese, diese Vtigel hatten in beiden Regionen leben ktinnen, nieht gewagt sehiene. Die sogenannten Marron-Neger~ entlaufene Sklaven~ m~gen in den Wild- nissen der Plaine des Cafl'res die letzten dieser ,merkwiirdigen VOgel" verniehtet haben, in welehen wit, - - steht uns hier often, - - immer noeh ,Solitaire" vermuthen wiirden.

jedoeh das Feld der Hypothesen eher den ,Oiseau bleu", als den

Vierzig Jahre sp~iter erseheint zum ersten Mal ein wissensehaftlieh gebildeter Forseher auf der Insel, die indess zur Zeit der Revolution ihren dynastisehen Namen mit einem dritten, la R~union, vertauseht hat, Bory de St. ineent n~imlieh, den w~ihrend eines l~ingeren Aufenthaltes mit leidensehaftliehem Eifer betriebene botanisehe Beseh~iftigungen in die tiefsten Wildnisse des Landes fiihren, und der eben dahin den be- sten Willen und das lebendigste Interesse ftir die Aufkl~irung aller7 jene r~ithselhaften VOgel betretfenden Fragen mitnimmt. Aber sehon ist es zu spat. Ein halbes Jahrhundert, fur Europa eine kurze Epoehe,

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bildet far die Colonieen, in denen sich Alles yon gestern herschreibt, einen unendlich liingeren Zeitabschnitt, der selbst Traditionen zu ver- fltichtigen oder in sagenhaftes Dunkel aufzul0sen vermag. Auf allen seinen zahlreichen Hesborisationen durch den noch immer dichten Wald- gUrtel, durch die Ger0hrigzone der Calumets (Bambusa alpina,) durch die Gestriippmassen der ,ambavilles des hauts" auf den vulcanischen Hochebenen, stiess Bory de St. Vincent auf keine Spur der verschwun- denen OrnisbUrger mehr, so weite und unberahrte Zufluchtstiitten das Innere auch fiir dieselben noch aufbewahrt zu haben schien. Ihr Schicksal hatte die LandschildkrOte yon Bourbon (Testudo tricarinata) vollstiindig getheilt. Die Schildkr0ten batten die Ktisten verlassen; der einheimische Hirsch war, im Aussterben begriffen, kaum noch vorhanden. Selbst die Erinnerung an den ,Solitaire ~ scheint erloschen: nut der Dronte gelten noch die Nachforschungen des grossen Pflanzenkundigen. ,Ich hahe ~', lauten seine Worte, ,nicht einen einzigen Jiiger, auch unter den iilte- sten nicht, ausfindig machen k0nnen, der mir auf Isle de France oder R~!union ein Wort tiber diesen Gegenstand zu sagen im Stande gewe- sen ware. ~

Und yon den ersten Ansiedlern redend, fiihrt er fort: ,Zuerst lebten diese sehr dunkelfarbigen Weissen allein yon dem, was ihnen Jagd und Fischfang eintrugen. Diesen lagen sie mit so grosset Thiitig- keit oh, dass sie bald die Thiere des Waldes und sogar einen Theil der Fische des nahen Meeres vertilgt batten. Damals schon wurden mehrere, Bourbon eigenthiimliche Arten vollstiindig ausgerottet. Die vor dem i)Ienschen fliehenden Paare fanden, in dem Maasse~ als er die Insel bev01kerte, bald kein Asyl mehr. Wenn wir mehreren Reisenden Glau" ben schenken, so traf man auf Mascareigne zur Zeit der Entdeckung einen sehr grossen Voffel~ den man Dodo nannte und den Buffon unter der Benennung Dronte anfahrt. Er wurde, der Encyclop6die m6thodi- que zufolge, zugleich auf Isle de France yon den ersten dort landen- den Seefahrern beobachtet, welches Eiland auch noch ein anderer iihnlicher Vogel (Didus na~arenus, niger, pedibus tridactylis; Syst. nat. edit. 137 cur. Gruel. 1, p. 729; Oiseau de Nazareth., Buffon hist. nat. ois. I., p. 485) bewohnte . . . . ~). Sollten sich einige Exemp]are des Dodo an die einsamsten Orte der Insel zurtickgezogen hab,::~: ~o dient ihnen nur ihr stilles, verstecktes Wesen als Sauvegarde; indem es sie den Blicken und Nachstellungen der Jfiger entzieht. Aus dem Grunde,

~) Dieser Nazarethvogel wird yon den ~Neueren; wohl nicht mit Unrecht, ffir einen erdichteten gehalten.

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weil die Art entweder ganz ausgerottet ist~ oder nur noch in der aller- geringsten Anzahl au die entlegensten 0rte zuriickgedriingt, fortlebt, tinder man heut zu Tage keine Dronten mehr auf denselben Inseln, wo die zuerst Landenden sie einst auffanden. Desshalb darf man jedoch nicht mit einigen neueren Reisenden annehmen, dass der Vogel hie existirt habe, weil alle ihre Nachforschungen auf den jetzt bev01kerten und angebauten Eilanden fruchtlos geblieben sind; nur die Missgestalt desselben ist vielleicht iibertrieben worden. Wie dem abet auch sein m0ge, unsere Zweifel tiber die ungeheuerlichen VOgel yon Mascareigne, Mauritius und Rodriguez werden nie vollstiindig aufgekliirt werden: man mtisste denn, woran ich jedoch zweifle, in Madagascar ihres Gleichen entdecken. Eher noch wiire es erlaubt, sie auf irgend einer vulcani- schen, wiisten Insel derselben Breitegrade aufzusuchen, auf der man analoge Erzeugnisse und ein geologisch ebenso neues Erdreich finden wtirde. Dr. Carl Bolle.

D e r s y s t e l l l a t l s e h - w l s ~ e n s e h a f t l l e h e N a n ~ e d e s ~TeRl - d e h . l . e s gehiirt vorzugsweise mit unter diejenigen, welche in fach- wissenschaftlichen Schriften (lie hiiutigsten Entstellungen erfahren. Man finder ihn selten richtig geschrieben; und noch seltener h0rt man ihn richtig attssprechen: obgleich jedes griechische und lateinische W0rter- buch deutlich genug tiber Beides Auskunft geben. Aber die iirgste Verballhornung ist ihm vor Kurzem in Gestalt ether Berichtigung wider- fahren, die sich um so erg0tzlicher ausnimmt, je zuversichtlicher sie auftritt.

lm vorigen Jahrgange der ,~Naumannia ~', Heft llI, S. 274, heisst es niimlich im Texte, welcher ein Verzeichniss der europiiischen VOgel liefert: ,Jynginae. (Yunginae Bp.) Jynx Brm.~') ~'' Bald nachher folgt ebenso der Name: ,Jynx tovquilla Brm.", etc.; Alles mit J ! Und die hierzu geh0rige Note unter dem Texte lautet: ,~¢~) So heisst diese Sippe; nicht Yunx, welches kein lateinisches Wort ist. Brm. ~'

Nun ist bekanntlich aber der fragliche Name schon tiberhaupt, gleichviel, wie man ihn schreibt~ urspl'iinglich auch ,kein iateinisches Wort", sondern ein griechisches. Denn die R0mer nannten den Vogel ja eben torquilla; und wenn ihre Schriftsteller zuweilen ftir ihn, hiiu- tiger jedoch ftir abgeleitete Beziehungen, (in Betreff der, ihm als ver- wandelter Zauberin zugeschriebenen Zauberkraft u. dergl.) das griechi- sche lynx gebrauchten: dann latinisirten sie dasselbe wohl, durch Umlaut des y in ~t, ganz ebenso in I~tnx, wie diess in vielen iihnlichen F~illen geschah. So z B. unter den Thiernamen bet m~ls und sus, f i it