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Stand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes – Drucks. 18/1160 und Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens – Drucks. 18/1401 26. Nichtraucher-Initiative-Deutschland e.V., Unterschleißheim S. 171 27. Prof. Dr. Frickhofen, HSK Wiesbaden S. 181 28. Bayerischer Hotel- und Gaststättenverband e. V., München S. 183 29. Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Frankfurt S. 188

Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

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Stand: 11.01.2010

Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22

eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes – Drucks. 18/1160 – und Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens – Drucks. 18/1401 – 26. Nichtraucher-Initiative-Deutschland e.V., Unterschleißheim S. 171

27. Prof. Dr. Frickhofen, HSK Wiesbaden S. 181

28. Bayerischer Hotel- und Gaststättenverband e. V., München S. 183

29. Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Frankfurt S. 188

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Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. Geschäftsstelle: Carl-von-Linde-Str. 11 85716 Unterschleißheim

Telefon: 089 3171212 Telefax: 089 3174047 [email protected]

Postbank München - BLZ 700 100 80 Konto-Nr.: 192 445 803 http://www.nichtraucherschutz.de

NID – Carl-von-Linde-Str. 11 – 85716 Unterschleißheim Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Unser Zeichen Datum

Hessischer Landtag Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit Postfach 3240 65022 Wiesbaden

23.11.2009 a5-6-kr 31.12.2009 Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutz-gesetzes bzw. zur Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens Anhand nachprüfbarer Fakten wird belegt, dass ein konsequenter Nichtraucher-schutz zu Umsatzsteigerungen beim Gaststättengewerbe führt.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und desUmsatzes im GaststättengewerbeMesszahlen BIP: 2000 = 100 (preisbereinigt)

Messzahlen Gaststättengewerbe: 2003 = 100 (preisbereinigt)

101,0 102,2 103,0106,1

108,7110,1

93,4

88,486,9

80,1

76,6

84,887,4

91,493,195,4

100,0

70

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90

100

110

120

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Quelle: Statis tisches Bundesamt, Stand Anfang 2009; Aufbereitung: NID

Mes

szah

l

BIPspeisengeprägte G.getränkegeprägte G.

Umsatzmesszahlen Deutschland speisengeprägte Gastronomie

(WZ08-561 Restaurants, Gaststätten, Imbissstuben)

149,0 147,4142,0

135,6 133,6 132,7129,8 128,6

115,8

107,4102,5

100,098,1

94,091,0

90100110120

130140150

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 30.09.2009; Aufbereitung: NID

Umsatzmesszahlen Deutschlandgetränkegeprägte Gastronomie(WZ08-563 Ausschank von Getränken)

176,5

163,8160,0

145,1

136,7

128,5122,1 121,7

112,4 113,3

105,7100,0

98,390,4

86,1

80

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140

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180

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 30.09.2009; Aufbereitung: NID

0,4

-5,9

-3,3

-0,1

-3,1

0,2

-1,6

-3,3

0,1

-3,3

1,6

-8,0-10,0-9,4

-4,4

-5,2

1,2

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-7,7

-2,0-0,5

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-5,9-5,8

-10

-8

-6

-4

-2

0

2

2004gegenüber

2003

2005gegenüber

2004

2006gegenüber

2005

2007gegenüber

2006

2008gegenüber

2007

Baden-WürttembergBayernHessenNiedersachsenNordrhein-Westfalen

Umsatzentwicklung in der speisengeprägten GastronomieVeränderung des Umsatzes in Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum

in Preisen des Jahres 2000 (real)

Quelle: Gedruckte Veröffentlichungen der Statistischen Landesämter; Aufbereitung: NID

1,2

-3,6

-11,4

1,8

6,9

-8,6

0,0

4,7

-6,2

-1,4

-7,2

-11,8

-4,5

-17,6

-11,5-13,2

-8,5

-1,6

-3,1

-8,8

-5,6

-3,3

0,2

-5,9

-8,5

-18

-13

-8

-3

2

7

2004gegenüber

2003

2005gegenüber

2004

2006gegenüber

2005

2007gegenüber

2006

2008gegenüber

2007

Baden-WürttembergBayernHessenNiedersachsenNordrhein-Westfalen

Umsatzentwicklung in der getränkegeprägten GastronomieVeränderung des Umsatzes in Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum

in Preisen des Jahres 2000 (real)

Quelle: Gedruckte Veröffentlichungen der Statistischen Landesämter; Aufbereitung: NID

Reale Umsatzentwicklung in derspeisengeprägten Gastronomie Bayerns

nach Quartalen in Prozent

-2,3

5,4

-5,3

-3,6

-5,6 -3,9

-0,72,41,3-0,5

-3,9

-3,3

-10

-5

0

5

10

Quelle: lfstad; Aufbereitung: NID

2006 > 2005 2007 > 2006 2008 > 2007

Die seit mindestens 1995 anhaltenden Umsatzverluste des deutschen

Gaststättengewerbes von im Durchschnitt real 6,0 Prozent (getränkegeprägte Gastronomie) bzw. 3,9 Prozent (speisengeprägte) haben sich infolge der Nichtraucherschutzgesetze in fast allen Bundesländern erkennbar verringert.

In Bayern, dem Land mit dem umfassendsten Nichtraucherschutz von allen Bundesländern, kam es nach Inkrafttreten des Gesundheitsschutzgesetzes am 1. Januar 2008 im ersten Quartal in der getränkegeprägten Gastronomie zu einer realen Umsatzsteigerung von 8,3 Prozent und in der speisengeprägten Gastronomie von 5,4 Prozent.

Auch der Rückgang der Insolvenzverfahren in der bayerischen Gastronomie im Jahr 2008 gegenüber dem Vorjahr um 13,5 Prozent spricht für die positive Wirkung eines konsequenten Nichtraucherschutzes für das Gaststätten-gewerbe.

Die Aufweichung des Nichtraucherschutzes in Bayern durch die an Zahl zunehmenden Raucherclubs kehrte den positiven Umsatztrend um. Nach der Ankündigung Horst Seehofers, "das Rauchverbot zu lockern", bricht der Umsatz der getränkegeprägten Gastronomie im Oktober 2008 um 19,1 (bundesweit 3,6) Prozent und im gesamten vierten Quartal um 9,6 (5,1) Prozent ein.

Ein umfassender und konsequenter Nichtraucherschutz bringt erhebliche Vorteile sowohl für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger als auch für den Umsatz des Gaststättengewerbes.

Diese Stellungnahme umfasst 10 Seiten

Präsidentin: Prof. Dr. med. Ingeborg Aßmann, Ärztin für Innere Medizin/Kardiologie, Erfurt Vizepräsidenten: Ernst-Günther Krause, Diplom-Handelslehrer, Unterschleißheim; Peter Treitz, Rektor, Schiffweiler

Eingetragen im Vereinsregister des Amtsgerichts München unter VR 12667 und als gemeinnützig anerkannt vom Finanzamt München für Körperschaften unter StNr 143/220/00511

171

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Seite 2 von 10 Inhaltsverzeichnis 1. Grundsätzliches

2. Der länderspezifische Feldversuch mit dem Nichtraucherschutz in Gaststätten

3. Umsatzsteigerung bei einem umfassenden gesetzlichen Nichtraucherschutz

3.1 Datenerhebungen der Statistischen Landesämter

3.1.1 Die tatsächliche Umsatzentwicklung beim Gaststättengewerbe in Deutschland

3.1.2 Die tatsächliche Umsatzentwicklung beim Gaststättengewerbe in Bayern im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen

3.2 Entwicklung der Umsatzfaktoren

4. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

1. Grundsätzliches Die gesetzliche Regelung des Schutzes vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens in Deutschland kann nur als arg misslungenes Experiment bezeichnet werden – als augenfälliges Bei-spiel dafür, wie man es nicht machen soll. Weil der Bund seine Kompetenz im Arbeitsschutzrecht wegen erheblichen Widerstands der Tabaklobby nicht wahrnehmen wollte, überließ er es den Län-dern, den von einer eindeutigen Mehrheit der Bürger gewünschten Schutz vor dem hochgiftigen Schadstoffgemisch Tabakrauch in Gaststätten gesetzlich zu verankern. Statt sich auf klare und ein-heitliche Regelungen zu einigen, formulierte jedes Bundesland ein eigenes Gesetz. Heraus kam ein löchriger Flickenteppich. Dass das Bundesverfassungsgericht fast allen Bundesländern die Verfassungswidrigkeit ihrer Ge-setze wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes attestieren musste, zeigt, wie nachlässig die Gesetze ausgearbeitet wurden. Statt daraus zu lernen und den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2008 aufgezeigten Weg eines Nichtraucherschutzes ohne Ausnah-men zu gehen, verschlechterten alle Länder den Nichtraucherschutz. Sie ergänzten die Regelung, die das Bundesverfassungsgericht für kleine Trinkkneipen erlassen hat, um weitere Ausnahmen. Dabei ignorierten die Länder die Tatsache, dass die Regelung des Bundesverfassungsgerichts nicht als Orientierungshilfe, sondern als Interimsregelung erlassen wurde, die es den Kleingaststätten ermög-lich soll, bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes zu überleben. Bei der Gestaltung der Interimsre-gelung stützte sich das BVerfG auf eine Vereinbarung zwischen dem Bundesgesundheitsministeri-ums und dem Dehoga aus dem Jahr 2005. Dazu ist zu sagen, dass die darin enthaltenen Eckpunkte zuvor von der Tabakindustrie vorformuliert wurden. 2. Der länderspezifische Feldversuch mit dem Nichtraucherschutz in Gaststätten Vor Inkrafttreten eines Gesetzes lassen sich dessen Auswirkungen nur prognostizieren. Eher positive Erwartungen vor allem in gesundheitlicher Hinsicht hegten die meisten Politiker und die Organisatio-nen des Gesundheitswesens. Bei den Hotel- und Gaststättenverbänden hingegen wurde häufig von Existenzvernichtung und einer Katastrophe für das Gaststättengewerbe gesprochen. Wissenschaft-lich gesehen stellt das Geschehen um die unterschiedlichen Gesetze mit den elf Monate auseinander liegenden Terminen für das Inkrafttreten (1. August 2007 in Baden-Württemberg und Niedersachsen bis 1. Juli 2008 in Nordrhein-Westfalen) einen auf diesem Gebiet einmaligen Feldversuch dar.

172

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Seite 3 von 10 Zwischen Mitte 2007 und Ende 2008 gab es vier grundsätzliche Regelungen des Nichtraucherschut-zes in Gaststätten:

Raumbezogene Lösung Rauchverbot in den Räumen der Gaststätte

(1) Ohne Ausnahme: Einraum-Gaststätten

(2) Wahlfreiheit für inhabergeführte

Ein-Raum-Gaststätten

(3) Wahlfreiheit für Mehr-Raum-Gaststätten, Rauchen in einem Nebenraum

zuzulassen alle Bundesländer mit Ausnahme von Bayern Nordrhein-Westfalen und dem Saarland

nur Saarland alle Bundesländer mit Ausnahme von Bayern

Situationsbezogene Lösung (4) Rauchverbot in den Räumen der Gaststätte – Ausnahme: "private" Veranstaltungen

Bayern Kombination von raumbezogener und situationsbezogener Lösung

Nordrhein-Westfalen 2009 wurden die meisten Ländergesetze dann dergestalt geändert, dass der Nichtraucherschutz ver-schlechtert und der Überwachungsaufwand erhöht wurde. 3. Umsatzsteigerung bei einem umfassenden gesetzlichen Nichtraucherschutz In allen Bundesländern setzte unmittelbar nach Inkrafttreten des mit Ausnahmen versehenen Rauch-verbots in Gaststätten das große Wehklagen der Wirte über gravierende Umsatzrückgänge an – und die Massenmedien berichteten meist kritiklos darüber. Einzelfälle wurden verallgemeinert und das Ausweichverhalten der Gäste von der rauchfreien Ein-Raum-Gaststätte zur Mehr-Raum-Gaststätte mit Raucherraum völlig außer Acht gelassen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) verbreitete Horrormeldungen, wonach viele Gastwirte vor dem Ruin stünden und viele tausend Ar-beitsplätze im Gaststättengewerbe wegfallen würden*). Obwohl die bis Ende März 2008 bei den Sta-tistischen Landesämtern eingehenden Umsatzmeldungen auch nicht im geringsten Umsatzeinbrüche belegen konnten, entstand in der Öffentlichkeit – und auch bei den Mitgliedern des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts – der Eindruck, dass die Nichtraucherschutzgesetze erhebliche negative Auswirkungen auf den Umsatz und damit die Existenz insbesondere eines großen Teils der Ein-Raum-Gaststätten hätten. Die tatsächliche Umsatzentwicklung im Gaststättengewerbe offenbart jedoch, dass sich die Nichtrau-cherschutzgesetze insgesamt positiv auswirkt haben und ein deutlicher Zusammenhang zwischen Umfang des Nichtraucherschutzes und Wirkungsgrad besteht. Dies ergibt sich aus den Daten der Statistischen Landesämter und des Statistisches Bundesamtes – neutrale Datensammler. 3.1 Datenerhebungen der Statistischen Landesämter Die Erhebung der Daten durch die Statistischen Landesämter erfolgt nach einheitlichem Verfahren. Die Statistiker machen nichts anderes als die Umsatzmeldungen der Gastwirte (eine repräsentative Stichprobe von sechs bis acht Prozent der Betriebe ab einem Jahresumsatz von 50.000 Euro) entgegenzunehmen und dann methodisch einwandfrei hochzurechnen, so Peter Englitz, Pressespre-cher des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung. Die 50.000 Euro sind Um-satz und kein Einkommen. Deshalb zählen auch die meisten der kleinen Gaststätten dazu. Allenfalls Gaststätten, die im Nebenerwerb am Wochenende oder für ein paar Stunden am Abend betrieben werden, fallen nicht darunter. *) Der Dehoga behauptete im März 2006, dass das mit dem Gesundheitsministerium vereinbarte Ziel, wonach zu diesem

Zeitpunkt 30 Prozent der Gaststätten mit mehr als 75 m2 über mindestens 30 Prozent Nichtraucherplätze verfügen sollen, erreicht worden sei. In der Realität waren es aber höchstens 10 Prozent, was die NID veranlasste, den Dehoga öffentlich als Betrügerverband zu bezeichnen (vgl. Nichtraucher-Info Nr. 62 - II/06), und die Politik dazu bewegte, sich ernsthaft mit einem gesetzlichen Nichtraucherschutz in der Gastronomie zu beschäftigen.

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Page 5: Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

Seite 4 von 10 Die Einteilung der Gaststätten erfolgt nach Wirtschaftszweig-Klassifikationen: WZ08 561 steht für die speisengeprägte, WZ08 563 für die getränkegeprägte Gastronomie sowie weitere Untergliederungen (früher WZ03 553 und WZ03 554). Auf die Datenerhebung haben Außenstehende keinen Einfluss. Die Hotel- und Gaststättenverbände stützen sich in der Regel auf die Umsatzdaten der Statistischen Landesämter bzw. des Statistischen Bundesamtes. Beim Nichtraucherschutz in Gaststätten präsen-tierten sie jedoch eigene Zahlen, die weder das Kriterium "repräsentativ" noch das Kriterium "nach-prüfbar" erfüllten. Diese Vorgehensweise diente allein dem Ziel der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, auf die Politik und auf die Entscheidungen die Verfassungsgerichte. Dadurch entstand ein Zerrbild der Wirklichkeit. 3.1.1 Die tatsächliche Umsatzentwicklung beim Gaststättengewerbe in Deutschland Als Spitzenverband des Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes ist dem Dehoga die Umsatzent-wicklung des Gaststättengewerbes seit vielen Jahren bekannt. Trotzdem beklagte er die Umsatzrück-gänge 2007 und 2008 als den Nichtraucherschutzgesetzen geschuldet. Tatsache ist aber, dass das Gaststättengewerbe seit Mitte der 1990er Jahre ständig Umsatzrückgänge zu verzeichnen hat:

Die realen Umsätze lagen 2008 bei der speisengeprägten Gastronomie nur noch bei rund 60 Pro-zent der Umsätze, die 1994 erzielt wurden. Die getränkegeprägte Gastronomie erzielte 2008 gar nur rund 50 Prozent der Umsätze von 1994.

Obwohl das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt von 2003 bis 2008 um 9 Prozentpunkte gestie-

gen ist, nahmen die realen Umsätze im gleichen Zeitraum bei der speisengeprägten Gastronomie um knapp 15 Prozent und bei der getränkegeprägten Gastronomie um gut 23 Prozent ab.

Mit anderen Worten: Das Gaststättengewerbe steckt seit mehr als einem Jahrzehnt in einer Strukturkrise.

JahrUmsatz-

mess-zahl

Ver-ände-rung

Umsatz-mess-

zahl

Ver-ände-rung

1994 149,0 . 176,5 .1995 147,4 -1,1 % 163,8 -7,2 %1996 142,0 -3,7 % 160,0 -2,3 %1997 135,6 -4,5 % 145,1 -9,3 %1998 133,6 -1,5 % 136,7 -5,8 %1999 132,7 -0,7 % 128,5 -6,0 %2000 129,8 -2,2 % 122,1 -5,0 %2001 128,6 -0,9 % 121,7 -0,3 %2002 115,8 -10,0 % 112,4 -7,6 %2003 107,4 -7,3 % 113,3 0,8 %2004 102,5 -4,6 % 105,7 -6,7 %2005 100,0 -2,4 % 100,0 -5,4 %2006 98,1 -1,9 % 98,3 -1,7 %2007 94,0 -4,2 % 90,4 -8,0 %2008 91,0 -3,2 % 86,1 -4,8 %

Ø -3,9 % Ø -6,0 %

WZ08-563 Ausschank

von Getränken

WZ08-561 Restaurants, Gaststätten,

Imbissstuben, Cafes u.Ä.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und desUmsatzes im GaststättengewerbeMesszahlen BIP: 2000 = 100 (preisbereinigt)

Messzahlen Gaststättengewerbe: 2003 = 100 (preisbereinigt)

101,0102,2 103,0

106,1108,7

110,1

93,4

88,486,9

80,1

76,6

84,887,4

91,493,195,4

100,0

70

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90

100

110

120

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand Anfang 2009; Aufbereitung: NID

Mes

szah

l

BIPspeisengeprägte G.getränkegeprägte G.

Daten aus der GENESIS-Online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/logon

Suchbegriff: "45213-0004" Zugang zum Umsatz im Gastgewerbe (real/nominal) sowie zu den Messzahlen und den Veränderungsraten für Deutschland nach Monaten/Quartalen/Halbjahren

Suchbegriff: "45213-0003" Zugang zum Umsatz im Gastgewerbe nach Jahren

174

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Seite 5 von 10

Umsatzmesszahlen Deutschland speisengeprägte Gastronomie

(WZ08-561 Restaurants, Gaststätten, Imbissstuben)

149,0147,4

142,0135,6

133,6 132,7129,8 128,6

115,8

107,4102,5

100,098,1

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1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 30.09.2009; Aufbereitung: NID

Umsatzmesszahlen Deutschlandgetränkegeprägte Gastronomie(WZ08-563 Ausschank von Getränken)

176,5

163,8160,0

145,1

136,7

128,5122,1 121,7

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Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 30.09.2009; Aufbereitung: NID

Auffallend ist, dass die getränkegeprägte Gastronomie erheblich stärkere Umsatzrückgänge zu ver-zeichnen hat als die speisengeprägte. Selbst 2006, also im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, setzte sich der negative Trend fort. Wenn ein Wirtschaftszweig innerhalb von sechs Jahren in einer Zeit des Wirtschaftswachstums dermaßen gebeutelt wird, dann muss er sich ernsthaft die Frage stellen, was schief läuft, warum Angebot und Nachfrage anhaltend stark auseinander klaffen. Wer nach Gründen sucht, wird bestimmt darauf stoßen, dass der Nichtraucherschutz 2002 erheblich verbessert worden ist. Der rauchfreie Arbeitsplatz ist für viele Arbeitnehmer (jedoch nicht für alle!) Wirklichkeit geworden. Und wer beruflich keinem Tabakrauch mehr ausgesetzt ist, verabscheut den Gestank auch bzw. erst recht bei seiner Freizeitgestaltung. Es spricht außerdem viel dafür, dass die um zwei bis drei Prozentpunkte besseren Umsatzergebnisse des Beherbergungsgewerbes zum gu-ten Teil darauf zurückzuführen sind, dass das Angebot rauchfreier Übernachtung und Verköstigung (rauchfreies Frühstück) spürbar zugenommen hat. Der Trend, sich etwas – aber nur rauchfrei – zu gönnen, lässt sich nicht mehr aufhalten. Die Frage ist nur, wann dies die Gastwirte und die Hotel- und Gaststättenverbände erkennen.

175

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Seite 6 von 10 Wenn das Gaststättengewerbe über Umsatzverluste durch die Rauchverbote klagt, dann ist dies bis auf Einzelfälle schlichtweg falsch. Denn die Umsatzdaten für 2008 lassen zumindest zaghaft eine Trendwende nach oben und nicht nach unten erkennen: von 2003 bis 2007 im Durchschnitt jährlich –4,0 % (speisengeprägt) und –5,8 % (getränkegeprägt) auf immerhin –3,0 % bzw. –4,2 %. Und das, obwohl sich das Wirtschaftswachstum 2008 deutlich verringert hat und das umsatzstarke Weltmeis-terschaftsjahr 2006 den Durchschnitt für 2003 bis 2007 gehoben hat. 3.1.2 Die tatsächliche Umsatzentwicklung beim Gaststättengewerbe in Bayern im Ver-

gleich zu Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen

0,4

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2007

Baden-WürttembergBayernHessenNiedersachsenNordrhein-Westfalen

Umsatzentwicklung in der speisengeprägten GastronomieVeränderung des Umsatzes in Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum

in Preisen des Jahres 2000 (real)

Quelle: Gedruckte Veröffentlichungen der Statistischen Landesämter; Aufbereitung: NID

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2007

Baden-WürttembergBayernHessenNiedersachsenNordrhein-Westfalen

Umsatzentwicklung in der getränkegeprägten GastronomieVeränderung des Umsatzes in Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum

in Preisen des Jahres 2000 (real)

Quelle: Gedruckte Veröffentlichungen der Statistischen Landesämter; Aufbereitung: NID

2006 Jahr der Fußballweltmeisterschaft

Diese fünf Bundesländer stellen mit ca. 54 Millionen Einwohnern zweidrittel der Gesamtbevölkerung.

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Page 8: Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

Seite 7 von 10 Der Aufwärtstrend beim Umsatz im Jahr 2008 ist sowohl in der speisen- als auch in der getränkege-prägten Gastronomie klar erkennbar. Eine Ausnahme bildet lediglich Nordrhein-Westfalen. Warum? In Nordrhein-Westfalen trat das Rauchverbot in Gaststätten erst am 1. Juli 2008 in Kraft. Eine Trend-wende beim Umsatz könnte sich deshalb erst in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Sie blieb jedoch aus (-6,1 | -4,9 | -5,8 | -6,1). Der entscheidende Grund ist in der Tatsache zu sehen, dass Nordrhein-West-falen von allen Bundesländern den schwächsten Nichtraucherschutz in Gaststätten hat und die raum-bezogene Ausnahme mit der situationsbezogenen Ausnahme vom Rauchverbot kombiniert. Zu welchen Umsatzsteigerungen ein echter Nichtraucherschutz führen kann, zeigt die Entwicklung in Bayern, dem Bundesland mit dem anfangs umfangreichsten Nichtraucherschutz in Form eines Rauchverbots sowohl in Ein-Raum- als auch in Mehr-Raum-Gaststätten. Die Folge: Umsatzerhöhun-gen nie gekannten Ausmaßes im ersten Quartal 2008. Als im Laufe des Jahres die Zahl der Raucher-club-Gaststätten (situationsbezogene Ausnahme vom Rauchverbot für nicht öffentlich zugängliche Gaststätten) immer mehr zunahm, wurde der Nichtraucherschutz immer stärker aufgeweicht – und der positive Umsatztrend kehrte sich um.

Die Quartalsbetrachtung nivelliert monatliche Sonderentwicklungen, z.B. längere Wetter-perioden, Ferientermine, Zahl der Wochenenden und Feiertage, Sporter-eignisse usw.)

Reale Umsatzentwicklung in derspeisengeprägten Gastronomie Bayerns

nach Quartalen in Prozent

-2,3

5,4

-5,3

-3,6

-5,6 -3,9

-0,72,41,3-0,5

-3,9

-3,3

-10

-5

0

5

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Quelle: lfstad; Aufbereitung: NID2006 > 2005 2007 > 2006 2008 > 2007

lfstad = Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung

Der Umsatzabsturz im 4. Quartal (–9,6 %) folgte auf die Ankündigung von CSU und FDP, "das strenge Rauchverbot in Bayern zu lockern". Das Umsatzminus im Oktober, dem Monat nach der Landtagswahl. betrug 19,1 %. Ein Teil der Wähler hatte die CSU wegen des Nichtraucherschutzes gewählt. Dass der enorme Umsatzrückgang im Oktober auf den Frust über die Kehrtwende der CSU

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Page 9: Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

Seite 8 von 10 zurückzuführen ist, lässt sich auch damit belegen, dass es bei den Veränderungen des Umsatzes der getränkegeprägten Gastronomie in Deutschland in den Monaten vorher und nachher keine erkennba-ren Ausschläge gab: August –3,3 %, September –4,8 %, Oktober –3,1 %, November –4,2 %. Erst im Dezember wirkte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise mit –7,7 % spürbar auf den Umsatz des Gast-stättengewerbes aus. Doch woher kommt der Umsatzanstieg im letzten Quartal 2007, also in einem Zeitraum, in dem kein Nichtraucherschutz in den Gaststätten galt? Antwort darauf gibt das folgende Diagramm:

Nach heftiger Diskussion beschließt die CSU-Fraktion am 24. Oktober 2007 ein generelles Rauch-verbot für alle öffentlich zugängliche Gaststätten. Bei den Ausnahmen für nicht öffentlich zugängliche Gaststätten ist zunächst nur an (private) Familienfeiern gedacht. Vor und erst recht nach dem Be-schluss kommt es zu empörten Reaktionen von Wirten vor allem der getränkegeprägten Gastronomie und einem Teil ihrer rauchenden Gäste. In vielen Kneipen wird darüber diskutiert, wie dem Rauchver-bot zu begegnen und wie es zu umgehen ist. Am 5. Dezember 2007 wird der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur gegründet, der sich ein Jahr später rühmt, 80 000 Mitglieder zu haben. Eigentlich müsste der Umsatz besonders der getränkegeprägten Gastronomie in den ersten Monaten nach Einführung des "striktesten" Nichtraucherschutzgesetzes Deutschlands einbrechen, zumal die Zeitungen immer wieder über Gastwirte berichten, die über große Umsatzverluste klagen und ihre Existenz bedroht sehen. Niemand kann mit objektiv ermittelten Daten dagegenhalten, denn das Baye-rische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (lfstad) veröffentlicht erst im Juli die Umsatzda-ten für die Monate Januar bis Mai 2008 gesammelt und das – wie immer – ohne jeglichen Kommen-tar. Niemand im lfstad erkennt die politische Brisanz der Umsatzdaten – oder will sich öffentlicher Aufmerksamkeit aussetzen. 3.2 Entwicklung der Umsatzfaktoren Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zugestanden, den Nichtraucherschutz mit dem "Konzept eines strikten Rauchverbots" zu verfolgen. Auch die besonderen beruflichen und wirtschaft-lichen Interessen der Betreiber von kleinen Gaststätten könnten den Gesetzgeber nicht zwingen, die-ses Konzept aufzugeben. Insofern wären schlechte Umsatzzahlen des Gaststättengewerbes nicht entscheidend für den Umfang des gesetzlichen Nichtraucherschutzes. Umso erfreulicher ist es, dass die von neutraler Stelle erhobenen und zusammengeführten Daten belegen, dass der Gesetzgeber mit einem umfassenden und konsequenten Nichtraucherschutz dafür sorgen kann, dass das Gast-stättengewerbe wieder schwarze Umsatzzahlen schreibt.

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Page 10: Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

Seite 9 von 10 Welche Faktoren beeinflussen den gegenwärtigen und den künftigen Umsatz des Gaststätten-gewerbes in Bezug auf den Nichtraucherschutz?

73,4 % der über 15-Jährigen wünschen sich rauchfreie Gaststätten (Februar 2009); der Anstieg gegenüber dem Vorjahr (66,6 %) ist fast ausschließlich auf steigende Zustimmungsquoten bei den Rauchern zurückzuführen (GfK Marktforschung).

Im Laufe der letzten Jahre wurde der Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz stark ausgeweitet.

Mehr als 70 % der über 15-Jährigen sind Nichtraucher (Statistisches Bundesamt, GfK Marktfor-schung).

Der Anteil der Raucher unter den 25- bis 69-Jährigen ging bei den Männern von 38,4 % (2003) auf 36,5 % (2009) und bei den Frauen von 32,0 % auf 29,5 % zurück (Gesundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts 1990/92 bis 2009)**).

Der Anteil der starken Raucher unter den 25- bis 69-Jährigen nimmt erheblich ab (Gesundheits-surveys des Robert-Koch-Instituts 1990/92 bis 2009)**):

Anteil starker Raucher unter den 25- bis 69-Jährigen 1998 2003 2009 Männer 19,3 % 14,9 % 11,0 %Frauen 10,0 % 9,4 % 6,2 %

Der Anteil der Raucher unter den 12- bis 17-Jährigen ist von 28 % (2001) kontinuierlich auf 15 % (2008) gesunken (BZgA, Drogenaffinitätsstudie). Wer das 20. Lebensjahr erreicht hat, ohne mit dem Rauchen anzufangen, der hat gute Chancen, sein Leben lang Nichtraucher zu bleiben.

Der Anteil der Raucher in der Bevölkerung sinkt, der Tabakkonsum sinkt, die Nachfrage nach Rauchen in der Gaststätte sinkt. 2001 wurden jährlich 145,2 Milliarden Zigaretten gekauft, 2008 nur noch 88,0 Milliarden (Statistisches Bundesamt, GfK Marktforschung).

Der Anteil der Raucher unter den 18- bis 39-Jährigen liegt bei denjenigen mit hoher Schulbildung um rund 20 Prozentpunkte unter denjenigen mit niedriger Schulbildung (Gesundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts 1990/92 bis 2009)**). Höhere Bildung generiert in der Regel höheres Ein-kommen.

Nichtraucher verfügen über mehr Einkommen als Raucher. 20 % mehr Nichtraucher als Raucher haben ein monatliches Einkommen zwischen 2000 € und 2999 €, 45 % mehr Nichtraucher als Raucher verdienen 3000 € und mehr (GfK Marktforschung).

Nichtraucher verfügen nicht nur über mehr Einkommen, sie müssen es auch nicht "mit der Ziga-rette teilen". Der Preis für eine Zigarettenschachtel ist zuletzt im Juni 2009 um 5 % gestiegen. Raucher verzichten lieber auf ein Glas Bier als auf eine Zigarette.

Raucher im ICE von München nach Hamburg oder im Flugzeug von München nach Rom kommen viele Stunden ohne Zigarette aus.

Raucher kommen im Kino, Theater oder in der Oper ein bis zwei Stunden ohne Zigarette aus. Sie rauchen deshalb häufig eine Zigarette vor der Veranstaltung, eine zwischendurch im Freien und eine danach.

Beim Rauchverbot in Gaststätten handelt es sich um ein Raum-Rauchverbot und kein generelles Rauchverbot. Außerhalb der Räume kann weiter geraucht werden. Rauchen wird lediglich ins Freie verlagert, wo es am wenigsten Schaden anrichten kann.

1,3 Millionen Wahlberechtigte haben sich in Bayerns Rathäusern offen für das Volksbegehren Nichtraucherschutz eingetragen und für rauchfreie Gaststätten ohne Ausnahmen gestimmt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer rechnet damit, "dass der Volksentscheid so ausgeht wie das Begehren" (Süddeutsche Zeitung vom 29.12.2009).

**) Vorgestellt auf der 7. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle am 9./10.12.2009 in Heidelberg

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Page 11: Ausschussvorlage AFG 18/22starweb.hessen.de/cache/AV/18/AFG/AFG-AV-022-T3.pdfStand: 11.01.2010 Teil 3 Ausschussvorlage AFG 18/22 eingegangene Stellungnahmen zu der Anhörung zu dem

Seite 10 von 10 4. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zum Nichtraucherschutz sind in einem unbeabsichtig-ten Feldversuch mit verschiedenen Parametern auf ihre Tauglichkeit getestet worden. Während die gesundheitlichen Auswirkungen der Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland noch eigener Unter-suchungen harren (über deren positives Ergebnis es aber keinen ernsthaften Zweifel gibt), lassen sich aus den wirtschaftlichen Auswirkungen bereits Schlussfolgerungen für die Gestaltung eines für das Gaststättengewerbe ertragreichen Nichtraucherschutzes ziehen. Entscheidend für eine positive Umsatzentwicklung ist, dass alle Gaststätten rauchfrei sind, dass es keine Ausweichmöglichkeit und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Wer in einem fremden Ort erst nach einer rauchfreien Gaststätte suchen muss, bleibt lieber in seiner Unterkunft. Ein großer Teil des Gaststättengewerbes erkennt offensichtlich nicht die Zeichen der Zeit oder ist nicht willens oder bereit, auf die Zukunft gerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Das Gaststättengewer-be braucht externe Vorgaben, um diese missliche Situation überwinden zu können. Eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist es, die Bürgerinnen und Bürger durch gesetzgeberi-sche Maßnahmen vor gesundheitlichem Schaden zu bewahren. Dies hat der Hessische Landtag im Grundsatz erkannt, als er 2007 das erste Nichtraucherschutzgesetz verabschiedete. Es hat sich je-doch gezeigt, dass der gegenwärtige Nichtraucherschutz voller Mängel ist. Diese können nur auf der Basis "Nichtraucherschutz ohne Ausnahme" beseitigt werden. Nur eine solche Regelung führt zu einem wirksamen Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens und fördert zugleich die wirtschaft-liche Lage des Gaststättengewerbes.

Ernst-Günther Krause geschäftsführender Vizepräsident

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Stellungnahme zu den Gesetzesentwürfen der Fraktionen der CDU und der FDP (18/1160) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (18/1401) Prof. Dr. med. N. Frickhofen Onkologisches Zentrum HSK HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden 03.01.2010 Ausnahmen von einem Rauchverbot sind rein medizinisch betrachtet unverständlich. Dass Rauchen die Mehrzahl der aktiven und viele passive Raucher gesundheitlich schädigen und letztlich töten kann, ist wissenschaftlich zweifelsfrei bewiesen und inzwischen Allgemeinwissen. Warum also gesetzlich Ausnahmen von einem Verbot machen, das menschliches Leid verhindern kann und der Gesellschaft Kosten für die Behandlung von Erkrankungen durch Rauchen erspart? Es sind die bekannten wirtschaftlichen Gründe, und es wird die Einschränkung der individuellen Entscheidungsfreiheit angeführt. Aus medizinischer Sicht sind die in §2 des Gesetzesentwurfs definierten Ausnahmen v.a. aus zwei Gründen abzulehnen: 1. Ausnahmen sind inakzeptabel, wenn nicht mit Sicherheit gewährleistet ist, dass nichtrauchende Anwesende mit Tabakrauch in Kontakt kommen. Das Risiko für das Auftreten von Krankheiten durch Rauchen steigt mit zunehmender Dosis der Schadstoffe an. Tabakrauch ist jedoch als "Karzinogen (krebserregender Stoff) der Gruppe 1" klassifiziert1. Charakteristikum dieser Gruppe ist, dass auch geringste Mengen dieser Stoffe Krebs auslösen können. Eine Schwellendosis ist nicht bekannt. Die Abtrennung von Räumen (§2, Absatz 1 und 5, Nr. 1) kann niemals so vollständig sein, dass nicht minimale Rauchmengen entweichen können 2. Das Wort "beeinträchtigen" beschreibt einen Zustand, der mit hoher Wahrscheinlichkeit weit über der relevanten Dosis von Giften im Tabakrauch liegt. Warum Vernehmungssituationen (§2, 2) ausgenommen werden sollen, ist mir unverständlich. Ich vermute, dass eine Erleichterung von Ermittlungen bei Rauchern erwartet wird. Aber sind dieser oder andere Gründe ausreichend für die Aufhebung des Schutzes anwesender Nichtraucher? Ähnliches gilt für Absatz 4. Für mich ist ebenfalls schwer nachvollziehbar, warum das Rauchverbot nicht für "Gaststätten mit weniger als 75 m2" gelten soll, "wenn keine oder nur kalte und einfach zubereitete warme Speisen verabreicht werden". Sind Nichtraucher in solchen Gaststätten nicht relevant oder wird erwartet, dass sie sich von solchen Gaststätten fern halten? Sind solche Arbeitsplätze für Nichtraucher ungeschützte Bereiche? Der Schutz kleiner Gasstätten vor ökonomischem Schaden steht hier offensichtlich höher als gesundheitliche Bedenken. Rein private Umstände (Wohnräume (§2, Ansatz 3) oder geschlossene Gesellschaften (§2, Absatz 5, Nr. 3) sind weniger kritisch und rechtlich auch stärker umstritten. Aber auch dort muss gefragt werden, wie zuverlässig der Schutz von Nichtrauchern ist. Was ist z.B. mit Schwangeren, Kindern oder wirtschaftlich Abhängigen, die nicht frei entscheiden können oder wollen?

1 IARC monographs on the evaluation of carcinogenic risks to humans. Vol 83, 2002 2 Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle, Band 5. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 2005

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2. Ausnahmen sind auch dann medizinisch nicht akzeptabel, wenn sie Umstände betreffen, die Rauchen mit angenehmen Empfindungen in Zusammenarbeit bringen. Daher sind die Ausnahmen in §2, Absatz 5, Unterpunkte 4 und 5 unverständlich. Hat der Gesetzgeber bedacht, dass Rauchen in Verbindung mit den positiven Empfindungen im Festzelt oder der Spielbank Verhaltensmuster prägt? Der aktive Raucher wird in seinem Rauchverhalten bestärkt. Unfreiwillig Mitrauchende können wegen Ihres Wunsches an einer Teilnahme an dieser Art Freizeitgestaltung das Mitrauchen in Kauf nehmen oder zum aktiven Rauchen verleitet werden, eine psychologisch leicht nachvollziehbare Gefahr. Zusammengefasst sollte der Gesetzgeber keine Ausnahmen vom Rauchverbot in öffentlich zugänglichen Bereichen zulassen.

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Hessischer Landtag Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit Herrn Geschäftsführer Jürgen Schlaf Schlossplatz 1-3 65183 Wiesbaden

04.01.2010 ke/ir Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes (GSG) Sehr geehrter Herr Schlaf, herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 23.11.2009, in dem Sie uns um unsere Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes bitten. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP

1. Rauchen in vollständig abgetrennten Nebenräumen

Im derzeit geltenden „Hessischen Nichtraucherschutzgesetz“ vom 6. September 2007 ist bereits für vollständig abgetrennte Nebenräume eine Ausnahme vom Rauchverbot verankert. Diese Regelung, die so auch in Bayern gilt, wird vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e. V. sehr begrüßt. Allerdings wäre es für viele Betriebe wichtig, statt der Bezeichnung „abgetrennter Nebenraum“ die Formulierung „abgetrennter Raum“ zu wählen, um den jeweils vorherrschenden baulichen Gegebenheiten gerecht werden zu können.

2. Einraumgastronomie < 75 qm Über die bisherige Regelung hinaus soll – wie in Bayern - das Rauchverbot zukünftig in Gaststätten mit weniger als 75 qm Gastfläche und ohne vollständig abgetrennten Nebenraum nicht gelten, wenn keine oder nur kalte und einfach zubereitete warme Speisen verabreicht werden.

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BAYERISCHER HOTEL- UND GASTSTÄTTENVERBAND E.V. Seite 2 zum Schreiben vom 04.01.2010

Diese Regelung in Anlehnung an die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht wäre mit Sicherheit ein Gewinn, wenn die Ausnahme vom Rauchverbot nicht zwingend mit der Einschränkung des Speisenangebotes für die betroffenen Betriebe verbunden wäre. Das Argument, diese Betriebe sollen vor existenziellen Wettbewerbsnachteilen gegenüber Mehrraumgaststätten geschützt werden, überzeugt wenig. Wenn auch vermutlich die besten Absichten dahinter stehen, ist es nicht nachvollziehbar, dass in Gaststätten mit weniger als 75 qm nur geraucht werden darf, wenn das Speisenangebot eingeschränkt ist, während in vollständig abgetrennten Nebenräumen geraucht werden darf, obwohl das Speisenangebot nicht eingeschränkt ist. Darüber hinaus führt die geplante Ausnahme vom Rauchverbot zu einer weiteren Ungleichbehandlung. Gaststätten mit weniger als 75 qm Gastfläche, die das Rauchen erlauben, dürfen nur ein eingeschränktes Speisenangebot aufwarten, während in Festzelten auch ohne Rauchverbot voll ausgekocht werden darf.

3. Einraumgastronomie >75 qm

In allen Einraumgaststätten, die mehr als 75 qm Gastfläche haben, soll das Rauchen grundsätzlich verboten bleiben. Diese Betriebe trifft es ganz besonders hart. Nur aufgrund ihrer Größe und mangels eines abtrennbaren Nebenraumes werden sie gegenüber den anderen gastronomischen Betrieben stark benachteiligt. Wenn auch ein Teil dieser Betriebe die Möglichkeit hat, einen Nebenraum einzurichten, so verursachen solche Umbauten doch zumeist erhebliche Kosten. Darüber hinaus wird in vielen Fällen die Attraktivität des Gastraumes erheblich beeinträchtigt. Die Einraumgaststätten mit mehr als 75 qm Gastfläche ohne Möglichkeit einer baulichen Veränderung haben selbst bei eingeschränktem Speiseangebot keine Chance, das Rauchen zu erlauben. Sie werden im Vergleich zu den anderen Betriebsarten regelrecht diskriminiert.

4. Geschlossene Gesellschaften Eine Ausnahme vom Rauchverbot für sog. „echte“ geschlossene Gesellschaften halten wir für sinnvoll. Wie in der Begründung ausgeführt handelt es sich hier um rein private Veranstaltungen mit einem abgegrenzten individualisierten Personenkreis. Nach unserer Auffassung sollte es deshalb – im Sinne der Eigenverantwortung – den jeweils Veranstaltenden und den Betreibern einer Gaststätte in freier Entscheidung überlassen bleiben, ob und wo geraucht werden darf oder nicht.

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BAYERISCHER HOTEL- UND GASTSTÄTTENVERBAND E.V. Seite 3 zum Schreiben vom 04.01.2010

5. Vorübergehend betriebene Festzelte

Es ist wie bisher vorgesehen, dass das Rauchverbot in Festzelten, die nur vorübergehend, höchstens an 21 aufeinander folgenden Tagen an einem Standort betrieben werden, nicht gilt. Diese umfassende Ausnahme vom Rauchverbot nur für Festzeltbetriebe wird von unseren Mitgliedern, die in Bayern einer ähnlichen Regelung unterworfen sind, als eklatant wettbewerbsverzerrend empfunden. Allein in Festzeltbetrieben soll es weder ein Rauchverbot noch eine andere Art von Einschränkung geben. Hier bedarf es - keiner Flächenbegrenzung (weniger als 75 qm Gastfläche) - keines abgetrennten Nebenraumes - keiner Speisenbeschränkung Insbesondere im ländlichen Raum besteht die berechtigte Sorge, dass gerade in den Sommermonaten eine Kultur von befristet aufgestellten Zeltbetrieben, die für jeweils bis zu 21 Tagen das ganze Jahr über von Ort zu Ort wechseln, ungeahnte Blüten treibt. Das würde eklatante Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des sog. stehenden nach sich ziehen, die das dramatische Wirtshaussterben zusätzlich beschleunigen. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, das Rauchverbot trotz der bekannten Vollzugsprobleme ebenso wie die Gestattungen nach § 12 Gaststättengesetz stets unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.

6. „Innovationsklausel“

Hier soll es bei der bislang geltenden Regelung bleiben, die besagt: „Durch Rechtsverordnung … können weitere Ausnahmen zugelassen werden, wenn durch technische Vorkehrungen ein dem Rauchverbot gleichwertiger Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens geleistet werden kann.“ Die grundsätzliche Bereitschaft, wie in Bayern gemäß Art. 5 Abs. 2 GSG und wie in Nordrhein-Westfalen gemäß § 3 Abs. 8 NiSchG NRW eine sog. „Innovationsklausel“ aufzunehmen, wird von uns sehr begrüßt. Gleichzeitig bedauern wir, dass lediglich eine Option verankert wird, möglicherweise eine diesbezügliche Rechtsverordnung zu erlassen („können weitere Ausnahmen zugelassen werden“). Diese große Unsicherheit kann für unsere Unternehmer keine Grundlage sein, entsprechende kostenintensive Investitionen zu tätigen.

7. Kinder und Jugendliche

Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 soll Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, der Zutritt zu Nebenräumen und Gaststätten mit weniger als 75 qm Gastfläche verboten werden.

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BAYERISCHER HOTEL- UND GASTSTÄTTENVERBAND E.V. Seite 4 zum Schreiben vom 04.01.2010

Diese Regelung ist sinnvoll. Allerdings stellt sich uns die Frage, warum das für alle Raucherräume und alle Einraumgaststätten mit weniger als 75 qm Gastfläche, nicht aber für Festzelte gelten soll. Nicht jedes Festzelt ist so hoch und so luftig, dass dort der Schutz von Jugendlichen vor den Gefahren des Passivrauchens gewährleistet werden kann.

8. Hinweis- und Kennzeichnungspflichten

Die Hinweispflicht auf das Rauchverbot wurde ergänzt. Zukünftig soll die Verpflichtung bestehen, auf das Rauchverbot „im Eingangsbereich“ hinzuweisen. Diese Regelung ist mit Sicherheit sinnvoll. Auch die neue Kennzeichnungspflicht für Rauchergaststätten sowie die bereits bestehende Kennzeichnungspflicht für Rauchernebenräume und Raucherfestzelte kann nur befürwortet werden.

9. Verantwortlichkeit für die Durchsetzung des Rauchverbotes Wie im bereits geltenden Gesetz verankert soll auch zukünftig die Betreiberin oder der Betreiber einer Gaststätte für die Durchsetzung des Rauchverbotes verantwortlich sein. Das ist nicht nachvollziehbar. Selbstredend obliegt die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Hinweis- und Kennzeichnungspflichten der Betreiberin oder dem Betreiber einer Gaststätte. Das gilt auch für das Zutrittsverbot von Jugendlichen. Es kann aber nicht sein, dass der Betreiber einer Gaststätte außerdem für die Einhaltung des Rauchverbots verantwortlich gemacht wird. Das ist in anderen Ländern auch nicht der Fall. Hier möchten wir anregen, die gesetzliche Regelung von Baden-Württemberg zu übernehmen. Dort handelt nur derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den gesetzlichen Regelungen in einer Gaststätte raucht, also nur der Gast und nicht der Gastwirt. Grund unseres Anliegens ist das in Bayern im Zusammenhang mit dem Oktoberfest betonte Vollzugsproblem. Dieses trifft nicht nur einen Münchner Wies’n-Wirt, sondern beispielsweise auch den Betreiber einer Discothek für 2000 Personen. Zwar kann er viele Maßnahmen zur Umsetzung des Rauchverbotes ergreifen (z.B. keine Aschenbecher), aber wirklich verhindern, dass in seinem Betrieb einfach irgendwo geraucht wird, kann er nicht. Der Betreiber einer Gaststätte ist laut Gesetz verpflichtet, geeignete Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen das Rauchverbot zu unterbinden bzw. weitere Verstöße zu verhindern. Wie soll er dabei vorgehen? Natürlich kann er einen Gast bitten, das unerlaubte Rauchen zu unterlassen. Aber gesetzt den Fall, ein Mitglied des Stammtisches raucht trotz bestehenden Rauchverbotes und weigert sich mit Unterstützung der anderen Stammtischmitglieder, dies zu unterlassen. Wie würden Sie reagieren?

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BAYERISCHER HOTEL- UND GASTSTÄTTENVERBAND E.V. Seite 5 zum Schreiben vom 04.01.2010

Würden Sie den Gast und damit möglicherweise den gesamten Stammtisch vor die Tür setzen? Würden Sie wegen dieses Stammgastes die Polizei holen? Würden Sie klaglos Bußgeld bezahlen, wenn Sie sich weder für den Rausschmiss noch für die Polizei entschieden haben und eine Kontrolle kommt? Solange ein Gastwirt seine Hinweis- und Kennzeichnungspflichten erfüllt und solange er dem unerlaubten Rauchen (z.B. durch Aufstellen von Aschenbechern) nicht tatsächlich Vorschub leistet, kann ihm das gesetzwidrige Verhalten seiner Gäste nach unserem Dafürhalten nicht bußgeldbewehrt angelastet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Gallus Präsident

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KV Hessen . Landesstelle. Postfach 15 02 04 .60062 FrankfurüMain

Hessischer Landtag Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit Postfach3240 65022 Wiesbaden

Kassenärztliche Vereinigung

Hessen Körperxhafi des öffentlichen Rechts

Landesstelle Juristische Geschäftsführung

Georg-Voigt-Straße 15 60325 Frankfurt Postfach 15 02 04 60062 Frankfurt Internet: www.kvhessen.de

Ansprechpartnerin: Michaela Vetten Tel.: 069 79502-331 Fax: 069 79502-599 E-Mail: [email protected]

Ihr Zeichen: I A 2.1 Ihre Nachricht vom: 23.1 1.2009 Unsere Zeichen: MV Aktenzeichen: 50lW201220

6. Januar 2010

Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes - Drucks. 1811160 - sowie Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90lDIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens - Drucks. 1811401 -

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23. November 2009, mit welchem Sie uns Gelegenheit ge- ben, zu den 0.g. Gesetzesentwürfen Stellung zu nehmen.

Der Gesetzesentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN fordert einen konsequenten Nichtraucherschutz und damit ein konsequentes Rauchverbot in den im Gesetz aufgeführten Räumen und Einrichtungen. Die geregelten Ausnahmen sehen eine Lockerung des Rauchver- bots nur in abgeschlossenen Räumen vor, die mit entsprechenden Belüftungssystems ausges- tattet sind. Zugleich muss eine Gefährdung der Beschäftigten ausgeschlossen sein.

Demgegenüber sieht der Entwurf der Fraktionen der CDU und der FDP weitergehende Aus- nahmen vom Rauchverbot vor. So soll u.a. in vollständig abgetrennten Nebenräumen von Gaststätten und sog. ,,Ein-Raum-Gaststätten" mit weniger als 75 m2 Gastfläche, in denen nur einfache Speisen verabreicht werden, das Rauchen gestattet sein.

Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen muss der Schutz der Nichtraucher auch weiterhin vorrangiges Ziel des HessNRSG sein. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hinter- grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008, M.: 1 BvR 3262107, 1 BvR 402108 und 1 BvR 906108, die zwar die Nichtraucherschutzgesetze der Län- dern Berlin und Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt, gleichzeitig aber die Bedeu- tung des Schutzes der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren als überragend wichtiges Ge- meinschaftsgut hervorgehoben hat. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat bereits in ihren Stellungnahmen zum Entwurf des Nichtraucherschutzgesetzes im Jahr 2007 und auch zum Änderungsentwurf der Fraktion der FDP im Jahr 2008 darauf hingewiesen, dass ein abso- lutes Rauchverbot in allen öffentlich Gebäuden und öffentlich zugänglichen Gebäuden aus Sicht des Gesundheitsschutzes unabdingbar ist. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzesent-

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Schreiben der KV Hessen

Landesstelle Juristische Geschäftsführung

6. Januar 2010 Seite 2 von 4

wurf der Fraktion BÜNDNIS 9OIDie GRÜNEN, der weniger Ausnahmen von einem absoluten Rauchverbot zulässt und insbesondere in Gaststätten ein absolutes Rauchverbot vorsieht, vorzugswürdig. Nachfolgend nehmen wir zu den Änderungsentwürfen und den einzelnen Än- derungsvorschlägen Stellung.

I. Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 901DIE GRÜNEN

Durch Artikel 1 Nr. 1 lit. a) und C) werden weitere Einrichtungen aufgenommen, in denen das Rauchverbot gilt. Eine Ausweitung des Nichtraucherschutzes auf Einrichtungen des Maßregel- vollzugs, Diskotheken und Tanzlokalen sowie Spielcasinos ist sehr zu begrüßen.

Artikel 1 Nr. 2 des Entwurfs enthält Ergänzungen der Ausnahmeregelungen in § 2. Die Rege- lung orientiert sich am derzeit geltenden § 2 Abs. 1 HessNRSG, erstreckt die Ausnahmerege- lung auf die neu unter das Rauchverbot fallenden Einrichtungen des § 1 Nr. 12 und 13, Disko- theken und Spielcasinos, und nimmt Gaststätten gänzlich aus der Ausnahmeregelung aus. Die Herausnahme der Gaststätten aus der Ausnahmeregelung ist unter Berücksichtigung des Ur- teils des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig. Das Bundesverfassungsgericht sieht zwei Möglichkeiten des verfassungsgemäßen Nichtraucherschutzes. Entweder müsse dem Ge- sundheitsschutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens absoluter Vorrang gegeben werden, was einen Verzicht auf Ausnahmeregelungen zur Folge hätte. Andererseits seien aber auch Ausnahmeregelungen durchaus zulässig. Durch Ausnahmeregelungen und das in Folge der Ausnahmen weniger strenge Schutzkonzept trete aber der Nichtraucher- schutz zurück. Der Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN entscheidet sich für das absolute Rauchverbot und damit für einen strikten Nichtraucherschutz in Gaststätten.

Zweifel bestehen jedoch an der Aufnahme der Diskotheken und Tanzlokale in die Ausnahme- regelung. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass in einer Regelung, die Gaststät- ten die Einrichtung von Raucherräumen gestattet, Diskotheken in diese Ausnahme jedoch nicht einbezieht, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liegt. Der vorliegende Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 901DIE GRÜNEN enthält nunmehr eine entgegen gesetzte Regelung. In Diskotheken ist es möglich und zulässig, Raucherräume einzurichten, in Gaststätten jedoch nicht mehr. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Diskotheken als Gaststätten qualifi- ziert, die lediglich einer speziellen Betriebsart zuzurechnen sind. Eine sachliche Differenzie- rung, die eine unterschiedliche Behandlung von Gaststätten verschiedener Betriebsarten zu- lässt, hat das Bundesverfassungsgericht verneint. Es ist also zu überlegen, das vorgeschlage- ne absolute Rauchverbot ohne Ausnahmeregelung für Gaststätten auch auf Diskotheken zu übertragen.

5 2 Abs. 1 enthält ebenso wie die aktuelle Fassung eine Kennzeichnungspflicht der Raucher- räume. Weitergehend im Vergleich zur aktuellen Fassung ist die Voraussetzung, dass eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen durch geeignete Belüftungssysteme verhindert wer- den müsse. Das Nähere bleibt der Regelung in einer Rechtsverordnung überlassen. Der Aus- schluss der Gesundheitsgefährdung als Mehr zu der bisher vorgesehenen „Nichtbeeinträchti-

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gung" durch Rauch ist zu begrüßen. Das Gesetz dient dem Gesundheitsschutz der Nichtrau- cher, daher erscheint es legitim, nicht nur das Verhindern von Beeinträchtigungen, sondern von einer Gesundheitsgefährdung als Grenze für die Einrichtung von Raucherräumen zu defi- nieren.

II. Entwurf der Fraktionen der CDU und der FDP

Im Unterschied dazu liegt der Schwerpunkt des Entwurf der Fraktionen der CDU und der FDP darauf, eine verfassungsgemäße Ausnahmeregelungen für den Bereich der Gaststätten zu schaffen. Die Fraktionen der CDU und der FDP sehen die Notwendigkeit einer Änderung des HessNRSG aufgrund der festgestellten Benachteiligung kleinerer, getränkeorientierter Gast- stätten ohne abtrennbaren Nebenraum (sog. ,,Eckkneipenu).

Das Bundesverfassungsgericht hat in den Ausnahmeregelungen der Gesetze aus Baden- Württemberg und Berlin eine unverhältnismäßige Belastung der getränkegeprägten Kleingast- ronomie gesehen. Die beanstandeten Regelungen ähnelten der Regelung des HessNRSG, welche ebenfalls die Ausnahme in abgeschlossenen Räumen zuließ. Das Bundesverfas- sungsgericht hat festgestellt, dass bei der durchaus legitimen Wahl des reduzierten Nichtrau- cherschutzes als Schutzziel und der Einführung einer Ausnahmeregelung die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von sog. Eckkneipen nicht zurückstehen dürften. Aufgrund der räum- lich beengten Situation der Gaststätten der getränkegeprägten Kleingastronomie käme für die- se als verhältnismäßige Maßnahme nur die Freistellung vom Rauchverbot in Betracht. Dem Gaststättenbetreiber bleibe damit überlassen, ob er sein Lokal als Raucher- oder als Nichtrau- chergaststätte führen wolle. Das Bundesverfassungsgericht macht in seiner Entscheidung Vor- schläge, welche Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand zugunsten der Kleingastro- nomie festgesetzt werden könnten. Eine Abgrenzung könne neben dem Merkmal des haupt- sächlichen Getränkeausschanks auch über die Größe des Gastraums oder die Zahl der Sitz- plätze erfolgen.

Der Änderungsentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP sieht nunmehr entsprechenden Voraussetzungen vor. Gemäß § 2 Abs. 5 des Entwurfs kann das Rauchen gestattet werden in vollständig abgetrennten Nebenräumen sowie in Gaststätten mit lediglich einer Schankerlaub- nis und einer Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern ohne abgetrennten Nebenraum. In beiden Fällen besteht ein Zutrittverbot für Personen unter 18 Jahren. Der Entwurf greift die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Kriterien für eine verfassungsgemäße Ausnahme- regelung auf.

Darüber hinaus soll das Rauchen gestattet sein bei „geschlossenen Gesellschaften", soweit die Veranstaltung in einem abgeschlossenen Nebenraum stattfinden, in nur vorübergehend betriebenen Festzelten und in Spielbanken. Auch diese Ausnahmeregelungen sind unter Be- rücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konsequent. Vermissen lässt der Entwurf jedoch eine Ausweitung des Rauchverbots auf Diskotheken und Tanzlokale.

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III. Fazit

Beide Änderungsentwürfe setzen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestal- tung eines Rauchverbots zum Zwecke des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung um. Wäh- rend der Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN den Gesundheitsschutz in den Vor- dergrund stellt und auf Ausnahmeregelungen für Gaststätten verzichtet, haben die Fraktionen der CDU und der FDP den ebenfalls zulässigen Weg des relativierten Gesundheitsschutzes zugunsten einer Ausnahmeregelung gewählt. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen befür- wortet aus Gründen des Gesundheitsschutzes den Weg des strikten Rauchverbots. Wir wür- den daher dem Änderungsentwurf der Fraktion BÜNDNIS 901DIE GRÜNEN den Vorzug ge- ben. /7

M' reu d ' hen Grüßen U& tristischer Geschäftsführer

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