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© Fabienne Becker-Stoll 2015
Fotos: Jochen Fiebig, IFP, 2007 in Krippen der LHM
Fabienne Becker-Stoll
Staatsinstitut für Frühpädagogik
Auswirkungen der Entwicklung im
Kleinkindalter auf die späteren
Lebensphasen
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
In jeder Phase des Lebenslaufes gibt es kulturabhängige Aufgaben, mit
denen sich jeder Mensch auseinandersetzen muss.
• Das Konzept der Entwicklungsaufgaben umfasst die gesamte Lebensspanne
• jeder Entwicklungsstufe werden bestimmte prominente Aufgaben
zugeschrieben.
• Sensitive Perioden
• Innerhalb der Lebensspanne gibt es Zeiträume, die für bestimmte
Lernprozesse oder Entwicklungsaufgaben besonders geeignet sind.
• Die gelungene Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in einem
Lebensabschnitt
• schafft die Grundlage für günstigere Entwicklungsbedingungen in den
folgenden Lebensabschnitten.
Wie können wir Entwicklung über den Lebenslauf verstehen?
Mit dem Konzept der Entwicklungsaufgaben
(Sroufe, 1992)
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Entwicklungsaufgaben nach Altersstufen
Jugendalter
6-10 Jahre
3-6 Jahre
1-3 Jahre
6-12 Monate
0-6 Monate
Bindung Motorische Selbstkontrolle
Grundlegende Regulierung
Impulskontrolle
Beziehung zu Peers
Körperliche, Leistungs- und soziale
Kompetenz
Identität, enge
emotionale Bindungen
Entwicklungsmodell nach Sroufe (1989) und Spangler & Zimmermann (1999)
Sprache, Exploration
Autonomie
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Risiko- und Schutzfaktoren wirken auf die Entwicklung
und die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
Risikofaktoren
Schwieriges
Temperament
Fragile Gesundheit
Partnerschaftskonflikte
Beziehungsabbrüche
Vernachlässigung,
Bildungsarmut
Unsicheres Umfeld
Schlechter SES,
mangelhafte
Infrastruktur
Wirtschaftskrise
Arbeitslosigkeit etc.
Schutzfaktoren
Leichtes Temperament
Robuste Gesundheit
Intelligenz
Gute elterliche
Partnerschaft
Stabile und
Unterstützende
Beziehungen, Bildung
Gute Wohngegend
Bildungseinrichtungen
Teilhabechancen
Wohlstand
Vollbeschäftigung
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Augsburg
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Bindungsbeziehungen bieten Schutz
• In mehreren Längsschnittstudien erwies sich familiäre Unterstützung als ein wesentlicher Schutzfaktor für die weitere Entwicklung bis ins Erwachsenenalter
– und hier insbesondere das Vorhandensein zumindest einer stabilen Betreuungsperson in der frühen Kindheit
• auch und gerade für Kinder in mehrfach belasteten Lebenslagen
(Werner, 1989; Werner & Smith, 1992, 2001)
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Warum wirken Erfahrungen in den
ersten Lebensjahren so stark?
- Weil das Gehirn so unreif ist
• Besonders das Großhirn ist bei einem Neugeborenen noch sehr
unfertig.
• Neugeborene haben noch wenig Verbindungen zwischen den
Zellen des Gehirns.
• Diese Verbindungen entstehen erst durch die Erfahrungen mit der
Umwelt und sind verantwortlich für die emotionale und soziale
Intelligenz des Kindes.
Das kindliche Gehirn entwickelt sich
größtenteils nach der Geburt und kann
deshalb sowohl durch positive als auch
durch negative Eltern-Kind-Beziehungen
geformt werden.
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Entwicklung des Gehirns
Verdichtung der Neuronalen
Netzwerke im Gehirn des Kindes -
Gewicht des Gehirns bei Geburt
400g, mit zwei Jahren 1000g
Abbildung 1: Medianansicht des menschlichen Gehirns mit den wichtigsten
limbischen Zentren. Diese Zentren sind Orte der Entstehung von positiven (Nucleus
accumbens, ventrales tegmentales Areal), und negativen Gefühlen (Amygdala), der
Gedächtnisorganisation (Hippocampus), der Aufmerksamkeits- und
Bewusstseinssteuerung (basales Vorderhirn, Locus coeruleus, Thalamus) und der
vegetativen Funktionen (Hypothalamus). (Aus Roth, 2001, nach Spektrum/Scientific
American, 1994, verändert). (Braun, 2004)
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Entwicklung des Gehirns
Durch die feinfühlige Interaktion mit dem Kind trainiert die Mutter das Gehirn des Kindes.
Sie stimuliert im Gehirn des Kindes primäre und sekundäre Sinnes- und Bewegungszentren, das Limbische System, und Regionen im präfrontalen Cortex.
Die Stimulation dieser drei Hirnregionen führt zu neuen Vernetzungen.
Das gleichzeitige Aktivieren von verschiedenen Nervenzellen führt zu bleibenden Strukturveränderungen und damit zum Aufbau neuer Netzwerke.
(Braun, 2002)
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Verhalten sich die Eltern gegenüber den Bindungs- und
Explorationsbedürfnissen des Kindes von Geburt an
feinfühlig, so entwickelt das Kind eine sichere
Bindungsbeziehung zu ihnen.
Bindungssicherheit geht vor allem mit einer größeren
Kompetenz im Umgang mit emotionaler Belastung, d.h.
einer effektiveren Emotionsregulation einher und stellt
somit eine gute Voraussetzung dar, um Risikofaktoren
oder Belastungen erfolgreich zu bewältigen
(Zimmermann, 2002, Grossmann & Grossmann, 2012).
Bindungserfahrungen wirken sich aus
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
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Nach der Bindungstheorie baut sich ein Kind auf der Basis der
Fürsorgeerfahrungen bereits ab dem ersten Lebensjahr internale
Arbeitsmodelle von sich und den Bindungspersonen auf, die sein
Verhalten gegenüber den Bindungspersonen und später auch in
anderen emotional bedeutsamen Situationen steuern.
Zu diesen Beziehungserfahrungen gehören Trost, Ermutigung,
Unterstützung durch die Bezugsperson und Kooperation der
Bezugspersonen, wenn das Kind diese benötigt.
Dies fördert den Aufbau eines Arbeitsmodells von sich selbst als
liebenswert und die Entstehung von Arbeitsmodellen von anderen
Personen als prinzipiell hilfsbereit (Bowlby, 1973).
Bindungserfahrungen wirken sich aus
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
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Bindung und Emotionsregulation
Die Entwicklung der Inneren Arbeitsmodelle von Bindung erklärt
den Übergang von der externalen Emotionsregulation zur internen
Selbstregulation.
Bindungs-
erfahrungen
Internale
Arbeits-
modelle
Regulation
negativer
Emotionen
Qualität der
Bindungs-
beziehungen
Selbstwert
Selbstbild
Umgang mit
Belastungen
(Coping)
Bowlby, 1980; Sroufe, 1989; Grossmann & Grossmann, 1995; Zimmermann, 2000
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die
weitere Entwicklung des Kindes
• Bereits am Ende des ersten Lebensjahres zeichnen
sich sicher gebundene Kinder durch subtilere und
vielfältige Kommunikationsfähigkeiten aus (Ainsworth
& Bell, 1974, vgl. Grossmann & Grossmann, 1991).
• Im Alter von zwei Jahren sind diese Kinder in
Problemlösesituationen eher in der Lage, auf soziale
Ressourcen, z.B. die Unterstützung durch die Mutter,
zurückzugreifen (Matas, Arendt & Sroufe., 1978;
Schieche, 1996).
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
• Im Kindergarten wurde bei sicher gebundenen Kindern
weniger aggressives bzw. feindseliges Verhalten
gegenüber anderen Kindern und weniger emotionale
Isolation und Abhängigkeit von den Erzieherinnen
beobachtet.
• Sicher gebundene Kinder zeigten mehr Kompetenz im
Umgang mit anderen Kindern und eine positivere
Wahrnehmung von sozialen Konfliktsituationen und
waren sehr viel konzentrierter beim Spiel (Sroufe,
1983; Suess, Grossmann, & Sroufe, 1992).
Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die
weitere Entwicklung des Kindes
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
• Schon in der frühen Kindheit zeigen sich demnach
bei Kindern mit sicherer Elternbindung höhere
soziale Kompetenzen als bei Kindern mit unsicherer
Elternbindung.
• Sicher gebundene Kinder verfügen
• weiterhin in unterschiedlichen Altersstufen
• über eine höhere Ich-Flexibilität,
• sie können Gefühle und Impulse
• situationsangemessen regulieren.
Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die
weitere Entwicklung des Kindes
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Jugendalter
- mehr Ich-Flexibilität und ein positives Selbstkonzept,
- Aktivere Copingstrategien und gelungener Umgang mit Problemen
(Zimmermann & Becker-Stoll, 2001, 2002)
- gelungenen Balance von Autonomie und Verbundenheit in der
Beziehung zu den Eltern (Becker-Stoll, 1997, Grossmann &
Becker-Stoll, 2002)
Bessere Freundschaften zu Peers und positivere Erfahrungen in
ersten Partnerschaften (Zimmermann, 1999; Becker-Stoll, 2004)
Auswirkungen elterlicher Feinfühligkeit und
sicherer Bindung auf die weitere Entwicklung
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
(Grossmann & Grossmann, 2004))
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Erwachsenenalter
Transgenerationale Weitergabe der Organisation
von Bindung
von den Eltern auf ihr Kind
» mütterlicher Feinfühligkeit
» väterlicher Spielfeinfühligkeit
» Bindungsqualität des eigenen Kindes
» daraus resultierende
Bindungsrepräsentation im Jugendalter
Auswirkungen elterlicher Feinfühligkeit und sicherer
Bindung auf die weitere Entwicklung
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
(Grossmann Grossmann Waters 2006)
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In der Familie fangen Bildung und Erziehung an.
Erst später kommen Tagespflege, Krippe, Kindergarten
und Grundschule hinzu.
Aber auch dann bleibt die Familie der am längsten und
stärksten wirkende Bildungsort des Kindes.
Daher ist es wichtig Eltern möglichst von
Anfang an zu stärken,
damit sie wirkliche Bildungsexperten für
Ihre Kinder sein können!
Familie als erster und wichtigster Bildungsort
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
(Minsel, 2006)
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Das Erlernen der Sprache geht nicht ohne Eltern
0
200
400
600
800
12 14 16 18 20 22 24 26
Alter (in Monaten)
hoch
mittel
niedrig
J. Huttenlocher et al., 1991
Um
fan
g d
es
Wo
rtsch
atz
es
Sprachliches Anregungsniveau der
Mütter im Kontakt mit ihren Kleinkindern
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Sprachförderung von Anfang an
Kinder aus sozial - und bildungsbenachteiligten Familien
zeigen ein niedrigeres sprachliches Niveau.
Sie bekommen gerade im Bereich Literacy sehr wenig Anregung in der Familie und sind in ihrer Sprachentwicklung benachteiligt.
In Bildungseinrichtungen sollten diese Kinder besonders vielfältige sprachliche Anregungen im Bereich von Sprache und Literacy bekommen.
Dies gelingt aber nur in Kindertageseinrichtungen von sehr guter Qualität!
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
(Beckh et al. 2013)
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Frühe Intervention
lohnt sich
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
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Alter
Entwicklungspfade statt Prägung
pathologischer
Bereich
pathologischer
Bereich
Normbereich
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Augsburg
(Bowlby, 1991)
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PAT – Mit Eltern Lernen PAT - Parents as Teachers – Mit Eltern Lernen
ist ein internationales, evidenzbasiertes Hausbesuchsprogramm
zur Elternbildung und frühkindlichen Förderung.
Um möglichst optimale Bedingungen für eine gesunde
Entwicklung des Kindes zu schaffen, werden Eltern schon ab der
Schwangerschaft begleitet.
Auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung unterstützen PAT-
Elterntrainerinnen in regelmäßigen Kontakten die Familien bis
zum dritten Lebensjahr bei der Erziehung des Kindes.
Der Programmansatz ist präventiv und hat zum Ziel,
Vernachlässigung vorzubeugen und die Bildungschancen der
Kinder zu verbessern.
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Kindertages-
einrichtung
Krippe
Kindergarten oder
Altersmischung
Eltern-Baby-
Gruppe
Familien-
bildung z.B.
PAT
Erziehungs-
beratung
Kooperation
mit Schule
z.B.
Vorkurse
Hortgruppe
Familien-
Bildungs-
zentrum
Tages-
pflege
Frühförderung
Enge Abstimmung
mit Jugendamt,
Sozialdienst,
Kinderärzte usw.
Vernetzung mit
•bürgerlichem Engagement (Senioren)
•Vereinen (Musik, Sport)
•Nachhilfe usw.
•Fami
Ausbau von Kindertageseinrichtungen zu Kinder/Familien–Bildungs- Zentren
Ausrichtung an den lokalen (quartiersgebundenen) Anforderungen
Qualifikations
-angebote für
Eltern
Sprachkurse
Nähkurse
Kochkurse –
Oder
Ausbildungsmö
glichkeit z.B. im
Hauswirtschaft-
lichen Bereich
Kontakt-und
Teilhabe für Familien
z.B.
Eltern Café Kinder-
Kleiderbazar …
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg
© Fabienne Becker-Stoll 2015
Erziehungs- und Bildungspartnerschaft:
Es gilt also beides gleichzeitig zu fördern
– Elterliche Kompetenz möglichst schon während der Schwangerschaft
– Qualitativ hochstehende außerfamiliale Bildungs-, Erziehungs-, und Betreuungsangebote
– Angebotsstruktur Stadtteilnah vernetzen
Damit alle Kinder von Anfang an die für sie
besten Entwicklungsmöglichkeiten bekommen.
Reha-Wissenschaftliches Kolloquium am 18.03.2015 in
Augsburg