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Redaktion K. Werdan, Halle (Saale) Internist 2010 · 51:662–666 DOI 10.1007/s00108-009-2546-0 Online publiziert: 26. März 2010 © Springer-Verlag 2010 M. Vogel 1  · K. Strach 2  · K. Ehren 1  · R. Woitas 1  · J.-C. Wasmuth 1 1 Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn 2 Radiologische Klinik, Universitätsklinikum Bonn Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation Kasuistiken Patientenbericht Anamnese Eine 50 Jahre alte Patientin stellte sich im März 2008 – 2 Jahre nach zurücklie- gender Nierentransplantation – mit gerö- tetem und schmerzhaftem Knöchel links in unserer nephrologischen Ambulanz vor. Bereits einige Wochen zuvor war sie wegen derselben Probleme vorstellig und damals unter dem Verdacht auf ein Erysi- pel entsprechend behandelt worden. Ihre immunsuppressive Therapie bestand aus Sirolimus und Mycophenolatmofetil. Fie- ber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust wurden verneint. Als Begleiterkrankung bestand eine arterielle Hypertonie, auch war eine Penizillinallergie bekannt. Auf dem Boden familiärer Zystennie- ren war wegen fortschreitender Nieren- insuffizienz zwischen 1998 und 2006 ei- ne chronisch intermittierende Hämodia- lyse nötig geworden, bevor die Patientin 2006 einer allogenen Nierentransplanta- tion zugeführt werden konnte. Die initi- ale Immunsuppression bestand aus Cyclo- sporin A, Mycophenolatmofetil, Pred- nisolon und Basiliximab. Nach zunächst unauffälligem Verlauf kam es 3 Monate nach Transplantation zu einer akuten Ab- stoßung. Da sich in der Histologie zu- sätzlich eine tubulotoxische Komponen- te zeigte, wurde neben einem Predniso- lonstoß (maximale Dosis 500 mg/Tag) und einer Muronomab-CD3- (OKT-3-) Therapie eine Umstellung von Cyclospo- rin A auf Sirolimus durchgeführt. Trotz dieser Maßnahmen kam es einen Monat später nochmals zu einem Anstieg der Retentionsparameter mit erneuter Dia- gnose einer akuten Abstoßung, die einer erneuten Prednisolonstoßtherapie be- durfte. Ein Jahr vor der aktuellen Vorstel- lung war es unter noch laufender Pred- nisolontherapie (zum damaligen Zeit- punkt 10 mg/Tag) zur Diagnose einer Hüftkopfnekrose links gekommen, so- dass Prednisolon ausgeschlichen worden war und die Patientin die letzten 6 Monate eine steroidfreie immunsuppressive The- rapie eingenommen hatte. Zur Therapie der Hüftkopfnekrose war in der Folge ei- ne totalendoprothetische Versorgung der Hüfte notwendig geworden. Klinischer Befund Im Bereich des linken Unterschen- kels zeigte sich eine leichte Rötung, wel- che druckschmerzhaft war, jedoch nicht scharf begrenzt. Der Unterschenkel und das obere Sprunggelenk waren leicht ge- schwollen und druckschmerzhaft. Es be- standen keine offenen Hautstellen. Der sonstige körperliche Untersuchungsbe- fund war unauffällig. Initiale Diagnostik Im Ultraschall konnte eine tiefe Beinve- nenthrombose ausgeschlossen werden. Im Aufnahmelabor zeigte sich ein erhöhtes CRP von 28 mg/l (Norm bis 3), während Autoantikörper, Rheumafaktoren sowie ein Screening auf reaktive Arthritis un- auffällig blieben. Vorläufige Diagnose F Erysipel Primäre Therapie Zunächst wurde unter der Vorstellung eines unter Immunsuppression klinisch abgemilderten und nicht ausreichend be- handelten Erysipels eine erneute antibak- terielle Therapie eingeleitet. Aufgrund der bestehenden Penizillinallergie wurde zunächst nur mit Doxycyclin behandelt. Nach fehlender Besserung des klinischen Bildes wurde daraufhin die antibakterielle Therapie auf Vancomycin umgestellt. Weiterführende Diagnostik Bei fehlendem Therapieerfolg und nun neu auftretenden Sprunggelenkergüs- sen erfolgte zunächst ein konventio- nelles Röntgen beider Fußgelenke, ei- ne 3-Phasen-Knochenszintigraphie und eine Punktion des Gelenkergusses. Das konventionelle Röntgen war unauffällig. Die Knochenszintigraphie bestätigte den klinischen Verdacht einer Oligoarthritis mit Nachweis von entzündlichen Prozes- sen an beiden Sprunggelenken und Fuß- wurzelknochen. Die Punktion des Gelenk- ergusses ergab keinerlei Hinweis auf ei- ne infektiöse Genese oder eine Gicht. In der daraufhin durchgeführten Magnetre- sonanztomographie zeigten sich bilate- rale Knochennekrosen in der distalen Tibia und der Trochlea tali als zugrun- de liegende Ursache der Beschwerden (. Abb. 1). Definitive Diagnose F Beidseitige Osteonekrosen der Tibia und Trochlea tali mit begleitendem Gelenkerguss. 662 |  Der Internist 5 · 2010

Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation

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Page 1: Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation

RedaktionK. Werdan, Halle (Saale)

Internist 2010 · 51:662–666DOI 10.1007/s00108-009-2546-0Online publiziert: 26. März 2010© Springer-Verlag 2010

M. Vogel1 · K. Strach2 · K. Ehren1 · R. Woitas1 · J.-C. Wasmuth1

1 Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn2 Radiologische Klinik, Universitätsklinikum Bonn

Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation

Kasuistiken

Patientenbericht

Anamnese

Eine 50 Jahre alte Patientin stellte sich im März 2008 – 2 Jahre nach zurücklie­gender Nierentransplantation – mit gerö­tetem und schmerzhaftem Knöchel links in unserer nephrologischen Ambulanz vor. Bereits einige Wochen zuvor war sie wegen derselben Probleme vorstellig und damals unter dem Verdacht auf ein Erysi­pel entsprechend behandelt worden. Ihre immunsuppressive Therapie bestand aus Sirolimus und Mycophenolatmofetil. Fie­ber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust wurden verneint. Als Begleiterkrankung bestand eine arterielle Hypertonie, auch war eine Penizillinallergie bekannt.

Auf dem Boden familiärer Zystennie­ren war wegen fortschreitender Nieren­insuffizienz zwischen 1998 und 2006 ei­ne chronisch intermittierende Hämodia­lyse nötig geworden, bevor die Patientin 2006 einer allogenen Nierentransplanta­tion zugeführt werden konnte. Die initi­ale Immunsuppression bestand aus Cyclo­sporin A, Mycophenolatmofetil, Pred­nisolon und Basiliximab. Nach zunächst unauffälligem Verlauf kam es 3 Monate nach Transplantation zu einer akuten Ab­stoßung. Da sich in der Histologie zu­sätzlich eine tubulotoxische Komponen­te zeigte, wurde neben einem Predniso­lonstoß (maximale Dosis 500 mg/Tag) und einer Muronomab­CD3­ (OKT­3­) Therapie eine Umstellung von Cyclospo­rin A auf Sirolimus durchgeführt. Trotz dieser Maßnahmen kam es einen Monat später nochmals zu einem Anstieg der

Retentionsparameter mit erneuter Dia­gnose einer akuten Abstoßung, die einer erneuten Prednisolonstoßtherapie be­durfte. Ein Jahr vor der aktuellen Vorstel­lung war es unter noch laufender Pred­nisolontherapie (zum damaligen Zeit­punkt 10 mg/Tag) zur Diagnose einer Hüftkopfnekrose links gekommen, so­dass Prednisolon ausgeschlichen worden war und die Patientin die letzten 6 Monate eine steroidfreie immunsuppressive The­rapie eingenommen hatte. Zur Therapie der Hüftkopfnekrose war in der Folge ei­ne totalendoprothetische Versorgung der Hüfte notwendig geworden.

Klinischer Befund

Im Bereich des linken Unterschen­kels zeigte sich eine leichte Rötung, wel­che druckschmerzhaft war, jedoch nicht scharf begrenzt. Der Unterschenkel und das obere Sprunggelenk waren leicht ge­schwollen und druckschmerzhaft. Es be­standen keine offenen Hautstellen. Der sonstige körperliche Untersuchungsbe­fund war unauffällig.

Initiale Diagnostik

Im Ultraschall konnte eine tiefe Beinve­nenthrombose ausgeschlossen werden. Im Aufnahmelabor zeigte sich ein erhöhtes CRP von 28 mg/l (Norm bis 3), während Autoantikörper, Rheumafaktoren sowie ein Screening auf reaktive Arthritis un­auffällig blieben.

Vorläufige DiagnoseFErysipel

Primäre Therapie

Zunächst wurde unter der Vorstellung eines unter Immunsuppression klinisch abgemilderten und nicht ausreichend be­handelten Erysipels eine erneute antibak­terielle Therapie eingeleitet. Aufgrund der bestehenden Penizillinallergie wurde zunächst nur mit Doxycyclin behandelt. Nach fehlender Besserung des klinischen Bildes wurde daraufhin die antibakterielle Therapie auf Vancomycin umgestellt.

Weiterführende Diagnostik

Bei fehlendem Therapieerfolg und nun neu auftretenden Sprunggelenkergüs­sen erfolgte zunächst ein konventio­nelles Röntgen beider Fußgelenke, ei­ne 3­Phasen­Knochenszintigraphie und eine Punktion des Gelenkergusses. Das konventionelle Röntgen war unauffällig. Die Knochenszintigraphie bestätigte den klinischen Verdacht einer Oligoarthritis mit Nachweis von entzündlichen Prozes­sen an beiden Sprunggelenken und Fuß­wurzelknochen. Die Punktion des Gelenk­ergusses ergab keinerlei Hinweis auf ei­ne infektiöse Genese oder eine Gicht. In der daraufhin durchgeführten Magnetre­sonanztomographie zeigten sich bilate­rale Knochennekrosen in der distalen Tibia und der Trochlea tali als zugrun­de liegende Ursache der Beschwerden (.Abb. 1).

Definitive DiagnoseFBeidseitige Osteonekrosen der Tibia 

und Trochlea tali mit begleitendem Gelenkerguss.

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Therapie und weiterer Verlauf

Als sich in der Folge schließlich die Osteo­nekrose als zugrunde liegende Ursache des klinischen Bilds des Erysipel gezeigt hatte, wurde zunächst eine symptoma­tische Therapie mit nicht­steroidalen An­tiphlogistika eingeleitet. Nach vollständi­ger Rückbildung der Symptome wurde die Patientin anschließend orthopädisch zur Behandlung der Osteochondrosis disse­cans operativ versorgt.

Diskussion

Avaskuläre Knochennekrosen unter Immunsuppression

Die avaskuläre Knochennekrose un­ter Immunsuppression ist eine bekann­te und häufige Komplikation nach Or­gantransplantation oder nach Behandlung von Systemerkrankungen mit erforder­licher immunsuppressiver Therapie [1]. In den meisten Fällen sind Hüften, Knie oder Schultergelenke betroffen, dabei sind gehäuft mehrere Gelenke gleichzeitig in­volviert. Die meisten Fälle werden im Zu­sammenhang mit einer Hochdosiskorti­koidtherapie beobachtet. Mit der Einfüh­rung von Cyclosporin A und Tacrolimus wird insgesamt ein Rückgang in der Häu­figkeit avaskulärer Knochennekrosen be­obachtet, was auf eine Reduktion der not­wendigen Steroiddosen zurückgeführt wird [2]. Tierexperimentelle Daten unter­stützen dabei diese Beobachtung [3, ].

Sirolimus könnte aufgrund eines inhärent erhöhten Risikos für arterielle Gefäßver­schlüsse – wie z. B. berichtet als gehäuf­te Komplikation nach Lebertransplanta­tion – ein erhöhtes Risiko für avaskuläre Knochennekrosen bedingen. Allerdings waren dies nur Einzelfälle. Aufgrund des mittlerweile bekannten antiangiogene­tischen Effekts kommt Sirolimus (=Rapa­mycin) z. B. in der Versorgung von akuten Koronarsyndromen (rapamycinbeschich­tete Stents) zum Einsatz.

Sirolimusassoziierte avaskuläre Kno­chennekrosen sind bis auf Einzelfälle in der Literatur bislang nicht beschrieben [5]. In einer Analyse des US­amerika­nischen Nierenregisters (US Renal Data Systems) an 2.2 Patienten mit Nieren­transplantation ließ sich kein eigenständi­ges Risiko von Sirolimus auf das Auftreten einer avaskulären Knochennekrose nach­weisen [6]. Unter den Immunsuppres­siva, welche für die dauerhafte Immun­suppression verwendet wurden, das sind Cyclosporin A, Tacrolimus und Sirolimus, zeigte sich ein eigenständiges erhöhtes Ri­siko für das Auftreten einer avaskulären Knochennekrose lediglich für Cyclospo­rin A.

Unsere Patientin weist eine komplexe Vorgeschichte auf, mit zweimaliger Ab­stoßung und hohen Dosen von Kortison. Obwohl die Kortisontherapie Monate vor Auftreten der Symptome vollständig be­endet worden ist, so ist die vorangegan­gene Steroidtherapie doch die wahr­scheinlichste Ursache der avaskulären Knochennekrose.

Knochennekrosen nach Transplantation

Eine prospektive bildgebende Studie an 52 Patienten mit vorausgegangener Or­gantransplantation fand einen hohen An­teil asymptomatischer Hüftkopfnekrosen, welche lediglich durch den studienbe­dingten Einsatz einer Magnetresonanz­tomographie früh diagnostiziert wurden. Alle Patienten zeigten dabei frühe Sta­dien der Hüftkopfnekrose mit Diagnose innerhalb von 10 Monaten nach Trans­plantation [1]. In historischen Kohorten mit dem Kriterium der klinischen Mani­festation einer Osteonekrose ist hingegen ein deutlich späteres Auftreten von Osteo­nekrosen nach Transplantation beschrie­ben. In einer retrospektiven Auswertung an einem Gesamtkollektiv von 326 nieren­transplantierten Patienten [] fand sich in 15 Fällen eine avaskuläre Knochenne­krose, welche klinisch erst 3,5 Jahre nach Transplantation manifest wurde (Bereich: 0,5–13 Jahre).

Differenzialdiagnose „aseptische Knochennekrose“

Die in diesem Fall richtige Diagnose einer avaskulären Knochennekrose konnte nur verzögert gestellt werden.

ErysipelEntgegen der klassischen Präsentation mit hochroter Läsion und scharfem Rand, Fie­ber und starken Schmerzen, zeigte sich die Läsion bei unserer Patientin nicht scharf begrenzt, auch fehlte das Fieber. Eine Im­munsuppression nach Organtransplan­tation kann jedoch die klinische Präsen­tation von Infekten wie z. B. eines Strep­tokokkeninfekts bei Erysipel abmildern. Ein Erysipel sollte rasch, d. h. innerhalb von Tagen, auf eine gezielte Antibiotika­therapie mit Penizillin ansprechen. Auf­grund der Penizillinallergie behandelten wir zunächst mit Doxicyclin. Ein bakterio­statisches Antibiotikum wie Doxicy clin wirkt aber insbesondere unter Immun­suppression nicht so rasch wie bakteri­zide Antibiotika – Penizillin oder Vanco­mycin –, weshalb wir bei Penizillinallergie zunächst auf Vancomycin wechselten.

Abb. 1 8 Die koronare fettsupprimierte, T2- (a) und T1-gewichtete (b) Magnetresonanztomogra-phie zeigt bilaterale fokale Osteonekrosen der distalen Tibia (lange Pfeile) und in der Trochlea tali (kur-ze Pfeile). Begleitend finden sich ein mäßiger Erguss im talokruralen und subtalaren Gelenkspalt sowie ein begleitendes subkutanes Ödem der Sprunggelenk- und Unterschenkelregion

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Kasuistiken

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Mono- und PolyarthritisBei Gelenkschmerzen der Fußgelenke, initial einseitig, später beidseitig und mit einhergehendem Erguss, sind mehrere Krankheitsbilder auszuschließen. Insbe­sondere bei der Monoarthritis sollte an eine infektiöse Genese, wie z. B. eine Go­nokokkenarthritis gedacht werden. Wei­ter kommt eine klassische Gicht in Frage. Zur Differenzialdiagnose kann ein Ge­lenkpunktat hilfreich sein, da dieses bei infektiösen oder kristallinduzierten (z. B. Uratkristalle bei Gicht) Arthritiden di­agnostisch sein kann. Ebenfalls ist eine Knochenszintigraphie hilfreich, um das Befallsmuster zu objektivieren.

Um eine Systemerkrankung nicht zu übersehen, sollte ein Screening auf anti­nukleäre Antikörper, antineutrophile zy­toplasmatische Antikörper und Rheuma­faktoren erfolgen. Eine reaktive Arthri­tis bei chronisch entzündlicher Darmer­krankung oder eine Sarkoidose mit aku­ter Arthritis sind ebenfalls als Ursachen der Symptome zu diskutieren. Im vorlie­genden Fall zeigte sich keine der durchge­führten Untersuchungen als richtungwei­send für eine Diagnose aus dem rheuma­tischen Formenkreis oder aber eine infek­tiöse Arthritis.

Avaskuläre KnochennekroseKlinisch präsentiert sich die Knochenne­krose mit Schmerzen und – bei Nähe zu einem Gelenk – oft auch mit begleiten­dem Gelenkerguss. Eine Affektion des darüber gelegenen Weichteilgewebes, wie in unserem Fall eine Rötung der Haut, ist möglich. Die letztendlich richtige Dia­gnose der avaskulären Knochennekrose wurde jedoch zunächst nicht gestellt. Das vorangegangene Erysipel an gleicher Stel­le, die untypische Lokalisation der avas­kulären Knochennekrose und das Fehlen einer aktuell steroidhaltigen Immunsup­pression waren der Grund, diese Differen­zialdiagnose nicht sofort in Betracht zu ziehen. Dabei hätte uns die Hüftkopfne­krose in der Anamnese der Patientin sen­sibilisieren können, eine Knochennekro­se früher in Betracht zu ziehen. Das Feh­len einer aktuellen Kortisontherapie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine vorangegangene Steroidtherapie und ins­besondere hohe Bolusgaben, z. B. im Rah­men einer Abstoßungstherapie, die wich­

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2010 · 51:662–666 DOI 10.1007/s00108-009-2546-0© Springer-Verlag 2010

M. Vogel · K. Strach · K. Ehren · R. Woitas · J.-C. Wasmuth

Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation

ZusammenfassungAvaskuläre Knochennekrosen unter immun-suppressiver Therapie sind ein häufiges Pro-blem nach Organtransplantation. In den meisten Fällen sind Hüft-, Knie- oder Schul-tergelenke und mehr als ein Gelenk betrof-fen, in vielen Fällen findet sich eine vorange-gangene Hochdosiskortisontherapie. Im vor-liegenden Fall berichten wir über eine 50 Jah-re alte Patientin, welche 2 Jahre zuvor ein Nierentransplantat erhalten hatte und de-ren aktuelle Immunsuppression aus Sirolimus und Mycophenolatmofetil bestand. Nach ei-ner avaskulären Knochennekrose des Hüft-kopfes war eine begleitende Steroidtherapie abgesetzt worden. In der klinischen Untersu-chung zeigte sich ein geröteter und schmerz-hafter linker Knöchel. Das C-reaktive Prote-in war erhöht, Autoantikörper, Rheumafak-tor und ein Screening auf reaktive Arthritis hingegen unauffällig. Eine infektiöse Arthri-

tis oder Gicht konnten mittels Gelenkpunkti-on ausgeschlossen werden, in der konventi-onellen Röntgenaufnahme zeigten sich kei-ne Auffälligkeiten. Eine unter der Verdachts-diagnose eines Erysipels begonnene antibio-tische Therapie zeigte keinen Erfolg. Schließ-lich zeigte sich in der Magnetresonanztomo-graphie eine beidseitige Osteonekrose der distalen Tibia und des Talus als Ursache der Beschwerden. Bei Gelenk- oder Knochen-schmerzen nach Organtransplantation sollte daher unabhängig von der aktuellen Einnah-me von Steroiden immer auch eine avasku-läre Knochennekrose in Betracht gezogen werden.

SchlüsselwörterAvaskuläre Knochennekrose · Immunsup-pression · Transplantation · Erysipel

Avascular necrosis of the bone after organ transplantation

AbstractAvascular bone necrosis under immunosup-pressive therapy is a well known sequel fol-lowing solid organ transplantation. Most cases affect hip, knees or shoulders in more than one location and occur in connection with the use of high-dose steroids. In this 50 year old female immunosuppressive therapy consisted of sirolimus and mycophe-nolate mofetil after a renal transplantation 2 years ago. Steroids had been complete-ly withdrawn after avascular necrosis of the femoral head. Physical examination revealed a reddened and painful left ankle. C-reactive protein was elevated while autoimmune an-tibodies, rheumatoid factor and screening for reactive arthritis remained negative. Joint flu-

id examination ruled out infection or gout. Plain radiographs were normal. Under the presumptive diagnosis of erysipelas antibio-tic therapy was started, however, without success. Magnetic resonance imaging final-ly revealed bilateral tibial and tarsal bone ne-crosis as the underlying cause. In conclusion, avascular bone necrosis should remain an important differential diagnosis in patients with bone or joint pain and a history of organ transplantation, regardless of the present use of steroid therapy.

KeywordsAvascular bone necrosis · Transplantation · Immunosuppressive therapy · Erysipelas

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Page 5: Avaskuläre Knochennekrose nach Organtransplantation

tigsten Risikofaktoren für eine kortisonin­duzierte Knochennekrose sind.

Fazit für die Praxis

Aseptische Knochennekrosen unter im-munsuppressiver Therapie sind ein häu-figes Problem und werden in etwa 4% al-ler Patienten im ersten halben Jahr nach Nierentransplantation beobachtet [8]. Die Pathogenese dieses Phänomens ist bislang unzureichend untersucht. Eine vorangegangene Hochdosissteroidthe-rapie stellt nach wie vor den größten Ri-sikofaktor für das Auftreten avaskulärer Knochennekrosen dar. Dabei kann die klinische Symptomatik einer Knochen-nekrose deutlich später auftreten, als sie bildgebend festgestellt werden kann. Daher sollte bei Gelenk- oder Knochen-schmerzen unabhängig von der aktu-ellen Einnahme von Steroiden bei zu-rückliegender Organtransplantation im-mer auch die Möglichkeit einer avasku-lären Knochennekrose unter Immunsup-pression in Betracht gezogen werden.

KorrespondenzadressePD Dr. J.-C. WasmuthMedizinische Klinik und Poliklinik I, Universitäts-klinikum BonnSigmund-Freud-Straße 25, 53105 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Marston SB, Gillingham K, Bailey RF, Cheng EY (2002) Osteonecrosis of the femoral head after solid organ transplantation: a prospective study. J Bone Joint Surg Am 84: 2145–2151

2. Heaf JG (2003) Bone disease after renal transplantati-on. Transplantation 75: 315–325

3. Miyanishi K, Yamamoto T, Irisa T et al. (2006) Effects of cyclosporin A on the development of osteonecrosis in rabbits. Acta Orthop 77: 813–819

4. Miyanishi K, Yamamoto T, Irisa T et al. (2008) Effects of tacrolimus (FK506) on the development of oste-onecrosis in a rabbit model. Immunopharmacol Im-munotoxicol 30: 79–90

5. Bhandari S, Eris J (2001) Drug points: Premature oste-onecrosis and sirolimus treatment in renal transplan-tation. BMJ 323: 665

6. Abbott KC, Koff J, Bohen EM et al. (2005) Maintenance immunosuppression use and the associated risk of avascular necrosis after kidney transplantation in the United States. Transplantation 79: 330–336

7. Hedri H, Cherif M, Zouaghi K et al. (2007) Avascular osteonecrosis after renal transplantation. Transplant Proc 39: 1036–1038

8. Lopez-Ben R, Mikuls TR, Moore DS et al. (2004) Inci-dence of hip osteonecrosis among renal transplantati-on recipients: a prospective study. Clin Radiol 59: 431–438