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„Wie kleine Kanonenkugeln sehen die aus“, denkt Emmi bei sich,
als sie die kleinen, schwarzen Kügelchen aus ihrer Portion Sauer-
kraut sortiert.
„Immer sind diese blöden Kugeln da drin!“, zetert Emmi. „Warum
machst du die immer ins Sauerkraut?“
„Die Wacholderbeeren?“, fragt Oma. „Die macht man immer in den
Sauerkohl, weil’s gut tut und besser schmeckt.“ Emmi hatte mal auf
so eine Kugel gebissen und das hat überhaupt nicht geschmeckt.
Ganz bitter war das! Essen wird sie diese Kugeln bestimmt nicht,
ist Emmi überzeugt. Stattdessen sammelt sie die Kügelchen am
Tellerrand, wickelt sie heimlich in ihr Taschentuch und stopft dieses
in ihre Hosentasche.
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“They look like little cannon balls,” Emmi thinks to herself as she
sorts out the little black balls from her serving of sauerkraut.
“These stupid little balls are always in this!“ rants Emmi. “Why do
you always put them in the sauerkraut?”
“The juniper berries?“ asks grandma. “You always put them in the
sauerkraut, because it’s good for you and tastes better.” Emmi had
once bitten on such a ball and that didn’t taste nice at all. It was all
very bitter! She’ll certainly not eat these balls, Emmi is convinced of
this. Instead, she collects the little balls on the edge of her plate,
wraps them secretly into her handkerchief and stuffs that into her
pants pocket.
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„Tja“, lacht Opa. „Dabei sind das gar keine Beeren, sondern kleine
Zapfen. Und Wacholder ist … mystisch“, raunt er. Jetzt wird Emmi
neugierig. Das war eigentlich von vorn herein klar, denn Emmi Cox
ist gewissermaßen eine Gewürzdetektivin. Gewürze sind auf den
ersten Blick nichts Besonderes, oft sind sie zunächst mal eklig.
Aber auf den zweiten Blick sind sie echt spannend. So manches
Gewürzgeheimnis hat Emmi schon gelüftet.
Nach dem Mittagessen will Emmi diese kleinen Kanonenkugeln
näher untersuchen und holt ihr Taschenmesser, das ihr Papa zum
Geburtstag geschenkt hatte. Die Forscherin versucht, die Kügelchen
oder Zapfen, wie Opa sagt, aufzuschneiden, um zu sehen, wie sie
von innen ausschauen. In diesem Moment steckt Opa den Kopf
durch die Küchentür und fragt: „Was machst du, Kind?“
„Ich will diese Sauerkrautzapfen untersuchen“, antwortet Emmi.
„Sind das wirklich Zapfen, Opa?“, will Emmi wissen.
„Aber ja!“, bestätigt der Großvater. „Komm mit raus in den Garten,
ich zeig dir was.“ Opa und Emmi ziehen sich Pullover über und
gehen in den Garten. Als sie vor einem baumgroßen Busch stehen,
sagt Opa: „Da hast du noch mehr zum Forschen: Das ist ein Wachol-
derstrauch. Siehst du hier – das sind die Zapfen, einige sind noch
grün, andere dunkelblau, die sind schon fast reif.“ Emmi staunt.
Immer mehr Rätsel tun sich auf. Emmi hatte diesem Busch im
Garten von Oma und Opa nie Beachtung geschenkt. Jetzt wirkt er
richtig geheimnisvoll.
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„Oh well,“ laughs grandpa. “And for all that, they’re not even berries,
they’re little cones. And juniper is … mystic,” he whispers. Now Emmi
is getting curious. Actually, that was quite clear from the beginning
because Emmi Cox is, as it were, a spice detective. At first glance,
spices are nothing special, often they are just yucky in the beginning.
But, at second glance they are really exciting. Emmi has already
uncovered quite some spice secrets.
After lunch, Emmi wants to investigate the little cannon balls more
closely and fetches her pocketknife, which dad had given her for her
birthday. The researcher tries to cut open the little balls, or cones
as grandpa says, to see what they look like on the inside. Just at
that moment grandpa pokes his head through the kitchen door and
asks: “What are you doing, child?”
“I want to investigate these sauerkraut cones,” answers Emmi. “Are
these really cones, grandpa?” Emmi wants to know.
“But yes, of course!” confirms the grandfather. “Come on outside to
the garden, I’ll show you something.” Grandpa and Emmi pull on
sweaters and go into the garden. As they stand in front of a tree-sized
bush, grandpa says: “Here’s more that you can research: this is a
juniper shrub. See here – these are the cones, some are still green,
others dark blue, these are almost ripe.” Emmi marvels. More and
more puzzles are turning up. Emmi had never paid attention to this
shrub in grandma and grandpa’s garden. Now it appears really
mysterious.
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„Und das sind wirklich Zapfen, Opa, keine Beeren?“, möchte sich
die Detektivin noch ein weiteres Mal vergewissern.
Opa nickt und pflückt eines der grünen Kügelchen ab.
„Wenn du ganz genau hinschaust, kannst du die Zapfenform erken-
nen“, demonstriert Opa, nimmt den kleinen grünen Ball zwischen
Daumen und Zeigefinger und hält ihn dicht vor Emmis Augen.
Der Großvater breitet eine Wolldecke am Wacholderstrauch aus.
„Setz Dich, Kind“, lädt er seine Enkelin ein. „Machen wir es uns ge-
mütlich und sehen mal, ob wir eine Wacholderdrossel entdecken.“
„Wacholderdrossel?“, zweifelt Emmi. Die hat Opa doch bestimmt
eben nur erfunden. „Opa! Jetzt schwindelst du mir aber was vor!
Wacholderdrosseln gibt’s ja wohl gar nicht in echt!“ Opa lächelt
und beginnt zu erzählen …
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”And these are really cones, grandpa, and not berries?” the detective
wants to reassure herself a second time.
Grandpa nods and picks off one of the little green balls.
“If you look really closely, you can identify the cone shape,” demon-
strates grandpa, takes the small green ball between thumb and
forefinger and holds it right in front of Emmi’s eyes.
The grandfather spreads a woollen blanket in front of the juniper
shrub. “Do sit down, child,” he invites his granddaughter. “Let’s make
ourselves comfortable and take a look whether we can discover a
fieldfare (a bird of the thrush family).” “Fieldfare?“ doubts Emmi.
Grandpa probably only invented this just now. “Grandpa! You’re
having me on! Fieldfares don’t really exist, do they!” Grandpa smiles
and starts to tell a story …
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Bald hat Emmi das Gefühl, dass da noch jemand in diesem Wald
umherstreift. Es knackt hier, es knistert dort …
„Ob das Opa ist?“, denkt Emmi gerade noch bei sich, da stolpert
sie über einen Korb. Emmi fällt der Länge nach ins Laub.
„Grüß dich Gott!“, wird die Detektivin von einer freundlichen Stim-
me angesprochen. „Wer bist denn du? Ich habe dich hier noch nie
gesehen“, fragt ein Mädchen, zu dem die freundliche Stimme und
wohl auch der Korb gehört.
„E-E-Emmi. I-I-Ich heiße Emmi. Emmi C-C-Cox“, stottert Emmi verun-
sichert, denn die etwa 15-jährige Fremde ist eigentümlich gekleidet.
„Herzlich willkommen, Emmi Cox! Mein Name ist Isandruth“, erwidert
sie, die ihr Haar zu einem komplizierten Zopf gebunden hat. „Was
machst du hier im Wald? Sammelst du auch Kräuter und Beeren?“
„Ich möchte vor allem gern alles über Wacholder wissen. Bis jetzt
weiß ich nur, dass Oma die Beeren immer ins Sauerkraut gibt, und die
Beeren eigentlich Zapfen sind, sagt Opa jedenfalls“,
platzt Emmi nun schon mutiger heraus und
muss wieder husten.
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Soon, Emmi gets the feeling that there is someone else wandering
around this forest, it cracks here and it rustles there …
”I wonder if that’s grandpa?“ Emmi thinks to herself just as she trips
over a basket. Emmi sprawls lengthwise into the leaves.
„Greetings to you!“ the detective is addressed by a friendly voice.
“Who on earth are you? I have never seen you here,” asks a girl who
obviously owns the friendly voice as well as the basket.
“E-E-Emmi. M-m-y name is Emmi. Emmi C-C-Cox,” stutters Emmi be-
wildered because the stranger, who looks like she’s about 15-years
old, is dressed oddly.
“Welcome, Emmi Cox! My name is Isandruth,” she, who has bound
her hair to a complicated plait, replies. “What are you doing here in
the forest? Are you also collecting herbs and berries?“
“Most of all, I would like to know everything about juniper. Up to now
I only know that grandma always adds the berries to the sauerkraut
and that the berries are really cones, at least grandpa says
so,” Emmi now blurts out in a braver fashion and
has to cough again.
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„Hast du dich erkältet?“, erkundigt sich Isandruth. „Du hustest ja
andauernd“, bemerkt sie.
„Ich weiß nicht“, haucht Emmi. „Könnte sein. Im Herbst bin ich
immer erkältet. Halsweh habe ich auch ein bisschen“, gibt sie zu.
„Dann komm mit mir, Emmi Cox. Ich bereite dir einen guten Tee. Der
hilft gegen den Husten und ’s Halsweh. Wirst sehen!“, entscheidet
die Kräutersammlerin, die mit der einen Hand nach dem Korb, mit
der anderen nach Emmis Hand greift, um ihr hoch zu helfen.
Emmi folgt dem kundigen Mädchen durch das Waldstück bis zu
einem Garten und einem uralten Fachwerkhaus, das fast so aus-
sieht wie das von Oma und Opa. Ein ums andere Mal beschleicht
Emmi das Gefühl, dass sie diese Gegend hier kennt. Sogar ein paar
Wacholderbüsche stehen hier nicht weit vom Haus. Ein paar? Ganz
schön viele … und riesengroße!
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“Have you caught a cold?” enquires Isandruth. “You are coughing
all the time,” she comments.
“I don’t know,” breathes Emmi. “Could be. In autumn I always have
a cold. I’ve also got a bit of a sore throat,” she admits.
“Then come with me, Emmi Cox. I’ll prepare a good tea for you. This
will help against the cough and sore throat. You’ll see!“ decides the
herb gatherer, who grabs her basket with the one hand and with the
other Emmi’s hand, to help her up.
Emmi follows the knowledgeable girl through the forest area all the
way to a garden and an ancient half-timbered house which almost
looks like the one grandpa and grandma have. Time and again
Emmi gets the feeling that she knows this area here. Even a few
juniper shrubs stand quite close to the house. A few? Quite a lot ….
and huge ones!
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Isandruth öffnet die hübsche Holztüre, die nur mit einem Riegel
verschlossen ist, und bittet Emmi ins Haus. Es ist recht kühl hier
drinnen, gar nicht warm und gemütlich, wie Emmi erwartet hatte.
„Warte einen Augenblick, ich stelle nur den Korb in die Kräuterkam-
mer und hole Wasser für den Tee“, sagt die Sammlerin und begibt
sich mit einer großen Kanne wieder in den Garten. Rasch ist sie zu-
rück und gießt das Wasser, welches sie von einem Brunnen geholt
hat, in einen großen Topf, der über einer Feuerstelle hängt. Hier ist
schon Feuerholz zu einer kleinen Pyramide gestapelt und Isandruth
entfacht das Feuer flink mithilfe einer Kerze.
„Wo ist denn bitte die Toilette?“, erkundigt sich Emmi etwas verlegen.
„Die …? Ach, du meinst den Abort“, lächelt Isandruth, als sie Em-
mis Haltung deutet und versteht, was Emmi meint. Denn das Wort
„Toilette“ kennt Isandruth nicht. „Draußen links vor der Hecke, gleich
am Misthaufen“, beschreibt Isandruth der Detektivin den Weg.
„Misthaufen?! Na toll!“, denkt Emmi und schüttelt sich, als sie das
Plumpsklo erblickt. „Andererseits ist das mit dem Misthaufen gar
keine schlechte Idee“, grinst Emmi in sich hinein. „So weiß man
nicht, was eigentlich mehr stinkt: das Klo oder der Misthaufen.“
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Isandruth opens the pretty wooden door, which is only closed with
a latch and invites Emmi to come into the house. It’s quite cool in-
side the house, not warm and comfortable as Emmi had expected.
“Wait a moment, I’ll just put the basket in the herb chamber and will
get water for the tea,” says the collector and returns to the garden
with a large jug. She’s back quickly and pours the water, which
she has collected from a well, into a large pot which hangs above
a fireplace. Here, firewood has already been stacked into a small
pyramid and Isandruth kindles the fire with the help of a candle.
“Please, where is the toilet?“ enquires Emmi a little embarrassed.
“The …? Oh, you mean the privy“, smiles Isandruth, as she inter-
prets Emmi‘s posture and understands what Emmi means. Because
Isandruth doesn’t know the word “toilet.“ “Outside, to the left of the
hedge, right next to the dunghill,” describes Isandruth the way to
the detective.
“Dunghill?! Wow, fantastic!” thinks Emmi and shakes herself when
she sights the privy. “On the other hand the thing with the dunghill
is not such a bad idea,” grins Emmi to herself. “This way, you don’t
know what stinks more: the loo or the dunghill.”
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Kaum hat Isandruth die Brote zum Backen abgegeben, bemerkt Emmi
Rauch in einem der alten Häuser und rennt zum Backhaus zurück.
„Isandruth, Isandruth! Schau mal – da drüben – da brennt’s!“,
keucht Emmi. „Wir müssen löschen helfen und die Feuerwehr rufen!“
„Feuerwehr? Was soll das sein?“, fragt Isandruth und zieht den
leeren Leiterwagen unbeirrt in Richtung Markplatz.
„Aber … nun sieh‘ doch mal hin! Du kannst doch nicht ignorieren,
dass es dort brennt!“, bleibt Emmi hartnäckig.
„Das Haus brennt nicht. Es wird ausgeräuchert“, lautet Isandruths
kurzer Kommentar.
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Isandruth has hardly given away the breads to be baked when
Emmi notices smoke in one of the old houses and runs back to the
bake house.
“Isandruth, Isandruth! Look – over there – there’s a fire!” pants
Emmi. “We have to help extinguish the fire and call the fire brigade!“
“Fire brigade? What’s that supposed to be?” asks Isandruth and
pulls the empty cart unwaveringly in the direction of the market place.
“But … take a look at it! You can’t just ignore that there’s a fire over
there!” Emmi remains stubborn.
“That house isn’t burning. It’s being fumigated,” is Isandruth’s brief
comment.
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„Ausgeräuchert? Wieso denn? Und wie …?“, begleitet Emmi ihre
neue Freundin mit Fragen.
„Die Pest. Die Menschen, die in diesem Haus wohnten, sind an
der Pest gestorben. Jetzt wird das Haus ausgeräuchert, damit die
Krankheit daraus verschwindet und die bösen Geister gleich mit“,
erläutert Isandruth und bleibt gleichgültig.
Während Isandruth Verschiedenes auf dem Markt kauft, beobachtet
Emmi weiter das Haus, aus dessen Fenstern so viel Rauch quillt.
Unbewusst nähert sie sich dem Haus, denn irgendwie duftet dieser
Rauch sehr gut. Das fällt einfach auf, denn sonst riecht das Mittel-
alter ja nicht so gut, denkt die Detektivin.
„Bleib weg! Emmi! Bleib weg von dem Haus!“, warnt Isandruth und
zerrt Emmi am Ärmel. „Komm jetzt, wir holen die Brote ab!“
„Ist ja gut“, lenkt Emmi ein. „Aber du erzählst mir von der Pest und
dem Rauch und so“, verlangt sie.
„Iiih, ganz schön eklig, diese Pest-Geschichte!“, schüttelt sich Emmi,
nachdem ihr Isandruth auf dem Rückweg von dieser ansteckenden
Krankheit und den Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Seuche
erzählt hat. Vor allem das von den Ratten überall war besonders
schauerlich. „Diese Biester waren richtige Pest-Verbreiter!“, schimpft
Emmi. „Und man nimmt echt Wacholderholz zum Feuermachen
und Ausräuchern?“, fragt sie nochmals nach, als beide wieder an
Isandruths Häuschen ankommen. Soweit Emmi weiß, steht Wachol-
der unter Naturschutz. Nur die Beeren darf man sammeln.
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“Fumigated? But why? And how …?” accompanies Emmi her new
friend with questions.
“The plague. The people who lived in these houses died of the plague.
The house is now being fumigated so that the illness disappears
from inside it and the bad spirits as well,” explained Isandruth and
remains indifferent.
While Isandruth buys various items at the market, Emmi continues
to watch the house where so much smoke is billowing out the win-
dows. Subconsciously she approaches the house because somehow
this smoke smells very nice. That is quite striking really, because
otherwise the Middle Ages don’t really smell all that good, thinks
the detective.
„Stay away! Emmi! Stay away from the house!“ warns Isandruth
and pulls Emmi by the sleeve. “Come now, we’ll pick up the loaves!”
“Okay, okay,” Emmi gives in. “But you have to tell me about the
plague and the smoke and so on,” she demands.
“Ewww, yuck, quite disgusting this plague story!” Emmi shakes her-
self after Isandruth had told her about this infectious disease and
the measures to combat this epidemic on the way back. Especially
the bit about the rats all over the place was particularly gruesome.
“These beasts were real plague spreaders!“ scolds Emmi. “And
you really use juniper wood to make fire and fumigate?“ she asks
again, as both arrive at Isandruth’s little house again. As far as
Emmi knows, juniper is a protected plant. You’re only allowed to
gather the berries.
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„Ein wahres Forscherparadies, diese kleine Hexenküche hier“, denkt
Emmi im Stillen, als es in diesem Augenblick plötzlich pocht.
„Aufmachen! Du kleine Hexe, mach auf!“, dröhnt es an der Holztüre,
die Isandruth zum Glück mit einem Riegel verschlossen hatte, ehe
sie sich in die Kräuterkammer begaben.
Hektisch zerrt Isandruth Strohballen und Möbel vor die Tür.
„Bist du 'ne Hexe?“, flüstert Emmi ihrer kräuterkundigen Freundin zu.
„Halt den Mund jetzt, Emmi Cox! Damit ist nicht zu spaßen!“, knurrt
Isandruth die ahnungslose Emmi an. „Wir müssen sehen, wie wir
unbemerkt hinauskommen“, überlegt Isandruth. „Sonst droht uns
der Scheiterhaufen!“
„Was? Hast du gerade Scheiterhaufen gesagt? Wir werden ver-
brannt?!“, haucht Emmi heiser und mit weit aufgerissenen Augen.
„Bei lebendigem Leibe. Ganz recht. Ich habe eigentlich immer damit
gerechnet, dass irgendwann jemand behauptet, ich sei eine Hexe“,
wispert Isandruth, die sich müht, eine kleine Klappe zu öffnen, die
hinter einem Schränkchen versteckt ist.
„Aber warum?“, fragt Emmi, die sich
zuerst durch die enge Öffnung zwän-
gen soll.
„Du bist echt gutgläubig, Kleine!“,
höhnt Isandruth, „Wenn meine Arz-
nei mal nicht gewirkt und auch beten
nicht mehr geholfen hat, stirbt der
Erkrankte eben doch. Dann kann mir
die Familie eines verstorbenen Men-
schen vor Wut und Schmerz schnell
vorwerfen, die Arzneien seien Teufels-
zeug und ich sei eine Hexe“, hechelt
Isandruth, die Emmi nun folgt und
fieberhaft den Weg nach draußen
sucht.
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“A true researcher‘s paradise, this little witch’s kitchen here,“ thinks
Emmi in silence, as a sudden knock can be heard at this moment.
“Open up! You little witch, open up!” it thunders at the wooden door,
which Isandruth fortunately closed with a bolt before they entered
the herb chamber.
Hectically, Isandruth pulls bales of straw and furniture in front of
the door.
“Are you a witch?” whispers Emmi to her herbalist friend.
“Hold your tongue now, Emmi Cox! This is nothing to joke about!”
gnarls Isandruth to the clueless Emmi. “We have to see how we can
get out of here unnoticed,” ponders Isandruth. “Otherwise we’ll face
the threat of being burned at the stake!”
“What? Did you just say stake? We’ll be burned?!” breathes Emmi
hoarsely and with eyes opened wide.
“Yes, burned alive. Quite right. I’ve actually always taken into con-
sideration that at some stage someone will claim that I am a witch,”
whispers Isandruth, who is trying hard to open a little flap which
is hidden behind a small cupboard.
“But why?” asks Emmi, who is sup-
posed to squeeze through the narrow
opening first.
“You’re really very trusting, little one!”
sneers Isandruth, “If my remedy did
not work at some stage and praying
didn’t help either, the sick person dies
no matter what. Then the family of a
deceased person, in their anger and
grief, can quickly claim that the medi-
cines are devil’s stuff and accuse me
of being a witch,” pants Isandruth,
who is now following Emmi and is
madly trying to find the way out.
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Nachdem die beiden Flüchtenden geduckt durch den Gemüsegar-
ten hinter dem Haus geschlichen sind und den kleinen Hühnerstall
erreicht haben, rennen sie über die Wiese bis in den Wald – so pa-
nisch, als sei der Teufel hinter ihnen her. Emmi stolpert ein paarmal,
steht flugs wieder auf, blickt hinter sich und rennt weiter. Sie rennt
und rennt, bis sie Seitenstiche bekommt. Hinter der riesigen Wurzel
eines umgestürzten Baumes bleibt Emmi stehen und ist völlig außer
Puste. Es scheint, als haben sie die bedrohlichen Dorfbewohner ab-
schütteln können. Genau sehen kann man es nicht – sanfte Nebel
ziehen wieder auf. Oder ist es Rauch? Vom Haus sind nur noch die
Umrisse zu erkennen, so diesig ist es.
After the two fleeing females have slunk their way through the
vegetable garden behind the house in a crouching position, and
have reached the small chicken coop, they run across the meadow
and all the way into the forest – in such panic as if the devil were
after them. Emmi stumbles a few times, gets up again quickly, looks
behind her and keeps running. She runs and runs until she gets the
stitches. Emmi comes to a stop behind the huge roots of a fallen tree
and is totally out of breath. It seems as if they were able to shake
off the threatening village inhabitants. One can’t see it properly –
gentle fogs are wafting up again. Or is it smoke? Only the outlines
of the house can be seen, it’s that misty.
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73
WACHOLDERDer Name Wacholder stammt aus
dem Mittelhochdeutschen und be-
deutet „Wachhalter“ und im übertra-
genen Sinne „lebensfrisch“. Andere
alte deutsche Bezeichnungen lauten
auch „Wechelder“ oder „Wecholter“,
„Reckholder“ oder „Quickholder“.
Aus dem Süddeutschen kommen
Begriffe wie „Machandel“, „Karwen-
del“, „Krammetsbaum“ und „Kra-
newitt“.
Bei Wacholder denkt man wohl
meist zuerst an die schwarzen Kü-
gelchen im Sauerkraut. Und da sie
nicht besonders gut schmecken,
wenn man drauf beißt, ist das The-
ma Wacholder schnell durch. Dabei
ist Wacholder ein ziemlich cooles
Gewächs!
JUNIPERThe German name for Juniper, Wa-
cholder, comes from the Middle
High German and means “keep-
ing awake“ and in the figurative
sense also “freshly alive”. Other old
German names are “Wechelder”
or “Wecholter”, “Reckholder” or
“Quickholder”. The Southern Ger-
man dialect has names such as
“Machandel”, “Karwendel”, “Kram-
metsbaum” and “Kranewitt”, none of
which can be translated into English.
When we think of juniper, our first
thought is most likely about the little
black balls in sauerkraut. And as
they don’t taste particularly nice if
you bite on them, the subject of ju-
niper is quickly ended. Yet, juniper
is a pretty awesome plant!
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Zunächst ist Wacholder (lateinisch: Juniperus communis) einfach ein Nadel-
gehölz, genauer gesagt ein Zypressengewächs, und damit eine immergrüne
Pflanze. Die kleinen nadelförmigen Blätter pieken mit ihren Spitzen – das
tut ganz schön weh, wenn man einen Zweig falsch anfasst. Dadurch schützt
sich der Wacholder davor, von Wildtieren, also Rehen und Hirschen zum
Beispiel, angeknabbert zu werden. Es gibt sowohl Wacholderbüsche, die
bis ungefähr drei Meter hoch wachsen, als auch säulenförmige Wacholder-
bäume, die eine Größe von bis zu zehn Metern erreichen können. Wacholder
kommt vor allem auf der Nordhalbkugel unserer Erde vor. Er wächst in
kargen und eher sandigen Gegenden, wo andere Bäume wegen Nährstoff-
mangels oder Trockenheit nicht oder nur mühsam gedeihen. Wacholder ist
also nicht besonders anspruchsvoll, braucht aber viel Licht zum Wachsen.
First of all, juniper (Latin name: Juniperus communis) is simply a conifer,
more precisely a cypress species, and so an evergreen plant. The small
needle-shaped leaves prick with their tips – this really hurts if you touch a
branch the wrong way. This is how the juniper protects itself against being
nibbled by game animals such as deer and stags. There are juniper bushes
which grow to a height of about three meters and also column-shaped
juniper trees which can reach a height of up to ten meters. Juniper is mainly
spread around the Northern hemisphere of our earth. It grows in spares
and rather sandy areas where other trees cannot prosper, or if, only with
difficulty because of a lack of nutrients or drought. Juniper is therefore
not very demanding but it needs
a lot of light to grow.
Photos: © Solveig Ariane Prusko
Das piekt!It pricks!
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Photo: © Corinna Gissemann / fotolia.com
Wacholder dient als Gewürz in vielen
Kohlgerichten, vor allem Sauerkraut,
aber auch bei der Zubereitung von
Wildgerichten (Reh, Hirsch, Wild-
schwein usw.) sowie Fischgerich-
ten, insbesondere Fischsuppen.
Man gibt ihn nicht nur wegen des
Geschmacks dazu, sondern vor al-
lem, weil bestimmte Gerichte dann
besser verdaut werden können. Die
Kügelchen entfalten ihre Wirkung
gleich beim Kochen über die ganze
Mahlzeit, und man bekommt später
keinen Blähbauch vom Essen. Wa-
cholder wirkt darüber hinaus auch
harntreibend, das heißt Nieren und
Blase produzieren mehr Urin und
man muss öfter Pipi machen.
Aus reifen Beeren bzw. Zapfen lässt
sich durch Wasserdampfdestillation
ätherisches Öl gewinnen, welches
eine heilende Wirkung hat. Mit sol-
chem Öl werden Salben hergestellt,
die zum einen gegen Gelenk-Krank-
heiten (z. B. Rheuma), zum anderen
gegen Hautausschlag und bei der
Desinfektion von Wunden helfen.
Wacholderöl wird auch in der Kos-
metik, für Badeöle und Duschgels
verwendet.
Juniper serves as spice in many
cabbage dishes, in particular sau-
erkraut, but also when preparing
dishes of wild game (venison, wild
boar, etc.) as well as fish dishes,
in particular fish soups. One adds
it not only because of the taste but
mainly because certain dishes can
then be digested better. The beads
develop their effect for the whole
meal directly while cooking and you
do not get a bloated tummy from
eating. Juniper also has a diuretic
effect, which means that kidneys
and bladder produce more urine
and you have to wee more often.
From the ripe berries, resp. cones,
you can gain an essential oil by
steam distillation and this has a
healing effect. This type of oil is
used to produce ointments which
help, on the one hand, against joint
diseases (e.g. rheumatism) and on
the other hand against skin rashes
and the disinfection of wounds. Juni-
per oil is also used in
cosmetics, bath oils
and shower gels.
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Photos: © Solveig Ariane Prusko, Darya Prokapalo / fotolia.com
Verwendung - GeholzBeim Bau von Fachwerkhäusern wurden Wacholdernadeln unter die Dielen
im Erdgeschoss gestreut. Dies sollte einen guten Schutz vor Mäusen und
Ratten bieten und wird daher heute noch als Brauch beibehalten, wenn
man zum Beispiel alte Fachwerkhäuser restauriert.
Früher nutzten die Menschen Wacholder oft als Brennholz. Heute darf
Wacholderholz nicht mehr geschlagen werden. Sollte jedoch mal ein
loser Ast auf dem Boden liegen, darf man das Holz mitnehmen und sich
einen – gut duftenden – Spazierstock, einen dekorativen Löffel oder eine
Mottenkugel daraus schnitzen.
Use - WoodWhen building half-timbered houses, juniper needles were scattered
underneath the floor boards on the ground floor. This was supposed to
provide good protection against mice and rats and is therefore kept as
an old custom today when restoring old half-timbered houses.
In earlier days, people often used juniper as firewood. Today it is no longer
allowed to fell juniper wood. If, however, a loose branch lies on the ground,
you are allowed to take the wood with you and carve a – nicely smelling –
walking stick, a decorative spoon or a mothball from it.
Interesting! A piece of juniper wood hung in your wardrobe is supposed to protect your clothes against
moth infestation. Beautiful juniper wood pieces are still sold to-day on artisan markets.
Interessant!
Ein Stuck Wacholderholz
in den Kleiderschrank
gehangt soll die Kleidung
vor Mottenbefall schut-
zen. Hubsche Wacholder-
holzstucke werden heute
noch auf Kunsthandwer-
kermarkten verkauft.
Wacholderholz Juniper wood
89
Photo: © LiliGraphie / fotolia.comQuellen: Interview /Führung mit Bettina Brockmann, www.kraeuter-verzeichnis.de, www.kraeuterabc.de, www.gartendatenbank.de; www.satureia.deSources: Interview /Guided Tour with Bettina Brockmann, www.kraeuter-verzeichnis.de, www.kraeuterabc.de, www.gartendatenbank.de; www.satureia.de
Nach einer anderen Legende aus Süddeutschland zwitscherte ein
kleiner Vogel während eines schlimmen Pestausbruchs: „Esst Kra-
newitt und Bibernell, dann sterbt ihr net so schnell!“ Bei diesem Vo-
gel handelt es sich vermutlich um eine Wacholderdrossel. Und wahr-
scheinlich diente auch eine Wacholderdrossel dem Verfasser des
Märchens „Machandelboom“ als Vorbild. In diesem – allerdings
echt total gruseligen – Märchen spielt ein Vogel eine der Hauptrollen. Er
soll mit dem Nebel aus einem Wacholderbusch aufgestiegen sein und die
Seele eines Kindes mitgenommen haben. Aber das sind zum Glück alles
nur Märchen, wenn auch eins gruseliger scheint als das andere.
According to another legend from Southern Germany, a small bird chirped
during a serious break-out of the plague: “Eat juniper and burnet, then
you won’t die yet!” This bird was most likely a fieldfare. And most likely,
a fieldfare also served the author of the fairy tale “Machandelboom” (The
Juniper Tree) as model. In this – admittedly really gruesome – fairytale,
a bird plays one of the lead roles. He is supposed to have risen with the
fog from a juniper bush and taken the soul of a child with him. But, thank
goodness, all of these things are only fairy tales, even if one seems to be
more gruesome than the other.
Interessant! Im Mittelalter entstanden viele Marchen mit dem Zweck der Abschreckung, und zwar fur Erwachsene, nicht fur Kinder! Kein Wunder also, wenn einem so manches Marchen grausam vorkommt.
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Interesting!In the Middle Ages many fairy tales originated with the purpose of scaring people, and this means adults and not children! Not surprising then when we think that the one or other fairy tale seems to be cruel.
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DIE WACHOLDERDROSSELDie Wacholderdrossel (lateinisch:
Turdus pilaris) gehört, wie der Name
schon sagt, zur Familie der Drosseln
und ist ein Zugvogel, der jedoch eher
Kurzstrecken zurücklegt. Einst war
die Drosselart nur in Skandinavien
(Norwegen, Schweden, Finnland),
im Baltikum (Estland, Lettland,
Litauen), im Norden Russlands und
Sibirien beheimatet. Gegen Ende
des 19. Jahrhunderts breitete sich
ihr Lebensraum nach Westen und
Süden aus. So ist die Wacholder-
drossel inzwischen auch in Däne-
mark, Deutschland und Polen hei-
misch geworden. Sie lebt vor allem
in moorigen Gebieten, aber auch in
lichten Wäldern in der Nähe von Fel-
dern und weitläufigen Parkanlagen.
THE FIELDFAREThe fieldfare (Latin: Turdus pila-
ris and literal translation from
the German = juniper thrush) is a
member of the thrush family and
a migratory bird which, however,
travels in short ranges. Long ago,
this species of thrush was native
only in Scandinavia (Norway,
Sweden, Finland), in the Baltic
States (Estonia, Latvia, Lithuania),
in Northern Russia and Siberia. To-
wards the end of the 19th century,
its habitat expanded to the West
and South. This is why the field-
fare has now also become native
to Denmark, Germany and Poland.
It mainly lives in swampy areas
but also in sparse forests close
to field and extensive park areas.
Photo: © Dennis Jacobsen / fotolia.com 99
Während der Nahrungssuche bleibt
der Schwarm zusammen und alle
passen aufeinander auf. Nähert
sich ein Feind, schwirrt der ganze
Schwarm ab und verzieht sich in die
Baumkronen. Kommt dann ein Feind
zu nahe, wisst ihr ja schon, was dem
droht …
Eigentlich ist die Wacholderdrossel
ein Singvogel. Aber ihre Laute hö-
ren sich nicht wie ein schöner Ge-
sang an! Sie klingen eher gepresst
zwitschernd. Im Flug oder wenn die
Drosseln gestört werden, geben sie
schrille Rufe von sich, die wie ein
„giii – giii“ klingen. Manchmal sind
auch krächzende Töne wie ein raues
„schack – schack – schack“ darunter.
While looking for food, the flock
stays together and each one looks
after the other. If an enemy ap-
proaches, the whole flock flies off
and retires to the treetops. If an en-
emy gets too close in that case, you
already know what will happen …
The fieldfare is actually a song bird.
But its calls are not really a nice
song! They sound more like pressed
chirping. When flying, or when they
are disturbed they let out shrill
calls which we hear as a „gii – gii“.
Sometimes they also include croak-
ing noises like a raucous „shuck –
shuck – shuck“.
Photo: © Ingo Bartussek / fotolia.com
Tipp:Wer Wacholderdrosseln im
Garten beobachten mochte,
sollte im Winter etwas Obst
fur die Vogel liegen lassen!
Tip: Anyone who wants to observe
fieldfares in the garden, should
leave some fruit for the birds
in the winter!
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Seit dem Mittelalter wurden Wacholderdrosseln wie auch andere Sing-
vögel, zum Beispiel Lerchen, als Delikatesse geschätzt. Das Fleisch von
Wacholderdrosseln galt als besonders aromatisch. Nach einem Rezept
aus einem alten Kochbuch rupfte man die Drosseln, rieb sie mit Salz und
zerstoßenen Wacholderbeeren ein, ehe man sie in einer Pfanne in Butter
briet. Dann servierte man das Geflügel auf gerösteten Weißbrotscheiben
zusammen mit gerösteten Maronen (Esskastanien) oder mit Sauerkraut,
welches natürlich auch mit Wacholderbeeren gekocht wurde.
Auf ihrem Zug nach Mitteleuropa wurden die Wacholderdrosseln mit
sogenannten „Dohnen“ gefangen, das sind Fang-Geräte, die in Wald-
schneisen gehängt wurden. Da aber auch viele andere Vögel in diese
Fallen gerieten und starben, wurde die Drosseljagd mit diesen Dohnen
1908 durch das deutsche Reichsvogelschutzgesetz verboten. Schon 1876
erließ übrigens König Albert von Sachsen ein Verbot für die Lerchenjagd.
Since the Middle Ages, fieldfares, as well as other song birds, for exam-
ple, larks, were appreciated as delicacies. The meat of the fieldfare was
considered to be especially aromatic. According to one recipe from an old
cookbook you plucked the thrushes, rubbed them with salt and crushed
juniper berries before frying them in a pan in butter. Then one served the
poultry on roasted white bread slices, together with roasted chestnuts or
with sauerkraut, which was, of course, also cooked with juniper berries.
During their migration to Central Europe, the fieldfares were caught with
so-called “Springes” which are traps or snares and were
hung in the forest aisles. However, as many other
birds also fell into these traps and died, thrush
hunting with these springes was forbidden in
1908 with the German Reich Bird Protection Law.
It was back in 1876 when King Albert of Saxony
issued a prohibition on hunting larks.
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Photos: Photo: © Solveig Ariane Prusko, © Image / fotolia.com
Die Zeit des Mittelalters reicht vom Jahr 500 bis etwa 1500 nach Christus
und gilt in Europa als die Zeit der Ritter, Burgen und Fachwerkhäuser,
der Kirchen und Kathedralen. In Deutschland und Frankreich kann man
heute noch viele sehr gut erhaltene Bauten und hübsche Fachwerkstädte
besichtigen. Das zu Frankreich gehörende Elsass bietet mit Strasbourg,
Colmar und vielen kleinen Städtchen eine wundervolle Mittelalter-Kulisse!
Zu den schönsten mittelalterlichen Fachwerk-Orten in Deutschland zählen
Celle, Fritzlar, Monschau und Miltenberg, Rothenburg ob der Tauber und
Tübingen mit der Burg Hohenzollern. Tolle Burgen sind auch die Burg Eltz
bei Wierschem, die Marksburg bei Koblenz, die Veste Coburg, die Festung
Königstein im Elbsandsteingebirge und Burg Greifenstein im Gießener
Land. Es gibt natürlich noch viele, viele mehr!
The period of the Middle Ages lasted from 500 to approximately 1500 AD
and is the time of the knights, castles and half-timbered houses, of church-
es and cathedrals in Europe. In Germany and France one can still visit
many well-preserved buildings and pretty half-timbered cities today.
Alsace, which belongs to France, offers a wonderful Middle Ages backdrop
with its cities of Strasbourg, Colmar and many other small towns! Among
the most beautiful half-timbered towns of the Middle Ages in Germany are
Celle, Fritzlar, Monschau and Miltenberg, Rothenburg ob der Tauber and
Tübingen with its Hohenzollern Castle. Other fantastic castles are Eltz
Castle near Wierschem, the Marksburg near Koblenz, the Veste Coburg
(a fortress), Königstein Fortress
in the Elbsandsteingebirge (Elbe
Sandstone Mountains) and Grei-
fenstein Castle in the region of
the Gießener Land. There are
many, many more, of course!
Burg Hohenzollern
Hohenzollern Castle
108108
Try it out! There are countless small churches and magnificent cathedrals which you really should take a look at! This can become very exciting when you make yourself aware of all that happened there. History comes alive! Just give it a go - and take a look at one of these old churches through different eyes! To do this, you don’t have to be Protestant or Catholic, just peaceful!
Photo: © Solveig Ariane Prusko
Ausprobieren!
Es gibt unzahlige kleine
Kirchen und prachtige Kathe-
dralen, die du dir unbedingt
anschauen solltest! Das kann
namlich ganz schon spannend
werden, wenn du dir bewusst
machst, was sich da alles ab-
gespielt hat. Geschichte wird
lebendig! Probier’s aus - und
schau dir so eine alte Kirche
mal mit anderen Augen an!
Dafur musst du ubrigens nicht
evangelisch oder katholisch
sein, nur friedlich!
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Der einstige Mönch Martin Luther heiratete 1525 die ehemalige Nonne Ka-
tharina von Bora. Sie hatten sechs Kinder. Die Familie lebte in Wittenberg
im heutigen Lutherhaus. 1546 starb der Reformator unerwartet in Eisleben,
als er dort unterwegs war, vermutlich an einem Herzinfarkt.
Übrigens war Martin Luther ein Feinschmecker seiner Zeit. Bei Familie Luther
gab es oft Schweinefleisch, aber auch Fisch und verschiedene Vögel zu
essen. Luthers Leibgericht soll gebratener Salzhering mit Erbsenmus und
Honigsenf gewesen sein. Was hat man denn in deutschen Landen sonst noch
so gegessen im 15. und 16. Jahrhundert? Vieles, das wir heute noch kennen,
aber auch so einiges, das wir uns heute nicht wirklich als leckere Speise vor-
stellen können. Die Speisepläne dieses Zeitalters richteten sich nach den an-
fangs erwähnten Ständen, nach der Jahreszeit sowie dem Kirchenkalender.
Das heißt, bei den Bischöfen standen andere Gerichte auf dem Tisch als
bei den Bauern, im Winter gab es etwas anderes zu essen als im Sommer,
und Verschiedenes war zu Fastenzeiten verboten, z. B. Fleischspeisen.
The former monk Martin Luther married the former nun Katharina von
Bora in 1525. They had six children. The family lived in Wittenberg – in the
today’s Luther House. In 1546, the reformer died unexpectedly in Eisleben
while he was bound there, assumedly because of a heart attack.
By the way, Martin Luther also was a gourmet in his time. The Luther
family often ate pork but also fish and various birds. Luther’s favour-
ite dish was supposed to have been fried salted herring with mushy
peas and honey mustard. What else did one eat in German regions
in the 15th and 16th century? A lot which we still know today but also
some things which today we cannot really think of as a delicious dish.
The menus of that era went conform with the classes mentioned in
the beginning, the time of the year, as well as the Church calendar.
This means that the Bishops had different dishes on their tables than the
peasants, in the winter there was something else available to eat than in
the summer and various things were forbidden during the fasting periods,
f. e. meat dishes.
118
In schlechten Erntejahren mussten
Bürger und Bauern dennoch ihre
Abgaben an die Kirche leisten. Das
führte nicht selten zu Armut und Hun-
ger in diesem Stand, während sich
die Kirchenoberhäupter und die Adli-
gen die Bäuche vollschlugen. Harte
Arbeit und schlimme Hungergefühle
ließen im Mittelalter die Fantasie
vom Schlaraffenland entstehen. Ein
Schlaraffe ist eigentlich ein Faulen-
zer. Die Armen stellten sich ein Land
vor, in dem es alles im Überfluss
gibt, wo man faul umherschlendern
und sich an leckersten Dingen be-
dienen kann, ohne dafür schwer
arbeiten zu müssen. Während bei
den Armen jeweils ein Gericht eine
Mahlzeit bildete, wurden bei den
Reichen mehrere Gänge serviert.
In years of poor harvests, citizens
and peasants nonetheless had to
pay their taxes to the Church. Not sel-
dom, this led to poverty and hunger
for this class, while the heads of
Church and the nobility filled their
stomachs. Hard work and nasty
hunger pangs allowed the fantasy
of the land of plenty (Schlaraffen-
land) to evolve during the Middle
Ages. A Schlaraffe is actually a lazy
person or layabout. The poor ima-
gined a country where everything
was available in abundance, where
one could wander around lazily
and help oneself to the most de-
licious things, without having to
work hard for all of this. While one
dish makes a meal for the poor, the
rich were served several courses.
Interessant!
Das "Land, wo Milch und Honig
fließen" wird schon in der
Bibel (2. Mose 3,8) erwahnt
und umschreibt das Land
Kanaan. Denk mal druber
nach, was dieser Begriff
mit dem "Schlaraffenland"
zu tun haben konnte ...
Interesting!The "land of milk and ho-ney" is already mentioned in the Bible (2. Moses 3,8) and describes the area of Canaan. Think about, what this term may have to do with the"land of plenty" ...
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Beim Thema „Speisekammer“ sind wir auch schon beim Thema „Ratten“.
Die waren im Mittelalter nämlich eine wahrhafte Plage. Nicht nur, dass
sie einem die Vorräte wegfraßen, sie übertrugen auch Krankheiten wie
die Weltmeister. Bestimmt kennt jeder die Sage vom „Rattenfänger von
Hameln“. Eine damals weit verbreitete und üble Krankheit war die Pest.
Unglaublich viele Menschen starben an der durch Rattenflöhe übertragenen
Seuche. Krankheiten verbreiteten sich vor allem deshalb so schnell, weil
es weder Müllbeseitigung noch Kanalisation gab. Mit der Hygiene hatten
es die Menschen zu dieser Zeit auch nicht so, das heißt, sie wuschen
sich kaum. Badezimmer gab es nicht. Den Grund für die Pest suchte man
damals jedoch nicht in der mangelnden Hygiene, sondern vielmehr bei
Hexen und Dämonen. Böser Zauber war – so glaubte man – die Ursache
für die schlimmen Seuchen.
As we’re on the subject of “pantry” we’re also on the subject of “rats”.
These were a real plague in the Middle Ages. Not only that they ate up
the supplies, they also transmitted diseases like world champions. Surely
everyone knows the legend of the “Pied Piper of Hamelin”. A widespread
and nasty disease of the time was the plague. An unbelievable number
of people died from this epidemic transmitted by the rat fleas. Diseases
spread so rapidly, mainly because there was neither garbage collection
nor sewer system. In those days, people also did not take hygiene very
seriously, meaning that they barely washed
themselves. Bathrooms did not exist. How-
ever, in those days one did not look for
the reasons for the plague in the lack of
hygiene, but rather in witches and demons.
Evil magic was – one believed – the cause
for the terrible epidemics.
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Rattenfänger von HamelnPied Piper of Hamelin
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Sogenannte Hexen wurden für
alles Schreckliche verantwortlich
gemacht, nicht nur für Krankheiten
und Seuchen, selbst für Unwetter!
Allein der Verdacht reichte aus, um
eine Frau als Hexe anzuklagen und
so lange zu foltern, bis sie gestand,
wirklich eine Hexe zu sein. Erst gegen
Ende des 18. Jahrhunderts wurden
die Menschen durch wissenschaft-
liche Erkenntnisse schlauer und
der Aberglaube rund um die Hexen
schwand.
So-called witches were made re-
sponsible for everything terrible,
not just illnesses and epidemics,
but even for bad weather! Suspicion
itself was sufficient to accuse a
woman as a witch and torture her
until she confessed to really being a
witch. It wasn’t until the end of the
18th century that people became
wiser through scientific findings and
the superstition surrounding witches
dwindled.
Photo: © Solveig Ariane Prusko 127