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AZ 8021 Zürich Der Zürcher Zeitung 201. Jahrgang 22 7/01 Dienstag, 30. September 1980 Nr. 227 idfuf Mxärn Minna Briefadres» von Redaktion, Verlag und Druckerei: Postfach. CH-8021 Zürich, Telefon (01)238 II II, Telex 52 IS7 Auslandvcrtrieb: Postfach MO, CH-8021 Zürich Annoncenabteilung: Postfach 2IS, CH-8021 Zürich, Telex 34675 Abonnententsprcise auf Seite und schweizerisches Handelsblatt 80 Rp. bFr. 23.- Dr. 30.- S 12.- dKr. 4.- £ 0.40 Eac 35.- DM 1.20 Lil. 700.- sKr. 3.50 fFr. 3.50 hfl. 1.50 Pu. 70.- Die Ermittlungen über den Münchner Terroranschlag Strauss attackiert Innenminister Baum Düstere Wolken über der deutschen Innenpolitik R. M. Bonn, 29. September Der blutige Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest, bei dem 12 Personen getötet und Ober 200 teils schwer verletzt wor- den sind, überschattet zu Beginn der letzten Wahlkampfwoche die deutsche Innenpolitik. Während die letzten Informationen seitens der Ermittlungsbehörde eher darauf hinzudeuten scheinen, dass es sich bei dem mörderischen Verbrechen möglicherweise um die Tat eines Einzelnen aus dem neonazistischen Dunstkreis gehandelt haben könnte, ist der offenkundig wahlkämpferisch motivierte Parteienstreit um die politische Schuldzuweisung an dem trauri- gen Ereignis weiter vertieft worden. Verdacht gegen die «Wehrsportgruppe lloffmann» Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, sind die sechs in Zusam- menhang mit dem Attentat vorläufig festgenom- menen Personen am Montag alle wieder freige- lassen worden. Zu den Freigelassenen gehört auch der Chef der im Januar wegen neonazisti- scher Umtriebe verbotenen «Wehrsportgruppe Hoffmann», Karl-Heinz Hoffmann. Nach An- gaben der Bundesanwaltschaft haben die Er- mittlungen gegen die vorübergehend verhafte- ten Personen keinen dringenden Verdacht auf Beteiligung am Münchner Sprengstoffanschlag ergeben. Eine sechste Person, deren Identität nicht bekanntgegeben wurde, befindet sich wei- terhin in Haft. Die Vermutung, dass der rechtsradikale Ak- tivist Hoffmann, der mit vornehmlich jugendli- chen Anhängern einen diffusen Führerkult im Nazi-Stil betreibt, möglicherweise nicht direkt in den Münchner Terroranschlag verwickelt ist, war schon bei seiner problemlosen Verhaftung in seinem Schloss bei Nürnberg aufgetaucht, von der er offenbar völlig überrascht war. Wäre Hoffmann an dem Verbrechen beteiligt gewe- sen, so hätte er sich wahrscheinlich nicht so leicht dem Zugriff der Polizei ausgesetzt. Die überraschend schnelle Freilassung von Hoff- mann und vier anderen Verhafteten spricht für die Möglichkeit, dass das Attentat allein von lern 21jährigen Geologiestudenten Gundolf Köhler, der bei der Bombenexplosion selber ums Leben kam, inszeniert worden ist. Dass Köhler der Bombenleger war, gilt bei den Er- mittlungsbehörden als weitgehend gesichert. In- zwischen ist von offizieller Seite aber auch ein- deutig bestätigt worden, dass Köhler aktive Ver- bindungen zur «Wehrsportgruppe Hoffmann» .hatte. Selbst wenn er die grauenvolle Tat auf Tagesinformation Heftige Angriffe von Strauss auf die Regierung Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Strauss, wirft der Bun- desregierung vor, durch ihre nachsichtige Terrorismusbe- kämpfung am Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest mitschuldig zu sein. Regierungskreise bezeichneten diesen Vorwurf angesichts der 12 Todesopfer als «unwürdig». Seite Mit gedrosselten Motoren Das ETH-Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert für 1981 einen leichten Rückgang des Bruttoinlandprodukts, sieht jedoch keinen Grund für eine Dramatisierung der Lage- Seite 13 Bundesrat für sozialmedizinische Indikation Der Bundesrat befasste sich an seiner Montagsitzung erneut mit dem Schwangerschaftsabbruch; er sprach sich Tür eine einheitliche Lösung aus, die u. a. die sozialmedizinische Indi- kation enthalt. Seite 29 Zürcher Ombudsmann in Bedrängnis Der Zürcher Kantonsrat hat die Erweiterung der Kanzlei des aberlasteten kantonalen Ombudsmannes um eine n juristi- schen Sekretär abgelehnt. Seiten 45 und 46 dem Münchner Oktoberfest allein geplant und ausgeführt haben sollte, so bestätigt dieser Zu- sammenhang dennoch, dass das blutige Gesche - hen in den geistigen Hintergrund des Rechtsex- tremismus, der in letzter Zeit durch vermehrte Gewaltumtriebe von sich reden machte, einzu- ordnen ist. Politische Schuldzuteilung durch Strauss Was den bereits am Sonntag heftig in Gang gekommenen Parteienstreit um die politische Verantwortung für diesen Terroranschlag be- trifft, so hat der bayrische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der Union, Strauss, seine massiven Vorwürfe gegen Innenminister Baum in einem Interview mit einer Boulevardzeitung wiederholt und teilweise noch verschärft. Strauss behauptet, die Sicherheitsdienste in der Bundesrepublik seien «systematisch gelähmt, demoralisiert und zerschlagen» worden und da- für trage Baum die Schuld. Das nütze links- und rechtsterroristischen Verbrechern. Wenn die Bundesregierung sich durch ihre Sprecher jetzt für den Innenminister einsetze, dann bedeute das weiter, dass sich Kanzler Schmidt mi t dem «Skandal Baum» identifiziere. Auf die Frage, ob der Rechtsradikalismus bisher nicht ernst ge- nug genommen worden sei, antwortet Strauss, in Bayern sei alles Erforderliche getan worden, aber auf Bundesebene gebe es zahlreiche Ver- säumnisse. Bundeskanzler Schmidt weist in der gleichen Boulevardzeitung die Vorwürfe von Strauss als töricht und bösartig zurück. Er macht geltend, dass es Innenminister Baum gewesen sei, der zu Beginn des Jahres das Verbot der «Wehrsport- gruppe Hoffmann» verfügt habe, während im bayrischen Innenministerium ein derartiger Schritt lange Zeit als unnötig beurteilt worden sei. Ohne Namen zu nennen, lässt Schmidt da- bei deutlich den Vorwurf anklingen, dass man an gewissen verantwortlichen Stellen den Rechtsextremismus fälschlicherweise als blosse «Schattengefahr» beurteilt habe. Aufruf Genschers zur Pietät Der FDP- Vorsitzende Genscher hat am Mon- tag, nachdem er die Angriffe von Strauss gegen den Innenminister entschieden kritisiert hatte, an alle Parteien appelliert, die jetzige Form der politischen Auseinandersetzung um den Münchner Terroranschlag sofort einzustellen. Es sei unwürdig, wenn jetzt versucht werde, aus dem schrecklichen Geschehen wahlpolitisches Kapital zu schlagen. Alle demokratischen Par- teien sollten sich vor dem Hintergrund dieses Geschehens vielmehr zu gemeinsamer Bcsin- Beginn des Parteitags in Blackpool Labour vor der Zerreissprobe Linke Postulate des Vorstandes Von unserem Korrespondenten R. B. London. 29. September Mit einer Wirtschaftsdebatte, über die im Wirtschaftsteil dieser Ausgabe berichtet wird, ist am Montag in Blackpool der 79. Parteitag, der britischen Labourpartei eröffnet worden. Übli- cherweise findet die Wirtschaftsdebatte erst am dritten Tag der Jahresversammlung statt, aber sie wurde diesmal vorverschoben, damit die Zerrissenheit der Partei nicht schon am Anfang zum Ausdruck kam. Durch die einheitlich vehe- menten Angriffe auf die Wirtschaftspolitik Frau Thatchers Hess sich eine Einigkeit der Delegier- ten vortäuschen, die in Wirklichkeit auch in Wirtschaftsfragen nicht besteht. Das Ausmass der Uneinigkeit zeigte sich deutlich am Sonntag abend an einer vorbereitenden Sitzung des von der Linken dominierten Exekutivkomitees (Par- teivorstand). Frau Shirley Williams, die dem Komitee angehört, erklärte nach der Sitzung, sie distanziere sich von den Beschlüssen des Komi- tees und sei nicht bereit, an diesem Parteitag als Vertreterin des Exekutivkomitees an das Red- nerpult zu treten. Erfolgsaus-sichten für die Parlamentsfraktion im Statutenstreit Unter anderem beschloss das Exekutivkomi- tee, den Delegierten die Zustimmung zu einer Resolution zu empfehlen, laut der sich die Par- tei in ihrem nächsten Wahlmanifest zum Austritt aus der EG verpflichten würde. Weiter emp- fiehlt der Parteivorstand die Zustimmung zur unilateralen Abrüstung Grossbritanniens. Ohne Zweifel werden sich die Delegierten in den nächsten Tagen, wenn diese Fragen zur Abstim- mung gelangen, an die Empfehlungen des Exe- kutivkomitees halten. Doch solange bei der Ab- fassung des Wahlmanifests der Parteichef das letzte Wort behält, haben Parteitagsbeschlüsse darüber, was in dem Manifest stehen soll, nur begrenzte Bedeutung. Anders würde es, wenn jetzt der linke Flügel die von ihm geforderten Statutenänderungen durchsetzen sollte, wenn also die Zuständigkeit für das Wahlmanifest dem Parteichef und der Fraktion entzogen und dem Exekutivkomitee und dem Parteitag zuge- teilt würde. Im Augenblick sieht es so aus, als ob in die- ser Statutenfrage der Status quo erhalten bliebe. Auch der Vorstoss der Parteilinken hinsichtlich der Wahl des Parteichefs scheint zu scheitern . Das Gros der Gewerkschaften, die den Parteitag im Stimmenverhältnis von 10 zu 1 dominierten, scheinen vor Statutenänderungen in diesen bei- den wesentlichen Fragen zurückzuschrecken. Dagegen könnte die Parteilinke mi t ihrem drit- ten Statutenänderungsvorschlag durchdringen, wonach bei Neuwahlen die Unterhauskandida- ten nicht automatisch wieder kandidieren kön- nen, sondern sich dem gleichen Selektionsver- fahren wie die Kandidaten für vakant gewor- dene Sitze unterziehen müssen. Baldiger Abschied Callaghans? Da sich nun mit einiger Sicherheit abzeich- net, dass der Parteichef weiterhin von der Un- terhausfraktion gewählt werden wird und nicht, wie die Parteilinke wünscht, von einem breiter gefassten Wählerkollegium, wird allgemein an- genommen, dass Callaghan Ende Oktober oder Anfang November, nachdem das Parlament aus den Sommerferien zurückgekehrt ist, vom Amt des Parteichefs zurücktreten wird. Auf die Nachfolge aspirieren Denis Healey, Anthony Wedgwood Benn und Peter Shore. nung und gemeinsamem Handeln zusammenfin- den. Genschers Aufruf hat wenig Aussicht auf Verwirklichung. Die wenigen Tage bis zur Bun- destagswahl sind für eine Politik des ruhigen Blutes und sorgfältigen Abwägens nicht geeig- net; bei der Beurteilung dieser höchst undiffe- renzierten Auseinandersetzung deren Niveau sich nicht zuletzt dadurch offenbart, dass sie hauptsächlich in den Spalten einer Boulevardpo- stille ausgetragen wird kann man allerdings dem Kanzlerkandidaten Strauss den Vorwurf nicht ersparen, dass er nach dem tödlichen An- schlag von München mit politischen Schuldzu- weisungen allzu schnell zur Hand war. Innen- minister Baum ist zweifellos eine umstrittene Fi- gur, aber für die diffuse Mordtat, die sich gegen keine bestimmte Zielgruppe richtete, kann man schwerlich mangelnde Sicherheitsvorkehrungen geltend machen. Anhaltender Widerstand Irans in Khusistan Irakische Angreifer in Schwierigkeiten A. H. Amman, 29. September Die Iraker haben am Montag die Einnahme der iranischen Luftwaffenbasis bei Dezful ge- meldet und erklärt, sie sei ihnen mit einer intak- ten Radarstation in die Hände gefallen. Die Ira- ner haben nichts über diese Basis verlauten las- sen, aber behauptet, die Stadt Dezful befinde sich in ihrer Hand. Dies scheint zu stimmen, da Telefonanrufe von Teheran an den Gouverneur von Dezful ergaben; dass dieser sich noch in der Stadt befinde; er soll sogar erklärt haben, in Dezful sei alles ruhig. Es ist wahrscheinlich, dass die Iraker noch immer keine der Städte von Khusistan in ihren Besitz gebracht haben. Ihre Communiqucs schweigen nun über Khor- ramschahr und Abadan sowie Ober Ahwaz, de- ren Einnahme sie alle einmal gemeldet hatten. Schwierigkeiten der Vermittler Wenn dies stimmt, hat sich die Lage auf dem Lande nicht wesentlich verändert: Die Iraker scheinen mit ihren Tanks in der weiten Ebene Khusistans ziemlich grosse Bewegungsfreiheit zu gemessen, doch in den Städten haben sich die iranischen Soldaten und Revolutionsgarden /erschanzt. Khorramschahr soll von fast allen Bewohnern verlassen sein; allerdings halten Re- volutionsgarden das Stadtzentrum offensteht- ich noch immer besetzt, und Aehnliches scheint bei Abadan der Fall zu sein. Im Luftkrieg mel- deton die Iraker, sie hätten Buschire, die irani- sche Hafenstadt weiter unten an der Küste des Golfs, bombardiert, während Iran erklärt, seine Flugzeuge hätten einmal mehr Basrah angegrif- fen, und man im Irak zugibt, dass auch Mosul erneut von feindlichen Flugzeugen angegriffen worden sei. Iran macht sehr deutlich, dass es von den Versuchen der verschiedenen Vermittler recht wenig hält. Der Sohn Khomeinys, Ahmed, hat rundheraus erklärt, dass Iran den Krieg fortset- zen wolle. Dies ist in der Tat von Teheran aus gesehen logisch. Der endgültige Verlust Khusi- stans wäre für das Land dermassen schwerwie- gend, dass die Iraner es schlechterdings nicht bei der gegenwärtigen Lage belassen können; sie sehen sich praktisch gezwungen, den Krieg so lange fortzusetzen, bis sie hoffen können, den viel kleineren Irak zu erschöpfen. In diesem Sinne ist auch die für europäische Ohren etwas seltsam klingende Aussage von Präsident Bani Sadrzu verstehen, dass es keine Rolle spiele, ob der Krieg kurz oder lang daure. Lange Dauer? Was die Iraker angeht, so haben sie die di- plomatisch einfachere Rolle gewählt, indem sie erklären, sie seien jederzeit zu Verhandlungen bereit, sowohl auf dem direkten Weg mit Iran wie auch indirekt über irgendwelche Vermittler. Freilich, so fügen alle irakischen Sprecher hinzu wie Präsident Saddam Hussein persönlich in seiner Radioansprache von Sonntag abend , die irakischen souveränen Rechte müssten un- angetastet bleiben. Dies bezieht sich auf die Grenzziehung im Schatt und weiter nördlich an der Landgrenze. Der Präsident fügte auch hin- zu, die drei Inselchen auf der südlichen Seite des Golfes müssten den Arabern zurückgegeben werden, und er schien sogar anzudeuten, dass sein Land auf den Hafen von Khorramschahr, der nun im Irak regelmässig mit dem arabischen Namen Muhammera genannt wird, Anspruch erheben könnte. Die Friedensaufrufe des Uno-Sicherheitsra- tes und die Bemühungen der Vermittler haben unter diesen Umständen nicht viel Aussicht auf baldigen Erfolg. Man muss vielmehr eine län- gere Dauer des Krieges als Möglichkeit ins Auge fassen, so unerfreulich diese Aussicht auch für alle Beteiligten sein mag. Es liegt in der Natur des «revolutionären» Regimes in Iran, dass es ihm gelegener käme, zu einem Verzweif- lungskrieg aufzurufen, als dem Feind gegenüber Konzession einzuräumen. Der oder die für letz- tere verantwortlichen Politiker hätten ohne Zweifel damit zu rechnen, dass sie später von Die Vermittler Zia ul-Haq (zweiter von links) und Ara- fat beim iranischen Präsidenten Bani Sadr. Neue Zürcher Zeitung vom 30.09.1980

AZ Zürich Der Zürcher idfuf Mxärn Minna · 2017-03-08 · bindungen zur «Wehrsportgruppe Hoffmann».hatte. Selbst wenn er die grauenvolle Tat auf Tagesinformation Heftige Angriffe

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Page 1: AZ Zürich Der Zürcher idfuf Mxärn Minna · 2017-03-08 · bindungen zur «Wehrsportgruppe Hoffmann».hatte. Selbst wenn er die grauenvolle Tat auf Tagesinformation Heftige Angriffe

AZ 8021 Zürich Der Zürcher Zeitung 201. Jahrgang

22 7/01Dienstag, 30. September 1980

Nr. 227

idfuf Mxärn MinnaBriefadres» von Redaktion, Verlag und Druckerei:Postfach. CH-8021 Zürich, Telefon (01)238 II II, Telex 52 IS7Auslandvcrtrieb: Postfach MO, CH-8021 ZürichAnnoncenabteilung: Postfach 2IS, CH-8021 Zürich, Telex 34675Abonnententsprcise auf Seite

und schweizerisches Handelsblatt80 Rp.

bFr. 23.- Dr. 30.- S 12.-dKr. 4.- £ 0.40 Eac 35.-DM 1.20 Lil. 700.- sKr. 3.50fFr. 3.50 hfl. 1.50 Pu. 70.-

Die Ermittlungen über den Münchner Terroranschlag

Strauss attackiert Innenminister BaumDüstere Wolken über der deutschen Innenpolitik

R. M. Bonn, 29. September

Der blutige Bombenanschlag auf dasMünchner Oktoberfest, bei dem 12 Personengetötet und Ober 200 teils schwer verletzt wor-den sind, überschattet zu Beginn der letztenWahlkampfwoche die deutsche Innenpolitik.Während die letzten Informationen seitens derErmittlungsbehörde eher darauf hinzudeutenscheinen, dass es sich bei dem mörderischenVerbrechen möglicherweise um die Tat einesEinzelnen aus dem neonazistischen Dunstkreisgehandelt haben könnte, ist der offenkundigwahlkämpferisch motivierte Parteienstreit umdie politische Schuldzuweisung an dem trauri-gen Ereignis weiter vertieft worden.

Verdachtgegen die «Wehrsportgruppe lloffmann»

Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft inKarlsruhe mitteilte, sind die sechs in Zusam-menhang mit dem Attentat vorläufig festgenom-

menen Personen am Montag alle wieder freige-lassen worden. Zu den Freigelassenen gehörtauch der Chef der im Januar wegen neonazisti-scher Umtriebe verbotenen «WehrsportgruppeHoffmann», Karl-Heinz Hoffmann. Nach An-gaben der Bundesanwaltschaft haben die Er-mittlungen gegen die vorübergehend verhafte-ten Personen keinen dringenden Verdacht aufBeteiligung am Münchner Sprengstoffanschlagergeben. Eine sechste Person, deren Identitätnicht bekanntgegeben wurde, befindet sich wei-terhin in Haft.

Die Vermutung, dass der rechtsradikale Ak-tivist Hoffmann, der mit vornehmlich jugendli-chen Anhängern einen diffusen Führerkult imNazi-Stil betreibt, möglicherweise nicht direktin den Münchner Terroranschlag verwickelt ist,war schon bei seiner problemlosen Verhaftungin seinem Schloss bei Nürnberg aufgetaucht,von der er offenbar völlig überrascht war. WäreHoffmann an dem Verbrechen beteiligt gewe-sen, so hätte er sich wahrscheinlich nicht soleicht dem Zugriff der Polizei ausgesetzt. Dieüberraschend schnelle Freilassung von Hoff-mann und vier anderen Verhafteten spricht fürdie Möglichkeit, dass das Attentat allein vonlern 21jährigen Geologiestudenten GundolfKöhler, der bei der Bombenexplosion selberums Leben kam, inszeniert worden ist. DassKöhler der Bombenleger war, gilt bei den Er-mittlungsbehörden als weitgehend gesichert. In-zwischen ist von offizieller Seite aber auch ein-deutig bestätigt worden, dass Köhler aktive Ver-bindungen zur «Wehrsportgruppe Hoffmann».hatte. Selbst wenn er die grauenvolle Tat auf

TagesinformationHeftige Angriffe von Strauss auf die Regierung

Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Strauss, wirft der Bun-desregierung vor, durch ihre nachsichtige Terrorismusbe-kämpfung am Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfestmitschuldig zu sein. Regierungskreise bezeichneten diesenVorwurf angesichts der 12 Todesopfer als «unwürdig».

Seite

Mit gedrosselten MotorenDas ETH-Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert für1981 einen leichten Rückgang des Bruttoinlandprodukts,sieht jedoch keinen Grund für eine Dramatisierung derLage-

Seite 13

Bundesrat für sozialmedizinische IndikationDer Bundesrat befasste sich an seiner Montagsitzung erneutmit dem Schwangerschaftsabbruch; er sprach sich Tür eineeinheitliche Lösung aus, die u. a. die sozialmedizinische Indi-kation enthalt. Seite 29

Zürcher Ombudsmann in Bedrängnis

Der Zürcher Kantonsrat hat die Erweiterung der Kanzlei desaberlasteten kantonalen Ombudsmannes um e i n en juristi-schen Sekretär abgelehnt. Seiten 45 und 46

dem Münchner Oktoberfest allein geplant undausgeführt haben sollte, so bestätigt dieser Zu-sammenhang dennoch, dass das blutige Gesche-hen in den geistigen Hintergrund des Rechtsex-tremismus, der in letzter Zeit durch vermehrteGewaltumtriebe von sich reden machte, einzu-ordnen ist.

Politische Schuldzuteilung durch Strauss

Was den bereits am Sonntag heftig in Ganggekommenen Parteienstreit um die politischeVerantwortung für diesen Terroranschlag be-trifft, so hat der bayrische Ministerpräsidentund Kanzlerkandidat der Union, Strauss, seinemassiven Vorwürfe gegen Innenminister Baumin einem Interview mit einer Boulevardzeitungwiederholt und teilweise noch verschärft.Strauss behauptet, die Sicherheitsdienste in derBundesrepublik seien «systematisch gelähmt,demoralisiert und zerschlagen» worden und da-für trage Baum die Schuld. Das nütze links- undrechtsterroristischen Verbrechern. Wenn dieBundesregierung sich durch ihre Sprecher jetztfür den Innenminister einsetze, dann bedeutedas weiter, dass sich Kanzler Schmidt m it dem«Skandal Baum» identifiziere. Auf die Frage,ob der Rechtsradikalismus bisher nicht ernst ge-nug genommen worden sei, antwortet Strauss,in Bayern sei alles Erforderliche getan worden,aber auf Bundesebene gebe es zahlreiche Ver-säumnisse.

Bundeskanzler Schmidt weist in der gleichenBoulevardzeitung die Vorwürfe von Strauss alstöricht und bösartig zurück. Er macht geltend,dass es Innenminister Baum gewesen sei, der zuBeginn des Jahres das Verbot der «Wehrsport-gruppe Hoffmann» verfügt habe, während imbayrischen Innenministerium ein derartigerSchritt lange Zeit als unnötig beurteilt wordensei. Ohne Namen zu nennen, lässt Schmidt da-bei deutlich den Vorwurf anklingen, dass manan gewissen verantwortlichen Stellen denRechtsextremismus fälschlicherweise als blosse«Schattengefahr» beurteilt habe.

Aufruf Genschers zur Pietät

Der FDP-Vorsitzende Genscher hat am Mon-tag, nachdem er die Angriffe von Strauss gegenden Innenminister entschieden kritisiert hatte,an alle Parteien appelliert, die jetzige Form derpolitischen Auseinandersetzung um denMünchner Terroranschlag sofort einzustellen.Es sei unwürdig, wenn jetzt versucht werde, ausdem schrecklichen Geschehen wahlpolitischesKapital zu schlagen. Alle demokratischen Par-teien sollten sich vor dem Hintergrund diesesGeschehens vielmehr zu gemeinsamer Bcsin-

Beginn des Parteitags in Blackpool

Labour vor der Zerreissprobe

Linke Postulatedes Vorstandes

Von unserem Korrespondenten

R. B. London. 29. September

Mit einer Wirtschaftsdebatte, über die imWirtschaftsteil dieser Ausgabe berichtet wird, istam Montag in Blackpool der 79. Parteitag, derbritischen Labourpartei eröffnet worden. Übli-cherweise findet die Wirtschaftsdebatte erst amdritten Tag der Jahresversammlung statt, abersie wurde diesmal vorverschoben, damit dieZerrissenheit der Partei nicht schon am Anfangzum Ausdruck kam. Durch die einheitlich vehe-menten Angriffe auf die Wirtschaftspolitik FrauThatchers Hess sich eine Einigkeit der Delegier-ten vortäuschen, die in Wirklichkeit auch inWirtschaftsfragen nicht besteht. Das Ausmassder Uneinigkeit zeigte sich deutlich am Sonntagabend an einer vorbereitenden Sitzung des vonder Linken dominierten Exekutivkomitees (Par-teivorstand). Frau Shirley Williams, die demKomitee angehört, erklärte nach der Sitzung, siedistanziere sich von den Beschlüssen des Komi-tees und sei nicht bereit, an diesem Parteitag alsVertreterin des Exekutivkomitees an das Red-nerpult zu treten.

Erfolgsaus-sichten für dieParlamentsfraktion im Statutenstreit

Unter anderem beschloss das Exekutivkomi-tee, den Delegierten die Zustimmung zu einerResolution zu empfehlen, laut der sich die Par-tei in ihrem nächsten Wahlmanifest zum Austrittaus der EG verpflichten würde. Weiter emp-fiehlt der Parteivorstand die Zustimmung zurunilateralen Abrüstung Grossbritanniens. OhneZweifel werden sich die Delegierten in dennächsten Tagen, wenn diese Fragen zur Abstim-

mung gelangen, an die Empfehlungen des Exe-kutivkomitees halten. Doch solange bei der Ab-fassung des Wahlmanifests der Parteichef dasletzte Wort behält, haben Parteitagsbeschlüssedarüber, was in dem Manifest stehen soll, nurbegrenzte Bedeutung. Anders würde es, wennjetzt der linke Flügel die von ihm gefordertenStatutenänderungen durchsetzen sollte, wennalso die Zuständigkeit für das Wahlmanifestdem Parteichef und der Fraktion entzogen unddem Exekutivkomitee und dem Parteitag zuge-teilt würde.

Im Augenblick sieht es so aus, als ob in die-ser Statutenfrage der Status quo erhalten bliebe.Auch der Vorstoss der Parteilinken hinsichtlichder Wahl des Parteichefs scheint zu scheitern.Das Gros der Gewerkschaften, die den Parteitagim Stimmenverhältnis von 10 zu 1 dominierten,scheinen vor Statutenänderungen in diesen bei-den wesentlichen Fragen zurückzuschrecken.Dagegen könnte die Parteilinke m it ihrem drit-ten Statutenänderungsvorschlag durchdringen,wonach bei Neuwahlen die Unterhauskandida-ten nicht automatisch wieder kandidieren kön-nen, sondern sich dem gleichen Selektionsver-fahren wie die Kandidaten für vakant gewor-dene Sitze unterziehen müssen.

Baldiger Abschied Callaghans?

Da sich nun mit einiger Sicherheit abzeich-net, dass der Parteichef weiterhin von der Un-terhausfraktion gewählt werden wird und nicht,wie die Parteilinke wünscht, von einem breitergefassten Wählerkollegium, wird allgemein an-genommen, dass Callaghan Ende Oktober oderAnfang November, nachdem das Parlament ausden Sommerferien zurückgekehrt ist, vom Amtdes Parteichefs zurücktreten wird. Auf dieNachfolge aspirieren Denis Healey, AnthonyWedgwood Benn und Peter Shore.

nung und gemeinsamem Handeln zusammenfin-den.

Genschers Aufruf hat wenig Aussicht aufVerwirklichung. Die wenigen Tage bis zur Bun-destagswahl sind für eine Politik des ruhigenBlutes und sorgfältigen Abwägens nicht geeig-net; bei der Beurteilung dieser höchst undiffe-renzierten Auseinandersetzung deren Niveausich nicht zuletzt dadurch offenbart, dass siehauptsächlich in den Spalten einer Boulevardpo-stille ausgetragen wird kann man allerdingsdem Kanzlerkandidaten Strauss den Vorwurfnicht ersparen, dass er nach dem tödlichen An-schlag von München mit politischen Schuldzu-weisungen allzu schnell zur Hand war. Innen-minister Baum ist zweifellos eine umstrittene Fi-gur, aber für die diffuse Mordtat, die sich gegenkeine bestimmte Zielgruppe richtete, kann manschwerlich mangelnde Sicherheitsvorkehrungengeltend machen.

Anhaltender Widerstand Irans in KhusistanIrakische Angreifer in Schwierigkeiten

A. H. Amman, 29. September

Die Iraker haben am Montag die Einnahmeder iranischen Luftwaffenbasis bei Dezful ge-meldet und erklärt, sie sei ihnen mit einer intak-ten Radarstation in die Hände gefallen. Die Ira-ner haben nichts über diese Basis verlauten las-sen, aber behauptet, die Stadt Dezful befindesich in ihrer Hand. Dies scheint zu stimmen, daTelefonanrufe von Teheran an den Gouverneurvon Dezful ergaben; dass dieser sich noch in derStadt befinde; er soll sogar erklärt haben, inDezful sei alles ruhig. Es ist wahrscheinlich,dass die Iraker noch immer keine der Städtevon Khusistan in ihren Besitz gebracht haben.Ihre Communiqucs schweigen nun über Khor-ramschahr und Abadan sowie Ober Ahwaz, de-ren Einnahme sie alle einmal gemeldet hatten.

Schwierigkeiten der VermittlerWenn dies stimmt, hat sich die Lage auf dem

Lande nicht wesentlich verändert: Die Irakerscheinen mit ihren Tanks in der weiten EbeneKhusistans ziemlich grosse Bewegungsfreiheitzu gemessen, doch in den Städten haben sichdie iranischen Soldaten und Revolutionsgarden/erschanzt. Khorramschahr soll von fast allenBewohnern verlassen sein; allerdings halten Re-volutionsgarden das Stadtzentrum offensteht-ich noch immer besetzt, und Aehnliches scheint

bei Abadan der Fall zu sein. Im Luftkrieg mel-

deton die Iraker, sie hätten Buschire, die irani-sche Hafenstadt weiter unten an der Küste desGolfs, bombardiert, während Iran erklärt, seineFlugzeuge hätten einmal mehr Basrah angegrif-fen, und man im Irak zugibt, dass auch Mosulerneut von feindlichen Flugzeugen angegriffenworden sei.

Iran macht sehr deutlich, dass es von denVersuchen der verschiedenen Vermittler rechtwenig hält. Der Sohn Khomeinys, Ahmed, hatrundheraus erklärt, dass Iran den Krieg fortset-zen wolle. Dies ist in der Tat von Teheran ausgesehen logisch. Der endgültige Verlust Khusi-stans wäre für das Land dermassen schwerwie-gend, dass die Iraner es schlechterdings nichtbei der gegenwärtigen Lage belassen können;sie sehen sich praktisch gezwungen, den Kriegso lange fortzusetzen, bis sie hoffen können,den viel kleineren Irak zu erschöpfen. In diesemSinne ist auch die für europäische Ohren etwasseltsam klingende Aussage von Präsident BaniSadrzu verstehen, dass es keine Rolle spiele, obder Krieg kurz oder lang daure.

Lange Dauer?

Was die Iraker angeht, so haben sie die di-plomatisch einfachere Rolle gewählt, indem sieerklären, sie seien jederzeit zu Verhandlungenbereit, sowohl auf dem direkten Weg mit Iran

wie auch indirekt über irgendwelche Vermittler.Freilich, so fügen alle irakischen Sprecher hinzu

wie Präsident Saddam Hussein persönlich inseiner Radioansprache von Sonntag abend ,die irakischen souveränen Rechte müssten un-angetastet bleiben. Dies bezieht sich auf dieGrenzziehung im Schatt und weiter nördlich ander Landgrenze. Der Präsident fügte auch hin-zu, die drei Inselchen auf der südlichen Seitedes Golfes müssten den Arabern zurückgegebenwerden, und er schien sogar anzudeuten, dasssein Land auf den Hafen von Khorramschahr,der nun im Irak regelmässig mit dem arabischenNamen Muhammera genannt wird, Ansprucherheben könnte.

Die Friedensaufrufe des Uno-Sicherheitsra-tes und die Bemühungen der Vermittler habenunter diesen Umständen nicht viel Aussicht aufbaldigen Erfolg. Man muss vielmehr eine län-gere Dauer des Krieges als Möglichkeit insAuge fassen, so unerfreulich diese Aussichtauch für alle Beteiligten sein mag. Es liegt in derNatur des «revolutionären» Regimes in Iran,dass es ihm gelegener käme, zu einem Verzweif-lungskrieg aufzurufen, als dem Feind gegenüberKonzession einzuräumen. Der oder die für letz-tere verantwortlichen Politiker hätten ohneZweifel damit zu rechnen, dass sie später von

Die Vermittler Zia ul-Haq (zweiter von links) und Ara-fat beim iranischen Präsidenten Bani Sadr.

Neue Zürcher Zeitung vom 30.09.1980

Page 2: AZ Zürich Der Zürcher idfuf Mxärn Minna · 2017-03-08 · bindungen zur «Wehrsportgruppe Hoffmann».hatte. Selbst wenn er die grauenvolle Tat auf Tagesinformation Heftige Angriffe

ÄZ 8021 Zürich Der Zürcher Zeitung 201. Jahrgang Mittwoch, 1. Oktober 1980Nr. 228

5lme Mxmtx Minna».._»_. j.i.ii i»^J_« .._ J - --'- 1 t 1 # 1 11Bricfadressc von Redaktion, Verlag und Druckerei:Postfach, CII-S02I Zürich, Telefon (01)258 II II. Telex 52 IST

Autlandvcnrieb: Postfach 660, CH-8021 ZürichAnnoncenabteilung: Postfach 215, CH-8021 Zürich. Tele» 54 675Abonnemenupreise auf Seite

und schweizerisches Handelsblatt80 Rp.

bFr. 25 Dr. ja- S 12-dKr. 4.- £ 0.40 Esc. 35DM 1.20 Lit. 700.- sKr. 3.50(Fr. 3.50 hfl. 1.50 Ptt. 70.-

Der Krieg zwischen Iran und dem Irak

Heftige Kämpfe um die Oelzentren am Golf

Teile der Raffinerie von Abadan, der grössten ihrer Art aufder Well, sind durch irakische Luftangriffe in Brandgeraten.

Neue Luftangriffe auf BagdadBagdad, 30. Sept. (ap) Während die iranische

Luftwaffe am Dienstag erneut Bagdad angriff,

haben irakische Panzer- und Infanterieverbändenach Angaben aus Bagdad in Westpersien irani-sche Gegenangriffe abgewehrt und «Wider-standsnester» ausgeräumt. Das irakische Ober-kommando meldete, bei den Kämpfen der letz-ten 24 Stunden seien 6 irakische Soldaten gefal-

len, 15 verwundet worden und 5 als vermisstgemeldet.

Eroberung des Radiosenders von Almas

Die Angriffe iranischer «Phantom»-Kampf-flugzeuge auf Bagdad konzentrierten sich nachden Meldungen auf den südwestlichen Teil derStadt, über dem nach Augenzeugenberichten

schwarze Rauchwolken aufstiegen. Später hiesses, die Angriffe hätten einer in diesem Stadtteilbefindlichen Erdölraffinerie und dem Militärla-

TagesinformationKein Frieden am Golf in Sicht

Die Kampfe zwischen Iran und dem Irak dauern unvermin-dert an. Zentrum des Konflikts ist nach wie vor das westlicheKhusistan, wo sich das Zentrum der Städte Khorramshar undAbadan noch immer in den Händen der Iraner zu befindenscheint Anderseits bat die iranische Luftwaffe einmal mehrBagdad bombardiert. Seite

US Steel zieht Dumpingklage zurück

Der grösste amerikanische Suhlhersteller zieht seine Dum-pingklage gegen sieben europäische Konkurrenten zurück,

nachdem die Administration Carter mit einem Hilfspro-gramm auf verschiedene Forderungen der US-Stahlindustrieeingegangen ist. Seite 17

Saisonnierstatut und Unfallversicherung

Der Nationalrat befasste sich am Dienstag mit dem Ausiän-dergesetz, wobei es vor allem um das Saisonnierstatut ging.

Der Standerat begann mit der Beratung des Unfallversiche-rungsgesetzes; zur Sprache kam auch der Geschäftsbereichder Suva. Seiten 33, 37 und 38

Schwerer Verkehrsunfall in Zürich

Eine zwanzig Tonnen schwere Walze, die sich von einem aufeiner Rampe der Hardbrflcke fahrenden Sattelschlepper ge-

lost hatte, ist Ober das Gelander auf die Hardstrasse gestürzt

und hat dort einen Personenwagen getroffen, dessen Lenkersofort tot war. Seite 49

Inhaltsübersicht Umfang 76 Selten

AuslandVermischtesWirtschaftBörseInlandFeuilleton

1-57/8

17-2325-2833-38

39

Roman 40Radio und TV 48Stadt undKanton Zürich49-52Sport 53

Forschung und TechnikSeiten 65-73

ger Raschid gegolten. Ueber etwaige Verluste anMenschenleben oder Sachschäden lagen zu-nächst keine Meldungen vor. Ferner hiess es,

irakische Bodenstellungen hätten die Angreifer

mit Flabgeschützen und Boden-Luft-Raketenbeschossen und die gegnerischen Flugzeuge

nach wenigen Minuten zum Abdrehen gezwun-gen. In bisher unbestätigten Augenzeugenbe-

richten hiess es, mehrere Flugzeuge seien abge-

schossen worden.Gleichzeitig wurde in Bagdad die Einnahme

des Radiosenders der iranischen Stadt Ahwas inder Provinz Khusistan durch die irakischen In-vasionstruppen gemeldet Nach Darstellung derirakischen Zeitung «Al-Dschumhuriya» sollAhwas, die Hauptstadt der Provinz Khusistan,am Sonntag von irakischen Truppen eingenom-

men worden sein. Von iranischer Seite war dieEroberung der Stadt bestritten worden.

Zähe Verteidiger in Khorramshahr

Unter dem Eindruck offenbar verstärkteniranischen Wiederstandes in Khusistan zog dasirakische Oberkommando Panzereinheiten undandere Truppen von der Nordfront bei dem OrtQasr-e-Shirin ab und verlegte sie in das südlicheKampfgebiet, um den Belagerungsring um dieStädte Khorramshahr und Abadan am Schuttal-Arab zu verstärken. Die Truppenverlegungwurde von Beobachtern des Kriegsgeschehens

als ein Zeichen dafür angesehen, dass die Lage

der irakischen Streitkräfte im nördlichen Fron-tabschnitt gefestigt ist.

Nach Berichten aus dem Kampfgebiet wirdentgegen früheren irakischen Angaben die In-nenstadt von Khorramshahr immer noch voniranischen Revolutionsgarden gehalten. Dierund 15 Kilometer weiter, unterhalb am Schattal-Arab gelegene Nachbarstadt Abadan, wosich die grösste Erdölraffinerie Irans befindet,wurde laut Meldungen ununterbrochen mit ira-kischem Artilleriefeuer von jenseits der Wasser-strasse belegt.

Irakische Quellen berichteten von schwerenBodenkämpfen entlang der 320 Kilometer brei-ten Invasionsfront zwischen Abadan und Meh-ran. Der Irak hat nach eigenen Angaben in Des-ful, 1 10 Kilometer nördlich von Ahwas, einenFlugplatz und eine Radarstation erobert. Aus-serdem meldete die irakische Luftwaffe denVerlust von zwei Kampfflugzeugen bei Einsät-zen «tief im iranischen Hinterland». In Mel-dungen aus iranischen Militärkreisen hiess es,

iranische Flugzeuge hätten die an der Grenze zuIran südwestlich von Qasr-e-Shirin auf iraki-schem Gebiet gelegene Raffinerie bei der StadtChanakin angegriffen und zerstört Ausscrdemwar von Angriffen der iranischen Marine aufden irakischen Tiefwasserölhafen El-Fau vorder Mündung des Schatt al-Arab und die in derNähe gelegenen Orte Biseh und Kesleh die

Diplomatische Anstrengungen

Zwei Stunden nach dem persischen Bomben-angriff auf die irakische Hauptstadt machteStaatspräsident Saddam Hussein zusammen mitdem pakistanischen Staatschef Zia ul-ljaq, dersich dort zu einer Friedensmission aufhielt, eine

Gedenkfeier für die Terroropfer von MünchenStille auf der Oktoberwiese

Gh. München, 30. September

Mit Ausnahme des erkrankten Bundespräsi-

denten hat sich am Dienstag die gesamte politi-sche Spitze der Bundesrepublik darunterBundesratspräsident Klose, Bundestagspräsi-

dent Stückten, Bundeskanzler Schmidt und dieParteivorsitzenden Kohl, Brandt und Genscher

im alten Rathaussaal von München zusam-mengefunden, um im Beisein der Angehörigengemeinsam mit der bayrischen und MünchnerRegierung der Opfer des Terroranschlags zu ge-

denken. In der knapp dreiviertelstündigen Ge-denkfeier am Nachmittag, die auch von Radiound Fernsehen übertragen wurde, sprachen ne-ben Oberbürgermeister Kiesl auch WeihbischofTewes und Oberkirchenrat Maser. Durch alledrei Reden lief als roter Faden die «Grenze desVerstehens und Fassenkönnens diesem Ab-grund von Hass gegenüber», die Besinnung auf«ungerechte Gewalt» und die Hoffnung einesganzen Volkes auf «Frieden, innen und aus-sen», was durch ein stehend gesprochenes «Va-terunser» unterstrichen wurde.

Kampf der «teuflischen Automatik»Oberbürgermeister Kiesl erinnerte daran,

wie die Stadt jetzt schon zum zweitenmal durchunfassbare Gewalttat aus Frieden und festlicherStimmung gerissen worden sei vor acht Jah-ren durch das Massaker in Fürstenfeldbruck beiden Olympischen Spielen und jetzt beim Okto-berfest. In «Solidarität mit den Angehörigen»

und in «Solidarität mit allen, die entsetzt sind»,müsse man sich jetzt gemeinsam fragen, wiedem Terror und der Gewalt Einhalt geboten

werden könne. Jeder müsse sich die Frage stel-len, ob er alles Mögliche tue, um der GewaltHerr zu werden, die ja immer im kleinen begin-

ne. Denn wenn die Gewalt in Teilen bejaht, ge-billigt oder nur geduldet werde, bestehe die Ge-fahr, dass die Dämme des gesellschaftlichen

Grundkonsenses einrissen. Wenn die Gesell-schaft die Erscheinungsformen der Gewalt nichtmehr nach einheitlichen Massstäben gemeinsamächte, überlasse sie es dem Einzelnen, die Gren-zen des moralisch Vertretbaren nach seinerIdeologie und nach seinem Selbstverständnis zuziehen. Dadurch aber werde die teuflische Auto-matik immer wieder von neuem in Gang ge-

setzt.

Schon am Morgen hatten sich die Wirte undSchausteller des Oktoberfestes zu einem Gottes-

dienst in der Paulskirche versammelt; in den Be-trieben wurden kurze Gedenkpausen einge-schaltet, und um 16 Uhr ruhte in der Innenstadtfür eine Minute der Verkehr. Auf dem Marien-platz hatten sich gleichzeitig mehrere tausendMenschen eingefunden, um die zentrale Ge-denkfeier zu verfolgen. Am meisten bewegt dieMünchner das Schicksal der siebenköpfigen Fa-milie Platzer, von der nur der Familienvater dasAttentat heil überstanden hat; zwei Kinder wur-den getötet; die anderen Familienangehörigenliegen zum Teil mit schweren Verletzungen imKrankenhaus. Von den insgesamt 213 Verwun-deten konnten bisher 114 nach Hause entlassenwerden; für zehn besteht noch immer Lebensge-

fahr.Die Oktoberwiese blieb am Dienstag den

ganzen Tag geschlossen; am Ort des Attentats,das jetzt von der bayrischen Staatsregierung of-fiziell einem Einzeltäter zugewiesen wurde, häu-fen sich Blumen, Kondolenzkarten und Lebku-chenherzen. München trauert auch hier aufseine Weise.

Prozess gegen Rechts-extremisten in Braunschweig

Braunschweig, 30. Sept. (ap) Unter strengenSicherheitsvorkehrungen, jedoch geringem Zu-hörerinteresse, hat am Dienstag im LandgerichtBraunschweig der Prozess gegen eine Gruppemutmasslicher Neonazis begonnen, denen unteranderem die Zugehörigkeit zu einer terroristi-schen Vereinigung mit rechtsradikaler Zielset-zung angelastet wird. In dem auf zunächst vierMonate angesetzten Verfahren sollen annä-hernd 60 Zeugen angehört werden. Unter denZeugen befindet sich auch der im Vorjahr inBückeburg wegen Rechtsextremismus zu vierJahren Freiheitsentzug (noch nicht rechtskräf-tig) verurteilte frühere Bundeswehrleutnant Mi-chael Kühnen.

Nach der 97 Seiten umfassenden Ankla-geschrift der Generalbundesanwaltschaft giltder Maschinenschlosser Paul Otte als Hauptan-geklagter und Rädelsführer der sogenanntenBraunschweiger Gruppe. Ausserdem sind nochdrei weitere Männer angeklagt. Otte soll insbe-sondere Pläne für Bombenanschläge auf öffent-liche westdeutsche Gebäude sowie auf Grenzan-lagen zur DDR geschmiedet haben. Der Bom-benanschlag auf das Amtsgericht Hannover imJahre 1977 soll ebenfalls auf das Konto derGruppe gehen.

Rundfahrt durch die Strassen Bagdads. In derBegleitung der zwei Staatschefs befand sichauch der jordanische Kronprinz Hassan, derSaddam Hussein am Vortag eine Botschaft sei-nes Bruders, des jordanischen Königs Hussein,überbracht hatte. Es wurde erwartet, dass Zia,der die Gespräche in Bagdad inzwischen abge-

schlossen hat, nach Zwischenlandungen in An-kara und Paris nach New York zurückkehrenwird, wo er mit Vertretern der Uno und der isla-mischen Konferenz über die Ergebnisse seinerFriedensmission in Teheran und Bagdad spre-chen will.

Auch in anderen Teilen der Welt fanden di-plomatische Bemühungen um eine friedlicheBeilegung des Konfliktes statt. Die Regierung in

Bagdad hatte sich am Montag zu einem von denVereinigten Nationen verlangten Waffenstill-stand für den Fall bereit erklärt, dass sich auchdie Gegenseite dazu bereit erkläre. Der iraki-sche Staatspräsident Saddam Hussein fordertein einem Schreiben an Uno-GeneralsekretärWaldheim den Sicherheitsrat auf, die «notwen-digen Massnahmen zu ergreifen, um auch dieiranische Seite zu veranlassen, der Forderungdes Rates nachzukommen». Iran hat auf dieFriedensresolution des Uno-Sicherheitsratesvom Sonntag bisher noch nicht reagiert.

Bomben auf Iraks Kernforschungszentrum

Beirut, 30. Sept. (ap) Iranische Kampfflug-zeuge haben am Dienstag das irakische Kern-forschungszentrum im Osten Bagdads bombar-diert Aus einer Stellungnahme der französi-schen Botschaft in Bagdad, die von verschiede-nen arabischen Radiosendern verbreitet wurde,ist zu entnehmen, dass die Reaktoranlage selbstoffenbar nicht getroffen wurde. Wie es hiess,wurden die Wohnanlagen des mit französischerUnterstützung geleiteten Forschungszentrumsgetroffen und beschädigt. Unter den französi-schen Fachleuten habe es keine Opfer gegeben.

Bani Sadr kündigt Gegenoffensive anTeheran, 30. Sept. (afp) Der iranische Präsi-

dent Bani Sadr hat am Dienstag eine Gegenof-fensive der iranischen Truppen «in den näch-sten Tagen» angekündigt. In einem Telefonin-terview mit dem französischen Sender «Eu-rope I» erklärte Bani Sadr von Teheran aus, dieiranische Armee sei jetzt im Besitz von genü-gend Ersatzteilen für ihr Militärmaterial. DerPräsident sprach von Erfolgen der iranischenTruppen gegenüber den Streitkräften des Iraksund bezeichnete die militärische Lage für Iranals «ausgezeichnet».

Iraks Aussenminister bei Muskie

New York, 30. Sept. (afp) Der amerikanischeAussenminister Edmund Muskie ist am Diens-tag in New York mit seinem irakischen Amts-kollegen Saadoun Hammadi zusammengetrof-

Neue Zürcher Zeitung vom 01.10.1980