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Streit um Hygienevorschriften Backshops wehren sich erfolgreich 26.09.2012, 17:02 Von Ekkehard Müller-Jentsch Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, damit können sich die Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München nicht anfreunden. Jetzt haben sie sich vor Gericht erfolgreich gegen strengere Hygienevorschriften der städtischen Kontrolleure gewehrt. Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, mit diesem Gedanken können sich die Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München nicht anfreunden. Seit drei Jahren streiten sie mit den städtischen Lebensmittelkontrolleuren, denen die üblichen Plexiglasklappen nicht genügen. Dass Kunden in Backshops Semmeln anfassen und wieder zurücklegen können, finden städtische Kontrolleure ekelerregend. (© dpa) Die kommunalen Aufseher pochen auf sogenannte Rücklegesperren, damit niemand angefasste Ware wieder zurücklegen oder gar mit den Händen direkt in die Fächer greifen kann. Den Backshopbetreibern gehen solche Hygiene- Anforderungen zu weit: Das sei nicht nur zu teuer, sondern auch für die Selbstbedienung zu fummelig. Am Mittwoch wurde vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt - und die Richter pfiffen die Kontrolleure der Stadt zurück. PRESSE

Backshops wehren sicherfolgreich

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Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, damit können sich dieBetreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in Münchennicht anfreunden.

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Muenchen

Streit um Hygienevorschriften

Backshops wehren sich erfolgreich26.09.2012, 17:02

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, damit können sich die

Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München

nicht anfreunden. Jetzt haben sie sich vor Gericht erfolgreich gegen

strengere Hygienevorschriften der städtischen Kontrolleure gewehrt.

Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, mit diesem Gedanken können sich

die Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München nicht

anfreunden. Seit drei Jahren streiten sie mit den städtischen

Lebensmittelkontrolleuren, denen die üblichen Plexiglasklappen nicht

genügen.

Dass Kunden in Backshops Semmeln anfassen und wieder zurücklegen können, finden

städtische Kontrolleure ekelerregend. (© dpa)

Die kommunalen Aufseher pochen auf sogenannte Rücklegesperren, damit

niemand angefasste Ware wieder zurücklegen oder gar mit den Händen direkt

in die Fächer greifen kann. Den Backshopbetreibern gehen solche Hygiene-

Anforderungen zu weit: Das sei nicht nur zu teuer, sondern auch für die

Selbstbedienung zu fummelig. Am Mittwoch wurde vor dem

Verwaltungsgericht München verhandelt - und die Richter pfiffen die

Kontrolleure der Stadt zurück.

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Es gelte, "ekelerregende Beeinträchtigungen" zu verhindern, sagten die

Vertreter der Stadt in der Verhandlung. Unter den jetzigen Umständen sei es

Kunden in Backshops möglich, mit ihren Händen Backwaren sogar aus den

hinteren Teilen der Plexiglaskästen zu holen. "Dabei streifen sie mit Armen

und Ärmeln über die restlichen Backwaren." Auf diese Weise könnten leicht

gesundheitsschädliche Keime auf die Lebensmittel gelangen. "Der

Verbraucher würde Ekel oder Widerwillen empfinden, wenn er wüsste, dass

von ihm verzehrte Backwaren bereits mit schmutzigen Händen angefasst

worden sind", begründeten die Beamten ihre Forderung.

Rechtsanwalt Markus Kraus, der in dem Musterverfahren zwei Backshops

vertritt, hält das für überzogen. Es gebe keine konkreten Beanstandungen,

dass derartige Kontaminationen festgestellt worden seien. Außerdem werde

in den Läden auf Schildern darauf hingewiesen, dass Backwaren nur mit der

Zange heraus genommen werden und keinesfalls zurückgelegt werden

dürfen.

In den Shops hätten Mitarbeiter stets das Geschehen im Auge und könnten

jederzeit eingreifen. In den zumeist kleinen und übersichtlichen Läden sei das

im Gegensatz zu den unübersichtlicheren großen Supermärkten gar kein

Problem. Für Backshops wäre ein Umbau "desaströs", meinte der Anwalt.

Offene Brotkörbe auf Gasthaustischen seien doch auch "sozialadäquat".

"Wir haben das im Labor ausprobiert"

Oberregierungsrat Korbinian Heinzeller, der als Vertreter des öffentlichen

Interesses die Regierung von Oberbayern vertritt, widersprach: Eine

Kontaminierung der Waren mit Salmonellen oder Ehec-Erregern sei

keinesfalls abstrakt. "Wir haben das im Labor ausprobiert", erklärte eine

Vertreterin des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Man

habe die Hände eines Kollegen mit Salmonellen infiziert und antrocknen

lassen. Nachdem er in einen entsprechenden Gebäckkasten gegriffen habe,

"hatten wir die Salmonellen auf den Semmeln". Ausbrüche seien oft auf

kontaminierte Backwaren zurückzuführen.

Das Verfahren läuft schon seit drei Jahren, weil in der Zwischenzeit der

Europäische Gerichtshof durch österreichische Gerichte eingeschaltet wurde.

Der EuGH stützt in seiner Entscheidung eher die Position der Shop-Betreiber:

rein hypothetische Gefährdungen seien nicht ausreichend, um eine Behörde

zur Verhängung von Auflagen zu berechtigen - Rücklegesperren seien eine

Übersteigerung der hygienerechtlichen Anforderungen.

Am Nachmittag hoben die Münchner Richter die amtlichen Bescheide der

Stadt gegen die Backshops auf. Eine schriftliche Begründung wird es erst in

einigen Wochen geben. Die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof wurde

ausdrücklich zugelassen. Der Vertreter der Regierung war von der

Entscheidung überrascht. Zumindest in einem Fall habe bei einer verdeckten

Kontrolle nachgewiesen werden können, dass in der Filiale das Entnehmen

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und Zurücklegen von mehreren Gebäckstücken ohne weiteres möglich

gewesen und vom Personal nicht beanstandet worden sei.

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