Bacque James - Der Geplante Tod (2002, 496 S.)

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    Das Buch

    Dieses Buch war eine Sensation. Nach grndlichen Recherchen konnteJames Bacque nachweisen, da nahezu l Million Deutsche in den Kriegs-gefangenenlagern der Amerikaner und Franzosen umgekommen waren.Aber nicht nur die Zahl der Opfer, sondern die Tatsache, da u.a. eine ge-zielte, von General Eisenhower zu verantwortende Politik Schuld an denTodesfllen hatte, war erschtternd.

    Die Akten, die diesen Skandal bekunden, sind vernichtet, verflschtoder als Geheim unter Verschlu gehalten worden. Der beginnendeKalte Krieg und das neue Bndnis der Bundesrepublik mit den USA und

    Frankreich lieen es als inopportun erscheinen, an dieser Sache zu rhren.In mhevoller Kleinarbeit hat Bacque die Mosaiksteine dieses erscht-ternden Bildnisses zusammengetragen. Weit davon entfernt, in alten Wun-den whlen oder neue Grben aufreien zu wollen, geht es ihm alleindarum, der historischen Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.

    Diese berarbeitete 9. Auflage enthlt wiederum neues Material, dassich unter anderem nach der ffnung der sowjetischen Archive ergebenhat. Des Weiteren schildert Bacque die heftigen Reaktionen von Seiten derPresse und von Privatpersonen auf dieses Buch.

    Der Autor

    James Bacque, geboren 1929 in Toronto/Kanada. Studium der Geschichteund Philosophie an der University of Toronto. Ttigkeit als Redakteurmehrerer kanadischer Zeitschriften und als Verlagslektor bei Macmillan-Kanada. Zahlreiche Buchverffentlichungen (Fiction und Non-Fiction),fr die er eine Reihe von Auszeichnungen erhielt. Er lebt in Toronto.Weitere Verffentlichung:

    Verschwiegene Schuld(1995)

    ---------------------------------------------------------------------------------------------Bemerkung des Scanners

    Dieses Buch war ursprnglich nach den Vorschriften der Neuen Recht-schreibung gesetzt. Zur Verbesserung der Lesbarkeit habe ich mir dieFreiheit genommen, die unansehnlichen Folgen dieser befohlenen Verhun-zung zu tilgen. Davon abgesehen ist der Scan zeilen- und seitengetreu.

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    James Bacque

    Der geplante Tod

    Deutsche Kriegsgefangenein amerikanischen und franzsischen Lagern

    1945-1946

    Erweiterte Ausgabemit 21 Abbildungen

    Aus dem Englischenvon Sophie und Erwin Dunker

    Dieses e-Buch ist eine Privatkopie und nichtzum Verkauf bestimmt!

    Ullstein

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    Fr L'Abbe Franz Stockund Victor Gollancz

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    Inhalt

    Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Einfhrung des Autors zur Originalausgabe . . . . . . . . . . . . 12

    Vorbemerkung des Autors zur aktuellen Ausgabe . . . . . . . . . 17Vorwort von Oberst Dr. Ernest F. Fisher Jr. . . . . . . . . . . . . . 181. Deutschlands Schicksal wird entschieden . . . . . . . . . . . . 212. Ohne Obdach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333. Eine ffentliche Erklrung sollte nicht

    abgegeben werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484. Die Grausamkeit des Siegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

    5. Hungersommer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746. Helfer haben keinen Zutritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947. Lager des langsamen Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1178. tzkalk fr den Leichnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1309. Im Glashaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

    10. Die Briten und die Kanadier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17511. Legenden, Lgen und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 18812. Mit Nicken und Zwinkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

    Epilog l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226Epilog 2: Die Wache an den Rheinwiesenlagern . . . . . . . . . 253Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314Anhnge 1-11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455Akronyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464

    Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

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    Die rgste Snde an unsern Mitmenschen istnicht, sie zu hassen, sondern gegen sie

    gleichgltig zu sein; das ist die Quintessenzder Unmenschlichkeit.

    GEORGE BERNARD SHAW, DERTEUFELSSCHLER

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    Dank

    ahlreich sind die Freunde und die Freunde vonFreunden in Grenade, die uns geholfen haben,

    vor allem natrlich Raoul Laporterie und seine Frau Laure,ebenso seine Tochter Irene und sein Schwiegersohn Roger. AuchDominique und Nicole Houdy waren uerst freundlich wh-

    rend wunderschner Tage auf der Karibik-Insel Guadeloupe.Jack McClelland bot mir einen Vertrag an und einen ansehn-lichen Vorschu, als gerade alles sehr trbe aussah. Ein herz-licher Dank gebhrt Charles von Luttichau sowie Martin Blu-menson und Ed Cowan in Washington. Meinen Freunden JohnF. M. Hunter und Michael Marrus sowie meinem Vetter AlanG.Watson in Toronto bin ich fr guten Rat zu Dank verpflich-tet. Meine Dankbarkeit gehrt dem Ehrenwerten Douglas Mac-Arthur II in Washington fr lehrreiche Opposition. Vielen Danksage ich den Mitarbeitern des Nationalarchivs in Washington,des franzsischen Armee-Archivs in Vincennes und des wun-derbaren Public Records Office in London. Mein Dank gehrtauch Lisa Dillon und Dr. Norman Hillmer von der HistorischenAbteilung der Kanadischen Armee fr ihre Hilfe bei den Versu-chen, Dokumente in der Schweiz und in London zu finden, so-

    wie Naomi Roberts aus Ottawa, die mir wertvolle Bcher lieh.Und er gehrt Charles Israel aus Toronto fr seine Spezial-kenntnisse ber das Deutschland des Jahres 1946 sowie fr seinkenntnisreiches Gegenlesen. Tom Sommerville sowie Noreenund Charles Taylor danke ich fr geduldigen Rat whrend sovieler Jahre. Joanne Collie, M. D. R. Foot und Brian Griffithdanke ich fr viele gute Gesprche, fr Gastfreundschaft und

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    Hilfe. Oberst Henry Faulk aus Glasgow sowie Roy und RiaMcMurtry aus London und Toronto, die mir auf unterschied-lichste Weise geholfen haben, meinen Dank. David Irving hatmir unbeirrt den Weg zu sehr wertvollen Informationen gewie-sen, obwohl er wei, da ich seinen Theorien ber den Holo-

    caust und einigen seiner Theorien ber Churchill durchausfeindselig gegenberstehe. Eric Koch hat mir grozgig als Rat-geber und bersetzer beigestanden, obwohl er zumindest einHauptthema dieses Buches ablehnt.

    Mein Dank gilt Professor Peter Hoffmann aus Montreal frseinen fachmnnischen Beistand. Er hat mir Mut gemacht undan das Buch geglaubt, als das gar nicht so leicht war.

    Hans Goertz, dem Mann, der uns unversehens auf unsereerste lange Europareise schickte, ein herzliches Dankeschn.Ebenso Petra Post und Martina Rassmann in Frankfurt,Dr. Siegfried Enke und Ehefrau in Wuppertal, desgleichen Wer-ner Stecklings, Klaus Birkenhauer und Anja Kiechle in und umRheinberg sowie den vielen ehemaligen deutschen Gefangenenund kanadischen Lagerwachen, die mir ihre Zeit fr Interviewsgeopfert haben.

    Lori Thicke in Paris mille fois merci. Zu danken habe ichauch Ben Zobrist und Jane McClain aus Independence undMarlene Campbell aus Abilene. Besonders danke ich den Dok-toren Anthony und Rick Miller sowie Christy und Ben Bacquefr ihre wertvolle redaktionelle Hilfe.

    Fr die kanadische Ausgabe gilt mein Dank John Fraser inToronto, Jane Yates in Charleston, Henry Baessler und WilliPohl in Montreal und dem verstorbenen Hamilton Fish in Cold

    Spring, New York. Um sie vor Anfeindungen zu schtzen, kn-nen einige, die dankenswerter Weise zu diesem Buch beigetra-gen haben, nur mit Namen oder Spitznamen genannt werden,als da sind: Chip, Martin Brech, Fred Siegfriedt und WalterDnn. Mein besonderer Dank gilt Martin Reesink, meinemFreund und bersetzer in Moskau, der mich in die komplexeForschungsarbeit in den KGB-Archiven eingefhrt hat.

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    So viele ehemalige Wachen und Kriegsgefangene haben mirgeschrieben, da ich ihnen nicht allen namentlich dankenkann, aber ihr Zuspruch und ihre Kenntnisse haben mir sehrgeholfen.

    Dank und wieder Dank an Elisabeth Bacque, die mich unter-

    sttzt hat mit Geld, Liebe und Zeit. Du warst groartig, wie b-lich.

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    Einfhrung des Autors zur Originalausgabe

    ange konnten meine Mitarbeiterin, die hier nichtgenannt werden mchte, und ich kaum glauben,

    was wir fanden. Wir standen auf Sthlen im Dachboden einesfranzsischen Rathauses und zerrten verstaubte Aktenkartonsherunter, die Totenlisten aus den Gefangenenlagern enthalten

    sollten, die aber leer waren. Da sie leer waren, bewies viel-leicht nur, so dachten wir, da nach dem Krieg in einer Ge-meinde die Arbeitskrfte knapp gewesen waren. Die Unruhe inden Augen eines franzsischen Priesters, der sich zweimal selbstwidersprach, als er nach der Zahl der deutschen Gefangenengefragt wurde, die er in seinem Lager begraben hatte, mochte,wie wir annahmen, auf das schmerzliche Thema der franzsi-schen Lager, nicht auf Schuldgefhle zurckgehen. Die brief-liche Beschwerde eines Mitarbeiters des Roten Kreuzes aus demJahre 1945, da die Armee ihm kein Benzin geben wollte, daser brauchte, um Lebensmittel fr hungernde Gefangene heran-zuschaffen, schien ein wichtiger Punkt zu sein; aber an denRand gekritzelt waren die Worte C'est fait, was, wie wirmeinten, nur bedeuten konnte, da er das Benzin bekommenhatte. Dann fanden wir einen spteren Brief des irgendwo liegen

    gebliebenen Rote-Kreuz-Mitarbeiters, in dem er klagte, da ertrotz der Versprechungen noch immer kein Benzin bekommenkonnte. Franzsische Bewacher, die in demselben Lager gewe-sen waren wie der Priester, sagten, die Zahl der Todesflle seisogar noch grer gewesen als die Zahl, die der Priester in Ab-rede gestellt hatte. Immer mehr Bruchstcke tauchten auf, biswir uns in einer seltsamen Verfassung wiederfanden - ber-

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    zeugt durch eine groe Masse an Beweisen, da unsere Gesell-schaft ein furchtbares Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatte, an das wir nicht glauben mochten. Jeden Taghatten wir aufs Neue zu whlen zwischen der furchtbarenWahrheit und der hbschen Legende, die man uns ber unsere

    Geschichte erzhlt hat.Als wir die erste Phase der Recherchen in Frankreich abge-

    schlossen hatten, die jenseits jeden Zweifels bewiesen, da sichin jenen Lagern eine Katastrophe ereignet hatte, lagen uns vielekleine Beweise fr die amerikanische Tragdie vor. Wir fanden,da wir nun auch in Washington nachforschen mten, wennes auch absurd erschien, da die Armee der Vereinigten StaatenBeweise fr ihre eigenen Greuel aufbewahrt haben sollte. Inden Archiven der US Army an der Pennsylvania Avenue fandenwir die Dokumente mit dem Titel Weekly Prisoner of War andDsarmed Enemy Forces Report - Wchentlicher Bericht berKriegsgefangene und entwaffnete feindliche Streitkrfte. Injeder Woche gab es unter dem Untertitel Other Losses - Sons-tige Verluste - Statistiken, die den franzsischen Statistikenparallel liefen.

    Das war berzeugend, aber nur fr uns. Sonstige Verluste,das konnte nur Todesflle bedeuten, aber ausgesprochen wurdedas nicht. Die darunter aufgefhrten Zahlen paten zu allemanderen, was wir wuten. Hier steckte der Beweis, verschls-selt. Wer aber konnte ihn entschlsseln?

    Auf meiner Suche gelangte ich an die Tr von Oberst PhilipS. Lauben, dessen Name auf dem SHAEF-Verteiler fr Geheim-dokumente stand. Er war Chef der Abteilung fr deutsche An-

    gelegenheiten im Obersten Hauptquartier der alliierten Expedi-tionsstreitkrfte (SHAEF) gewesen. Ihm hatten whrend vielerkritischer Monate die Gefangenen-berstellungen und dieRepatriierung unterstanden. Deshalb wute ich, da er infor-miert sein wrde.

    In seinem Wohnzimmer entrollte ich die Fotokopien der Do-kumente und versuchte dabei, ganz ruhig zu bleiben. Die Wor-

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    te, die er in den nchsten Minuten sprechen wrde, mutenentweder die ganze Arbeit zunichte machen, die wir mehr alsein Jahr lang geleistet hatten, oder sie muten beweisen, dawir eine bedeutende historische Entdeckung gemacht hatten.Lauben und ich gingen eine Rubrik nach der anderen durch, bis

    wir zu Sonstige Verluste kamen. Lauben sagte: Das bedeu-tet Todesflle und Flle von Flucht.

    Wie viele Flle von Flucht?, fragte ich.Sehr, sehr wenige, meinte er. Wie ich spter feststellte,

    machten die Flle von Flucht weniger als 0,1 % aus.Einmal im gesicherten Besitz dieses unangreifbaren Beweises,war es mglich, Schritt fr Schritt die anderen Informationenzu sammeln und in die zusammenhngende Form dieses Bucheszu bringen.

    Wegen weit verbreiteter Verschleierung und weil einige Ge-fangenen-Dokumente schon bei ihrer Ausfertigung irrefhrendwaren, wird die Zahl der Toten wahrscheinlich immer umstrit-ten sein. Viele Akten wurden in den fnfziger Jahren vernichtetoder in Euphemismen versteckt. Viele Lgen sind in dichtenSchichten ber die Wahrheit gepackt worden.

    Auer jedem Zweifel steht, da vom April 1945 an Mnnerin enormer Zahl sowie etliche Frauen, Kinder und alte Leute inden amerikanischen und franzsischen Lagern in Deutschlandund Frankreich an klima- und witterungsbedingten Krankhei-ten, an den Folgen unzureichender Hygiene, an Krankheit undHunger gestorben sind. Die Zahl der Opfer liegt zweifellos beimehr als 800000, beinahe mit Sicherheit bei mehr als 900000und durchaus wahrscheinlich bei mehr als einer Million. Die

    Ursachen ihres Todes wurden wissentlich geschaffen von Ar-mee-Offizieren, die ber gengend Lebensmittel und andereHilfsmittel verfgten, um die Gefangenen am Leben zu erhal-ten. Hilfsorganisationen, die versuchten, den Gefangenen in denamerikanischen Lagern zu helfen, wurde die Erlaubnis dazuvon der Armee verweigert. Das alles wurde damals verheimlichtund dann unter Lgen verdeckt, als das Rote Kreuz,Le Monde

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    und Le Figaro versuchten, ffentlich die Wahrheit zu sagen.Akten sind vernichtet, gendert oder als geheim unter Verschlugehalten worden. Dies geht bis auf den heutigen Tag weiter.

    Kanada und Grobritannien, die Verbndeten Frankreichsund der USA, brachten unter demselben Oberkommando,

    SHAEF, ebenfalls Millionen von Gefangenen ein, folglich sahenwir uns nach Hinweisen ber das Geschehen auch in ihren La-gern um. Das Schicksal der Deutschen in den britischen und ka-nadischen Lagern ist nicht so klar, aber es gibt so gut wie keinZeichen fr hnliche Greuel. Einige Hinweise von den Armeenselbst, vom IKRK und von den Gefangenen deuten darauf hin,da nahezu alle Gefangenen bei guter Gesundheit berlebt ha- ben, ausgenommen etwa 400000 Personen, die von den Ame-rikanern 1945 den Briten bergeben wurden. Es sind viele da-runter, die whrend des Transports starben. Als die kanadischeArmee 1988 die britische Regierung um die bergabe des wich-tigen Phillimore-Berichts ber deutsche Gefangene in britischerHand bat, wurde ihr das verweigert, mit der Begrndung, daer immer noch gebraucht wrde. Praktisch nichts hat sichber das Schicksal von Millionen deutscher Gefangener in ka-

    nadischer und britischer Hand in Deutschland in den Archivenvon Ottawa und London erhalten. Das Internationale Komiteevom Roten Kreuz (IKRK) in Genf, das seine Archive vor kur-zem fr zwei Autoren ffnete, die Material ber NS-Gefange-nenlager suchten, verweigerte mir die Erlaubnis, in denselbenArchiven nach Berichten ber britische und kanadische Kriegs-gefangenenlager zu suchen. Das IKRK verweigerte mir auchwiederholt die Erlaubnis, Briefe zu diesem Thema einzusehen,

    obwohl meine Bitten ihm von der kanadischen Armee und vomKanadischen Roten Kreuz zugeleitet worden waren.Sowohl die Briten als auch die Kanadier hatten Kenntnis da-von, was in den amerikanischen Lagern vorbereitet wurde. DieBriten wurden Zeugen der Greuel in mindestens einem Lager. Nur die kanadische Regierung erhob Protest, ein einzigesMal.

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    Der Wert einer humanen, freien Presse und Legislative isteines der Themen dieses Buches.

    Vier Personen vor allem schulde ich besonderen Dank. Ohnedie Aufrichtigkeit und den Mut von Oberst Philip S. Laubenwre die Wahrheit nicht ans Licht gekommen. Oberst Ernest F.

    Fisher hat dieses Buch sehr viel zu verdanken. Frher Ober-leutnant im 101. Luftlanderegiment, spter Oberst der US Ar-my, ist Ernest Fisher auch ein verdienter Armee-Historiker, Au-tor der Studie Cassino To The Alps, geschrieben, als er SeniorHistorian des United States Army Center For Military Historywar. Ernest Fisher verfgte ber das Wissen, das ich als Richt-schnur brauchte, und stellte es mir grozgig zur Verfgung.Zusammen mit seiner Frau Elsa verbrachte er viele Stunden mitder Sichtung von Dokumenten in den US National Archives. Erwar es, der das entscheidend wichtige Dokument mit dem TitelMedical History of the ETO fand. Zusammen haben wir diesesund viele andere Dokumente in Washington, Suitland und Le-xington, Virginia, studiert. Ein tapferer, kluger, bescheidenerMann und ein gewissenhafter Gelehrter und treuer Freund.

    Mein besonderer Dank gilt Elisabeth, die mich nie eingeengt

    und die mich immer untersttzt hat.Zweifellos werden viele Gelehrte Fehler in diesem Buch fin-den; es sind ausschlielich meine. Ich begre ihre Kritik undihre knftigen Forschungen, die dazu beitragen mgen, dieWahrheit fr uns wiederherzustellen nach einer langen Nachtder Lgen.

    James Bacque, Toronto 1989

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    Vorbemerkung des Autorszur aktuellen Ausgabe

    ieses Buch, das seit 1989 sukzessive in Deutsch-land, Kanada und den Vereinigten Staaten er-

    schienen ist, wurde im Laufe der Zeit mehreren nderungenund Ergnzungen unterzogen; die deutsche Ausgabe wurde zu-letzt 1993 aktualisiert und danach bis zur 8. Auflage 1999 un-verndert nachgedruckt. In die vorliegende Ausgabe sind aktu-ellste Erkenntnisse zur Unterdrckung von Beweisen durch dieRegierungen Deutschlands, der Vereinigten Staaten und derSowjetunion eingearbeitet worden. Neu gewonnene Informa-tionen aus dem Zentralen Staats-Sonderarchiv in Moskau ha-

    ben die in diesem Buch vertretenen Thesen im Wesentlichen be-sttigt. Sie wurden zunchst in die kanadische Ausgabe von1999 aufgenommen, die dieser berarbeiteten deutschen Aus-gabe zugrunde liegt. Die umfangreichste Bearbeitung erfuhrhierbei Epilog 2, der in der kanadischen Ausgabe als Introduc-tion to the Second Revised Edition erscheint. Eine berarbei-tung erfuhren auch Anhang l, die Karten der Lager in Deutsch-

    land und Frankreich, die um einige Lager erweitert wurden,sowie die Bibliographie. Anhang 8 erscheint erstmals in diedeutsche Ausgabe aufgenommen. Einige kleinere Fehler undunglckliche Formulierungen der ursprnglichen Fassung wur-den ausgemerzt. Nicht zuletzt wurde dieses Buch mit neuemBildmaterial ausgestattet.

    JWB, Penetanguishene, Ontario, September 2002

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    Vorwort

    Von Oberst Dr. Ernest F. Fisher Jr.

    nde April 1945 ertnte am grten Teil der West-front statt Kanonendonners das Schlurfen von

    Millionen Stiefeln der Kolonnen entwaffneter deutscher Solda-ten. Erschpft marschierten sie den Stacheldrahtumzunungender Alliierten entgegen. Versprengte Feindeinheiten feuerten ein

    paar Salven, bevor sie sich im Lande auflsten und schlielichvon alliierten Soldaten gefangen genommen wurden.

    Die Massenkapitulation im Westen stand in auffallendemKontrast zu den letzten Wochen an der Ostfront, wo die ber-lebenden Wehrmachtseinheiten noch die vorrckende RoteArmee bekmpften, um so vielen Kameraden wie mglich dieGefangenschaft durch die Russen zu ersparen.

    Dieses war die letzte Strategie des deutschen Oberkomman-dos damals unter Groadmiral Dnitz, der von Adolf Hitlerzum Oberkommandierenden ernannt worden war, indem erReichsmarschall Grings Kapitulation an den Westen folgte.

    Vom deutschen Standpunkt aus lieferte diese Strategie Mil-lionen deutscher Soldaten in die, wie sie glaubten, gndigerenHnde der Westalliierten aus, die unter dem militrischen Ober-kommando von General Dwight Eisenhower standen. Jedoch

    General Eisenhowers grimmigem und besessenem Ha ausge-liefert, der sich nicht nur gegen das Naziregime, sondern vorallem gegen alles Deutsche berhaupt richtete, lie sich dieserGlaube bestenfalls als ein verzweifeltes Glcksspiel bezeichnen.Mehr als 5 Millionen deutscher Soldaten in den amerikanischenund franzsischen Zonen wurden in Stacheldrahtkfigen zu-sammengepfercht, viele von ihnen buchstblich Schulter an

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    Schulter. Der Boden unter ihnen entwickelte sich bald zu einemSumpf aus Dreck und Krankheit. Dem Wetter ausgesetzt, ohne jegliche auch nur primitive sanitre Einrichtungen, dazu unter-ernhrt, begannen die Gefangenen sehr bald an Hunger und

    Krankheiten zu sterben. Vom April 1945 an vernichteten dieamerikanischen und franzsischen Armeen ungefhr l MillionMnner, vornehmlich in den amerikanischen Lagern. - Niemalsseit den Greueln in dem von Konfderierten verwalteten Ge-fngnis in Andersonville whrend des amerikanischen Brger-krieges hatten solche Grausamkeiten unter amerikanischer Mi-litrkontrolle stattgefunden. Mehr als 4 Jahrzehnte lag diesebeispiellose Tragdie in alliierten Archiven verborgen.

    Wie kam schlielich dieses gewaltige Kriegsverbrechen ansLicht? Die ersten Hinweise wurden 1986 durch den AutorJames Bacque und seine Mitarbeiterin aufgedeckt. Bei ihrenNachforschungen zu einem Buch ber Raoul Laporterie, einenfranzsischen Widerstandshelden, der ungefhr 1600 Flchtlin-ge vor den Nazis gerettet hatte, interviewten sie einen ehemali-gen deutschen Soldaten, der 1946 ein Freund von Laporterie ge-

    worden war. Laporterie hatte diesen Mann, Hans Goertz, undeinen anderen 1946 aus einem franzsischen Gefangenenlagergeholt, um ihnen in seiner Ladenkette Arbeit als Schneider zugeben. Goertz erklrte, da Laporterie mein Leben rettete, da25 % der Menschen in diesem Lager in einem Monat starben.Woran sind sie gestorben? Hunger, Ruhr, Krankheiten.

    Nachdem Bacque die Unterlagen des Lagers, in dem Goertzinhaftiert war, so weit wie mglich berprft hatte, fand er he-

    raus, da es eines aus einer Gruppe von dreien war, in einemSystem von 1600 Lagern. Und alle waren, gem dem Berichtdes Internationalen Roten Kreuzes, den er in den franzsischenArmeearchiven in Vincennes, Paris, gefunden hatte, gleichschlecht ausgestattet. Schon bald stieen sie auf den erstenhandfesten Beweis von Massensterben in den von den Ameri-kanern kontrollierten Lagern. Der Beweis wurde in Armeebe-

    richten unter der harmlosen Rubrik Other Losses gefunden.

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    Die schreckliche Bedeutung dieses Begriffes wurde Bacque balddarauf von Oberst Philip S. Lauben, dem frheren Chef frdeutsche Angelegenheiten (SHAEF), erlutert.

    Im Frhling 1987 trafen Mr. Bacque und ich uns in Washing-

    ton. Whrend der folgenden Monate arbeiteten wir zusammenin den Nationalarchiven und in der George C. Marshall Stif-tung in Lexington, Virginia, indem wir die Beweisstcke, diewir fanden, zusammenfgten. Die Plne, die von hchsten bri-tischen und amerikanischen Regierungsstellen 1944 gemachtwurden, brachten den Entschlu zum Ausdruck, Deutschlandein fr alle Mal als Weltmacht zu zerstren, indem man es aufeine einfache Agrarwirtschaft reduzieren wollte, obwohl diesesden Hungertod fr Millionen von Zivilisten bedeutet htte. Bisheute sind sich die Historiker darber einig, da die alliierteFhrung schon bald ihre destruktiven Plne wegen des ffent-lichen Widerstandes aufgehoben hatte.

    Eisenhowers Ha, toleriert von einer ihm gefgigen Militr- brokratie, erzeugte diesen Horror der Todeslager, der mitnichts in der amerikanischen Militrgeschichte vergleichbar ist.

    Angesichts der katastrophalen Folgen dieses Hasses ist die ls-sige Gleichgltigkeit, die die SHAEF-Offiziere (des Hauptquar-tiers der alliierten Expeditionskrfte) an den Tag legten, dieschmerzlichste Seite der amerikanischen Verstrickung.

    Nichts lag der groen Mehrheit der Amerikaner 1945 ferner,als so viele unbewaffnete Deutsche nach dem Krieg zu tten.Eine Vorstellung der Gre dieses Schreckens kann man ge-winnen, wenn man sich vor Augen fhrt, da diese Todesraten

    bei weitem alle jene bertreffen, die durch die deutsche Armeeim Westen zwischen Juni 1941 und April 1945 erlitten wurden.In dem nachfolgenden Bericht wird der Schleier ber dieserTragdie gelftet.

    Dr. Ernest F. Fisher, jun.; Oberst der Armee der VereinigtenStaaten von Amerika (pensioniert), Arlington, Virginia, 1988

    (bersetzt von Lotte und Willy Brgmann)

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    1. Deutschlands Schicksal wird entschieden

    osef Stalin sagte beim Abendessen, da er nachdem Krieg 50 000 deutsche Offiziere zusammen-

    treiben mchte, um sie zu erschieen. Winston Churchill warentsetzt. Lieber wrde ich mich hier und jetzt in den Gartenfhren und erschieen lassen, als meine eigene und die Ehre mei-

    nes Landes durch eine solche Infamie beflecken zu lassen, ant-wortete er mit Heftigkeit. Franklin Roosevelt reagierte mit Al-bernheit und schlug als Kompromi vor, nur 49 000 Gefangenezu erschieen. Stalin, der Gastgeber, veranstaltete eine Umfrageunter den neun Mnnern am Tisch. Der Sohn des Prsidenten,Elliott Roosevelt, Brigadegeneral der US Army, erwiderte miteinem Trinkspruch auf den Tod nicht nur jener fnfzigtau-send ... sondern ebenso vieler Hunderttausender weiterer Na-zis. Starr vor Staunen hrte Churchill ihn sagen: ... und ichbin berzeugt, da die Armee der Vereinigten Staaten das un-tersttzen wird. Hocherfreut umarmte Stalin den jungenRoosevelt und brachte seinerseits einen Trinkspruch auf denTod der Deutschen aus.

    Churchill erhob sich. Wissen Sie, was Sie da sagen?, schrieer Elliott Roosevelt an. Wie wagen Sie es, so etwas zu sagen!

    Er strmte aus dem Speisesaal in ein dunkles und leeres Ne-benzimmer. Das Haus, es handelte sich um die sowjetische Bot-schaft in Teheran im Jahre 1943, war ihm nicht vertraut. Erwar weit entfernt von seinen eigenen Truppen, voller Zorn hat-te er gerade dem besten amerikanischen Freund, den die Briten je hatten, den Rcken gekehrt, aber er bedauerte nicht, was ergetan hatte. Einen Augenblick spter sprte er, wie jemand ihm

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    den Arm um die Schulter legte. Stalin stand dort mit Molotow.Stalin war bezaubernd. Es sei doch alles nur ein Scherz, sagte er.Wir haben das doch nicht im Ernst gemeint. Kommen Sie zu-rck.

    Churchill kehrte in den Speisesaal zurck. Aber weder da-

    mals noch spter glaubte er, da hinter all ihren Worten keinebse Absicht lauerte.1

    Weder Roosevelt noch Churchill hegten den geringstenZweifel daran, da Stalin meinte, was er sagte, denn Churchillhatte Roosevelt schon davon in Kenntnis gesetzt, da eine in-ternationale Untersuchungskommission in Katyn (Polen) zudem Schlu gelangt war, da die Russen viele tausend Offizie-re der polnischen Armee ermordeten, nachdem sie sich bereitsergeben hatten.

    Bis zu dieser Konferenz von Teheran war so gut wie kein Ge-danke darauf verwendet worden, was die Briten und Amerika-ner durch ihre ungeheuren Anstrengungen eigentlich zu errei-chen hofften. Als Resultat frherer Begegnungen zwischenChurchill und Roosevelt waren etliche Platitden verkndetworden, aber die liefen auf wenig mehr als eine Wiederholung

    alter Erzhlungen ber die guten Absichten der westlichen De-mokratien hinaus. Das einzige klare Kriegsziel der Alliierten bestand darin, den Krieg zu gewinnen. Roosevelt hatte diesdeutlich gemacht, als er im Januar 1943 whrend seiner Begeg-nung mit Churchill in Casablanca nach so gut wie keiner Bera-tung pltzlich verkndete, da die Bedingungen, die manDeutschland und Japan anbieten werde, schlicht die totale Ka-pitulation und nichts anderes sein wrden.

    Das Desaster der Lager lag unter dieser Bedingung verbor-gen, denn die Abschaffung der deutschen Regierung bedeuteteden Verlust aller Vertragsrechte, einschlielich des Schutzes derGefangenen gem der Genfer Konvention. Stalin gefiel dieseBedingung nicht, und so riefen die Auenminister, die sich im November 1943 in Moskau trafen, die European AdvisoryCommission ins Leben, die sich mit dem Problem beschftigen

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    sollte, wie mit Deutschland nach dem Kriege zu verfahren sei;dabei sollte eine mgliche Teilung des Landes ins Auge gefatwerden.2 Dieses war der Ursprung der Teilung Deutschlands invier alliierte Zonen, die russische, britische, amerikanische und

    franzsische (siehe Karte S. 450).Dies erschien jedoch im Jahre 1943 alles andere als dringlich.

    Die Deutschen hielten Europa von der Nordspitze Norwegensbis in die Mitte des Mittelmeers, von der spanischen Grenze bistief nach Ruland hinein besetzt.

    Das Dilemma, vor dem die Planer standen, war seit fasteinem Jahrhundert Teil der europischen Geschichte. Deutsch-land war so aggressiv, da alle anderen Mchte in stndigerAngst um ihr Leben zitterten. Wie sollten sie sich gegen dieDeutschen schtzen? Selbst die Aussicht auf ein geschlagenesDeutschland jagte den alliierten Planern Angst ein, denn siekonnten vor ihrem inneren Auge schon sehen, wie Deutschlandsich ein zweites Mal aus der Asche erhob, um einen drittenWeltkrieg anzuzetteln. Wie konnte man das verhindern? Chur-chill und die Briten dachten daran, Deutschland gerade ausrei-

    chend zu schwchen, um es zu einem ntzlichen Satelliten ge-gen Ruland zu machen.3 Die Amerikaner waren gespalten,einige waren fr einen milderen Frieden, andere hegten Rache-gelste. Roosevelt war, zu verschiedenen Zeiten, beides, manch-mal beides zugleich.

    Der erste Amerikaner mit Kabinettsrang, der die Arbeit derKommission ernst nahm, war Finanzminister Henry C. Mor-genthau. Whrend einer Europareise im Sommer 1944 erkannte

    Morgenthau, da die Alliierten einige erstklassige Plne hatten,um in Deutschland einzudringen, aber nicht die geringste Vor-stellung davon, was zu tun sei, sobald sie da waren. Auenmi-nister Anthony Eden referierte ihm aus den Protokollen derTeheraner Konferenz die Diskussion ber die mgliche Auftei-lung Deutschlands, aber niemand dachte darber nach, wieman dabei zu Werke gehen solle. Morgenthau konnte die

    Schlappheit der Briten nicht begreifen. Er wute, da Eden

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    verstanden hatte, was da beschlossen worden war, denn er war ja dabei gewesen, aber dennoch fhrte sein Mann, Sir WilliamStrang, der Grobritannien in der European Advisory Com-mission vertrat, seine Anweisungen nicht aus.4 Zufrieden war

    Morgenthau nur mit dem Oberbefehlshaber der Alliierten Ex- peditionsstreitmacht, General Dwight Eisenhower, der ihm er-klrte, er wolle sie hart anpacken, sobald er in Deutschlandsein werde.5

    Plne dafr arbeitete die European Advisory Commissionnicht aus, berichtete Morgenthau dem Prsidenten im WeienHaus. Niemand befat sich mit der Frage, wie Deutschlandso hart angepackt werden soll, wie Sie es wnschen, sagte erzum Prsidenten.

    Geben Sie mir dreiig Minuten mit Churchill und ich bringedas ins Lot, erwiderte Roosevelt. Wir mssen hart mitDeutschland umgehen, und ich meine das deutsche Volk, nichtnur die Nazis. Entweder mssen wir das deutsche Volk kastrie-ren, oder man mu die Deutschen in einer Weise behandeln,da sie nicht immerzu Leute in die Welt setzen, die so weiter-

    machen wollen wie frher. 6

    Henry Morgenthau, der nach den Worten von Eleanor Roo-sevelt, der Frau des Prsidenten, Franklins Gewissen war,machte sich rasch an die Arbeit, um Plne aufzustellen, wieDeutschland hart anzupacken sei. Wenige Tage spter lud Roo-sevelt Morgenthau nach Quebec City ein, damit er Churchillvon seinem Plan berichte.

    Morgenthau befand sich in einer eigentmlichen Situation,

    als er am 13. September 1944 bei strmendem Regen in Que-bec aus dem Zug stieg, um sich den beiden groen Mnnern beiihren Beratungen zuzugesellen. Er war da, um bei der Planungeiner Deutschlandpolitik zu helfen, was korrekterweise Sachedes Auenministeriums war. Aber Cordell Hull, der Auenmi-nister, war in Quebec nicht zugegen. Auch an der TeheranerKonferenz hatte Hull nicht teilgenommen. Nicht einmal die

    Protokolle der Teheraner Konferenz hatte man ihm gezeigt, ob-

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    wohl er darum gebeten hatte.7 Zu einem Teil war das daraufzurckzufhren, da Roosevelt auswrtige Angelegenheitengern selbst in die Hand nahm. Henry Morgenthau aber hatte ergebeten, mit seinem Plan zu kommen. Morgenthau hatte den

    verdacht, da Roosevelt das tat, weil es ihm nicht gelungenwar, Churchill dafr zu gewinnen, Deutschland hart anzupa-cken. Roosevelt, im Unklaren darber, was er denn nun eigent-lich nach dem Krieg mit Deutschland anstellen wollte, ging insich, um endlich zu einer Entscheidung zu gelangen.

    Die Zeit begann knapp zu werden. Die Stadt Aachen imWesten des Reiches lag unmittelbar vor Eisenhowers Panzer-spitze. Die kanadischen und britischen Armeen strmten durchHolland und Belgien nach Nordosten voran, als Morgenthauund Lord Cherwell, Churchills ranghchster Berater, zusam-mentrafen, um zu errtern, was die Alliierten eigentlich tunsollten, sobald sie die deutsche Grenze berquert hatten.

    Die konkreten Gedanken in Morgenthaus Aktentasche saheneine Pastoralisierung vor durch die Zerstrung der deutschenIndustrie und der Kohlebergwerke. Die am weitesten fortge-

    schrittene Industrienation der Welt sollte in einen riesigen Bau-ernhof verwandelt werden. Die deutsche Industrie hatte unteranderem die Aufgabe gehabt, gengend Lebensmittel fr einVolk zu verdienen, das nicht genug Land hatte, um sich selbstzu ernhren. Hitlers Absicht war es gewesen, hier Abhilfe zuschaffen, indem er Land im Osten unter den deutschen Pflugnahm. Das deutsche Territorium wrde jetzt infolge russischerund polnischer Erwerbungen schrumpfen, die westdeutsche Be-

    vlkerung wrde durch den Zustrom von deutschen Flchtlin-gen aus diesen Gebieten stark anwachsen, es wrde also zumassiven Hungersnten kommen, wenn die deutsche Industrievernichtet wrde. Wie Cordell Hull feststellte, wrde derMorgenthau-Plan in Deutschland alles hinwegfegen mit Aus-nahme des Landes, und die Deutschen wrden auf dem Landeleben mssen. Das bedeutete, da nur 60 % der deutschen Be-

    vlkerung sich aus dem deutschen Boden wrden ernhren

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    knnen und die anderen 40% wrden sterben. Hull sprichthier vom Tod von ungefhr 20 Millionen deutschen Zivilis-ten.8

    Morgenthau und sein brillanter Assistent, Harry Dexter

    White, hatten nur wenig Zeit, um ihre Sache vorzubereiten, be-vor Churchill sich darauf strzte. Noch am selben Abend, beimDinner in der Zitadelle von Quebec City, wollte Churchill un-verzglich ber Deutschland diskutieren. Roosevelt wandtesich an Morgenthau und bat ihn, den Plan zu erlutern. Chur-chill sah sofort, was auch Hull gesehen hatte. Wie White be-richtet hat, sagte Churchill, der Plan sei unnatrlich, unchrist-lich und unntig.9 Gereizt fragte er, ob man ihn diese langeReise habe machen lassen, um ein Vorhaben zu errtern, dasbedeuten wrde, England an einen Leichnam zu ketten.Admiral Land von der US-Marine war Feuer und Flamme. Umseiner Untersttzung Morgenthaus Nachdruck zu verleihen,schlug er mehrfach mit geballter Faust auf den Konferenztisch.Die Diskussion wurde fr diesen Abend abgebrochen.

    Bei einem Spaziergang in der belebenden Luft von Quebec

    legten Lord Cherwell, Churchills Berater, und Morgenthau sicheinen Plan zurecht, wie man Churchills Widerstand berspielenknne. Bei der nchsten Zusammenkunft, an der Cherwell,Roosevelt, Churchill, der britische Auenminister AnthonyEden, Morgenthau und Cadogan, der Assistent Edens, teilnah-men, bat Churchill, als die Deutschlandfrage wieder zur Spra-che kam, um das Protokoll der vorherigen Diskussion. Cher-well und Morgenthau sagten, wie sie vereinbart hatten, da es

    noch nicht fertig sei. Ob der Premierminister ein Resmee ge-ben mchte? Stolz auf seine Fhigkeit, aus dem Stegreif zu spre-chen, und auf sein Gedchtnis auch fr Details, extemporierteChurchill das Protokoll und verfolgte dabei eine viel hrtereLinie gegen Deutschland als zuvor. Das hatte Cherwell voraus-gesehen. Eifrig wies Morgenthau darauf hin, da sich briti-schen Produzenten bei einer Zerstrung der deutschen Industrie

    ganz neue Mrkte erffnen wrden. Die Konkurrenz um Roh-

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    Stoffe werde sich verringern. Das alles werde auch fr die Ame-rikaner und die Franzosen gelten.

    Morgenthau bestritt, da die Deutschen hungern wrden.Spter, in seinem 1945 mit Zustimmung Roosevelts verffent-

    lichten Buch Germany Is Our Problem, legte Morgenthau dar,da Deutschland vor dem Krieg 98,2 % seines eigenen Bedarfsan Brotgetreide, den Gesamtbedarf an Kartoffeln und Zucker,92,3 % des Gemses, 96,7% an Fleisch und Geflgel sowie dengesamten Bedarf an Milch selbst erzeugt habe. Nur ungefhr14% davon werde im Durchschnitt verloren gehen, wenn dievorgeschlagene Neuordnung der deutschen Grenzen stattgefun-den habe.10

    Das wirtschaftliche Argument berzeugte Churchill, der jetztzu Morgenthau und Cherwell berschwenkte. Anthony Edenwar schockiert. Das kann man nicht machen!, rief er aus.Schlielich haben Sie und ich ffentlich genau das Gegenteilgesagt.

    Nach einer lngeren Auseinandersetzung brachte ChurchillEden zum Schweigen: Nun hoffe ich aber, Anthony, da Sie in

    dieser Sache nichts im Kriegskabinett unternehmen, wenn Sieeine Gelegenheit sehen, die Sache vorzutragen ... schlielichsteht hier die Zukunft meines Volkes auf dem Spiel, und wennich zwischen meinem Volk und dem deutschen Volk whlenmu, dann werde ich mich fr mein Volk entscheiden.11

    Morgenthau war ungeheuer glcklich ber die Konferenz,weil wir genau das erreicht haben, was wir von Anfang anerreichen wollten. Und das waren die Initialen WSC und FDR

    unter einer geheimen Aktennotiz, die folgenden Wortlauthatte:

    In einer Besprechung zwischen dem Prsidenten und demPremierminister ber die am besten geeigneten Manahmenzur Verhinderung einer neuen Wiederaufrstung durchDeutschland wurde festgestellt, da ein wesentlicher Punkt

    die zuknftige Disposition der Ruhr und der Saar sei.

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    Die Mhelosigkeit, mit der die metallurgische, chemischeund die Elektroindustrie in Deutschland vom Frieden auf denKrieg umgestellt werden kann, hat uns bittere Erfahrungnachdrcklich gelehrt. Es mu auch bedacht werden, da

    die Deutschen einen groen Teil der Industrie Rulands undanderer benachbarter Alliierter verwstet haben, und es istnur gerecht, wenn diese schwer in Mitleidenschaft gezogenenLnder ein Anrecht darauf erhalten, die Anlagen abzutrans- portieren, um die von ihnen erlittenen Verluste auszuglei-chen. Die erwhnten Industriezweige an Ruhr und Saar wr-den deshalb notwendigerweise stillgelegt und geschlossen. Esbestand bereinstimmung, da die beiden Bezirke einem derWeltorganisation nachgeordneten Gremium unterstellt wer-den sollten, das die Demontage dieser Industriezweige be-aufsichtigen und sicherstellen wrde, da sie nicht unter ir-gendeinem Vorwand wieder in Betrieb genommen werden.Dieses Programm zur Ausschaltung der kriegstiftenden In-dustrien an Ruhr und Saar ist darauf gerichtet, Deutschlandin ein Land von vorwiegend agrarischem und weidewirt-

    schaftlichem Charakter zu verwandeln.Der Premierminister und der Prsident befanden sich bezg-lich dieses Programms in bereinstimmung.

    OK: FDR/WSC16. September 1944. 12

    Kurz nach ihrer Paraphierung wurde diese Aktennotiz zum

    Gegenstand einer erbittert gefhrten Diskussion im Kabinettder Vereinigten Staaten. Cordell Hull sagte: Diese ganze Ent-wicklung in Quebec hat mich, glaube ich, strker in Zorn ver-setzt als irgendein anderes Geschehnis whrend meiner Zeit alsAuenminister. Wenn der Morgenthau-Plan durchsickerte -was unweigerlich geschehen mute -, dann knnte das durch-aus einen deutschen Widerstand bis zum bitteren Ende bedeu-

    ten, der den Tod von vielen tausend Amerikanern verursachenwrde.13

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    Die Macht der Presse und der ffentlichen Meinung offen-

    barte sich sofort nach Einsetzen der von Hull vorausgesehenenIndiskretionen. Gegner des Plans wuten, da sie eine guteChance hatten, ihn zunichte zu machen, wenn sie nichts weiter

    taten, als ber den Kopf von Morgenthau und Roosevelt hin-weg durch die Presse direkt an die Whlerschaft zu appellieren.Die ffentlichkeit reagierte beinahe geschlossen mit einer Ab-sage an Racheakte, ganz wie Hull es erwartet hatte. Drew Pear-son in der Washington Post, Arthur Krock in der New YorkTimes und viele andere deckten Aspekte des Plans auf und auch prickelnde Einzelheiten des Streits, der in den Korridoren derMacht tobte.

    Die Pioneer Press von St. Paul, Minnesota, vernichtete dasganze Vorhaben in sieben beredten Abstzen, die so begannen:Prsident Roosevelt drckt sich in seinen Kundmachungengern gewunden aus und neigt zu Spiegelfechtereien, um Fehlerzu vertuschen. Der Prsident hatte versucht, die Presse und dieffentlichkeit ber den durchgesickerten Morgenthau-Plan zutuschen, indem er einen Brief ber ein ganz anderes Thema

    verffentlichte, der zeigen sollte, da der Morgenthau-Plankeine offizielle Politik sei. Die Zeitung fuhr fort: Die Weltwei, da Herr Goebbels dafr gesorgt hat, da der Plan dasOhr eines jeden Deutschen erreichte. Hier sehe man, erklrteer, was man von einer Niederlage zu erwarten habe. Das sei es,was die Vereinigten Staaten Deutschland anzutun gedchten ...Ungefhr zur selben Zeit lie General Eisenhower Flugbltterber Deutschland abwerfen, in denen versprochen wurde, da

    unschuldige Menschen keine Vergeltungsmanahmen zu be-frchten htten... Die wirksamste Gegenpropaganda kamdurch Goebbels aus Washington. Die Zeitung schlo mit demSatz: Weil er die Macht hat, die Tatsachen zu verbergen, kannseine Erklrung nicht widerlegt werden ... (aber) er mute (denPlan) zurckziehen. In Kalifornien schrieb die San FranciscoChronicle sarkastisch: Dies ist nun geregelt und beigelegt, in-

    soweit derartige Konflikte jemals geregelt und beigelegt werden

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    in dieser Administration, die fortwhrend Einmischungen der ei-nen Behrde in die Angelegenheiten einer anderen zult.14

    Roosevelt distanzierte sich sofort von jeglicher Schuld. Mitbreitem Lcheln sagte er zu Henry L. Stimson, seinem Kriegs-

    minister, er meine, da Henry [Morgenthau] sich hier abertchtig in die Nesseln gesetzt15 habe, ganz so, als stnde unterder Aktennotiz neben Churchills Initialen in Wahrheit HCMund nicht FDR.

    Roosevelt versuchte, Auseinandersetzungen zu meiden, denner wurde in den letzten sechs Monaten seines Lebens recht hin-fllig. Auerdem war er in erschreckender Weise vergelich.Morgenthau pflegte deshalb wichtige Punkte mindestens zwei-mal zu wiederholen, um sicherzustellen, da er ihn auch ver-standen hatte. Er gab zu, da er die katastrophalen Konsequen-zen dessen, was er mit seinem Freunde Churchill in Quebecunterschrieben hatte, nicht gesehen habe. Stimson las ihm diedrei Stze vor, einschlielich der Worte Deutschland in einLand von vorwiegend agrarischem und weidewirtschaftlichemCharakter zu verwandeln. Roosevelt war erschttert, be-

    richtete Stimson. Er sagte, er knne nicht begreifen, wie erdas jemals habe abzeichnen knnen.16 Das war am 3. Okto-ber, weniger als drei Wochen nachdem er es paraphiert hatte.

    Wie bizarr das Unterfangen ist, die Zukunft einer fremden Nation zu planen, wurde an einer seltsamen Aussage Roose-velts deutlich. Er schwelgte in Erinnerungen an die glcklichenJahre, in denen er die hohen Wlder der Dutchess County anden Ufern des Hudson erforscht hatte, und meinte pltzlich:

    Es gibt gar keinen Grund, warum Deutschland nicht auf denStand von 1810 zurckgehen knnte ... sie wren wohl versorgtmit allem Ntigen, nur auf Luxus mten sie verzichten.17 Ersagte, er denke daran, wie die Menschen 1810 in der DutchessCounty in selbst gesponnener Wolle gelebt htten. Wenn dieDeutschen nicht genug zu essen htten, sagte der Prsident,knnten sie von Suppenkchen der Armee verpflegt werden.

    Manchmal war er richtig bermtig in seinen Vorstellungen,

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    wie bei einer Gelegenheit, als er sagte, die Lsung des Kohle-problems sei einfach. Ich setze ein Komitee von drei deutschenGeschftsleuten zur Betreibung der Kohlebergwerke ein ...holen sie die Kohle nicht raus, erschieen wir sie.18

    Stalin stimmte dem Morgenthau-Plan, so wie Churchill ihnMitte Oktober in Moskau umri, zu. Wie Churchill sagte:Die Absicht Rulands, deutsche Fabrikanlagen wegzuneh-men, stand im Einklang mit Grobritanniens Interesse, die vonDeutschland hinterlassene Lcke zu fllen. Das war nur ge-recht.19 Viel schwieriger war es fr Churchill, das Kriegskabi-nett von der Ratsamkeit des Morgenthau-Plans zu berzeugen.Morgenthaus Freund Lord Cherwell, ein fhrender Verfechterdes Plans in Grobritannien, lste bei Anthony Eden helle Em- prung mit der Versicherung aus, da Edens Sorge, es knnezu Hungersnten in Europa kommen, durchaus falsch sei.Churchill selbst mute eingreifen, um Edens gestrubtes Gefie-der wieder zu gltten. Die Briten blieben bis hin zur Konferenzvon Jalta im Februar 1945 in den wichtigsten Fragen der Be-handlung Deutschlands unentschieden, so in den Fragen der

    Reparationen und der Teilung des Landes.In Washington ging der Kampf um Roosevelts Zustimmungden ganzen Winter ber weiter, ohne da es zu einer Entschei-dung kam, die lnger als nur ein paar Wochen Bestand hatte.Zumindest bei diesem Thema stimmte Roosevelt immer mitderjenigen Person berein, die er zuletzt gesprochen hatte.Manchmal war er in einer nachgiebigen, manchmal in einer un-nachgiebigen Stimmung und dann auch entschlossen, unnach-

    giebig mit Deutschland zu sein.20 Als die Zeit nahte, zu der sichdie drei alliierten Fhrer wieder treffen wollten, und zwar inJalta, war die Angelegenheit dringlich und von hchster Wich-tigkeit geworden. Bedeutende Teile Deutschlands waren in derHand der Alliierten, an beiden Fronten kam es zu den erstenMassengefangennahmen der sich auflsenden deutschen Wehr-macht. Viele Hunderttausende von Deutschen befanden sich in

    alliierten Gefangenenlagern im Westen. Die Briten, Kanadier

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    und Amerikaner hatten die Genfer Konvention unterzeichnet,sie waren also ffentlich verpflichtet, ihre Gefangenen gemden humanen Bestimmungen zu behandeln, die sie unterschrie- ben hatten. Die Beachtung dieser Bestimmungen wurde er-zwungen durch die Drohung, Vergeltung an den Geiseln zu

    ben, die die jeweils andere Seite in ihrer Gewalt hatte, unge-fhr 2 000 000 Alliierte, die in Deutschland gefangen waren,rund 700 000 Deutsche in der Hand der Westalliierten. Wie rauhes dabei zugehen konnte, wurde nach dem Landungsversuchder Kanadier bei Diepe im Jahre 1942 deutlich. Kanadier undDeutsche beschuldigten einander gegenseitig der Brutalitt undschlugen Gefangene in Ketten als Vergeltung fr Gefangene, diein Ketten gelegt worden waren.

    Es war beschlossen worden, da zunchst die alliiertenArmeen Deutschland verwalten sollten, aber klare politischeRichtlinien gab es fr sie nicht. Eisenhower sagte vage, er wer-de sie hart anpacken. Was wrden die Worte rauh und hart frdie deutschen Gefangenen bedeuten, sobald erst einmal die alli-ierten Geiseln freigelassen waren? Was wrde rauh und hart frdie ganze Nation bedeuten, sobald die Wehrmacht bedingungs-

    los kapituliert hatte?Das waren Dinge, ber die nur die drei Fhrer der Welt ent-scheiden konnten. Sie kamen aus Washington, London undMoskau, um sich im Februar 1945 in Jalta auf der Krim zu tref-fen.

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    2. Ohne Obdach

    ... die Berichte ber die Massen von deutschen Frauen undKindern, die auf allen Straen in 60 Kilometer langen Kolonnen vorden vorrckenden (russischen) Armeen nach Westen fliehen, erfllenmein Herz mit Trauer. Ich bin ganz klar davon berzeugt, da sie esverdient haben; aber das macht es nicht unsichtbar. Der Jammer der

    ganzen Welt drckt mich nieder.WINSTON CHURCHILL 1

    inston Churchill, der nun sah, wie die Deut-schen das Schicksal erlitten, das er fr seine ei-

    genen Landsleute gefrchtet hatte, war nicht auf Rache einge-

    stimmt, als im Februar 1945 in Jalta die letzte Konferenz derGroen Drei dieses Krieges erffnet wurde. Ingrimmig starrteRoosevelt von seinem Wagen aus die Zerstrungen an, die diezurckweichenden Deutschen verursacht hatten. Sobald er Sta-lin sah, sagte er, da die Zerstrung bewirke, da er sichblutdrstiger denn je gegen die Deutschen fhle. Stalin erwi-derte, da er ja noch gar nichts gesehen habe; die Zerstrung inder Ukraine sei viel schlimmer. Daraufhin sagte Roosevelt:

    [Ich hoffe, Sie werden] wieder einen Trinkspruch auf die Hin-richtung von 50 000 Offizieren der deutschen Wehrmacht aus-bringen.2

    Als in der zweiten Sitzung des nchsten Tages das Thema derZukunft Deutschlands zur Sprache kam, fragte Stalin, ob dieAlliierten sich auf einen Plan zur Teilung Deutschlands einigenknnten, den man gegenber deutschen Anti-Nazi-Gruppen

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    Zu den von Churchill erwhnten Flchtlingen gehrten sehr baldMillionen von Wehrmachtssoldaten, die Zuflucht im Westensuchten, um den Russen zu entkommen. Ein arrogantes undherzloses Heer, wenn es je eines gegeben hatte, war die Wehr-

    macht von 1940/41, die jetzt an der Ostfront zunichte gemachtwurde; ungefhr die Hlfte ihrer Soldaten waren Jungen unter20 oder Mnner ber 35, und viele liefen fort nach Westen zuden Westalliierten, von denen sie sich eine bessere Behandlungversprachen als von den Russen.

    Solange der Krieg noch dauerte, wurde das, was Eisenhowermit diesen Mnnern machte, weitgehend dadurch bestimmt, wasHitler mit den ungefhr 2 000 000 franzsischen, amerika-nischen, britischen und kanadischen Soldaten in seinen Gefan-genenlagern machte. Auer den westlichen Soldaten waren ihmviele weitere Millionen von Russen in die Hnde gefallen. Vielevon ihnen galten jetzt als tot, wegen der Bedingungen, die dieDeutschen als Rache fr die schlimme Behandlung durch dieRussen geschaffen hatten.5 Die Genfer Konvention lieferte nurdie Regeln fr die Behandlung von Gefangenen; das einzige

    Mittel, ihre Befolgung zu erzwingen, war die Androhung vonVergeltungsmanahmen an Gefangenen. Nach dem alliierten Sieg in Nordafrika im Jahre 1943 be-

    klagte Eisenhower sich darber, da er auf der Akademie niegelernt habe, was mit Gefangenen zu tun sei, wenn die Trans- portmittel knapp waren.6 Er suchte Hilfe bei seinem altenFreund, General Everett S. Hughes, der mit ihm zusammen dieStabsakademie in Fort Leavenworth, Kansas, besucht hatte.

    Hughes wurde zu Eisenhowers Sonderberater ernannt miteinem Bro im Hauptquartier der Etappe von Paris.7 Hier hatteer ein Auge auf Personal-Ersatz, auf Rationen fr Kriegsgefan-gene und auf General Lee, der zustndig war fr Logistik beiETO. Niemand wute ganz genau, was er tat, aber er tat eineMenge ... , sagte Weare. Er war einer der Jungs vom inners-ten Zirkel. 8

    Er war ein groer, imponierender Mann mit dsteren Zgen

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    und ruhigem Auftreten. Eisenhower vertraute ihm uneinge-schrnkt; er hielt Hughes fr uerst fhig und sehr integer.Hughes verstand Eisenhowers Methode, durch Nicken undZwinkern zu dirigieren.9 Fr die Familie Eisenhower war

    Hughes, der dort nur Onkel Everett hie, ein stets gern gese-hener Gast.10

    Eisenhower frderte die Karriere von Hughes auf mancher-lei Weise. So teilte Eisenhower zum Beispiel im Februar 1944General McNarney in Washington mit, da er General Hughes jetzt wieder in Europa beim SHAEF bei sich haben mchte:Ich kann General Hughes auf diesem Schauplatz sehr vorteil-haft einsetzen. Ersuche Sie um Erteilung des Befehls, ihn sofortzu versetzen.11 Hughes wurde unverzglich nach Europa ver-setzt, um Eisenhower zu helfen. Dort wurde er nach Eisenho-wers Worten zu meinen Augen und Ohren.12

    Eisenhower sttzte sich auf Hughes, weil er loyal, tchtigund vor allem diskret war. Diskretion war deshalb so ungeheu-er wichtig fr Eisenhower, weil er es nicht schtzte, direkteManahmen zu ergreifen, die seine persnliche Beteiligung er-

    forderten, wo indirekte Methoden die gleichen Resultate erzie-len konnten.13 Diese Eigenheit, spter von seinem Vizeprsi-denten, Richard M. Nixon, geschildert, war voll entwickelt, alsEisenhower 1944 das SHAEF in Europa leitete. General GeorgeS. Patton kommentierte das in einem Brief an Beatrice Patton.14

    Er berichtete, wie schwierig es sei, eine Entscheidung von Eisen-hower zu bekommen, der es nicht liebte, wenn die Leute erfuh-ren, wie er zu umstrittenen Themen stand, und schrieb: [Es ist]

    die Hlle, einen Krieg per Absichtslosigkeit zu fhren und Er-oberungen per Tuschung zu machen. Wie Eisenhowers EnkelDavid einmal schrieb, entwickelte Eisenhower die Gewohn-heit, selbst den von ihm bevorzugten Vorschlgen mit Skepsisoder einem scharfen Nein zu begegnen. General Lucius Claysagte: Er stellte fest, da er auf diese Weise eine Menge schwa-cher Menschen entdeckte.15

    Diese Methode setzt die Dienste feinnerviger Untergebener

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    voraus, die die Kunst beherrschen, durch Vorenthaltung vonWeisungen zu regieren. Selbst in einer Lage, in der er klareund direkte Befehle htte erteilen knnen, zog er es anscheinendvor, mit verschlungenen Methoden zu arbeiten. Er ging stets mit

    Heimlichkeiten vor.16

    Manchmal waren seine Befehle so un-klar, da er am nchsten Tag Klarstellungen folgen lassenmute. Das machte ihn manchmal zornig. Wie Hughes am21. Juli 1944 bemerkte: Der Mann ist verrckt. Er will einfachkeine Befehle erteilen, die auch sitzen. Er trommelt mit denFusten auf den Tisch und brllt.17

    Hughes hatte groen Einflu, aber wenig direkte Macht.Seine subtilen Methoden verbargen seine Politik. Als auf BefehlEisenhowers (siehe Kapitel 5) im Mai die Rationen gekrztwurden, ist der Befehl selbst nicht erhalten. Die dienstjngerenOffiziere zeigten, jedenfalls in den Anfangsphasen, einen gewis-sen Widerstand. Htten sie schriftliche Befehle verlangt, htteHughes, ohne sich Eisenhowers Unterschrift zu holen, ihre For-derung nicht erfllen knnen. Diese Art der Politik war sogrndlich aufgebaut, da, als im Oktober 1945 eine ffent-

    lichkeitswirksame Sonderration fr die Gefangenen gegebenwurde, der dafr zustndige Offizier von Eisenhower schrift-liche Befehle verlangte, bevor er handelte (siehe Kapitel 8). Manverweigerte den notwendigen Lebensmittel- und anderen Nach-schub, ohne sich schriftlich zu erklren. Man handelte, indemman nichts tat.

    Die Grenzen der Vollmachten fr Hughes hatte Eisenhowerklargelegt in seinem Brief vom 24. Februar 1944, als er Hughes

    ernannte. Eisenhower schrieb: Die Betonung hat auf dem kon-sultativen Aspekt Ihrer Aufgaben zu liegen und nicht so sehrauf dem Inspektions-Aspekt. Nach Errterung der Aufgabenmit verantwortlichen Kommandeuren tragen Sie mir jedesProblem vor, das Ihrer Meinung nach meiner Entscheidung alsOberbefehlshaber des Kriegsschauplatzes bedarf.18

    Mehr durch Logistik als auf irgendeine andere Weise kon-

    trollierte Eisenhower (den britischen Feldmarschall) Montgo-

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    mery, wie sein mageblicher Biograph Stephen Ambroseschrieb. Montgomery konnte Eisenhowers Befehle extremgrozgig auslegen und im Wesentlichen seinen eigenen Nei-gungen folgen. Aber er konnte keinen Nachschub aus dnner

    Luft hervorzaubern. Er mute seinen Kampf innerhalb einesRahmens fhren, der eng begrenzt war durch die Menge anMaterial, die Eisenhower ihm zu geben fr richtig hielt.19 Ei-senhowers Generalstabschef, Bedell Smith, schrieb: Weil ihmder Bedarf und die zugewiesenen Aufgaben der verschiedenenVerbnde vertraut waren, konnte er allein ber das Wissen ver-fgen, Nachschub und Divisionen fr die separaten Operatio-nen zuzuweisen.Eisenhower hatte eine hohe Meinung von Hughes' Urteil und

    auch von seiner Diskretion. Im Sommer 1944 gab er dem Vor-schlag Hughes' nach, eine wichtige Anweisung abzundern, ob-wohl dies eine beschmende Richtigstellung nur einen Tag nachErlass bedeutete. Eisenhower machte Hughes zu einem der sehrwenigen Offiziere, die ihm direkt vorzutragen hatten. Das warwichtig, damit sie beide diskret die kontroversen Sachverhalte

    behandeln konnten, die Eisenhower ihm zugewiesen hatte. Ei-senhower ermchtigte ihn, mit den Offizieren und Mann-schaften aller Einheiten, Organisationen und Stbe der Armeeder Vereinigten Staaten auf dem ETOUSA (European Theaterof Operations, United States Army - Europischer Kriegsschau-platz, Armee der Vereinigten Staaten) Beratungen und Bespre-chungen abzuhalten. Er sollte andere aus dem Schatz seinergroen Erfahrung heraus beraten und er sollte Eisenhower

    selbst in Fragen der Mannschaftsstrke, des Nachschubs undder Organisation beraten. Gesttzt auf diese auergewhnlicheund weitreichende Vollmacht, konnte Hughes berall hingehenund reden, mit wem er wollte. Jeder, den er befragte, muteihm antworten - oder sich Eisenhowers Unwillen zuziehen.20

    Vielfltig und heikel waren die Themen, mit denen Hughes sichdiskret befate - die Zuteilung alkoholischer Getrnke; Kay

    Summersby, Eisenhowers Fahrerin und zeitweilige Sekretrin,

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    die ihn auf langen Reisen begleitete; Pattons Torheiten; und dieRationen fr PoWs. ber alle diese Dinge machte er sich Noti-zen in seinem Tagebuch dieser Zeit, ber den Abschnitt 1945 ineinem franzsischen Notizbuch, das ihm George Patton ge-

    schenkt hatte.Hughes und Eisenhower sprachen whrend eines Spazier-

    gangs am 4. August 1944 bei Widewing, dem SHAEF-Stab inEngland, ber Gefangenenrationen. Ich hatte ein langes Ge-sprch im Wald mit Ike, Kay, Tedder*. Ich berichtete Ike vonPersonalersatz, Po W usw., um meine Wut darber zu erklren,wie Lee in Personalfragen vorging. Er ist seiner ganzen Einstel-lung nach ein Internationaler Rotarier. Ike wnscht, da ichmit dem Job weitermache - er sagt, er traue Lee nicht. Daswar von erheblicher Bedeutung, denn der rechtschaffen den-kende Generaloberst J.C.H. Lee (nach seinen Initialen auchJesus Christus Hchstselbst genannt) war auf dem ETO (Eu-ropean Theater of Operations, Europischer Kriegsschauplatz)zustndig fr die Logistik. Von Sonderberater Hughes bekamEisenhower die vertraulichen Meinungen zu Logistik und vielen

    anderen Fragen, auf die er solchen Wert legte.Hughes entwickelte ein auergewhnlich starkes Interesse frKriegsgefangenen-Rationen, die er bestndig unter die Stze re-duzierte, die nachgeordnete Nachschuboffiziere festgelegt hatten.Sie richteten sich in ihren Anforderungen nach der in der GenferKonvention niedergelegten Vorschrift, nach der die Gefange-nen auf dem gleichen Niveau wie Soldaten in der Etappe ernhrtund untergebracht werden mssen. Deshalb notierte sich Hughes

    am 31. Mai 1943 in seinem Tagebuch: Ich stoe auf Schwierig-keiten, durchzusetzen, da die Rationen und Zuteilungen frdeutsche PoWs (Kriegsgefangene) verringert werden.21

    Im Herbst 1944 war Hughes zu einem lngeren Mittagessenbei Eisenhower. Wieder sprachen sie ber Rationen fr Kriegs-

    * Der britische Luftmarschall Arthur W. Tedder war Eisenhowers Stellvertre-ter als Oberbefehlshaber.

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    gefangene. Die Sache begann, Eisenhower Kopfschmerzen zu bereiten, wie er Marshall am 18. September mitteilte: bri-gens stellt die Versorgung unserer Masse von Gefangenen* einerhebliches Problem dar.22 Das Problem war weder fr Mar-

    shall noch fr Eisenhower neu. Im Mai 1943 beklagte sichEisenhower gegenber Marshall, wie schwierig es sei, mit denrund 300 000 deutschen Kriegsgefangenen fertig zu werden, diedie Alliierten in Tunesien eingebracht hatten: Ein Jammer, dawir nicht mehr umgebracht haben, schrieb er als Postskriptumeines Briefes, das bei mehreren offiziellen Ausgaben derEisen-hower-Papers unterdrckt wurde.23

    Hughes riet Eisenhower, keinerlei Befehle ber die Ernh-rung von PoWs und die Ausgabe alkoholischer Getrnke her-auszugeben.24 Hughes gab die Weisung ber Notwendigkeitder Geheimhaltung am Freitag, dem 24. November, nach untenan einen untergeordneten Offizier in Europa. Sie sollten IhreMeinung oder die Ihrer Untergebenen ber PoW-Rationennicht zu Papier bringen, sagte er. Weiterhin sollte der Offiziernicht laut solche Sachen sagen wie: Natrlich drfen wir nichts

    tun, was den TC (Schauplatz-Befehlshaber) in Schwulittenbringt. Eine Woche spter schrieb Hughes: Besprechung berPoW-Rationen in Johns Bro. (In einer Handschrift, bei der essich wahrscheinlich nicht um die von Hughes handelt, istLittlejohn fr John eingesetzt, womit Robert Littlejohngemeint ist, Quartiermeister des ETO.) Offen gesagt, denkeich, da PoWs weniger zu essen bekommen mssen, jedenfallsnicht so viel, da es die Franzosen nicht beischaffen knnten.

    Er berichtete am folgenden Montag Eisenhower direkt ber dieBesprechung. Berichtete ihm von Weisung, PoW-Rationen zuverringern, verbunden mit Rat, vorsichtig zu sein - endlich zuLittlejohn vorgedrungen.25

    Hughes befand sich gerne in der Gesellschaft von Littlejohn,

    * Am 1. Oktober 1944 betrug die Gesamtzahl der Gefangenen unter Eisen-hower 205 337.

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    einem Br von Mann, der im eigenen Sonderzug kreuz und querdurch Frankreich reiste. Wo immer der Zug zum Frhstckhielt wurde ihm die Morgenzeitung geliefert. Hughes bearbei-tete ihn sorgfltig und appellierte an Littlejohns Sinn fr Loyali-

    tt. Am 18. Januar vermerkte er unwillig, da er, anstatt inLittlejohns luxurisem Zug durchs Land zu brausen, sich ge-zwungen sah, mit dem Auto heimzufahren, ohne seineFreunde, die Generle Bradley, Hodges und Simpson, zu sehen.Sieben Stunden mit Codman* in einem Buick, lamentierte er.Hielt an in der PEW (Prisone of War Enclosure - Kriegsge-fangenenlager) bei Stenay. Stelle fest, da die Deutschen volleB-Rationen essen. Frage mich, ob ich dieses Problem knackenkann. Ein anderes Problem, da er zu knacken versuchte, bestand darin, da Lee allem Anschein nach Mnner in derEtappe fr so minder wichtige Aufgaben wie die Bewachungvon PoW-Lagern einsetzte.

    Lee, notierte sich Hughes, reiste mit Flugzeug oder Auto, ge-whnlich gefolgt von seinem Eisenbahnzug. Das Flugzeugschickte er oft nach Afrika, um ihm frische Orangen fr sein

    Frhstck zu bringen. Unter den Gelegenheitsnotizen vonHughes finden sich auer der erstaunlichen Zahl registrierterProstituierter in Reims (3000), der Gre der Reisegruppe Ei-senhowers, die mit ihm in die Ferien nach Cannes fuhr (12 Per-sonen), der Bitte Eisenhowers, ihm Seidenstrmpfe fr Kay zubeschaffen, und der Anzahl von Kartons mit Scotch Whisky, dieer auf die Seite schaffen konnte (15), sehr oft Erwgungen sei-ner Bemhungen zur Reduzierung der Gefangenen-Rationen.26

    Die kritische Rolle, die Hughes in diesen Schwierigkeiten frEisenhower spielte, hob Eisenhower selbst am 25. Februar ineinem Kabel an General Somervell hervor, der darum gebetenhatte, Hughes nach Washington zurckzuversetzen: ... Ichwnsche nicht, wiederhole: nicht auf seine Dienste zu verzich-ten. Es wre unangenehm fr mich, ihn in dieser Phase zu ver-

    * Charles R. Codman gehrte zu General Pattons Stab.

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    Generalmajor Milton A. Reckord, der Theater Provost Mar-

    shal, der auch fr Gefangenenfragen zustndig war, wies Eisen-hower darauf hin, da (diese) beiden krzlichen Zwischen-flle, die zum Tod deutscher PoWs fhrten ... ihre Ursache im

    Personalmangel hatten. Dieser Mangel ist so ernst und bestehtschon so lange, da er zum wichtigsten Punkt jeder Operationgeworden ist, die die Haltung der Kriegsgefangenen betrifft.32Reckord hatte schon auf dem Dienstweg ber das Haupt-quartier des Europischen Kriegsschauplatzes (ETO) demKriegsministerium geschrieben und vor der zunehmenden Be-lastung durch Gefangene gewarnt, aber nach mehr als einemMonat noch keine Antwort erhalten. Ein Teil des Problems be-stand darin, da die Briten und Kanadier nicht alle PoWs ber-nommen hatten, die sie eigentlich von den Amerikanern httenbernehmen sollen. Reckord schlo mit einem warnendenHinweis, da die Mglichkeit weiterer Todesflle die hchs-ten Stellen in ETO, SHAEF und dem Kriegsministerium angeht.Proteste, ja sogar Vergeltungsmanahmen sind mglich, diedem Ansehen der US in den Augen der Weltffentlichkeit scha-

    den wrden. Da hchste Stellen durch ein Scheitern betroffenwren... scheint es mir, da dieselben hchsten Stellen es er-fahren sollten, wenn das Personal... nicht auf dem normalenWege bereitgestellt wird.

    Eisenhower hate die Deutschen, so schrieb er seiner FrauMamie im September 1944. Warum? Weil der Deutsche eineBestie ist. In Anwesenheit des britischen Botschafters in Wa-shington sagte er im August, da alle rund 3500 Offiziere des

    deutschen Generalstabs ausgerottet werden sollten. Er wr-de in die Liquidierungen alle Fhrer der Nazi-Partei vom Br-germeister an aufwrts sowie alle Gestapo-Mitglieder einbezie-hen,33 _ insgesamt vielleicht 100 000 Leute. Mit seinen Gsten bei einem Mittagessen stimmte er darin berein, da man der Natur ihren Lauf nehmen lassen knne, wenn die Russen imNachkriegsdeutschland freie Hand erhielten. Eisenhower sagte,

    da Deutschland in Zonen aufgeteilt werden sollte, eine fr

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    jede Nation, die berrannt worden war, damit Gerechtigkeitgeschehen knne.34

    Als die Briten und Kanadier sich ihren Weg nach Holland hi-nein erkmpften, begann eine Hungersnot die hinter den deut-

    schen Linien gefangenen hollndischen Zivilisten zu bedrohen.Eisenhower ersuchte die Deutschen um Hilfe bei der Versor-gung der Hollnder mit Lebensmitteln. Er sagte zu Marshall:Ich lasse nun nicht mehr mit mir fackeln, und whrend ichmich bisher zurckgehalten habe aus Furcht davor, die Leidender Hollnder noch zu verschrfen, bin ich jetzt entschlossen,den Deutschen, wenn er sich nicht absolut korrekt verhlt,wirklich ernsthaft zu bestrafen, sobald ich Zeit habe, dieser An-gelegenheit meine Aufmerksamkeit zuzuwenden.35

    Seine Abneigung gegenber den Deutschen wurde immerstrker, je verzweifelter sie kmpften, je mehr er von denSchrecknissen der Konzentrationslager sah, bis er sich am Endeschmte, weil er einen deutschen Namen trug.36

    Die Furcht, da dem Krieg in Europa das Chaos folgenwerde, das Revolutionen auslsen knnte, die entweder die von

    den Amerikanern gebrachten Opfer an Menschenleben zunich-te machen oder aber weitere Opfer fordern wrden, hatte denweitblickenden Roosevelt veranlat, seinen alten Freund SamRosenman zu beauftragen, die Welt-Nahrungsmittelsituationzu untersuchen. Roosevelt frchtete speziell ein Chaos inFrankreich. Hungerte das Land, dann wrden die Kommunis-ten es leichter haben, die endgltige Revolution zu entznden,die, wie sie glaubten, den Kapitalismus vernichten werde. Eini-

    ge Experten redeten schon von der Gefahr einer Welt-Ernh-rungskrise, die in ganz Europa Unruhen schaffen wrde. ImFebruar 1945 wies Brigadegeneral T. J. Davis Eisenhower war-nend darauf hin, da die hohen Nachschub-Anforderungen,die sich aus der Gewhrung des Kriegsgefangenen-Status (andie deutschen Gefangenen) ergeben wrden, nicht erfllt wer-den knnten.37 Rosenman berichtete dem Prsidenten im

    April, da Mngel... an Nachschubgtern, nicht der Mangel

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    an Transportkapazitt38 in der unmittelbaren Zukunft der be-grenzende Faktor sein wird. Geheimnisvoll fgte er hinzu:... SHAEF wird Nachschubgter weder anfordern noch ver-teilen, sofern es nicht aus militrischer Notwendigkeit heraus

    erforderlich wird.39

    Hierin sind zwei Geheimnisse enthalten.Das eine ist, da hier impliziert wird, was vorher bestrittenworden war, nmlich da in Wirklichkeit gengend Lebens-rnittel vorhanden seien, um die deutsche Zivilbevlkerung amLeben zu erhalten; das andere besteht in der Formulierungmilitrische Notwendigkeit in Bezug auf Zivilisten im Nach-kriegsdeutschland. Offensichtlich denkt Rosenman ebenso wieder Prsident und Eisenhower an die Mglichkeit ernster Un-ruhen, verursacht durch eine Hungersnot, die dann von der Ar-mee niedergeworfen werden mten. Sichtbar war die Gefahran den Lebensmittelzuteilungen; fr deutsche Zivilisten werdedie Lebensmittel-Hchstmenge aus allen Quellen annhernd1500 Kalorien pro Kopf und Tag betragen. Nach Angabenverschiedener Ernhrungsexperten bewegt sich das Mmimumzur Erhaltung des Lebens bei Erwachsenen, die ihren Tag lie-

    gend verbringen und keinerlei Arbeit leisten auer der Versor-gung ihrer eigenen Bedrfnisse, zwischen 1800 und 2250 Kalo-rien pro Tag.40

    Die Vorstellung von einer Welternhrungskrise wurde zuerstvon General Hughes im Jahre 1943 in Nordafrika verbreitet. Erschrieb im April 1945: Man redet ber den Weltmangel an Le- bensmitteln. Ich habe vor langer Zeit davon gesprochen. Fingan in NA (Nordafrika).41 Zu jener Zeit ebenso wie spter han-

    delte es sich nicht um einen Mangel an Lebensmitteln. In demGebiet der jetzigen Bundesrepublik Deutschland war die Bevl-kerung um 4% geringer im Mai 1945 als in demselben Gebietim Jahre 1939, wenn auch die deutsche Bevlkerung infolge desZustroms von Flchtlingen aus dem Osten von Tag zu Tag zu-nahm.42 In den zusammengefaten Gebieten Westdeutschland,Frankreich, Grobritannien, Kanada und USA stand sehr viel

    mehr Weizen zur Verfgung als in demselben Gebiet im Jahre

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    zu Kriegsgefangenen verbunden ist und die die Bereitstellungvon Rationen in einem Ausma erforderlich machen wrde,die dem Bedarf der eigenen regulren Truppen entspricht, wr-de sich als weit jenseits der Mglichkeiten der Alliierten erwei-

    sen, selbst wenn alle deutschen Quellen angezapft wrden. Da-rber hinaus wre es nicht wnschenswert, den deutschenStreitkrften Rationen zuzuteilen, die weit ber das fr die Zi-vilbevlkerung verfgbare Ma hinausgingen. Nach dem VE-Day, dem Tag des Sieges in Europa, wrden eingebrachte Ge-fangene alsDisarmed Enemy Forces (DEF) bezeichnet werden,bis ihre Entlassung unter Verwaltung und Versorgungspflichtder deutschen Wehrmacht unter Aufsicht durch alliierte Streit-krfte vollzogen ist. Die Botschaft endete mit den Worten: Eswird um Ihre Zustimmung gebeten. Bestehende Plne sind aufdieser Basis ausgearbeitet worden.47

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    3. Eine ffentliche Erklrung sollte nichtabgegeben werden

    m 26. April 1945 schrieben die Maschinen imSHAEF in Reims eine Botschaft1 von den Kom-

    binierten Stabschefs als Antwort auf Eisenhowers Botschaftvom 10. Mrz ber die Schaffung des DEF-Status. Die Kombi-nierten Stabschefs (CCS) erteilten ihre Zustimmung zur Schaf-fung des DEF-Status fr Kriegsgefangene in amerikanischerHand. Die britischen Mitglieder der CCS lehnten es ab, denamerikanischen Plan fr ihre eigenen Gefangenen zu berneh-men. Folgende Bedingungen wurden Eisenhower gestellt:

    A) Das Verfahren darf eine Auflsung der deutschen Streit-krfte in einer spter zu regelnden Weise nicht behindern.B) Deutsche sind verantwortlich fr die Ernhrung undsonstige Versorgung entwaffneter deutscher Truppen.C) Das angewandte Verfahren gilt nicht fr Kriegsverbre-cher, nicht fr andere Kategorien deutschen Personals, nachdenen gefahndet wird, auch nicht fr andere Personen, die bei den deutschen Streitkrften gefunden worden sind und

    die aus Sicherheitsgrnden festgehalten werden. Sie werdenalle derartigen Personen weiterhin gefangen setzen unter demVerdacht, Kriegsverbrechen begangen zu haben, oder aufGrund militrischer Sicherheit, nicht jedoch als Kriegsgefan-gene. Sie werden von alliierten Streitkrften ernhrt, unter-gebracht und verwaltet. Deutsche Behrden werden keinerleiKontrolle ber sie ausben.D) Eine ffentliche Erklrung bezglich des Status von deut-

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    sehen Streitkrften oder entwaffneten Truppen wird nichtabgegeben.

    Auf diese Weise wurde die Zuwiderhandlung gegen die GenferKonvention geheim gehalten.

    Der zweite Abschnitt der Botschaft lautete: Folgende Erkl-rung wird von den britischen Stabschefs angefgt: ... WennGrobritannien entscheidet, da es zustzliche Kriegsgefangene bentigt... wird derartiges Personal von Ihnen nicht in die Kate-gorie entwaffneter Soldaten eingegliedert. Im letzten Abschnittwird hinzugefgt: Es wird davon ausgegangen, da Sie keinenAnla haben werden, zustzliche Deutsche nach der Niederla-ge zu Kriegsgefangenen zu erklren ... um den Arbeitskrftebe-darf von SHAEF auerhalb Deutschlands zu decken.

    Diese Weigerung, dem DEF-Verfahren der Amerikaner zuzu-stimmen, weicht in aufflliger Weise von der Zusammenarbeitab, die die Alliierten bis dahin einander gewhrt hatten. DieBriten waren verpflichtet, Gefangene von den Amerikanern zubernehmen, um die Last gleichmiger zu verteilen. Die ber-nahme von Gefangenen im Voraus zu verweigern, wre grob

    beleidigend gewesen, wenn die Amerikaner nicht von Anfangan erklrt htten, da eine solche Entscheidung der Briten alsgerechtfertigt zu gelten habe. Diese Rechtfertigung bestand da-rin, da die Amerikaner ebenso gut wie die Briten wuten,da dem DEF-Status unterliegende Deutsche mit Sicherheitnicht arbeitsfhig sein wrden. Sie wrden hchstwahrschein-lich im Sterben liegen.

    Die Briten entschieden auerdem, da sie nicht einmal den

    amerikanischen Begriff DEF fr Gefangene verwenden wrden,von denen sie wuten, da sie sie nicht nach dem Buchstabender Genfer Konvention wrden behandeln knnen. Sie benutz-ten den Begriff Surrendered Enemy Personnel (SEP) - Feind-liches Personal, das sich ergeben hat -, um ihre nach derKapitulation eingebrachten PoWs von den anderen zu unter-scheiden.

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    Die britische Weigerung, die amerikanischen DEFs zu akzep-

    tieren, war ohne Kommentar von den amerikanischen Stabs-chefs hingenommen worden, nicht aber von den US-Offizieren beim SHAEE Eine von Eisenhower unterzeichnete Botschaft

    war eine Beschwerde darber, da die Briten mit ihrer gerin-geren Brde2 in der Lage sind, ein hheres Niveau aufrechtzu-erhalten, das, im Vergleich, die amerikanische Position in einungnstiges Licht rckt.3 Zu diesem Zeitpunkt hinderte nichtsdie Amerikaner daran, ihre Gefangenen ebenso gut zu behan-deln wie die Briten die ihren, denn die US-Vorrte, jetzt ergnztdurch eroberte Lagerbestnde, waren mehr als ausreichend frdiese Ausgabe.4

    Keine Meinungsverschiedenheit bestand hinsichtlich gewisser begehrter Gefangener wie Kriegsverbrecher, Spione und hochqualifizierte Wissenschaftler, die nach einem gemeinsamen Be-schlu der Briten und Amerikaner leben sollten. Sie wurden inder Tat als wanted (gewnscht, gesucht, der Fahndung unterlie-gend) bezeichnet, um sie von den anderen zu unterscheiden, dienicht erwnscht waren. Sowohl die Briten als auch die Ameri-

    kaner entschieden, da diese erwnschten Gefangenen nichtunter die DEF-Kategorie fallen sollten, sondern von alliiertenStreitkrften ernhrt, untergebracht und verwaltet werden soll-ten.5 Dieser Befehl hatte nicht nur zur Folge, da die Verdch-tigen an einem separaten Ort fr ein spteres Gerichtsverfahrenisoliert wurden, sondern auch, da sie vor den Bedingungen be-wahrt blieben, die durch Zuerkennung des DEF-Status auferlegtwurden. Mit Sicherheit wrde sich die Aufmerksamkeit auf die

    berhmten Kriegsverbrecher konzentrieren, also war es nichtgnstig, sie gemeinsam mit den Gefangenen des DEF-Status zuinternieren. Da die Bedingungen in den DEF-Lagern mit Si-cherheit fr die alliierte ffentlichkeit in Europa und Nord-amerika nicht akzeptabel sein wrden, machte der Befehl derStabschefs an Eisenhower deutlich, da eine ffentliche Er-klrung bezglich des Status von deutschen Streitkrften oder

    entwaffneten Soldaten... nicht abgegeben werden sollte. Es

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    Das Chaos, das, wie Eisenhower meinte, die Deutschen da-

    ran hindern wrde, sich selbst zu ernhren, sollte natrlich zumTeil erst von den Alliierten selbst geschaffen werden, weil sie diezentralen deutschen Institutionen beseitigen wrden, darunter

    auch die Wohlfahrtseinrichtungen. Sie wrden auerdem dieProduktion einer Liste von mehr als 500 Waren oder Artikeln behindern oder abschaffen, wie es im Morgenthau-Plan ange-regt worden war.9 Und doch hie es in der Botschaft, da dieArmee die Verantwortung deutschen Behrden bertragen wer-de. Es gab jedoch keine Behrden, die die Versorgung undFrsorge htten bernehmen knnen, sobald erst einmal dieWehrmacht, die Regierung, die Wohlfahrtseinrichtungen ein-schlielich des Deutschen Roten Kreuzes und wichtige Elemen-te des Handels und der Wirtschaft abgeschafft waren.

    Und natrlich wollte Eisenhower, wie wir bereits gesehen ha- ben, die Lage noch verschlimmern, indem er androhte, jededeutsche Zivilperson zu erschieen, die versuchte, den Gefange-nen Lebensmittel zukommen zu lassen.

    Whrend amerikanische Soldaten die geschlagenen Deut-

    schen in den Trmmerhaufen an der Ruhr zusammentrieben,konferierten und argumentierten in Washington Brokraten inwohlgepflegten Anzgen darber, welche Anweisungen manEisenhower erteilen sollte bezglich der Behandlung dieserDeutschen. Vertreter des US-Auenministeriums, des Finanzmi-nisteriums und des Kriegsministeriums traten in diesem hellenund warmen Frhling Tag um Tag zusammen und entschiedenber die Einzelheiten von Deutschlands Schicksal, die von den

    Groen Drei offen gelassen worden waren. Die Weisung, die sieentworfen hatten, JCS 1067, schrieb Eisenhower die Politik vor,die er gegenber jeder deutschen Institution einzuschlagenhaben werde. Er hatte die Zentralregierung abzuschaffen, die Nazi-Partei, die Wehrmacht, er hatte Schulen, Universitten,Rundfunksender und Zeitungen zu schlieen, er hatte seine Sol-daten sogar daran zu hindern, mit Deutschen zu sprechen, aus-

    genommen von Befehlserteilung. Ein groer Teil des Morgen-

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    thau-Plans war in diese Weisung eingegangen, dem Geiste wiedem Buchstaben nach. Das war weitgehend das Werk der dreidem Komitee angehrenden Vertreter des Finanzministeriums:Harry Dexter White, Frank Coe und Harry Glasser.

    Es war April geworden, und die Alliierten wuten jetzt, dadie Gefahr in den rauchenden Ruinen Deutschlands nicht ein pltzliches Aufbrechen des Militarismus war, sondern Verzweif-lung, die zu einer kommunistischen bernahme der Machtfhrte. Diese Gefahr bereitete Roosevelt ebenso wie Eisenhowergroe Sorgen. Aber einen karthagischen Frieden zu schaffen,und das bedeutete die totale Vernichtung, war nach Militr-gouverneur Lucius Clay10 przise das Ziel von JCS 1067.11 Ho-ward Trivers, ein Beamter des US-Auenministeriums, der diedrei Mnner vom Finanzministerium bei der Arbeit an JCS1067 beobachtete, schrieb spter: Whrend der Komitee-Dis-kussionen argumentierten diese Vertreter des Finanzministeri-ums konsequent und beharrlich fr die Aufteilung Deutsch-lands und die Verwandlung des Industriestaates Deutschland ineine bukolische Weide. Getreulich vertraten sie die Ansichten

    Henry Morgenthaus, des US-Finanzministers. Spter fragte ichmich, ob sie vielleicht auch auf sowjetische Weisungen hin han-delten, wenn es sich bei ihnen tatschlich um Mitglieder kom-munistischer Zellen handelte. Zu jener Zeit verkndete Stalin,da seine Feinde die Nazis seien, nicht das deutsche Volk, undda die deutsche Nation und der deutsche Staat nach dem En-de der Feindseligkeiten in ihrer Einheit weiterbestehen wrden.Die Sowjets hatten ein Komitee Freies Deutschland organisiert,

    das aus Kommunisten und Kriegsgefangenen und einer Verei-nigung deutscher gefangener Offiziere bestand, die alle fr diegleiche Sicht der Zukunft eintraten. Es wre typische sowjeti-sche Politik und Praxis gewesen, amerikanische Kommunistenanzuweisen, laut und vernehmlich die Aufteilung und Agrari-sierung Deutschlands zu untersttzen und alles zu unterneh-men, um die amerikanische Politik auf diese Linie festzulegen.

    Auf diese Weise wrden die Sowjets sich im Gegensatz zu den

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    Amerikanern den Deutschen als Vorkmpfer der deutschennationalen Sache darstellen, wobei das endgltige, zunchstverschleierte Ziel natrlich ein unter dem Kommunismus ver-einigtes Deutschland sein wrde.12 Am Ende wurde White der

    Subversion berfhrt; er hatte Weisungen des Senats zur Gold- politik in einem Versuch miachtet, die Wirtschaft des vonTschiang Kai-schek gefhrten Chinas zu zerstren.13

    Morgenthau war an dem Abend vor dem Tode Roosevelts inWarm Springs, Georgia. Die letzten Worte des Prsidenten zurPolitik, gesprochen gegenber Morgenthau, lauteten: Henry,ich stehe hundertprozentig hinter Ihnen.14 So blieb dieserPlan, der Deutschland einen karthagischen Frieden auferlegte,zur Zeit von Roosevelts Tod ein bedeutendes Element der ame-rikanischen Politik gegenber den Deutschen. Ebenso wie diegesamte andere Politik Roosevelts wurde sie von dem neuenPrsidenten, Harry Truman, bernommen und weitergefhrt;fr die Dauer mehrerer Monate nach Roosevelts Tod nahm erkeinerlei bedeutende Vernderungen in der US-Politik und imKabinett vor.

    Am 21. April 1945 wurde Marshall mit einer weiteren, vonEisenhower unterzeichneten SHAEF-Botschaft mitgeteilt, dadie neuen Gefangenen-enclosures (Stacheldrahtumzunungen)kein Obdach noch irgendeinen anderen Komfort bieten wer-den.... Hinzugefgt wurde, da die Gefangenen selbst dieUmzunungen verbessern wrden, unter Verwendung lokalerMaterialien. Diese enclosures waren freies Feld, umgeben vonStacheldraht, und sie wurden Prisoner of War Temporary En-

    closures (PWTE) genannt. Vorlufig waren sie nicht, aber ein-geschlossen waren sie ganz entschieden, und zwar von Stachel-draht, Scheinwerfern, Wachtrmen und Maschinengewehren.Weit davon entfernt, den Gefangenen die Errichtung von Unter-knften unter Verwendung lokaler Materialien zu gestatten,enthielten die am 1. Mai 1945 herausgegebenen Pionier-Befeh-le15 ein ausdrckliches Verbot, Unterknfte in den cages (Kfi-

    gen) einzurichten. Wenn in der Botschaft an Marshall wirklich

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    gemeint worden wre, was darin ber die Eigenfrsorge derGefangenen mit Hilfe lokaler Materialien gesagt wurde, dannwren diese Pionier-Befehle nie erlassen worden, weil sie in di-rektem Gegensatz zu dem standen, was Marshall gerade eben

    erst mitgeteilt worden war. Die Befehle lie man bestehen.16

    Zelte, Lebensmittel, Stacheldraht und Medikamente waren

    knapp in den Lagern - nicht weil es der Armee an Vorrtenmangelte, sondern weil den Bitten um Lieferungen nicht nach-gegangen wurde. Wie Hughes nach einem Besuch der riesigen Nachschublager in Neapel und Marseille am 19. Mrz notier-te: (Marseille) ist nichts als eine Wiederholung von Neapel.Mehr Material und Gert, als wir jemals werden brauchen kn-nen. Erstreckt sich, so weit das Auge reicht. Zwei Tage spterfhrt er fort: Littlejohn sagt, er stnde unter Druck von USund ETO, weil er PoW-Rationen gekrzt hat. Ich rate ihm, dieSache unverzglich bei Ike zur Sprache zu bringen. Es knntesein, da Ike ihn nicht sttzt.17 Als Littlejohn die Sache eineWoche spter noch immer nicht mit dem Kriegsministerium ge-regelt hatte, kommentierte Hughes: Ich vermute, da sie alle

    Angst vor der Genfer Konvention haben.Weil die IKRK-Delegierten noch immer Lager besuchten, umgem der Genfer Konvention Bericht zu erstatten, war dieMglichkeit von Vergeltungsmanahmen gegen alliierte Gefan-gene in deutscher Hand zu dieser Zeit eine sehr lebhaft errter-te Frage im SHAEF. Eisenhower selbst teilte den KombiniertenStabschefs am 18. Februar mit, da die Deutschen alliierte Ge-fangene nach Sden und Westen verlegten, weg von den Rus-

    sen, und sie dabei ungewhnlichen Strapazen und Risiken aus-setzten. Ich schlage vor, da die Regierungen der VereinigtenStaaten und Grobritanniens der deutschen Regierung auf demWege ber die Schutzmacht* Vorschlge folgender Art unter-breiten ... nmlich, [da die deutschen Streitkrfte] die Gefan-

    *

    Zu dieser Zeit agierte die Schweiz als Schutzmacht fr die deutscheRegierung.

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  • 8/8/2019 Bacque James - Der Geplante Tod (2002, 496 S.)

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    genen mit ausreichenden Versorgungsgtern [und] ... einer Namensliste oder ausreichender Beschreibung der Entlassenen beim Lagerfhrer [zurcklassen], und da eine Zweitausferti-gung der Schutzmacht zugestellt wird. Dies alles lt auf

    praktische Erfahrung im Umgang mit Gefangenenlagern undder Rolle der verschiedenen Mchte unter der Genfer Konven-tion schlieen. Er schliet mit den Worten: Es handelt sichhier um eine Angelegenheit von uerster Dringlichkeit.18

    Littlejohns Bemhungen um eine Verringerung der Rationenstie wenig spter auf die Zustimmung Washingtons. Aus demTagebuch von Hughes geht nicht hervor, ob Eisenhower direktintervenierte, um Littlejohns Vorgehen zu verteidigen, abernach dem Kabel-Verzeichnis hat Eisenhower, der Littlejohn alsden besten Quartiermeister, den ich kenne bezeichnete, sichnicht gegen ihn ausgesprochen. Am 23. April stand fest, daLittlejohn aufs Neue die Rationen krzte. Dies stand im Ein-klang mit der blichen Politik der amerikanischen Kombinier-ten Stabschefs, alle Fragen im europischen Schauplatz Gene-ral Ike vorzulegen, wie Eisenhower s guter Freund Harry C.

    Butcher in seinem Tagebuch notierte.19

    Mit Gewiheit kann gesagt werden, da nicht gengendRationen zur Versorgung dieser ungeheuren Zahl von Kriegs-gefangenen vorhanden waren, schrieb Deputy Provost Mar-shal Oberstleutnant Valentine M. Barnes, Autor einer Ge-schichte des Provost Ma