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Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897-1945 Band 1

Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

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Page 1: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

Emmy Niecol

RosenthalKunst- und Zierporzellan

1897-1945

Band 1

RosenthalKunst- und Zierporzellan

1897-1945

wird nahezu komplett mit über 3000 Abbildungen in dieser fünfbändigen Monografievorgestellt. Sie gibt Sammlern und Händlern, Museen und Kunstwissenschaftlern grund-legende Informationen auf der Basis von Modellbüchern, Firmenarchivalien undFachliteratur sowie Kunst- und Auktionskatalogen. Die Porzellane sind nach ihrenProduktionsstätten im Rosenthal-Konzern und nach Künstlern geordnet. Modell-Listenund Register machen das Werk schnell zugänglich.

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Die Bände 2 bis 5 enthalten den „Katalogder Kunst- und Zierporzellane des Rosenthal-Konzerns 1897-1945“. Sie gliedern sich nachden Pro duktions stätten der Kunst- undZierporzellane der Rosenthal-Werke (Por -zellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG,Kronach; Zier por zellan der GeschirrabteilungWerk Selb; Kunstabteilung Selb; Kunst -abteilung Selb, Handmalereiabteilung und Ab -tei lung Glaskunst; Kunstabteilung Bahnhof-Selb; Kunstabteilung Bahnhof-Selb, Ab teil ungKeramik, Werk Neustadt bei Coburg; Press -stoffwerk Neustadt bei Coburg; PorzellanfabrikThomas, Markt redwitz.

Die Abfolge der Kataloge ist alphabetischnach Künstlern, Entwerfern und Malern ge-ordnet, deren Biografien den Objekten voran-gestellt sind. Die Stücke von unbekanntenEntwerfern reihen sich in chronologischerAbfolge an. Fast alle der ca. 3000 Objektesind abgebildet. Band 5 enthält auch dieMarken und Modell-Listen der Kunst- und Zier -porzellane der verschiedenen Werke. Die jederModellnummer beigeordnete Ka talognummerermöglicht eine problemlose Nutzung der vierKatalogbände.

Zur Autorin:

Emmy Niecol (d. i. Eleonore Pichel kast ner)aus Waldenburg in Nieder schle sien stammendund 1946 in Sachsen angesiedelt, studierteKunstgeschichte und Ar chäologie an derUniversität Rostock (Diplom). Sie war anschlie-ßend an den Staatlichen KunstsammlungenDresden tätig (Kustos im Kunst gewerbe -museum). Seit 1965 arbeitete sie imKunstauktionshaus Weinmüller/Neu meis ter inMünchen, später als Ver ant wort liche Re -dakteurin (Antiquitäten Zeitung, KunstpreisJahrbuch) im Weltkunst Ver lag, München. Siebetätigte sich auch als Buchautorin (Zinn-Lexikon, Fayence-Lexikon, Bruckmann Verlag,München) und als Verfasserin zahlreicherBeiträge in Fachzeitschriften.

ROSENTHAL-PORZELLAN aus Selb istweltbekannt und ein Qualitätsbegriff nicht nurfür anspruchsvolles Tafelgerät, sondern auchfür Kunstporzellan. Des halb gelangtenRosenthal-Figuren schon seit den erstenJahrzehnten des 20. Jahrhunderts in privateund öffentliche Sammlungen oder Museen inEuropa und Übersee. Nun liegt die längst fälli-ge Monografie über die Kunsterzeugnisse desRosenthal-Konzerns für die Zeit von 1897 bis1945 vor.

Die Monografie erfasst in fünf Bänden mit über 3000 Abbildungen außer denModellen der Kunstabteilungen Selb undBahnhof-Selb auch die Zierporzellane undFiguren der 1897 von Philipp Rosenthal initi-ierten und nach einigen Jahren in denKonzern übernommenen PorzellanfabrikBauer, Rosenthal & Co. in Kronach, der 1907erworbenen Por zellan fabrik Thomas, Markt -redwitz, sowie der dem Werk Bahnhof-Selbangeschlossenen Ab teilung Keramik in Neu -stadt bei Coburg. Soweit möglich, sind auchErzeugnisse der Abteilung Glas kunst, Mün -chen, und des Press stoff werkes Neustadt ein-bezogen worden.

Der Band 1 enthält die mit rund 70 Farb-und 150 Schwarzweißabbildungen illustriertenAusführungen über die Kunst porzellane undspeziellen Kunst ab tei lungen der Rosenthal-Werke. Außer deren historisch dargestelltenEnt wick lung werden bestimmte Er zeugnissezusätzlich nach Themen abgehandelt. So zumBeispiel die Tanz- und Sportfiguren oder dieFiguren in „Elfenbein poliert“, einer Por zellan -masse, die vorzugsweise Bild hauer akzeptier-ten, denen vor und während der Kriegszeitennur bedingt Bronze für ihre Arbeiten zugeteiltwurden. Ausführungen zu Tieren auf Schalenund Vasen, ihre porzellantechnisch komplizier-ten Ausformungen in der Flugphase und imSprung sind ebenso zusammenfassend darge-stellt wie die Vielzahl der heimischen, exoti-schen und grotesken Tiere und Vögel. Auchdie Zierporzellane von Dosen bis Vasen, dieWeihnachts- und Osterporzellane, Er inne -rungs teller, Wand teller, das Kriegs- und Klang -porzellan, Lampen, Leuchter, Rauch verzehrer,Porzellanschmuck, keramische Kunst er zeug -nisse und sogar das Rosenthalglas werden alsüberschaubare Komplexe behandelt.

Jedem der im Band 1 erwähnten Gegen -stand ist die Katalog-Nummer beigegeben, sodass sein leichtes Auffinden in denKatalogbänden (2-5) gewährleistet ist. Band 1beinhaltet ferner Aus füh rungen zu Fir men -marken, den Muster büchern und zur Technikder Porzellan herstellung sowie eine tabellari-sche Fir mengeschichte, die Biografie PhilippRosenthals und ein Personenregister.

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Page 2: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

Vorwort ........................................................................................................................ 7

Einleitung...................................................................................................................... 11

Kunst- und Zierporzellan der Rosenthalwerke und ihrer Kunstabteilungen 19

Die Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach, Kunstporzellan 1897–1907 .................................................................................. 21

Die Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. AG, Selb, Zierporzellan der Geschirrabteilung, um 1898 bis um 1910 .............................................................. 26

Die Kunstabteilung Selb 1910–1945 ...................................................................... 32

Die Abteilung Handmalerei und Glaskunst, München, und die Pressstoffwerk GmbH, Neustadt bei Coburg, um 1932 bis um 1945 .......................................................... 64

Die Kunstabteilung Bahnhof-Selb, um 1923 bis 1945 .............................................. 72

Die Kunstabteilung Bahnhof-Selb, Abteilung Keramik, Werk Neustadt bei Coburg ...... 80

Porzellanfabrik Thomas, Marktredwitz, Kunst- und Zierporzellan von 1908 bis 1936 .. 86

Figuren ...................................................................................................................... 89

Figuren und Zierporzellan der Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach, 1897–1907 .......................................................................................... 91

Figuren der Kunstabteilung Selb von 1910 bis 1925 ................................................ 94

Figuren der Kunstabteilung Selb von 1925 bis 1933 ................................................ 106

Figuren der Kunstabteilung Selb von 1933 bis 1943 ................................................ 113

Figuren der Kunstabteilung Bahnhof-Selb von 1923 bis 1925 .................................. 117

Figuren der Kunstabteilung Bahnhof-Selb von 1925 bis 1933 .................................. 119

Figuren der Kunstabteilung Bahnhof-Selb von 1933 bis 1945 .................................. 122

Tanzfiguren .......................................................................................................... 124

Sportfiguren ........................................................................................................ 130

Figuren „Elfenbein poliert“ .................................................................................... 138

Tierfiguren................................................................................................................ 147

Tiere auf Schalen, Vasen und einzeln ...................................................................... 149

Großtiere und Tiergruppen .................................................................................... 159

Tiere mit Figuren .................................................................................................. 164

5

Inhaltsverzeichnis

Page 3: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

Tiere im Flug und Sprung ...................................................................................... 172

Vögel .................................................................................................................. 177

Exotische Tiere und Vögel .................................................................................... 183

Kleintiere, Insekten................................................................................................ 188

Groteske Tiere ...................................................................................................... 191

Ziergerät.................................................................................................................... 197

Dosen .................................................................................................................. 199

Glas .................................................................................................................... 204

Klangporzellan ...................................................................................................... 208

Kriegsporzellan .................................................................................................... 210

Lampen und Leuchter............................................................................................ 214

Rauchgerät .......................................................................................................... 222

Schmuck, Galanteriewaren .................................................................................... 226

Schreibgerät ........................................................................................................ 236

Sockel .................................................................................................................. 240

Spiegel, Reklameartikel.......................................................................................... 243

Tafelschmuck ........................................................................................................ 245

Uhren .................................................................................................................. 249

Vasen .................................................................................................................. 252

Weihnachts- und Osterporzellan.............................................................................. 262

Zierteller .............................................................................................................. 270

Anhang...................................................................................................................... 281

Die Unterglasur-Musterbücher I und II der Kunstabteilung Selb .................................. 283

Das Musterbuch für „Rosari“-Dekore der Kunstabteilung Selb.................................... 285

Marken auf Kunst- und Zierporzellan des Rosenthal-Konzerns .................................. 287

Der Porzellanproduzent als Verleger........................................................................ 293

Zur Technik der Porzellanherstellung ...................................................................... 297

Zur Firmengeschichte ............................................................................................ 301

Biografie Philipp Rosenthal .................................................................................... 315

Literaturverzeichnis................................................................................................ 319

Abkürzungen ........................................................................................................ 353

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ 355

Personenregister .................................................................................................. 363

6 Inhaltsverzeichnis

Page 4: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

Eine Monografie über die Kunstporzellane derPorzellanfabriken Philipp Rosenthals, Selb inBayern, zu schreiben, entstand im unmittelba-ren Vorfeld des hundertjährigen Rosenthal-Fir men jubiläums 1979 auf Anregung des Mün-chener Verlegers und Herausgebers der Anti-quitäten-Zeitung, Dietrich Schneider-Henn.

Nur vereinzelt waren bisher Figuren, Tier -plasti ken und Ziergeräte aus den Kunst -abteilungen des Rosenthal-Konzerns in Ka -talogen von Museen und privaten Sammlungenveröffentlicht worden. Erst 1982 gab es anläss-lich des 100-jährigen Firmen jub iläums einegroße Rosenthal-Ausstellung im Kestner-Museum Hannover, auf der in einem histori-schen Überblick Geschirre, Kunstpor zella ne,Tafelgläser und Bestecke in ausgewählten Bei-spielen gezeigt wurden. Diese Ausstellung, zuder ein repräsentativer Katalog erschien, wan-derte anschließend nach Bremen, Köln undMünchen.

Zwischen 1991 und 1993 zeigten die Staatli-chen Kunstsammlungen Dresden, Por zellan -sammlung im Zwinger, und die StaatlichenMuseen zu Berlin, Schloss Köpenick, Kunst ge -werbe museum, in ihrer gemeinsamen Ausstel-lung „Rosenthal Porzellan vom Jugendstil zurStudiolinie“ in Dresden, Berlin und Hohen -berg/Eger. Auch Bestands- und Ausstellungs -kataloge der Porzellan sammlungen in Museen,wie zum Beispiel des Museums der DeutschenPorzellanindustrie, Hohenberg/Eger („DieZwanziger Jahre“, 1992), oder der Sammlun-gen Bröhan, Berlin, Brühl, Chemnitz, sowie desJugendstilmuseums Reissenweber in Brühl/Ba -den enthalten Ro senthalstücke.

Nach Redaktionsschluss (1993) des vorlie-genden Bandes veröffentlichte Dieter Strusseinen Querschnitt durch die Rosenthal-Produk-tion zwischen etwa 1891 und 1995 mit demTitel „Rosenthal. Service, Figuren, Zier- undKunstobjekte“. Nun liegt die bisher umfassend-ste Dokumentation über die Kunst- und Zier-porzellane des Rosenthal-Konzerns für dieJahre 1897–1945 mit rund 3000 Katalognum-mern und Abbildungen vor.

Bearbeitet wurden die Erzeugnisse der Kunst-abteilungen Selb und Bahnhof-Selb, ergänzenddazu, soweit erfassbar, das diesen vorausgegan-

gene „erste ,Kunstporzellan’ der Ro sen thal-Werke“ aus der Porzellanfabrik Bauer, Rosen-thal & Co. KG, Kronach, das frühe Zier por - zellan der Geschirrabteilung der Por zellanfabrikPh. Rosenthal & Co. AG, Selb, außer dem Zier-porzellane aus den Rosenthal-PorzellanfabrikenBahnhof-Selb und Thomas, Marktredwitz,sowie Figuren und Zierporzellane der Keramik-abteilung der Kunstabteilung Bahnhof-Selb,Werk Neustadt bei Coburg. Erfasst wurdenauch Erzeugnisse der Abteilung Glaskunst,München, und der Pressstoffwerke GmbH inNeustadt bei Coburg.

Erkundigungen im Werk Selb ergaben, dassmit der Neuorganisation der Firma im Jahr1969 und im Zusammenhang mit dem Bezugdes von Walter Gropius entworfenen Fabrik -gebäudes am Rotbühl eine Bereinigung derAltaktenbestände erfolgt sei. Infolgedessenwären, bis auf einige in der Pressestelle depo-nierte Firmenschriften, keinerlei Unterlagenüber die Produktion der Geschirr- und Kunst -abteilungen der Rosenthal-Werke aus der Zeitvor 1945 mehr vorhanden.

Um so wichtiger schien es, noch vorhandeneRosenthal-Kunst- und Zierporzellane zu erfassenund zu fotografieren beziehungsweise in Auk-tionskatalogen, Zeitungen, Zeitschriften oderWerbematerial aufzufinden und zu dokumentie-ren.

Nachdem eine Fülle von Fakten zusammen-getragen war, stellte sich heraus, dass die FirmaRosenthal inzwischen ein Werksarchiv einge-richtet hatte und dort noch vorhandene Modell -bücher und anderes Material verwahrt. Dankfreundlich gewährter Einsicht in einen Teil derdie Kunstporzellane betreffenden Archivalienund der sehr bereitwilligen Unterstützung vonleitenden Mitarbeitern, die Kopien von Firmen -katalogen und Geschäftsberichten zur Ver -fügung stellten, war es möglich, die bisherzusammengetragenen Fakten vollständig zuüberarbeiten und zu ergänzen.

Dieses Vorhaben erfolgte auf der Basis derModell-Liste Zierporzellan der Geschirr -abteilung Werk Selb um 1898–1910 (publiziertin Hundert Jahre, 1982, S. 237 f.), der, bis auf Korrekturen ansonsten gleichlautenden,Modellbücher A (ebenda, S. 239–259), B und

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Vorwort

Page 5: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

C (in Fotokopie vorliegend) der KunstabteilungSelb, der Unterglasur-Musterbücher I und II,dem Wendler-Musterbuch, dem Restbestanddes „Rosari“-Musterbuchs sowie einer vomWerksarchiv erstellten Typoskript liste der Por-zellane der Kunstabteilung Werk Bahnhof-Selb.Einträge aus den Modellbüchern B und C wur-den in den Katalogteil übernommen, wenn sievon denen im Modellbuch A abwichen oderwenn es notwendig erschien.

Die Kunst- und Zierporzellane des WerkesBauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach, wurdenohne Modell-Liste anhand des vorliegendenMaterials erfasst. Für die Auflistung und Abbil-dung der Erzeugnisse der Kunstabteilung Bahn-hof-Selb, deren Abteilung Keramik, Werk Neu-stadt bei Coburg, und der Zierporzellane ausder Fabrik Thomas, Marktredwitz, waren außer-dem Firmenprospekte und Presse infor -mationen hilfreich.

Nicht eingesehen werden konnten – denAngaben im Katalog Hundert Jahre, 1982,S. 236, zufolge – das Modellbuch Werk Bahn-hof-Selb 1918–1969 (handschriftlicher Katalogder Serviceformen und Geschenk artikel mitBlei stiftzeichnungen), das „Skizzen buch fürHerrn Geheimrat“, das Folioalbum mit einge-klebten Entwurfs zeich nungen für die Kunst- undGeschirr ab teilung Werk Bahnhof-Selb, teilweisevon Philipp Rosenthal (?), um 1918–1925, dasModellbuch des Werkes Thomas, Marktredwitz,1903–1959 (handschriftlicher Katalog der Ser-viceformen und Geschenkartikel mit Tusche -zeichnungen) und das Fotoalbum derFigurenauf glasurmalerei der KunstabteilungSelb (handkolorierte Schwarz weiß-Fotos mithandschriftlichen Eintragungen, um 1928).

Diese Archivalien betreffen jedoch weitge-hend die Geschenk- und Geschirrproduktion,während die hier vorliegende Arbeit sich mitden Kunst- und Zierporzellanen des Konzernsbeschäftigt. Selbst bei einem Umfang von fünfBänden kann die Monografie einen Anspruchauf Voll ständigkeit nicht erheben. Insbesonderedürften aus den Werken Bauer, Rosenthal &Co. KG, Kronach, und Bahnhof-Selb im Laufeder Jahre noch nicht erfasste Kunst- und Zier-porzellane bekannt werden.

Band 1 der insgesamt fünf Bände umfassen-den Rosenthal-Monografie enthält Beiträge zuden Luxusporzellanen des Rosenthal-Konzernseinschließlich der 1897 von Philipp Rosenthalzusammen mit Carl Maria Bauer eingerichtetenFabrik in Kronach, sowie den Künstlern undErzeugnissen der Kunstabteilungen.

Weitere Themen, die im Band 1 erörtert wer-den, beziehen sich auf Figuren allgemein, ausdem Material „Elfenbein poliert“ und auf Tanz-und Sportfiguren. Bei den Tierfiguren geht esum ihre verschiedenen Darstellungs weisen, wiedie Kombination mit Schalen, Vasen oder ande-ren Figuren, sowie um ihre Aus formung alsGroß- beziehungsweise Kleintiere, Insekten,Exoten und Grotesken.

Die Zierporzellane der Kunstabteilungen wer-den gruppenweise und in alphabetischer Abfol-ge von Dosen über Klang- und Kriegs porzellan,Rauch gerät, Schmuck, Uhren, Vasen bis zuWeih nachts- und Ziertellern vorgestellt.

Ausführungen zu den Musterbüchern, zuMarken und zur Technik der Porzellan her -stellung, eine Firmenchronologie, die BiografiePhilipp Ro senthals, sowie das Literatur ver -zeichnis beschließen diesen mit rund 70 Farb-und 145 Schwarz weiß ab bildungen ausgestatte-ten Textband.

Die sich anschließenden vier Katalogbändeder Kunst- und Zierporzellane aus den verschie-denen Rosenthal-Werken sind jeweils in alpha-betischer Abfolge nach den Namen und Biogra-fien der Künstler beziehungsweise Ent werferder Modelle geordnet.

Kunst- und Zierporzellane von unbekanntenEntwerfern werden in den Katalogteilen unter„Unbekannt“ (Fabrikentwürfe?) chronologischaufgeführt. Die meisten dieser Luxusporzellaneunbekannter Formentwerfer sind mit Dekorenvon verschiedenen Künstlern/Malern verziertworden, was entsprechend vermerkt wird. IhreNamen, wie zum Beispiel Julius V. Guld -brandsen oder Fritz von Stockmayer, sind inden Personen registern der Bände enthalten.

Um ihr Auffinden zu leichtern, sind dieWeihnachts-, Oster- und Erinnerungsteller,unab hängig davon, ob sie eine Modellnummererhalten haben oder nicht, gesondert und chro-nologisch erfasst worden.

Fast alle Stücke sind abgebildet als Foto,Repro duktion, oder, sofern eine Reproduktionsich nicht wiedergeben ließ, als Umriss -zeichnung. Auf diese Weise ergibt sich einemöglichst umfassende Orientierung auch überObjekte, die bis jetzt nicht wieder im Handel,auf Auktionen oder bei Sammlern zu erfassenwaren.

Die Unterglasurdekore der Kunstabteilung Selbsind bis etwa Modellnummer S 731, falls nichtanders vermerkt, von Julius V. Guldbrandsen ent-worfen worden. Wann Dekorvarianten bei überlängere Zeit ausgeformten Stücken aufgetreten

8 Vorwort

Page 6: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

sind, lässt sich nur stilistisch und parallel zu den(zeitgenössischen?) Fabrikmarken deuten. DenListen der Modellnummern, die, wie die Mar -kentafeln, der Band 5 enthält, sind die zugehöri-gen Katalognummern (Konkordanz) beigefügt.

Sind Objekte mit dem Künstlernamen/-monogramm versehen, ist diese Bezeichnungin der Regel nicht als Signatur wie bei einemÖlgemälde oder einer Grafik zu werten. Siesind, bis auf wenige erkennbare Ausnahmen,nicht vom Entwerfer eigenhändig, sondern inden Kunstabteilungen aufgemalt oder -gestem-pelt worden.

Die Modellnummern wurden in den verschie-denen Abteilungen (Geschirr-, Kunst ab -teilungen der Werke Selb und Bahnhof-Selb,Keramik-Abteilungen, Porzellanfabrik Thomas,Markt redwitz), mit Ausnahme der seit 1934gesondert angelegten Liste für Zierporzellan derKunstabteilung Selb, jeweils von 1 an fortlau-fend geführt. Um sie unterscheiden zu könnenund weil das anfängliche „K“-Zeichen derKunst abteilung Selb im Laufe der Jahre nichtkonsequent beibehalten wurde, sind den betref-fenden Modellnummern, angeregt durch solcheKennzeichnungen in Firmenschriften, ausGrün den der sortierbaren Einordnung Buch -staben beigegeben worden:

K Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co.KG, Kronach

S Kunstabteilung SelbSG Zierporzellan der Geschirrabteilung

SelbB Kunstabteilung Bahnhof-SelbBG Zierporzellan der Geschirrabteilung

Bahnhof-SelbMR Zierporzellan der Porzellanfabrik Thomas,

MarktredwitzA Arkanum, Kunstabteilung Bahnhof-Selb,

Abteilung Keramik, Werk Neu stadt beiCoburg

N Kunstabteilung Bahnhof-Selb, Ab teilungKeramik, Werk Neustadt bei Coburg

T Terrakotta (?), Kunstabteilung Bahn hof-Selb, Abteilung Keramik, Werk Neu stadtbei Coburg

P Kunstabteilung Bahnhof-Selb, Ab teilungKeramik, Werk Neustadt bei Coburg

Für Rosenthal-Glas und -Pressstofferzeugnis-se gibt es nach jetziger Kenntnis keine Modell -nummern und dementsprechend keine Buch -sta ben zuordnung.

Im Unterschied zu der gebräuchlichenBezeichnung „Craquelé“ oder „craqueliert“ fürabsichtlich als Dekorelement herbeigeführtefeine Haarrisse in der Glasur, erscheint in denRosenthal-Firmenschriften die Bezeichnung„gekrackte Glasur“ oder „gekrackt“. DieserAus druck ist berechtigt, denn er gilt offensicht-lich, wie durch Augenschein festgestellt, für far-big gedrucktes Pseudo-Craquelé.

Die Datierung der Objekte erfolgte anhandder Jahresangaben in den Modellbüchern derKunst abteilung Selb, bezieht sich also auf dieErst ausformung. Für die Erzeugnisse derKunstab teilung Bahnhof-Selb orientierte sichdie Datierung versuchsweise an derenVeröffent lichungen in der Fachpresse, da esüblich war, Neuheiten sofort, zum Beispiel zurLeipziger Mes se, anzukündigen, um Aufträgeentgegennehmen zu können und, bevor dieSerien produktion angeordnet wurde, die Nach -frage zu testen.

Zur Auflagenhöhe der Stücke gibt es keineAngaben. Deren Beliebtheitsgrad (Nachfrage)kann jedoch nicht immer an zeitgenössischerLiteraturpräsenz gemessen werden, hinter dersich meist eine äußerst agile Eigenwerbung und -wertung verbirgt. Mehr Aufschluss über dieAuflagenhöhe vermittelt die Häufigkeit, mit derzum Beispiel ein Figurenmodell auf Kunst -auktionen erscheint. Hierüber informiert derKatalog für den Zeitraum zwischen ca. 1978und 1993.

Die vorliegende Arbeit wäre nicht zustande-gekommen durch die bewundernswerte Bereit -schaft der ehemaligen und aktiven Mitarbeiterder Rosenthal-Werke, der Museen, Bib -liotheken, Archive und der Sammler zu Aus-künften und Hinweisen. Die Erlaubnis, ganzeSammlungen fotografieren zu dürfen und dafürsogar die Zeit der Betreuung aufzubringen, oderFotos und informatives Material beizusteuern,beweist ebenfalls ihre uneigennützige Beihilfeund engagierte Mitarbeit am Projekt der nunvorliegenden Rosenthal-Monografie. In diesenZusammen hängen namentlich zu nennen undherzlich zu danken sind:

Aelteste Volkstedter Porzellanfabrik, Rudol stadt-Volkstedt, Direktor U. Dittrich. –Amts gericht Coburg, Registergericht, Amts in -spektor Müller. – Amtsgericht Hof, Register -gericht, Justiz amtmann Ott. – Amts gericht Kro-nach, Amtsinspektor Müller. – Auktions hausBolland & Marotz, Bremen. – Auktions hausLankes, Hof. – Auktionshaus Dr. Fritz Nagel,Stuttgart, G. Nagel und R. Ph. Straub. – Auk-

9Vorwort

Page 7: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

tionshaus Rieber, Stuttgart. – Auktionshaus LeoSpik, Berlin, C. Arndt, S. Link. – AuktionshausStahl, Hamburg. – Auktionshaus Wendt, Wien,U. Himmelstoß. – Bayerische Landesgewerbe-anstalt, Gewerbe mu seum, Nürnberg, E. Born-fleth. – Bayerische Staats bibliothek, München.– Bayerisches Haupt staats archiv, München. –G. Bernsmann, Köln. – R. Borchert und B.Derleth-Borchert, München. – I. und M. Bürk -ner, Wolnzach. – Bürgermeisteramt Großer-lach. – Clemens-Sels-Museum, Neuss, Dr. I.Feldhaus. – Deutsches Museum, München,Bibliothek und Abt. Firmen schriften. – Deut-sches Patentamt, Berlin, Herr David. – Deut-sches Patentamt, München, Herr Joost. –Druckhaus Münch, Selb. – Dr. G. Dry und Dr.B. Dry-von-Zezschwitz, München. – Fachschulefür Keramik, Landshut, Dr. E. Hölzl. – P. Th.Fink, Wiesbaden. – L. Friedrich-Gronau, Mün-ster-Schwarzach. – R. Furiath, Eschborn. – Ch.und K. Gollner, Bayreuth. – K. und U. Haver -mann, München. – A. J. Hellman, Hewlett/NY.– Hetjens-Museum, Düsseldorf, Dr. H. Nau-mann. – K. Himmelstoß, München. – R.Himpsl, München. – Hochschularchiv der Tech-nischen Universität Berlin, Dr. H. Müller. –Hochschule für künstlerische und industrielleGestaltung in Linz, Prof. J. Wunschheim. –Institut für Zeitgeschichte, München. – Katholi-sches Stadtpfarramt Herz Jesu, Selb, A. Keilho-fer. – A. Kottmann, Hanau. – Dr. Rainer J.Kreissl, München. – Hajo Krieger, Herrsching.– E. Krisch, Selb. – Kunst auk tions haus Neu -meister, München. – Kunstauktions haus Metz,Heidelberg, M. Metz. – Kunst auktions hausWendl, Rudolstadt, M. Wendl. – Kunstgewerbe -museum Prag. – Kunst- und Auktionshaus Herr,Köln, W. G. und B. Herr. – Kunsthaus amMuseum, Köln, C. Eisenbeiß. – KunstmuseumDüsseldorf, Dr. H. Ricke. – Landratsamt Kro-nach, Kreiskul turreferat, Kreiskulturreferen tinG. Lang M.A. – G. Lindner, Engelskirchen. – B.Leonhardt, Wiesloch. – Sammlung Losardo,Wiesbaden. – Münchner Stadtmuseum, Frau A.Grunau. – Museum der Deutschen Porzellanin -dustrie, Hohenberg a.d. Eger, W. Siemen M.A.,P. Werner. – Museum für Angewandte Kunst,Köln, Direktorin Dr. G. Reineking-v. Bock. –Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt/Main,Dr. E. M. Hanebutt-Benz. – Dr. Waltraud Neu-

wirth, Wien. – Günter Niechciol, Dittersbach. –Dr. Reto Niggl, München. – F. und W. Otto,München. – Dr. C. Pese, Nürnberg. – Register-gericht Hof, Justizamtmann Ott. – E. Reissen-weber, Brühl. – L. Rendlen-Schneider, Stutt-gart. – Rosenthal Aktiengesellschaft, Presseund Public Relations, Selb, W. H. Artz. –Rosenthal Glas und Porzellan AG, Selb, ClassicRose Collection, Ver kaufsdirektor G. Bruer. –Rosenthal Aktienge sell schaft, Zentralbuchhal-tung, Marktredwitz, G. Greger. – RosenthalGlas und Porzellan AG, Selb, Werksleitung,Direktoren E. Heublein und O. König. – Rosen-thal Glas und Porzellan AG, Abteilung Produkt-entwicklung, Design-Studio/Archiv, M. Sroka,Dr. B. Fritz. – Rosenthal Glas und PorzellanAG, Abteilung Produktentwicklung, Selb, Di -rektor H. Staal. – Frau Schlichting, Selb. – H.-G. Schmidt, Dießen. – U. Schneider, München.– D. Schneider-Henn, München. – K. Schnei-der-Henn, München. – Staatliche Kunst samm -lungen Kassel, Dr. F. Lahusen, Dr. E. Schmid-berger. – L. Seifried, Selb. – Staatliche MuseenHeidecksburg, Rudolstadt, Dipl.-phil. U. Koch.– Staatliche Museen Preußischer Kul turbesitz,Kunstgewerbe mu seum Berlin, Di rektorin Dr. B.Mundt, Dr. D. Kötzsche. – Staatliches Be rufs bil -dungs zentrum für Keramik Selb, Johann-Frie-drich-Böttger-Institut, Direktor Dr. R. Harth. –Staatsarchiv für Oberfranken, Bamberg, Archiv -oberrat Dr. Wunschel. – Stadt Plochingen,Hauptamt, Herr Welt. – Stadt Selb, Abt. Volks-hochschule, Herr Honig. – Stadtarchiv Braun-schweig, Dr. Garzmann. – Stadtarchiv Coburg,Hans-Jürgen Baier. – Stadtarchiv Darm stadt,Herr Jaensch. – Stadtarchiv Kronach, Stadtar-chivar H. Wich. – Stadtarchiv München. –Stadtarchiv Regens burg, Archivamtsrat Sterl. –Stadtarchiv Selb, Oberrechtsrat v. Puttkamer. –Stadtarchiv Stuttgart, Herr Parr. – StandesamtFreiburg i.Br., Frau/Herr Schmidt. – Standes-amt Gelsen kirchen, Frau/Herr Schüchna. –Universitäts archiv Innsbruck, Doz. Dr. G. Ober-kofler. – Universitätsbibliothek Marburg. – AxelVetter, München. – Dr. G. P. Woeckel, Mün-chen. – M. und M. Wulff. – Württem bergischesLandesmu seum Stuttgart, Dr. H. Klaiber, Dr. H. Schröder. – Zentralinstitut für Kunstge-schichte, München. – Dr. A. Ziffer, München. –Dr. R. Zoellner, München.

10 Vorwort

Page 8: Band 1 Emmy Niecol Rosenthal Kunst- und Zierporzellan 1897

Die Luxusporzellane des Rosenthal-Konzerns

Bis ins späte 18. Jahrhundert ist Porzellan einLuxusartikel gewesen. Im 19. Jahrhundert hobdie Einführung der Gewerbefreiheit und diedamit verbundene fortgeschrittene private in -dustrielle Produktion des Porzellans seinen Seltenheitswert auf.1 Ein immer billigeres undkünst lerisch-belangloseres Massenangebotüberschwemmte den Markt. Dieser Massen er -zeugung stand gleichzeitig eine wachsendeNachfrage gegenüber, die sich sowohl aufGebrauchs- als auch auf Zierporzellane erstrek-kte.2 Erst als sich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts einige Privatfabrikanten ent-schlossen, Qualitätsporzellane herzustellen,kann man wieder von Luxusporzellan sprechen,ein Begriff, der sowohl für Geschirre als auchfür Zierporzellane herangezogen werden kann.Die höhe re Qualität dieses Porzellans leitet sichab von der Grundstoffverarbeitung, der Form -ge bung und dem Dekor.

Ebenso wie Gebrauchsporzellane unterliegendie Luxusporzellane einerseits dem Wandel desZeitstils, andererseits stehen sie unter dem Dik-tat modischer Abwandlungen. Diese werden,während der Phase des Zeitstils, im Idealfallvom Stilgefühl des entwerfenden Künstlersgeprägt oder müssen – bis knapp an die Gren-ze des Kitsches getrieben – unter dem Druckder Konkurrenz jährlich zweimal als sogenannteMesseneuheit oder „Novität“ auf den Marktgeworfen werden.3

Mit Beginn der eigenen Porzellanherstellungim Jahre 1891 verfolgte Philipp Rosenthal dasZiel, nicht nur Geschirre, sondern auch Zier-porzellane in Luxusausführung für gehobeneAnsprüche zu produzieren (Abb. 13). DiesenVorsatz hatte, nach einem Vorlauf in der Por-zellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG. inKronach, vor allem die 1910 an die Öffentlich-keit tretende Kunst ab teilung des Werkes Selb indie Tat umzusetzen. Ihre Aufgabe bestand inder Entwicklung und Erzeugung von Luxuspor-zellan, das heißt „figürliche und andere Kunst-gegenstände herzustellen, welche den Ruf undden Ruhm der Marke Rosenthal befestigen underweitern sollen“.4 In der ersten Hälfte der

zwanziger Jahre (1922/23) wurde auch im1917 erworbenen Werk Bahn hof-Selb, vormalsPorzellanfabrik Jacob Zeidler, eine Kunstabtei-lung eingerichtet.

Sehr geschickt wurde durch die Vertriebs-und Reklameabteilung des Unternehmens derAbsatz der Luxusporzellane verschiedensterPreis lagen gefördert, die Geschmacks an -sprüche der zahlungskräftigen Käuferschichtenbewusst belobigt und herausgefordert, die Qua-lität der Rosenthal-Porzellane als exklusiveGeschenkartikel für mannigfaltige Gelegen -heiten erläutert und betont.5

Es kann bei allen herabsetzenden Vorbe -halten gegenüber dieser damals ungewohntaggressiven, nach vorne gerichteten Unter -nehmens strategie6 nicht übersehen werden,dass Rosen thal damit zugleich die „Kultur desHeimes“ beständig förderte und Maßstäbesetz te, die sich nicht nur auf das Service alsQualitäts porzellan beschränkten, sondern auchden Tafel- und Zimmerschmuck mit einbezo-gen.7 Dazu zählten Figuren, kombiniert mitSteck vasen, Leuchtern, „Tafelschnickschnack“wie Tischkartenhalter oder Miniaturfigürchenals Gastgeschenke, „von innen beleuchtete Porzel lan gegenstände, die seltsames Licht auf der Tafel verbreiten“ und die verschieden-sten Blumenvasen, von denen sich die Blumen liebende Frau etwa 20 bis 60 Stück zulegen soll-te.8

Zu den Zierporzellanen gehörten ferner auchdie Schreib- und Rauchgarnituren, als Tisch -lampen montierte Figuren, Lampen, Wand -teller als Erinnerungsstücke oder mit Bild -charakter, Dosen und Schalen sowie Schmuck.

Anmerkungen

1 Vgl. Eidelloth, 1914, S. 9–19.2 Ebenda, S. 34: 1847 verzeichnete Oberfranken 7

Porzellanfabriken mit 453 Arbeitern und 33 Arbeiterin-nen, 1861 waren es 10 Porzellanfabriken mit 424 Arbei-tern und 87 Arbeiterinnen, 1865 „betrug die Zahl derFabriken 12, diese gewährten 2000 Personen Unter-halt“. Es wurde vorwiegend exportiert, sogar nach derLevante, nach Haiti und Amerika. 1909 gab es in Ober-franken 41 Por zellanfabriken mit 12 100 Beschäftigten(Stock, 1925, S. 213).

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3 Paul, 1925, S. 106 („Die Fabriken, die nicht immer wie-der mit Neuheiten aufwarten können, werden in kurzerZeit vom Markte verdrängt. So exportieren verschiedeneThüringer Fabriken, die früher den Berliner und denamerikanischen Markt beherrschten, heute nur nochnach Spanien und den Balkanländern, weil ihre Erzeug-nisse nicht mit der Mode mitgegangen sind“). – Sachs,1928, S. 78 ff., 83 f., S. 86.

4 Zoellner, 1936, S. 11.5 Paul, 1925, S. 114 f.6 Pelka, 1924, S. 61.7 Paul, 1925, S. 115.8 Zoellner, 1928, S. 73, 88.

Künstler bei Rosenthal

Noch vor Beginn der Einrichtung der Kunstab-teilung Selb (1908/10) beschäftigte Rosenthalnicht nur werkseigene Kräfte mit den Entwür-fen für Zier- und Luxusporzellane, sondern zogdafür auch Künstler von außerhalb heran. Eswar zunächst die hauptsächlich von PhilippRosenthal initiierte Porzellanfabrik Bauer,Rosenthal & Co. KG in Kronach, die sich seit1899 mit Arbeiten der Bildhauer HermannHidding, Berlin, Max Hiller, Wien, AdolfOppel1, Nürnberg, und Joseph Vetter, Luzern,an den Großen Berliner Kunstausstellungen,auf der Weltausstellung Paris 19002, und derKeramischen Ausstellung 1901 im LeipzigerKunstgewerbemuseum beteiligte.3

Zwar wurde die Porzellanfabrik Bauer,Rosenthal & Co. KG., Kronach, ebenso wie dieNymphenburger Porzellanfabrik auf der PariserWeltausstellung mit einer Silbermedaille ausge-zeichnet4, doch wertete die zeitgenössischeFachmeinung die künstlerischen Leis tungendieser jungen Firma nicht übereinstimmend. Soheißt es einerseits, wohl wisse sie „sich fürbesondere Aufgaben die Entwürfe berufenerKünstler zu sichern; doch scheint diese Praxisnoch der Stetigkeit zu entbehren, ein eigenesGenre wie Hüttensteinach hat sie nicht heraus-gebildet“.5 Andererseits wird ihr bestätigt, dasssie „eine Reihe vortrefflich von ersten Künstlernmodellierter Stücke ausgestellt“ habe.6 EineRosenthal-Retrospektive ist nicht vollständigohne Beispiele von diesem „ersten ,Kunstpor-zellan’ der Rosenthal-Werke“ aus Kronach, wiedie Ausstellung in Hannover 1982 belegt.7

Zeigte die Kronacher Fabrik bevorzugt figürli-che Vasen und andere Gefäße als Künst -lerentwürfe, so verlegte sich das Rosenthalwerkin Selb zunächst mehr auf die Unter gla sur -

dekore seiner Zierporzellane, die seit etwa1898 kontinuierlich in der Geschirrabteilunghergestellt worden sind.8 Die in separater Num-merierung in den Modellbüchern I und II derGeschirrabteilung geführte Modell-Liste derZier porzellane nennt allerdings nur zwei Küns t -ler, nach deren Motiven Unterglasurmalereioder Formstücke ausgeführt worden sind: Wil-helm Diefenbach und Karl Groß. Hin zuzufügensind noch die außerhalb der Modell-Liste in derLiteratur erwähnten Dresdener Maler OttoGußmann und Max Rade.

Wer die Entwürfe für die auf der Welt -ausstellung Paris 1900 mit einer Goldmedailleprämiierten zwei großen Vasen (Kat.-Nr.2.0035) und den Blumenkübel (Kat.-Nr.2.0034) „mit prachtvoller Malerei“ bemalt hat9,bleibt offen. Dass Rosenthal-Zierporzellane vonakademisch vorgebildeten Künstlern entworfenworden sind, mag sich förderlich für die Zu -lassung des Unternehmens an Kunst aus -stellungen ausgewirkt haben, die wiederum seinAnsehen hoben.

So beteiligte sich neben Bauer, Rosenthal &Co. KG., Kronach, das Werk Rosenthal Selb alseinzige der größeren privaten Por zellanfabriken1901 an der Internationalen Kunstausstellungin Dresden.10 Im kritischen Vergleich mit denanderen Ausstellern der Branche wurde aner-kannt: die Firma „hat bei ihrer Modernisierungden einzigen richtigen Weg eingeschlagen,indem sie hierbei wirkliche Künstler mit Entwür-fen beauftragt“.11

Doch Ernst Zimmermann, Direktor der Dres-dener Porzellansammlung, gab an gleicher Stel-le zu bedenken, ob die Firmenleitung sich„wirklich an die richtigen, das heißt diejenigenKünstler gewandt hat, die zu keramischen Erfin-dungen auch die geeigneten waren oder über-haupt schon genügendes künstlerisches Kön-nen besaßen, um mit solchen Aufträgen beehrtzu werden; andererseits scheinen doch die Ver-bindungen dieser Künstler mit der Manufakturnicht eng genug gewesen zu sein, um zu ver-hindern, dass ihnen ihre Entwürfe von derFabrikationsleitung nach deren Gut dünkenumgeändert wurden … Sie zeigen eben, … dassdabei nichts Vernünftiges herauskommen kann… Die Erfindungen mögen an sich vielleichtnicht übel sein: eine dekorative Wirkung habensie nicht, und keramischer Stil ist es ganz undgar nicht“.

In der anerkennenswerten Absicht, formvoll -endete Gefäße nach Künstlerentwürfen heraus-zubringen, musste sich die Porzellanfabrik

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Rosenthal bereits um 1900 mit der schwierigenFrage auseinandersetzen, wie sich künstlerischeIdeen industriell verwerten lassen. Ein An liegen,das für die gesamte Industrie um diese Zeit anBedeutung zunahm und letztlich zur Gründungdes Deutschen Werkbundes (1907) führte.

In diesen Zusammenhang gestellt, enthieltsich die Berichterstattung des „Sprechsaal“über die Internationale Kunstausstellung Dres-den 1901 jeder künstlerischen Wertung undbetonte lediglich, dass auch die Gefäße der bay-erischen Manufaktur Rosenthal & Co. in Selbinfolge guter Unterglasurfarben technisch wert-voll und interessant seien.12

Über die Entwerfer der Unterglasurdekore istin Verbindung mit der Keramischen Ausstellung1901 im Kunstgewerbe-Museum in Leipzig zuerfahren: „Die Firma Ph. Rosenthal in Selb inBayern hat vorzugsweise in Unter glasurmalereiBeachtenswertes geleistet und künstlerischeBeihilfen in den Entwürfen von Professor Grossund Maler Professor Gußmann in Dresden undanderen gefunden“.13 Als Entwürfe von KarlGroß kämen nach der (um 1980 handschriftli-che ergänzten) Modell-Liste der Zierporzellaneder Geschirrabteilung Werk Selb, um 1898–1910, die „Vase mit vier Krokodilen“ (Kat.-Nr.2.0002) und die „Vase mit Tiger“ (Kat.-Nr.2.0004) infrage. Ferner werden ihm nochandere „Ziergefäße mit applizierter figürlicherPlastik“, wie die „Vase mit Maus“ (Kat.-Nr.3.0236) und die in der Form etwas variieren-den „Vasen mit vier Eidechsen“ (Kat.-Nr.2.0005, 2.0006) zugeschrieben,14 während der„Tafelaufsatz mit Fasan“ (Kat.-Nr. 2.0003) alsSchülerarbeit der Fachklasse für ornamentalesModellieren und kunstgewerbliches Entwerfenvon Profesor Karl Groß, Kgl. Kunstgewerbe-schule Dresden, nachgewiesen werden kann.Der Tafelaufsatz war 1901 auf der Internatio-nalen Kunstausstellung in Dresden ausgestellt.15

Zu den Gußmann-Entwürfen wird im Zu -sammenhang mit Unterglasurmalereien, die aufder Bayerischen Jubiläums-Landes-In dustrie-,Gewerbe- und Kunstausstellung Nürn berg1906 gezeigt worden sind, eine „große Vasemit geflügeltem Genius“ erwähnt.16 Vielleichthandelt es sich um die im Modellbuch verzeich-nete „Vase mit Engelfigur“ (Kat.-Nr. 2.0027).Außerdem ist der Schwertliliendekor zweierRosenthal-Vasen mit dem Namen des ebenfallsan der Kgl. Kunstgewerbeschule Dresden täti-gen Malers Prof. Max Rade bezeichnet (Kat.-Nr.2.0006, 2.0010). Der Formentwurf der einenVase imitiert am Fuß eine Bronzemontierung

(Kat.-Nr. 2.0006) und wird vom Rosenthal-Archiv mit Karl Groß in Verbindung gebracht.

Von „anderen“ künstlerischen Beihilfen istauch in der Berichterstattung über die Teilnah-me der Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co.AG, Selb, an der Großen Berliner Kunstausstel-lung 1901 zu erfahren, die dort schon im Vor-jahr das erste Mal mit Luxusporzellanen17 ver-treten war und „deren Arbeiten im Catalogunter der wunderlichen Bezeichnung aufgeführtsind ,Collection von Porzellangefäßen, entwor-fen von Ph. Rosenthal und Anderen, Selb inBayern'“.18

Die Rosenthalschen Qualitätsporzellanewaren um 1900 inzwischen so weit bekanntgeworden, dass die Vereinigten Werkstätten fürKunst im Handwerk, München, Modelle derEnt werfer Wilhelm Krieger und Martha (Marta)Bergemann-Könitzer von Rosenthal ausführenließen und auf der Ersten Internationalen Aus-stellung für modere dekorative Kunst in Turin1902 ausstellten.19

Sollte diese 1901/02 erfolgte Bekanntschaftmit kunstgewerblichen Entwerfern den Rosen-thal-Konzern dazu angeregt haben, seinerseitsVerbindungen zu den Darmstädter Kunstgewer-blern zu suchen? So wurde, abgesehen von denEntwürfen für die Kaffee-/Tee- und Speiseservi-ce „Secession“, „Botticelli/Darmstadt“ und„Donatello“, auch eine Vasenform (Kat.-Nr.3.1191, Abb. 133) von den „Vereinten Kunst-gewerblern Darmstadt“ entworfen, die auf derWeltausstellung St. Louis 1904 gezeigt wurde.20

In Unterglasurfarben mit verschiedenen Moti-ven dekoriert, wurde diese Form bei Rosenthalnoch nach 1910 hergestellt, wie die Angabenim Musterbuch ausweisen. Eine Henkelschale(Kat.-Nr. 3.1192), die zum Service „Donatello“(1905) gehört, wurde ebenfalls in der Kunst -abteilung mit mehreren Unter gla sur motivenbemalt und auch auf der Welt ausstellung Brüssel 1910 vorgestellt.21

Ein bayerischer Künstler, der für Rosenthalüber einen Umweg seinen Figurenentwurf bei-gesteuert hat, ist der Münchener Bildhauer Pro-fessor Karl Killer. Seine Reiterstatuette desPrinzregenten Luitpold von Bayern wurdezunächst von der Porzellanfabrik Thomas &Ens in Marktredwitz ausgeführt22 und, wohlanlässlich des 85. Geburtstages des Dargestell-ten, auf der Bayerischen Jubiläums-Landes-Industrie-, Gewerbe- und KunstausstellungNürnberg 1906 gezeigt.23 Nach der 1908erfolgten Übernahme der Porzellanfabrik Tho-mas & Ens, Marktredwitz, durch den Rosenthal-

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Konzern wurde die Reiterstatuette (Kat.-Nr.5.0005, Abb. 40) Karl Killers, mit aktualisierterInschrift von 1911, zum 90. Geburtstag desPrinzregenten neu aufgelegt und 1911/12 imKunstgewerbehaus München ausgestellt.24

Dieses Reiterbildnis ist die einzige bekannteFigur aus dem Werk Thomas, Marktredwitz.Aber auch für Vasen und Geschirre wurden dort anfangs Künstlerentwürfe herangezogen,wohl in Vorbereitung für die in Marktredwitzgeplante Kunstabteilung.25 Dazu gehören dieVasen von August Herborth (Kat.-Nr. 5.0002,5.0003, Abb. 39), dem künstlerischen Leiterder Sufflenheimer Blumentopfwerke, InhaberLéon Elchinger, und Fachlehrer an der Kunst -gewerbeschule in Straßburg, die auf der Brüs -seler Weltausstellung 1910 gezeigt wordenwaren.26 Gegen 1929 entwarf der ArchitektFriedrich Fleischmann eine „Monumental -vase“ (Kat.-Nr. 5.0001), und Mitte der 30erJahren kamen in Marktredwitz einige Vasen-und Schalenentwürfe (Kat.-Nr. 5.0006–5.0011)von Fritz von Stockmayer für „Klangporzellan“heraus.

Auf der Brüsseler Weltausstellung 1910 wur-den von Rosenthal bekanntlich auch die erstenArbeiten aus der seit 1908 im Aufbau befindli-chen Kunst abteilung Selb vorgestellt, die vondem dänischen Maler Julius V. Guldbrandsengeleitet wurde und „der vor allem den Dekorund die Farbgebung durch die Un ter gla sur -malerei künstlerisch veredeln sollte“27. Von ihmstammen zum Beispiel die oberfränkischenLandschaftsmotive auf den Zierporzellanen ausdem ersten Jahrzehnt der Aktivität der Kunst-abteilung (Kat.-Nr. 3.1443, Farbabb. LXII),während für die Motive der Erinnerungs- undWeihnachtsteller (Kat.-Nr. 3.1932 ff. Abb. 111–113) auch Aufträge an auswärtige Maler und,soweit es sich um Flachreliefmotive handelte,auch an Bildhauer vergeben worden sind. Dazuzählen Künstler wie Max Dasio, Ferdinand Lie-bermann und Sigismund Wernekinck.

Diese Vergabeweise wurde auch nach 1920fortgesetzt, wenn auch in bescheideneremMaße. Tellermotive stammen fortan von Theo-dor Kärner, Theodor Schmuz-Baudiss, OttoTauschek und, seit den späten dreißiger Jahren,überwiegend von dem festangestellten MalerHeinrich Fink.

Wenn Rosenthal unter den oberfränkischenPorzellanfabriken die Führung erlangte, wardies erst dann möglich geworden, „als sie imJahre 1908 auch künstlerisches Porzellan in ihrArbeitsgebiet aufnahm“28. Man kann sicher

sein, dass sich für diese Zielsetzung PhilippRosenthal an erster Stelle persönlich engagier-te. „Er scheute weder Mühe noch Zeit, künstle-rische Mitarbeiter für seine Kunstporzellane inganz Deutschland zu suchen … Philipp Rosen-thal scharte Künstler um sich, Künstler mitNamen oder, wenn sie einen solchen nicht hat-ten, sorgten die Erzeugnisse der Rosen -thal’schen Fabriken dafür, dass sie bald einensolchen errangen“.29

So konnten bis 1945 im Rosenthal-Konzernrund 240 Künstler ihre Entwürfe für Zierporzel-lane, Porzellanfiguren und -dekore einbringen.Die Eingrenzung der Entwürfe auf einen „Fir-menstil“ und damit auf einen begrenzten Nach-frage- oder Sammlerkreis wurde auf dieseWeise vermieden, die Modellauswahl flexibelund auch reaktionsfähig auf Markt- und Mode-tendenzen gehalten. Das scheinbare Fehleneiner Stilkonzeption war Methode. So infor-mierte die Firma am Beispiel von Motiven fürWeihnachtsteller die Kundschaft ausdrücklich,dass Rosenthal „die Unter stützung so verschie-denartiger Künstler fand“ und dass nicht alleindie Firmenleitung, sondern „für die Veredelungunserer kunstgewerblichen Erzeugnisse diegemeinsame Arbeit von Künstler und Fabrikantunerlässlich ist“30.

Auf diese Weise konnte durch die gestalte -rische Vielfalt und Betriebsamkeit der Rosen-thal-Werke mancher Künstler im Bewusstseinder Nachwelt erhalten bleiben, dessen Name inkeinem der allgemein benutzten Standardver-zeichnisse enthalten ist wie Julius Feldtmann,Heinrich Fink, Friedrich Fleischmann, TheklaHarth, Max Hiller, Constantin Holzer-Defanti,Fritz Heidenreich, Adolf Oppel, Edmund Otto-Eichwald, Dorothea Schievelbein, Fritz vonStockmayer, Claire Weiß, Kurt Wendler, GreteZschäbitz und andere.

Einige Porzellanfiguren beruhten auf voran-gegangenen Bronzemodellen, die, wie an ande-rer Stelle ausführlicher behandelt, von denRosenthal-Beauftragten für eine Umsetzung inPorzellan als geeignet befunden wurden. Soergab sich eine sich stetig erneuernde, zeitge-nössische Stiltendenz bei Figuren von Ferdi-nand Liebermann oder Karl Himmelstoß, zumTeil „in einer der alten Porzellankunst völligfremden, tiefsinnigen Komik“ (Kat.-Nr.3.0714 f., 3.0731, 3.0369, Farbabb. VI, VIII),oder auch „ganz moderner Symbolik, die mitder alten Rokokoporzellankunst gar nichts zutun hat“31.

Die Rosenthal-Kunstabteilungen verschmäh-

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ten nicht die klassische Methode der plastischenUmsetzung von Bildvorlagen, um zu Figuren-modellen zu kommen, sei es in freier Wahl oderin fremdem Auftrag. So dienten zum BeispielGemälde von Hanns Pellar als Motivvorlagenfür die Figurengruppen „Reigen“ (Kat.-Nr.3.0084, Farbabb. XXVII), „Faungruppe“ (Kat.-Nr. 3.0085) und „Schäfer stunde“ (Kat.-Nr.3.0086), ausgeführt von Albert Caasmann.Nach Leo Rauth wurden „Liebesschwur“ (Kat.-Nr. 3.1487) und „Froschkönig“ (Kat.-Nr.3.1488) modelliert. Die Werbegrafik von Lud-wig Hohlwein für die Firma Riquet & Co. AGwar das Motiv für die Reklamefigur „China-Boy“ (Kat.-Nr. 3.0917) von Gustav Oppel, vondem auch die Reklamefigur „Kantjunge“ (Kat.-Nr. 3.0908) nach noch nicht ermittelter Vorla-ge stammt.

Die Nachbildung beziehungsweise Übertra-gung von Kunstwerken aus der Flächendarstel-lung (Gemälde, Grafik) in eine dreidimensionaleDarstellung (Figur) und umgekehrt widersprachnicht dem Urheberrechtsgesetz vom 9. Januar1876. „Diese Nachbildungen erkennt das

Gesetz als selbständige neue Kunstschöpfungan, wenn sich auch in ihnen ein und derselbekünstlerische Gedanke ohne freie Benutzungdes als Vorlage für die Nachbildung dienendenfremden Kunstbildwerkes entfaltet“.32

Nur die wenigsten Figuren wurde als soge-nannte Werksentwürfe geführt, blieben ano-nym wie einige Modelle aus der KunstabteilungBahnhof-Selb, darunter die nach Walt DisneysVorlage übernommenen Mickey-Mouse-Figu-ren (Kat.-Nr. 4.0723 ff.). Ferner konntenWerksangehörige offenbar eigene Modell -vorschläge an die Kunstabteilungen einreichen,die bei Eignung ausgeführt wurden33, wie zumBeispiel die Gruppe „Rehgeiß mit Kitz“ (Kat.-Nr. 3.1061) von Rudolf Rempel, die „Fabeltie-re“ (Kat.-Nr. 4.0491 f.) von Franz Nagy oderder „Leuchter“ (Kat.-Nr. 4.0600, Abb. 119)von Modelleur Hermann Sack.

Max Schneider brachte von 1924 bis 1926als Leiter der Kunstabteilung Selb seine Erneu-erungsgedanken in das künstlerische Programmdes Rosenthal-Konzerns ein: „beseelte Materi-alformen“ nach Entwürfen der Bildhauer Fritz

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Abb. 1: Gerhard Schliepstein, „Sich Sonnende“, 1927, Kunstabteilung Selb, Kat.-Nr. 3.1099.

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von Graevenitz, Richard Scheibe, GerhardSchliepstein oder Milly Steger (Kat.-Nr.3.0215 ff., 3.1077 f., 3.1091 ff., 3.1144 ff.,4.0865, Farbabb. XXIX, LXI, Abb. 1, 23, 46,55). „So gelang eine Por zellan kunstpflege, derselbst die Berliner Akademie der bildendenKünste ihre Ausstellungsräume öffnete“.34 MaxSchneider schließt auch Gustav Oppel undErnst Wenck in jenen Kreis der Künstler ein, die„zur Fortbildung der Porzellanform als reinerMaterialkunstform im Geiste und Empfindenunserer Tage innerhalb des letzten Jahres her-vorgetreten sind und berufen erscheinen, sichvon der Por zellan tradition loszuringen und neueWege zu finden … Nur aus der Materialkenntnisheraus kann Porzellankunst richtig verstandenwerden … Im Brennofen,“ so Max Schneider,„liegt das Geheimnis der Porzellantechnik undletzten Endes auch der Porzellankunst verbor-gen“35.

Als Anfang der zwanziger Jahre die Kunstab-teilung des Werkes Bahnhof-Selb eingerichtetworden war, beschäftigte man auch dort freibe-rufliche Künstler. Einige von ihnen warenbereits für die Kunstabteilung Selb tätig wieConstantin Holzer-Defanti, Theodor Kärner,Rudolf Marcuse, Dorothea Molden hauer, Ott-mar Obermaier, Gustav Oppel oder GerhardSchliepstein. Nach dem Weggang von TheodorKärner übernahm Hugo Meisel den Hauptteilder Modellentwürfe bei der KunstabteilungBahnhof-Selb.

Sieben Jahre nach dem Tod des BildhauersAugust Gaul (1921) kaufte Rosenthal 1928/29elf Figuren des Meisters, um sie in den Kunst-abteilungen Selb und Bahnhof-Selb in Porzel-lan, „Arkanum“ oder als Keramik im Werk Neu-stadt mit türkisfarbener beziehungsweise kup-ferroter Glasur postum zu reproduzieren36. DasVerdienst, Gaul-Figuren in das Rosenthal-Ange-bot eingeführt zu haben, lag demnach nicht inder Künstlerentscheidung, sondern allein beider Porzellanfabrik.

An der Spitze der Modell-Liste der Kunstab-teilung Selb stehen, nach der Zahl ihrer Entwür-fe und deren Reprisen folgende Künstler: KarlHimmelstoß (142), Gustav Oppel (127), FritzHeidenreich (92), Ferdinand Liebermann (73),Hans Küster (67), Theodor Kärner (45), Ger-hard Schliepstein (41), Albert Caasmann (32),Grete Zschäbitz (28), Fritz Diller (23) WillyZügel (23) und Constantin Holzer-Defanti (22).Die meisten figürlichen Entwürfe für die Kunst-abteilung Bahnhof-Selb führten aus: Max Her-mann Fritz (92), Theodor Kärner (89), Hugo

Meisel (71), Richard Förster (49), DorotheaCharol und Ottmar Obermaier (32).

Dominierten in der Kunstabteilung Selb bis1937/38 demnach mit großem Abstand KarlHimmelstoß (142) und Gustav Oppel (127), soteilten sich bei Bahnhof-Selb Max-HermannFritz (92) und Theodor Kärner (89) in die Rolleder „Meistbeschäftigten“, die ihnen nach 1936Hugo Meisel (71) abnahm. Um die gleiche Zeitkonnte sich der Anteil der Figurenentwürfe vonFritz Heidenreich (92) bei der KunstabteilungSelb zunehmend vergrößern, ohne dass, eben-so wie bei Bahnhof-Selb, auf die Übernahmevon Entwürfen anderer Bildhauer ganz verzich-tet worden wäre.

Die Bevorzugung von Hugo Meisel und FritzHeidenreich, vor allem seit Beginn des 2. Welt-kriegs, mag wohl darin begründet sein, dassbeide Künstler als Folge ihrer Verwundungen im1. Weltkrieg einarmig, also schwerbehindertund damit nicht mehr „kriegsverwendungsfä-hig“ waren. Sie konnten deshalb kontinuierlichbeschäftigt werden.

So stammten in der Kunstabteilung Selb,abgesehen von einer Frauenfigur, die acht Figu-renentwürfe der Jahre 1942/43 sämtlich vonFritz Heidenreich. Ihr Stil entsprach, sehr wahr-scheinlich mit Rücksicht auf den potentenAbnehmerkreis und die Forderungen an einearisierte Firma, den Maximen der Kunstpolitikdes Dritten Reiches: „Noch nie hat ein Zeitalterdem Künstler eine so schwere Verantwortungaufgeladen wie das nationalsozialistische. Ausden stärksten seelischen Kräften unserer Rassegeboren, schlicht, klar, groß und stark wie derechte deutsche Mensch soll jedes Erzeugnis sei-ner Kunst sein, – vom großen Repräsentations-bau bis zum kleinsten Porzellanfigürchen.“37

Dennoch war es offenbar nicht einfach, nam-hafte Bildhauer während der späten dreißigerJahre dafür zu gewinnen, ihre Entwürfe fürBronze oder Stein auch in Porzellan ausführenzu lassen, obwohl dieses Material sich ihnenanstelle der streng rationierten, kriegswichtigenMetalle geradezu anbot.

Max Adolf Pfeiffer, verdienstvoller Leiter derSchwarzburger Werkstätten für Porzellankunstin Unterweißbach (1908–1913), bis 1933Generaldirektor der Meißener Porzellanmanu-faktur, danach Leiter der Staatlichen Porzellan-manufaktur Berlin (1938–1946), der Staatli-chen Glas-Manufaktur Karlsbad (1941) undschließlich der Por zellanfabrik Rosenthal, Selb(1947–1950), äußerte sich dazu: „Die leidigeUnterscheidung zwischen freier und angewand-

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ter Kunst, die sich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eingeschlichen hat, deren endli-che Überwindung zweifellos die Schicksalsfrageunserer ganzen heutigen Kunstübung ist, hat esmit sich gebracht, dass noch immer bestimmteWerkstoffe von vielen Künstlern als nicht voll-wertig angesehen werden.

Noch vor wenigen Jahren bekam ich voneinem namhaften Künstler, den ich um einModell anging, die Antwort: für Porzellan arbei-te ich nicht, das würde meinem Ruf schaden.“Pfeiffer fährt fort: „Wenn der Vierjahresplander Reichsregierung dem Künstler heut man-cherlei Beschränkung in der Verwendung vonMetall auferlegt, so ist zu hoffen, dass er sichdadurch segensreich erweisen wird, dass er denKünstler veranlasst, sich wieder mehr dem Por-zellan zuzuwenden“.38

Solchen Vorbehalten versuchte die Rosen-thal-Firma seit 1934 erfolgreich mit dem in derKunstabteilung Selb entwickelten Porzellangut„Elfenbein poliert“ zu begegnen, das den Künst-lern „der Jetztzeit“ den Weg zu einem „neuenPorzellanstil“ weisen sollte: Die aus einer – wieGlaserkitt erscheinenden – gelblichen, mattenund unglasierten Spezialmasse ausgeformtenFiguren wurden nach dem Brand individuellpoliert. Das Ergebnis: „… die Plastiken erhalten,ohne dass die Hand des Künstlers verwischtwird, fein zerlegte Glanzlichter verschiedenerStärke … <und> sind mit Fug und Recht denOriginalen des betreffenden Künstlers gleichzu-setzen“39. Es waren vor allem die Akt figuren vonFritz Klimsch (Kat.-Nr. 3.0595–3.0601, Abb.66 f.), die, neben den Arbeiten von Adolf Dau-miller, Fritz Heidenreich, Albert Hinrich Huß-mann, Rudolf Kaesbach, Heinrich Moshage,Ottmar Obermaier, Dorothea Schievelbein,Ernst Seger und Liselotte Specht-Büchting den„neuen Porzellanstil“ bekannt machten.

Nach der im Jahre 1934 erfolgten Reorgani-sation der Kunstabteilung Selb stieg die Zahl derin den folgenden Jahren dort herausgebrachtenFiguren nach Künstlerentwürfen kontinuierlichan und erreichte 1937 mit 58 neuen Modell-nummern ihren Höhepunkt. Die Industrie- undHandelskammer in Bayreuth konnte an dasBayerische Staatsministerium für Wirtschaft,Abteilung Handel, Industrie und Gewerbe inMünchen am 22.4.1938 berichten: „Einegroße Anzahl bedeutender Künstler werdendauernd von der Porzellanfabrik Rosenthalbeschäftigt. Die Kunstabteilung dieses Werkshat allein für Ankauf von Modellen im letztenJahr die Summe von RM 11.000,– und für Tan-

tiemen an Künstler die Summe von RM9.000,– bezahlt. Namen wie Prof. Klimsch,Prof. Kärner, Bildhauer Liebermann, Prof.Wenck geben Zeugnis dafür, dass hier bestesdeutsches Kunstschaffen gezeigt wird. In kei-nem Geschäft wird aber speziell so viel anKunstfiguren gekauft, wie in München“.40

Es war selbstverständlich, dass eine Anzahlder für Rosenthal tätigen freien Bildhauer undEntwerfer, insbesondere die keramisch ausge-bildeten wie Gustav Oppel oder Hugo Meisel,auch anderen Porzellanfabriken zur Verfügungstanden41. Für mehrere Auftraggeber außerRosenthal, darunter auch für die KPM Berlin,arbeiteten zum Beispiel Johannes Boese, JuliusFeldtmann, Karl Himmelstoß, Fritz Klimsch,Ferdinand Liebermann, Joseph W. Limburg,Edmund Otto-Eichwald, Karl Röhrig, GerhardSchliepstein, Theo Schmuz-Baudiss, WalterSchott, Ernst Seger, Max Valentin und Sigis-mund Wernekinck.42 Max Hermann Fritz, WilliMünch-Khe und Walter Schott belieferten diePorzellanmanufaktur Meißen, Theodor Kärner,Emil Manz, Edmund Otto-Eichwald und WillyZügel die Porzellanmanufaktur Nymphenburg43,Gustav Oppel und Hugo Meisel die Schwarz-burger Werkstätten für Porzellankunst, Unter-weißbach, und die Aelteste Volkstedter Porzel-lanmanufaktur, Rudolstadt-Volkstedt.44 ClaireWeiß erscheint unter den Entwerfern für Bing& Grøndahl, Kopenhagen, und Lorenz Hut-schenreuther, Selb45.

Zu Dekorentwürfen für die KunstabteilungSelb wurden nur selten freischaffende Künstlerherangezogen. Am auffallendsten gerieten diefür Handmalerei in einem Musterbuch erhalte-nen Entwürfe von Kurt Wendler (Farbabb.LXV f.) aus den zwanziger Jahren46. Die Aufgla-surmalerei, die in nur wenigen Beispielen vondem Bildhauer und Maler Tono Zoelch bekanntist (Kat.-Nr. 3.1283–3.1287, Farbabb. LX),vertritt weniger die professionelle Porzellanma-lerei, sondern scheint mit ihrem Unikat-Charak-ter mehr ein Versuch aus Selbstinteresse zusein. Die hauseigenen Dekorentwerfer, zudenen außer Kurt Severin, Walter Mutze undFranz Männl vor allem die Leiter der Kunstab-teilung Julius V. Guldbrandsen, Hans Schiffnerund Fritz von Stockmayer zu rechnen sind, kön-nen am ehesten an Hand ihrer charakteristi-schen Motive identifiziert werden. Diese sind inder Handmalereiabteilung oder auch als Druck -dekore auf den Erzeugnissen der Kunst ab -teilung Selb vervielfältigt worden.

Anmerkungen

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Die von Carl Maria Bauer, Wilhelm und PhilippRosenthal gegründete Porzellanfabrik Bauer,Rosenthal & Co. KG in Kronach nahm ihrenBetrieb am 15. November 1897 mit einerBelegschaft von 200 Personen und zwei Brenn -öfen auf. Sie stellte zunächst Geschirr her. Dasgeht aus dem Warenverzeichnis hervor, das, imZusammenhang mit den die Firmengründungvorbereitenden Arbeiten vom Anfang der neun-ziger Jahre, bei der Anmeldung der Fabrikmar-ke am 19.2.1892 amtlicherseits zu hinterlegenwar: „Gebrauchs- und Luxusgeschirre aller Artaus Porzellan, weiß oder farbig, auch vergoldet,versilbert oder sonstwie dekoriert“.1

Diese Beschränkung auf Geschirrporzellanesagte dem Firmenmitbegründer und Porzellan-fachmann Carl Maria Bauer offenbar nicht zu.„Ohne Unterlass betrieb er Versuche, das fein-ste und dünnste Porzellan herauszubringen undhatte damit wohl künstlerische Erfolge: Vasen,Frauengestalten, marmorähnliche Mokkatassenund so weiter, aber keine geschäftlichen“.2

Als Porzellanfabrikant auch im Aufsichtsratder Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. AG,Selb, von 1897 bis 1901 und anschließend bis1903 im Vorstand desselben Unternehmensvertreten, war sich Carl Maria Bauer in Kennt-nis der Bilanzen gewiss darüber im klaren, dassman sich mit Kunstporzellanen vorwiegend nuran begüterte Käuferschichten wenden konnteund durch ständig neuartige Angebote dieExklusivität der Firma unter Beweis stellenmuss te. Wenn sich in Kronach so kurz nachInbetriebnahme der Porzellanfabrik noch keinegeschäftlichen Erfolge einstellen wollten, lagdas vermutlich auch am geringen Bekanntheits-grad der jungen Firma, obwohl die Erzeugnisseauf Ausstellungen im In- und Ausland geschicktwurden.

Bereits ein Jahr nach Eröffnung der Krona-cher Fabrik beteiligte man sich 1898 an derGroßen Berliner Kunstausstellung. Im Jahr dar-auf, 1899, wird dem Unternehmen Bauer,Rosenthal & Co. KG als einziger ausstellendenprivaten Porzellanfabrik an der gleichen Veran-staltung bestätigt, dass es im Vergleich zum Vor-

jahr Neuerungen und Fortschritte zeige, denndie Vasen und Schalen seien reicher ausgestat-tet.3 Sie würden neue, marmorartige Farbzu-sammenstellungen zeigen und zart irisierendschimmern, was als typisch für diese Fabrikgelte. Für erwähnenswert fand der Berichter-statter eine Vase mit figürlichem Fries in der Artvon Wedgwood (vielleicht Kat.-Nr. 1.0032,Farb abb. I).

Dem von Frankreich vorgegebenen Zeitstilund kritischen Hinweisen folgend, versuchte

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Die Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG,Kronach,

Kunstporzellan 1897–1907

Abb. 2: Hermann Hidding, Vase „Huldigung derKünste“, 1900, Bauer, Rosenthal & Co. KG Kro-nach, Kat.-Nr. 1.0001.

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sich die Kronacher Fabrik mit Reliefporzellanensowie mit Farb- und Lüsterglasuren. Wahr-scheinlich wurde auch in der Masse gefärbtesPorzellan hergestellt4 und auf der Weltausstel-lung Paris 1900 gezeigt.

Der Bedeutung dieser internationalen Schaugerecht werdend, erschienen in der Pressebe-richterstattung erstmals Abbildungen der vorge-führten Exponate aus der erst drei Jahre altenPorzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG,Kronach. Vor allem sind die Vasen mit wage-mutigem, vollplastischem Figurenbesatz beach-tet worden.5 Das waren keine Fabriksentwürfe,sondern Aufträge, die an Bildhauer vergebenworden waren wie Hermann Hidding, Berlin(Kat.-Nr. 1.0001, Abb. 2), Max Hiller, Wien(Kat.-Nr. 1.0005, Abb. 3, 1.0010, Farbabb.III), Joseph Vetter, Luzern (Kat.-Nr. 1.0032,Farb abb. I) und Adolf Oppel, Nürnberg (Kat.-Nr. 1.0017, 1.0020, Farbabb. II und IV).

Vorbilder für die farbigen Porzellane und dieMotivwahl mit sich räkelnden Blumenfeen undsich tummelnden oder unschuldig schlummern-den Nymphen gab, wie bereits erwähnt, derfranzösische Kunstgeschmack der Jahrhundert-wende. Die Kombination vergoldeter, bezie-hungsweise weiß belassener, vollplastischeroder reliefierter Figuren (Abb. 4) mit farbig mar-morierten Gefäßen orientierte sich wohl amehesten an den Steinzeugarbeiten von PierreAdrien Dalpayrat, dem „Hauptvertreter jenerphantastischen Thonplastik, die das Figürlichein freiester Weise zum Schmuck heranzieht“6.

Die Kronacher Porzellane, „die sich durch Mar-morierungen und Flammungen in steinartigenFärbungen im Überfang oder in der Masse“auszeichneten, fanden ihre Bewunderung:„Eine sehr dünne Glasur gibt diesen Vasen ineinfachen, aber durchgängig schön profiliertenFormen eine Politur, welche dem Steincharak-ter besonders gut entspricht. Bald kam aucheine Variation der Glasur hinzu, welche, unauf-dringlichen und brüsken Metallglanz vermei-dend, nur sanft in Irisfarben schimmert, eineEigenschaft, die an mehreren Halbedelsteinengeschätzt wird und auch diesen Porzellaneneinen besonderen Reiz verleiht, wie die schö-nen Exponate der Ausstellung darthun“.7 Auchvon plastisch dekorierten größeren Schauva-sen, die „in Farbmasse“ ausgeführt waren,sowie von in der Masse tief schwarz gefärbtenund mit irisierender Glasur versehenen Vasenwird an gleicher Stelle berichtet. Die Jury derPariser Weltausstellung 1900 bedachte, ingleicher Weise wie Mutz, Altona, oder Tiffany,New York, die Leistungen der PorzellanfabrikBauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach, miteiner Silbermedaille.8

Zur Großen Berliner Kunstausstellung imWeltausstellungsjahr 1900 reichte die ehrgeizi-ge Porzellanfabrik aus Kronach ebenfalls ihreExponate ein. Das waren allerdings meist schonbekannte Entwürfe, die 1899 auf der gleichenSchau gezeigt worden waren: „… in der Massegefärbte Porzellane“, jetzt aber mit noch besse-ren Ergebnissen, wie ein „reines Rosa und eini-ge grüne Töne unter perlmutterartig schillern-den Glasuren“.

Die Formen der Gefäße waren mannigfaltigund zum Teil durch freie oder in sehr hohemRelief modellierte Figurengruppen, Einzel -figuren oder friesartige Flach relief gruppenbelebt, die neuerdings schärfer modelliertwaren. Besondere Würdigung erfuhr in derPresse bericht erstattung wiederum die „größereVase mit umlaufendem Fries von Figuren inantiker Gewandung“, die, nach einem Entwurfvon Hermann Hidding, Berlin, in einer weite-ren Ausformung gleichzeitig in Paris ausgestelltwar (Kat.-Nr. 1.0001 f., Abb. 2). Als angenehmempfunden wurde die neue Mischung der farbi-gen Massen, insbesondere solche von Rosa undSeladon.9

Dass mit diesen extravaganten Kunst por -zellanen dem jungen Kronacher Unternehmender wirtschaftliche Erfolg versagt blieb, wurdebereits angedeutet. Dieses Manko wurde aberwahrscheinlich im Interesse der Imagepflege in

22 Die Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach

Abb. 3: Max Hiller, Wandteller, um 1900, BauerRosenthal & Co. KG, Kronach, Kat.-Nr. 1.0005.

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Kauf genommen. Man bevorzugte den Figuren-stil auch weiterhin, gleichermaßen als Kontra-punkt zur mehr skandinavisch tendierten Unter-glasurmalerei auf den Zierporzellanen derGeschirrabteilung des Rosenthalwerkes inSelb10.

Auf diese Weise konnte der Nachfrage fürZierporzellane quasi zweigleisig begegnet wer-den. Bestellungen sowohl für den Figurenstil alsauch für die „Kopenhagener“ Unterglasurmale-rei auf zum Zierporzellan aufgewertetenGeschirrformen schlugen stets in ein und dem-selben Unternehmen zu Buche, zumal dasWerk Kronach 1901 von der Ph. Rosenthal &Co. AG, Selb, erworben und 1904 reorgani-siert und erweitert worden war.11

Auf Grund dieser Reorganisation schloss dienunmehrige „Filiale“ Kronach ihre Bilanz nachvier Jahren, vor allem durch die Forcierung derGeschirrproduktion, endlich gewinnbringendab12, ohne dass auf die Fabrikation der bekann-ten Kunstporzellane verzichtet worden wäre.Ein solcher Verzicht hätte dem Ansehen derFirma höchstwahrscheinlich geschadet, weilsich seit 1898 auf den großen Kunstausstellun-gen Rosenthal mit seiner jetzigen Filiale Kro-nach als einzige private Porzellanfabrik mitKunstporzellanen eingeführt hatte, die sonstnur von den staatlichen Unternehmen produ-ziert wurden.

Wohlüberlegt beschickte man deshalb auchweiterhin die nationalen und internationalenAusstellungen – wie die Internationale Kunst-ausstellung Dresden 1901 und die KeramischeAusstellung im Kunstgewerbe-Museum Leipzig,1.11.-31.12.1901 – zum Beispiel mit denVasen „Huldigung der Künste“ von HermannHidding, Berlin (Kat.-Nr. 1.0001 f., Abb. 2),„Tanzende Mänaden“ von Joseph Vetter,Luzern (Kat.-Nr. 1.0032, Farbabb. I), denVasen „Rheingold“ (Kat.-Nr. 1.0015), „Satyrmit schlafender Nymphe“ (Kat.-Nr. 1.0014),„Neckerei“ (Kat.-Nr. 1.0017, Farbabb. II) undder Statuette „Mädchen mit Bär“ (Kat.-Nr.1.0019) von Adolf Oppel. Ebenfalls vertretenwaren die Schalen „Nixe mit Fischen (Seetie-ren)“ (Kat.-Nr. 1.0040), „Nymphe mit Wasser-mann“ (Kat.-Nr. 1.0041), „Schlafende Nym-phen“, zwei Vasen mit Blütenbesatz und eine„Muschelschale“ (Kat.-Nr. 1.0042). Dabei han-delte es sich bei den Exponaten für beide Aus-stellungen sehr wahrscheinlich um die gleichenObjekte, da sie unmittelbar nacheinander statt-fanden.13

Ferner wurden die sich anschließenden Gro-

23Die Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach

ßen Berliner Kunstausstellungen 1902 und1903 mit Neuheiten wie figürliche Briefbe-schwerer beschickt, „meist Gruppen von einerFrau mit einem Tier, wobei das eine oder dasandere ohne Glasur gelassen ist“ (Kat.-Nr.1.0018). Außerdem zeigte die KronacherFabrik in Berlin als Novitäten die Schale „Nixe,mit Fischen spielend“ (Kat.-Nr. 1.0025), dieFigurengruppe „Ein Geheimnis“ (Kat.-Nr.1.0021, als Vase Kat.-Nr. 1.0020, Farbabb.IV), die Jardinière „Frühlings Erwachen“ (Kat.-Nr. 1.0023) und die „Vase mit stehender Nym-phe“ (Kat.-Nr. 1.0027). Büsten (Kat.-Nr.1.0026) sowie weitere Porzellane von AdolfOppel, Nürnberg, waren schon aus den voran-gegangenen Ausstellungen und dem Handelbekannt, so die Vase „Neckerei“ (Kat.-Nr.1.0017, Farbabb. II), die Kanne mit einer Nym-phe als Henkel und einer Faunsmaske (Kat.-Nr.1.0022), sowie die schon erwähnte Vase „Tan-zende Mänaden“ (Kat.-Nr. 1.0032, Farbabb. I)von Joseph Vetter, Luzern.14

Abb. 4: J. Röhring, Deckelvase mit Henkeln, um1900, Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach,Kat.-Nr. 1.0031.

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Auf der Großen Berliner Kunstausstellung1903 war Kronach mit Vasen von Adolf Oppelund Max Hiller in bekannter Ausführung „tech-nisch wie künstlerisch gleich vollkommen“,sowie mit einer Jardinière, die von einem fastunbekleideten Jüngling und Mädchen, in Biskuitund matt vergoldet, flankiert wird15, vertreten(wohl der Blumenständer „Liebesfrühling“ vonAdolf Oppel, Kat.-Nr. 1.0024, Abb. 5).

Zur Weltausstellung St. Louis 1904 wurdenKunstporzellane mit metallglänzenden Glasurenund Flachrelieffiguren in Weiß oder Elfenbeingeschickt, ferner eine Schale mit zwei Nym-phen auf perlmuttglänzenden Wogen und miteinem Fisch (Kat.-Nr. 1.0040), wofür die Kro-nacher Rosenthalfabrik gemeinsam mit Porzel-lanen aus dem Werk Selb eine Goldmedailleerhielt.16

Auf der Bayerischen Jubiläums-Landes-Indu-strie-, Gewerbe- und Kunstausstellung 1906 inNürnberg zeigte die Kronacher Filiale nochmalsihre bekannten Kunstporzellane mit weißenVollfiguren oder Reliefs auf grünweiß marmo-riertem Grund mit irisierender Glasur (vielleichtKat.-Nr. 1.0010, Farbabb. III) und matter Ver-goldung, darunter als Hauptstück wiederum die

Vase „Huldigung der Künste“ (Kat.-Nr.1.0001f., Abb. 2) von Hermann Hidding, Ber-lin.17

Diese auf nationalen und internationalenAusstellungen gezeigten Vasen, Jardinièren,Schalen und Briefbeschwerer mit figürlichemSchmuck wurden ein letztes Mal als Erzeugnisseder Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. AG,Selb, Filiale Kronach, in den KeramischenMonatsheften von 1907 gewürdigt.18 Auf derWeltausstellung in Brüssel 1910 waren sie nichtmehr gezeigt worden, denn von nun anbestimmte die neu eingerichtete Kunstabteilungdes Werkes Selb den Rosenthalschen Porzellan-stil. Vermerkt der Eintrag im Adressbuch derKeram-Industrie 1910 für die Filiale Kronachals Spezialität noch „Kunstporzellan in Scharf-feuerdekoren wie: Vasen, Figuren, Tafelaufsät-ze, Armleuchter, Jardinièren etc.“, so fehltdiese Angabe in der nächsten, 1913 erschiene-nen Ausgabe des Adressbuches.19 KronacherKunstporzellane der 1897 gegründeten FabrikBauer, Rosenthal & Co. KG, seit 1901 eine Fili-ale der Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co.AG, Selb, bezeichnet mit der Stadtwappen-Goldmarke, wurden nicht mehr hergestellt.

24 Die Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kronach

Abb. 5: AdolfOppel, Blu-menständer „Liebesfrühling“,1902 oder frü-her, Bauer,Rosenthal & Co.KG, Kronach,Kat.-Nr. 1.0024.

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1910–1924

Die um 1913 herausgegebene Rosenthal-Fir-menschrift „Kunstabteilung“ führt aus1: „DieKunstab teilung der weltbekannten Porzellan -fabrik Ph. Rosenthal & Co. Aktiengesellschaft,Selb in Bayern, ist die notwendige Ergänzungdieses modernsten Großbetriebes der Feinkera-mik … Der Grundsatz unserer führenden Gei-ster: Nur künstlerische Ausführung bei vollen -deter Technik kommt so in vollkommensterWeise zum Ausdruck … Die Her stellung derKunstporzellane von Rosenthal erfolgt aus-schließlich in Handarbeit. Nachdem mehrereJahre hindurch die verschiedenen technischenMöglichkeiten der Erzeugung von Kunstsachen

in der Geschirrfabrik von Rosen thal ausgeprobtwaren, erfolgte die Errichtung eines großenseparaten Gebäudes, das nur den Zwecken derKunstabteilung dient und mit allen Einrichtun-gen der modernen Technik versehen wurde …Sämtliche Erzeugnisse der Kunstabteilung wer-den nach Originalentwürfen und Modellenerster Künstler geschaffen … Die Modelle sol-len nicht gedankenlose Einzel darstellungensein, sondern sie sollen gemäß dem kapriziösenCharakter des Porzellans lustige, originelleIdeen verwirklichen, sie sollen kleine Geschich-ten erzählen (Hohe Schule, PhilosphischerDisput, Brotneid und so weiter), sie sollen vorallem in den besonders bevorzugten Darstellun-gen von Tänzerinnen den femininen Charakter

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Die Kunstabteilung Selb1910–1945

Abb. 9: Die Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. AG in Selb, links das Hochvolthaus, Luftaufnahme um1937.

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Abb. I: Joseph Vetter, Vase „Tanzende Mänaden (Bacchantinnen-Vase)“, 1898/99, Bauer, Rosenthal &Co. KG, Kronach, Kat.-Nr. 1.0032.

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des Porzellans zum Ausdruck bringen. Ganzbesonders ist auf die Schaffung bestimmterSerien Rücksicht genommen. So arbeitet Him-melstoss an einer lustigen Dorf musikanten-Serie, von der bereits 4 Typen erschienensind“. 2

Die Gründe, die Philipp Rosenthal bewogenhaben mögen, Zierporzellane in einer separa-ten Abteilung, getrennt von der Geschirr -poduktion herzustellen, waren folgerichtig. Inder privaten Porzellanindustrie hatte sich wäh-rend des 19. Jahrhunderts das Streben nachQualität so weit gefestigt, „dass sie in künstleri-scher Hinsicht zur ernst zu nehmenden Kon -kurrentin der staatlichen Manufakturen wurde… Es hat sich also gezeigt, dass private kauf-männische Interessen und qualitative Ge -staltung nicht einander auszuschließendeGegensätze zu sein brauchen, sondern sich inhar mo nischer Zusammenarbeit wohl ergänzenkönnen. Das war der Erfolg des 19. Jahr -hunderts trotz aller Stillosigkeit, die es sonst auf-zuweisen hatte, dass es eine private deutscheLuxusporzellanindustrie geschaffen hat, die esin friedlichem Wettbewerb mit dem Ruhm derstaatlichen Manufakturen diesen an eigenerschöpferischer künstlerischer Gestal tung gleichzu tun suchte“.3

Ähnliche Prinzipien wurden auch andernortsvertreten. So hielt der französische Glaskünstlerund Unternehmer Emile Gallé es nicht fürunmöglich, industrielle Produktion und Kunst zuvereinbaren: „Weder die Kunst noch derGeschmack hängen von kostspieligen Her -stellungs methoden ab, der Entwerfer brauchtnur seine Modelle mit Geschmack und Gefühlden wirtschaftlichen Bestimmungen und denpraktischen Anforderungen des Handwerks zuunterwerfen.“4

Um den Industrieerzeugnissen den Stempeldes guten Geschmacks zu geben, sollte derGeist des Schönen auch im Alltagsprodukt stek-ken. Deshalb ist das künstlerische Problem einProblem der Qualität in der Industrie. Geradedie Porzellanfabriken, die in hohem Maße dieästhetischen Bedürfnisse ihrer Kunden nacheinem „schönen“ Kaffeeservice oder einer hei-ter-eleganten Figur bedienen möchten, könnendie künstlerische Idee als Qualitätsnachweis nut-zen. Es ist für das künstlerische Ansehen einessolchen Industrieunternehmens entscheidend,in welcher Weise es unter vollem Wettbewerbs-druck der Konkurrenz dazu fähig ist, ohne diemaximale Stückzahl und die günstigste Preiskal-kulation zu vernachlässigen.

34 Kunstabteilung Selb

Die exklusive Wiener Werkstätte vertrat dage-gen den Grundsatz: Lieber soll ein Arbeiter zehnTage an einem Stück arbeiten als an einem Tagzehn Stück auf Kosten der Qualität machen.5

Man glaubte 1908, dass die Wiener Werkstätteals „moderne Produktionsstätte großen Stils“ die-sen Grundsatz befolgen könnte. Sie ist jedochmit einem Industrie unter nehmen von mehreren1000 Beschäftigten nicht zu vergleichen. EinGroßbetrieb oder Konzern kann, eventuell mitBilanzausgleich, sowohl rasch, billig, als auchqualitätvoll produzieren. Aber diese Zielsetzungwar in der privaten Porzellan industrie um 1908nur gering ausge prägt, so dass Philipp Rosenthalseinen Quali täts anspruch überzeugend und vor-ausschauend mit der Einrichtung der Kunst -abteilung anmelden konnte.

Sein Engagement fußte und reifte offensicht-lich auf einer bereits fast zehn Jahre zurücklie-genden Wettbewerbssituation des Porzellan -marktes, die von den Rosenthal-Werken seiner-zeit mit einer Erweiterung ihres Warenangebotsbeantwortet wurde und die sich im Ge -schäftsbericht über das Jahr 1899 auf Seite vierso darstellt: „Auch fabrizieren wir, den An -sprüchen der Zeit angemessen, einen neuenGenre Kunstporzellan – Hartporzellan-Unter -glasur –, welcher seiner Eigenart und künstleri-schen Ausführung auf dem Markte grossenAnklang findet.“ 6

Absatzschwierigkeiten wusste man bei Rosen -thal im Laufe der folgenden Jahre trotz allge-meiner Depression7 durch neue Kundenwer -bung zu beheben, so dass der Geschäftsberichtfür 1908 auf Seite vier ausdrücklich darauf ver-weisen kann: „Wir konnten, trotzdem dasGeschäft nach Amerika sehr schwach war, unse-re Umsätze in sämtlichen Abteilungen vergrö-ßern, nachdem unsere Waren auf anderenMärkten einen höheren Absatz erfuhren, wasdarauf zurückzuführen ist, dass unsere Markensich einer immer mehr steigenden Beliebtheiterfreuen.“ In diese Geschäftslage bettet PhilippRosenthal seinen Plan der Einrichtung einerKunstabteilung in größerem Stil, eine Vision, die1908 realisiert wurde. Sie erwies sich als richtig,da von 1909 bis 1913 ein erneuter Auf schwungin der Porzellanindustrie stattfand. 8

Noch ist in den Geschäftsberichten nicht dieausdrückliche Rede von einem Anteil, der denZier- und Kunstporzellanen an der „steigendenBeliebtheit“ der Rosenthalware zugesprochenwerden konnte. Er reflektiert sich jedoch in denPressestimmen zu den Ausstellungen, dieRosenthal bis 1909 beschickte und auf die an

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Abb. II: Adolf Oppel, Vase „Neckerei“, 1901oder früher, Bauer, Rosenthal & Co. KG, Kro-nach, Kat.-Nr. 1.0017.

Abb. III: Max Hiller zugeschr., Vase „TanzendeNymphe“, um 1900, Bauer, Rosenthal & Co. KG,Kronach, Kat.-Nr. 1.0010.

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die Wahrung der ursprünglichen künstlerischenAussage gelten, wird doch gerade unter indus -triellen Bedingungen ein in großer Serie unddanach immer wieder ausgeformter Künstler -entwurf oft aus technischen Gründen „verfrem-det“. Wollte eine auf Qualität bedachte Porzel-lanfabrik jedoch Bronzearbeiten namhafterBildhauer möglichst werkgetreu keramisch aus-formen, musste sie die technischen Voraus -setzungen gerade dann entwickeln, als um1935 den „Künstlern der Jetztzeit … nichtmehr der altgekonnte Porzellantyp der glattenFläche“ genügte. Der Bildhauer wollte vielmehr,dass „an seinen Schöpfungen noch der letzteFingerdruck zu sehen“6 war, der die Arbeit amTonmodell beendete.

„Deshalb“, so erläutert die Firmenschrift angleicher Stelle weiter, „haben die Plastiken indieser neuen elfenbeinfarbigen polierten Aus-führung einen bleibenden Wert; denn sie sindmit Fug und Recht den Originalen des betref-fenden Künstlers gleichzusetzen … Auf deranderen Seite ist es aber auch weiten Kreisenmöglich, originalgetreue Modelle be deutenderKünstler zu erwerben … Die besten Schöpfun-gen auf diesem Gebiet sind wohl die Figurenvon Professor Fritz Klimsch, Berlin.“

Als 1934 die erste Figur in „Elfenbein-Matt -ausführung“ – die Bezeichnung „Elfenbeinpoliert“ war noch nicht gefunden – ausgeformtwurde, war dies allerdings keine Klimsch-Skulp-tur, sondern das „Schreitende Mädchen“ (Kat.-Nr. 3.0866, Abb. 26) von Ottmar Obermaier.Es wird charakterisiert als ein „völlig neuer Typ

der Porzellanplastik … Hier ist das Elfenbeinbis -kuit an den erhabenen Stellen des Formkörperspoliert, so dass sich ein sehr reizvoller Wechselmattglänzender und völlig matter Oberflächeergibt“.7

Außer Ottmar Obermaier und Fritz Klimsch(Kat.-Nr. 3.0596, 3.0600, Abb. 66, 67), derdie Ausformungen seiner Frauenfiguren in„Elfenbein poliert“ ausdrücklich billigte, weil deren Oberflächenbehandlung seinen künstleri-schen Vorstellungen entsprach,8 wurden zwi-schen 1936 und 1945 noch Figurenentwürfeder Bildhauer Adolf Daumiller, Lore Friedrich-Gronau, Rudolf Kaesbach (Kat.-Nr. 3.0569,Abb. 68), Hubert Lang, Georg Martin Mathias,Heinrich Moshage, Dorothea Phi lipps born,Dorothea Schievelbein, Ernst Seger, LiselotteSpecht-Büchting (Kat.-Nr. 3.1141, Abb. 69)und Ernst Wenck ausgeführt.

Nicht nur die Menschenfigur, auch die Tierfi-gur fand im polierten Elfenbeinbiskuit ihre neueInterpretation. Die Arbeiten von Fritz Bernuth,Fritz Heidenreich und Albert Hußmann verfü-gen über eine „Oberfläche, die neben demeigentümlich zarten Spiel des Lichtes ihreStruktur, Haut oder Fell, Haare oder Federn,voll zur Wirkung bringt und dem Stück zugesteigertem Ausdruck verborgener Kraft ver-hilft. Diese Behandlungsart – Elfenbein poliert –ist die Fortentwicklungsart der früheren …Biskuitporzellane und vermittelt wie selten einMaterial den Eindruck des von Künstlerhandgeschaffenen Originals“.9

Mit der Bindung so zahlreicher und namhaf-ter Bildhauer an den Begriff Rosenthal-Porzel-lan konnte das Unternehmen mit seinerNeuent wicklung „Elfenbein poliert“ einen unbe-strittenen Erfolg gegenüber anderen Porzellan -fabriken anmelden. Es war nicht zu übersehen:„Das künstlerische Schaffen von Rosenthal istin letzter Zeit wiederum durch eine Reihe vonKünstlern stark beeinflusst worden.“10

Allerdings sollte die Entwicklung des Materi-als „Elfenbein poliert“ nicht als Selbstzweck umder Neuheit willen oder als künstlerisches Form-finden eingeschätzt werden. „Elfenbein poliert“ist in Wirklichkeit aus einer gezielt herbeigeführ-ten wirtschaftspolitischen Notlage heraus ent-wickelt worden. Der Umstand, dass diese vonstaatlichen Instanzen im wahrsten Wortsinneverordnet Notsituation eintrat, als das Rosen-thal-Unternehmen dem 25-jährigen Jubiläumder Kunstabteilung entgegensah, verschleiertdie wahren Zusammenhänge zwischen der Ent-wicklung der Porzellantechnik „Elfen bein

140 Figuren „Elfenbein poliert“

Abb. 67: Fritz Klimsch, „Najade“, („Elfenbein poliert“), 1939, Kunstabteilung Selb, Kat.-Nr.3.0600.

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Abb. XXXI: Gustav Oppel, „Geck“, Beleuchtungsfigur, 1927, Kunstabteilung Selb, Kat.-Nr. 3.0938.

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Emmy Niecol

RosenthalKunst- und Zierporzellan

1897-1945

Band 1

RosenthalKunst- und Zierporzellan

1897-1945

wird nahezu komplett mit über 3000 Abbildungen in dieser fünfbändigen Monografievorgestellt. Sie gibt Sammlern und Händlern, Museen und Kunstwissenschaftlern grund-legende Informationen auf der Basis von Modellbüchern, Firmenarchivalien undFachliteratur sowie Kunst- und Auktionskatalogen. Die Porzellane sind nach ihrenProduktionsstätten im Rosenthal-Konzern und nach Künstlern geordnet. Modell-Listenund Register machen das Werk schnell zugänglich.

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Die Bände 2 bis 5 enthalten den „Katalogder Kunst- und Zierporzellane des Rosenthal-Konzerns 1897-1945“. Sie gliedern sich nachden Pro duktions stätten der Kunst- undZierporzellane der Rosenthal-Werke (Por -zellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. KG,Kronach; Zier por zellan der GeschirrabteilungWerk Selb; Kunstabteilung Selb; Kunst -abteilung Selb, Handmalereiabteilung und Ab -tei lung Glaskunst; Kunstabteilung Bahnhof-Selb; Kunstabteilung Bahnhof-Selb, Ab teil ungKeramik, Werk Neustadt bei Coburg; Press -stoffwerk Neustadt bei Coburg; PorzellanfabrikThomas, Markt redwitz.

Die Abfolge der Kataloge ist alphabetischnach Künstlern, Entwerfern und Malern ge-ordnet, deren Biografien den Objekten voran-gestellt sind. Die Stücke von unbekanntenEntwerfern reihen sich in chronologischerAbfolge an. Fast alle der ca. 3000 Objektesind abgebildet. Band 5 enthält auch dieMarken und Modell-Listen der Kunst- und Zier -porzellane der verschiedenen Werke. Die jederModellnummer beigeordnete Ka talognummerermöglicht eine problemlose Nutzung der vierKatalogbände.

Zur Autorin:

Emmy Niecol (d. i. Eleonore Pichel kast ner)aus Waldenburg in Nieder schle sien stammendund 1946 in Sachsen angesiedelt, studierteKunstgeschichte und Ar chäologie an derUniversität Rostock (Diplom). Sie war anschlie-ßend an den Staatlichen KunstsammlungenDresden tätig (Kustos im Kunst gewerbe -museum). Seit 1965 arbeitete sie imKunstauktionshaus Weinmüller/Neu meis ter inMünchen, später als Ver ant wort liche Re -dakteurin (Antiquitäten Zeitung, KunstpreisJahrbuch) im Weltkunst Ver lag, München. Siebetätigte sich auch als Buchautorin (Zinn-Lexikon, Fayence-Lexikon, Bruckmann Verlag,München) und als Verfasserin zahlreicherBeiträge in Fachzeitschriften.

ROSENTHAL-PORZELLAN aus Selb istweltbekannt und ein Qualitätsbegriff nicht nurfür anspruchsvolles Tafelgerät, sondern auchfür Kunstporzellan. Des halb gelangtenRosenthal-Figuren schon seit den erstenJahrzehnten des 20. Jahrhunderts in privateund öffentliche Sammlungen oder Museen inEuropa und Übersee. Nun liegt die längst fälli-ge Monografie über die Kunsterzeugnisse desRosenthal-Konzerns für die Zeit von 1897 bis1945 vor.

Die Monografie erfasst in fünf Bänden mit über 3000 Abbildungen außer denModellen der Kunstabteilungen Selb undBahnhof-Selb auch die Zierporzellane undFiguren der 1897 von Philipp Rosenthal initi-ierten und nach einigen Jahren in denKonzern übernommenen PorzellanfabrikBauer, Rosenthal & Co. in Kronach, der 1907erworbenen Por zellan fabrik Thomas, Markt -redwitz, sowie der dem Werk Bahnhof-Selbangeschlossenen Ab teilung Keramik in Neu -stadt bei Coburg. Soweit möglich, sind auchErzeugnisse der Abteilung Glas kunst, Mün -chen, und des Press stoff werkes Neustadt ein-bezogen worden.

Der Band 1 enthält die mit rund 70 Farb-und 150 Schwarzweißabbildungen illustriertenAusführungen über die Kunst porzellane undspeziellen Kunst ab tei lungen der Rosenthal-Werke. Außer deren historisch dargestelltenEnt wick lung werden bestimmte Er zeugnissezusätzlich nach Themen abgehandelt. So zumBeispiel die Tanz- und Sportfiguren oder dieFiguren in „Elfenbein poliert“, einer Por zellan -masse, die vorzugsweise Bild hauer akzeptier-ten, denen vor und während der Kriegszeitennur bedingt Bronze für ihre Arbeiten zugeteiltwurden. Ausführungen zu Tieren auf Schalenund Vasen, ihre porzellantechnisch komplizier-ten Ausformungen in der Flugphase und imSprung sind ebenso zusammenfassend darge-stellt wie die Vielzahl der heimischen, exoti-schen und grotesken Tiere und Vögel. Auchdie Zierporzellane von Dosen bis Vasen, dieWeihnachts- und Osterporzellane, Er inne -rungs teller, Wand teller, das Kriegs- und Klang -porzellan, Lampen, Leuchter, Rauch verzehrer,Porzellanschmuck, keramische Kunst er zeug -nisse und sogar das Rosenthalglas werden alsüberschaubare Komplexe behandelt.

Jedem der im Band 1 erwähnten Gegen -stand ist die Katalog-Nummer beigegeben, sodass sein leichtes Auffinden in denKatalogbänden (2-5) gewährleistet ist. Band 1beinhaltet ferner Aus füh rungen zu Fir men -marken, den Muster büchern und zur Technikder Porzellan herstellung sowie eine tabellari-sche Fir mengeschichte, die Biografie PhilippRosenthals und ein Personenregister.

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