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Barawitzka – Lauter Kapitäne, keine Matrosen · inmitten einiger Stapel noch verschnürter Seehandbücher und Kar-8 . tenrollen und las seelenruhig in einer Illustrierten, als

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KARLVETTERMANN

Barawitzka Lauter Kapitäne, keine Matrosen

DELIUS KLASING VERLAG

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2. Auflage© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:ISBN 978-3-667-10337-6 (PDF)ISBN 978-3-667-10402-1 (E-Pub)

Zeichnungen: Karl VettermannEinbandgestaltung: Felix Kempf, www.fx68.de

Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft fürVerlagsservice, München

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf dasWerk, auch Teile daraus, nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

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Inhalt

Vorsicht, Schulschiffe! 7 Die Marx Brothers im Kaufhaus - oder wie man Schiffsproviant auch stauen kann ° Luciano Pavarottis Ausbildungsmethode 0 Die Kunst, eine Yacht aus dem Hafen zu bringen ° Kursdreiecke, Rollreffs und andere heimtückische Fallen

Wie Barawitzka Admiral wurde 33 Wenn die Prüfungskommission ans Ufer schwimmen muß, sind alle durchgefallen ° Eine Flautenregatta mit überraschendem Ausgang 0

Das Österreichische Institut für Navigation ° Schenkt dem Prüfer nur tüchtig ein, dann sieht er nichts mehr!

Fast wie der Postdampfer 71 Wer mag gesunde Vollwertkost? 0 W illis Kabellänge 0 Groll und Ärger 0

Hygienetüchlein und das Bord-WC 0 Die verdammte Palmeninsel 0

Nachtgewitter 0 Barawitzkas Führungskrise

Admiral in Nöten 112 Der Geheymrat mit Ypsilon ° Eine Seeschlacht im Hotel 0 "Warum gehst du eigentlich segeln?" 0 Wenn der Skipper zu gelassen wirkt, kann er auch besoffen sein ° Die Dieselmafia 0 Hexen, gibt's die? 0 Ver­führt die Prüfer, damit sie uns gut bewerten!

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Kurs Mrika 154 Die bürgerliche Methode, eine Frau zu vergessen - und was dabei schiefgehen kann · Gicht an Bord · Der bibelfeste Feuerbill · Turtel­tauben sind schlechte Wachführer · Lampedusa ist keine Reise wert ·

Attentat auf den Chefprüfer ·Hitziges Bordklima ·Die erste der arabi­schen Nächte

Sahara-Navigation 185 Das tunesische Amtskamel · Laqbi, der Dattelwein mit Spätzünder · Ein Satnav ohne Nautiker ist nicht viel wert· Was haben Sanddünen und die Riesenseen der Brüllenden Vierziger gemeinsam?· "Sag Esca­millo zu mir !" · Die Kreditkarte als Geheimwaffe · Sextourismus ist gefährlich

Golf der Stürme 217 Wettergeschehen aus der Sicht des Börsenfachmanns · Der kleinste Sandsturm der Welt · Boucha und Berberhochzeit · Der Nordwest schlägt nochmals zu und zerstreut die Flottille in alle Himmelsrich­tungen

Lauter Kapitäne - keine Matrosen 250 Ehre , wem Ehre gebührt· "Rettet die Frauen! " · Die Deserteure · Das Fähnlein der sieben Aufrechten · Hafenmanöver im Adamskostüm · Eine Party für die ganze Marina · Bis nächstes Jahr in Barbados !

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Vorsicht, Schulschiffe! Die Marx Brothers im Kaufhaus - oder wie man Schiffsproviant auch stauen kann · Luciano Pavarottis Ausbildungsmethode · Die Kunst, eine Yacht aus dem Hafen zu bringen · Kursdreiecke, Rollreffs und andere

heimtückische Fallen

Ich räumte gerade meinen Seesack in der Achterkajüte aus und ver­suchte, die sorgfältig für einen mehrwöchigen Segeltörn zusammen­gelegten Waschestapel so unzerknüllt wie nur möglich in dem Schwal­bennest über meiner Koje zu stauen, als ich zufällig folgendes nicht uninteressante C ockpitgespräch durchs offene Seitenluk mithörte :

"Wie sind denn diese Segelprüfer eigentlich so , Laszlo?" fragte eine Stimme. "Du bist ja mit den meisten schon mal gesegelt. Ich meine , sind das rechte Arschlöcher oder halbwegs vernünftige Burschen? Der eine, der Dicke mit dem schwarzen Bart, der aussieht wie Luciano Pavarotti als Falstaff, der scheint ja noch ganz gemütlich zu sein. Wenn man dem nur genügend auftischt und immer schaut, daß sein Glas gut gefüllt ist, wird der kein Problem sein. Aber der andere , der Blonde mit der Glatze und der Brille , der wie der Revisor von Gogol aussieht, der gefällt mir gar nicht. Der hat so einen sadistischen Zug um die Mundwinkel . . . "

Ich spitzte die Ohren. Diese herbe Kritik trieb mir aber doch den Pulsschlag leicht in die Höhe . Um die Schönheit ging's mir weniger, ich hatte j a nie behauptet, ständig mit Robert Redford verwechselt zu werden; aber daß ich eine sadistische Physiognomie hätte . . . Nein! Das war etwas Neues !

"Hahaha! " lachte eine andere Stimme, die ich einwandfrei als die Laszlo Rosensteins identifizierte . "Der Vergleich zwischen Pavarotti und Barawitzka gefällt mir! Aber in deiner Einschätzung liegst du ganz schief! Der Barawitzka ist alles andere als ein gemütlicher

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Kumpel, der ist ein gerissener Heimtücker, ein rechthaberischer Angeber. Und der viel gefährlichere von den beiden. Der Blonde ist der Karl Vettermann, unser ehemaliger Navigator von der Maltafahrt, das ist ein . . . He! Kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst, du Nil­pferd? "

Irgend j emand polterte mit schrecklichem Getöse an Bord und unterbrach die Charakterbeschreibung, die Laszlo gerade von mir geben wollte . Ich lauschte weiter, denn ich wollte schon wissen, wie andere Leute von mir dachten, aber das Nilpferd ließ mit einem ver­blüfften Aufschrei etwas Schweres fallen, das mit knirschendem Reißen platzte, und dann kollerte eine Ladung Kartoffeln ins C ockpit; einige sprangen durchs Luk bis zu mir herunter.

Jetzt ging das Gezeter oben erst richtig los ! Ich machte mich seufzend daran, die erdigen Kartoffeln von meinen

blütenweißen Unterhosen zu schütteln. Schade, so schnell würde das Gespräch an Deck nicht wieder auf die Psychogramme der Segel­scheinprüfer zurückkommen. Außerdem wurde mir hier unten langsam sehr warm. Es war zwar schon Ende Oktober, aber die Sonne brannte an der istrischen Küste noch immer kräftig. Ich stopfte See­stiefel, Schwerwetterzeug und den leeren Seesa�k in das Schapp unter meiner Matratze, steckte Geld ein und machte, daß ich an die frische Luft kam.

Am Navigationstisch saß unser Hofrat, Dr. Viktor Trauttmannsdorff, inmitten einiger Stapel noch verschnürter Seehandbücher und Kar-

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tenrollen und las seelenruhig in einer Illustrierten, als ginge ihn der ganze Wirbel rundum überhaupt nichts an und als warte er nur darauf, daß hier jemand aufräumen kam, damit er endlich die Zeitung aus ­breiten und das Kreuzworträtsel lösen könnte . Er schien gar nicht zu der Ausbildungscrew zu gehören, die unsere 48-Fuß- Segelslup zum Auslaufen vorbereiten sollte . Ohne vorhin zufällig meine Charakter­schilderung gehört zu haben, hätte ich ihn vielleicht unbehelligt sitzen lassen; so aber fiel mir ein, daß man von mir ja sadistisches Gehabe a la C aptain Bligh erwartete .

"Haben Exzellenz vielleicht die Anordnungen des Schiffsführers vergessen? " fragte ich mit aller mir zur Verfügung stehenden falschen Freundlichkeit.

"Wie?" Der Hofrat legte die Hand hinter das Ohr, auf dem er schlecht hörte . "Die Schiffsführer gehen essen? Gute Idee! Ich komme mit. " Er faltete die Illustrierte zusammen.

"Du sollst die Navigationsecke klarmachen!" brüllte ich ihn an. "Wir wollen in einer Stunde auslaufen. Wie willst du denn Kurse zeichnen in diesem Sauhaufen?"

Er hob eine rügende Augenbraue . "Deshalb braucht man mich ja nicht anzuschreien. Ich höre sehr gut. Aber wenn mir keiner einen konkreten Auftrag gibt, wie soll ich dann ahnen, was man von mir erwartet? Ich habe mich schon über die Diskriminierung gewundert, die mir zuteil wurde. Alle anderen dürfen mithelfen - nur mich läßt man hier vor Langeweile Daumen drehen . . . "

Ich verzichtete darauf, dem Beamten in Erinnerung zu rufen, daß ihn Laszlo Rosenstein, der Schiffsführer des Tages , schon vor Stunden ersucht hatte , die Navigation auf Vordermann zu bringen. Statt dessen kletterte ich aufs Kajütdach, umging die Kartoffelhalde im C ockpit, riet Willi Poppenwimmer, auch die Knollen in der Kajüte aufzu­klauben, gab Laszlo den guten Rat, dem Hofrat besser auf die Finger zu sehen und seine Leute überhaupt ein wenig anzutreiben. Dann turnte ich über die Reling auf den Steg und beobachtete das Treiben auf den anderen drei Yachten. Da ging es ebenfalls zu, als studierten die Clowns vom Zirkus Krone eine neue, besonders witzige Nummer e1n.

Ich spazierte über den Kai der Marina Portoroz zur markisenbe­schatteten C afeteria, auf deren Terrasse unser Flottenadmiral B . A. Barawitzka und die anderen Kollegen der Schulschiff-Stammcrew beim kühlen Bier saßen und das hektische Lustspiel an Bord der vier

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Ausbildungsyachten teils schadenfroh, teils finster verfolgten - wie Bundesligatrainer das erste Auslandsspiel ihrer Mannschaft. Manch­mal entschlüpften ihnen Flüche, dann wieder schüttelten sie traurig die Köpfe oder ballten die Fäuste grimmig gen Himmel.

Luciano Pavarotti alias B . A. Barawitzka thronte breit und massiv, in schneeweißem, mit gelben Racingstreifen und sinnlosen Reißver­schlüssen, Schlaufen und Ösen verzierten nagelneuen Segeloverall auf seinem viel zu zierlichen C afehausstuhl, den Lederschirm seiner Tegetthoffmütze des grellen Lichts wegen tief in die Stirn gezogen. Seine flinken Rabenaugen aber sahen alles, und er notierte sich fort­während etwas in ein kleines Notizbuch.

Neben ihm saß Sirnon Rebitschek, den er seiner rauhen Art wegen zum Flaggleutnant berufen hatte , um etwaige Dispute, Händel oder Meutereien nicht mit der eigenen Faust schlichten zu müssen. Sirnon kaute grimmig an einem erkalteten Zigarillostummel, in der Hüft­scheide am Gürtel sein bereits legendär gewordenes , bösartig scharf geschliffenes Segelmesser.

Er war mit der Leistung des Sauhaufens da unten überhaupt nicht zufrieden.

Er war die klare , exakte , alles umfassende Organisation eines Käptn Barawitzka gewöhnt, und die höfliche bis unsichere Art, in der die Prüflinge Nummer eins bis vier versuchten, die ihnen zugeteilte Mannschaft zu leiten, mißfiel ihm außerordentlich.

"Der fällt gleich in den Bach !" bemerkte er, als ich an den Tisch

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kaJTI, und zeigte hinüber zum Hafen. "Der geht unter Garantie baden, wenn er noch lange mit einem Fuß am Steg und mit dem anderen an der Relingsleiste balanciert! Hoffentlich hat ihm dann j emand schon das Gemüse abge . . . Platsch! Na? Hab ' ich's nicht gesagt? Wie heißt denn der Trottel, der da j etzt versucht, mit Karotten und Kürbissen um die Wette zu schwimmen?"

"Das ist Willi Poppenwimmer" , klärte ich ihn auf. B. A. machte eine entsprechende Eintragung in sein Notizbuch. Als Ausbilder und Prüfungsbeisitzer Nummer zwei hatte sich Inge-

nieur Giselher Westermayer zur Verfügung gestellt. Tiroler nußbraun, sportlich schlank und im eleganten Weiß eines P. & 0. -Deckoffiziers auf der Australienroute lehnte er mit verspiegelter Sonnenbrille in einem Sessel und achtete darauf, daß sich niemand auf seine auf dem Nachbarstuhl deponierte goldbetreßte Mütze setzte . Er war der scheinreichste unter uns . Ich spreche natürlich von Segelscheinen. Er hatte davon so viele, wie reisende Geschäftsleute Kreditkarten mit sich führen. Wenn er nicht gerade auf seine Mütze achtete , spielte er mit seinem neuen Digital-PC -Kompaß herum und peilte vorbeischlen­dernde Mädchen mit zusammengekniffenem Kennerauge an.

Der sehr stille junge Mann neben ihm war unser dritter Ausbilder. Sein Kopf schimmerte frisch rasiert wie der eines buddhistischen Mönchs , und der gelbe Jogginganzug hing wie eine Kutte von seinen schmalen Schultern. Er wurde von allen "Kung Fu" genannt, weil er nicht wie die anderen seine Kondition mit Hopfen, Malz und Räucher­speck aufbaute, sondern frühmorgens an Deck auf chinesische Art mit Schatten boxte . Ich hatte bei den vorbereitenden Crewtreffen den Ein­druck gewonnen, daß er zwar eine Menge vom Segeln und von N avi­gation verstand, aber die meiste Zeit geistig nicht anwesend war, weil seine Gedanken vermutlich irgendwo in Tibet spazieren gingen.

Neben Sirnon hockte der vierte Mann der Stammcrew, Janos Gludo­watz, ein ehemaliger Jollenkreuzerchampion vom Neusiedlersee . Mit seiner Adlernase , dem dunklen Teint, den gezwirbelten Schnurrbart­spitzen und den silbernen Schläfen wirkte er wie ein pensionierter Räuberhauptmann aus den Schluchten des Balkan. An der Rückseite seines Sessels hingen Krücken, derer er sich bedienen mußte, seit ihn ein schwerer Unfall aus seiner aktiven Seglerlaufbahn gerissen hatte . Wie es Barawitzka gelungen war, den alten Adler mit den gelähmten Schwingen trotz seiner Behinderung als Ausbilder auf diesen Seetörn zu locken, wußte ich nicht. An Bord hatte er noch eine Spezialkrücke

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mit einem weißen Gummistopper, Fangschnur und Teleskopme­chanik, die sich einhändig per Knopfdruck den verschiedenen Boots­krängungen anpassen ließ .

"Na, j etzt wird's mir aber zu bunt !" stieß Janos hervor. "Der glaubt wohl, er ist daheim auf seinem Bauernhof? Da wirft mir einer auf meinem Boot die Erdäpfel und das Gemüse als Schüttgut einfach ins Achterschapp, als wär's ein Silo! Da muß ich wohl mal energisch dazwischenhumpeln. " Er griff nach seinen Krücken und stemmte sich vom Stuhl hoch.

"Bleib sitzen, Janos ! " sagte Barawitzka. "So sehr es dich auch juckt - bitte kein direktes Eingreifen in die Schiffsführung! Wir hatten doch ausgemacht, die j eweiligen Skipperlehrlinge vorerst ganz allein schalten, walten und wursteln zu lassen, falls nicht unmittelbare Gefahr für Mannschaft oder Schiff droht ."

"Bom di boga!" ärgerte sich Janos Gludowatz. "Soll das heißen, ich muß ruhig mit ansehen, wie da in dem Schapp ein stinkender Kom­posthaufen entsteht? Der nächste füllt dann Zucker und Mehl in den Kettenkasten oder hängt Schinken und Würste als Klubstander an die Saling! "

"Und ich darf wohl j etzt auch nicht hinuntergehen und diesem Unglücksraben in den Hintern treten" , mischte sich Sirnon erregt ein, "der völlig sinnlos die Dirk loswarf und den Baum an Deck knal­len ließ? Barawitzka, deine Erfahrung bei Betriebsseminaren und Managementschulungen in allen Ehren, aber wie sollen diese Land­ratten segeln lernen, wenn wir ihnen nicht mit scharfer Zunge und einem gelegentlichen Tritt als Denkanstoß zeigen, wo's langgeht? So ist das in der christlichen Seefahrt seit Jahrhunderten Tradition! Hol's der Teufel, ich verlier' die Nerven, wenn ich noch lange untätig zusehen muß, wie diese Pfeifen das totale Chaos anrichten! "

B . A. grinste überlegen. "Wenn du nicht hinschauen kannst, dann geh spazieren! Ich bin mit der Entwicklung recht zufrieden. Unsere Schüler haben offensichtlich schon kapiert, was ich von ihnen erwarte . Aber ihr, meine Herren Ausbilder, habt das anscheinend noch immer nicht. Zu allen meinen Ausführungen bei den Vorbesprechungen habt ihr zwar ja und Amen gesagt, aber ich merke j etzt, daß es mir offen­sichtlich nicht gelungen ist, euch die Grundidee meiner Ausbildungs­methode zu verkaufen. Ich versuch's noch mal mit einfachen, kurzen Sätzen, paßt auf: Wir wollen Skipper ausbilden, Schiffsmanager, Kapi­täne, die selbständig und verantwortungsbewußt denken, planen,

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organisieren und entscheiden können. Jetzt haben wir einen bunten Haufen Binnenländer aus allen möglichen Berufen, denen nur eines gemeinsam ist: das Interesse am Seesegeln und der �nsch, während dieses Törns die praktische Prüfung für den B-Schein abzulegen und als frischgebackene Skipper mit dem Küstenpatent zurückzukommen. Sind wir uns wenigstens darin einig, daß diese Leutchen bis zu den Ohren mit theoretischem Wissen vollgestopft sind und daß einige von ihnen das Handbuch ,Seemannschaft' wahrscheinlich auswendig gelernt haben? " Er sah sich in der Runde um.

"Schon möglich" , brummte Simon. "Um so mehr müßte man ihnen die Ohren langziehen ."

"Damit s ie sofort wieder das selbständige Denken einstellen und sich darauf verlassen, daß wir ihnen schon die richtigen Anordnungen geben werden? Zum Donnerwetter! Seht ihr das nicht ein? Dieser Haufen besteht wahrscheinlich in der Hauptsache aus Befehlsempfän­gern und Ehemännern, die es gewöhnt sind, daß jemand anderer für sie denkt. " Barawitzka schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser hüpften. "Wenn einer Flaggleine und Dirk verwechselt, ist mir das vorerst völlig egal , ich kreide das dem j eweiligen Tagesskipper an. Der soll ja lernen, seine Augen überall zu haben. Und da jeder der Kandidaten einmal als Mannschaft und einmal als Skipper eingeteilt ist, vervielfacht sich der Lerneffekt durch die Fehlschläge . Nehmt euch ein Beispiel an Giselher! Der ist locker und gelassen wie ein gesetzter Champion in Wimbledon und schont seine Nerven. "

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"Kein Wunder" , murmelte Sirnon mit einem Seitenblick auf den fleckenlosen Ingenieur. "Er darf sich ja gar nicht aufregen, weil sich sonst seine Bügelfalten verbiegen. "

"Apropos Kleidung: Meinst du, daß auch Tankausbau und Reini­gung aller Treibstoffleitungen zum Lehrprogramm gehören?" unter­brach ich rasch seinen Vortrag.

"Wieso? Warum?" "Nun, weil mein Tagesskipper seine Augen überall, nur nicht an

Deck hat. Seit Minuten zieht er im Geiste die langbeinige Signorina auf der Nachbarketsch aus und sieht nicht, daß einer seiner Kna­ben schon den Wasserschlauch in der Hand hat, während der andere den Dieseleinfüllstutzen aufschraubt. Das wird ein prächtiges Gemisch . . . "

"Herrj e ! " schrie Barawitzka erschrocken. "Zu realistisch wollen wir es doch nicht haben. Simon, mach mir den Rosenstein darauf auf­merksam und hol ihn dann her !" Sirnon Rebitschek beugte sich über das Terrassengeländer und brüllte durch die hohlen Hände : "Weg mit dem Schlauch, ihr Mfen dort! Laszlo zum Rapport hierher! "

B . A . verzog angewidert das Gesicht. "Himmel! Vulgär quer über die ganze Marina zu brüllen, das hätte ich auch gekonnt. Ich erwarte natürlich, daß du hingehst und auf vornehme und leise Art . . . " Er seufzte. "Wir hätten vielleicht vorher noch einen Ausbildungstörn für Ausbilder veranstalten sollen. Unsere Flotte fällt schon allein durch ihre so geschmackvoll bunt bemalten Schiffe auf. Ich möchte aber kei­neswegs , daß wir auch noch als Gebirgsmarine bekannt werden, die nur aus Krakeelern und Schreihälsen besteht. Bemüht euch bitte , wie unerschütterliche Indianerhäuptlinge auch im größten Chaos die Nerven zu behalten und lieber mit Handzeichen oder halblauten Befehlen auszukommen als mit KasernenhofgebrülL "

Bunt war unsere Flotte in der Tat. Dem Vercharterer Kettering hatten die stumpfgrauen Aluminiumflanken seiner neuen Flottille so mißfallen, daß er s ie der Industrie als Werbefläche anbot. Verschie­dene Österreichische Brauereien hatten, internationalem Vorbild fol­gend, einen Sponsorvertrag unterschrieben und die Yachten als schwimmende Litfaßsäulen für diverse Biersorten gestaltet. Daß ich deshalb auf einer braun-goldenen GoLDFASSL segeln sollte , war etwas, an das ich mich erst gewöhnen mußte . Westermayer hatte die schwarz­silberne KLOSTERBOCK gewählt, Janos die rot-weiße HoPFENPERLE und Kung Fu die grün-weiße KArsERPILS .

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