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Barrierefreiheit in Fachberatungsstellen für Frauen und ... · 5.3 Kriterien zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten 5.3.1 Aufbau der Webseite 5.3.2 Layout/grafische Gestaltung

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  • Zugang f ü r

    alle!

    Barrierefreiheit in Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen.

    Ein Handbuch für die Praxis.

    F r a u e n g e g e n g e w a l t e . V .

  • Vorwort

    Liebe Leserinnen und Leser,

    wir freuen uns, dass Sie nun das Handbuch Barrierefreiheit in Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen

    in Ihren Händen halten. Die Idee zum Handbuch erwuchs aus dem ganz konkreten Bedarf heraus, dass viele

    der Fachberatungsstellen nicht barrierefrei und somit für Frauen und Mädchen mit Behinderung oftmals nicht

    erreichbar sind. Diese können einige der Unterstützungsangebote nicht in Anspruch nehmen.

    Der bff – Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – ist der Dachverband von inzwischen

    160 Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen. Der bff hat den Bedarf erkannt und sorgt dafür, dass auch

    gewaltbetroffene Frauen und Mädchen mit Behinderung besser beraten und unterstützt werden. Dafür müssen

    Barrieren abgebaut und Zugänge verbessert werden. Der bff hat sich mit seinem ambitionierten Projekt Zugang

    für alle! zum Ziel gesetzt, die Beratung und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen mit

    Behinderung zu verbessern.

    Barrierefreiheit ist nicht nur eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Beratungs-, Hilfs- und

    Unterstützungsangeboten, sondern vor allem auch für eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft –

    und somit Voraussetzung zur Realisierung von Menschenrechten. Dies besagt auch die UN-Konvention über die

    Rechte von Menschen mit Behinderungen, die im Jahr 2009 in Deutschland ratifiziert wurde und damit nun

    geltendes Recht ist.

    Der bff setzt sich mit Zugang für alle! zugleich für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in

    Deutschland auf politischer, aber eben auch ganz praktischer Ebene ein.

    Zugang für alle! wird von der Auerbach Stiftung finanziell unterstützt.

    Das Handbuch Barrierefreiheit gibt konkrete Tipps was zu tun ist, um Barrieren in Beratungseinrichtungen

    abzubauen. Das wird beispielhaft an der Arbeit der Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen aufgezeigt, ist

    zugleich aber sehr gut auf zahlreiche andere Beratungseinrichtungen, die sich für Menschen mit unterschiedlichen

    Behinderungen öffnen wollen, übertragbar. Die vorliegenden Hinweise und Tipps sind natürlich nicht vollständig

    und sollen vielmehr einen Eindruck geben, was wichtig ist und worauf zu achten ist.

    Wir laden Sie ein, den Weg zur Umsetzung von Barrierefreiheit zu beschreiten und wünschen Ihnen eine anregende

    und motivierende Lektüre.

    Katja Grieger – Leiterin der Geschäftsstelle des bff Berlin, November 2011

    Die bff- Geschäftsstelle freut sich über Tipps und Rückmeldungen. Ein besonderer Dank gilt zudem Sabine Böhm

    (Frauennotruf Nürnberg e.V.), Sigrid Bürner (Frauennotruf Kiel e.V.), Anette Diehl (Notruf und Beratung für

    vergewaltigte Frauen und Mädchen in Mainz e.V.), Tabea Konrad (Fetz Frauenberatungs- und Therapiezentrum

    Stuttgart e.V.), Theano Rooch (Frauennotruf Nürnberg e.V.) und Micha Schöller (Beratungsstelle Frauen helfen

    Frauen e.V. Tübingen) für die große Unterstützung und Mitarbeit im Projekt Zugang für alle!.

    Kontakt:

    Katharina Göpner – Projektreferentin Zugang für alle!

    Mail: [email protected]

    1

    mailto:[email protected]

  • Barrierefreiheit in Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen

    1. Warum barrierefreie Fachberatungsstellen?

    2. Situation gewaltbetroffener Frauen und Mädchen mit Behinderung

    2.1. Spezifische Belastungen und Risikofaktoren im Leben von Mädchen und Frauen mit Behinderung

    2.2 Barrieren bei der Inanspruchnahme professioneller Hilfe und Unterstützung

    3. Barrierefreiheit

    3.1 Was heißt Barrierefreiheit? Design for all/universal design

    3.2 Gesetzliche Grundlagen und Regelungen

    3.2.1 BGG- Bundesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen

    3.2.2 Gleichstellungsgesetze der Länder

    3.2.3 Bauordnungen der Länder

    3.2.4 DIN Norm 18040-1

    3.2.5 Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

    4. Abbau von Barrieren in Fachberatungsstellen

    4.1 Spezielle Anforderungen an Barrierefreiheit

    4.1.1 Bei Rollstuhlfahrerinnen und Mädchen und Frauen mit Körperbehinderung

    4.1.2 Bei blinden und sehbehinderten Mädchen und Frauen

    4.1.3 Bei hörbehinderten und gehörlosen Mädchen und Frauen

    4.1.4 Bei Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten

    4.1.5 Bei Mädchen und Frauen mit Sprachbehinderung

    4.2 Wege der (ersten) Kontaktaufnahme

    4.3 Wege zur Fachberatungsstelle

    4.4 Vor der Fachberatungsstelle

    4.4.1 Zugänglichkeit/Erreichbarkeit

    4.4.2 Eingangsbereich

    4.4.3 Rampen

    4.4.4 Treppen

    4.4.5 Fahrstuhl

    4.4.6 Hebeaufzüge und Hebeplattformen

    4.4.7 Türen

    4.5 Barrierefreiheit in den Räumen der Fachberatungsstellen

    4.5.1 Allgemeine Hinweise zu den Räumlichkeiten

    4.5.2 Sanitäre Anlagen

    4.5.3 Telefon

    4.5.4 Brandschutz

    2

  • 5. Barrierefreies Internet

    5.1 Wichtige Planungsschritte beim barrierefreien Webdesign

    5.2 Behinderungsspezifische Barrieren im Internet

    5.2.1 Barrieren für blinde und sehbehinderte Menschen

    5.2.2 Barrieren für hörbehinderte und gehörlose Menschen

    5.2.3 Barrieren für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen

    5.2.4 Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten

    5.3 Kriterien zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten

    5.3.1 Aufbau der Webseite

    5.3.2 Layout/grafische Gestaltung

    5.3.3 Schriftarten

    5.3.4 Textgestaltung

    5.3.5 Navigation

    5.3.6 Links

    5.3.7 Beschriftung von Bildern und Animationen

    5.3.8 Verwendung von Scripten und Applets

    5.4. Weitere Informationen und Tipps

    6. Finanzierung von Barrierefreiheit

    6.1 Kosten barrierefreier Umbauten

    6.2 Möglichkeiten der Finanzierung

    6.2.1 Stiftungen

    6.2.2 Kredite der KfW – Kreditbank für Wiederaufbau

    6.2.3 Fördermöglichkeiten der Europäischen Union

    6.2.4 Zuschüsse verschiedener Sozialleistungsträger

    7. Warum es sich lohnt: Beispiele guter Unterstützung und Hilfe

    gewaltbetroffener Frauen und Mädchen mit Behinderung

    7.1 Barrierefreier Umbau von Fachberatungsstellen

    7.2 Aufbau von Kooperationen und Netzwerken

    8. Kontakte und Ansprechpartner/innen

    9. Literaturhinweise

    3

  • 4

  • 1. Warum barrierefreie Fachberatungsstellen?

    Der Begriff der Barrierefreiheit verbreitet sich mehr und mehr – als Idee, als Konzept zur Nutzung und

    Gestaltung von Räumen und Orten, v.a. aber auch als Forderung von Menschen mit Behinderung und deren

    Selbstvertretungsverbänden und Netzwerken.

    Barrierefreiheit ist an sehr vielen Orten noch nicht umgesetzt und Menschen mit Behinderung stoßen in ihrem

    Alltag auf viele ganz unterschiedliche Barrieren und Hindernisse. Für eine umfassende und gleichberechtigte

    gesellschaftliche Teilhabe muss noch viel getan werden. Diese wird erst dann zur Realität, wenn Menschen

    mit Behinderung nicht ausgeschlossen werden, sei es aufgrund physischer und innerer Barrieren, direkter und

    struktureller Diskriminierungen und Benachteiligungen. Eine Forderung von Menschen mit Behinderung und

    Unterstützer/innen ist beispielsweise der barrierefreie Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten, darunter

    Fachberatungsstellen für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen.

    Zugang für alle!

    Eine Voraussetzung dafür ist der Abbau von Barrieren in den Fachberatungsstellen1

    1 Im Folgenden wird der Begriff Fachberatungsstellen für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, Interventionsstellen und weitere Bera-

    tungsstellen für Frauen und Mädchen verwendet.

    – damit betroffene behinderte

    Mädchen und Frauen Zugang zu den Beratungsangeboten haben.

    Hier setzt die vorliegende Broschüre an: Sie soll Tipps und Hinweise geben, um sich für mehr Barrierefreiheit

    einzusetzen und Schritte zu gehen, um diese mehr und mehr umzusetzen und Zugänge zu Beratung und

    Unterstützung zu verbessern. Dafür wird zunächst auf die Situation und die spezifischen Belastungen im Leben

    von Mädchen und Frauen mit Behinderung eingegangen. Sie erleben sehr häufig Gewalt, nehmen allerdings

    die ambulanten Angebote der Fachberatungsstellen zu selten in Anspruch.2

    2 Dies ergab eine bff-Mitgliederumfrage aus dem Jahr 2009, deren Ergebnisse auf der bff-Homepage nachzulesen sind: www.frauen-gegen-gewalt.de.

    Worin konkrete Barrieren bestehen

    können, wird anschließend aufgezeigt. Dem schließt sich die Erklärung des Begriffs Barrierefreiheit an, unter

    Einbeziehung der gesetzlichen Grundlagen und Regelungen. Anschließend wird es ganz konkret:

    Was bedeutet Barrierefreiheit in Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen? Was muss bei Umbauten beachtet

    werden, damit eine Beratungseinrichtung für Mädchen und Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen

    zugänglich wird? Wie können Wege der Finanzierung aussehen? Außerdem wird die barrierefreie Nutzung des

    Internet und Gestaltung von Webseiten thematisiert.

    Barrierefreiheit kann ein teures Unterfangen sein, aber auch kleine Schritte können schon viel verändern.

    Zudem sind barrierefreie Neubauten und Planungen nicht unbedingt teurer als nicht barrierefreie.3

    3 Ein Beispiel dafür ist die Gestaltung barrierefreier Spielplätze in Münster: http://www.kas.de/wf/doc/kas_19442-544-1-30.pdf?100518103332 , S. 45.

    Umfassende

    Barrierefreiheit ist nicht einfach herzustellen. DIN-Normen, die hohe Anforderungen stellen und damit

    verbundene hohe Preise lassen oft schnell aufgeben und verzagen. Aber es lohnt sich. Denn schon kleine

    Schritte für mehr Zugänglichkeit und ein geschärftes Bewusstsein sind bedeutsame Anfänge und zeigen den

    betreffenden Frauen, dass Ausgrenzungen und Barrieren auch als solche wahrgenommen werden. Und dass

    Schritte unternommen werden, um diese abzuschaffen. Wichtig ist, sich nicht abschrecken zu lassen.

    5

    http://www.frauen-gegen-gewalt.dehttp://www.kas.de/wf/doc/kas_19442-544-1-30.pdf?100518103332

  • 6

  • 2. Situation gewaltbetroffener Frauen und Mädchen mit Behinderung

    Mädchen und Frauen mit Behinderung sind häufiger als Nichtbehinderte von sexualisierter, körperlicher

    und psychischer Gewalt betroffen. Unter ihnen tragen jene mit Lernschwierigkeiten (sogenannter geistiger

    Behinderung), die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen und/ oder arbeiten, das größte

    Risiko Gewalt zu erfahren. Dieses Problem wurde in den Einrichtungen der Behindertenhilfe lange nicht gesehen

    oder tabuisiert und war manchmal verbunden mit der Reglementierung oder Aberkennung sexueller Bedürfnisse

    und Erfahrungen.

    Inzwischen gibt es immer mehr positive Veränderungen: Das Bewusstsein über die notwendige Unterstützung

    und Hilfe gewaltbetroffener behinderter Mädchen und Frauen wächst. Mittlerweile arbeiten in den ersten

    Werkstätten und Wohnheimen für Menschen mit Behinderung Frauenbeauftragte, die als Frau mit Behinderung

    Ansprechpartnerin der Frauen sind, einige Einrichtungen haben bereits Konzepte zum Umgang mit sexualisierter

    Gewalt erarbeitet. Im Winter 2011 werden erstmals repräsentative Forschungsergebnisse zur Gewaltbetroffenheit

    von Frauen mit Behinderung in Deutschland vorgestellt. Die Aufmerksamkeit steigt jedoch auch dadurch, dass

    mehr Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Frauen, aber auch Jungen und Männer mit Behinderung,

    an die Öffentlichkeit gelangen.

    2.1 Spezifische Belastungen und Risikofaktoren im Leben von Mädchen und Frauen mit Behinderung

    Mädchen und Frauen mit Behinderung sind in ihrem Leben häufiger von der Hilfe und Unterstützung Anderer

    abhängig. Solche Abhängigkeiten entstehen beispielsweise, wenn sie auf Assistenz und/oder Pflege im alltäglichen

    Leben angewiesen sind. Diese Assistenz und Pflege wird in den meisten Fällen von Familienangehörigen,

    Partner/innen oder externen Professionellen erbracht und geht mit einer sehr intimen körperlichen Nähe einher.

    In Pflege- und Betreuungssituationen kommt es nicht selten zu Grenzverletzungen und Grenzüberschreitungen.4

    Vgl. Mickler, Bärbel (2009): Sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen mit Behinderung. In: AMYNA e.V.- Institut zur Prävention von sexuellem

    Missbrauch (Hg.): Sexualisierte Gewalt verhindern – Selbstbestimmung ermöglichen. Schutz und Vorbeugung für Mädchen und Jungen mit

    unterschiedlichen Behinderungen. 2., aktualisierte Auflage. München: AMYNA e.V., S. 29.

    Betroffene erfahren den eigenen Körper als etwas, über das andere verfügen und entscheiden können, worauf

    sie keinen Einfluss haben.

    Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper haben Mädchen und Frauen mit Behinderung

    oftmals nicht gelernt, es wird zugleich von Betreuer/innen oder Pfleger/innen nicht immer respektiert. Auch bei

    medizinischen Untersuchungen und therapeutischen Maßnahmen, die Mädchen und Frauen mit Behinderung viel

    häufiger als Nichtbehinderte in Anspruch nehmen müssen, besteht ein großes Risiko für Grenzüberschreitungen

    und -verletzungen.

    Einigen behinderten Mädchen und Frauen wird im Alltag wenig zugetraut und Entscheidungen werden oft

    fremdbestimmt getroffen. Dies erschwert ein selbstbestimmtes und autonomes Leben. Auch in Institutionen der

    Behindertenhilfe, wie Wohnheime oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung, wird eine selbstbestimmte

    Lebensweise aufgrund alltäglicher Reglementierungen und der strukturell gegebenen Bedingungen erschwert.

    So gibt es z.T. noch immer Mehrbett- oder nicht abschließbare Zimmer, die eine Intimsphäre nur begrenzt

    ermöglichen oder Besuch darf nur mit Erlaubnis empfangen werden. Mädchen und Frauen mit Behinderung, die

    in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und auf Pflege angewiesen sind, können zudem meist nicht

    7

    – 4

  • selbst entscheiden, wer diese ausführen soll. Es kann innerhalb von Einrichtungen zu gewaltvollen Übergriffen

    durch Mitbewohner/innen und Angestellte kommen, da die Strukturen und Gegebenheiten den Täter/innen

    Übergriffe erleichtern und die Gefahr der Aufdeckung sehr gering ist. Die Abhängigkeit von Mitarbeiter/innen

    ist hingegen sehr groß; es besteht ein Machtgefälle im Betreuungsverhältnis, das es zusätzlich erschwert,

    über Gewalterfahrungen zu reden. Außerdem machen Mädchen und Frauen mit Behinderung und v.a. mit

    Lernschwierigkeiten häufig die Erfahrung, dass ihnen nicht geglaubt wird. Viele der Übergriffe bleiben folgenlos.

    Mädchen und Frauen mit Behinderung gelten für viele Täter/innen als „wehrlose Opfer“, von denen kein oder

    wenig Widerstand zu erwarten ist.

    In vielen Einrichtungen gibt es bisher wenige Erfahrungen im Umgang mit sexualisierter Gewalt und wenig Wissen

    über mögliche Auswirkungen und Folgen sowie Möglichkeiten der Prävention von Gewalt. Auf Seiten der

    Mitarbeiter/innen bestehen große Ängste und Unsicherheiten bezüglich der Wahrnehmung und Einschätzung

    sexualisierter Gewalt und wenig Wissen über bestehende Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Um dies

    zu verändern, müssen Kooperationen intensiviert werden, sollten Fortbildungs- und Aufklärungsangebote

    verbessert und in Einrichtungen der Behindertenhilfe zugleich klare Bestimmungen zum Umgang mit Gewalt

    entwickelt und als Maßnahme der Qualitätssicherung festgeschrieben werden. So hat in vielen Werkstätten für

    Menschen mit Behinderung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, welches das Verbot sexueller Belästigung

    am Arbeitsplatz enthält, noch zu wenig Eingang gefunden, obwohl es auch dort gilt.5

    Auf folgender Seite gibt es Informationen zum Beschäftigtenschutzgesetz in Leichter Sprache: http://www.mit-mir-nicht.de/. Das Beschäf-

    tigtenschutzgesetz wurde 2006 vom AGG abgelöst.

    Mädchen und Frauen mit Behinderung werden im Verlauf ihrer Sozialisation stark zur Anpassung erzogen, weshalb

    es für viele sehr schwer ist, Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren und durchzusetzen. Behinderung wird in der

    Gesellschaft als negativ, als Defizit wahrgenommen, behindert zu sein geht einher mit dem Behindert-Werden, mit

    Diskriminierungen, abwertenden Blicken der nichtbehinderten Menschen sowie inneren und äußeren Barrieren.

    Bei behinderten Mädchen und Frauen tritt das „Geschlecht“ oft hinter die Behinderung zurück; sie gelten als

    unattraktiv und je sichtbarer die Behinderung ist, desto „geschlechtsloser“ werden Frauen wahrgenommen.6

    6 Vgl. Köbsell, Swantje (2010): Gendering Disability: Behinderung, Geschlecht und Körper, In: Jacob, Jutta/ Köbsell, Swantje/ Wollrad, Eske:

    Gendering Disability. Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht. Bielefeld: transkript Verlag, S. 21.

    Die Identitätsentwicklung von Mädchen mit Behinderung ist demnach stark von der eigenen Wahrnehmung

    und Bewertung der Behinderung und der Bewertung durch andere beeinflusst. Dies kann Rückwirkungen auf

    das Selbstwertgefühl betroffener Frauen und Mädchen haben, auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers als

    defizitär und das oft damit einhergehende Bemühen um eine bestmögliche Anpassung. Ein positives Selbstbild

    und starkes Selbstwertgefühl hingegen könnten es zugleich erleichtern, Nein zu sagen, Grenzen zu setzen und

    Übergriffe als solche zu erkennen und zu benennen.7

    Vgl. Mickler, Bärbel (2009): Sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen mit Behinderung. In: AMYNA e.V.- Institut zur Prävention von sexuellem

    Missbrauch (Hg.): Sexualisierte Gewalt verhindern – Selbstbestimmung ermöglichen. Schutz und Vorbeugung für Mädchen und Jungen mit

    unterschiedlichen Behinderungen. 2., aktualisierte Auflage. München: AMYNA e.V., S. 28f.

    All diese spezifischen Risikofaktoren und Belastungen im Leben gewaltbetroffener Mädchen und Frauen mit

    Behinderung müssen im Rahmen von professioneller Hilfe und Unterstützung berücksichtigt werden.

    Zugleich zeigt sich, dass der Suche nach professioneller Unterstützung nach sexualisierten Gewalterfahrungen

    zahlreiche Barrieren im Weg stehen. Diese sind nicht nur physischer bzw. baulicher Art, sondern bestehen auch

    im Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

    8

    – 5

    – 7

    http://www.mit-mir-nicht.de/

  • 2.2 Barrieren bei der Inanspruchnahme professioneller Hilfe und Unterstützung

    Zu wenige Frauen und Mädchen mit Behinderung nehmen existierende Hilfs- und Unterstützungsangebote der

    professionellen Fachberatungsstellen in Anspruch. Die Umfrage des bff aus dem Jahr 2009 hat ergeben, dass

    behinderte Frauen und Mädchen in den meisten Beratungseinrichtungen – trotz ihrer häufigen Gewalterfahrungen

    – unterrepräsentiert sind.8

    Vgl. www.frauen-gegen-gewalt.de.

    Dies liegt einerseits an vorhandenen baulichen Barrieren. Viele Fachberatungsstellen sind nicht zugänglich,

    Mädchen und Frauen mit Behinderung können diese oftmals nicht ohne die Hilfe anderer erreichen.

    Gleichzeitig fehlt vielen Betroffenen das Wissen über bestehende Hilfsangebote. Sie kennen die Angebote der

    Fachberatungsstellen nicht und wissen nicht, dass sie diese in Anspruch nehmen können. Hier helfen verstärkte

    Aufklärungsarbeit und mehr (spezielle) Angebote für die Zielgruppe, die bereitgestellt und transparent gemacht

    werden. Es ist wichtig, gewaltbetroffene Mädchen und Frauen mit Behinderung direkt anzusprechen und auch

    mit spezifischen Angeboten deren besondere Lebensbedingungen zu berücksichtigen. Außerdem benötigen

    behinderte Mädchen und Frauen, v.a. mit Lernschwierigkeiten, spezifische Informationen und Materialien, die

    sie darüber informieren, was sexualisierte, körperliche und psychische Gewalt ist, wie sie sich wehren und wo

    sie Hilfe bekommen können. Viele Betroffene verfügen über ein geringes Wissen über Themen wie Sexualität,

    Verhütung und eben auch sexualisierte, körperliche und psychische Gewalt. Damit verbunden kann ein fehlendes

    Verständnis darüber sein, dass sie Gewalt erfahren (haben), die sie nicht hinnehmen müssen.

    Für verbesserte Zugänge und eine stärkere Inanspruchnahme von Hilfseinrichtungen sind zudem Kooperationen

    mit Einrichtungen der Behindertenhilfe, wie Werkstätten oder Wohneinrichtungen für Menschen mit

    Behinderung, aber auch mit ambulanten Betreuungsangeboten, z.B. kleineren Wohngemeinschaften, sowie

    mit Selbsthilfe- und Selbstvertretungsvereinen von Menschen mit Behinderung sehr wichtig. Denn bei diesen

    finden betroffene Frauen und Mädchen häufig erste Kontakt- und Ansprechpartner/innen.

    Eine weitere Schwierigkeit bei der Inanspruchnahme von Hilfe und Beratung können Kommunikationsbarrieren

    darstellen: Wenn Frauen oder Mädchen mit Behinderung über eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten

    verfügen, ist es nicht nur schwierig, erlebte Gewalterfahrungen als solche zu erkennen, sondern auch diese zu

    kommunizieren und davon zu berichten. Sie erleben häufig, dass sie nicht verstanden werden; erschwerend

    kommen noch die Erfahrungen hinzu, dass ihnen von Professionellen, aber auch im privaten Umfeld nicht

    geglaubt wird und sie nicht als glaubwürdig gelten.

    Innere Barrieren

    Eine weitere Barriere können Ängste und Unsicherheiten auf Seiten der Beraterinnen im Kontakt und Umgang mit

    Mädchen und Frauen mit Behinderung darstellen: Welche spezifischen Qualifikationen werden in der Beratung

    benötigt? Was muss berücksichtigt und worauf geachtet werden? Denn die Behinderung der Betroffenen hat

    einen entscheidenden Einfluss auf die Beratungssituation und das Beratungssetting.9

    Sehr viele Fragen und Unsicherheiten im Kontakt mit Mädchen und Frauen mit Behinderung werden im Leitfaden zum Erstkontakt mit Frauen mit

    Behinderung (2011) von Weibernetz , der Frauenhauskoordinierung und dem bff behandelt. Diese ist beim bff erhältlich.

    In der Beratung sind

    die eigene Haltung und eigene Einstellungen sehr wichtig; die Angst, etwas falsch zu machen oder ablehnend

    gegenüber behinderten Menschen zu sein, stellt oft eine große Hürde im Kontakt dar.

    9

    – 8

    – 9

    http://www.frauen-gegen-gewalt.de

  • In dieser Broschüre steht die Beseitigung äußerer, physischer Barrieren und Hindernisse im Mittelpunkt.

    Wichtig ist dabei, dass sich Barrierefreiheit für Mädchen und Frauen mit verschiedenen Behinderungen ganz

    unterschiedlich gestaltet, Barrieren und Hindernisse andere sind und als unterschiedlich ausgrenzend erlebt

    werden können.

    10

  • 11

  • 3. Beseitigung von Barrieren – Barrierefreiheit10

    10 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf verschiedene Internetquellen, Informationsmaterialien und Broschüren zum Thema Barrierefreiheit.

    Diese sind in der Literaturliste aufgeführt.

    3.1 Was heißt Barrierefreiheit?

    Barrierefreiheit bedeutet, dass Einrichtungen, Gebäude, Kommunikationsmedien und Gegenstände von Menschen

    unabhängig von einer möglichen Behinderung oder Beeinträchtigung genutzt werden können. Barrierefreiheit

    ist für viele, und nicht nur Menschen mit Behinderung, Voraussetzung für eine umfassende gesellschaftliche

    Teilhabe. Rollstuhlfahrer/innen, Personen mit Gehbehinderung, blinde und sehbehinderte Menschen, gehörlose

    und schwerhörige Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, ältere Menschen, kleinwüchsige Menschen

    oder auch Menschen mit Kindern stoßen im Alltag immer wieder auf Hindernisse und Barrieren. Das stellt große

    Anforderungen an eine wirkliche barrierefreie Gestaltung der Umwelt.

    Barrierefreiheit ist demnach als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, die sich nicht nur auf eine bauliche

    Zugänglichkeit, sondern auf die umfassende Nutzbarkeit und Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen

    bezieht. Oftmals wird Barrierefreiheit mit rollstuhlgerecht gleichgesetzt, eine barrierefreie Umwelt ist auch

    rollstuhlgerecht gestaltet. Barrierefreiheit bedeutet jedoch viel mehr und umfasst viele verschiedene Interessen,

    die berücksichtigt und mit einbezogen werden müssen. Manchmal kann es dabei zu Konflikten aufgrund

    unterschiedlicher Bedürfnisse kommen. Zum Beispiel sind abgesenkte Bordsteine für Rollstuhlfahrer/innen

    eine Voraussetzung für eine uneingeschränkte Mobilität, für blinde Menschen verschlechtert sich durch die

    Absenkung jedoch die Orientierung. Eine gute Lösung für beide Interessen sind in dem Falle taktile Leitsysteme.11

    11 Vgl. Grüber, Katrin (2010): Zusammen Leben ohne Barrieren. Die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung in

    Kommunen. Handreichung zur politischen Bildung., S. 41.

    Ein weiteres Problem bei barrierefreien Umbauten ist oft der Denkmalschutz. Viele alte Gebäude sind für

    Menschen mit Behinderung nicht zugänglich, der Denkmalschutz erschwert oder verunmöglicht jedoch den

    Umbau.

    Menschen mit Behinderung wurden bei der öffentlichen Gestaltung und Nutzung von Gebäuden und der

    gesamten Umwelt lange Zeit nicht mitgedacht oder gesehen. Dies verändert sich langsam, mittlerweile

    existieren zahlreiche gesetzliche Bestimmungen zur Barrierefreiheit, womit zugleich ein wachsendes Interesse

    und Bewusstsein verbunden ist.

    Design for all / universal design

    Barrierefreiheit wird oft mit der Bezeichnung „Design for all“ oder „Universal Design“ in Verbindung gebracht.

    Das Konzept des „Design for all“ ist sehr umfassend. Denn „Design for all“ steht für eine nutzer/innenfreundliche,

    nachhaltige und ökonomisch sinnvolle Gestaltung aller Lebensbereiche“12

    http://nullbarriere.de/design-fuer-alle.htm

    und damit auch für alle Menschen.

    Das bedeutet, dass Gebäude, Umgebungen oder auch Gegenstände von allen Menschen nutzbar sind, ohne dass

    dafür spezielle Anpassungen notwendig sind. Der Ansatz ist demnach ein anderer: Ein universelles Design würde

    von vornherein eine barrierefreie Umgebung schaffen, behinderungsspezifische Umbauten wären in dem Sinne

    nicht mehr notwendig.

    12

    12

    http://nullbarriere.de/design-fuer-alle.htm

  • 3.2 Gesetzliche Grundlagen

    Es hat sich einiges getan innerhalb der letzten Jahre, was die gesetzlichen Grundlagen zur Barrierefreiheit angeht.

    Verschiedene Gesetze betonen die Notwendigkeit einer barrierefreien Gestaltung von Räumen, Gebäuden und

    auch Informations- und Kommunikationstechnologien, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt

    teilhaben können. Doch leider werden die Gesetze zu wenig umgesetzt oder sind auch zu wenig bekannt. Im

    folgenden Abschnitt werden Gesetzesgrundlagen der UN-, Bundes- und Länderebene aufgeführt.

    3.2.1 BGG – Bundesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen

    Im BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) aus dem Jahr 2002 wird Barrierefreiheit wie folgt definiert:

    „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände,

    Systeme der Infor mationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und

    Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte

    Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde

    Hilfe zugänglich und nutzbar sind (BGG § 4).“

    Mit dem BGG wird das Ziel verfolgt, die Benachteiligung behinderter Menschen zu beseitigen und eine

    gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Es ist vorgesehen, dass „[…] zivile Um- oder

    Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und

    Stiftungen des öffentlichen Rechts […]“ verpflichtet sind, nach bestehenden DIN-Normen barrierefrei zu bauen

    oder umzubauen (BGG Art. 8). Dies gilt für staatliche Bauten und Behörden, aber auch die barrierefreie Nutzung

    von öffentlichen Verkehrsmitteln. Jedoch gibt es keine verbindlichen Vorschriften für die barrierefreie Gestaltung

    öffentlicher und privater Gebäude. Im Rahmen des BGG werden regelmäßig neue Zielvereinbarungen zur

    Herstellung und Umsetzung von Barrierefreiheit beschlossen. Eine Übersicht solcher Vereinbarungen ist auf der

    Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales http://www.bmas.de/ als Zielvereinbarungsregister zu

    finden.

    Das BGG enthält außerdem einen Paragrafen zur barrierefreien Informationstechnik. Dieser besagt, dass

    öffentliche Träger ihre Internetauftritte und -angebote so gestalten sollen, dass sie von Menschen mit

    Behinderung uneingeschränkt genutzt werden können (vgl. § 11 BGG). Außerdem gibt es die Barrierefreie

    Informationstechnik-Verordnung (BITV), die im Jahr 2002 in Kraft getreten ist.13

    http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/

    Mit dieser wird das Ziel verfolgt

    Internetseiten zunehmend barrierefrei zu gestalten.

    3.2.2 Gleichstellungsgesetze der Länder

    Nach dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes haben die einzelnen Bundesländer

    Landesgleichstellungsgesetze erlassen. Diese enthalten meist ähnliche gesetzliche Grundlagen zur

    Barrierefreiheit, die auf Länderebene gültig sind und umgesetzt werden sollen. Die Landesgleichstellungsgesetze

    enthalten Regelungen bezogen auf Länder und Kommunen aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Daseinsfürsorge

    auf lokaler Ebene, u.a. auch Regelungen für barrierefreie Neu- und Umbauten. Die Landesgleichstellungsgesetze

    unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit, ihrer konkreten Aufgaben und Umsetzungen.14

    14 Vgl. Grüber, Katrin (2010): Zusammen Leben ohne Barrieren. Die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung in

    Kommunen. Handreichung zur politischen Bildung., S. 13.

    13

    – 13

    http://www.bmas.de/http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/

  • 3.2.3 Bauordnungen der Länder

    In den einzelnen Bundesländern existieren verschiedene Landesbauordnungen, die für barrierefreie Neu- und

    Umbauten privater und öffentlicher Gebäude relevant sind, da deren finanzielle Förderung in erster Linie Aufgabe

    der Länder und Kommunen ist. Demnach sind die vor Ort geltenden gesetzlichen Bestimmungen von zentraler

    Bedeutung. In Berlin ist dies beispielsweise die Bauordnung für Berlin (BauO Bln), in Baden-Württemberg die

    Landesbauordnung (LBO). Eine Übersicht der verschiedenen länderspezifischen Bauordnungen ist auf folgender

    Seite zu finden:

    http://www.bauordnungen.de/html/deutschland.html

    3.2.4 DIN-Norm 18040-1

    „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude“ (seit Oktober 2010)

    Die DIN-Norm ist kein Gesetz, sondern als Deutsche Industrienorm Planungsgrundlage für öffentlich zugängliche

    Gebäude. Behandelt werden vor allem die äußere und innere Erschließung von Gebäuden, Maße für Türen,

    Anforderungen an eine stufenlose Erreichbarkeit, Bewegungs- und Begegnungsflächen in Gebäuden, Treppen,

    Bodenbeläge, Wände und Decken, Sanitärräume, Pkw-Stellplätze, Bedienungsvorrichtungen, Orientierungshilfen

    oder auch Beschilderungen.15

    Weitere Informationen zur DIN 18040-1 sind online zu finden unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm.

    Die DIN-Norm ist somit die Grundlage für die Planung barrierefreier Umbauten. Es werden Maßstäbe vorgegeben,

    die allerdings nicht zwingend rechtsbindend sind, sondern vielmehr eine Orientierung darstellen.

    3.2.5 UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

    Neben den gesetzlichen Regelungen zum Diskriminierungsschutz auf nationaler Ebene, wird mit der UN-Behin-

    derten rechtskonvention (BRK) die Beseitigung von Benachteiligung und Diskriminierung von Menschen mit

    Behinderung aus der Perspektive geltender Menschenrechte betrachtet.

    Die UN-Behindertenrechtskonvention ist in Deutschland seit 2009 geltendes Recht, mit der Ratifikation

    verpflichten sich die Vertragsstaaten zu Maßnahmen zu deren Umsetzung.

    Die UN-Behindertenrechtskonvention stellt im Artikel 9 „Zugänglichkeit“ Anforderungen an eine barrierefreie

    Gestaltung der Umwelt: „Um Menschen mit Behinderung eine unabhängige Lebensführung und die volle

    Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem

    Ziel, für Menschen mit Behinderung den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln,

    Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen,

    sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten

    offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.“ (BRK Art. 9 Abs. 1). Demnach stützt und stärkt

    die Konvention die gesetzlichen Regelungen auf Bundes- und Länderebene und geht zugleich darüber hinaus,

    da alle öffentlich zugänglichen Gebäude barrierefrei werden sollen.

    Artikel 6 benennt die besondere Situation von Frauen mit Behinderung, da „[…] Frauen und Mädchen mit

    Behinderung mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind.“ Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Maßnahmen

    zu ergreifen, „[…] dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können.“

    (Vgl. Art. 6 BRK).

    14

    – 15

    http://www.bauordnungen.de/html/deutschland.htmlhttp://nullbarriere.de/din18024-1.htm

  • Artikel 16 legt zudem die „Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch“ fest und fordert Maßnahmen,

    um „[…] jede Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu verhindern, indem […] geeignete Formen von

    das Geschlecht und das Alter berücksichtigender Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderung

    gewährleiste(t) (werden) […].“ (Art. 16 BRK). Dazu zählt auch die Zugänglichkeit des ambulanten Schutz- und

    Unterstützungssystems.

    Gesetzliche Grundlagen bilden das Fundament für mehr Barrierefreiheit und verdeutlichen die Notwendigkeit

    der Umsetzung von Barrierefreiheit. Zugleich sind ganz konkrete und praktische Handlungsschritte notwendig,

    denn Gesetze allein verändern meist nicht viel.

    Auf den folgenden Seiten werden ganz praktische Hinweise und Tipps aufgeführt, was Fachberatungsstellen

    unternehmen können, um barriere frei(er) zu werden.

    15

  • 16

  • 4. Abbau von Barrieren in Fachberatungsstellen16

    16 Folgende Ausführungen beziehen sich auf verschiedene Broschüren und Materialien, die bereits zum Thema Barrierefreiheit zusammengestellt

    wurden. Eine Auflistung der Broschüren befindet sich am Ende des Leitfadens, darunter Swantje Köbsell (1996): Was wir brauchen. Handbuch zur

    behindertengerechten Gestaltung von Frauenprojekten. Kassel: bifos e.V.

    Nach der Darstellung spezifischer Anforderungen an Barrierefreiheit für Personen mit unterschiedlichen

    Behinderungen wird ganz konkret auf notwendige Maßnahmen zur barrierefreien Umgestaltung von

    Fachberatungsstellen eingegangen.

    4.1 Spezielle Anforderungen an Barrierefreiheit17

    17 Sehr detaillierte und umfassende Tipps für den Erstkontakt in der Beratung enthält der Leitfaden von Weibernetz e.V., dem bff und der FHK.

    Für Frauen und Mädchen mit unterschiedlichen Behinderungen müssen verschiedene Anforderungen erfüllt sein,

    damit sie Beratung und Unterstützung der Fachberatungsstellen barrierefrei in Anspruch nehmen können. Diese

    werden nun anhand verschiedener Behinderungen und damit verbundener Notwendigkeiten an Barrierefreiheit

    aufgezeigt und mit Tipps für die Beratung ergänzt. Die individuell sehr spezifischen Anforderungen können im

    Rahmen des Handbuchs nicht umfassend dargestellt werden. Vielmehr gilt es, beim Erstkontakt und auch in

    der Beratung nachzufragen, welche Unterstützung die Frau braucht (oder auch nicht). Mädchen und Frauen

    mit Behinderung sind häufig mit ungewollten Hilfeleistungen konfrontiert und erleben diese, wenn auch

    nett gemeint, oftmals als „übergriffig“. Manche behinderte Mädchen und Frauen finden es gut, wenn ihnen

    Unterstützung und Assistenz angeboten wird, andere nicht. Deswegen ist es sehr wichtig, nachzufragen, was

    gebraucht wird.

    4.1.1 Bei Rollstuhlfahrerinnen und Mädchen und Frauen mit Körperbehinderung

    * © alle verwendeten Pictogramme: http://icons.anatom5.de/

    Mädchen und Frauen, die einen Rollstuhl benutzen, benötigen mehr Platz, um sich (selbstständig) gut bewegen

    zu können. Dies gilt auch für Frauen und Mädchen, die einen Rollator benutzen. Der Platz, der gebraucht wird,

    damit sie sich ohne Verletzungsgefahr frei bewegen können, wird als Bewegungsfläche bezeichnet.18

    Vgl. http://nullbarriere.de/din18024-2-flaechen.htm

    Diese Bewegungsflächen sollten gemäß der DIN-Norm 18024-1 wie folgt gestaltet sein:

    3 Bewegungsflächen sollten mindestens 1,5 m breit und 1,5 m tief sein:

    – als Wendemöglichkeit in jedem Raum

    – am Anfang und am Ende einer Rampe

    – vor Durchgängen und Eingängen

    – vor und in Fahrstühlen und Aufzügen

    3 Bewegungsflächen sollten mind. 1,5 m breit sein:

    – in Fluren

    – auf Hauptwegen

    – neben Treppenauf- und Treppenabgängen

    Mädchen und Frauen mit Körperbehinderung können vorhandene bauliche Gegebenheiten ganz unterschiedlich

    nutzen und erleben diese als verschieden ausgrenzend.

    17

    – 18

    http://nullbarriere.de/din18024-2-flaechen.htmhttp://icons.anatom5.de/

  • Es gilt: Rollstühle sollten nicht einfach berührt werden, da dies einen ungefragten Eingriff in den persönlichen

    Raum der betroffenen Frau darstellt. Das bedeutet auch, den Rollstuhl nicht einfach als Lehne oder Fußstütze

    zu benutzen. Im Gespräch mit einer Frau oder einem Mädchen im Rollstuhl ist es wichtig, wenn möglich auch

    physisch auf gleicher Augenhöhe zu sein. Dies erleichtert die Kommunikation für alle Beteiligten.

    4.1.2 Bei blinden und sehbehinderten Mädchen und Frauen19

    19 Vgl. ebd.

    Auch blinde und stark sehbehinderte Mädchen und Frauen haben besondere Bedürfnisse an barrierefreie

    bauliche Gegeben heiten. Wichtig ist u.a. auf gute Lichtverhältnisse und optische sowie taktile Kontraste zu

    achten.

    3 In großen Beratungseinrichtungen mit verschiedenen Räumen kann zur Orientierung ein Leitsystem20

    Als Leitsysteme werden Leitstreifen aus optisch und taktil kontrastierenden Bodenindikatoren, die der besseren Orientierung dienen, bezeichnet.

    zwischen den ver schiedenen Orten angebracht werden. Dafür eignet sich beispielsweise auf dem Boden

    befindliches taktiles und reflektierendes Band. Außerdem sind kontrastreiche Farben und wechselnde

    Oberflächenstrukturen zur Kennzeichnung unterschiedlicher Orte wichtig.

    3 Eine kontrastreich gestaltete Oberflächenstruktur (z.B. geriffelt o.ä.) des Fußbodens an wichtigen Stellen

    wie Treppen, Hindernissen, Richtungsänderungen, Fluranschlusstüren, Aufzugsanlagen oder Sanitäranlagen

    erleichtert die Orientie rung für blinde und sehbehinderte Mädchen und Frauen.

    3 Außerdem ist darauf zu achten, dass in den Räumen und Gängen keine Stolperfallen, wie z.B. Kabel oder

    andere Gegenstände, herumliegen.

    3 Türen sollten entweder geschlossen oder ganz geöffnet sein. Halboffene Türen sind gefährlich.

    3 Die Beraterin sollte die ratsuchende Frau zunächst durch die Räume der Beratungseinrichtung begleiten

    und diese er klären. So kann die betroffene Frau erfahren, worauf zu achten ist und was sich wo befindet.

    Bei wichtigen Veränderungen in Räumen sollte eine kurze Pause gemacht werden, um diese anzukündigen.

    3 Oft ist es gut, der Frau dabei den Ellenbogen als Unterstützung beim Gehen anzubieten.

    3 Es ist wichtig, sich selbst mit Namen vorzustellen und kenntlich zu machen, wenn man in den Raum betritt

    oder diesen verlässt. Bei der Vorstellung anderer Personen sollte dazu gesagt werden, wo sich diese gerade

    befinden.

    3 Einige blinde oder sehbehinderte Mädchen und Frauen haben Begleithunde, deren Mitnahme in die Beratung

    erlaubt sein sollte. Die Hunde sollten nicht einfach ungefragt gestreichelt werden.

    18

    – 20

  • 4.1.3 Bei gehörlosen und hörbehinderten Mädchen und Frauen

    Die Barrieren, denen gehörlose oder schwerhörige Mädchen und Frauen begegnen, liegen hauptsächlich

    im Bereich der Kommunikation und Interaktion mit hörenden Menschen. Hörbehinderte Menschen sind

    unterschiedlich stark in ihrer akustischen Wahrnehmung eingeschränkt. Verständnisschwierigkeiten können

    bereits bei der ersten Kontaktaufnahme und der Vereinbarung eines Termins zum Beratungsgespräch entstehen.

    Bei gehörlosen und schwerhörigen Menschen sollte generell beachtet werden, dass das „Zwei-Sinne-Prinzip“

    eingehalten wird. Das „Zwei-Sinne-Prinzip“ besagt, dass Informationen über mindestens zwei Sinne (hören,

    sehen, tasten) zugänglich sein müssen.21

    21 Vgl. Ruhe, Carsten (2006): Sensorisch barrierefreies Bauen. Anforderungen und Vorgaben mit einigen Beispielen., S. 1.

    Dies bedeutet bei gehörlosen und schwerhörigen Personen vor

    allem, auf eine gute visuelle Darstellung und Vermittlung von Informationen und zugleich auch den Ablauf

    von Kommunikation zu achten.

    Gehörlose Frauen und Mädchen

    Gehörlose Mädchen und Frauen haben in bestimmten Situationen, wie beispielsweise beim Besuch von

    Behörden und Ämtern, ein Recht auf die Finanzierung eines/r Gebärdensprachdolmetschers/in,22

    22 Dieser Rechtsanspruch ist im § 9 des BGG festgeschrieben – Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen:

    „Hör- oder sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt im

    Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen

    zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Träger öffentlicher Gewalt haben

    dafür auf Wunsch der Berechtigten im notwendigen Umfang die Übersetzung durch Gebärdensprachdolmetscher oder die Verständigung mit

    anderen geeigneten Kommunikationshilfen sicherzustellen und die notwendigen Aufwendungen zu tragen.“ http://www.gesetze-im-internet.de/

    bgg/.

    welches leider

    noch nicht ausreichend umgesetzt wird. Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigene Sprache anerkannt,

    die Finanzierung von Übersetzung aber weiterhin oft schwierig. Wichtig ist auch zu wissen, dass nicht alle

    gehörlosen oder stark schwerhörigen Mädchen und Frauen über umfangreiche Gebärdensprachkompetenzen

    verfügen. Es kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass betroffene Frauen und Mädchen

    von den Lippen ablesen wollen oder können. Bei der Organisation einer Gebärdensprachdolmetscherin sollte die

    Frau außerdem vorher gefragt werden, ob sie welche kennt oder bestimmte Personen nicht dolmetschen sollen.

    Viele weiterführende Informationen sind auf der folgenden Seite zu finden: http://www.dgsd.de/, darunter Infos

    zum Thema Gebärdensprachdolmetschen, zur Finanzierung, zu rechtlichen Grundlagen oder auch zur Suche von

    Dolmetscherinnen und Dolmetschern.

    3 Die erste Kontaktaufnahme per Mail oder Fax muss sichergestellt sein.

    3 Es ist sinnvoll, Zettel und Stifte für die Kommunikation (v.a. in der Erstberatung) bereit zu halten.

    3 Es sollte darauf geachtet werden, dass Hinweise auf der Homepage und Materialien in Leichter Sprache

    formuliert werden, da für von Geburt an gehörlose Mädchen und Frauen die deutsche Schriftsprache meist

    eine Fremdsprache darstellt.

    19

    http://www.gesetze-im-internet.de/bgg/http://www.dgsd.de/

  • Hörbehinderte Frauen und Mädchen:

    Bei hörbehinderten Mädchen und Frauen muss darauf geachtet werden, dass akustische Informationen für diese

    wahrnehmbar und verstehbar sind bzw. durch optische ergänzt werden. Beachtet werden muss, dass manche

    Mädchen und Frauen mit einer Hörbehinderung Probleme mit dem Gleichgewichtssinn haben, was deren

    Mobilität und Bewegung beeinflusst. Einige hörbehinderte Frauen und Mädchen benutzten Hörgeräte und sind

    teilweise auf eine Höranlage23

    Vgl. Exkurs Höranlagen: S. 23.

    angewiesen.

    3 Die erste Kontaktaufnahme per Mail oder Fax muss sichergestellt sein.

    3 Es ist sinnvoll, Zettel und Stifte für die Kommunikation (v.a. in der Erstberatung) bereit zu halten.

    3 Beim Gespräch muss darauf geachtet werden, dass möglichst wenig störende Hintergrundgeräusche

    vorhanden sind. Das bedeutet, den Beratungsraum hinsichtlich der akustischen Gegebenheiten zu

    untersuchen. Z.B.: Wie stark sind die Fremdgeräusche? Schallt es im Raum?

    3 Außerdem ist es wichtig, laut und deutlich zu sprechen und die Betroffene direkt anzuschauen, auch weil

    viele schwerhörige Personen nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten (wie Lippenabsehen) nutzen.24

    Vgl. Zeh, Roland (2006): Kommunikationsbarrieren – durch Technik überwindbar?, S. 3.: http://www.schwerhoerigen-netz.de/RATGEBER/

    BARRIEREFREI/b_kommunikation.pdf.

    In

    Gesprächen mit mehreren Personen sind die Kommunikation und das Verständnis schwieriger, als wenn nur

    zwei sprechen.

    4.1.4 Bei Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten

    Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten brauchen Leichte Sprache25

    Leichte Sprache stellt gewisse Kriterien an Formulierungen von Texten. Dazu gehört z.B., dass keine Fremdwörter benutzt werden, aber auch

    dass schwere und lange Wörter mit Bindestrich getrennt werden. Das Netzwerk für Leichte Sprache hat Regeln aufgestellt, die auf der Seite des

    Netzwerks zu finden sind: http://www.leichtesprache.org. Außerdem hat Mensch Zuerst – Netzwerk People first Deutschland e.V. ein Wörterbuch

    für Leichte Sprache entwickelt: http://www.people1.de/.

    , um gut zu verstehen. Es gibt sehr

    gute Tipps und Erklärungen zur Nutzung von Leichter Sprache, z.B. von Mensch Zuerst – Netzwerk People

    First Deutschland e.V.: http://www.people1.de/

    Mensch Zuerst – Netzwerk People first Deutschland e.V. übersetzt zudem Texte in Leichte Sprache, ebenso

    das Netzwerk für Leichte Sprache. So sollten, wenn möglich, Informationen auf der Homepage und weitere

    Materialien in Leichter Sprache (oder zumindest einfach formuliert) vorhanden sein.26

    Auf der Seite des bff befindet sich eine kommentierte Literaturliste zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung. Diese enthält

    auch eine Zusammenstellung vorhandener Materialien und Literatur in Leichter Sprache.

    3 Es kann sein, dass eine Begleitperson bei der Beratung mit der betroffenen Frau dabei ist. Dies verändert das

    Beratungssetting und muss berücksichtigt werden.27

    Darauf wird im Leitfaden zum Erstkontakt mit Mädchen und Frauen mit Behinderung in der Beratung von Weibernetz, der Frauen-

    hauskoordinierung und dem bff intensiver eingegangen.

    3 Bei Unklarheiten und Unverständnis nachfragen. Es ist auch wichtig nachzufragen, ob die Ratsuchende alles

    verstanden hat.

    20

    – 23

    – 24

    – 25

    – 26

    – 27

    http://www.schwerhoerigen-netz.de/RATGEBER/BARRIEREFREI/b_kommunikation.pdfhttp://www.people1.de/http://www.people1.de/http://www.leichtesprache.org

  • 4.1.5 Bei Mädchen und Frauen mit Sprachbehinderung

    Bei Mädchen und Frauen mit Sprachbehinderung entstehen Barrieren vor allem bei der Kommunikation und

    Interaktion mit anderen.

    3 Auch hier sollte die Möglichkeit der ersten Kontaktaufnahme per Mail oder Fax sichergestellt sein.

    3 Es kann sein, dass eine Bezugsperson oder auch Assistentin anstelle der betroffenen Frau anruft.

    3 Oftmals muss sich die Beraterin beim Gespräch mit der Betroffenen zunächst einhören oder versteht

    viele Dinge nicht sofort. Wichtig ist es, nachzufragen, wenn etwas nicht verstanden wurde, damit keine

    Unklarheiten bestehen bleiben.

    3 Mädchen und Frauen mit Sprachbehinderung möchten ausreden und nicht unterbrochen werden. Dies kann

    viel Geduld erfordern, z.B. wenn sie langsam sprechen.

    4.2 Die Wege der ersten Kontaktaufnahme

    Bereits für den Erstkontakt mit gewaltbetroffenen Mädchen und Frauen mit Behinderung ist Barrierefreiheit eine

    wichtige Voraussetzung. Dies betrifft sowohl die Möglichkeiten der Inanspruchnahme als auch das Wissen über

    Beratungs- und Unterstützungsangebote.

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, die barrierefrei gestaltet sein sollten.

    a) Telefonische Kontaktaufnahme

    In der Regel nehmen Frauen zuerst telefonischen Kontakt zur Beratungseinrichtung auf. Wichtig sind regelmäßige

    und feste Sprechzeiten, die schnell und einfach auf der Homepage, auf Flyern etc. zu finden sind. Wichtig ist auch

    eine gut und leicht verständliche Ansage auf dem Anrufbeantworter.

    b) Kontaktaufnahme per E-Mail

    Die E-Mail-Adresse sollte leicht auf der Homepage zu finden und die gute Erreichbarkeit per Mail abgesichert

    sein.

    Eine andere Möglichkeit ist beispielsweise ein Kontaktformular auf der Homepage, das schnell und einfach in

    der Benutzung ist.

    c) Nutzung des Internet

    Die (möglichst) barrierefreie Gestaltung der Internetseite ist eine notwendige Voraussetzung für deren

    umfassende Nutzung. Mehr Tipps zum barrierefreien Internet finden sich unter dem Punkt 5.

    d) Kontaktaufnahme per Fax

    Schwerhörige, gehörlose Menschen oder Personen mit Sprachbehinderung nutzen oftmals Faxgeräte für den

    Erstkontakt. Demnach sollte auch die Faxnummer auf der Homepage zu finden und dies als Möglichkeit der

    Kontaktaufnahme mitgedacht und direkt angeboten werden.

    21

  • Einige Fachberatungsstellen bieten bereits spezielle Angebote für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen mit

    Behinderung an. Diese Angebote sollten transparent gemacht werden, leicht auf der Homepage und Flyern

    zu finden sein und v.a. weit gestreut werden. Denn es ist sehr wichtig, behinderte Mädchen und Frauen direkt

    anzusprechen.

    TIPP: Es gibt Symbole, die als Hinweise für spezifische Zielgruppen genutzt werden können. Auf folgender

    Homepage sind Piktogramme für spezifische Behinderungen zu finden:

    http://icons.anatom5.de/. Diese können unter Angabe des Quellcodes frei genutzt werden.

    Sofern Mitarbeiterinnen der Fachberatungsstelle Gebärdensprachkompetenzen haben, sollte dies auch

    auf der Homepage und auf Flyern vermerkt sein. Dabei ist darauf zu achten, wie fundiert und gut diese

    sind (d.h. Grundkenntnisse oder erweiterte Kenntnisse), damit gehörlose Frauen, die die Gebärdensprache

    nutzen, sich darauf einstellen und verlassen können.

    4.3 Der Weg in die Beratungseinrichtung

    a) ÖPNV-Anbindung

    Auf der Homepage sollten Infos zur Anbindung und Anreise zur Beratungsstelle stehen. Dazu gehört die Angabe

    der nächsten barrierefreien Haltestelle(n) und die Anbindung mit Bus und Bahn. Diese sind i.d.R. im Internet auf

    den entsprechenden Seiten des ÖPNV zu finden.

    b) Weg von der Haltestelle zur Fachberatungsstelle

    Auf der Homepage und weiteren Informationsmaterialien sind detaillierte Wegbeschreibungen (evtl. mit Bild)

    sinnvoll, welche die ungefähre Länge der Strecke und vorhandene Barrieren und Hindernisse, beispielsweise für

    Rollstuhlfahrerinnen oder blinde Frauen, enthalten.

    c) Anreise mit dem Auto

    Gerade in ländlichen Gegenden, aber auch in Städten, bietet es sich an, eine Wegbeschreibung für Autofahrerinnen

    auf die Homepage zu stellen.

    d) Parksituation vor der Beratungseinrichtung

    Günstig ist, wenn in der Nähe der Fachberatungsstelle Parkplätze vorhanden sind. Auf der Homepage sind

    diesbezügliche Infos oder die Angabe anderer nutzbarer Parkmöglichkeiten in der Nähe hilfreich für Ratsuchende.

    Nun anschließend werden konkrete Anforderungen an die barrierefreie Neu- und/ oder Umgestaltung

    der Fachberatungsstelle aufgezeigt. Diese sind untergliedert in notwendige bauliche Gegebenheiten und

    Veränderungen und orientieren sich zugleich an speziellen Bedürfnissen von Personen mit verschiedenen

    Behinderungen. Zunächst werden Voraussetzungen für den barrierefreien Zugang und die barrierefreie Nutzung

    verschiedener Räumlichkeiten in der Beratungseinrichtung dargestellt.

    22

    http://icons.anatom5.de/

  • 4.4 Vor der Fachberatungsstelle28

    28 Folgende Ausführungen beziehen sich auf verschiedene Broschüren und Materialien, die bereits zum Thema Barrierefreiheit zusammengestellt

    wurden. Eine Auflistung der Broschüren befindet sich am Ende des Handbuchs.

    Bereits der Eingangsbereich von Fachberatungsstellen beinhaltet oft Barrieren, die die Zugänge für

    gewaltbetroffene Mädchen und Frauen mit Behinderung begrenzen oder verunmöglichen. Da gilt es einiges zu

    verändern, und schon viele kleine Dinge können bereits sehr hilfreich sein.

    4.4.1 Zugänglichkeit / Erreichbarkeit der Einrichtung

    3 Wichtig ist, dass die Zugänglichkeit zu allen Ebenen der Beratungseinrichtung gewährleistet ist, also entweder

    ein ebenerdiger Zugang oder ein Fahrstuhl bzw. eine oder mehrere Rampen vorhanden sind. Ist dies nicht der

    Fall, sollte die Anzahl der Stufen vor dem Eingang und in der Fachberatungsstelle auf der Homepage und

    Flyern vermerkt sein.

    3 Wenn der Zugang nicht barrierefrei ist, kann die Frau oder das Mädchen mit ihrer Zustimmung auch vor

    der Beratungseinrichtung abgeholt werden, um mit der Beraterin gemeinsam vorhandene Stufen – sofern

    möglich – zu überwinden.

    3 Eine Alternative zur nicht barrierefreien Einrichtung ist die Nutzung eines anderen Ortes, der für die Beratung

    behinderter Mädchen oder Frauen zur Verfügung steht. Eine weitere Möglichkeit ist die der aufsuchenden

    Beratung, was aufgrund mangelnder zeitlicher Ressourcen jedoch oft schwer zu realisieren ist.

    4.4.2 Eingangsbereich

    3 Der Eingangsbereich sollte eine Größe, d.h. Grundfläche, von ungefähr 1,5 m x 1,5 m haben und eine ebenerdige

    Plattform darstellen, so dass beispielsweise das Zurückrollen mit dem Rollstuhl vor der Tür verhindert wird.

    Außerdem ist so ausreichend Platz zur Bewegung gewährleistet.

    3 Eventuell auf dem Fußboden vorhandene Fußmatten, Roste oder Läufer müssen gehstützen- und

    rollstuhlgerecht sein. Es ist darauf zu achten, dass die Zwischenräume bei Lamellen oder Rosten nicht zu groß

    sind und die Unterlage gut befahr- und begehbar sowie rutschsicher ist.

    3 Probleme im Eingangsbereich stellen häufig vorhandene Schwellen dar. Schwellen müssen ausgeglichen

    werden, wenn sie höher als 1,3 cm bis maximal 2 cm sind.

    3 Der Eingang muss gut erkennbar und leicht auffindbar sein. Dazu zählen einerseits die adäquate Be-

    schilderung der Einrichtung sowie eine gute optische und taktile Gestaltung, d.h. leicht erkenn- und ertastbare

    Hausnummern und Klingeln. Kontrastreiche Farbkombinationen sind wichtig.

    3 Es ist wichtig, dass behinderte Mädchen und Frauen die Einrichtung gut wiedererkennen können, v.a. auch

    Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten. Viele Fachberatungsstellen haben ein Logo oder ein Symbol, das

    beispielsweise am Eingang und an der Klingel angebracht werden kann, um die (Wieder)-Erkennung zu

    erleichtern.

    3 Haustürklingeln sollten nicht höher als 85 cm angebracht und gut erkennbar sein, damit alle Frauen diese

    gut sehen und erreichen können.

    3 Die Klingel muss auch mit einem optischen Signalgeber, d.h. einer Lichtfunktion, ausgestattet sein, damit

    gehörlose und schwerhörige Mädchen und Frauen sehen, dass diese funktioniert und sie geklingelt haben.

    3 Eine Gegensprechanlage ist zu vermeiden, bzw. diese sollte ggfls. mit einer Bildfunktion ausgestattet sein.

    23

  • 3 Bewegungsmelder sind für eine ausreichende Beleuchtung gut geeignet. Wenn diese nicht vorhanden sind,

    muss zur dunkleren Tages- und Jahreszeit sicher gestellt sein, dass der Eingang genügend ausgeleuchtet ist.

    3 Für blinde und sehbehinderte Frauen können Leitsysteme hilfreich sein. Oftmals ist der kontrastreiche und

    bewusste Einsatz verschiedener Materialien als Oberfläche des Fußbodens schon ausreichend. Bestimmte

    Materialien (z.B. Rippen oder Noppen) bzw. Materialveränderungen erfüllen dabei eine Warn- oder

    Leitfunktion.

    4.4.3 Rampen

    Rampen werden klassischerweise dort eingesetzt, wo sich Stufen, aber kein Fahrstuhl befinden. Beim Bau von

    Rampen müssen einige wichtige Punkte beachtet werden.

    3 Für Schwellen und Stufen, die höher als 1,3 cm bis maximal 2 cm sind, wird eine Rampe zur Überwindung

    benötigt.

    3 Rampen sollten eine ungefähre Steigung von 5% haben, festgelegt sind höchstens 6%. Das heißt, für jeden

    zu überwindenden Zentimeter müssen 20 cm Rampe berechnet werden. Beachtet werden muss, dass mit

    größerer Steigung auch die Anforderungen an die Nutzerinnen der Rampe steigen, weil die Benutzung dann

    anstrengender ist.

    3 Die Rampen sollten auf beiden Seiten auf 85 cm Höhe ein Geländer haben.

    3 Sie müssen außerdem eine seitliche Begrenzung haben, um zu vermeiden, dass Rollstuhlfahrerinnen

    herunterfallen können.

    3 Rampen sollten mind. 1,2 m breit sein. Wenn auf der Rampe ein Richtungswechsel möglich sein soll, muss

    diese mindestens 1,5 m bis 1,8 m breit sein.

    3 Wichtig ist eine wetter- und rutschfeste Oberfläche.

    3 Lange Rampen sollten ungefähr alle 6 m eine Ruheplattform oder ein Podest haben. Auf diese kann ggf.

    zugunsten einer Reduzierung der Rampenneigung verzichtet werden, z.B. wenn die Rampe nicht deutlich

    länger als 6 m ist.

    3 Rampen sollten nur maximale Höhenunterschiede von 1 m überwinden, da deren Nutzung ansonsten sehr

    anstrengend ist, diese sehr lang werden und viel Platz einnehmen. Bei größeren Höhenunterschieden bieten

    sich technische Anlagen (Hebelanlagen) oder kleine Aufzüge an.

    3 Am Ende der Rampe sollte vor der Tür ausreichend Platz sein, um dort zu stehen, zu klingeln und zu warten.

    Dies entspricht der ungefähren Größe des Eingangsbereichs, also 1,5 m x 1,5 m.

    3 Wichtig ist es regelmäßig zu kontrollieren, dass die Rampen nicht, z.B. mit Fahrrädern oder Kinderwagen,

    vollgestellt oder zugebaut werden. Sie sind sonst nicht mehr nutzbar.

    3 Es gibt auch mobile Rampen, die beispielsweise gut bei der Überwindung einiger weniger Stufen einsetzbar

    sind. Bei solchen kann die Steigung auch größer als 6% sein, da mobile Rampen ansonsten zu lang und

    unhandlich wären.

    24

  • 4.4.4 Treppen

    Treppen sind für einige eine schwer oder nicht überwindbare Barriere, für viele gehbehinderte Frauen und

    Mädchen aber auch sehr gut nutzbar. Bei der Konstruktion und Beschaffenheit von Treppen sind im Sinne einer

    umfassenden Barrierefreiheit folgende Anforderungen zu beachten:

    3 Gerade Treppenverläufe bieten sich eher an als geschwungene (z.B. keine Wendeltreppen).

    3 Die einzelnen Stufen sollten nicht höher als 17 cm sein und die Trittfläche mindestens 30 cm betragen.

    3 Auf beiden Seiten sollte ein Geländer, d.h. ein Handlauf in einer Höhe von 85 cm angebracht sein. Das

    Geländer muss außerdem 30 cm über die unterste und oberste Stufe hinausreichen und einen Abstand von

    5 cm zur Wand haben.

    3 Es ist darauf zu achten, dass die Treppen einen rutschfesten Anstrich haben.

    3 Die Bewegungsfläche an Treppenauf- und Treppenabgängen sollte ausreichend groß sein.

    3 Bei sehr langen Treppen bieten sich Podeste zum Ausruhen an.

    3 Die Vorderkanten der Stufen müssen kontrastreich farblich markiert sein, z.B. mit reflektierenden Klebestreifen

    abgesetzt.

    3 Treppenan- und Treppenaustritte sollten – zur besseren Erkennung für sehbehinderte und blinde Frauen und

    Mädchen – mit optischen und taktilen Indikatoren auf dem Fußboden gekennzeichnet sein.

    4.4.5 Fahrstuhl

    Der Einbau eines Fahrstuhls lohnt sich nur, wenn die Räumlichkeiten der Beratungseinrichtung ansonsten

    stufenlos und uneingeschränkt zugänglich sind. Bei Fahrstühlen ist folgendes zu beachten:

    3 Die Bewegungsfläche vor Fahrstühlen sollte wie vor Türen ungefähr eine Größe von 1,5 m x 1,5 m besitzen.

    3 Die Türen von Fahrstühlen müssen mindestens 90 cm breit sein („lichte Breite“29

    Als „lichte Breite“ wird das Maß von einer Seite der Tür bis zur anderen, d.h. die Durchgangsbreite, bezeichnet.

    ), damit diese auch von

    Rollstuhl fahrerinnen benutzt werden können.

    3 Gegenüber der Tür sollte sich zur besseren Orientierung ein Spiegel oder poliertes Edelstahl befinden. Dies ist

    u.a. für Rollstuhlfahrerinnen wichtig, die sich nicht im Fahrstuhl drehen können.

    3 Der Fahrstuhl muss mindestens 1,10 m breit und 1,40 m tief sein.

    3 Fahrstuhltüren müssen automatisch öffnen und schließen und mit Lichtschranken ausgestattet sein, die

    beispielsweise auch auf einen Blindengehstock reagieren.

    3 Die Knöpfe sollten ertastbar sein, d.h. taktile Bedienelemente enthalten.

    3 An den Seitenwänden des Fahrstuhls empfiehlt sich ein Handlauf auf ca. 85 cm Höhe.

    3 Die Stockwerke müssen akustisch und optisch angezeigt und angesagt werden, denn blinde Mädchen und

    Frauen brauchen eine Sprachansage, gehörlose oder schwerhörige Mädchen und Frauen hingegen eine

    optische Anzeige.

    3 Fahrstühle sollten eine Tragfähigkeit von mindestens 300 kg bis 350 kg ermöglichen.

    25

    – 29

  • 4.4.6 Hebeaufzüge oder Hebeplattformen

    3 Bei Hebeaufzügen beträgt die maximale Hubhöhe ungefähr 4 m, bei Hebeplattformen ist diese geringer.

    3 Es ist wichtig, eine Tragfähigkeit von 300 kg bis 350 kg zu gewährleisten, damit diese auch von Mädchen und

    Frauen im Elektrorollstuhl genutzt werden können.

    4.4.7 Türen

    3 Die Türen einer Beratungseinrichtung sollten eine Durchgangsbreite („lichte Breite“) von 90 cm und eine

    Höhe von 2,1 m haben sowie leicht zu öffnen sein.

    3 Außerdem sollte sich ausreichend Platz für Wendemöglichkeiten beim Öffnen der Tür und eine Be-

    wegungsfläche von ungefähr 1,5 m x 1,5 m, mindestens aber 1,2 m x 1,3 m vor der Tür befinden.

    3 Die Türklinke sollte in einer Höhe von 85 cm bis maximal 1,05 m angebracht sein, damit sie für alle gut

    erreichbar ist.

    3 Bei Schiebetüren sind Griffstangen zu empfehlen, die auf einer Höhe von 85 cm angebracht sein sollten und

    zwar so, dass nicht die Gefahr besteht, sich die Finger einzuklemmen. Schiebetüren eignen sich v.a. in engen

    Räumlichkeiten.

    3 Türdrücker sollten auf der Öffnungsseite der Tür mindestens einen halben Meter vor dem aufschlagenden

    Türblatt angebracht werden.

    3 Türschwellen sind zu vermeiden oder dürfen höchstens 2 cm hoch sein. Noch besser ist, wenn diese ab

    1,3 cm ausgeglichen werden.

    3 Drehtüren sollten nur dann eingebaut werden, wenn es auch eine Alternative gibt. Blinde oder sehbehinderte

    Mädchen und Frauen können bei diesen schnell die Orientierung verlieren und Rollstuhlbenutzerinnen solche

    Türen auch nicht benutzen.

    3 Drehflügeltüren müssen 90° aufschlagen.

    3 Die Türen sollten in farblichem Kontrast zur Wand stehen.

    3 Sofern Türsummer vorhanden sind, muss das Signal auch optisch wiedergegeben werden.

    4.5 Barrierefreiheit in der Fachberatungsstelle30

    30 Auch diese Ausführungen beziehen sich auf verschiedene Broschüren und Materialien, die bereits zum Thema Barrierefreiheit zusammengestellt

    wurden. Eine Auflistung der Broschüren befindet sich am Ende des Leitfadens.

    4.5.1 Allgemeine Hinweise zu den Räumlichkeiten

    3 Wichtig ist darauf zu achten, dass Hindernisse und potenzielle Stolperfallen in den Räumen der Beratungsstelle

    beseitigt werden.

    3 Auch innerhalb der Beratungseinrichtung sollte darauf geachtet werden, dass der Bodenbelag rutschfest ist,

    nicht reflektiert sowie keine losen Teppiche oder ähnliches herumliegen.

    3 Es muss überall für eine ausreichende Beleuchtung gesorgt sein.

    26

  • 3 Die Möbel sollten stabil und auch für Rollstuhlfahrerinnen und kleine Menschen eine gut erreichbare und

    benutzbare Größe haben.

    3 Vorhandene Schwellen sollten ab einer Höhe von 1,3 cm, mindestens ab 2 cm ausgeglichen werden.

    4.5.2 Sanitäre Anlagen

    3 Die Tür sollte nach außen öffnen und mindestens 90 cm breit sein („lichte Breite“).

    3 Es ist wichtig, dass die Tür in Notfällen auch von außen zu öffnen ist.

    3 Die Türklinke muss leicht erreichbar und bedienbar sein. Dafür bietet sich ein Handlauf auf etwa 85 cm Höhe

    über der gesamten Türbreite an.

    3 Für kleine, beengte Räumlichkeiten eignen sich Schiebetüren, da diese platzsparend sind.

    3 Außerdem muss v.a. auch hier ein rutschfester Fußbodenbelag vorhanden sein und es sollten nicht zu viele

    Teppiche herumliegen.

    3 Es muss zudem eine Notrufklingel oder -leine vorhanden sein, die vom Fußboden und der Toilette aus

    erreichbar ist.

    Toilette

    3 Rechts und links neben der Toilette sollte ausreichend Platz von mindestens 95 cm Breite und 70 cm Tiefe

    sein. Das ist wichtig, um ein Umsetzen aus dem Rollstuhl von beiden Seiten aus zu ermöglichen. Ist dies nicht

    möglich, muss das Umsetzen zumindest von einer Seite gewährleistet sein.

    3 Vor dem Toilettenbecken sollte auch noch ausreichend Platz sein. Hier bietet sich wiederum eine

    Bewegungsfläche von 1,5 m x 1,5 m an.

    3 Die Sitzhöhe der Toilette sollte ca. 46-48 cm betragen und die Toilettenbrille darf nicht wackeln.

    3 Der Abstand von der Rückenstütze zur Vorderkante des WCs sollte ungefähr 55 cm betragen, damit sich die

    Benutzerin anlehnen kann.

    3 Auf beiden Seiten sollten neben der Toilette auf einer Höhe von 85 cm Haltegriffe angebracht sein, die im

    besten Fall wegklappbar sind und etwas über die Vorderkante der Toilette hinausragen. Gut eignen sich auch

    Haltegriffe hinter der Toilette.

    3 Die Haltegriffe müssen für eine Druckbelastung von 100 kg ausgerichtet sein.

    3 Die Klospülung sollte sich neben oder vor dem Sitz befinden. Wenn sie hinter der Toilette ist, sollte sie

    möglichst auch mit dem Ellenbogen zu betätigen sein.

    3 Das Toilettenpapier muss gut erreichbar sein.

    3 Der Wasserkasten muss stabil genug sein, um sich darauf abstützen zu können.

    3 Am Deckel und an der Klospülung kann reflektierendes Klebeband angebracht sein.

    Waschbecken

    3 Das Waschbecken sollte unterfahrbar sein und in einer Höhe von etwa 80 – 85 cm angebracht sein.

    3 Es sollte eine Stützlast von ca. 100 kg aushalten.

    27

  • 3 Als Armatur bieten sich Einmischbatterien, d.h. Wasserhähne mit einem Hebel oder automatische Armaturen

    an, die nicht berührt werden müssen.

    3 Seifenspender und Handtücher sollten nicht höher als 85 cm angebracht sein.

    3 Einfache große Spiegel, die aus der sitzenden Position Einsicht ermöglichen, sind zu empfehlen und auch

    preisgünstiger als Kippspiegel.

    3 Bei blinden und sehbehinderten Frauen und Mädchen ist es wichtig zu erklären, wo sich Papier und Spülung,

    das Waschbecken, die Seife und das Handtuch bzw. der Handtrockner befinden.

    3 Es ist wichtig, gegebenenfalls auf unhygienische Stellen aufmerksam zu machen bzw. diese zuvor zu

    beseitigen.

    4.5.3 Garderobe

    3 Die Garderobe sollte auf einer Höhe angebracht sein, die auch für Rollstuhlfahrerinnen gut nutzbar ist.

    4.5.4 Telefone

    3 Es ist wichtig, ein Telefon zu haben, das von Rollstuhlfahrerinnen benutzt werden kann. Hierfür bieten sich

    schnurlose Telefone an, sofern andere in einer schwer erreichbaren Höhe oder Position angebracht sind.

    3 Die meisten Telefone sind mit einer Lautstärkeregelung und einem Hörverstärker für schwerhörige Mädchen

    und Frauen ausgestattet.

    3 Mädchen und Frauen, die Hörgeräte tragen, benötigen Telefone mit eingebautem Magnetfelderzeuger. Viele

    neuere Modelle besitzen diese.

    3 Eine Tastatur mit großen Zahlen und einfacher Bedienung erleichtern die Benutzung.

    4.5.5 Brandschutz

    3 Feuerlöscher und Feuermelder sollten auf einer Höhe, die von Rollstuhlfahrerinnen gut nutzbar ist, angebracht

    sein.

    3 Der Feueralarm kann auch optisch, d.h. mit Lichtsignalen ausgestattet sein. Aufgrund der Anwesenheit einer

    Beraterin ist dies jedoch nicht dringend erforderlich.

    3 Es sollte in der Toilette, aber auch anderen Räumen, Notrufklingeln geben.

    3 Treppen und Türen sowie eventuell vorhandene Lifte bzw. Fahrstühle innerhalb der Räume der

    Frauenberatungseinrichtung sollten wie unter den Punkten 4.4.4, 4.4.5 und 4.4.7 beschrieben ausgestattet

    sein.

    28

  • Exkurs: Höranlagen

    Höranlagen übertragen den Schall direkt ohne Nebengeräusche für Personen, die Hörgeräte, Kopfhörer oder

    auch Ohrimplantate tragen.31

    Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2007): Barrierefreies Planen und Bauen in Berlin. Grundlagen und Beispiele., S. 26 f.

    Es gibt verschiedene Arten von Höranlagen.

    Bei schwerhörigen Personen mit Hörgeräten sind beim Besuch von großen Veranstaltungen, im Theater

    oder Kino IndukTive Höranlagen32

    32 Vgl. http://www.taubertundruhe.de/fileadmin/taubertundruhe/images/images_content/downloads/2009-12-16-IndukTive-Hoeranlagen_

    beliebte_Fehler.pdf. Das Wort „indukTiv“ wird mit einem großen T in der Mitte geschrieben, um kenntlich zu machen, dass für die Schwerhörenden

    ein problemloser Empfang möglich ist, wenn sie ihr Hörgerät auf „T“ schalten.

    sinnvoll. IndukTive Höranlagen übertragen die Audio- bzw. Tonsignale

    direkt über die Hörgeräte und ermöglichen somit eine relativ störungsarme Aufnahme der Informationen.

    Diese sind in Fußböden, Wand oder Decke fest verlegt und damit für größere Veranstaltungsräume sinnvoll.

    Bei kleinen Fachberatungsstellen sind solche Anlagen nicht zwingend notwendig, allerdings sollte bei externen

    Veranstaltungen und Tagungen darauf geachtet werden, dass entsprechend ausgewählte Veranstaltungsorte

    über eine Höranlage verfügen.

    Neben IndukTiven Höranlagen werden zunehmend auch Infrarot- oder Funkübertragungen eingesetzt, bei denen

    der Schall kabellos über Infrarotstrahlen oder Funkwellen übertragen wird.33

    33 Vgl.ebd.

    Außerdem gibt es auch mobile

    Höranlagen, die überall einsetzbar und leicht zu transportieren sind.34

    34 Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2007): Barrierefreies Planen und Bauen in Berlin. Grundlagen und Beispiele., S. 27.

    29

    – 31

    http://??http://www.taubertundruhe.de/fileadmin/taubertundruhe/images/images_content/downloads/2009-12-16-IndukTive-Hoeranlagen_beliebte_Fehler.pdf

  • 30

  • 5. Barrierefreies Internet

    Das Internet ist mittlerweile wohl das bedeutendste Informations- und Kommunikationsmedium. Doch auch

    das WorldWideWeb enthält zahlreiche Barrieren und bei der Gestaltung von Webseiten muss einiges beachtet

    werden, um diese für möglichst viele Nutzer/innen zugänglich zu gestalten.

    Nun folgend werden zunächst wichtige Planungsschritte bei der barrierefreien Webgestaltung aufgezeigt,

    um anschließend auf konkrete Anforderungen für eine umfassende Nutzung des Internet mit verschiedenen

    Behinderungen einzugehen. Denn Menschen mit (aber auch ohne) Behinderungen stoßen im Internet auf

    ganz verschiedene Barrieren. Darauf aufbauend wird zusammenfassend dargestellt, was bei der barrierefreien

    Gestaltung einer Webseite bedacht werden muss.

    5.1 Wichtige Planungsschritte beim barrierefreien Webdesign

    Für die barrierefreie Gestaltung bzw. Neugestaltung von Webseiten werden für das Design und das Layout,

    die Programmierung der Seite sowie redaktionelle Arbeiten verschiedene Experten oder Expertinnen benötigt.

    Eine frühzeitige Zusammenarbeit und Kenntnisse der barrierefreien Webgestaltung sind demnach wichtige

    Voraussetzungen, auch um Probleme und Schwierigkeiten schnell erkennen und beheben zu können oder

    bisherige Inhalte einer Webseite in die neu gestaltete integrieren zu können.

    Bei der Suche nach Personen oder Agenturen, die die Programmierung übernehmen sollen, wird empfohlen, diese

    nach barrierefreien Referenzprojekten zu fragen und deren Projekte bzw. Seiten auf Barrierefreiheit zu testen.35

    Vgl. Barrierefrei kommunizieren (2006): Auf dem Weg zu barrierefreien Webseiten, S. 34.

    Außerdem muss vor der grafischen Gestaltung die Struktur und der Aufbau der Webseite geklärt werden: Was soll

    auf dieser stehen? Wie soll sie aufgebaut sein? Welche Funktionen muss die Webseite anbieten?

    Nach der Entwicklung des Layouts und der Programmierung der Webseite, bei der jede einzelne Unterseite auf

    ihre Barrierefreiheit hin geprüft werden muss, schließt sich die Phase der Textüberarbeitung an, bei der Texte neu

    geschrieben oder verändert werden, bevor diese auf der Webseite erscheinen.

    Im Anschluss muss die Webseite erneut auf ihre Barrierefreiheit hin überprüft werden. Dafür gibt es spezielle

    Angebote im Internet, die am Ende dieses Kapitels aufgeführt sind. Zugleich wird empfohlen, auf der Webseite

    ein Feedback-Formular einzurichten, welches es ermöglicht, Rückmeldungen zu geben.36

    Vgl. ebd., S. 47.

    Für die barrierefreie Gestaltung von Webseiten gilt die BITV (Barrierefreie Informationstechnik Verordnung).37

    http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/. Im September 2011 ist die BITV 2.0 in Kraft getreten.

    Nach dieser müssen 66 Bedingungen erfüllt werden, damit eine Webseite uneingeschränkt nutzbar ist. Die BITV

    stellt viele Anforderungen an Grafik, Layout und Inhalt von Internetangeboten. Außerdem gelten die Web Content

    Accessibility Guidlines (WCAG 2), Richtlinien für die barrierefreie Gestaltung von Webseiten. Eine deutsche

    Übersetzung der Richtlinien ist auf folgender Seite zu finden: http://www.w3.org/Translations/WCAG20-de/.

    Grundlage der WCAG 2 sind verschiedene Prinzipien, die barrierefreie Webseiten erfüllen sollten: Informationen

    und Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Zur Umsetzung der Prinzipien wurden

    spezifische Kriterien und Richtlinien entwickelt. Eine Auflistung von Hinweisen zur technischen Umsetzung der

    Richtlinien ist auf folgender Seite zu finden: http://www.einfach-fuer-alle.de/wcag2.0

    36

    35

    31

    – 37

    http://www.w3.org/Translations/WCAG20-de/http://www.einfach-fuer-alle.de/wcag2.0http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/. Im September 2011 ist die BITV 2.0

  • 39

    5.2 Behinderungsspezifische Barrieren bei Webseiten

    Generell sollte auf Blinken, Bildschirmflackern und sich bewegende Inhalte auf der Webseite verzichtet werden.

    Diese können leicht irritieren und auch epileptische Anfälle auslösen. Unterschiedliche Behinderungen erfordern

    spezifische Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Internetseiten. Diese werden nachfolgend

    dargestellt.

    5.2.1 Abbau von Barrieren für blinde und sehbehinderte Menschen

    Blinde Menschen verwenden textorientierte Browser wie Lynx38

    38 Textorientierte Browser stellen die Elemente von Homepages als reine Texte, d.h. ohne Bilder oder Grafiken dar. Blinde Menschen können sich

    Internetseiten so allein textbasiert darstellen lassen.

    oder Hilfsprogramme wie Screenreader.

    Mit Screenreadern werden Texte per Sprachausgabe vorgelesen oder können mit einer Braille-Zeile oder mit

    Hilfe eines Braille-Druckers in ertastbarer Form dargestellt werden. Allerdings sind auf Webseiten befindliche

    Bildinformationen oder Animationen mit Screenreadern nicht übersetzbar. Sehbehinderte Menschen sind

    v.a. auch auf größenverstellbare Webseiten und Schriftarten, manchmal aber auch akustische Informationen

    angewiesen. Bei der barrierefreien Gestaltung von Webseiten für blinde Menschen sind demnach viele Dinge zu

    beachten.

    Einsatz von Bildern

    3 In der strukturellen Gestaltung der Webseite sollte auf Bilder verzichtet werden, da diese von Screenreadern

    nicht übersetzt werden können.

    3 Bilder oder Grafiken, die wichtig zum Verständnis des Inhaltes sind, müssen mit Alternativtexten zur

    Erklärung beschrieben werden. Längere Beschreibungen sind nur dann sinnvoll, wenn zusätzliche wichtige

    Informationen vermittelt werden sollen.

    3 Dies gilt auch für Links, die Teil eines Bildes sind sowie für Zeichenkodierungen auf der Grundlage des ASCII-

    Codes.

    3 Es sollten keine animierten Grafiken verwendet werden, die z.B. blinken oder flackern.

    3 Wenn das Bild verlinkt ist, muss der Text auch das Link-Ziel enthalten.39

    Vgl. Bundesverwaltungsamt-Bundesstelle für Informationstechnik (2009): BITV-Checkliste für GSB-Redakteure, S. 24 ff.

    3 Für Filme oder Animationen müssen Untertitel oder eine zusätzliche Audiospur eingesetzt werden.

    Einsatz von Tabellen

    3 Tabellen sind problematisch, da sie von Screenreadern von rechts nach links und von oben nach unten

    vorgelesen werden.

    3 Tabellen sollten wenn möglich nur für die Aufbereitung von Daten benutzt werden.

    3 Layout-Tabellen40

    Layout-Tabellen sind Tabellen zur Darstellung von Grafiken oder auch kompletten Inhalten auf Webseiten.

    sind zu vermeiden. Sofern Layouttabellen eingesetzt werden, müssen diese linearisierbar

    sein. Das bedeutet, dass bei der Reihenfolge der Tabelle darauf geachtet werden muss, dass diese von

    Screenreadern sinnvoll vorgelesen werden kann.

    32

    – 40

  • 3

    45

    Für Tabellen, die Texte in parallelen Spalten enthalten, muss demnach ein alternativer linearer Text bereit

    stehen.

    3

    41

    Im Tabellenkopf muss eine Zusammenfassung des Inhalts angegeben werden. Diese wird dann zuerst von

    Screenreadern vorgelesen und sollte dem entsprechend nicht zu lang sein.41

    Vgl. Bundesverwaltungsamt-Bundesstelle für Informationstechnik (2009): BITV-Checkliste für GSB-Redakteure, S. 21 ff.

    3 Tabellen müssen außerdem gut beschriftet sein, d.h. einzelne Spalten und Reihen benötigen erklärende

    Überschriften. Bei nicht bzw. schlecht beschrifteten Tabellen geht leicht der Überblick verloren.

    Aufteilung der Webseite

    3 Nicht unnötig viele Frames42

    Als Frames werden Teil-Webseiten bzw. Rahmen oder Teilbereiche einer HTML-Seite bezeichnet, in denen eine andere Seite angezeigt werden kann.

    verwenden.

    3 Wenn Frames benutzt werden, sollten diese genau bezeichnet und gut strukturiert sein, da sonst die Gefahr

    besteht, dass die Webseite sehr unübersichtlich oder für Screenreader schwer erkennbar wird.

    3 Zur Aufteilung der Inhalte einer Webseite sollten möglichst Layer43

    Layer sind funktionale Ebenen bzw. Schichten, die bei der Gestaltung von Webseiten eingesetzt werden.

    genutzt werden, die auch gut bezeichnet

    werden müssen.

    3 Pop-Up-Fenster, die sich automatisch öffnen, können verwirren.

    3 Webseiten müssen ohne Stylesheets44

    „Ein Stylesheet ist am ehesten mit einer Formatvorlage zu vergleichen. Grundidee hierbei ist die Trennung von Information (Daten) und Darstellung.

    Das Stylesheet interpretiert die zugewiesenen Daten (Text, Tabellen, Grafiken etc.) und formatiert sie (z. B. für die Bildschirmausgabe) entsprechend

    den vorgegebenen Regeln. Mit Stylesheets ist in höherem Maße eine Arbeitsteilung möglich, als das früher z. B. bei HTML und eingebetteten

    Formatierungsbefehlen möglich war.“ (vgl. http://www.wikipedia.de). Stylesheets sind demnach Formatvorlagen für beliebige Dateien.

    zu lesen sein.

    Farbgebung und Textgestaltung der Webseite

    3 Sehbehinderte Menschen brauchen starke Kontraste, um Inhalte von Webseiten gut lesen zu können. Wegen

    Rot-Grün-Blindheit oder anderen Schwierigkeiten der Farbwahrnehmung sollte außerdem auf kritische

    Farbkombinationen verzichtet werden.

    3 Es sollten kontrastreiche Farben eingesetzt werden, wie beispielsweise:45

    Zur Überprüfung von Kontrasten gibt es verschiedene Möglichkeiten. Beispielsweise simuliert die Webseite http://colorfilter.wickline.org/

    verschiedene Farbfehlsichtigkeiten. Die Webseite muss auf dieser eingetragen werden, woraufhin diese aus dem Blick unterschiedlicher

    Sehbeeinträchtigungen betrachtet werden kann.

    – weiß und rot

    – blau und weiß

    – gelb und blau

    – schwarz und hellgrau

    3 Auf der Webseite sollte zudem die Möglichkeit veränderter Farbeinstellungen und Kontraste angeboten

    werden.

    3 Es ist auch darauf zu achten, dass Informationen nicht ausschließlich durch Farben gekennzeichnet werden,

    wie beispielsweise „die farblich hinterlegten Formularfelder müssen ausgefüllt werden“ oder auch die

    alleinige farbliche Kennzeichnung von Menüpunkten.

    33

    – 42

    – 43

    – 44

    http://www.wikipedia.dehttp://colorfilter.wickline.org/

  • 3 Die Schriftgröße muss individuell anpassbar sein.

    3 Bei den Texten der Webseite sollte auf Einsprachigkeit geachtet werden, damit der Screenreader keine

    Schwierigkeiten beim Vorlesen hat. Alternativ müssen Fremdwörter und Zitate als solche gekennzeichnet

    werden. Fremdsprachliche Begriffe werden vom Screenreader eingedeutscht vorgelesen.

    Tipp: Gestaltung barrierefreier PDFs:

    Die Erstellung von PDF-Dateien, die für blinde Menschen lesbar sind, ist teilweise mit Word 2007 möglich.

    Überschriften müssen mit der Funktion der Formatvorlagen gestaltet werden und können dann beim Einsatz

    von Screenreadern auch gezielt angesprungen und übersprungen werden. Außerdem müssen weitere

    Voraussetzungen erfüllt sein, damit PDFs komplett barrierefrei lesbar sind.46

    Diese können u.a. in der Broschüre des Bundesverwaltungsamtes Bundesstelle für Informationstechnik (2009): -BITV-Checkliste für GSB-

    Redakteure nachgelesen werden.

    Weiterführende Informationen zur barrierefreien Erstellung von PDF-Dokumenten und Möglichkeiten der

    Prüfung bietet die Seite des Schweizer Vereins Zugang für alle:

    http://www.access-for-all.ch/ch/pdf-werkstatt/pdf-werkstatt.html

    5.2.2 Abbau von Barrieren für hörbehinderte und gehörlose Menschen

    Gehörlose Menschen und Menschen mit Hörbehinderung haben bei der Nutzung des Internet meist die größten

    Schwierig keiten mit Audio-Dateien, sofern sich solche auf Webseiten befinden. Für die barrierefreie Nutzung des

    Internet müssen folgende Hinweise beachtet werden:

    3 Töne, Geräusche oder Stimmen, die sich auf der Webseite befinden, sollten in Text umgewandelt werden.

    3 Zugleich sollte auf nicht notwendige Audio-Dateien verzichtet werden. Vorhandene Audio-Dateien benötigen

    textbasierte Beschreibungen.

    3 Es müssen auch Deskriptionen (Untertitel) für Videospuren in Multimedia Präsentationen vorhanden sein.

    3 Für viele von Geburt an gehörlose Menschen ist Deutsch eine Fremdsprache. Viele haben aufgrund dessen

    Schwierigkeiten, komplizierte Texte inhaltlich zu erfassen. Deswegen ist es wichtig:

    – auf schwierige Begrifflichkeiten zu verzichten

    – einfache Sprache zu verwenden

    3 Es bietet sich außerdem an, Texte mittels Video in Gebärdensprache zu übersetzen und auf die Webseite zu

    stellen.

    34

    – 46

    http://www.access-for-all.ch/ch/pdf-werkstatt/pdf-werkstatt.html

  • 5.2.3 Abbau von Barrieren für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen

    Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen bedienen Computer manchmal allein mit der Tastatur oder

    auch einem Mundstick. Wichtig ist, dass Webseiten nur mit der Tastatur, d.h. ohne Verwendung einer Maus

    uneinge schränkt nutzbar sind. Damit das Internet ohne Barrieren nutzbar ist, müssen weitere folgende Dinge

    beachtet werden:

    3 Es sollten Features benutzt werden, die die Bedienung mit verschiedenen Geräten ermöglichen.

    3 Es ist auf eine logische Reihenfolge (und damit leichtere Bedienung) von Links, Formularfeldern und Objekten

    zu achten.

    3 Navigationsbuttons sollten nicht zu klein sein und einen ausreichend großen Abstand voneinander

    haben, um die Bedienung zu erleichtern.

    3 Es ist sinnvoll, Tastaturkürzel für Links und Formulare anzubieten.

    3 Es ist wichtig, Alternativen zur Benutzung von Ausklappmenüs anzubieten.

    5.2.4 Abbau von Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten

    Menschen mit Lernschwierigkeiten haben oft Probleme bei der Erfassung und dem Verständnis von komplizierten

    Texten und Inhalten von Webseiten.

    3 Damit Inhalte von Webseiten verständlich