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BAUEN MIT LICHT - SOMMERLATTE · 2015. 5. 6. · Architektur Licht Architektur enthält ein umfangreiches Kapitel, das sich der Architektur-geschichte und den Bauaufgaben widmet.14

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BAUEN MIT LICHTZUR LICHTTHEORIE HUGO HÄRINGS

Abschlussarbeit vorgelegt von Inge SommerlatteZürich, 10. Juli 2008

Master of Advanced Studies ETH in Architektur | Geschichte und Theorie der ArchitekturMAS ETH ARCH | GTA

Institut für Geschichte und Theorie der ArchitekturETH Zürich

Institutsleitung:Prof. Dr. Werner OechslinProf. Dr. Andreas Tönnesmann

Studienleitung MAS ETH ARCH gta:Dr. Sylvia ClausKathrin Siebert

gta

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ................................................................................................................................... 4

1.1 Vorbemerkungen .......................................................................................................................5

1.2 Forschungsstand........................................................................................................................8

1.3 Fragestellung | Aufbau der Arbeit .............................................................................................. 12

2 Die künstliche Beleuchtung in Hugo Härings theoretischem Werk .............................................. 14

2.1 Über die Beleuchtung von Fassaden: Texte zur Lichtreklame .................................................... 15

2.2 Über die Beleuchtung von Innenräumen ................................................................................... 19

2.3 Systematik ............................................................................................................................... 22

2.4 Terminologie ............................................................................................................................ 23

2.5 Hugo Härings Lichttheorie ........................................................................................................ 28

3 „Bauen mit Licht“ vs. „Lichtarchitektur“? ................................................................................. 31

3.1 Einordnung in Leben und Werk ................................................................................................. 32

3.2 Einordnung in die Zeit .............................................................................................................. 35

4 Resümee .................................................................................................................................. 44

5 Anhang ..................................................................................................................................... 48

5.1 Hugo Härings Texte zur künstlichen Beleuchtung...................................................................... 49

5.1.1 Lichtreklame und Architektur ........................................................................................... 50

5.1.2 Probleme um die Lichtreklame ......................................................................................... 52

5.1.3 Lichtreklame im Städtebild .............................................................................................. 53

5.1.4 Das künstliche Licht in der Baukunst. Künstlerische Probleme. ......................................... 62

5.2 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 68

5.2.1 Zeitgenössische Literatur ................................................................................................. 69

5.2.2 Sonstige Literatur mit Quellencharakter ............................................................................ 71

5.2.3 Sekundärliteratur ............................................................................................................. 72

5.3 Archivalien ............................................................................................................................... 74

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1 Einleitung

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1.1 Vorbemerkungen

Am 27. Oktober 2007 hat die Vollversammlung der Professional Lighting Design Convention

in London die „Deklaration zur Etablierung des Berufes des Lichtdesigners in der Architektur“

angenommen und proklamiert.1 Mit dieser Erklärung wirbt die erste globale Versammlung der

Lichtdesigner für die öffentliche Anerkennung ihres Berufes durch die einzelnen Regierungen.

Obwohl der Beruf schon längst durch zahlreiche Lichtplaner, Lichtgestalter und Lichtdesigner

ausgeführt wird, mangelt es noch immer an einer einheitlichen Bezeichnung, Definition und

Ausbildung des Berufes. Der Aufruf soll ein erster Schritt sein, dies nachhaltig zu ändern.

Dass das Verständnis von Licht, Beleuchtung, seinen Werkzeugen, seiner Steuerung und

Bedienung sehr komplex und vielschichtig geworden ist, so wie es die Präambel der

Deklaration feststellt, daran besteht kein Zweifel. Mit der Feststellung, dass zur Bewältigung

dieser Aufgabe besondere Qualitäten, Kenntnisse, Kompetenz und Erfahrung notwendig sind,

argumentiert die Professonal Lighting Design Convention folgerichtig die Grundlage der

neuen Profession. Dabei hebt sie ausdrücklich den Unterschied zu anderen Berufen hervor:

„Lichtdesign ist eine Profession und ein Wissenszweig, der sich von allen anderen im Bereich

Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsgestaltung, Stadtraumgestaltung sowie

Elektrotechnik unterscheidet“, heisst es im zweiten Artikel.

Diese selbstbewusst formulierte Eigenständigkeit des neuen Berufs stützt sich auf die im

Laufe des letzten Jahrhunderts zunehmende Überforderung der Architekten mit dem

komplexen Thema Licht. Während zu Beginn der Moderne das neue Medium der elektrischen

Beleuchtung noch gefeiert wurde, liess das Interesse zeitweise so weit nach, dass Gerhard

Auer 1991 sogar die allgemeine Ignoranz der Architekten gegenüber den Gestaltungs-

möglichkeiten des Lichts beklagte.2

Das Licht in der Architektur ist in den letzten Jahren wieder mehr in den Fokus gerückt. Dies

ist nicht zuletzt denjenigen Lichtplanern zu verdanken, die anspruchsvolle Projekte

realisieren und publizieren und damit immer wieder von neuem zur Diskussion über das

Thema Licht in der Architektur anregen. Dennoch mahnt Harald Hofmann, Co-Autor des

Standardwerks Handbuch der Lichtplanung,3 in seinem Vorwort zum ersten Werkbericht des

1 „Deklaration zur Etablierung des Berufes des Lichtdesigners in der Architektur“, in: Professional Lighting Design, 10. Jg. (2007) H. 58 v. Nov./Dez., S. 49 2 Gerhard Auer stellt dies mit gewisser Verwunderung fest, da dem Licht im Allgemeinen eine fundamentale und universelle Rolle in der Baukunst zugesprochen wird. Vgl. Gerhard Auer, „Ahnung und Planung, Zum Licht-Bewusstsein des Architekten“, in: Ingeborg Flagge (Hg.), Architektur Licht Architektur, Stuttgart 1991, S. 127/128 3 Rüdiger Ganslandt/Harald Hofmann, Handbuch der Lichtplanung, Braunschweig 1992

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Lichtplanungsbüros Licht Kunst Licht, dass wir uns derzeit in einer Phase zunehmender

Orientierungslosigkeit im Umgang mit dem Medium Licht befänden. Unter der Bezeichnung

„Architekturbeleuchtung“ präsentierten gestalterisch ambitionierte Licht- und Elektroplaner

und selbsterkorene Lichtkünstler ihre farbigen Illuminationen einer staunenden

Öffentlichkeit.4

Im Sinne Andreas Schutz‘, dem Gründer des Lichtplanungsbüros Licht Kunst Licht, der seine

Planungsansätze uneingeschränkt in den Dienst der Architektur und den Entwurfsabsichten

der Architekten stellt,5 kann zur Arbeitsteilung zwischen Architekt und Lichtplaner folgendes

festgehalten werden: Diejenigen Aspekte der Beleuchtung, die sich mit der skulpturalen, also

baukünstlerischen Wirkung des Gebäudes beschäftigen, werden vornehmlich im Entwurf des

Architekten definiert, während deren Umsetzung und die Einhaltung nutzungsspezifischer

Parameter beim Lichtplaner angesiedelt sind.

Wenn immer wieder beklagt wird, die Schwierigkeit des Lichtentwurfs läge in der

Immaterialität des Mediums,6 so lohnt sich ein Blick zurück auf den Zeitpunkt, an dem sich

die elektrische Beleuchtung als neue Technologie durchsetzte. Zeitgleich mit dem Beginn der

Moderne stand den Architekten das neue Entwurfsmedium zur Verfügung. Walther Curt

Behrendt sah in der künstlichen Beleuchtung „eines der interessantesten und reizvollsten“

Probleme der Baukunst und die Möglichkeit „das Licht in funktionellem Sinne zu verwerten,

als ein wirksames Mittel zur Raumgestaltung, zur Ausdeutung der Raumfunktion, der

Raumbewegung, oder zur Hervorhebung und Verstärkung der Raumbeziehungen und

Raumspannungen“.7

Auch der Architekt Hugo Häring hat sich in seinem umfangreichen theoretischen Werk mit

dem Thema der künstlichen Beleuchtung beschäftigt. Häring wurde 1882 in Biberach an der

Riss geboren und zog Anfang der 1920er Jahre nach Berlin, wo er bis zu seinem Rückzug nach

Biberach im Jahr 1943 lebte und arbeitete. Zu dieser Zeit zählte er neben Walter Gropius,

Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe und Hans Scharoun zu den Vertretern der

deutschen Architekten-Avantgarde und vertrat einen von ihm als organhaft bezeichneten

Funktionalismus. Häring hinterliess heben seinem gebauten Werk mit dem Schwerpunkt im

4 Harald Hofmann, „Vorwort“, in: Andreas Schulz (Hg.), Licht Kunst Licht 1, Lichtdesign für Architektur, Bonn/Berlin 2005, S. 5 5 Vgl. Hofmann 2005 (wie Anm. 4) 6 Gerhard Auer fragt zur Problematik des Lichtentwurf zum Beispiel folgendes: „Sind Lichterscheinungen und -wirkungen überhaupt präzise zu benennen, zu klassifizieren, planerisch zu definieren?“ oder: „Kann man Licht, diesen substanzlosen und flüchtigen Baustoff, überhaupt in einem Entwurf festhalten, d. h. kontrollieren, steuern, manipulieren?“ Vgl. Auer 1991 (wie Anm. 2), S. 129 7 Vgl. Walter Curt Behrendt, „Das Formproblem des künstlichen Lichts“, in: ders., Der Sieg des neuen Baustils, Stuttgart 1927, S. 48

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Wohnungsbau auch ein umfassendes theoretisches Werk. Obwohl diese Theorien zur

Architektur umfassend gewürdigt und veröffentlicht wurden, ist seine Auseinandersetzung

mit dem Thema Licht in der Architektur bislang nicht untersucht worden.

Insgesamt gibt es aus Härings Zeit nur eine überschaubare Anzahl an aussagekräftigen

schriftlichen Quellen, die Aufschluss über die Position der damaligen Architekten geben. Für

die Analyse werden aus diesem Grund oft Fotografien der beleuchteten Bauwerke und Räume

herangezogen. Diese sind jedoch eher ein unbefriedigendes Medium der Überlieferung, da

ihnen der Mangel anhaftet, die gebaute Umwelt nicht physisch erlebbar zu machen und

damit den reinen Sinneseindruck zu übergehen. Sie geben lediglich Aufschluss über die

Helligkeitsverteilung im Raum und die Form von Beleuchtungskörpern. Informationen über

spezifische Licht-Eigenschaften wie Helligkeitsniveau, Lichtfarbe, mögliche störende

Einflüsse wie Blendung oder eine mögliche Differenzierung dieser Eigenschaften in

verschiedenen Räumen eines Gebäudes können ihnen nicht entnommen werden. Sie geben

auch keinen direkten Aufschluss darüber, welche Ziele der Architekt mit der Beleuchtung

verfolgte.

Entgegen der Literatur, die sich in der Hauptsache auf das Bild in Form von Fotografien oder

Zeichnungen stützt, 8 werden aus den genannten Gründen für die folgenden Betrachtungen

über die theoretischen Ansätze nur schriftliche Quellen herangezogen.

8 Wassili Luckhardt beschränkt seinen Beitrag am Buch Lichtarchitektur leider nur auf eine Bildfolge: Walter Köhler/ Wassili Luckhardt, Lichtarchitektur, Licht und Farbe als raumgestaltende Elemente, Berlin 1956; Die Abbildungen bei Schivelbusch machen das von ihm gesagte nachvollziehbar: Wolfgang Schivelbusch, Licht Schein und Wahn, Auftritte der elektrischen Beleuchtung im 20. Jahrhundert, Berlin 1992

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1.2 Forschungsstand

Die Veröffentlichungen, die sich dem Thema Licht in der Architektur widmen, lassen sich

hauptsächlich vier Kategorien zuordnen: Bücher zu bestimmten Aspekten des Lichts,

Werkkataloge, technische Handbücher und Anthologien. Zu den behandelten Aspekten des

Lichts gehören beispielsweise das Tageslicht,9 die Wirkung der Schatten,10 die nächtliche

Erscheinung von Gebäuden11 oder der zenitale Lichteinfall in Gebäude.12 Werkkataloge von

Lichtplanern, die neuerdings einen wachsenden Anteil an der Literatur bilden, geben wie die

technischen Handbücher nur am Rande Aufschluss über theoretische Positionen von

Architekten. Der Grossteil der relevanten Publikationen ist in Form von Textsammlungen

erschienen. Im Folgenden seien vier davon beispielhaft genannt:

Die 27. Daidalos-Ausgabe widmet sich dem Thema Lichtarchitektur und gibt einen Überblick

über einige Fragestellungen.13 Das 1991 von Ingeborg Flagge herausgegebene Buch

Architektur Licht Architektur enthält ein umfangreiches Kapitel, das sich der Architektur-

geschichte und den Bauaufgaben widmet.14 Von den Artikeln streifen jedoch nur zwei das

Verhältnis der modernen Architekten zum Licht. Werner Oechslins „Lichtarchitektur“ gibt

einen Überblick über die Protagonisten dieser Zeit. Gerhard Auer gibt in seinem bereits

zitierten Artikel eine eher kritische Standortbestimmung und unterscheidet bei der Frage

nach dem Lichtentwurf vier Temperamente: Er bezeichnet Le Corbusier als Vertreter des

rationalen Lichts, das erhellt, enthüllt und durchleuchtet, Frank Lloyd Wright hingegen als

Vertreter des vitalistischen Lichts, das Materie nicht erkläre sondern belebe. Jean Nouvel

vertrete das illustrative Licht, das Erinnerungen wecke und Geschichten erzähle, Louis Kahns

puristisches Licht emanzipiere sich vom Dienst an der Materie und erkläre sich zu deren

Schöpfer.15

1994 erschien eine weitere Anthologie mit dem Titel Gestaltung mit Licht, herausgegeben von

Willfried Baatz.16 Darin ist der Artikel „Über die Kunst, mit Licht zu bauen“ von Gerhard Auer17

ebenso zu finden wie Harald Hofmanns „Neue Konzepte der Lichtplanung“, in dem er seine 9 Vgl. Pablo Buonocore/Michael Chritchley, Tageslicht in der Architektur, Sulgen/Zürich 2001 10 Vgl. Das Geheimnis des Schattens, Licht und Schatten in der Architektur, Hg. vom Deutschen Architektur-Museum, Tübingen/Berlin 2002 11 Vgl. Dietrich Neumann, Architektur der Nacht, München 2002 oder Marion Ackermann, Dietrich Neumann (Hg.), Leuchtende Bauten: Architektur der Nacht, Ostfildern 2006 12 Vgl. Elias Torres, Zenithal Light, Barcelona 2004 13 Vgl. Daidalos, H. 27 v. 15. März 1988 14 Vgl. Ingeborg Flagge, Architektur Licht Architektur, Stuttgart 1991 15 Vgl. Auer 1991 (wie Anm. 2), S. 129-135 16 Vgl. Willfried Baatz, Gestaltung mit Licht, Ravensburg 1994 17 Vgl. Gerhard Auer, „Über die Kunst mit Licht zu bauen“, in: Baatz 1994 (wie Anm. 16), S. 40-71

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Ausführungen aus dem Handbuch der Lichtplanung vertieft.18 Michael Schwarz gibt 1998 mit

Licht und Raum ein weiteres Buch heraus, in dem sich verschiedene Autoren das elektrische

Licht in der Kunst des 20. Jahrhunderts behandeln.19

Eine der wenigen systematischen Anschauungen zum Thema Licht in der Architektur bietet

Hans Sedlmayrs 1978 erschienenes Buch „Das Licht in seinen künstlerischen

Manifestationen“.20 Zu den künstlerischen Manifestationen, die für die Architektur

bedeutsam sind, zählt er Lichtfaktoren und Lichtmaterien. Sedlmayr unterscheidet unter den

Lichtfaktoren zunächst in grob ordnender Weise das „unbewusste, unbestimmte [oder

unbetonte] und das bewusste, gezielte [oder betontes, gesteigertes] Verhältnis der

Kunstwerke zum Licht“.

Darauffolgend die variablen Faktoren von Seite des Lichtes und die variablen Faktoren auf der

Seite der Kunstwerke. Zu den variablen Faktoren auf der Seite des Lichtes zählt er das Licht

der natürlichen Lichtquellen (Sonne und Mond), das durch künstlerische Medien modifizierte

Licht der natürlichen Lichtquellen und das Licht künstlicher Lichtquellen. Zu den variablen

Faktoren auf der Seite der Kunstwerke zählt er Materie, Form (innerhalb der Form vor allem

Relief und Oberfläche, Mikrorelief), Farbe, Lichtbedeutung (symbolisch), die bildliche

Darstellung von Licht und die lichthafte Ordnung. Er postuliert, es sei unentbehrlich, diese

Faktoren zu durchschauen, wenn man die Frage stelle, was eine „Lichtkunst“ bedeute. Für

Seldlmayr zeigt sich in der Entwicklung von neuen „Lichtmaterialien“ eines der stärksten

Indizien für „phototrope“ Epochen.

Ein Blick in die Veröffentlichungen, die sich mit dem Werk Hugo Härings auseinandersetzten,

macht deutlich, dass bislang nur die in den einschlägigen Architekturzeitschriften

publizierten Texte über die Beleuchtung mit Tageslicht und mit künstlichem Licht bekannt

waren. Dietrich Neumann, der sich auf diese bezieht, merkt dazu an, Häring sei

„erstaunlicherweise einer der ersten, die das architektonische Potential der Lichtreklame

beschrieben“ habe.21

Diejenigen Publikationen, die nach Vorträgen vor der Deutschen Lichttechnischen

Gesellschaft in der Zeitschrift Licht und Lampe erschienenen Texte finden sich weder in der

Bibliographie des 1965 erstveröffentlichten und 2001 in einer überarbeiteten Auflage

18 Vgl. Harald Hofmann, „Neue Konzepte der Lichtplanung“, in: Baatz 1994 (wie Anm. 16), S. 72-103 19 Michael Schwarz, Licht und Raum, Elektrisches Licht in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1998 20 Hans Sedlmayr, Das Licht in seinen künstlerischen Manifestationen, Mittenwald 1978. Der Text erschien erstmals in der Zeitschrift Studium Generale XIII im Jahre 1960 21 Vgl. Neumann 2002 (wie Anm. 11), S. 38

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erschienenen Buches von Jürgen Joedicke und Heinrich Lauterbach22 noch in der des

Werkkatalogs von Matthias Schirren.23 Die Forschung zu Härings Theorie beschränkt sich auf

seine Theorien zur Architektur, seine Schriften zur künstlichen Beleuchtung wurden bislang

nicht bearbeitet.24

Auch wenn den Artikeln der oben aufgeführten Anthologien wertvolle Erkenntnisse zu

entnehmen sind, die Frage nach einer spezifischen Lichttheorie und daraus ableitbaren

Entwurfsansätzen wird nicht beantwortet. Umso erstaunlicher ist dies, da der bereits

angedeuteten Sprachlosigkeit der Architekten ein grosses Mitteilungsbedürfnis der

Lichttechniker gegenübersteht. Sie haben früh erkannt, dass es einer Kommunikation

zwischen den beiden Disziplinen bedarf, um zu guten Ergebnissen und zu einer

weiterführenden Entwicklung zu gelangen. Herausragend ist dabei die viel zitierte Publikation

Lichtarchitektur, die 1927 von Joachim Teichmüller, dem Gründer des Lichttechnischen

Instituts in Karlsruhe, veröffentlicht wurde.25

Auch die frühen Lichtplaner haben einige Jahrzehnte später systematische Ansätze für ihre

Entwürfe und für ihr Entwurfsmedium gefunden. Richard Kelly etwa, der schon 1955 einen

wesentlichen Beitrag zu einer Lichttheorie formulierte. Er unterschied drei elementare

Lichteffekte: focal glow (Schlaglicht), ambient luminescence (weiches Flutlicht) und play of

brilliants (Spitzlicht).26 Oder William Lam, der die Anforderungen an die Beleuchtung in

activitiy need und biological needs unterschied.27

Die beiden amerikanischen Protagonisten haben im deutschsprachigen Raum bislang nahezu

keinen Eingang in architekturtheoretische Betrachtungen gefunden. Einzig ein deutscher

Leuchtenhersteller setzt sich intensiv mit den Prinzipien Kellys auseinander.28 Dies erstaunt

22 Jürgen Joedicke, Heinrich Lauterbach, Hugo Häring, Schriften Entwürfe Bauten, Stuttgart 1965 und 2. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2001 23 Matthias Schirren, Hugo Häring, Architekt des Neuen Bauens, 1882-1958, Ostfildern-Ruit 2001 24 Auch in Peter Blundell Jones‘ Publikation findet sich kein Hinweis darauf. Vgl. Peter Blundell Jones, Hugo Häring, The Organic versus the Geometric, Stuttgart 1999 25 Joachim Teichmüllers Artikel „Lichtarchitektur“ erschien 1927 zunächst in zwei Teilen in der Zeitschrift Licht und Lampe, bevor sie noch im gleichen Jahr als Sonderabdruck veröffentlicht wurde. Vgl. Joachim Teichmüller, „Lichtarchitektur“, in: Licht und Lampe, 16. Jg. (1927), H. 13 v. 30. Juni, S. 421-422 und H. 14 v. 47. Juli, S. 449-458 und: Joachim Teichmüller, Lichtarchitektur, Sonderabdruck aus „Licht und Lampe“ Hefte 13 u. 14 / Jahrg. 1927, Berlin 1927 26 Vgl. Richard Kelly, „Lightings’s Role in Architecture“, in: Architectural Forum, 39. Jg.(1955), H. 2. v. Feb., S. 152 u. 169 27 William Lam, Perception and Lighting as Formivers for Architecture, New York 1977 28 Die in Lüdenscheid ansässige Firma ERCO baut ihre gesamte Firmenphilosophie nach den Prinzipien Kellys auf. Sie verstehen sich als „Lichtfabrik“ und nicht als Leuchtenfabrik. In dem in der Erco-Edition erschienenen Handbuch der Lichtplanung (s. Anm. 3) werden Richard Kelly und William Lam ganz selbstverständlich als die Protagonisten einer wahrnehmungsorientierten Lichtplanung aufgeführt. Vgl. auch: Margret Maile, „Richard Kelly: Die Definition einer modernen Architektur des Lichts“, in: Erco Lichtbericht, 32. Jg. (2007), H. 82 v. Mai, S. 16-21

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umso mehr, da Richard Kelly mit einigen namhaften Architekten zusammenarbeitete, unter

Ihnen Ludwig Mies van der Rohe, Philip Johnson und Louis I. Kahn.29

29 Richard Kelly, Ausgewählte Arbeiten, Ausstellungskatalog zur Ausstellung in verschiedenen europäischen Städten 2007, organisiert von der Professional Lighting Designers‘ Association, ELDA und Erco, hg. von Erco, o. Jg. (2007)

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1.3 Fragestellung | Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Studie nähert sich der Frage nach einer Lichttheorie unter der Voraussetzung

der oben genannten Aufgabenteilung zwischen Architekten und Lichtplaner. Der Architekt

Hugo Häring ist einer der wenigen Vertreter der deutschen Moderne, von denen mehrere

schriftliche Quellen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Licht belegen.

Es stellt sich also die Frage: Hat Hugo Häring eine Lichttheorie formuliert? Und im Falle einer

positiven Beantwortung: Was beinhaltet diese Theorie? Wodurch kennzeichnet sie sich?

Welche Position nimmt er im Vergleich mit zeitgenössischen Architekten ein? Eine

Untersuchung der Quellentexte soll diesen Fragestellungen nachgehen. Dabei wird folgende

Vorgehensweise gewählt:

Im ersten Kapitel werden Härings Schriften zur künstlichen Beleuchtung analysiert. Sie lassen

sich zwei Themenbereichen zuordnen. Zum einen befassen sie sich mit der Beleuchtung von

Fassaden, namentlich in Form der Reklamebeleuchtung, zum anderen mit der Beleuchtung

von Innenräumen.

Ausgangspunkt bildet zunächst die Vorstellung und inhaltliche Wiedergabe dieser Texte. Die

Umstände der Entstehung werden ebenso dargelegt, wie Zusammenhänge mit weiteren

Publikationen. In der daran anschliessenden Analyse werden Härings theoretische Ansätze

untersucht. Hierbei stehen folgende Fragen im Zentrum: Welche systematisierenden

Absichten sind den Texten zu entnehmen? Welche spezifischen Begriffe verwendet Häring

und wie definiert er diese? Werden damit die Kriterien an eine Theoriebildung erfüllt?

Im darauffolgenden Kapitel wird Härings Lichttheorie in sein Leben und Werk und im

Anschluss daran in die Entstehungszeit eingeordnet. Wie kommt es, dass Häring sich

überhaupt mit der künstlichen Beleuchtung beschäftigt? In welchen Lebensphasen tat er

dies? Die Einordnung in sein Werk erfolgt anhand von Härings Biographie.

Ein kurzer geschichtlicher Überblick über die technischen Entwicklungen des künstlichen

Lichts bis zur Verbreitung der elektrischen Beleuchtung gibt eine Standortbestimmung und

ermöglicht die Einordnung in die allgemeinen Entwicklungen. Sie zeigt auf, welche

technischen Möglichkeiten zur Entstehungszeit der Texte Härings zur Verfügung standen.

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Im Weiteren wird Härings Position in die allgemeine Diskussion eingeordnet. Welche Themen

behandelt er und welche nicht? Wie sind diese in der Entstehungszeit der Texte verankert?

Die erwähnten Schriften Härings zur künstlichen Beleuchtung werden im Anhang ungekürzt

wiedergegeben.

Da sich diese Arbeit des Wissens und Wortschatzes zweier Wissenschaften bedient, bedarf

es zunächst noch einer terminologischen Präzisierung. Zunächst ist bei allen Betrachtungen

zum Thema Licht zwischen dem natürlichen Licht, also dem Tageslicht, und der künstlichen

Beleuchtung zu unterscheiden. Die beiden Lichtarten unterscheiden sich im wesentlichen

dadurch, dass das natürliche Licht, das sich aus dem diffusen Himmelslicht und der direkten

Sonnenstrahlung zusammensetzt und sich in einem unveränderbaren tageszeitlichen und

jahreszeitlichen Rhythmus verändert, durch den Architekten nicht beeinflussbar ist, so dass

eine passive Haltung des Gebäudes durchaus denkbar wäre. Die künstliche Beleuchtung

hingegen ist ein Medium, das im Entwurf aktiv behandelt werden muss. In der vorliegenden

Abhandlung wird deshalb ausschliesslich die künstliche Beleuchtung in Betracht gezogen.

Ebenfalls sind die Begriffe Lampe und Leuchte zu differenzieren. Der Begriff Lampe

bezeichnet das Leuchtmittel, also dasjenige Bauteil mit dem Licht primär erzeugt wird, zum

Beispiel die Glühlampe. Mit Leuchte werden alle Konstruktionen bezeichnet, die die Lampen

aufnehmen und das erzeugte Licht auf unterschiedlichste Art und Weise modulieren.

Wenn im Folgenden Textstellen aus Härings Schriften zitiert werden, so erfolgt dies stets nach

den geltenden Regeln der Gross- und Kleinschreibung und nicht in der von ihm propagierten

durchgehenden Kleinschreibung. Da mehrere der behandelten Texte gar nicht in der

Häringschen Schreibweise publiziert wurden, wird dadurch eine einheitliche Darstellung

ermöglicht.30

30 Heinrich Lauterbach zitiert Härings Begründung seiner speziellen Schreibweise wie folgt: „Die betonung der hauptworte durch grosse anfangsbuchstaben bedeutet eine überhöhung des von ihnen ausgesprochenen, die den rang verschiebt, der zwischen den dingen und wesen besteht… man kann GOTT nicht ebenso schreiben wie stein, und also nicht mehr Gott und Stein, womit der technische Denkraum den unterschied zwischen beiden auslöschte, weil er ihn nicht mehr beachtete…“. Vgl. Heinrich Lauterbach, „Einleitung“, in: Joedicke/Lauterbach 1965 und 2001 (wie Anm. 22), S. 8

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2 Die künstliche Beleuchtung in Hugo Härings theoretischem Werk

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2.1 Über die Beleuchtung von Fassaden: Texte zur Lichtreklame

Hugo Häring veröffentlichte innerhalb von gut einem Jahr drei Artikel zum Thema

Reklamebeleuchtung. Der erste Artikel erschien 1927 mit dem Titel „Lichtreklame und

Architektur“ in der Zeitschrift Architektur und Schaufenster.31 Im März des darauf folgenden

Jahres wurde dieser Artikel ein weiteres Mal in unveränderter Fassung in der Zeitschrift

Moderne Bauformen abgedruckt.32 Entgegen der ersten Veröffentlichung wurde letztere

jedoch ohne Abbildungen abgedruckt. Ebenfalls 1928 veröffentlicht er in der Zeitschrift

Bauhaus den in kämpferischem Ton verfassten Artikel „Probleme um die Lichtreklame“.33

Während diese Publikationen keine Schlüsse über ihre Entstehungsgeschichte zulassen,

zeigt der dritte Artikel mit dem Titel „Lichtreklame im Städtebild“ einige Zusammenhänge

auf.34 In der Ankündigung der 16. Jahresversammlung der Deutschen Beleuchtungs-

technischen Gesellschaft auf der Titelseite der 11. Ausgabe der Zeitschrift Licht und Lampe

vom 31. Mai 1928 ist zu lesen, dass zu diesem Anlass insgesamt sieben Vorträge zum Thema

‚Das Licht im Dienste der Werbung‘ geplant waren.

Die Vorträge behandeln allgemeine, städtebauliche, wirtschaftliche sowie einige technische

Aspekte des Themas. Für den zweiten Vortrag ist dort als Referent Prof. Dr. h. c. P. Behrens

aufgeführt. Hugo Häring hat später Behrens‘ Platz eingenommen, wie die Veröffentlichung

seines Vortrages in der Zeitschrift Licht und Lampe belegt. Möglicherweise hat Peter Behrens

die ersten Veröffentlichungen von Häring zu diesem Thema gekannt und er überliess es

deshalb ihm, diesen Vortrag zu halten. Von den angekündigten Vorträgen wurden insgesamt

fünf im Verlauf des Jahres 1928 publiziert.35

Vergleicht man die drei Veröffentlichungen von Hugo Häring, so fällt auf, dass die Artikel

„Lichtreklame und Architektur“ (s. Anm. 31 u. 32) und „Lichtreklame im Städtebild“ (s. Anm.

34) zu grossen Teilen inhaltlich übereinstimmen. Letzterer ist jedoch länger und

31 Vgl. Hugo Häring, „Lichtreklame und Architektur“, in: Architektur und Schaufenster, 24. Jg. (1927), H. 8, S. 5-8 32 Vgl. ders., „Lichtreklame und Architektur“, in: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 27. Jg. (1928), H. 3 v. März, S. 2f 33 Vgl. ders. „Probleme um die Lichtreklame“, in: bauhaus. zeitschrift für gestaltung, 2. Jg. (1928), H. 4, S. 7 34 Vgl. ders., „Lichtreklame im Städtebild“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H.19 v. 20. September, S. 677-683 35 Neben der Veröffentlichung des Vortrags von Hugo Häring (siehe Anm. 41) waren dies: Heinrich Lux: „Die lichttechnischen Grundlagen der Lichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 18 v. 6. September, S. 629-645; Dr.-Ing. E. Jakob, „Wirtschaftliche Wirkungen der Lichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 19 v. 20. September, S. 683-684; Dr. Ing. Johannes Adolph, „Anleuchtungsanlagen“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 20 v. 4. Oktober, S. 715-721 und Dipl. Ing. Max Haase, „Wanderschriftlichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 25 v. 13. Dezember, S. 913-915. Die angekündigten Vorträge von Dr. Ing. K. Wiegand, „Die Verwendung der Glühlampe und der Gasentladungsröhre in der Lichtreklame“, und von Dr. W. Bertelsmann, „Die Verwendung des Leuchtgases zur Reklame“, wurden nicht publiziert.

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nachvollziehbarer formuliert, die bereits im ersten Artikel angelegten Aussagen werden darin

ausführlicher dargestellt und systematisiert. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass er

nach einem Vortrag abgedruckt wurde, der dem besseren Verständnis der Zuhörerschaft

Rechnung trug. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass der Vortrag auf der

Überarbeitung der ersten Veröffentlichung aufbaut. In der folgenden Zusammenfassung

werden beide Artikel deshalb gemeinsam dargestellt und insbesondere diejenigen Punkte

herausgestellt, in denen sich die beiden Schriften unterscheiden.

Die Einleitungen verfügen denn auch aufgrund ihrer unterschiedlichen Rezipienten zunächst

über eine unterschiedliche Ausdrucksweise. Häring beginnt den ersten Artikel mit einem

Aufschrei: „Die Reklame ist auf dem Wege, die Architektur zu verdrängen. […] Die Tatsache

ist: das Geschäftshaus hat keine Architekturfassade mehr, seine Schale ist lediglich Gerüst

für Werbemittel, Schriftschilder, Lichtreklame.“ Er tritt als Kläger auf, der das Problem in den

Mittelpunkt stellt, aus den Fassadenelementen einen Aufbau herzustellen, dem „mit

historischen Architekturbegriffen nicht mehr beizukommen“ sei. In der Einleitung des

Vortrages hingegen tritt er in der Rolle eines Lehrers auf und macht deutlich, dass er die

Versammlung im Sinne einer Wissensvermittlung nicht, wie aufgetragen, über ästhetische

Prinzipien aufklären könne, sondern es für richtiger hält, „zu versuchen, den allgemeinen

Tatbestand der Materie im Hinblick auf gestalterische Fragen zu umreissen und verschiedene

Prinzipien gestalterischen Arbeitens“ aufzuzeigen. Obwohl er dies erst in seinem Vortrag

explizit so formuliert, ist schon im ersten Artikel die besagte Gliederung immanent.

Beide Einleitungen führen schliesslich zur gleichen Definition der Zielsetzung einer

Reklamebeleuchtung: „Disziplinierung der Mittel, ein Hinzielen auf bestimmte Wirkungen,

kein Chaos“, so heisst es in der ersten Version. Ausführlicher in der zweiten: „Es handelt sich

also um eine Organisation von Lichtmengen und um eine Disziplinierung des Lichtes zu

bestimmten Wirkungen, und es handelt sich ausserdem um eine Qualifizierung des Lichtes

zu bestimmten Wirkungen.“

Zu den allgemeinen Feststellungen zählt Häring in der ersten Version den neuen Umstand,

dass zum Tagbild des Gebäudes neu ein Nachtbild hinzutritt: „Das Nachtgesicht des Hauses

ist meistens sogar eindringlicher, stärker und wesenhafter als das Taggesicht. […] Dadurch

entsteht die sehr komplizierte Aufgabe einen Aufbau [der Fassade] zu konstruieren, der

sowohl bei Tag als auch bei Nacht, s. h. bei künstlicher Beleuchtung, einen jeweils

geschlossenen, fertigen und selbständigen Charakter hat.“

In seinem Vortrag hingegen hebt er zunächst die starke suggestive Wirkung heraus, die vom

Licht ausgehe. Diese sei für die Reklame anzustreben. In einem Vergleich macht er deutlich,

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dass die Lichtreklame in Amerika sehr viel verschwenderischer eingesetzt würde als in

Deutschland. Sie könne deshalb eine sehr viel stärkere suggestive Wirkung erzielen. Der

verschwenderische Einsatz von Lichtreklame sei auf den Wohlstand in Amerika

zurückzuführen. In Deutschland würde die Reklame aufgrund der begrenzten finanziellen

Möglichkeiten sehr viel disziplinierter eingesetzt, die künstlerische Wirkung leide jedoch

unter Umständen darunter.

Den Hauptteil beider Artikel widmet Häring dem Aufzeigen von gestalterischen Prinzipien in

der Reklamebeleuchtung. In der ersten Version beginnt er mit der Feststellung, moderne

Architekten würden bei Geschäftshäusern kein historisches Architekturbild mit Pfeilern und

Füllungen mehr aufbauen, sondern ein System von „Fensterbändern“ und „Schriftbändern“.

Als zweite Möglichkeit, eine Fassade aufzubauen, nennt er die eigenständige Komposition,

die einer „reinen Licht- oder Leuchtplastik“ schon näher käme. Da das Nachtgesicht der

Gebäude für die Unternehmer immer entscheidender sei, stellt Häring die Forderung auf,

„Prinzipien für eine zukünftige Frontgestaltung von Geschäftshäusern, insbesondere für

Neubauten und Umgestaltungen, aufzustellen und zu überdenken.“

Diese Prinzipien, so scheint es, stellt er ein Jahr später in seinem Vortrag explizit heraus.

Nachdem der seine Unzufriedenheit mit der zu seiner Zeit gängigen Vorgehensweise

vorwegstellt, die Reklame begnüge sich damit „lediglich an irgendeinem Hause, meistens an

alten Fassaden, so angebracht zu werden, wie man einen Orden am Rock ansteckte,“ zählt er

die Möglichkeiten auf, wie dieses künstlerische Problem gelöst werden könne.

Die „natürlichste Lösung“ sei „die Aufteilung der Fronten in Schriftbänder und

Fensterbänder“ wie sie Erich Mendelsohn und Wassili Luckhardt in ihren Bauten

durchführten. Festzustellen sei dabei, dass diese neue Fassadenaufteilung eine „gewaltige

Massstabsverschiebung“ geltend machen würde. Die Zweiteilung der Fronten würde so zu

einer Hausmasse aufgegeben, die sich „vom Sockel bis zum Dachabschluss als eine einzige

Form dar[stelle]“. Der „nächste und entwickeltere Zustand“ sei der Ausbau der

Fassadenfläche als Komposition in horizontaler wie auch in vertikaler Richtung. Zur

Veranschaulichung dient ihm ein Foto des Wachthofes von Arthur Korn. Das „Lichtgebilde“

besitze „selbständige gestalterische Absichten“, die eine Tiefenwirkung der Fassade

unterstreiche. Die „letzte Möglichkeit“ sei die Entwicklung eines „Lichtgebildes“ nach allen

Richtungen hin, eine Art Raumplastik. Er stellt diese Möglichkeit anhand von Fotos des

Ladens der Firma Kopp & Joseph vor, der ebenfalls von Arthur Korn erbaut wurde. Dieses

Beispiel würde sich dem angestrebten „dritten Zustand“ schon nähern. Häring stellt fest,

dass „mit diesen drei Graden die Möglichkeiten der Lichtgestaltung im Raum überhaupt

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erschöpft sind“ und schliesst mit einem Ausblick auf mögliche Entwicklungen seine

Ausführungen ab.

Im ersten Artikel sieht Häring darin lediglich „die Forderungen nach einer einheitlichen

Gestaltung des Nachtbildes ganzer Strassenzüge. Im Vortrag sieht er jedoch eine grosse

Entwicklung bevorstehen: Das Streben der Architekten nach einem „schwebenden Haus“. Die

Aufhebung der Massivität des Hauses sei nicht zu erreichen ohne Glas, Eisen, Zement und

Metall. Er ist überzeugt, dass die Entwicklung der Lichtreklame an die Entwicklung der

Glasarchitektur gekoppelt sei, da er der Meinung ist, „dass beide sich gegenseitig bedingen

und fördern.“ Er beendet seinen Vortrag ebenfalls mit dem Ausblick auf die Möglichkeit,

Lichtkompositionen vom Ausmass ganzer Strassenzüge zu entwickeln. Er schliesst mit der

Feststellung, dass die Lichtfülle ein wesentlicher Bestandteil der damaligen Grossstädte

bilden: „Wo nachts keine Lichter brennen, ist finstere Provinz.“

Härings Kurzartikel „Probleme um die Lichtreklame“, der in der Zeitschrift Bauhaus,

veröffentlicht wurde, weist gegenüber den oben genannten Artikeln einen abweichenden

Inhalt auf. Er beklagt hauptsächlich die Auflösung von Plätzen, Architektur und dem

geschlossenen Strassenraum an. Die körperhafte Wirkung der Gebäude würde durch die

Lichtreklame zerstört. Im Licht manifestiere sich der Gegensatz zum Stein, es erobere den

freien Raum, die dritte Dimension: „die Grenze zwischen Laden und Verkehrsraum wird

aufgehoben, die Bauflucht zerfällt, der ehemals geschlossene Strassenraum löst sich auf.

Setzt sich dieses Prinzip der Ladenbauten für ganze Bauwerke durch, so wird der

Strassenraum oder Platzraum noch weiter aufgerissen, so wird der Weg frei zur

Glasarchitektur.“ Häring bangt ausserdem um die Sicherheit des Verkehrs: Die Lichtarten und

Lichtintensitäten sollten auf ihre raumklärende und raumzerstörende Wirkung hin untersucht

und aufeinander abgestimmt werden. Härings Artikel wird durch eine Abbildung von Heinz

Loew und Franz Ehrlich, beide an der Plastischen Werkstatt im Bauhaus tätig, ergänzt.

Bei aller Faszination für die künstlerischen Möglichkeiten der Lichtreklame steht Häring den

Entwicklungen letzten Endes doch eher kritisch gegenüber, wie der letzte Artikel zeigt. Dies

ist wohl auch der Grund dafür, weshalb er es für notwendig hält, die Beleuchtung ganzer

Strassen oder Plätze gemeinschaftlich zu entwickeln. Die Gestalt des Strassenraumes wäre

so auch in der Nacht als Einheit lesbar und würde nicht in Einzelheiten zerfallen.

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2.2 Über die Beleuchtung von Innenräumen

Der zweite Themenbereich, die Beleuchtung von Innenräumen, ist Inhalt des Vortrags mit

dem Titel „Das künstliche Licht in der Baukunst. Künstlerische Probleme.“, den Hugo Häring

am 11. April 1929 an der ordentlichen Mitglieder-Versammlung der Deutschen

Beleuchtungstechnischen Gesellschaft hielt.36 Für den Technischen Teil der Versammlung,

die gemeinsam mit dem Landesbezirk Brandenburg des Bund Deutscher Architekten

veranstaltet wurde, werden in der Zeitschrift Licht und Lampe vom 4. April 1928 zwei Vorträge

angekündigt, die beide unter dem Thema „Das künstliche Licht in der Baukunst“ standen. Der

Lichttechniker Dipl. Ing. Summerer sprach zu „Lichttechnischen Fragen“37 und der Architekt

Hugo Häring zu „künstlerischen Problemen“, wodurch sich der zweiteilige Titel der Vorträge

erklärt. Härings Vortrag wurde ebenso wie Summerers noch im gleichen Jahr in der Zeitschrift

Licht und Lampe 1929 veröffentlicht.

Häring beginnt seinen Vortrag mit der Feststellung: „Die Schöpfungen der Baukunst sind […]

dem Licht ausgesetzt und also auch in ihrer Existenz von ihm abhängig. Licht ist das Element,

in dem sie existieren. Licht ist das Element, das sie zum Leben erweckt.“ Mit diesen Sätzen

bringt er den hohen Stellenwert des Themas zum Ausdruck. Er fügt ihnen an, dass die „Werke

der Baukunst in zweierlei Hinsicht“ auf Licht reagierten. Er unterscheidet dabei die reine

Sichtbarkeit beziehungsweise Wahrnehmbarkeit der Gebäude unter den jeweiligen

natürlichen Lichtverhältnissen von der vollen und ganzen Unterwerfung des Baukörpers auf

die Lichtwirkung. Die rein körperliche Erscheinung, also lediglich die Oberfläche der Gebäude

sei „eine naturgegebene Stellungnahme der Werke der Baukunst zum Licht“.

Als Beispiel führt er die Reliefplastik der Ägypter an, die nur unter den Bedingungen dort,

nämlich dem steil einfallenden Sonnenlicht, gut erkennbar seien. Dem gegenüber stellt er die

Wirkung, die „das Bauwerk ganz ursprünglich und von allem Anfang an dem Licht verbindet,

das der Glorifizierung des Lichtes dient und seiner magischen Macht.“ Die Baukunst der

Gotik habe diesen „Einfluss auf die struktiven und konstitutiven Elemente“ erstmals

umgesetzt, nicht zuletzt, da sie „vorzugsweise eine Baukunst des Inneren ist“. Diese

Unterscheidung zwischen der reinen Sichtbarkeit eines Gebäudes und der integralen

Verwendung des Lichts bildet für Häring die Gliederung des Hauptteils seines Vortrags.

36 Vgl. Hugo Häring, „Das künstliche Licht in der Baukunst. Künstlerische Probleme“, in: Licht und Lampe, 18. Jg. (1929), H. 16 v. 8. August, S. 853-856 37 Vgl. E. Summerer, „Das künstliche Licht in der Baukunst. Lichttechnische Fragen“, in: Licht und Lampe, 18. Jg. (1929), H. 20. V. 3. Oktober, S. 1107-1113

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Im ersten Teil geht er auf die Probleme ein, die sich mit der Oberfläche befassen. Häring stellt

fest, dass die plastische Erscheinung eines Raumes abhängig vom Lichteinfall sei. Damit

stellt sich für ihn bei natürlich und künstlich belichteten Raumen folgendes Problem: Wenn

ein Innenraum bereits auf die Belichtung mit Tageslicht eingestellt sei und nun mit

künstlicher Beleuchtung ergänzt werden solle, zerstöre die künstliche Beleuchtung die

Wirkung des Tageslichts vollkommen. Als Lösung sieht er zwei Möglichkeiten: Es müsse ein

Kompromiss geschaffen werden, der die Tageslichtwirkung nicht ganz zerstöre oder man

verlasse sich darauf „dass das künstliche Licht mächtig genug ist, dem Raum eine neue

Einheit zu verschaffen, dem Raum einen vollkommen künstlerischen Akzent zu verleihen.“

Dies gelte insbesondere für die Räume, die gänzlich auf Tageslicht verzichten würden.

Da die Architekten derzeit „der plastischen Gestaltung des Innenraumes ein wenig

abgeneigt“ wären, stünde die Wirkung der Materialität der Oberfläche im Vordergrund. Diese

Wirkung, „dieses rein physiologische Problem“ ist ihm so wichtig, dass er ein Kapitel über die

Lichtwirkung einschiebt. In einer kurzen Übersicht über die damals zur Verfügung stehenden

Leuchtmittel stellt er vor allem die „Energieverteilung im Spektrum“, womit er zweifellos die

Farbtemperatur38 und die Farbwiedergabe39 meint, in den Mittelpunkt. Für den Architekten sei

es deshalb unabdingbar, die einzelnen Lichtarten und deren Wirkung auf unterschiedlichen

Oberflächen zu kennen.

Dem zweiten Teil des Vortrages stellt er voran, dass die Platzierung der Lichtquellen zu den

stärksten Eingriffen in die Formgebung des ganzen Baukörpers führe. Er stellt fest, dass

diese Tatsache, quasi auf die Spitze getrieben, damit ende, dass der Baukörper ganz durch

die Lichtführung bestimmt würde, was eine völlig neue Situation in der Baukunst darstelle.

Häring zählt im daraufhin die Faktoren auf, die beeinflusst werden: Die Raumoberfläche als

Reflektor für indirektes Licht, die Leuchtenoberflächen, die so nicht als Einrichtung, sondern

zu Bestandteilen des Raumes werden und zuletzt die selbstleuchtenden Flächen: „der

architektonische Aufbau wird dadurch vollkommen verändert“.

Hinzu komme noch die Eigenschaft des Lichtes, das „Substantielle der Baukörper“

aufzuheben. Dadurch könne der Raum nicht nur durch bauliche Elemente, sondern auch

durch die Differenzierung der Licht und Schattenwerte gegliedert werden und das Licht sogar

die „Körperlichkeit aufheben“. Verfolge man diese Gedanken, müsse man sich Materialien 38 Die Farbtemperatur ist eine lichttechnische Grösse, die beschreibt, wie „warm“ oder „kalt“ das abgestrahlte Licht erscheint. 39 Die Farbwiedergabe ist ebenfalls ein lichttechnisches Kriterium. Sie ist definiert als Einfluss einer Lichtquelle auf den Farbeindruck von Objekten, verglichen mit dem Farbeindruck bei Tageslicht. Die Wahrnehmung von Farben ist in entscheinendem Masse abhängig von der Farbwiedergabe der Lampen, mit denen sie beleuchtet werden. Es ist möglich, dass eine bestimmte Farbe unter einer bestimmten Lichtquelle überhaupt nicht sichtbar ist, das heisst nur als Grauwert erscheint.

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und Baustoffen in einer neuen Weise nähern, um diese in Ihrer Wirkung neu einzuschätzen.

Die künstliche Beleuchtung könne die Absicht, ein Bauwerk von seiner Schwere zu befreien,

unterstützen.

Trotz allem, so stellt Häring fest, blieben die Prinzipien der Gestaltung eines Bauwerkes im

Grunde dieselben, ob mit natürlichem oder künstlichem Licht gearbeitet würde. Die Neuerung

bei künstlicher Beleuchtung sei lediglich die, dass die Position der Lichtquelle völlig

unabhängig bestimmt werden könne. Häring schliesst seinen Vortrag durch die

Kommentierung mehrerer Fotos von ausgeführten Innenräumen ab. Er zeigt Beispiele von Karl

Schneider, Hans Pölzig, Arthur Korn und Erich Mendelsohn.

Ausgehend von der vorangegangenen Analyse Vorstellung und kurzen Wiedergabe der Texte

werden im folgenden Schritt nähere inhaltliche Analysen angefügt. Dazu werden die Artikel

zunächst auf ihre systematisierenden Absichten untersucht und danach die von Häring

spezifisch verwendeten Begriffe aufgezeigt und erklärt.

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2.3 Systematik

Aus der Analogie der Texte ergibt sich die Erkenntnis, dass sich Hugo Häring in den beiden

Themenfeldern Aussenbeleuchtung und Innenbeleuchtung jeweils der Systematik seiner

Gedanken versichert. Vor allem seine beiden Vorträge zeigen eine klare und nachvollziehbare

Struktur auf.

Bei der Aussenbeleuchtung tut er dies, in dem er die Möglichkeiten der plastischen

Fassadengestaltung unter Einbezug der künstlichen Beleuchtung in den genannten „drei

Graden […] der Lichtgestaltung“ aufzeigt: Bandfassade, flächige Komposition und räumliche

Komposition. Erstaunlich dabei ist, wie absolut diese gedankliche Systematik für ihn ist: “mit

diesen drei Graden (sind) die Möglichkeiten der Lichtgestaltung im Raum überhaupt

erschöpft.“

Bei der Innenbeleuchtung ist ihm die Unterscheidung der Probleme mit der Oberfläche von

denjenigen der Veränderung der inneren Struktur der Gebäude wichtig. In diesen beiden

Punkten sieht er die entscheidenden Entwurfskriterien.

Auch in Details gliedert Häring die verschiedenen Aspekte auf. Bei den Oberflächen

differenziert er beispielsweise die körperliche Wirkung von der reinen Material- und

Farbwirkung, zu deren Gestaltung die Kenntnis der verschiedenen Lichtarten notwendig sei.

Die innere Struktur der Gebäude verändere sich durch die Lichtquelle in zweierlei Hinsicht,

durch deren Stellung im Raum und deren eigenen Gestalt.

Auch die Möglichkeiten der Verteilung von Lichtquellen in einem Raum zeigt Häring anhand

einer kleinen Systematik: Es müsse entschieden werden, „ob im einzelnen Punkte in einer

dekorativen Art im Raum verteilt werden, ob sie in Rücksicht auf eine besondere Erhellung

besonders angeordnet werden sollen, oder ob sie in irgendeine Beziehung zur Komposition

oder zur Struktur des ganzen Raumes gebracht werden sollen.“ Diese von Häring ganz

nebenbei formulierte Entscheidungsmatrix bildet indes tatsächlich die ganze mögliche

gestalterische Bandbreite der Leuchtenanordnung.

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2.4 Terminologie

Hugo Häring benutzt in seinen Schriften zur künstlichen Beleuchtung eine Reihe von

spezifischen Ausdrücken. Diese sind zum Teil aus unterschiedlichen Wortbestandteilen neu

zusammengefügt oder sie drücken Härings Verständnis in einer besonderen Art aus.40 Um

weitere Erkenntnisse über seine Denkweise zu erlangen, bedürfen die Begriffe einer

genaueren Erläuterung. Die zitierten Begriffe und Definitionen werden hier nicht im Einzelnen

nachgewiesen, da sie in den im Anhang wiedergegebenen Artikeln nachvollzogen werden

können.

Hugo Häring unterscheidet in allen seinen Artikeln zur Lichtreklame grundlegend zwischen

dem Tagbild und dem Nachtbild eines Gebäudes.41 Mit dem Tagbild bezeichnet er die

„architektonisch bestimmte Fassade“, unter dem Nachtbild versteht er hingegen

grundsätzlich „die Wirkung eines Hauses mit erhellten Innenräumen“, er nennt es auch „das

Leuchtbild des Aufbaues.“ Ausgehend von der Feststellung, dass neuerdings für

Geschäftshäuser die Werbewirksamkeit bei Nacht im Vordergrund stehe, leitet er ab, „dass

das Nachtbild oder das Lichtbild der Front für den Architekten wichtig geworden ist, ja,

wichtiger als das Tagbild“. Die Wirkung bewertet er wie folgt: „Kommt zu der

Innenbeleuchtung noch eine Aussenbeleuchtung, mit Leuchtschriften und Scheinwerfern, so

ist das Nachtgesicht meist entscheidender und ausschlaggebender.“ Obwohl die publizierten

Artikel, in denen er diese Begriffe verwendet, ausdrücklich die Lichtreklame behandeln, wird

anhand der Verwendung der Begriffe Tagbild und Nachtbild deutlich, dass Häring versucht,

allgemein gültige Aussagen bezüglich der Fassadenwirkung bei Nacht zu machen.

Überdies hat der Begriff „Bild“ für Häring eine tiefgreifende Bedeutung. Mit ihm bezeichnet er

in seinem unvollendeten Spätwerk „Die Ausbildung des Geistes zur Arbeit an der Gestalt“ die

„Mutter der Begriffe“. Er zeigt dort den folgenden Zusammenhang auf: Die Bilderwelt der

Seele sei der Mutterraum des Geistes. Die Gestaltlehre führe den Geist an die Arbeit an der

Gestalt heran, die auf der Sprachkraft der Bildwerke aufbaue. 42 Ob Häring jedoch mit der

Verwendung der Begriffe Tagbild und Nachtbild schon in den zwanziger Jahren diese

Überlegungen angestellt hat, muss offen bleiben.

40 Vgl. Heinrich Lauterbach, „Einleitung“, in: Joedicke/Lauterbach 2001 (wie Anm. 22), S. 8-13. Dort führt Heinrich Lauterbach u. a. Härings Begriffe Neues bauen, Wesenheit, logozentrisch und organhaft ein. 41 Häring verwendet auch die Begriffe Nachtwirkung, Nachtgesicht und entsprechend Tagwirkung, Taggesicht. Diese alternativen Ausdrucksweisen sind inhaltlich nicht zu unterscheiden. Er gebraucht sie lediglich zur sprachlichen Differenzierung. 42 Vgl. Margot Aschenbrenner (Hg.), Hugo Häring, Die Ausbildung des Geistes zur Arbeit an der Gestalt, Fragmente, Berlin 1968, S. 18/19

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Härings Interesse am Prozess des Gestaltschaffens zeigt sich auch an seinen bereits oben

genannten Zielsetzungen: Organisation von Lichtmengen, Disziplinierung des Lichtes zu

bestimmen Wirkungen und Qualifizierung des Lichtes zu bestimmten Wirkungen. Der

handlungsorientierte Begriff der Organisation, also die planmässige Gestaltung, steht dabei

im Zentrum von den Lichtkünsten, „die um eines bestimmten Ausdrucks willen gemacht

werden.“ Die Organisation von Lichtmengen, „kein Chaos“, bedeutet also nichts geringeres,

als die Anordnung der Leuchten in den Dienst der künstlerischen Absicht zu stellen.

Mit Disziplinierung versteht Häring hingegen das Streben nach Minimierung des Aufwandes.

Er stellt dies am Vergleich zwischen dem deutschen und amerikanischen Umgang mit der

Reklamebeleuchtung dar. Während man in Deutschland gerade die „Forderung einer

äussersten Disziplinierung aufgestellt“ habe, würde in Amerika „die Wirkung der Reklame ein

wenig nach der Zahl der Birnen bemessen.“ Trotz seines abwertenden Untertones ist ihm

anzurechnen, dass er anhand dieses Beispiels kulturelle Unterschiede im Umgang mit der

künstlichen Beleuchtung aufzeigt.

Was Häring mit dem Begriff „Qualifizierung des Lichtes“ meint, definiert er nicht.

Möglicherweise bezeichnet er damit Erfüllung von Leistungsansprüchen mit dem Medium

Licht. „Sichtbarmachung“ und „Verzauberung“ sind für Häring die spezifischen Aufgaben der

Lichtreklame.

Mit dem Begriff Wirkung, der an verschiedenen Stellen in seinem Vortrag zur

Innenbeleuchtung auftaucht, definiert Häring die künstlerische Zielsetzung, die die

Beleuchtung im Raum verfolgt: „Über die Wirkungen, die im einzelnen Falle mit einem

bestimmten Licht in künstlerischer Hinsicht erreicht werden sollen, ist hier nichts zu sagen,

das gehört zu den rein künstlerischen Zielen, über die hier nicht zu sprechen ist.“ Auch wenn

er nicht auf mögliche künstlerische Ziele eingeht, so zeigt er dennoch eine Richtung auf: „Das

künstliche Licht begünstigt eine Raumkunst, die sozusagen ohne materielle Grenzen ist, die

im Raume frei nur mit Licht- und Schattenwerten arbeitet, wobei selbstverständlich die

Verschiedenfarbigkeit der Licht- und Schattenwerte mit eingeschlossen ist.“

In der Beschreibung seiner als Beispiele gezeigten Abbildungen, mit denen er seinen Vortrag

abschliesst, nennt er noch einige Beispiele künstlerischer Zielsetzungen: Er spricht von

„Entmaterialisierung“, „der auflösenden Tendenz des Lichtes“ oder von Mendelsohns

kontrapunktischer Arbeit mit Licht und Schatten. Ihm ist klar, dass die künstliche

Beleuchtung gegenüber der natürlichen Beleuchtung den Vorteil besitzt; „den Standpunkt

der Lichtquelle zu bestimmen und diesen Standpunkt auf die mannigfaltigste Art zu variieren

und festzuhalten. Das künstliche Licht bietet uns ausserdem hinsichtlich der Beschaffenheit

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des Lichts grössere Möglichkeiten, die wir zugunsten verschiedener Wirkungen ausnutzen

können.“

Die zentralen Begriffe in allen Betrachtungen Härings zur Aussenbeleuchtung sind die des

Lichtgebildes, der Lichtplastik und der Lichtkomposition. Im engeren Sinne bezeichnet er mit

ihnen die architektonische Frage nach dem „räumlichen Aufbau der Lichtreklame“. Mit dieser

Definition leitet er den Hauptteil seines Vortrags, den er den gestalterischen Möglichkeiten

der Lichtreklame widmet, ein. Im Zusammenhang mit den gezeigten Bandfassaden benutzt

er zunächst nur die Begriffe „Tagbild“ und Nachtbild“ die eine gewisse Gleichwertigkeit

zwischen der Erscheinung des Gebäudes bei Tages und bei Nacht vermitteln. Erst bei seinen

Ausführungen zu den kompositorischen Ansätzen der Fassadengestaltung benutzt er dann

die Begriffe Lichtplastik, plastisches Lichtbild und Lichtgebilde, die er wie Synonyme

verwendet. Die Begriffe lehnen sich an die von Nicolas Braun verwendeten Bezeichnungen für

dessen Kunstwerke an. Er nannte sie Lichtbilder oder Lichtreliefs.43

Ein einziges Mal verwendet Häring auch den Begriff der Lichtarchitektur, wenn er den

Ladeneinbau der Firma Kopp & Joseph von Arthur Korn beschreibt: „Hier ist zunächst

überhaupt keine Hauswand mehr existent, mehr fassbar. Hier ist ein Aufbau von leuchtenden

und beleuchteten Gegenständen, von Flächen und Körpern, der sich senkrecht zur Baufront

entwickelt, der einerseits in den Strassenraum hinausgreift, andererseits noch die hinterste

Wand des Ladenraumes in die Raumkomposition mit einbezieht. Die Instrumente der

Anpreisung, Worte und Zeichen, sitzen hier nicht lediglich da, wo gerade Platz für sie ist,

sondern da, wo sie an der Komposition des ganzen Raumes beteiligt sind, sie sitzen sogar

geradezu in den Gelenkpunkten dieser Komposition. Mit dieser kleinen, aber überaus

geistvollen Lösung ist alles angeschnitten, was an Problemen für eine Leucht- oder

Lichtarchitektur in Frage kommt, vor allen Dingen gibt sie bereits eines: sie demonstriert die

Entwicklung der Komposition nach allen Richtungen hin.“

Wenn Häring künstlerische Probleme anführt, „die zu einer Veränderung der inneren Struktur

des Baues führen, die in einer Gestaltveränderung des Aufbaues enden, indem sie das Licht,

in diesem Falle vorzugsweise das künstliche Licht, als ein konstruktives Bauelement

auffassen, das auch in gewissem Sinne eine konstitutive Verschiebung in den Grundbegriffen

des Bauens erkennen lässt,“ und weiter erklärt: „Aus Gründen des Lichtes verändert sich der

struktive Aufbau der Bauten so sehr, dass der Bau in seiner Formgebung unverständlich wird

43 Steven A. Nash verweist auf Veröffentlichungen Brauns in der Zeitschrift Der Sturm. Vgl. Steven A. Nash, „Berlin und Paris: Internationaler Konstruktivismus“, in: Steven A. Nash/ Jörn Merkert (Hg.), Naum Gabo, Sechzig Jahre Konstuktivismus, München 1986, S. 34

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und bleibt, solange diese Formgebung nicht auf die Wirkungen des Lichtes bezogen wird,“ so

muss Härings Definition des struktiven Aufbaus herangezogen werden.

In einem Aufsatz von 1931 erklärt er diesen Begriff wie folgt: „Das Prinzip, das eine Ordnung

im Raume und in der Zeit bestimmt, ist ein struktives Prinzip. Da es eine Ordnung bestimmt,

ist die Beurteilung dieses Prinzips nur möglich, wenn wir den Sinn, das Ziel dieser

Ordnungssetzung kennen. An Ordnungsprinzipien lassen sich nun zwei Gruppen

unterscheiden, deren Verschiedenheit grundsätzlich und wesentlich ist, eine Gruppe

organhafter Strukturen und eine Gruppe geometrischer Strukturen. […] Die einzelnen

Strukturbegriffe sind als kosmologische Begriffe mit sittlichen Forderungen belastet,

unduldsam gegen andere und fordern Ausschliesslichkeit.“44

Die Unterscheidung der beiden Ordnungsprinzipien hilft bei der Frage nach den Möglichen

struktiven Veränderungen durch die künstliche Beleuchtung jedoch nicht weiter. Härings

Bezugnahme auf die Gotik und die Entwicklungen der Baukunst seiner Zeit hingegen machen

jedoch deutlich, dass weniger die Wirkung der künstlichen Beleuchtung sonder die des

Tageslichtes in Innenräumen zu grösseren Veränderungen des struktiven Aufbaus führen

kann. Der Einfluss der künstlichen Beleuchtung auf die Struktur ist hingegen ein anderer,

nämlich der, das Leuchten als integrativer Bestandteil der Architektur gesehen werden

können, dies dadurch, dass Raumoberflächen als Reflektor wirksam sein können oder gar

selbst leuchten. Die Tatsächlichen Auswirkungen, die die künstliche Beleuchtung also auf die

Struktur eines Gebäudes haben können, hinken Härings zu Beginn wortgewaltig aufgeführten

Tageslicht-Beispielen einiges hinterher.45

Abschliessend soll noch ein Begriff behandelt werden, der nicht der künstlerischen

Auseinandersetzung zuzuordnen ist, den der Suggestion. Während Suggestion im Wortsinn

Bewusstseinsmanipulation meint, verwendet Häring den Begriff Suggestion in einem rein

positiven Sinn. Er spricht davon, „dass die Fülle des Lichtes die Ware und den Käufer in einen

Zustand der Verzauberung versetzt.“

Positiv sieht er auch das allgemeine Verlangen des Menschen nach Licht, die er in der

Tradition Goethes und seinen letzten Worten „Mehr Licht!“ sieht. Ihm gegenüber stehe eine

Art „Lichtangst“, die oft von behördlicher Seite entwickelt würde. Er sieht in demjenigen, der

dem Verlangen nach Licht widerspräche, einen „Feind des Lichts“.

44 Vgl. Hugo Häring, „Kunst- und Strukturprobleme des Bauens“, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 51. Jg. (1931), H. 29 v. 15. Juni, S. 429-432 45 Häring verwendet hier zum Beispiel Ausdrücke wie „magische Gewalt des Lichts“ oder „Glorifizierung des Lichtes und seiner magischen Macht“

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Die in diesem Abschnitt beschriebenen Begriffe sind nur die auffallendsten und in Härings

Sinne ‚fragwürdigsten‘, die bei der Textanalyse herausgearbeitet wurden. Um

Wiederholungen zu vermeiden wurde dabei auf Vollständigkeit verzichtet, sondern eine

Auswahl getroffen, die der Zielsetzung folgt, möglichst tief in die Gedankenwelt Härings

einzutauchen um Härings Überlegungen nachvollziehen zu können.

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2.5 Hugo Härings Lichttheorie

Um die eingehend gestellte Frage, ob Häring eine Lichttheorie verfasst habe, beantworten zu

können, müssen zunächst diejenigen Kriterien definiert werden, die eine Lichttheorie als

solche auszeichnen. Sieht man die Lichttheorie als Spezialität der Architekturtheorie an, so

kann die Definition der Architekturtheorie zur Klärung herangezogen werden. Ein Blick in die

einschlägige Literatur zeigt jedoch, dass es darüber recht unterschiedliche Auffassungen

gibt.

Hanno-Walther Kruft wagt in seiner Geschichte der Architekturtheorie den folgenden Versuch

einer praktikablen Definition des Begriffes Architekturtheorie: „Architekturtheorie ist jedes

umfassende oder partielle schriftlich fixierte System der Architektur, das auf ästhetischen

Kategorien basiert. Auch wenn die Ästhetik auf die Funktion reduziert wird, bleibt diese

Definition gültig.“46

Ein Blick in zwei Textsammlungen zur Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts ergibt weitere

Aufschlüsse darüber, welche Kriterien eine Theorie definieren. Ákos Moravánszky stellt in

seiner 2003 erschienenen kritischen Anthologie Architekturtheorie im 20. Jahrhundert jedoch

folgendes fest: „Viele Architekturtheorien wurden als nachträgliche Erklärungen von

aktuellen Architekturbestrebungen ausgearbeitet. Theorie ist in diesem Sinne eine Disziplin

der Reflexion und der Vermittlung.“47

In der nur ein Jahr darauf von Vittorio Magnago Lampugnani herausgegebenen Sammlung

architekturtheoretischer Positionen, Programme und Manifeste wird hingegen gar nicht der

Versuch einer Definition unternommen sondern lediglich festgestellt, dass es sich bei den

gesammelten Texten um „schriftliche Äusserungen [handelt], die sehr konkret und geradezu

manifestartig auf die jeweilige zeitgenössische Architekturproduktion Einfluss zu nehmen

versuchen. Und immer handelt es sich um Äusserungen, die jenseits von Stellungsnahmen zu

Einzelfällen ein grosses Mass an Allgemeingültigkeit beanspruchen…“.48

46 Vgl. Hanno-Walter Kruft, „Was ist Architekturtheorie?“ in: ders., Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1991, S. 13 47 Vgl. Einleitung, in: Ákos Moravánszky (Hg.), Architekturtheorie im 20. Jahrhundert. Eine kritische Anthologie, Wien 2003, S. 1 48 Vgl. Einleitung, in: Vittorio Magnago Lampugnani u. a. (Hg.), Architekturtheorie. 20. Jahrhundert. Positionen, Programme, Manifeste, Ostfildern-Ruit 2004, S. 13

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Werner Oechslin hingegen bietet in seinen Betrachtungen zur Beurteilung des Wertes einer

Theorie einen in der Architekturtheorie selbst angelegten Ansatz. Er zieht den von Vitruv

benutzten Begriff der ratiocinatio und dessen Erklärung heran. Die Aufgabe einer Theorie sei

hiernach, dass sie - auf die Bauprozesse bezogen - aufzeigen und erklären solle.49

Zieht man diese Definitionen heran, um die Frage zu beantworten, ob Hugo Häring eine

Lichttheorie formuliert hat, so kann die Frage mit einem klaren „ja“ beantwortet werden. Sie

ist im Sinne Krufts ein partielles schriftliches System, das auf ästhetischen Kategorien

basiert. Partiell, da die einzelnen Artikel nicht im Zusammenhang entstanden sind und auch

nicht so gedacht waren. Sie beinhalten systematische Absichten, wie in den

vorangegangenen Abschnitten aufgezeigt wurde. Seine Sichtweise ist dabei immer die des

Baukünstlers, für den in der Gestalt die Grundlage des Schaffens liegt. Die von ihm

verwendeten spezifischen Begriffe sind davon ebenso Zeugnis, wie sein unentwegtes

Interesse an der Gestalt und deren Beeinflussung durch die künstliche Beleuchtung.

Häring war selbst kein Lichtarchitekt. Er hatte kaum die Gelegenheit, seine Überlegungen in

seinen Gebäuden umzusetzen, dennoch reflektiert und vermittelt er das Thema, wie

Moravánszky es fordert. Seine Eigenschaft als „Problemierer“, wie Lauterbach ihn

charakterisiert, macht ihn dabei zum fragenstellenden und denkenden Gestalter.50 Wenn die

beiden ersten Artikel zur Lichtreklame seine eigenen Gedanken widerspiegeln, so sind die

beiden Vorträge im wörtlichen Sinne als Wissensvermittlung entstanden. Natürlich versucht

Häring durch seine Artikel auch auf die Architekturproduktion Einfluss zu nehmen und wie

schon oben angedeutet, beansprucht eine grosse Zahl seiner Äusserungen durchaus

Allgemeingültigkeit, wie es Lampugnani fordert. Zieht man noch den von Oechslin

postulierten Ansatz der Theoriedefinition nach Vitruv heran, so kann auch dieser als erfüllt

betrachtet werden. Dies zeigt sich in den von Häring eingeführten Begriffen, deren Definition

und Erklärungen, wie sie im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt wurden, ebenso, wie in

seinen den Vorträgen beispielhaften beigefügten Architekturfotografien.

Hugo Häring war also bemüht, seine Gedanken zur künstlichen Beleuchtung ebenso wie die

zum neuen Bauen oder zur Gestalt in eine Theorie einzuordnen. Obwohl die publizierten

Artikel nicht im Zusammenhang entstanden sind und deshalb nicht als zusammenhängende

49 Oechslin unterzieht dabei die als „Kultbuch“ bezeichnete Publikation von Rem Koolhaas S, M, L, XL der Untersuchung, ob diese unter der Kategorie Architekturtheorie einzuordnen sei. Siehe: Werner Oechslin, "»Architectura / architecti est scientia«: Präliminarien.", in : Wolkenkuckucksheim, 9. Jg. (2005), H. 2 v. März, http://www.tu.cottubs.de/Theo/wolke/deu/Themen/042/Oechslin/oechslin.htp [12.06.08] 50 Heinrich Lauterbach zitiert Häring in der Einleitung: „Von allem geschaffenen geht ein fragenzwang aus. Er führt die fragenden auf das problem der gestalt…“. Vgl. Joedicke/Lauterbach 2001 (wie Anm. 22), S. 8

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Lichttheorie gedacht sind, reihen sich seine lichttheoretischen Betrachtungen beinahe

nahtlos in die von ihm gestellte Frage nach der Gestalt und dem Gestaltschaffen ein.

Ob Lichttheorien, die von Architekten verfasst werden, immer unmittelbar auf deren

architekturtheoretische Position Bezug nehmen, wie dies bei Häring der Fall ist, oder in

wieweit sie sich davon unterscheidet, bleibt noch nachzuweisen. Dieser Fragestellung

nachzugehen wäre ein Ansatz für eine weitere Untersuchung.

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3 „Bauen mit Licht“ vs. „Lichtarchitektur“?

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3.1 Einordnung in Leben und Werk

Hugo Härings Auseinandersetzung mit dem Thema Licht erstreckt sich fast über den

gesamten Zeitraum seines praktischen und theoretischen Schaffens. Immer wieder wurde er

dabei mit der neuen Technologie konfrontiert oder machte sich eigenständige Gedanken

dazu.

Die Weltausstellung in Paris, die er während seines Architekturstudiums auf Einladung seines

Bruders Fritz 1900 besuchte, ist dabei wohl eine seiner ersten Begegnungen mit der

elektrischen Beleuchtung, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben dürfte.51 Zwei in

der Nacht beleuchtete Gebäude überstrahlten das Ausstellungsgelände auf dem Marsfeld

besonders: Der Portikus am Haupteingang und das offizielle Zentralgebäude und

Wahrzeichen der Ausstellung, der „Elektrizitätspalast“. Ihre Fassaden waren von Tausenden

Glühbirnen bedeckt, die sich von einem zentralen Schaltpult aus aktivieren liessen und so

mannigfaltige farbige Inszenierungen zuliessen.52 Dieses eindrückliche Schauspiel kann dem

18-jährigen Häring bei seiner Besichtigung nicht entgangen sein.

Nur wenige Jahre nach Beendigung seines Architekturstudiums in Stuttgart hatte er nach

seiner Übersiedlung nach Hamburg in den Jahren 1904 bis 1907 die Gelegenheit, für die

Firma D. H. W Schultz & Sohn Leuchten zu entwerfen. Das im Hugo-Häring-Archiv der

Akademie der Bildenden Künste in Berlin erhaltene Zeugnis belegt diese Beschäftigung.53

Das ebenfalls dort archivierte undatierte Skizzenblatt zeigt Zeichnungen, die er

möglicherweise während eines Besuchs bei der Leuchtenmanufaktur Schwinzter und Gräff in

Berlin erstellt hat.54 Es zeigt unterschiedliche Gas- und Petroleumleuchten mit

Detailansichten. Eine der Skizzenreihen ist mit „Gasampeln von Olbrich“ überschrieben,

weswegen der Schluss naheliegt, es handle sich bei den Zeichnungen nicht um seine

eigenen Entwürfe. Dieser erste praktische Kontakt mit dem Medium Licht, hat möglicherweise

51 Vgl. „Biographische Zeittafel“, in: Schirren 2001 (wie Anm. 23), S. 60 52 Wolfgang Schivelbusch zeigt eine Reihe von Abbildungen, anhand derer die Wirkung dieser Gebäude nachvollzogen werden kann und beschreibt das Spektakel und seine zeitgenössische Rezeption. Vgl. Schivelbusch 1992 (wie Anm. 8), S. 8-17 53 Vgl. Zeugnis der Firma D. H. W. Schultz & Sohn, Hamburg, 25.01.1908, Hugo-Häring-Archiv, Akademie der Bildenden Künste Berlin, HHA-01-436, abgedruckt auch bei: Schirren (2001), S. 268. In der Firma Schultz & Sohn, die heute noch in Hamburg ihren Sitz hat, ist ausserdem ein Musterbuch aus dem Jahr 1905 erhalten. Möglicherweise sind dort Entwürfe Härings zu finden. 54 Vgl. Undatiertes Skizzenblatt, Hugo-Häring-Archiv, Akademie der Bildenden Künste Berlin, HHA-01-829. Das Blatt ist mit „Schwintzer u. Gräff, Berlin, Sebastianstrasse 18“ beschriftet. Die Firma Schwintzer und Gräff wurde vor allem durch ihre Bauhaus-Leuchten bekannt. Die von Marianne Braun während ihrer Tätigkeit in der Metallwerkstatt des Bauhauses unter Leitung von Lázlò Moholy-Nagy in den Jahren 1928 und 1929 entworfenen Leuchten werden noch heute von der Firma Technolumen produziert und vertrieben.

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seine spätere theoretische Auseinandersetzung beeinflusst oder mit einer eigenen

Perspektive zugänglich gemacht.

Nachdem Häring während und nach seiner Dienstzeit als Soldat im 1. Weltkrieg zahlreiche

Wiederaufbauprojekte in Ostpreussen realisierte, entstand kurz danach sein

architektonisches Hauptwerk dieser Zeit, das Gut Garkau in Ostholstein. Zu diesem Zeitpunkt

erschien auch sein Artikel „Probleme des Bauens“, in dem er sich mit dem Thema Tageslicht

auseinandersetzt. Er proklamiert die bauliche Trennung der drei Funktionen des Fensters: die

Belichtung, die Lüftung und der Ausblick. 55 In der kurz darauf erschienenen Veröffentlichung

über das Gut Garkau beschreibt er die Umsetzung eben jenes Prinzips: „Die Fenster liegen

ganz hoch unter der Decke als ein durchgehendes Band und sind nicht zu öffnen, da die

Lüftung des Stalles ganz unabhängig von ihnen geregelt ist. Das hohe Seitenlicht ist für die

Belichtung des Stalles ausgezeichnet.“ 56 In diesem Fall ist anstelle des Ausblicks wohl der

zu verhindernde Einblick ein weiterer Grund für die Anordnung der Fenster.

Im Mai 1926 wurde Häring Sekretär der Architektenvereinigung Der Ring und ist in der Folge

an wichtigen Siedlungsprojekten in Berlin beteiligt. Die hier untersuchten Artikel zur

künstlichen Beleuchtung sind dieser produktiven Schaffenszeit Härings zuzuschreiben. In

diese Phase fällt auch das Lichtfest Berlin im Licht, das von 13. bis 16. Oktober 1928 in Berlin

stattfand. Die Biographische Zeittafel im Schirrens Werkkatalog enthält diesbezüglich den

Hinweis, Häring sei mit der Durchführung dieses Lichtfestes befasst gewesen und habe Naum

Gabo mit Lichtplastiken für den Platz vor dem Brandenburger Tor beauftragt.57 Wie stark

Häring tatsächlich in das Fest involviert war, ist jedoch nicht nachvollziehbar, dennoch hat es

möglicherweise dazu beigetragen, dass er für die beiden Vorträge vor der Deutschen

Beleuchtungstechnischen Gesellschaft eingeladen wurde. Sie können zeitlich unmittelbar

dem Berliner Ereignis zugeordnet werden. Häring hat weder davor noch danach, jemals

wieder in der Zeitschrift Licht und Lampe eigene Artikel publiziert.

55 Hugo Häring, „Probleme des Bauens“, in: Der Neubau, Halbmonatszeitschrift für Baukunst, 6. Jg. (1924), H. 17 v. 10. September, S. 201-203. Härings Ansatz ist indes nicht neu, er wurde schon 1898 von Paul Scheerbart verfolgt, der in seinem Artikel ‚Licht und Luft‘ ebenfalls die Trennung von Licht und Luftzufuhr vorschlug. Im Gegensatz zu Häring, der seine Überlegungen im Sinne einer Typisierung des Wohnungsbaus anstellt, und diese in Grundrissen und Schnitten detailiert zur Diskussion stellt, sah Scheerbart in seinem Ansatz jedoch nur eine rein ästhetische Lösung für die seiner Meinung nach „schablonenhaften“ Wohnhausfassaden. Der rein auf die Belichtung mit Tageslicht bezogene Artikel ist indes der einzige Hinweis auf eine theoretische Auseinandersetzung Härings mit der natürlichen Beleuchtung. Vgl. Paul Scheerbart, „Licht und Luft“, in: Ver Sacrum, 1. Jg. (1898), H. 7, S. 13f 56 Vgl. Hugo Häring, „Funktionelles Bauen. Gut Garkau/Das Viehhaus“, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit, 1. Jg. (1925), H. 1 v. Oktober, S. 16f 57 siehe: „Biographische Zeittafel“, in: Schirren 2001 (wie Anm. 23), S. 62. Einen Hinweis auf Naum Gabos Engagement zur Beleuchtung des Platzes vor dem Brandenburger Tor enthält dessen Artikel „Gestaltung?“, in dem eine Abbildung zu Gabos Vorschlag für diese Lichtgestaltung zu sehen ist. Naum Gabo, „Gestaltung?“, in: Bauhaus, 2. Jg. (1928), H. 4, S. 2-6

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Ob Hugo Häring bei seinen Vorträgen den über zwanzig Jahre älteren Joachim Teichmüller

kennenlernte ist zwar nicht belegbar, dennoch höchst wahrscheinlich. Joachim Teichmüller

war zu dieser Zeit Direktor des 1922 von ihm gegründeten Lichttechnischen Instituts der

Technischen Hochschule in Karlsruhe und Mitarbeiter der Zeitschrift Licht und Lampe, dem

Organ der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft mit Sitz in Berlin. Seine für

Architekten interessanteste Publikation „Lichtarchitektur“ erschien 1927 und es kann davon

ausgegangen werden, dass Häring diese kannte.58

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zog sich Häring zu Beginn der dreissiger

Jahre mehr und mehr zurück und widmete sich der Theorie. Auch in seinem unvollendeten

Spätwerk, an dem er bis zu seinem Lebensende arbeitete, „Die Ausbildung des Geistes zur

Arbeit an der Gestalt“ sind Gedankensplitter zum Licht zu finden. Unter dem Stichwort

Technik und Gestalt schreibt er dort beispielsweise: „Der Weg führt über die substantiellen

Elemente zur Perspektive der körperlichen Welt, zur Perspektive der Lichtwelt, zur

Erforschung des Lichts und seiner bewegenden und alles verändernden Macht an den

körperlichen Dingen. Es geht um die Beschaffenheit der körperlichen Welt und dann um die

Beschaffenheit des Lichts.59

Härings Auseinandersetzung mit der elektrischen Beleuchtung diente nicht der

nachträglichen theoretischen Untermauerung der eigenen Projekte. Kaum je hatte er die

Gelegenheit, seine Gedanken praktisch umzusetzen, da die von ihm in der Hauptsache

realisierten Wohnbauten keine komplexere Lichtführung zuliessen. Er gab sich indes seiner

Rolle als „Problemierer“ dem Fragenzwang hin, der von diesem neuen Medium ausging. Sein

Interesse am Prozess des Gestaltschaffens sowie der Gestalt selbst stand dabei immer im

Mittelpunkt.

58 Vgl. Teichmüller 1927 (wie Anm. 25) 59 Vgl. Aschenbrenner 1968 (wie Anm. 42), S. 323/324

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3.2 Einordnung in die Zeit

Mit der Erfindung der elektrischen Beleuchtung stand den Architekten zu Beginn des 20.

Jahrhunderts ein völlig neues Gestaltungsmittel zur Verfügung. Der bis dahin grösste

Technologiesprung auf dem Gebiet der künstlichen Beleuchtung konnte in der Zeit nach dem

Ersten Weltkrieg in breiterer Masse in den neuen Gebäuden umgesetzt werden. Zu dieser Zeit

manifestierte sich erstmals in der Geschichte der Architektur die absolute künstlerische

Freiheit sowohl in der Platzierung als auch in der Gestaltung der Leuchten. Zuvor waren die

Möglichkeiten der stets mit offenem Feuer betriebenen Lichtquellen durch Brandrisiko und

Verminderung der Luftqualität stark limitiert.

Nachdem über Jahrhunderte die einzige Möglichkeit der künstlichen Beleuchtung durch die

Verbrennung von Kienspänen, Fackeln, Öllampen und Kerzen bestand, konnte der

Lichthunger der industriellen Revolution nur durch neue effizientere Techniken gestillt

werden. Dem englischen Ingenieur William Murdoch gelang es 1792 erstmals sein eigenes

Wohnhaus mit Steinkohlegas in regelmässig laufendem Betrieb zu beleuchten. Während sich

die Gasbeleuchtung in vielen Ländern rapide auf Strassen und Plätzen, in Fabrikallen und

öffentlichen Gebäuden ausbreitete, blieb in den privaten Wohnungen noch lange die

Beleuchtung mit Öl- und Petroleumlampen die Regel.60 Im Jahr 1800, als der italienische

Physiker Alessandro Volta die erste Spannungsquelle der Geschichte, die so genannte

„Volta’sche Säule“, erfand, wurde der Grundstein für die Elektrizität und damit auch für die

Entwicklung der elektrischen Beleuchtung gelegt.

Bei der technischen Entwicklung werden in der Hauptsache zwei Lampenarten unterschieden:

Temperaturstrahler und Entladungslampen. Die Wirkungsweise von Temperaturstrahlern

beruht auf einer Wendel, die durch elektrischen Strom so weit erhitzt wird, dass sie zu glühen

beginnt. Der bekannteste Vertreter dieser Art der Lichterzeugung ist die Glühlampe. Mit dem

1878 durch Thomas Alva Edison angemeldeten Patent auf Metalldrahtlampen kommt sie zu

ihrem Durchbruch.61 Edisons Bedeutung lag indessen nicht in der Erfindung der Glühlampe,

sondern in der Entwicklung einer praktikablen technischen Einheit.62 Erfunden wurde sie

schon viele Jahre zuvor. So benutzte bereits 1854 der Deutsch-Amerikaner Heinrich Goebel

60 Vgl. „Die Gasbeleuchtung kommt auf“, in: Lichter und Leuchter, Entwicklungsgeschichte und Technik eines alten Kulturgutes, Festausgabe aus Anlass des 75-jährigen Geschäftsjubliäums der Trilux-Lenze GmbH + Co. KG in Arnsberg 1/Neheim-Hüsten, Hg. im Selbstverlag, Neheim-Hüsten, 1987, S. 115 - 118 61 Vgl. „Aus der Anfangszeit der Glühlampe“, in: ebd., S. 126 – 130. S.284 bis 301 widmen sich ausserdem ausführlich den technischen Probleme mit der Erfindung der Glühlampen 62 Vgl. Schivelbusch 1992 (wie Anm. 8), S. 63

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Glühlampen mit einem Kohlefaden aus Bambus, 1860 entwickelte der Engländer Joseph

Wilson Swan eine Glühlampe, die als Glühfaden verkohltes Papier benutze. 63 Das

Glühlampenlicht ist dem Gaslicht in Bezug auf Lichtfarbe und Lichtstärke sehr ähnlich,

konnte sich jedoch zunächst nicht durchsetzen, da die Erzeugung der elektrischen Energie

noch über Batterien erfolgte. Wie bei einem Technologiesprung üblich, war elektrische

Beleuchtung ausserdem teuer.64 Erst nach dem ersten Weltkrieg setzte sie sich langsam in

den Privatwohnungen der „einfachen Leute“ durch.65 Noch 1928 ist in der Zeitschrift Licht und

Lampe zu lesen: „Das elektrische Haus ist heute noch eine Seltenheit“.66

Bei der zweiten Art der Lichterzeugung, der Gasentladung, wird das Licht durch das Anregen

von Gasen oder Metalldämpfen erzeugt. Die ersten Beobachtungen zu diesem Phänomen

reichen weit zurück ins 17. Jahrhundert, sie konnten jedoch erst um 1900 mit dem Bohr’schen

Atommodell physikalisch erklärt werden. Die mit Edelgasen gefüllten Röhren erzeugten

zunächst nur farbiges Licht, die durch zusätzlich eingebrachtes Quecksilber erzeugte UV-

Strahlung konnte erst um 1923 mittels Leuchtstoffen in weisses Licht umgewandelt werden.

Röhren dieser Art wurden in Berlin erstmals 1925 als Reklamebeleuchtung montiert. Eine

Weiterentwicklung dieser Lampenart stellt die heute nicht mehr weg zu denkende

Leuchtstofflampe dar. Sie kam kriegsbedingt erst nach dem 2. Weltkrieg zum Durchbruch

obwohl sie schon 1937 vorgestellt wurde.67

Schlussendlich muss der Betrachtung noch eine weitere Lampenart hinzugefügt werden. Die

Bogenlampe, die das Licht über einen Lichtbogen zwischen zwei Kohleelektroden erzeugt,

kam durch ihr ausgesprochen starkes Licht nur für eingeschränkte Beleuchtungszwecke in

Betracht. Sie wurden zum Beispiel im Jahre 1889 auf der Weltausstellung in Paris eingesetzt

und strahlten dort aus rund hundert Metern Höhe von der Spitze des Eiffelturms aus einige

Monumente in Paris an.68 Mit der Entwicklung immer leistungsfähigerer Glühlampen wurde

die Bogenlampe jedoch in den zwanziger Jahren nach und nach abgelöst.

Die genannten drei Lampentechnologien und die daraus konstruierten Leuchten bildeten also

das Werkzeug für Architekten und Lichttechniker gleichermassen. Jede dieser Lampen besass

sehr unterschiedliche lichttechnische sowie ästhetische Eigenschaften und konnte so auch

63 Vgl. „Die Anfänge der elektrischen Beleuchtung“, Lichter und Leuchter 1987 (wie Anm. 61), S. 119-121 64 Vgl. „Kosten der Beleuchtung um 1900“, ebd., S. 135 65 Vgl. „Die Weimarer Republik“, ebd., S. 149-151 66 Vgl. „Das elektrische Haus“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 3 v. 9. Februar, S. 109 67 Vgl. „Leuchtstofflampen“, in: Lichter und Leuchter 1987 (wie Anm. 61), S. 314-317 68 Vgl. „Beleuchtung mit Bogenlicht“, ebd., S. 122 - 125

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nur für spezifische Zwecke genutzt werden. Das zeitgenössische Buch Das elektrische Licht

von Arthur Fürst gibt einen aufschlussreichen Überblick über die handelsübliche

Lampentechnik.69

Hugo Häring hat die genannten Lampentechnologien samt ihrer unterschiedlichen

Eigenschaften gekannt. Dies wird in seinem Vortrag zur Beleuchtung von Innenräumen

deutlich. Dennoch hat er sich in erster Linie aus künstlerischer Sicht mit der neuen

Technologie auseinandergesetzt, was im Zusammenhang mit seiner engen Verbindung zu

Künstlern seiner Zeit zu sehen ist. Er war eng mit dem russischen Konstruktivisten Naum

Gabo befreundet, der sich 1922 in Berlin niedergelassen hatte und mit der noch im gleichen

Jahr stattfindenden Ersten Russischen Kunstausstellung bekanntgeworden war. Mit dem

durch Häring vermittelten Auftrag für den Entwurf für das Berliner Lichtfest erlangte Gabo sich

einen Platz in der Geschichte des künstlichen Lichts in der Kunst. 70

Das neue Medium der elektrischen Beleuchtung stand zu jener Zeit auch im Zentrum der

Arbeit einiger weiteren Künstler. Die vielleicht berühmteste Arbeit dieser Zeit, der Licht-Raum-

Modulator von Lászlò Moholy-Nagy, experimentierte mit der zeitlichen Veränderung des

Lichtes, das durch zahlreiche metallische und gläserne Bauteile gebrochen wurde.71 Das

bewegte Lichtbild beschäftigte Moholy-Nagy auch in seinen Fotogrammen, bei denen er die

Licht- und Schattenbildung erst während des Belichtungsvorgangs produzierte.72 Sein

Bauhauskollege Ludwig Hirschfeld-Mack faszinierte mit „reflektorischen Lichtspielen“, bei

denen von elektrischem Licht hinterleuchtete farbige Glasplatten zu eigens dafür

geschaffener Musik bewegt wurden.73 Der weniger bekannte Nikolaus Braun arbeitete derweil

an Lichtbildern und Lichtreliefs.74

Härings räumliche Nähe zu den Künstlern in Berlin ermöglichte ihm eine intensive aber auch

experimentelle Auseinandersetzung jenseits des Pragmatismus der bauenden

Architektenschaft. Sein Interesse an ihren Arbeiten war so gross, dass er Abbildungen ihrer

Kunstwerke zur bildhaften Erklärung seiner Ausführungen in seinem Vortrag zur

69 Arthur Fürst, Das elektrische Licht. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1926 70 In der von Steven A. Nash herausgegebenen Künstlermonographie wird Gabo als eine der zentralen Künstlerpersönlichkeiten des avantgardistischen Berlin der zwanziger Jahre bezeichnet. Gabos „Realistischen Manifest“ lieferte eine bis heute folgenreiche Theorie einer neuen Auffassung von Skulptur. Vgl. Nash 1986 (wie Anm. 43), S. 28f 71 Vgl. Lászlò Moholy-Nagy, „Lichtrequisit einer elektrischen Bühne“, Die Form, 5. Jg. (1930), H11/12, S. 297f 72 Vgl.: Andreas Haus, „Lichtgestaltung und neues Sehen: die fotografischen Aspekte in Moholys Kunst und Theorie“, in: ders., Moholy-Nagy, Fotos und Fotogramme, München 1978, S.24 73 Ludwig Hirschfeld-Mack beschreibt dies selbst in einem Artikel: Ludwig Hirschfeld-Mack, „Die reflektorischen Farbenspiele“, in: Bauhaus Weimar, Sonderheft der Zeitschrift ‚Junge Menschen‘, 5. Jg. (1924), H. 8. V. November, S. 88, Abbildung 11 74 Vgl. Nash 1986 (wie Anm. 43)

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Reklamebeleuchtung zeigt. Dort verweist er auf Nikolaus Brauns eher flächige Lichtreliefs und

Gabos dreidimensionale Bühnendekoration für die russische Ballettproduktion La Chatte, die

im April 1927 in Monte Carlo und später in Paris und London aufgeführt wurde.75

Härings Auseinandersetzung mit der Lichtreklame fällt in eine Zeit in der die hell erleuchteten

Innenstädte mit ihrer sich gegenseitig überstrahlenden Lichtreklame omnipräsent waren. Die

wachsenden Städte verlangten zum einen nach einer Strassenbeleuchtung, die dem Streben

nach öffentlicher Sicherheit entsprach, und zum anderen nach einer Beleuchtung, die die

Attraktivität des nächtlichen Stadtbildes ähnlich steigert, wie dies während temporärer

Illuminationen oft bewiesen wurde.76 Die zunehmende Zahl an Geschäften in den

Innenstädten versuchte gleichzeitig, Kunden durch auffällige Lichtreklame anzulocken. „Die

Anpreisung der Ware gehört zum Handel. […] Selbst in den kleineren Städten wechseln die

Käufer dauernd; denn die Industrie hat das heimatlose Proletariat geschaffen, das mit den

Kaufleuten keinen bodenständigen Zusammenhang besitzt.“ Mit dieser Feststellung

begründet Alfred Gellhorn nicht nur die Daseinsberechtigung der Reklame sondern auch

deren Eigenschaften: „Sie muss kraβ sein, schreien, überraschen. […] Aber vor allem muβ sie

einprägsam und auffällig sein.“ 77

Kein Wunder also, dass gerade diese Beleuchtungsart ins Zentrum der allgemeinen

Diskussion gestellt wurde. Sie war die auffälligste und damit natürlich auch Stein des

Anstosses, da die Architekten jener Zeit oft keinen Einfluss auf die Gestaltung der Reklame

hatten. Diese wurde meist eigenhändig durch die Geschäftsleute in Auftrag gegeben.

Härings Artikel zur Lichtreklame reihen sich in eine grössere Zahl von Beiträgen ein, die

manchmal sogar recht ähnliche Titel tragen. Das obige Zitat stammt aus Gellhorns Artikel

‚Reklame und Stadtbild‘, Ernst May überschrieb seinen in dem von Wilhelm Lotz

herausgegebenen Buch Licht und Beleuchtung78 erschienenen Artikel mit ‚Städtebau und

Lichtreklame‘.

Gellhorn, der in seinem Artikel weiter unten dafür plädiert, man solle dem „Volk, […] das

einzige bisschen Leben und Spass gönnen […], das die entfesselte Reklame ins graue Einerlei

des Tages bringen könnte“, vertritt die unvoreingenommenen Bewohner der Städte, die in

den Genuss der „berückenden Illumination“ kommen sollten. Ernst May hingegen plädiert

75 Vgl. Nash 1986 (wie Anm. 43), S. 31-34 76 Zum Beispiel am 4. Dezember 1927 am Lichtfest in Frankfurt am Main oder ein Jahr später, vom 13. bis 16. Oktober 1928, am Lichterfest „Berlin im Licht“, von dem das gleichnamige Buch ein aussagekräftiges Zeugnis ablegt: Vgl. Janos Frecot/Klaus-Jürgen Sembach, Berlin im Licht, Photographien der nächtlichen Stadt, Berlin 2002 77 Alfred Gellhorn, „Reklame und Stadtbild“, in: Die Form, 1. Jg. (1926), H. 7 v. April, S. 133-135 78 Vgl. Wilhelm Lotz, Licht und Beleuchtung, Lichttechnische Fragen unter Berücksichtigung der Architektur, Berlin 1928

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wie auch Walther Curt Behrendt 79 und Walter Riezler80 in ihren Beiträgen für eine formale

Integration der Reklame in die Fassadengestaltung. Sie alle stellen zwar heraus, dass dazu

vielfältige künstlerische Möglichkeiten bestünden, Häring zeigt jedoch als einziger in

geradezu auffallend klarer Struktur auf, welche räumlichen und künstlerischen Strategien der

Architekt dabei anwenden könne.

Mit seinem Verweis auf die Möglichkeiten der Glasarchitektur tritt Häring in die Fussstapfen

der schon 1914 von Paul Scheerbart veröffentlichten und von Bruno Taut gebauten Vision

einer beleuchteten Glasarchitektur.81 Deren singuläre Idee wird bei Häring zum Teil seiner

umfassenden theoretischen Betrachtung. Diese gipfelt in seiner abschliessenden Vorstellung

von grossen stadträumlichen „Lichtkompositionen“, in die sich die einzelnen Leuchtschriften

dann einordnen könnten. Lichtmasterpläne, die heute auf der ganzen Welt im Sinne

städtebaulicher Gesamtkonzepte entwickelt werden, nahm er damit schon früh vorweg.

Es ist also festzuhalten, dass Häring von der ‚einfachen‘ Lichtreklame, einem scheinbar der

Architektur untergeordneten Objekt, einen Sprung im Massstab vollzieht. Er macht den

künstlerischen Einfluss nicht nur in der Gestaltung der Reklame, sondern in deren Einbindung

in die Fassade, der dreidimensionalen Ausbildung der Fassade und zuletzt der

Gesamtwirkung des gesamten Strassenraumes geltend. Diese gesamtheitliche

Betrachtungsweise zeichnet damit ein weiteres mal seine Auseinandersetzung aus.

Ein weiterer Aspekt der Diskussion um die elektrische Beleuchtung zu jener Zeit behandelt

die Gestaltung der Leuchten selbst und damit auch der neuen Möglichkeit, die Leuchten frei

im Raum anzuordnen. Peter Behrens stellt zu diesem Thema schon 1910 in seinem viel

zitierten Vortrag „Kunst und Technik“ fest, „wie sehr die Elektrizität einen neuen

Formausdruck, der einen Stil unserer Zeit begünstigen könnte, geradezu verlangt …“82

Dennoch klagt er die zu dieser Zeit noch die Form der Leuchten an: „Der elektrische

Beleuchtungskörper […] gleicht immer noch der alten Kerzenkrone. Es ist nicht nur die Form

der Krone beibehalten worden, sondern es werden oft sogar die Kerzen aus Porzellan imitiert,

obgleich der Elektrotechniker weiss, dass das elektrische Licht der Birne eine andere

Strahlenrichtung als das Licht der Kerzen, und dass deswegen die Birne nach unten hängen

sollte.“

79 Vgl. Behrend 1927 (wie Anm. 8), S. 80 Vgl. Walter Riezler, „Umgestaltung der Fassaden“, in: Die Form, 2. Jg. (1927), H. 2, S. 33-40 81 Vgl. Paul Scheerbart, Glasarchitektur, Berlin 1914 und Bruno Tauts Glashaus auf der Werkbundausstellung 1914 in Köln 82 Vgl. Peter Behrens, „Kunst und Technik“, in: Elektrotechnische Zeitschrift, 31. Jg. (1910), H. 22 v. 2. Juni, S. 552-555. Nach einem Vortrag gehalten auf der 18. Jahresversammlung des Verbandes Deutscher Elektrotechniker in Braunschweig am 25. Mai 1910.

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Behrens setzt sich auch für die Verteilung der Lichtquellen im Raum ein: „[… ]es würde dem

Wesen des elektrischen Lichtes viel mehr entsprechen, wenn man zentral angeordnete

Beleuchtungskörper vermeiden würde und an Ihrer Stelle das Licht entweder an der Decke

zerstreut verteile, oder aber, wie es ja auch schon öfters geschehen ist, hinter eine hoch

angebrachte Hohlkehle versteckte, um es durch die weiss gestrichene Decke reflektieren zu

lassen.“

Auch Teichmüller zeigt bezüglich der Anordnung der Leuchten vier Systeme auf: zum einen

die einfache Lichtarchitektur, bei der die Leuchten „zum Teil des Gebäudes geworden sind“,

das heisst, in die vorhandenen Architekturelemente integriert werden. Daneben sieht er die

Möglichkeit einer gleichmässigen Verteilung der Leuchten über die Decke, die vollkommen

indirekte Beleuchtung und das „Malen mit Licht“, womit der die Projektion von farbigen

Ornamenten meint.83

Zu dieser Debatte soll auch der Streit zwischen Naum Gabo und dem Bauhaus bezüglich der

Gestaltung von Leuchten genannt werden. Gabo kritisierte dabei die am Bauhaus verbreitete

Verwendung des Begriffs „Gestaltung“ und die von Marianne Brandt entworfenen Leuchten.

Er bezeichnete die Leuchten als neuen Stil, wirkliche Gestaltung käme hingegen aus der

technischen Innovation, so sein funktionalistisches Credo.84

Häring nimmt zur Diskussion über die formale Ausprägung von Leuchten keine Stellung. Ihm

sind zwar, wie bereits erwähnt, die Möglichkeiten der Anordnung klar, viel wichtiger jedoch

erscheinen ihm die räumlichen Veränderungen, die sich mit künstlicher Beleuchtung

erzeugen lassen.

Die von Matthias Schirren hervorgehobene Kenntnis und stetige Bezugnahme Härings auf die

Schrift Das Problem der Form in der bildenden Kunst des Bildhauers Adolf von Hildebrand85

bestätigt dieser in seinem Vortrag über die künstlerischen Probleme des künstlichen Lichts

wörtlich: „Die plastische Erscheinung eines ganzen Innenraumes sowohl als auch die der

Einzelheiten, die Sichtbarkeit des Körperlichen, im Sinne Adolf Hildebrands die Abtastbarkeit

der Körperformen, ist zunächst abhängig vom Lichteinfall, d. h. von der Stellung der

Lichtquelle zum Objekt.“ So ist für Häring jedes Problem der Beleuchtung grundsätzlich ein

Problem der Wahrnehmung der Gestalt des Raumes.

83 Vgl. Teichmüller 1927 (wie Anm. 25), S. 454 84 Vgl. Gabo 1928 (wie Anm. 58), 2-6. Der Streit wird auch in Wolfgang Thöners Buch über das Licht am Bauhaus erwähnt: siehe: „Funktionalismus und Bauhausleuchten“, in: Wolfgang Thöner, Das Bauhaus leuchtet, Die Dessauer Bauhausbauten im Licht, Dessau 2005, S.30 85 Vgl. „Wieder in Stuttgart: Theodor Fischer und die Münchner Kunsttheorie“, in: Schirren 2001 (wie Anm. 23), S. 20 und Adolf von Hildebrand, Das Problem der Form in der bildenden Kunst, Strassburg 1893

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Sein komplizierter Abschnitt über die „Sichtbarmachung des Raumes und seiner

Einzelheiten“ erklärt sich auch aus der Hildebrandschen Formtheorie. Dieser erklärt in seinem

Kapitel „Die Raumvorstellung und ihr Ausdruck in der Erscheinung“ die Doppelrolle der

Raumwirkung „für’s Ganze und für’s Einzelne“. Er sieht darin das der Bildenden Kunst

innewohnenden Streben nach Zusammenhang der einzelnen Bildbestandteile. Und so ist

auch zu erklären, dass Häring wie kein anderer jemals eine grosse „Komplikation“ darin

sieht, den Raum auf Tageslicht und Kunstlicht gleichermassen einzurichten. Für ihn ist dies

schlicht unmöglich: „Gesetzt den Fall, dass wir nun den Raum in dieser Weise […] eingerichtet

haben, so tritt eine neue Komplikation für ihn auf, wenn dieser selbe Raum nunmehr durch

künstliches Licht erhellt werden soll, nachdem wir seine ganze Wirkung auf das Tageslicht

eingestellt haben. Es ist selbstverständlich, dass das Licht diese Wirkungen vollkommen

zerstören muss. Eine reine Lösung aus dieser Komplikation gibt es nicht. Es gibt nur ein

Kompromiss.“

Häring unterschied Moderne Architektur von neuem Bauen. Aus der Formensprache von

Geometrie und Organik leitet er die formale Ausprägung der Gebäude ab. Die Vertreter der

modernen Architektur blieben „dem Prinzip des architektonischen Schaffens treu […] und

wandten sich wieder den reinen Formen der Geometrie zu.“ Die „Träger der Bewegung des

neuen Bauens bemühen sich, von der Wesenheit des Objektes auszugehen und ihre Gestalt

aus deren individuellen Gestaltwillen zu entwickeln.“ Er nannte dieses Vorgehen

„organhaftes“ Bauen. Wie sehr sich diese beiden Denkweisen unterschieden zeigte sich in

der Konfrontation Härings mit Le Corbusier, die im Ausschluss Härings, als Vertreter des

Rings, aus dem CIAM in Brüssel gipfelte.86

Le Corbusier, dies sei an dieser Stelle angemerkt, hat sich in seinem theoretischen Werk

kaum mit der neuen Technologie der elektrischen Beleuchtung auseinandergesetzt. Seine

Gedanken zum Thema Licht beziehen sich nahezu ausschliesslich auf das natürliche Licht.87

Die elektrische Beleuchtung ist für Häring also ein räumliches Gestaltungsmittel und deshalb

Teil einer räumlichen Entwurfsstrategie, des Bauens von innen nach aussen. Die Anordnung

der Leuchten und die Lichtwirkung waren für ihn „künstlerische Probleme“, also Probleme der

Gestalt. Ganz offensichtlich vermied er deshalb den von Teichmüller geprägten Begriff

Lichtarchitektur. Lediglich bei der Kommentierung des Ladeneinbaus der Firma Kopp &

Joseph des Architekten Arthur Korn benutzt er den Begriff ein einziges Mal.

86 Schon auf dem CIAM in La Sarraz hatte Häring vergeblich versucht, seine Ideen zum organhaften Bauen darzustellen. Vgl. Heinrich Lauterbach, „Einleitung“, in: Joedicke/Lauterbach 1965 und 2001 (wie Anm. 22), S. 11 87 Vgl. Hans Hildebrand (Hg.), Le Corbusier, Kommende Baukunst, Stuttgart 1926

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Teichmüller definierte die Lichtarchitektur wie folgt: „Für den Architekten ist das primär

Vorhandene das Bauwerk, und das Licht erklärt die Architektur des Bauwerks. Das gibt noch

keine Lichtarchitektur; man könnte sagen: wir haben es mit Architekturlicht zu tun. Aber

dieses Architekturlicht kann zur Lichtarchitektur führen, wenn mit ihm, und nur mit ihm

besondere architektonische Wirkungen hervorgerufen werden, die gleichzeig mit dem Lichte

entstehen und verschwinden.“88 Obwohl Teichmüller damit der „raumgestaltenden Kraft des

Lichtes“ Ausdruck verlieh, seine Veröffentlichung löste keine weitgreifende

Architekturdiskussion aus.

Der Begriff Lichtarchitektur wurde von den zeitgenössischen Architekten entweder nicht

wahrgenommen oder bewusst ignoriert. Der Architekt Hans Freese etwa sah in ihm „eine

einseitige Übertreibung des Lichtes“ seitens der Lichttechniker, da für diese das Licht die

Hauptsache sei. Für den Architekten hingegen sei die Architektur die Hauptsache und das

Licht eben nur einer von vielen Faktoren. Es wäre mehr ein Kampfruf, der „den Architekten

stets daran erinnert, dass das Licht eines seiner stärksten Kunstmittel ist, und den

Lichttechniker, dass die endgültige Erfüllung eines grossen Teils seiner Aufgaben sich nicht

durch reine Spezialtechnik erreichen lässt.“89 Bis Walther Köhler und Wassili Luckhardt den

Begriff erneut verwenden verstrichen annähernd 30 Jahre.90

Härings Maxime, sowohl durch die künstliche als auch die natürliche Belichtung den Raum in

seiner Wahrnehmung, also seiner Gestalt zu bestimmen unterscheidet sich auch von

Teichmüllers Definition der Lichtarchitektur. Während bei Häring die plastische Wirkung der

Räume oder Lichtgebilde im Mittelpunkt steht, stellt Teichmüller die formale Integration der

Leuchten in Architekturelemente in den Mittelpunkt. Analog zu Härings Unterscheidung

zwischen Moderner Architektur vom Neuen Bauen, könnte deshalb mit seiner Theorie im

Gegensatz zur Lichtarchitektur das Bauen mit Licht propagiert werden.

Die Beeinflussung der plastischen Erscheinung durch die elektrische Beleuchtung zeichnet

Härings Theorie explizit aus. Dieser Aspekt wird von seinen Zeitgenossen meist nur

angeschnitten. Walther Curt Behrendt etwa liefert ein wenig überzeugendes Beispiel einer

Raumgestaltung mit Licht, wenn er ein Treppenhaus mit „gewinkelten Lichtröhren“ zeigt, das

die „Bewegungstendenz des Treppenlaufs unterstreiche“.91

88 Vgl. Teichmüller 1927 (wie Anm. 25), S. 422 89 Vgl. Hans Freese, „Gedanken eines Architekten zur Lichttechnik“, in: Licht und Lampe, Jg. 17 (1928), H. 13 v. 28. Juni, S 457-461. Nach einem Vortrag auf dem 6. Jahrestag der Lichttechnischen Gesellschaft in Karlsruhe am 1. Juli 1927. 90 Vgl. Walter Köhler/Wassili Luckhardt, Lichtarchitektur, Licht und Farbe als raumgestaltende Elemente, Berlin 1956 91 Vgl. Abb. in: Behrendt 1927 (wie Anm. 7), S. 49

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Ein Punkt bleibt bei der damaligen Diskussion nahezu unausgesprochen: die Atmosphäre,

die durch die künstliche Beleuchtung in einem Raum erzeugt werden kann. Wenn Häring bei

der Reklamebeleuchtung von „Verzauberung“ spricht, so streift er dabei nur am Rande die

psychologische Wirkung des Lichts. Auch Erich Mendelsohn, sucht zu dieser Zeit nach den

richtigen Worten. Er ordnet die „übersinnliche Komponente des Lichts“ der Dynamik, dem

Temperament zu und damit der Irrealität, dem Unbewussten und dem Gefühl.92

Dass zu jener Zeit erst langsam ein wissenschaftlicher Diskurs über die psychologische

Wirkung des Lichts einsetzte, belegt die Tagung der Lichttechnischen Gesellschaft in

Karlsruhe im Juli 1927. Sie behandelte im wissenschaftlichen Teil das Thema „Die

physiologischen, psychologischen und ästhetischen Grundlagen der Lichttechnik und ihre

kulturellen Ziele.“93

Joachim Teichmüller gab in seinem Eröffnungsvortrag der Hoffnung Ausdruck, „dass sich bald

eine Zusammenarbeit von Physiologie und Psychologie einerseits und Lichttechnik

andererseits zu beiderseitigem Gewinn und schliesslich zur Förderung der Kultur entfalten

werde.“94 Professor Kroh aus Tübingen zeigte in seinem Vortrag die Reihenfolge der optischen

Wahrnehmung auf mit der Erkenntnis, „dass eine optische Erregung nicht nur einen

„Eindruck“ vermittelt, sondern dass sich an diesen Eindruck eine grosse Zahl verschieden

gearteter psychischer Vorgänge scheinbar zwangsläufig anschliesst: Erinnerungen,

Beurteilungen, Strebungen und Gefühle.“95

Von der heute selbstverständlichen Verbindung von Licht mit Begriffen wie Atmosphäre oder

Stimmung und der damit einhergehenden Psychologisierung der Architektur waren die

Betrachtungen der damaligen Zeit aufgrund der mangelnden wissenschaftlichen

Erkenntnisse noch weit entfernt.96

92 Vgl. Erich Mendelsohn, „Die internationale Übereinstimmung des neuen Baugedankens oder Dynamik und Funktion“, Vortrag in ‚Architektura et Amicitia‘, Amsterdam 1923, in: Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten, Berlin 1930, S. 23-34 93 Vgl. „Einladung zum 6. Jahrestag der Lichttechnischen Gesellschaft, Karlsruhe“, in: Licht und Lampe, 16. Jg. (1927) H. 13 v. 30. Juni, Titelseite 94 Vgl. Joachim Teichmüller, „Das Bedürfnis der Lichttechnik nach Klärung ihrer nichtphysikalischen Grundlagen“, in: Licht und Lampe 17. Jg. (1928), H. 7 v. 5. April, S. 243f. Nach einem Vortrag gehalten auf dem 6. Jahrestag der Lichttechnischen Gesellschaft in Karlsruhe am 1. Juli 1927 95 Vgl. O. Kroh, „Probleme der physiologischen und psychologischen Optik in ihrer Bedeutung für die Lichttechnik“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 8 v. 19. April, S. 277-279 und H. 9 v. 3. Mai, S. 319-322 96 Gernot Böhme geht in seinem Buch Architektur und Atmosphäre intensiv auf die atmosphärische Wirkung von Licht ein. Vgl. Gernot Böhme, Architektur und Atmosphäre, München 2006

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4 Resümee

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In der vorliegenden Studie wurde der Frage nach einer spezifischen Lichttheorie Hugo Härings

nachgegangen und es konnte mit der Untersuchung seiner Texte bewiesen werden, dass

seine Ausführungen unter dem Titel Lichttheorie subsumiert werden können. Die Analyse

zeigte dabei die inhaltlichen, systematischen und begrifflichen Besonderheiten seiner

Theorie auf.

Häring hat sich in ihr mit der Aussenbeleuchtung von Gebäuden und mit der Innen-

beleuchtung von Räumen befasst und dabei seine Aussagen immer strengstens

systematisiert. Die Tiefe seiner Gedanken spiegelt sich in der Verwendung von eigenen

Begriffen ebenso wieder, wie in der Verankerung seiner Lichttheorie in seinem umfassenden

architketurtheoretischen Werk. Sein früher Kontakt mit dem neuen Medium hat ihn dabei

wohl ebenso beeinflusst, wie seine befreundeten Künstler, die zu dieser Zeit mit dem Licht

experimentierten.

Zentrales Anliegen von Häring ist das Ergebnis des Gestaltschaffens, die Gestalt. In welcher

Weise mit dem Medium Licht an der Gestalt von Baukörpern und Räumen gearbeitet werden

kann, zeigt er anhand gestalterischer Prinzipien auf. Die künstlerische Wirkung steht dabei im

Vordergrund. Alle Lichtgestaltung folgt der künstlerischen Zielsetzung, die der Architekt

definiert.

Geht man der eingangs erwähnten Aufgabenteilung zwischen Architekten und Lichtplaner auf

der Grundlage einer architekturtheoretischen Betrachtung nach, so könnte man zur

Erkenntnis kommen, dass die Lichtplaner (oder sind es Lichtarchitekten?) einer

eigenständigen Theorie bedürfen. Damit auch sie im Sinne Vitruvs ihre eigenen Fertigkeiten

durch eine eigene Wissenschaft ergänzen könnten. Eine inhaltliche Abtrennung ist jedoch im

Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung nicht förderlich.

Es bedarf also einer Geschichte der Lichttheorie, die die beiden beteiligten Disziplinen

verbindet. Diese müsste aus dem reichen architekturtheoretischen Fundus diejenigen

Quellen herausfiltern, die das Thema Licht behandeln, dabei jedoch stets in Bezug zu der —

nennen wir es einmal „allgemeinen“ — Architekturtheorie des Protagonisten bleiben.

Gleichzeitig müssten die Lichttheorien der Lichtplaner dargestellt und jeweils auf diejenigen

Architekten bezogen werden, für die diese Lichtplaner gearbeitet haben.

Die mit dem Thema Licht in der Architektur verbundenen Disziplinen Lichttechnik,

Psychologie und Medizin und deren wissenschaftliche Fortschritte müssen in eine

Betrachtung ebenso einbezogen werden, wie die Veränderungen in den einzelnen

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Berufsbildern. Im Sinne einer „Theorie für die Praxis“ könnten so alle beteiligten

Berufsgruppen aus den neuen Erkenntnissen schöpfen.

Im beruflichen Alltag wird eine Verbindung der beiden Disziplinen längst angestrebt. Der

„missing link“, mit dem Gerhard Auer schon 1991 die Trennung zwischen Architekt und

Ingenieur diagnostiziert, müsse einer Architekt-Ingenieur-Allianz weichen: „Erst wenn der

Lichtentwurf zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist und der Lichtingenieur sein Pate,

wird der Architekt seine Wünsche an die Lichttechnik formulieren können.“97

Im gleichen Buch ist nur wenige Seiten weiter vorne zu lesen: „Heute ist ein gewaltiges

Instrumentarium an Lichtquellen zu nutzen, mit dessen Hilfe man qua Farbe, Intensität und

Lichtverteilung hervorragend differenzieren und dramatisieren kann. Dieses Instrumentarium

muss man kennen und muss es beherrschen. Darüber hört der Architekt heute an den

Hochschulen nichts, ihm fehlt die Kenntnis dessen, was auf dem Markt angeboten wird, und

er fällt allenfalls auf vordergründige Werbung der Beleuchtungsunternehmen herein, die

nichts anderes wollen, als ihre Hardware zu verkaufen. Was mit Licht zu erreichen ist, ist zu

lehren und zu lernen, so dass der Architekt phantasievoller mit Licht umgehen kann und auch

eigenständig räumliche Visionen in Licht denken kann. Hier gibt es kaum Ansätze.

Architekten haben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die Ingenieure immer als Verhinderer

gesehen, für geschmacklich verbildete Leute gehalten, die nicht in Konzeptionen dachten.

Die Idee des Zusammenwachsens von Architektur und Ingenieurtechnik müsste eigentlich

gelehrt werden.“ So beschreibt Hans Theo von Malotki, einer der ersten Lichtplaner im

Deutschland der Nachkriegszeit, die erwähnte Zusammenarbeit.98

Eine gemeinsame Sprache ist immer die Basis für eine funktionierende Kommunikation.

Worte zu finden für eine Verständigung zwischen den beiden Disziplinen Architektur und

Lichtplanung, für Lehre und Lernen und für die Beschreibung des faszinierenden Mediums

Licht, soll dabei der Beitrag dieser Arbeit sein.

„Eine Kunstgeschichte, die die Wandlungen der bildenden Kunst nach ihrem Verhältnis zum

Licht betrachtet, gibt es noch nicht. Sie hätte es zweifelhaft mit einem viel schwerer

fassbaren Element zu tun als z. B. jene Kunstgeschichte, die das Verhältnis zum Raum

97 Vgl. Auer 1991 (wie Anm. 2), S. 139-141 98 Vgl. Nikolaus Kuhnert, „Lichtarchitektur, Ein Interview mit Hans Theo von Malotki“, in: Ingeborg Flagge (Hg.), Architektur Licht Architektur, Stuttgart 1991, S.125

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untersucht.“ Mit seinem 1978 erschienenen Ferment des Erkennens wollte Hans Sedlmayr zu

gemeinsamer Forschungsarbeit an einer Kunstgeschichte sub specie des Lichtes anstossen.99

Die in den letzten Jahren immer zahlreicher erscheinenden Publikationen zum Thema Licht

sind ein erster Schritt in die von Sedlmayr herbeigesehnte Richtung. Dennoch, einer

Geschichte der Lichttheorie, die sich dem Licht in der Architektur zuwendet und aus dieser

wiederum Entwurfsansätze entwickelt werden könnten, liegt noch immer in weiter Ferne.

Die Autorin hat die Arbeit an dieser Studie aufgenommen um dieser Vision einen —

zugegebenermassen kleinen — Schritt näherzukommen. Barrieren zu überwinden und

Vorurteilen entgegenzuwirken sind indes Bestrebungen, die sich aus der Praxis als

Lichtplanerin ergeben und ihr täglich vor Augen führen, wie weit dieser Weg noch ist.

99 Im Vorwort bezeichnet Sedlmayr seine Schrift nach einer von Franz Baader in den Jahren 1822-1825 erschienenen Schrift ebenso: Fermenta cognitionis. Vgl. Sedlmayr 1978 (wie Anm. 20), S. 5

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5 Anhang

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5.1 Hugo Härings Texte zur künstlichen Beleuchtung

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5.1.1 Lichtreklame und Architektur

Die Reklame ist auf dem Wege, die Architektur zur verdrängen. Nachdem die ladenbauten mit ihren Ansprüchen an Schaufensterflächen, Schaukästen, Schrifttafeln und Werbeschildern angefangen hatten, die Häuser von unten her bis zum 1. und 2. Stock auszuhöhlen, setzt nun die Lichtreklame die Zerstörung der Architektur vom Dach her fort. Was in der Zone des 3. und 4. Stockwerks sich noch an Architektur erhält, ist Bruchstück und hat keinen Anspruch mehr auf die Bezeichnung Architektur. Dieser Prozess schreitet weiter und ist nicht aufzuhalten; es ist auch aussichtslos, einen Vergleich anzustreben. (Auch Baupflege und Sachverständigenbeiräte werden auf die Dauer hier nichts retten können.) Die Tatsache ist: das Geschäftshaus hat keine Architekturfassade mehr, seine Schale ist lediglich Gerüst für Werbemittel, Schriftschilder, Lichtreklame. Der Rest sind Fenster. Das Problem liegt heute so: aus Fenstern, Schriftschildern und sonstigen Werbemitteln einen Aufbau herzustellen, dessen letzte Absicht wiederum Reklame ist. Ein Aufbau, dem mit historischen Architekturbegriffen nicht mehr beizukommen ist. Aber trotzdem ein Aufbau, der planmässig zu ordnen ist, eine Disziplinierung der Mittel, ein Hinzielen auf bestimmte Wirkungen, kein Chaos. Gut und schlecht hat auch hier Geltung.

Wohnhaus Taut – Bruno Taut Ein neuer Umstand ist von Bedeutung: Die

Nachtwirkung, das Leuchtbild des Aufbaues. Die Wirkung eines Hauses mit erhellten Innenräumen ist früher bei der Planung eines Hauses nie in Rechnung gestellt worden. Sie wird heute sogar bei Wohnhäusern, wie das Haus Taut zeigt, angestrebt, insbesondere bei grossen Betrieben, Geschäftshäusern, Fabriken, Hallen als wesentliches Wirkungsmoment in Rechnung gestellt. Das Nachtgesicht des Hauses ist meistens sogar eindringlicher, stärker und wesenhafter als das Taggesicht. Kommt zu der Innenbeleuchtung noch eine Aussenbeleuchtung, mit Leuchtschriften und

Scheinwerfern, so ist das Nachtgesicht meist ent-scheidender und ausschlaggebender. Wer erkennt bei Tag die Front des Theaters, das er nachts schon hundertmal besucht hat? Dadurch ist natürlich die Bedeutung der Tagfassade, d. h. die Bedeutung einer architektonisch bestimmten Fassade sehr zurückgedrängt, dadurch erzwingt sich das Nachtbild den Anspruch auf bestimmte Gestaltung. Das Tagbild wird nachgeordnet.

Die Konstruktionen für Tagbild und Nachtbild sind an der Front herzustellen, existieren zu gleicher Zeit. Dadurch entsteht die sehr komplizierte Aufgabe, einen Aufbau zu konstruieren, der sowohl bei Tag als auch bei Nacht, s. h. bei künstlicher Beleuchtung, einen jeweils geschlossenen, fertigen und selbständigen Charakter hat. Die Probleme, die der Maler Nikolas Braun seit Jahren mit seiner Leuchtplastik verfolgt, liegen den hier gestellten Problemen sehr nahe.

Der Wachthof – Artur Korn Die Fassaden, die einige moderne Architekten für

Geschäftshäuser konstruiert haben, haben nicht mehr den Ehrgeiz, ein historisches Architekturbild mit Pfeilern, Feldereinteilungen, Füllungen usw. aufzubauen – was noch Messel beim Wertheimbau anstrebte –, sondern geben lediglich das System von Fensterbändern und Schriftbändern wieder, aus dem die Aussenhaut der Geschäftshäuser in der Hauptsache besteht. Da die Schriftbänder nachts beleuchtet werden müssen, bringen diese Architekten Beleuchtungs-anlagen unter oder über den Schriften an; Anlagen, die als Leuchtgesimse noch an eine gewohnte Architekturform erinnern. Dieser klare und einfache Aufbau der Fassaden liefert sowohl für das Tagbild als

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auch für das Nachtbild eine grundsätzlich richtige Lösung.

Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, auf Grund obiger Einsichten eine Fassade aufzubauen. Arthur Korn arbeitet bei seiner Fassade des Wachthofes nach anderen Prinzipien. Auch Kosina geht mit seinem Fremdenverkehrshaus ähnliche Wege wie Korn. Korn variiert die Struktur der Tagfassade für das Nachtbild durch Lichtwirkungen und verwendet Scheinwerfer-bänder, beleuchtete Scheiben und Transparent-wirkungen im Sinne einer selbständigen kompositionellen Leistung. Ausserdem zeigen diese Fassaden dem Passanten je nach seinen verschiedenen Standpunkt zu ihnen ein wechselndes Gesicht, während die Fassaden der vorhergehenden Art sozusagen stillhalten. Die Scheinwerferanlage des Wachthofes zeigt den von der einen Seite Kommenden einen breiten, vollen Lichtstreifen diffusen Charakters, während sie den von der anderen Seite Kommenden durch teilweise Abblendungen nur einen dünnen Lichtfaden zeigt. Diese Anlagen liegen einer reinen Licht- oder Leuchtplastik schon näher und weisen deutlich den Weg, den die Behandlung der Geschäftshausfassaden gehen kann: den Weg aus verschieden beleuchteten Flächen aus Leuchtröhren, aus abgedeckten Lichtquellen, aus Transparenten, Schriftzügen, Warenzeichen usw. eine selbständige Komposition zu schaffen. Nicht zu vergessen wären dabei die Wanderschriften und die durch Scheinwerfer bestrahlten, gegen den Nachthimmel stehenden, wehenden Wimpel. Da auch die Front keine reine Fläche ist, sondern immer auch noch Tiefenwirkung zulässt, ist eine Lichtplastik nicht beengt, insbesondere bietet sie hier Lichtgestaltungsmöglichkeiten bei Eckbauten. Da für viele Unternehmungen die Wirksamkeit des Nachtgesichts entscheidender ist als die Wirksamkeit des Taggesichts, so kann kein Zweifel sein, dass man in Zukunft grossen Wert darauf legen wird, die Fassade überhaupt vom Nachtbild aus zu gestalten und nicht nur, wie das heute geschieht, die Apparate der Nachtbeleuchtung über der architektonischen Tag-fassade anbringt.

Der gegenwärtige Zustand ist zweifellos ein Übergang. Das willkürliche Durcheinander von Architekturresten und Reklameinstrumenten kann auf die Dauer nicht bestehen. Freilich wird dieser Zustand praktisch noch lange dauern. Trotzdem erscheint es wichtig, die Prinzipien für eine zukünftige Front-gestaltung von Geschäftshäusern, insbesondere für Neubauten und Umgestaltungen, aufzustellen und zu überdenken.

Die Architekten versuchen heute aus städte-baulichen Gründen, ganze Strassen wiederum nach einheitlichen Gesichtspunkten zu gestalten, das einzelne Haus also als Individuum zu unterdrücken. Dieser Bewegung werden sich sicher eines Tages auch

die Forderungen nach einer einheitlichen Gestaltung des Nachtbildes ganzer Strassenzüge anschliessen. Zur Zeit ist festzustellen, dass das Nachtbild der Strasse ein jahrmarktähnliches Durcheinander der verschiedensten Lichtreklame bietet, und es ist sehr wohl zu denken, dass eine Disziplinierung des Bildes nur zum Vorteile aller geschehen könnte. Auch hier wird man aus dem Zustand planloser Betriebsamkeit zu dem der Konzentration und rationellen Organisation der so grosse Summen verschlingenden Lichtreklame kommen.

Leuchtplastik – Nikolaus Braun

Aus: Architektur und Schaufenster, 24. Jg. (1927), H. 8, S. 5-8; ohne Abbildungen erneut abgedruckt in: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 27. Jg. (1928), H. 3 v. März, Mittelungen aus der Fachwelt, S. 2f

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5.1.2 Probleme um die Lichtreklame

Plätze und Straβen der Groβstädte bieten bei

Nacht eine Szenerie, aufgebaut aus Lichtreklamen an Hausfronten, Lichtreklamen auf Dächern und Gerüsten, beleuchteten Läden, städtischer Strassenbeleuchtung, leuchtenden Kleinbauten, Scheinwerfern fahrender Autos u. a. m. Hierzu die Reflexe dieser Lichtquellen und Bruchstücke angeleuchteter Häuser. Der Platz als Raum im Sinne der historischen Stadtbaukunst existiert nicht mehr, er ist zerstört, vollkommen aufgelöst. Es existiert im Nachtbild nichts Körperhaftes mehr, es existieren keine Flächen, keine Wände mehr. Die Lichtquellen selbst erscheinen frei disponiert im Raum, schwebend. Tatsächlich in einer Fläche liegende Lichtquellen wirken nicht alle in einer Fläche liegend, denn verschiedene Lichtart und verschiedene Lichtstärke führen augenhaft zu verschiedener Distanzierung. Eine Lichtquelle im dunkeln Raum ist nur richtungsmäβig gegeben, aber die Entfernung, in der sie

sich befindet, ist nicht abschätzbar.. Also überall vollkommene Gegensätze zum historischen Architektur-platz. Auch im Baustoff: Licht gegen Stein. Eroberung des freien Raumes, der 3. Dimension.

Also gehört auch die Lichtreklame zu den vielen Mächten, die die Grossstädte und ihre Architektur auflösen, marschiert sie in gleicher Front wie Siedlungsforderungen, wie Fernsprechen, Fernhören und Fernsehen, wie Fernlieferungen von Kraft, wie Vergasungsgefahr und Fliegerbomben und anderes mehr.

Die Geschäftswelt hat erkannt, dass das Nachtlichtbild der Schaufenster und Geschäftshäuser werbekräftiger wirkt als das Tagbild. Läden werden bis in den letzten Winkel hinein ausgeleuchtet, der Ladenaufbau und die Reklameinstrumente entwickeln sich in die tiefen und stellen sich senkrecht zur Bauflucht. Soll der heutige immer eilige Passant, auch der im Auto Sitzende, vom Ladenraum erfasst werden, so ist des letzteren Wirkung in den Verkehrsraum weiter hinaus nötig als früher. Der alte kleine Schaukasten, reliefartig aufgebaut wie die Guckkastenbühne, ist nicht mehr möglich; die neue Forderung erzwingt Querstellung zur Verkehrsrichtung, die Grenze zwischen Laden und Verkehrsraum wird aufgehoben, die Bauflucht zerfällt, der ehemals geschlossene Straβenraum löst sich auf.

Setzt sich dieses Prinzip der Ladenbauten für ganze Bauwerke durch, so wird der Strassenraum oder Platzraum noch weiter aufgerissen, so wird der Weg frei zur Glasarchitektur.

Die Sicherheit des Verkehrs im Straβenraum ist

heute durch die tausend Lichtquellen der Läden, der Straβenbeleuchtung, der Lichtreklame und der

fahrenden Autos ausserordentlich gefährdet. Das vielerlei der Lichtquellen, zu denen bei nassem Wetter noch die Spiegelungen kommen, zerstört die sichere Orientierung im Raum. Dieser Zustand ist unhaltbar. Es ist für den Verkehrsraum zu fordern, dass alle verkehrsstörenden Wirkungen fernzuhalten sind, dass Lichtarten, Lichtintensitäten unbedingt auf ihre raumklärende und raumzerstörende Wirkung hin zu untersuchen sind. Ausserdem sind sie aufeinander abzustimmen. Für den Strassenraum ist eine allgemeine Helligkeit zu verlangen, so wie sie bei indirekt beleuchteten Innenräumen schon erreicht ist.

Unter anderem wäre also auch die Straβen-

beleuchtung in diesem Sinne als eine den Verkehrs-raum zur besseren Übersicht erhellende Einrichtung, nicht aber als eine Aufstellung oder Aufhängung von Lampen zu betrachten, die den Passanten irritiert.

Heinz Loew und Franz Ehrlich, Plastische Werkstatt, Bauhaus Studien für Lichtwerbung (der Platz, die Straβe, das Schaufenster als

Werbetheater)

Aus: bauhaus, zeitschrift für gestaltung, 2. Jg. (1928), H. 4, S. 7

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5.1.3 Lichtreklame im Städtebild

Die Leitung Ihrer Tagung hat mir den Auftrag

gegeben, im Rahmen ihrer Vorträge Ausführungen über die Lichtreklame im Städtebild zu machen und dieses Thema von der ästhetischen Seite aus zu behandeln, da sie offenbar der Auffassung ist, daβ neben den vielen

technischen Bearbeitungen des Gegenstandes Ihrer Tagung auch die Frage des Künstlerischen zur Geltung zu bringen sei. Zunächst möchte ich daraus den Schluβ ziehen, daβ die Ingenieure, die mit dem Licht arbeiten, sich bewuβt sind, daβ auβer den reinen Fragen der

Konstruktion und der Erfüllung bestimmter Leistungsansprüche, noch geheime Zusammenhänge mit anderen Dingen vorhanden sind, die nicht ignoriert werden können, obwohl sie weder technisch noch physiologisch, noch sonstwie wissenschaftlich faβbar

sind.

Es ist sehr schmeichelhaft für uns, daβ Sie sich mit

dieser Sorge an die Architekten wenden, und daβ Sie

das Vertrauen und die Hoffnung haben, von uns über diese Dinge etwas erfahren zu können. Nun ist unsererseits zu sagen, daβ gerade über ästhetische Dinge die Meinungen gegenwärtig auβerordentlich auseinandergehen, und daβ es deshalb keinen rechten

Nutzen verspricht, das Thema von der ästhetischen Seite aus zu behandeln. Zudem, möchte ich behaupten, können ästhetische Prinzipien nicht als primäre Gesetze angesehen werden, sondern sie sind Ableitungen und haben zur Voraussetzung die Allgemeingültigkeit einer ganzen Reihe von Anschauungen und Begriffen, eine Voraussetzung, die heute keineswegs mehr zutrifft. Ich halte es deshalb für zweckmäβiger, nicht Werturteile über künstlerische

Dinge vom Standpunkt bestimmter Kunstanschauungen aus zu geben, sondern zu versuchen, den allgemeinen Tatbestand der Materie im Hinblick auf gestalterische Fragen zu umreiβen und verschiedene Prinzipien

gestalterischen Arbeitens und die mit diesen gegebenen Gesetzmäβigkeiten und Beziehungen zu

anderen Problemen, insbesondere zu allgemeinen Bauproblemen, darzustellen. Auβerdem noch eines:

Das Lichtermeer einer Stadt, einer Bahnhofsanlage, eines Industriegebietes bietet unseren Augen ein ausserordentliches Schauspiel, aber dieses Schauspiel ist als solches nicht beabsichtigt, so wenig wie das Schauspiel beabsichtigt ist, das uns die untergehende Sonne beschert. Wir können hier natürlich nur von solchen Lichtkünsten sprechen, die um eines bestimmten Ausdrucks willen gemacht werden, die gemacht werden um rein augenhafter Genüsse willen. An dem Material, mit dem Sie arbeiten, am Licht, haftet von Natur aus eine so starke Wirkung künstlerischer Art, auβerdem findet es den Menschen jeweils im Zustand

gesteigerter Empfänglichkeit vor, da es nur auf der Szene erscheint, wenn es Nacht ist, daβ alle weiteren

künstlerischen Probleme zunächst nachgeordnet erscheinen gegenüber der berauschenden und suggestiven Wirkung des Lichtes überhaupt, dass man zunächst ganz allgemein sagen kann: je mehr Licht, umso grösser ist die Wirkung. Aber mit dieser allgemeinen Glorifizierung des Lichts ist kauf etwas anzufangen, denn es handelt sich gerade für Sie vorzugsweise darum, innerhalb dieser ganz allgemeinen Tatsache Entscheidungen zu treffen, es handelt sich vor allen Dingen darum, mit den ins Feld gebrachten Lichtmengen die grösstmögliche Leistung herbeizuführen. Es ist ja ohne weiteres klar, dass diese Leistung noch nicht identisch ist mit der Menge des Lichtes, die Sie einsetzten. Es handelt sich also um eine Organisation von Lichtmengen und um eine Disziplinierung des Lichtes zu bestimmten Wirkungen, und es handelt sich ausserdem um eine Qualifizierung des Lichtes zu bestimmten Wirkungen.

Man hat mir gesagt, dass man in den Kreisen der

Beleuchtungstechniker sehr stolz ist auf den

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Standpunkt der deutschen Leistung, da dieser Standpunkt gerade die Forderung einer äussersten Disziplinierung aufgestellt hat, im Gegensatz zu den Amerikanern, die die Wirkung der Reklame ein wenig nach der Zahl der Birnen bemessen, die sie ins Feld führen und die also einen Standpunkt der Verschwendung der Massen einnehmen. Der Amerikaner ist noch primitiv genug, um auf Masse zu reagieren; für ihn ist ja immer noch the greatest and the biggest of the world das Leitmotiv aller Bewertungen. Es ist auch wohlhabend genug, bei so primitiven Neigungen und Urteilen bleiben zu können. Aber es ist doch verkehrt, nur diese Seite seinen Standpunktes zu sehen, der dem unseren entgegengesetzt ist, und die andere zu ignorieren, — denn die andere Seite ist eben die, dass sich die reine Wirkung seiner Lichtmassen ins Märchenhafte steigert, und daβ er so eine Wirkung

erreicht, die der Natur des Lichtes entspricht, und die in der Tat die suggestive Macht enthält, die wir als substantiell von der Reklame verlangen. Demgegenüber fällt der künstlerische Dilettantismus, der im einzelnen herrscht, kaum mehr ins Gewicht. Gerade hier wäre dem Standpunkt der Deutschen, dem Standpunkt der wohldisziplinierten Lichtorganisation, entgegenzu-halten, daβ eine Disziplinierung sehr häufig auf Kosten des Suggestiven geht, daβ die wohldisziplinierte

Reklame oft nicht mehr suggestiv wirkt. Der amerikanischen Reklame gegenüber wäre von der deutschen Reklame zu sagen, dass sie sich in sehr vielen Fällen lediglich darauf beschränkt, etwas bekanntzugeben, durch irgendeinen Namenszug, ein Schriftzeichen, eine Firma oder eine Ware eben lediglich als vorhanden mitzuteilen, ohne daβ sie

irgendwie noch das Bedürfnis hinaus hat, in die Reklamewirkung etwas Suggestives hineinzulegen, daβ

sie also gerade auf das verzichtet, was das Spezifische der Reklame ist. Nun mag man es als wohlgesittet und dem deutschen Wesen entsprechend bezeichnen, daβ

man sich auch in Anpreisungen Zurückhaltung auferlegt. Aber ich könnte diese Rechtfertigung nur gelten lassen, wenn glaubhaft zu machen wäre, daβ wir

dieses Prinzip der Zurückhaltung auch aufgestellt haben würden, wenn wir ebenso wohlhabend wären sie die Amerikaner. Inzwischen scheint es nützlich zu sein auch die Schattenseite der deutschen Beherrschtheit, der deutschen Zurückhaltung nicht ganz zu verschweigen, insbesondere da in ihr sich da und dort, und vorzugsweise bei Behörden, oft eine Art Lichtangst entwickelt, die zweifellos dem natürlichen Verlangen des Menschen nach Licht nicht entspricht, einem Verlangen, für das noch der sterbende Goethe sich mit seinen letzten Worten einsetzte: Mehr Licht!

Nun, es arbeiten heute sehr viele Menschen daran, diesen letzten Wunsch Goethes zu erfüllen, und wenn es noch ein Hemmnis in der restlosen Erfüllung dieses Wunsches gibt, so ist es der mangen an Geld und nicht

der Mangel an Verlangen nach Licht. Wer aber dem Verlangen nach Licht widerspricht, ist von Natur finster und ein Feind des Lichts. – Licht ist allerdings noch nicht identisch mit Reklame. Mehr Licht heisst nicht ohne weiteres: mehr Lichtreklame, sonst müsste ich selbst einschränken. Mehr Lichtreklame, unter allen Umständen mehr Lichtreklame, könnte vielleicht auch verhängnisvoll werden.

Wenn indessen gegen die Lichtreklame Einwände

erhöben werden, so gelten diese Einwände nicht dem Licht, sondern der Reklame; und die Lichtreklame ist ja vorzugsweise nur so lange schön, wie sie Licht ist und weniger Reklame. Ohne Zweifel befinden wir uns hier den Amerikanern gegenüber im Vorteil, insofern, als bei

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den Amerikanern in der Tat öfter als bei uns die Reklame in der Welt des Lichtes stört.

Wir können also zusammenfassen, das Licht

braucht die Reklame nicht, aber die Reklame braucht das Licht. Die Frage ist nur, wie gebraucht sie das Licht, zu welchen Wirkungen verwendet sie es. Das Grundelement aller Ankündigungen ist der Buchstabe, das Wort, ausser der Ausstellung der Ware selbst. Das künstliche Licht gibt die Möglichkeit, die Ankündigungen auch bei Nacht leserlich zu machen, gibt die Möglichkeit, die Waren auch bei Nacht beschaubar zu machen. Ja, das Licht gibt nicht allein diese Möglichkeiten, sondern es gibt auch die Möglichkeit, beide aus einem alltäglichen und nüchternen Zustand herauszuheben und zu verzaubern. Das entscheidende Moment, auf das sich die gewaltige Ausdehnung der Verwendung des Lichtes für Ankündigungen gründet, ist zweifellos nicht der Umstand, daβ die Menschen in den Groβstädten heute

auch bei Nacht unterwegs sind, sondern der Umstand, dass die Fülle des Lichtes die Ware und den Käufer in einen Zustand der Verzauberung versetzt. Mit diesen beiden Leistungsansprüchen an das Licht, mit dem Anspruche auf Sichtbarmachung und mit dem Anspruch auf Verzauberung sind die beiden Aufgaben erschöpft, die die Lichtreklame zu erfüllen hat.

Über die verschiedenen Arten, die Schrift leserlich zu machen und über die verschiedenen Lichtqualitäten und ihre Tauglichkeit für die Reklame brauche ich mich hier nicht auszulassen, da Sie in anderen Vorträgen darüber hinreichend unterrichtet werden. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit für einige andere, mehr architektonische Fragen, die mit dem räumlichen Aufbau der Lichtreklame zusammenhängen, in Anspruch nehmen.

Die Lichtreklame beschränkt sich ziemlich allgemein darauf, ein Wort, ein Firmenzeichen oder dergleichen zu beleuchten oder leuchtend zu machen, sie bezieht selten einmal die nähere, erst recht nicht die weitere Umgebung in die Behandlung mit ein, zieht sie zur Wirkung mit heran. Noch seltener greift die Lichtreklame die Gestalt des Hauses an, an dem sie

angebracht ist, um es für die eigenen und besonderen Wirkungszwecke nutzbar zu machen. Sie begnügt sich damit, lediglich an irgendeinem Hause, meistens an alten Fassaden, angebracht zu werden, so angebracht zu werden, wie man einen Orden am Rock ansteckte. Diese alten Fassaden sind nun durchaus nicht dafür gebaut; eine Verständigung zwischen ihnen und dem Reklamebedürfnis ist nicht möglich. Das letztere erweist sich immer als zwingender und stärker als die Achtung vor dem Kunstwert der Fassaden. Alte Fassaden in diesem Betracht sind aber nicht nur die alten Mietshäuser und Mietspaläste aus dem vorigen Jahrhundert, alte Fassaden sind auch Wertheim und Tietz z. B. Wenn diese Firmen ihre grossen Verkaufsfeste feiern, muss selbst die edelste Architektur darunter leiden. Weisse Wochen hält der beste Messel nicht aus. Schon die Anbringung einer Lichtreklame auf dem Dach macht Sorgen. Diese Häuser sind eben noch für keine Art von Reklame eingerichtet. Die Gegenwart behandelt das Haus, die Hausfront wie eine Wandtafel, auf die jeder einzelne seine Ankündigungen hinschreibt, wo er den Platz dazu findet. Häuserfronten erscheinen heute wie riesige Plakattafeln, die durch einige Fenster unterbrochen sind. Dieser Zustand ist unhaltbar, denn er ist nicht konsequent. Viele werden sagen, er sei auch unkünstlerisch, aber dieses erscheint nebensächlich zu sein, denn das Entscheidende ist, dass er einfach albern ist. Wir haben auch weiter noch festzustellen, dass die groβen Leistungen unserer heutigen Beleuchtungstechnik es zulassen, daβ man die

Schriftzeichen auf den Dächern der Häuser anbringt, nicht nur, wie früher, nur im Erdgeschoss und bestenfalls im ersten Stock. Ja, das Dach erweist sich als besonders geeignet, leuchtende Schriftzüge aufzunehmen, da sie von hier aus sowohl auf groβe

Fernen sichtbar werden, als auch sich gegen den Nachthimmel besonders vorteilhaft abheben. Mit der Eroberung des Daches durch das Licht wird aber der Fassadenkunst alten Stils vollends das Lebenslicht ausgeblasen. Vom Sockel des Hauses aus nach oben, von Dach des Hauses aus nach unten, dringt die Reklame über die Frontfläche vor, und, wenn sich noch Architektur an ihr halten kann, so ist es in der Gegen des dritten und vierten Stockes. Aber von dieser Architektur wird niemand behaupten können, daβ es

noch eine Architektur ist, und dass sie Ansprüche auf Würdigung erheben kann. Sie ist lediglich eine Art Baulücke in der Stadt der Reklame. Auch wird ja nie ein Bauherr auf die Idee kommen, von seinem Architekten zu verlangen, daβ er an seinem Neubau im vierten oder

dritten Stock Architektur anbringe, bis zum dritten Stock aber und vom Dach aus, die Fassade für die Aufnahme von Reklame vorbereite. Die modernen Architekten sind deshalb konsequent genug gewesen, den ganzen Fassadenzauber aufzugeben. Sie

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betrachten die Front des Hauses als ein Gerüst zur Unterbringung von Schriftzeichen, Leuchtreklame und ähnlichen Dingen.

In dieser Etappe der Entwicklung, in der wir uns

gegenwärtig befinden, stellt die Fassade dem Architekten lediglich die Aufgabe, zwischen den Schriftflächen und den Einfallöchern des Lichtes in das Innere des Hauses, d. h. den Fenstern, ein angenehmes

Verhältnis herzustellen. Dabei kommt es allerdings vor, wie einige Neubauten am Kurfürstendamm verraten, dass dieses Verhältnis sehr zu Ungunsten der Fenster ausfällt, ein Ergebnis, das auch im Innern des Hauses eine reichliche Verwendung des Lichtes, selbst während des Tages (allerdings weniger zu Reklamezwecken) zur Folge hat. Aber die Bauherren zur besseren Ausnutzung des Tageslichtes anzuhalten, ist ja nicht Sache dieser Tagung der Beleuchtungs-techniker. Die natürlichste Lösung, die hier gewissermassen auf der Hand liegt, die durch die Struktur der Fronten gegeben ist, ist die einer Aufteilung der Fronten in Schriftbänder und Fensterbänder, — eine

Frontbehandlung, die auch nachts ein durchaus klares und konsequentes Bild ergibt, indem sie durch die Beleuchtung der Schriftbänder in eine andere Art von Bebänderung, von belichteten Schrifttafeln und innenbelichteten oder dunklen Fenstern sich aufteilt.

Diese Frontbehandlung haben in folgerichtiger

Weise Mendelsohn und Luckhardt bei ihren Bauten durchgeführt. Das Neue, das sich auf diesem Wege der Lichtreklame in die Frontbehandlung beinahe unbemerkt eingeschlichen hat, ist, daβ das Nachtbild

oder das Lichtbild der Front für den Architekten wichtig geworden ist, ja, wichtiger als das Tagbild, und daβ die

Reklameforderungen die Struktur der Fassade überhaupt festlegen. Es kommt dazu, daβ auch der bauende Geschäftsmann inzwischen begriffen hat, daβ

das Nachtbild für das Ansehen seines Hauses von grösserer Wichtigkeit ist als das Tagbild. Und da jeder Geschäftsmann das Aussehen seines Geschäftshauses nach dessen Werbewert für sein Geschäft beurteilt, so ist auch der Geschäftsmann gar nicht darüber im Zweifel, daβ er in vielen Fällen das Nachtbild dem

Tagbild vorzuziehen hat. Wirkung der beleuchteten Beschriftungen auf die Frontgestaltung nicht nur dazu geführt hat, nunmehr von einem Nachtbild der Front zu sprechen, sondern dass es auch rückwirkend auf das Tagbild der Front einen heilsamen Einfluβ ausgeübt hat,

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insofern, als die Tatsache, daβ das Haus von der

Lichtreklame aus vom Sockel bis zum Dach als ein einheitliches Gebiet angesehen wird, auch für die Tagfassade mit der Aufteilung in verschieden bewertete übereinandergeschichtete Stockwerke aufgeräumt hat. Selbstverständlich bedeutet diese Verschiebung an den Fronten eine ganz gewaltige Maβstabverschiebung, die

sich in der Gestalt, an der Physiognomie der Strassen und Plätze stark geltend macht. Während unsere früheren Geschäftsstraβen ganz deutlich eine

Schichtung aufweisen in die unteren Ladengeschosse und in einen Rest, der kaum mehr als architektonisch wahrgenommen wird, sondern lediglich als Hausmasse existiert, stellt sich heute eine Front, wie die neue Front von Telschow am Potsdamer Platz in Berlin, eindringlich, vom Sockel bis zum Dachabschluβ als

eine einzige Form dar.

Die Zweiteilung der Fronten, von der ich eben

sprach, führte in Holland dazu, eine ganze Strasse architektonisch auf dieser Teilung aufzubauen. Ich kann Ihnen von dieser Strasse ein Tag- und ein Nachtbild zeigen, auβerdem eine Einzelaufnahme. Beachten Sie, daβ die Proportionierung der Strasse sich vollkommen verschiebt, und daβ über der unteren Lichtzone keine

Lichtreklame mehr erscheint. Das ist eine Einschränkung aus architektonischen Gründen, die man nicht für ganz gerechtfertigt halten kann.

Ausser dieser Auflösung der Fronten in Schrift- und Fensterbänder gibt es aber auch noch einen anderen Weg, die ganze Front als solche zu fassen, indem man sie kompositionell als Fläche, sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung hin ausbaut, ohne irgendeiner der beiden Richtungen den Vorzug zu

geben. Diese Möglichkeit liegt da vor, wo an alten Häusern die Fenster noch nicht ein so grosses Ausmass angenommen haben, dass sie als Bänder an den Fassaden dominierend werden, sondern daβ sie nur

bescheidene und wesentlich vertikal wirkende Fensteröffnungen darstellen, die noch den Eindruck einer zweidimensional wirkenden Front erhalten.

In dem Wachthof in der Luisenstrasse in Berlin hat

Arthur Korn diesen Weg eingeschlagen und mit dieser Lösung gezeigt, nicht nur, daβ sie differenzierter und

mannigfaltiger im Aufbau ist als die rein horizontale Beleuchtung der Schriftbänder, sondern dass sie auch dazu führt, die Fassade mit den verschiedenen Horizontal- und Vertikalbeleuchtungen, mit Lichtschlitzen und Schattenteilen kompositionell zu erfassen, das heiβt, in der Tat nunmehr ein Lichtgebilde

mit selbständigen gestalterischen Absichten zu schaffen. Mit dieser Behandlung, die natürlich nicht auf alte Fassaden beschränkt zu werden braucht, sind gestalterische Möglichkeiten angeschnitten, die dazu führen werden, eine Front als eine Lichtplastik aufzubauen, während von der Horizontalbeleuchtung gesagt werden muβ, daβ in ihr noch der alte Begriff der Front und der Fassade aufrechterhalten ist, daβ die

Front noch als eine Fläche angesehen wird, und diese Fläche eben mit Ankündigungen beschrieben wird. Ich werde später ein anderes Beispiel von Korn zeigen, in dem er auf diesem Wege noch ein Stück weiter geht.

Ein Berliner Künstler, Nicolaus Braun, stellt schon seit Jahren Leuchtplastiken aus, die in ihren Prinzipien durchaus das sind, wovon hier die Rede ist. Ich möchte deshalb nicht versäumen, Ihnen davon einige Beispiele zu zeigen, damit Sie deutlich sehen, welche Wege hier beschritten werden, um ein plastisches Lichtbild zu erreichen. In diesen Lichtplastiken von Braun wird eine

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Tiefenwirkung des Raumes durch eine einfache kulissenmässige Aufstellung und durch Verdecken der Lichtquellen erreicht. Diese Lichtbilder enthalten nun zwar grundsätzlich die dritte Dimension, aber sie sind noch durchaus auf die Fläche bezogen. Sie enthalten die dritte Dimension im selben Sinne wie das plastische Relief die dritte Dimension enthält. Sie kennen, wie das Relief und das Guckkastentheater, nur einen festen Standpunkt vor sich.

Ich kann Ihnen aber auch noch Arbeiten zeigen von

einem anderen modernen Künstler, Arbeiten von Gabo, der auch dieses Reliefprinzip noch aufgegeben hat, der in der Tat räumlich denkt und Gebilde schafft, die nicht nur im Sinne einer Rundplastik bestehen, sondern die selbst noch die Gebundenheit einer Rundplastik aufheben und einen Standpunkt zulassen, der in dem Werk selbst liegt, der also ein Arbeiten und Gestalten im Raum vornimmt, wie es gerade praktisch bei der Lichtgestaltung von Plätzen vorliegt, bei denen ja der Beobachter inmitten des Objektes steht. Ich führe Ihnen die Arbeiten dieser beiden Künstler vor, um Ihnen auf dem Gebiet der bildenen Künste in reiner Form die verschiedenen Grade einer gestalterischen Bearbeitung des Problems der Lichtgebilde im Raum zu zeigen, und füge noch hinzu, daβ mit diesen drei Graden die

Möglichkeiten der Lichtgestaltung im Raum überhaupt erschöpft sind. Der anfänglichste Zustand, gewissermaβen der Ausgangspunkt und das

Grundelement der Lichtreklame, in die rein flächenmässige Bearbeitung eines Schriftschildes. Der nächste und entwickeltere Zustand der Leuchtgebilde ist ein Aufbau von Licht- und schattenflächen nicht nur in der Fläche, sondern auch nach einer Tiefenwirkung hin, und als letzte Möglichkeit steht und noch die Entwicklung der Lichtgebilde nach allen Richtungen hin

bevor: nach vorn und rückwärts, nach oben und nach unten sich entfaltende Lichtgebilde, in denen der Mensch sich selbst bewegt, und denen gegenüber er dauernd seinen Standpunkt verändert, um dauernd neue Eindrücke zu erhalten.

Ein praktisches Beispiel des zweiten Zustandes, das sich in gewisser Weise auch schon dem dritten Zustand nähert, kann ich Ihnen noch zeigen. Es ist der kleine Ladeneinbau der Firma Kopp & Joseph am Kurfürstendamm in Berlin, den der Berliner Architekt Korn vor kurzem fertiggestellt hat. Hier ist zunächst überhaupt keine Hauswand mehr existent, mehr faβbar.

Hier ist ein Aufbau von leuchtenden und beleuchteten Gegenständen, von Flächen und Körpern, der sich senkrecht zur Baufront entwickelt, der einerseits in den Straβenraum hinausgreift, andererseits noch die

hinterste Wand des Ladenraumes in die Raumkomposition mit einbezieht. Die Instrumente der Anpreisung, Worte und Zeichen, sitzen hier nicht lediglich da, wo gerade Platz für sie ist, sondern da, wo sie an der Komposition des ganzen Raumes beteiligt sind, sie sitzen sogar geradezu in den Gelenkpunkten dieser Komposition.

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Mit dieser kleinen, aber überaus geistvollen Lösung ist alles angeschnitten, was an Problemen für eine Leucht- oder Lichtarchitektur in Frage kommt, vor allen Dingen gibt sie bereits eines: sie demonstriert die Entwicklung der Komposition nach allen Richtungen hin. Nach allen Richtungen gilt für dieses Objekt für den Betrachter, der sich im Laden selbst befindet. Für den Standpunkt von der Straβe aus ist bei der geringen

räumlichen Ausdehnung des Objektes selbstverständlich überhaupt nur eine Teilentfaltung möglich. Es ist mir kein Beispiel einer gröβeren

Architektur dieser Art bekannt, aber ich hoffe, das Sie sich bereits an diesem kleine Objekt ein Bild davon machen können, was wir zu erwarten haben, wenn es einmal möglich sein wird, das Prinzip dieses kleinen Ladenbaues auf ein groβes Geschäftshaus oder gar auf

einen Platz zu übertragen und durch zuführen. Die Reklameinstrumente selbst sind in diesem Falle vollkommen nachgeordnet, die einzelnen Schriftzeichen fügen sich dem ganzen kompositionellen Bau der Anlage ein, und doch wirkt letzten Endes als die beste Reklame der Laden als Gesamtes durch die grosse künstlerische Kraft, durch das gestalterische Niveau und den Takt des organisatorischen Ordnens.

Ich sagte eben, daβ uns noch eine groβe

Entwicklung bevorstehe, wenn erst das Prinzip dieses kleinen Ladenbaues auf gröβere Objekte übertragen

werden könne. Die Durchführung dieses Prinzips würde nun eine vollkommene Veränderung in der gesamten Auffassung des Hauskörpers herbeiführen, die grundsätzlich architektonischer Art ist, eine Veränderung, die bereits von einer ganz anderen Seite her von einigen modernen Architekten angestrebt wird.

Ich glaube sagen zu können, daβ an der Vorbereitung

für diese Veränderung nicht wenig die gewaltige Entwicklung des künstlichen Lichtes teil hat. Ich möchte versuchen, Ihnen gerade diese gestalterischen Veränderungen, die hier eine entscheidende Umwälzung hervorbringen können, etwas deutlicher zu machen. Das gegenwärtige Haus in unserer Landschaft, den Begriff Haus wesentlich bestimmend, ist ein kastenmäβiger Körper, dessen Auβenwände eine feste

substantielle Schale zwischen dem Inneren des Hauses und der Aussenwelt bilden. Das Haus ist bis heute eine gemauerte Kiste, in die Löcher hineingeschnitten sind, damit Licht in das Innere der Kiste komme. Ein moderner Architekt hat unsere bisherigen Häuser sehr treffend „Sachsärge“ genannt. Sie wissen, daβ gegen

diese Auffassung des Hauses die moderne Bewegung in der Baukunst einen Angriff unternommen hat. Sie unternimmt es, den Kastenbegriff des Hauses zu zerstören, um ein neues licht-und luftdurchflutetes Gebilde für den heutigen Menschen zu schaffen. Der Baukörper kennt auβerdem keine substanziell wirkende

Abgrenzung nach aussen hin mehr, sondern ist lediglich ein Zellensystem, daβ sich gewissermaβen aus

dem Weltraum heraustrennt, ohne sich desahlb gegen den Raum abzuschliessen. Der kubische Kastenkörper ist aufgerissen, der Auβenraum geht bis in die Tiefe des

Hauses, und aus dem Inneren des Hauses langt man wiederum direkt in den freien Raum.

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Die Massivität des Hauses ist aufgehoben, man spricht selbst von einem „schwebenden Haus“. Ein solches Haus ist nicht zu errichten ohne Glas. Es ist auch nicht zu errichten ohne Eisen und ohne Zement. Es ist nicht zu errichten ohne Metalle. Diese neue Baukunst ist vor allen Dingen eine Glasarchitektur, und diese Glasarchitektur ist auf dem Marsch. Glaspaläste gab es schon vor beinahe 100 Jahren. Es ist interessant daran zu denken, daβ damals bereits, zu der Zeit, zu

der wir eben gelernt hatten, Eisenkonstruktionen grösseren Umfanges zu machen, daβ zu jener Zeit bereits Architekten und Ingenieure jenes groβe Ziel

einer neuen Glasarchitektur aufstellten, dieses aber damals nur an groβen Hallen verwirklichen konnten. Es

war leichter möglich, bei den Hallen diesen Begriff vom Haus durchzuführen, da den Hallen gegenüber der alte Kastenbegriff nicht so zwingend war. Aber beim übrigen, in der Geschichte stärker verwurzeltem Hausbau, insbesondere beim Wohnhausbau, hat sich der Kastenbegriff bis heute aufrechterhalten, und es scheint erst jetzt zu gelingen, auch den Hausbau von der Eisenkonstruktion und der Glasarchitektur aus anzugreifen. Vielleicht, daβ dazu die ganz allgemeine

Begeisterung für Licht und Luft nötig war, die wir in unserem Jahrhundert erleben. Licht, Glas und Metall gehören zusammen, und zu ihnen gehört noch eine ganze Reihe jener neuen Erzeugnisse, die uns die heutige Technik schenkt. Ich erinnere auch noch an das Glashaus von Bruno Taut und an das Fabrikgebäude von Gropius, das 1914 auf der Werkbundausstellung in Köln zu sehen war. Vor einigen Jahren hat Taut sich selbst ein Haus gebaut, bei dem vielleicht das Neueste ist, daβ das Nachtbild dieses Wohnhauses, das ich

ihnen zeigen kann, nicht nur vom Architekten angestrebt wurde, sondern den nachhaltigsten Ausdruck dieses Hauses ausmacht.

Im letzten Jahre wurde in Stuttgart von Döcker das Lichthaus Luz gebaut, dessen Auβenwand vollkommen aus Glas ist, und im Haag ist zurzeit ein groβes Eckhaus im Bau, das Haus de Volharding, dessen Auβenwände

ebenfalls vollkommen aus Glas sind. Das Haus Luz ist ein Geschäftshaus für eine beleuchtungstechnische Firma, und besonders dadurch interessant, daβ das Haus noch bekrönt wird von einem groβen leuchtenden

Stern, der in dem Nachtbild Stuttgarts, das ja besonders anziehend ist, da es durch die angrenzenden Hügel vielfältig genossen werden kann, von auβerordentlicher Bedeutung und Wirkung ist. Sonst muβ ich aber bei dem Haus Luz und bei dem Haus de Volharding darauf aufmerksam machen, daβ

für beide die Verwendung des Glases den Kastenbegriff selbst noch keineswegs aufhebt, sondern daβ das Glas,

das in diesem Falle opakes Glas ist, das Substantielle der alten Hauswand durchaus noch erhält, auch rein architektonisch gestalterisch in der Entwicklung des Räumlichen keineswegs den Kastenbegriff aufhebt. Immerhin stehen auch diese Häuser einen Schritt näher zur Aufhebung der Massivität, einen Schritt näher der Befreiung des Hauses von der Masse Stein.

Es ist sicher nur eine Frage der nächten Jahre, daβ

wir mit der Glasarchitektur im Sinne des Ladens Kopp & Joseph einen Schritt weiterkommen.

Ich habe von der Glasarchitektur etwas eingehender gesprochen, weil ich der Überzeugung bin, daβ eine künstlerische Entwicklung der Lichtreklame im grossen Stil, gewissermaβen zu einer höheren Stufe,

sich nicht vollziehen kann, ohne die gleichzeitige Entwicklung einer Glasarchitektur, und weil ich der Meinung bin, daβ beide sich gegenseitig bedingen und

fördern. Die Lichtreklame mietet heute Platzwände und Dachfirste, wie man für Anzeigen Plätze und Spalten in Tageszeitungen mietet. Eine solche vermietete Annoncenplatzwand mit Leuchttexten kann gut oder schlecht werden; die Platzwand ist für sie dasselbe,

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was das Zeitungspapier für die Annonce ist, Untergrund für den Druck – nur nicht so glatt wie Zeitungspapier – , aber das bessert sich auch schon.

Stellen wir uns hingegen vor, daβ eine Platzanlage oder eine Straβenwand in ihrer ganzen räumlichen Erscheinung planmäβig und als Platz oder

Strassengebilde auf eine grosse Lichtkomposition hin angelegt werde, in die sich die einzelnen Leuchtschriften, Wanderschriften usw. einordnen, so wird deutlich, daβ die Lichtreklame, bezogen auf das Stadtbild, zu gröβeren Gesamtwirkungen gebracht werden kann und muβ, indem sie in räumliche Lichtkompositionen gröβsten Ausmaβes einbezogen

wird. Schon die bescheidenen Anfänge, die mit den Glashäusern gemacht sind, die ich Ihnen zeigen konnte, geben einen kleinen Begriff von dem hier Möglichen.

Besser aber noch als diese Glashäuser zeigen

Ihnen ja die Festbeleuchtungen und Lichtfeste, die Sie mit Recht nun etwas ernsthafter anfassen, was mit Lichtkompositionen gemeint ist. Hier erscheinen in der Tat bereits Gestaltungen, die durchaus augenhafte Werte beabsichtigen und die auβerdem

Zusammenhänge suchen und auch geben, die kompositorischer Natur sind. Wenn ich zu diesen Festbeleuchtungen noch etwas sagen darf, so ist es das, daβ auch diese, wie die Lichtreklame, noch zu sehr in Abhängigkeit von den Häusern sich fühlen, daβ sie

noch ein Anlehnungsbedürfnis an gegebene Architekturen verraten, noch viel von Illumination an sich haben. Ich zweifle nicht, daβ es Ihnen gelingen

wird, sie von diesen Hemmungen noch zu befreien und ein rein augenhaftes Schauspiel mit den reichen Mitteln des Lichtes zu entfalten. Wenn Sie wollen.

Auf diese Weise würden wir natürlich von der amerikanischen Behandlung der Lichtreklame und von ihrer Haltung im Stadtbild noch weiter abkommen. Aber dieser so entstehende Abstand würde nicht beruhen auf den geringeren Geldmitteln, die uns zur Verfügung stehen, sondern darin, dass wir dem individualistischen Rasen des amerikanischen

Reklamebedürfnisses, dem Lichtschlieβen seiner

Scheinwerferbatterien, wie Mendelsohn das nannte, das andere Prinzip und Ziel entgegensetzen, die Reklame durch ein gröβeres Gerüst zusammenhalten

und sie so zu einer noch gewaltigeren Wirkung bringen. Schlieβlich sei nicht vergessen, zu sagen, dass das

phantastische Bild, das die Lichtfülle einer nächtlichen Reklamestadt bieten, einen wesentlichen Bestandteil des Ansehens unserer Groβstädte bildet. Ja, man ist

versucht, zu sagen, die Intensität einer Weltstadt kann gemessen werden an der Intensität ihres nächtlichen Lichtbildes. Wo nachts keine Lichter brennen, ist finstere Provinz.

Aus: Licht & Lampe, 17. Jg. (1928), H. 19 v. 20. September , S. 677 – 683. Vortrag, gehalten auf der 16. Jahresversammlung der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft in Karlsruhe i. B. am 22. Juni 1928.

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5.1.4 Das künstliche Licht in der Baukunst. Künstlerische Probleme.

Die Schöpfungen der Baukunst sind, wie alle

anderen Dinge unserer Umwelt, dem Licht ausgesetzt und also auch in ihrer Existenz von ihm abhängig. Licht ist das Element, in dem sie existieren. Licht ist das Element, das sie zum Leben erweckt.

Die Werke der Baukunst reagieren auf dieses Element in zweierlei Hinsicht. Zunächst nimmt ihre körperliche Erscheinung in ihrer Einzelgestaltung auf Licht und Beleuchtung Rücksicht. Die plastische Durchbildung eines Baukörpers ist durchaus abhängig von der Art des Lichtes und von der Art der Belichtung. Die zarte Reliefplastik der Aegypter ist in unserer Landschaft unmöglich, sie verlangt das scharfe Licht der ägyptischen Sonne und ist selbst ein Produkt von ihr; andererseits könnten unsere tief ausgehöhlten Plastiken der ägyptischen Sonne nicht standhalten. Und wie die plastischen Objekte für bestimmte Lichtverhältnisse und bestimmte Lichtbeschaffenheiten geschaffen sind, so sind es auch natürlich die Einzelheiten am Baukörper, insbesondere also die Profilierungen der architektonischen Werke, die ja in diesem Betracht durchaus als plastische Objekte anzusprechen sind. Die Griechen profilieren anders als wir; selbst da, wo wir sie in unserer Landschaft kopieren, profilieren wir anders als die Griechen; sie profilieren insbesondere anders als die Gotik, die ein Profil entwickelt hat, das denselben Absichten entspricht, wie die, die die tiefe Aushöhlung der Plastiken verursachten. Daran ist natürlich zum Teil auch das Material schuldig, zum anderen Teil gewiss auch Gründe, die im rein Gestalterischen liegen, in der Hauptsache aber ist es die Wirkung des Lichtes. Und was von dieser körperlichen Durchbildung der Bauwerke gilt, gilt natürlich ebenso von der farbigen. Die atmosphärische Wirkung der verschiedenen Landschaften ist für die farbige Durchbildung der Bauwerke und ihrer Einzelheiten von starkem Einfluss.

Dieses Verhalten der Bauwerke und ihrer Einzelheiten zum Licht, ist ein Einstellen auf das Milieu, in dem sie existieren, ist eine Unterwerfung unter die Tatsache der besonderen Lichtverhältnisse. Es ist sozusagen naturgegeben und selbstverständlich, dass man bei der scharfen Sonne Aegyptens ein Relief eben nicht so tief in die Fläche einzugraben braucht, um es sichtbar zu machen, wie etwa auf einer Grabplatte in der dunstigen Atmosphäre der nieder-sächsischen Landschaft. Das Maβ der plastischen Durchbildung wird

diktiert durch die Ansprüche an Sichtbarkeit. Diese Abhängigkeit der Gestaltung und der

Durchbildung des Baukörpers von der Sichtbarkeit ist eine naturgegebene Stellungnahme der Werke der Baukunst zum Licht. Sie betrifft nur die Oberfläche der

Bauwerke. Die grossen Werke der klassischen Architektur sind das Ergebnis geistiger Spekulationen und Konstruktionen, in denen das Phänomen des Lichtes selbst noch keine Rolle spielt. Ganz anderes ist von den grossen Werken der gotischen Baukunst zu sagen. Sie haben die magische Gewalt des Lichtes von Anfang an in die Mittel einbezogen, mit denen sie gebaut sind. Der gotische Innenraum ist voll und ganz auf die Wirkungen des Lichtes bezogen, das Filigran der Maβwerke, das Filigran der grossen Rosen existiert nur

durch die Gnade des Lichtes. Die St. Chapelle in Paris mit ihren überreichen Glasfenstern, sowie die hellen Kathedralen der Niederlande leben einzig in der vielfältigen und magischen Kraft des Lichtes. Die Entdeckung des Lichtes für die Baukunst geschah im Mittelalter und erlebte ihre erste Entfaltung vorzugsweise in der Baukunst des Mittelalters.

Es ist vielleicht gewagt, der Gotik allein die Entdeckung des Lichtes für die Baukunst zuzuschreiben, denn natürlich wird jede Baukunst, die den Innenraum in ihre Gestaltung einbezieht, zu der Bedeutung des Lichtes für diese Gestaltung hingeführt. Zu bemerken und zu betonen wäre dabei, dass die Aussenarchitektur weniger Möglich-keiten und weniger Anlass bietet, mit dem Licht als Mittel zu arbeiten, daβ

hingegen die Innenarchitektur aus vielerlei Gründen sich mit dem Licht beschäftigen muβ. Daβ die

Gotik, die vorzugsweise eine Baukunst des Inneren ist, deshalb sich den Geheimnissen des Lichtes ganz hingab, ist nicht zufällig. Aber auch schon die Innenräume der klassischen antiken Kunst, das Tempelinnere der Aegypter und das Tempelinnere der Griechen, ferner die grossen Hallenbauten der Römer und die Tempelbauten Indiens, insbesondere auch die Kirchenhallen und Kirchenkuppeln der byzantinischen Baukunst kommen zu ihren Wirkungen erst durch die weise Verwendung des Lichtes; die Vorliebe dieser sonnengetränkten Gegenden für die Gewölbe ist wohl zum Teil auch eine Huldigung an das Licht. Indessen ist doch der Gotik gegenüber darin ein Unterschied festzustellen, dass diese Bauwerke der klassischen Baukunst und der südlichen Landschaft niemals dem Licht einen Einfluss auf die struktiven und konstitutiven Elemente gewährt haben, welchen Einfluss wir dem Licht in der Gotik doch wohl einräumen müssen. Aber wie dem auch sei, wo wir die Grenzen auch ziehen wollen, es sind immer zweierlei Verhalten der Bauwerke dem Licht gegenüber festzustellen, einmal jenes, das sich lediglich um die Sichtbarkeit, um die augenhafte Wahrnehmbarkeit kümmert, und jenes andere, das das Bauwerk ganz ursprünglich und von allem Anfang an dem Licht verbindet, das im Licht und vom Licht allein

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lebt, das der Glorifizierung des Lichtes dient und seiner magischen Macht. Diese Unterschiede Ihnen vor Augen zu führen, habe ich die klassische und die gotische Baukunst zitiert, weil sie in diesen beiden groβen

Epochen des Bauens am deutlichsten sind. Wenn wir diese Unterscheidungen machen, so

geben sie uns die Handhabe, zugleich auch die Probleme genau zu unterscheiden, die im einzelnen bei der Gestaltung der Baukörper sich einfinden und sich Geltung verschaffen. Einerseits sind es die Probleme, die lediglich die Oberfläche angehen, d. i. die augenhafte Wirkung der Materie unter der Einwirkung des Lichtes überhaupt (wobei es zunächst gleichgültig ist, welcher besonderen Art dieses Licht ist) und andererseits sind es die Probleme, die zu einer Veränderung der inneren Struktur des Bauens führen, die in einer Gestaltveränderung des Aufbaues enden, indem sie das Licht, in diesem Falle vorzugsweise das künstliche Licht, als ein konstruktives Bauelement auffassen, das auch in gewissem Sinne eine konstitutive Verschiebung in den Grundbegriffen des Bauens erkennen lässt. Aus Gründen des Lichtes verändert sich der struktive Aufbau der Bauten so sehr, dass der Bau in seiner Formgebung unverständlich wird und bleibt, solange diese Formgebung nicht auf die Wirkungen des Lichtes bezogen wird. Diese Probleme hat die Gotik angeschnitten, aber gerade die Baukunst der letzten Jahre hat sich ihnen erneut zugewendet und sie ist dabei, aus den neuen Tatsachen die letzten Konsequenzen zu ziehen.

Ich möchte mich zunächst noch mit den Problemen der Oberfläche befassen. Die plastische Erscheinung eines ganzen Innenraumes sowohl als auch die der Einzelheiten dieses Innenraumes, die Sichtbarkeit des Körperlichen, im Sinne Adolf Hildebrands die Abtastbarkeit der Körperformen, ist zunächst abhängig vom Lichteinfall, d. h. von der Stellung der Lichtquelle zum Objekt. Beim Innenraum, von dem wir im weiteren ausschliesslich zu sprechen haben, liegt bereits die Frage des Lichteinfalles ausserordentlich kompliziert, sofern wir das Sichtbarmachen des Innenraumes und seiner Einzelheiten im Sinne haben – und nicht jede künstlerische Absicht geht darauf aus, die räumliche Wirkung und die Einzelheiten des Innenraumes durch die Lichtführung klar und deutlich herauszuarbeiten, vielmehr sind gerade im Innenraum ausserordentlich viele Absichten darauf eingestellt, eine gewisse Ueberschärfe zu vermeiden und Raumeinzelheiten in eine vage Atmosphäre zu hüllen — , aber gesetzt den Fall, daβ die Absicht besteht, den Innenraum zu voller

Klarheit zu erheben und auch seine Einzelheiten im besten Licht herauszustellen, so gibt es natürlich hierfür kein anderes Gesetz als das, den Innenraum, als die Substanz, durch den Lichteinfall zu der Raumwirkung zu erheben, die man von ihm erwartet und die Einzelheiten vollkommen dem damit gegebenen Lichteinfall einzuordnen, da wie

selbstverständlich nicht mit zweierlei Lichteinfall für Raum und Einzelheiten rechnen können. Eine solche Betrachtung erscheint beinahe überflüssig, aber sie wird es nicht, wenn Sie daran denken, daβ wir in der Tat

sehr oft den Versuch sehen, zweierlei Lichteinfall ein-zuführen, einmal einen Lichteinfall für die Wirkung des Raumes, ein andermal einen Lichteinfall für die Einzelheiten. Die kirchliche Baukunst hat von diesen doppelten Anordnung des Lichteinfalls im Interesse besonderer Effekte sehr oft Nutzen gezogen, insbesondere natürlich die Gotik und in noch viel höherem Masse das Barock, das von der Gotik alle diese Dinge gelernt hatte. Das Barock hat für besondere Effekte die indirekte Lichtführung und die verdeckte Lichtquelle immer zur Hand gehabt. Gesetzt den Fall, daβ wir nun den Raum in dieser Weise, den

beabsichtigten Wirkungen entsprechend, eingerichtet haben, so tritt eine neue Komplikation für ihn auf, wenn dieser selbe Raum nunmehr durch künstliches Licht erhellt werden soll, nachdem wir seine ganze Wirkung auf das Tageslicht eingestellt haben. Es ist selbstverständlich, dass das künstliche Licht diese Wirkungen vollkommen zerstören muss. Eine reine Lösung aus dieser Komplikation gibt es nicht. Es gibt nur ein Kompromiβ. Die reine Lösung würde erfordern,

dass der Raum mit seinen Einzelheiten, mit seinen Profil-ierungen, sowohl für das Tageslicht als auch für das künstliche Licht eingestellt werde, dass er also zwei Gestaltungen in einer Form enthalten müβte, was

natürlich eine Unmöglichkeit ist. Es bleibt nur übrig, das künstliche Licht sowohl der Lichtbeschaffenheit nach, als auch der Aufstellung nach so zu bestimmen, dass die Wirkung des Raumes, wie sie beim Tageslicht festgehalten wird, nicht ganz zerstört wird, oder aber – und das ist der Fall im täglichen Leben sozusagen – man verlässt sich darauf, dass das künstliche Licht mächtig genug ist, dem Raum eine neue Einheit zu verschaffen, dem Raum einen vollkommen neuen künstlerischen Akzent zu verleihen. Von immer gröβerer

Wichtigkeit für uns werden indessen die Fälle, wo das Tageslicht überhaupt ausgeschaltet wird und wir uns vollkommen auf das künstliche Licht einstellen, d. h. der Raum ist von Anfang an auf die Art des künstlichen Lichts, auf die Stellung der Lichtquelle einzurichten. Es ist kein Zweifel, dass für das künstliche Licht, insbesondere aber für die Räume, bei denen sowohl das Tageslicht als auch das künstliche Licht von Wichtigkeit ist, die plastische Gestaltung der Einzelheiten unlösbare Schwierigkeiten bereitet. Sie ist grundsätzlich in Rücksicht auf die verschiedene Stellung der Lichtquelle im Raum unmöglich. Darin liegt ein Grund dafür, dass unsere Innenräume, insbesondere die, die ausschliesslich auf künstliches Licht eingestellt sind, den plastischen Schmuck fast ganz vermeiden. Es lässt sich zwar denken, dass auch hier ein plastischer Schmuck im Sinne des Barocks zu effektvoller Wirkung mit besonderer

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Scheinwerferanlage aufgebaut wird, aber vorläufig neigt unsere allgemeine Kunstgesinnung nicht dazu, zu solch neckischen Spielen zu greifen, sie dürfte aber doch eines Tages wieder auftauchen, da ohne Zweifel die Kinos einen starken Effekt solcher Arrangements noch einmal entdecken werden. Vorläufig aber sind wir der plastischen Gestaltung des Innenraumes ein wenig abgeneigt und haben uns mehr dem Ausbau der Wirkungen der reinen Oberfläche zugewandt, dem Ausbau der Wirkungen des Materials, aus dem der Raum aufgebaut ist. Sowohl die Wirkung des Stofflichen, als auch die Wirkung des Farbigen ist in hohem Masse von der Beschaffenheit des Lichtes abhängig. Unsere Aufmerksamkeit im Innenraum gilt vorzugsweise der Auswertung der Mate-rialien in ihren stofflichen und farbigen Leistungsmöglichkeiten. Dieses rein physiologische Problem ist so wichtig, dass ich in Ergänzung zu den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Ingenieur Summerer, noch einiges dazu sagen muss, selbst auf die Gefahr hin, verschiedenes zu wiederholen.

An dem Licht unterscheidet man eine Intensität des Lichtes und eine Energieverteilung im Spektrum. Eine Energieverteilung im Spektrum, das ist die quantitative Verteilung der einzelnen Farben im Spektrum; gerade diese ist für uns wichtig, während die Frage der Intensität geringere künstlerische Probleme enthält und nur insofern von Bedeutung ist, als sie die Frage der allgemeinen Helligkeit, d. h. die Sichtbarkeit der Dinge angeht.

Die Unterschiedsempfindlichkeit des Auges ist bei Tageslicht von einer gewissen Intensität, d. h. bei einer Lichtdichte ohne Blendung am stärksten. Bei bedecktem Himmel tritt eine Sättigung des Blau ein. In der Dämmerung empfindet man deshalb Blau heller als die anderen Farben.

Der Unterschied der Energieverteilung im Spektrum, also der Verteilung der einzelnen Farben im Spektrum, ist zwischen dem reinen Sonnenlicht und diffusem Tageslicht ungefähr gleich gross wie der zwischen reinem Sonnenlicht und der elektrischen Glühbirne. Dem Tageslicht am nächsten von allen künstlichen Lichtquellen steht das Kohlensäure-Moore-Licht. Das Kohlensäure-Moore-Licht liefert ein Bandenspektrum von einer ausserordentlichen Dichte bzw. grosser Kontinuierlichkeit.

Bei der üblichen elektrischen Glühbirne entsteht das Licht auf Basis der Temperaturstrahlungen. Bei den mit Gas gefüllten Lampen beruht die Strahlung hingegen auf Lumineszenz, d. h. durch das Aufleuchten des Gases auf Grund eines elektrischen Stromdurchganges nach dem Prinzip der Geiβler-Röhre.

Uebrigens ist alles was nicht Temperaturstrahlung ist, Lumineszenzstrahlung.

Für Gasfüllungen werden Edelgase und unedle Gase verwendet. Das bekannteste Edelgas ist Neon. Bekannt sind an Edelgasen nur fünf, die alle in der Luft

enthalten sind: auβer Neon, Helium, Argon, Crypton und

Xenon. Crypton und Xenon sind bisher nicht verwendet worden. Helium ist erst seit kurzem in Gebrauch. Neon-Licht, das von Natur rot ist, kann durch Zusatz von anderen Stoffen gefärbt werden. So erzielt man durch Zusatz von Quecksilber und mit Hilfe einer braunen Glasröhre grünes Neon-Licht. In ähnlicher Weise kann man die Strahlung anderer Edelgase durch Zusatz anderer Stoffe verändern, d. h. das Bandenspektrum variieren und bereichern.

Karl Schneider: Kino in Hamburg An technischen Tatsachen sind hierzu noch von

Interesse, dass die mit unedlen Gasen gefüllten Lampen einen etwa zehnfach so groβen

Stromverbrauch haben, wie die mit Edelgasen gefüllten. Deshalb kann leider das Kohlensäure-Moore-Licht, das dem Tageslichtspektrum am nächsten kommt, praktisch keine Verwendung finden.

Ausserdem wäre noch zu bemerken, dass zur Erzielung von Lumineszenzstrahlung Hochspannung erforderlich ist.

Karl Schneider: Kino in Hamburg

Die Leistung bestimmter Lichtarten ist selbstverständlich die Grundlage, auf der eine bestimmte Oberflächengestaltung allein durchgeführt werden kann. Die Kenntnis dieser Leistungen einzelner Lichtarten ist deshalb für den Architekten unerlässlich. Ueber die Wirkungen, die im einzelnen Falle mit einem

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bestimmten Licht in künstlerischer Hinsicht erreicht werden sollen, ist hier nichts zu sagen, das gehört zu den rein künstlerischen Zielen, über die hier nicht zu sprechen ist.

Karl Schneider: Kino in Hamburg

Zu einer anderen Problematik führt indessen die Frage der Lichtquelle selbst. Sowohl die ihrer Stellung im Raum, als auch die ihrer eigenen Gestalt. Sofern die Lichtquelle sichtbar ist, ist sie in der Hauptsache punktisch wirksam, d. h. es ist nicht wie beim Tageslicht ein allgemeines gleichgerichtetes Fluten des Lichtes vorhanden, sondern es sind Lichtquellen punktischer Art, die für sich exzentrisch wirken. Wir haben eine vollkommen andere Lichtführung als bei Tageslicht. Die punktische Verteilung der verschiedenen Lichtquellen im Raum schafft ebenso viele Lichtzonen kleiner Sonnen, als wir Punkte aufstellen, eine Tatsache, die der körperlichen Klärung eines Innenraumes keineswegs dienlich ist. Aber bereits hier beginnt die Notwendigkeit, sich über die Verteilung der einzelnen Sonnen klar zu werden, d. h. wir haben uns zu entscheiden, ob im einzelnen Punkte in einer dekorativen Art im Raum verteilt werden, ob sie in Rücksicht auf eine besondere Erhellung besonders angeordnet werden sollen, oder ob sie in irgendeine Beziehung zur Komposition oder zur Struktur des ganzen Raumes gebracht werden sollen. Die Lösungen, die man gerade mit der Verteilung der Lichtquellen und mit der Unterbringung der Lichtpunkte im Raum

angestrebt hat, haben zu den stärksten Eingriffen in die Formgebung des ganzen Baukörpers geführt, die damit endeten, dass die Baukörper teilweise vollkommen in ihrer Formgebung durch die Gesetze der Lichtführung bestimmt werden, eine Entwicklungsphase, die eine neue Situation in dem Verhältnis des Lichtes zur Baukunst darstellt. Die verdeckte Lichtquelle macht Oberflächen des Raumes zu Reflektoren. Es ist konsequent, dass die Oberfläche sowohl in ihrer Materialbeschaffenheit, als auch in ihrer Formgebung – damit berühren wir nicht nur Oberflächenprobleme, sondern ganz eigentlich Bauprobleme – der neuen Leistungsaufgabe entsprechend gestaltet werden. Zu diesen reflektierenden Oberflächen kommt die Gestaltung bzw. die Ausbildung der Abdeckungsflächen der direkten Lichtquelle, woraus wiederum technische Formen entstehen, die aus einer neuen Aufgabe stammen, technische Formen, die in ihrer Gesamtheit die Umfassung, die Abgrenzung des Raumes bilden, die also nicht Zutaten oder lediglich Einrichtungen im Raume sind, sondern die Bestandteile des Raumes sind. Decken und Wände sind teilweise aufgelöst in Flächen, die reflektieren und in Flächen die abdecken. Dazu kommen noch die Flächen, die selbst leuchten, dadurch, dass sie aus transparentem Material bestehen, das die direkte Lichtquelle abblendet. Auf diese Weise wird der architektonische Aufbau vollkommen verändert, und wir stehen in der Tat vor ganz neuen Begriffen. Zu allem kommt, dass die geringe Intensität des künstlichen Lichtes, wenigstens so, wie es den allgemeinen Ansprüchen genügt und verwendet wird, das Substantielle der Baukörper sehr weit aufhebt, so dass sich auch dadurch Wirkungswerte ergeben, die von den alten Begriffen der Baukunst weit wegführen. Die alte Baukunst hat nie die Materie in ihrer körperlichen Existenz ignoriert oder verleugnet, insbesondere in der klassischen Kunst ist sie ihr wesentlicher Inhalt und deshalb deren Aufgabe, die Proportionierung des Körperlichen vorzunehmen; sie fordert Genauigkeit und Klarheit der Körpergestaltung. Dem gegenüber begünstigt das künstliche Licht eine Raumkunst, die sozusagen ohne materielle Grenzen ist, die im Raume frei nur mit Licht- und Schattenwerten arbeitet, wobei selbstverständlich die Verschieden-farbigkeit der Licht- und Schattenwerte mit eingeschlossen ist. Es liegt sozusagen in der Natur des künstlichen Lichts, dass es die Körperlichkeit aufhebt und dass es durch die vagen Abgrenzungen unsere Phantasie in Bewegung bringt und dem künstlerischen Gestalten ein Gebiet erschliesst, das ihm zwar nicht neu, aber doch seither mindestens nicht wesentlich erschien. Diese Wirkungen des Lichts lenken unsere Aufmerksamkeit auf neue Materialien und Baustoffe. Sie lassen uns auch die Eigenschaften altbekannter Materialien neu erforschen und einschätzen und sie werden uns dazu führen, dass wir in der Bearbeitung der Materialien, insbesondere in der

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Oberflächenbehandlung, insbesondere auch in der Auswertung der farbigen und stofflichen Beschaffenheiten der Materialien, den besonderen Wirkungen des Lichts entsprechende neue Wirkungen suchen.

Karl Schneider: Kino in Hamburg

Weiterhin kommen diese Wirkungen des künstlichen Lichts, den auf einem anderen Boden gewachsenen Absichten, den Bau seiner Schwere zu entheben, sehr entgegen. So wirkt eine durch Voutenbeleuchtung indirekt erhellte Deckenfläche ganz unsubstantiell, sie lässt den Raum nach oben frei und unkörperlich erscheinen und erreicht im vollsten Sinne jenes Ideal der Raumgestaltung, das unsere Kollegen vom Barock seinerzeit dadurch zu erreichen suchten, dass sie auf die Deckenfläche in einer grossartigen Perspektivenkunst uns einen Einblick in den Himmel verschufen. Trotzdem möchte ich sagen, dass im Grunde genommen die Prinzipien der Gestaltung eines Bauwerkes dieselben bleiben, ob es sich um das natürliche Licht oder um das künstliche Licht handelt. Das künstliche Licht bietet uns lediglich die Möglichkeit, den Standpunkt der Lichtquelle zu bestimmen und diesen Standpunkt auf die mannigfaltigste Art zu variieren und festzuhalten. Das künstliche Licht bietet uns ausserdem hinsichtlich der Beschaffenheit des Lichts grössere Möglich-keiten, die wir zugunsten verschiedener Wirkungen ausnutzen können, doch sei daran erinnert, dass auch die Gotik in ihren farbigen Kirchenfenstern, von der Verschiedenfarbigkeit der Lichtwirkungen einen virtuosen Gebrauch zu machen wusste und dass die künstlerischen Wirkungen, die uns heute durch das künstliche Licht zur Verfügung stehen, schon in der Gotik nicht unbekannt waren. Wenn man einen Unterschied zwischen heute und der Gotik bezeichnen soll, so ist es lediglich der, dass wir eben den Standpunkt der Lichtquelle vollkommen in die Hand bekommen haben. In welcher Richtung die damit geschaffenen Möglichkeiten und in welcher Richtung die Wirkungen auf unsere Baukunst liegen, habe ich darzustellen versucht. Wie der einzelne diese Möglichkeiten auswertet und zu welchen besonderen

künstlerischen Wirkungen er sie ansetzt, ist von mir nicht mehr zu untersuchen.

Hans Pölzig: Capitol, Berlin

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige wenige Bilder ausgeführter Bauten zeigen, die in vielfacher Weise illustrieren, was ich eben auseinanderzuhalten versuchte.

Arthur Korn: Laden Verlag Ullstein, Berlin

Karl Schneider verwendet das künstliche Licht einmal, indem er Voutenbeleuchtung verwendet, zum anderen Mal, indem er durch den Raum eine grosse, bestimmende und für die Raumwirkung sehr wichtige Lichtkurve zieht, die vielleicht in gewisser Weise die Funktionen übernimmt, die früher der Gesimsbildung übertragen waren. Pölzig zeigt in der Vorhalle des Capitols in ganz reiner Weise eine Voutenbeleuchtung, die ein klares Beispiel für die schöne Wirkung ist, die durch die Entmaterialisierung der Decke entsteht, so dass der Raum beinahe nur wie ein Hofraum wirkt. Im ähnlichen Sinne wirkt ein Laden von Arthur Korn. Doch wäre hier gegenüber dem Pölzigschen Raum zu sagen, dass er verloren erscheint gegenüber dem präziseren Ausdruck Pölzig’s, andererseits entspricht der Ladenraum Korns in höherem Masse der auflösenden Tendenz des Lichtes und findet in der den ganzen Raum erfassenden Durchflutung einen eigentlichen Ausdruck.

Mendelsohn. In den Universum-Lichtspielen verwendet Mendelsohn das künstliche Licht wiederum zu ganz anderen Wirkungen. Er bietet in der Vorhalle ein

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Spiel zwischen schweren, dunklen, lastenden Deckenflächen und zwischen aufgehellten und körperlosen Deckenkurven. Er durchstösst die Massivität des Baues und arbeitet sozusagen mit Licht und Schatten kontrapunktisch. Damit führt er wichtige struktive Prinzipien seines künstlerischen Aufbaues zu starkem Ausdruck. Im Innenraum der Universum-Lichtspiele selbst

Mendelsohn: Universum-Kino am Lehniner Platz in Berlin

führt er in der Decke dieses Prinzip der scharfen Wirkung zwischen Licht- und Schattenformen zu einer anderen starken Wirkung, die seiner ganzen Raumabsicht und Raumanlage dient, und in der Behandlung der aufgehenden Wände über der Galerie und bei den Orgeleinbauten seitwärts der Bühne tritt eine neue Auswertung dieser Wirkungen zu weiteren Unterstützung seiner Raumkomposition auf. Gerade diese Wirkungen scheinen mit der Wirkung, die das Filigran des gotischen Masswerks hat, sehr nahe zu liegen.

Mendelsohn: Universum-Kino am Lehniner Platz in Berlin

Aus: Licht und Lampe, 18. Jg. (1928), H. 16 v. 8. August, S. 853- 856. Nach einem Vortrag in der ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft am 11. April 1929.

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5.2 Literaturverzeichnis

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5.2.1 Zeitgenössische Literatur

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Walter Curt Behrendt, „Das Formproblem des künstlichen Lichts“, in: ders., Der Sieg des neuen Baustils, Stuttgart 1927, S. 47-50

Peter Behrens, „Kunst und Technik“, in: Elektrotechnische Zeitschrift, 31. Jg. (1910), H. 22 v. 2. Juni, S. 552-555. Nach einem Vortrag gehalten auf der 18. Jahresversammlung des Verbandes Deutscher Elektrotechniker in Braunschweig am 25. Mai 1910.

Hans Freese, „Gedanken eines Architekten zur Lichttechnik“, in: Licht und Lampe, Jg. 17 (1928), H. 13 v. 28. Juni, S 457-461. Nach einem Vortrag auf dem 6. Jahrestag der Lichttechnischen Gesellschaft in Karlsruhe am 1. Juli 1927

Arthur Fürst, Das elektrische Licht. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1926

Naum Gabo, „Gestaltung?“, in: Bauhaus, 2. Jg. (1928), H. 4, S. 2-6

Alfred Gellhorn, „Reklame und Stadtbild“, in: Die Form, 1. Jg. (1926), H. 7 v. April, S. 133-135

Max Haase, „Wanderschriftlichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 25 v. 13. Dezember, S. 913-915

Hugo Häring, „Probleme des Bauens“, in: Der Neubau, Halbmonatszeitschrift für Baukunst, 6. Jg. (1924), H. 17 v. 10. September, S. 201-203.

Hugo Häring, „Funktionelles Bauen. Gut Garkau/Das Viehhaus“, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit, 1. Jg. (1925), H. 1 v. Oktober, S. 16f

Hugo Häring, „Lichtreklame und Architektur“, in: Architektur und Schaufenster, 24. Jg. (1927), H. 8, S. 5-8. Erneut erschienen in: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 27. Jg. (1928), H. 3 v. März, Mitteilungen aus der Fachwelt, S. 2f

Hugo Häring „Probleme um die Lichtreklame“, in: bauhaus. zeitschrift für gestaltung, 2. Jg. (1928), H. 4, S. 7

Hugo Häring, „Lichtreklame im Städtebild“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H.19 v. 20. September, S. 677-683. Nach einem Vortrag gehalten auf der 16. Jahresversammlung der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft in Karlsruhe am 22. Juni 1928

Hugo Häring, „Das künstliche Licht in der Baukunst. Künstlerische Probleme“, in: Licht und Lampe, 18. Jg. (1929), H. 16 v. 8. August, S. 853-856. Nach einem Vortrag gehalten auf der ordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft am 11. April 1929

Hugo Häring, „Kunst- und Strukturprobleme des Bauens“, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 51. Jg. (1931), H. 29 v. 15. Juni, S. 429-432

Adolf von Hildebrand, Das Problem der Form in der bildenden Kunst, Strassburg 1893

Hans Hildebrand (Hg.), Le Corbusier, Kommende Baukunst, Stuttgart 1926

Ludwig Hirschfeld-Mack, „Die reflektorischen Farbenspiele“, in: Bauhaus Weimar, Sonderheft der Zeitschrift ‚Junge Menschen‘, 5. Jg. (1924), H. 8. v. November, S. 88

E. Jakob, „Wirtschaftliche Wirkungen der Lichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 19 v. 20. September, S. 683-684

O. Kroh, „Probleme der physiologischen und psychologischen Optik in ihrer Bedeutung für die Lichttechnik“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 8 v. 19. April, S. 277-279 und H. 9 v. 3. Mai, S. 319-322

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Arthur Korn, Glas im Bau und als Gebrauchsgegenstand, Berlin 1929 und Reprint München 1981

Wilhelm Lotz, Licht und Beleuchtung, Lichttechnische Fragen unter Berücksichtigung der Architektur, Berlin 1928

Heinrich Lux, „Die lichttechnischen Grundlagen der Lichtreklame“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 18 v. 6. September, S. 629-645

Erich Mendelsohn, „Die internationale Übereinstimmung des neuen Baugedankens oder Dynamik und Funktion“, Vortrag in ‚Architektura et Amicitia‘, Amsterdam 1923, in: Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten, Berlin 1930, S. 23-34

Lászlò Moholy-Nagy, „Lichtrequisit einer elektrischen Bühne“, Die Form, 5. Jg. (1930), H11/12, S. 297f

Walter Riezler, „Umgestaltung der Fassaden“, in: Die Form, 2. Jg. (1927), H. 2, S. 33-40

E. R. Ritter „Das elektrische Haus“, in: Licht und Lampe, 17. Jg. (1928), H. 3 v. 9. Februar, S. 109

Paul Scheerbart, Glasarchitektur, Berlin 1914

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Joachim Teichmüller, „Lichtarchitektur“, in: Licht und Lampe, 16. Jg. (1927), H. 13 v. 30. Juni, S. 421-422 und H. 14 v. 47. Juli, S. 449-458. Erneut erschienen in: Joachim Teichmüller, Lichtarchitektur, Sonderabdruck aus „Licht und Lampe“ Hefte 13 u. 14 / Jahrg. 1927, Berlin 1927

Joachim Teichmüller, „Das Bedürfnis der Lichttechnik nach Klärung ihrer nichtphysikalischen Grundlagen“, in: Licht und Lampe 17. Jg. (1928), H. 7 v. 5. April, S. 243f. Nach einem Vortrag gehalten auf dem 6. Jahrestag der Lichttechnischen Gesellschaft in Karlsruhe am 1. Juli 1927

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5.2.2 Sonstige Literatur mit Quellencharakter

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„Deklaration zur Etablierung des Berufes des Lichtdesigners in der Architektur“, in: Professional Lighting Design, 10. Jg. (2007) H. 58 v. Nov./Dez., S. 49

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Richard Kelly, „Lightings’s Role in Architecture“, in: Architectural Forum, 39. Jg. (1955), H. 2. v. Feb. S. 152 u. 169

Walter Köhler/Wassili Luckhardt, Lichtarchitektur, Licht und Farbe als raumgestaltende Elemente, Berlin 1956

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Hans Sedlmayr, Das Licht in seinen künstlerischen Manifestationen, Mittenwald 1978. Der Text erschien erstmals in der Zeitschrift Studium Generale XIII im Jahre 1960

Hans Sedlmayr, Der Tod des Lichtes, Übergangene perspektiven zur modernen Kunst, Salzburg 1964

Beat Wyss (Hg.), „Etienne-Luis Boulée, Architektur Abhandlung über die Kunst“, Zürich/München 1987. Übersetzt nach der französischen Ausgabe: Jean-Marie Pérouse de Montclos (Hg.), „Etienne-Louis Boullée, Architecture, Essai sur l’art“, Paris 1968

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5.2.3 Sekundärliteratur

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Gerhard Auer, „Ahnung und Planung, Zum Licht-Bewusstsein des Architekten“, in: Ingeborg Flagge (Hg.), Architektur Licht Architektur, Stuttgart 1991, S. 127-141

Gerhard Auer, „Über die Kunst, mit Licht zu bauen“, in: Willfried Baatz (Hg.), Gestaltung mit Licht, Ravensburg 1994, S. 40-71

Gerhard Auer, „Körperlicht–Raumlicht–Zeitlicht, Über photonische Erregungen in der Architektur“, in Michael Schwarz (Hg.), Licht und Raum, Elektrisches Licht in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1998, s. 120-136

Willfried Baatz, Gestaltung mit Licht, Ravensburg 1994

Peter Blundell Jones, Hugo Häring, The Organic versus the Geometric, Stuttgart 1999

Gernot Böhme, Architektur und Atmosphäre, München 2006

Pablo Buonocore/Michael Chritchley, Tageslicht in der Architektur, Sulgen/Zürich 2001

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Janos Frecot/Klaus-Jürgen Sembach, Berlin im Licht, Photographien der nächtlichen Stadt, Berlin 2002

Hans Gabriel, Das künstliche Licht in der Architektur, Analysen – Begriffe – Definitionen, Stuttgart, 1974

Rüdiger Ganslandt/Harald Hofmann, Handbuch der Lichtplanung, Braunschweig 1992

Sokratis Georgiadis, „Giedion und der ‚Dritte Faktor‘, in: Daidalos, H. 27 v. 15. März 1988, S. 60-65

Andreas Haus, „‘Fotografie ist Lichtgestaltung‘ – Die Bedeutung des Fotogramms“, in: ders., Moholy-Nagy, Fotos und Fotogramme, München 1978, S.23-35

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Harald Hofmann, „Vorwort“, in: Andreas Schulz (Hg.), Licht Kunst Licht 1, Lichtdesign für Architektur, Bonn/Berlin 2005, S. 5

Jürgen Joedicke, Heinrich Lauterbach, Hugo Häring, Schriften Entwürfe Bauten, Stuttgart 1965 und 2. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2001

Richard Kelly, Ausgewählte Arbeiten, Ausstellungskatalog zur Ausstellung in verschiedenen europäischen Städten 2007, organisiert von der Professional Lighting Designers‘ Association, ELDA und Erco, hg. von Erco, o. Jg. (2007)

Wilhelm Lotz, Licht und Beleuchtung, Lichttechnische Fragen unter Berücksichtigung der Architektur, Berlin 1928

Hanno-Walter Kruft, „Was ist Architekturtheorie?“ in: ders., Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1991, S. 11-19

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Vittorio Magnago Lampugnani u. a. (Hg.), Architekturtheorie. 20. Jahrhundert. Positionen, Programme, Manifeste, Ostfildern-Ruit 2004

Lichter und Leuchter, Entwicklungsgeschichte und Technik eines alten Kulturgutes, Festausgabe aus Anlass des 75-jährigen Geschäftsjubliäums der Trilux-Lenze GmbH + Co. KG in Arnsberg 1/Neheim-Hüsten, Hg. im Selbstverlag, Neheim-Hüsten, 1987

Margret Maile, „Richard Kelly: Die Definition einer modernen Architektur des Lichts“, in: Erco Lichtbericht, 32. Jg. (2007), H. 82 v. Mai, S. 16-21

Hans Theo von Malotki, „Auf dem Wege zur Lichtarchitektur“, in: Daidalos, H. 27 v. 15. März 1988, S. 66-85

André Mercier/Maja Svilar (Hg.), „‘Und es war Licht‘, Zur Kulturgeschichte des Lichts“, Universität Bern, Kulturhistorische Vorlesungen 1981/82, Bern 1983

Ákos Moravánszky (Hg.), Architekturtheorie im 20. Jahrhundert. Eine kritische Anthologie, Wien 2003

Steven A. Nash, „Berlin und Paris: Internationaler Konstruktivismus“, in: Steven A. Nash/Jörn Merkert (Hg.), Naum Gabo, Sechzig Jahre Konstuktivismus, München 1986, S. 28-36

Dietrich Neumann, Architektur der Nacht, München 2002

Werner Oechslin, „Editorial“, in: Daidalos, H. 27 v. 15. März 1988, S. 21

Werner Oechslin, „Lichtarchitektur“, in: Ingeborg Flagge, Architektur Licht Architektur, Stuttgart 1991. In leicht überarbeiteter Fassung erneut erschienen in: Dietrich Neumann, Architektur der Nacht, München 2002, S. 28-34

Werner Oechslin, „Licht: ein Gestaltungsmittel zwischen Vernunft und Gefühl“, in: Daidalos, H. 27 v. 15. März 1988, S. 22-38

Werner Oechslin, "»Architectura / architecti est scientia«: Präliminarien.", in : Wolkenkuckucksheim, 9. Jg. (2005), H. 2 v. März, http://www.tu.cottubs.de/Theo/wolke/deu/Themen/042/Oechslin/oechslin.htp [12.06.08]

Matthias Schirren, Hugo Häring, Architekt des Neuen Bauens, 1882-1958, Ostfildern-Ruit 2001

Wolfgang Schivelbusch, Licht Schein und Wahn, Auftritte der elektrischen Beleuchtung im 20. Jahrhundert, Berlin 1992

Wolfgang Schivelbusch, Licht Schein und Wahn, Auftritte der Beleuchtung im 20. Jahrhundert, Lüdenscheid 1992

Rudolf Schricker, „Licht-Raum, Raum-Licht, Die Inszenierung der Räume mit Licht“, Stuttgart 1994

Michael Schwarz, Licht und Raum, Elektrisches Licht in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1998

Wolfgang Thöner, Das Bauhaus leuchtet, Die Dessauer Bauhausbauten im Licht, Dessau 2005

Elias Torres, Zenithal Light, Barcelona 2004

Page 74: BAUEN MIT LICHT - SOMMERLATTE · 2015. 5. 6. · Architektur Licht Architektur enthält ein umfangreiches Kapitel, das sich der Architektur-geschichte und den Bauaufgaben widmet.14

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5.3 Archivalien

Zeugnis der Firma D. H. W. Schultz & Sohn, Hamburg, 25.01.1908 Signatur: HHA-01-436 Hugo-Häring-Archiv Akademie der Bildenden Künste, Berlin abgedruckt auch bei: Schirren (2001), S. 268 Undatiertes Skizzenblatt Signatur: HHA-01-829 Hugo-Häring-Archiv Akademie der Bildenden Künste, Berlin Das Blatt ist mit „Schwintzer u. Gräff, Berlin, Sebastianstrasse 18“ beschriftet