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INKLUSION WiFF Expertisen | 38 Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow Kinder in Armutslagen Grundlagen für armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung

Beate Hock / G erda Holz / Marlies Kopplow · 1.3 Armut und Inanspruchnahme von Bildungsangeboten in den ersten Lebensjahren 28 1.4 Ökonomische Risikolagen in Kindertageseinrichtungen

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WiFF Expertisen | 38

Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Kinder in ArmutslagenGrundlagen für armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung

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© 2014 Deutsches Jugendinstitut e. V.Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)Nockherstraße 2, 81541 MünchenTelefon: +49 (0)89 62306-173 / -249E-Mail: [email protected]

Herausgeber: Deutsches Jugendinstitut e. V. (DJI)Lektorat: Gabriele ErnstGestaltung, Satz: Brandung, LeipzigTitelfoto: Jag_cz © Fotolia.comDruck: Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt a. M.

www.weiterbildungsinitiative.de

ISBN 978-3-86379-115-5

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) ist ein Projekt des Bundesministe-riums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e. V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutsch-land mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.

WiFF wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europä-ischen Sozialfonds gefördert. Der Europäische Sozialfonds ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Förderinstrument der Europäischen Union. Er leistet einen Beitrag zur Entwicklung der Beschäf-tigung durch Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, des Unternehmergeistes, der Anpassungs-fähigkeit sowie der Chancengleichheit und der Investition in die Humanressourcen.

Zitiervorschlag: Hock, Beate / Holz, Gerda / Kopplow, Marlies (2014): Kinder in Armutslagen. Grundlagen für armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung. Weiterbildungs-initiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Expertisen, Band 38.

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Kinder in ArmutslagenGrundlagen für armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung

Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)

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Vorwort

Bei Inklusion wird oftmals nur an Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung gedacht. Aber auch der kulturelle Hintergrund oder die Lebenslage eines Individuums können zu dessen Ausgrenzungen führen. WiFF setzt sich für ein breites Inklusionsverständnis in der Frühpädagogik ein, das die Teilhabe an Bildung für alle Kinder zum Ziel hat. Um dies im Kita-Alltag umzusetzen, benötigen Fachkräfte Wissen über jede einzelne Dimension von Vielfalt, um differenzsensibles Handeln zu entwickeln.

Die vorliegende Expertise beschäftigt sich mit der Situation von Kindern in Armutslagen. In Deutschland ist etwa jedes fünfte bis sechste Kind im Vorschulalter von Armut betroffen. Kinder in Armutslagen werden in vielerlei Hinsicht benachteiligt und ausgeschlossen.

Kindertageseinrichtungen nehmen eine Schlüsselposition ein, Teilhabebarrieren für Kinder abzubauen. Denn gerade im frühen Kindesalter werden die Entwicklungs- und Bildungschancen wesentlich mitbestimmt. Um die Anforderungen der Praxis bewältigen zu können, benötigen frühpädagogische Fachkräfte neben dem Grundlagenwissen über Einkommensarmut und deren Folgen für die betroffenen Kinder und deren Familien Kompetenzen, um armutssensibel handeln zu können.

Im ersten Teil der Expertise liefern Beate Hock, Gerda Holz und Marlies Kopplow Hintergrund-informationen zum Thema Kinder in Armutslagen und leiten daraus Implikationen für die früh-pädagogische Praxis ab. Die Autorinnen geben Empfehlungen, wie armutssensibles Handeln in der Kindertageseinrichtung institutionalisiert werden kann.

Die Expertise wurde im Auftrag der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) erstellt und wird Teil des Wegweisers Weiterbildung „Inklusion – Kinder und Familien in Armuts-lagen“. Die Verantwortung für die fachliche Aufbereitung der Inhalte liegt bei den Autorinnen. Die Expertise dient der Entwicklung von Weiterbildungsangeboten und soll zudem den fachlichen und fachpolitischen Diskurs anregen.

Ein besonderer Dank gilt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Expertengruppe Kinder und Familien in Armutslagen für ihre fachlichen Ergänzungen und Anmerkungen.

München, im März 2014

Prof. Dr. Anke König Anita MeyerProjektleitung WiFF Wissenschaftliche Referentin

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Inhalt

Einleitung 9

1 Hintergrundwissen zu Armutslagen 121.1 Was heißt Armut? – Wissenschaftliche Definitionen von ökonomischen

Risikolagen 121.1.1 Relative Einkommensarmut (Ressourcenansatz) 131.1.2 Armut als Bezug von Grund- bzw. Mindestsicherungsleistungen 131.1.3 Armut als materielle Deprivation (Lebensstandardansatz) 131.1.4 Armut als soziale Ausgrenzung (Capability-Ansatz) 141.1.5 Armutsrisikoschwellen in Zahlen 14

1.2 Die Lebenssituation von Kindern bis zu sechs Jahren in Armutslagen 171.2.1 Umfang der Armutsbetroffenheit und familiäre Konstellationen 171.2.2 Lebenslagen armutsbetroffener Kinder und ihrer Eltern 211.2.3 Armutstypologie nach Uta Meier-Gräwe 26

1.3 Armut und Inanspruchnahme von Bildungsangeboten in den ersten Lebensjahren 28

1.4 Ökonomische Risikolagen in Kindertageseinrichtungen 311.4.1 Verteilung der Kinder auf die Einrichtungen – Ursachen und Folgen 311.4.2 Ein erstes Zwischenresümee 38

2 Implikationen für die Praxis 392.1 Kindbezogene Armutsprävention – Konzept und Handlungsansätze 40

2.1.1 Drei Grundbegriffe: Prävention, Armutsprävention, Kindbezogene Armutsprävention 40

2.1.2 Kindbezogene Armutsprävention umfasst zwei Ebenen 422.2 Kindbezogene Armutsprävention – ein Beispiel auf kommunaler Ebene 46

2.2.1 „Mo.Ki“ – schrittweise initiiert und nachhaltig angelegt 462.2.2 Das Grundverständnis von „Mo.Ki“:

Förderung und Inklusion von Anfang an 482.2.3 „Mo.Ki 0“ – der Start für Familien mit Kindern bis zu drei Jahren 482.2.4 „Mo.Ki I“ – fünf Kindertageseinrichtungen als Familienzentrum

im Stadtteil 512.3 Kindbezogene Armutsprävention in der Kindertageseinrichtung –

Erkenntnisse aus der Praxis für die Praxis 542.3.1 Anmeldung, Vormerkung und Zugang zur Kindertageseinrichtung 542.3.2 Die Aufnahme – Phase des Übergangs von der Familie in die

Kindertageseinrichtung 552.3.3 Konzeption und pädagogische Ansätze der Kindertageseinrichtung 562.3.4 Interaktion in der Kindergruppe 572.3.5 Arbeit am Thema Armut im Team 572.3.6 (Zusammen-)Arbeit mit Eltern 592.3.7 Vernetzung und Kooperation 602.3.8 Ein zweites Zwischenresümee 61

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3 Empfehlungen für die frühpädagogische Praxis und Resümee 62

4 Literatur 65

5 Anhang 725.1 Abbildungsverzeichnis 725.2 Tabellenverzeichnis 725.3 Fragebogen für pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen 73

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Einleitung

Einleitung

Die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland und die sich daran anschließende Frage nach ökonomischen Risikolagen bzw. Armut und Armutsgefährdung in diesem wohlhabenden Land werden meist als gesellschaftspolitisches The-ma diskutiert. Deutlich weniger Beachtung finden Diskussionen darüber, dass es Lebenssituationen von Erwachsenen und Kindern gibt, die aufgrund sehr beschränkter materieller (aber auch anderer) Ressourcen viele Risiken in sich bergen. Dies sind vor allem Teilhaberisiken, die sich darauf beziehen, ob und inwiefern sozial benachteiligte Menschen in alle gesellschaftlichen Belange eingebunden sind und wie sie die Möglichkeiten unserer Gesellschaft als Ressour-ce für ihr Leben nutzen können.

Ökonomische Risikolagen – ein Thema für frühpädagogische FachkräfteDiese Teilhaberisiken – oder umgekehrt formuliert: Exklusionsrisiken – gelten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Eingeschränkte Teilhabe bzw. Exklusion ist im frühen Kindesalter jedoch besonders folgen-reich, da sie die Entwicklungs- und damit die Lebens-chancen eines jungen Menschen ganz wesentlich bestimmt. Wir wissen heute aus der kindbezogenen Armuts-, der Migrations- und der empirischen Bil-dungsforschung: Aufwachsen unter Armutsbedin-gungen gilt neben der geringen Bildung der Eltern als zentraler Risikofaktor für die kindliche Entwicklung (vgl. hierzu Autorengruppe Bildungsberichterstat-tung 2012, S. 41).

Spätestens mit Blick auf die Folgen für die jun-gen Menschen wird erkennbar, dass das Thema ökonomische Risikolagen bzw. Armut auch zu einem wichtigen Thema für frühpädagogische Fachkräfte und ihre pädagogische Arbeit wird. Sie kann zwar nicht die gesellschaftliche Armutsproblematik und die zugrunde liegenden Ursachen lösen – dazu bedarf es politischer Entscheidungen und entsprechender anderer Rahmensetzungen – , sie kann aber vorher-sehbare Folgen bei den betroffenen Kindern durch vorausschauendes Handeln verhindern oder mindes-tens vermindern helfen.

Entsprechend der gesellschaftspolitisch gesetzten Norm ist die Kindertageseinrichtung (Kita) die einzige gesellschaftliche Institution, die – jenseits der Fami-lie – die frühen Lebensjahre weitestgehend prägt. Den Kindertageseinrichtungen und somit den dort arbeitenden frühpädagogischen Fachkräften kommt also eine zentrale Funktion zu. Um diese auszufüllen, müssen die Fachkräfte

– ökonomische Risikolagen erkennen können, – Eltern und Kindern in ökonomischen Risikolagen

vorurteilsbewusst und wertschätzend begegnen können,

– sich vor dem Hintergrund der eigenen Biografie und der sozialen Lebenswelt selbstreflexiv mit ihrer Haltung und ihrem Handeln auseinandersetzen,

– die Folgen ökonomischer Risikolagen bzw. von Ar-mut kennen sowie die Teilhaberisiken einschätzen können und

– Wege finden, im Alltag der Kindertageseinrichtung die Teilhabe aller zu sichern, Benachteiligungen zu reduzieren und damit Entwicklungs- und Lebens-chancen zu verbessern.

Die Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte kann hierfür zentrale Grundlagen liefern. Angesichts der Komplexität, die mit dem Thema ökonomische Risikolagen einhergeht, ist zudem ganz besonders der Bereich der Weiterbildung gefordert.

Inklusion und inklusive Pädagogik als Grundlage für die Arbeit mit Kindern in ArmutslagenHeute wird Inklusion als eine gesellschaftliche Vorstel-lung des menschlichen Zusammenlebens verstanden, an die sich eine Gesellschaft in einem fortwährenden Prozess annähert, ohne sie vielleicht jemals zu errei-chen. Diese Vision baut auf der Verwirklichung inklu-siver Kulturen und inklusiver Strukturen auf, die die Teilhabe des einzelnen Menschen an der Gemeinschaft ermöglichen, indem die Barrieren für die Teilhabe aktiv beseitigt werden (vgl. hierzu z. B. Alicke / Eichler 2013). Einige zentrale Aspekte sind im Folgenden auf-geführt. Inklusion

– „verfolgt das Ziel, das Menschenrecht einzelner Personen auf Teilhabe am Leben in allen gesell-schaftlichen Bereichen zu etablieren;

– versteht die Verschiedenheit (Heterogenität) von Menschen als bereichernde Vielfalt und versucht, sie aktiv zu nutzen. Dazu gehören verschiedene

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Arten von Heterogenität: personal, regional, sozial, kulturell und anders bedingte Eigenschaften und Fähigkeiten, Geschlechterrollen, ethnische Her-kunft, Nationalitäten, Erstsprachen, soziale Milieus, Religionen, weltanschauliche Orientierungen, körperliche Bedingungen etc.;

– erkennt jede Person in ihrer Einmaligkeit an und begreift die Gruppe als unteilbares Spektrum von Individuen;

– wendet sich gegen jede gesellschaftliche Tendenz, Menschen an den Rand zu drängen. Inklusion stellt vielmehr Brücken und ‚Sprungbretter‘ für Teilhabe bereit, um die Vision einer inklusiven Gesellschaft zu realisieren;

– vermittelt das Bewusstsein und die Kompetenz, die vielfältigen Quellen, Formen und Strukturen von Diskriminierung erkennen zu lernen und nachhal-tig zu beseitigen;

– begegnet jedem Einzelnen, inner- und außerhalb einer Organisation / Einrichtung, mit Fairness und Solidarität, Offenheit und Respekt“ (Montag Stif-tung Jugend und Gesellschaft 2010, S. 2 f.).

„Inklusion als Aufforderung, Barrieren zur Teilhabe wahrzunehmen und abzubauen, bedeutet zwingend eine systematische Auseinandersetzung mit Benach-teiligung und Privilegierung“, schreiben Annika Sulzer und Petra Wagner in ihrer WiFF-Expertise zum Thema Inklusion (Sulzer / Wagner 2011, S. 20). Inklusive Pädagogik zielt also genauso darauf ab, soziale Zu-gehörigkeiten zu berücksichtigen, unterschiedliche Lebenslagen zu kennen und gegen Ausgrenzungen zu arbeiten. Das heißt aber auch, jedes Kind in seiner individuellen Besonderheit anzuerkennen und in seinen spezifischen Entwicklungsbedürfnissen wahr-zunehmen (Sulzer / Wagner 2011, S. 22).

Mit Blick auf Kinder in Armutslagen bedeutet das: Einerseits muss eine Fachkraft erkennen können, welchen Benachteiligungen die betroffenen Kinder in der Regel ausgesetzt sind, zum anderen darf diese „Etikettierung“ nicht dazu führen, dass das Kind in seiner jeweiligen eigenen Besonderheit – seiner Indi-vidualität – übersehen wird (Weiß 2010).

Diese „doppelte Idee“ der Inklusion ist uns bei der Erstellung dieser Expertise wichtig gewesen, wobei die Aufgabe hier vor allem darin besteht, das Wissen um materiell bedingte Ausgrenzungsmechanismen und psychosoziale Deprivationsfolgen zu vergrö-

ßern sowie darauf bezogene Handlungsansätze zur Armutsprävention und Beförderung von Inklusion vorzustellen.

Vorurteilsbewusstsein und SelbstreflexionskompetenzEine zentrale Bedingung, die es ermöglicht, dass in-klusive Prozesse im Alltag der Kindertageseinrichtung speziell auch mit Kindern und Eltern in Armutslagen gelingen, liegt in einer hohen Selbstreflexionskompe-tenz der frühpädagogischen Fachkräfte im Hinblick auf die Erscheinungsformen und Verhaltensweisen von Menschen in ökonomischen Risikolagen. Diese Lebenswelt ist für die Fachkräfte, sofern sie nicht selbst einen solchen Hintergrund aufweisen oder damit persönliche Erfahrungen gemacht haben, weitgehend fremd. Mangelnde Kenntnis und Einsicht bedeuten aber auch (partielles) Unverständnis.

Pädagogische Fachkräfte wachsen eher in (klein)-bürgerlich-mittelschichtorientierten Lebenswelten auf (Niehues u. a. 2013; Weiß 2012 a) und verinner-lichen so über tief greifende Sozialisationsprozesse von Kindheit an entsprechende Wertorientierungen und normative Handlungsmuster. Daher tendieren sie leicht dazu, die Lebens- und Verhaltensweisen von Kindern und Familien, auch jener in Armutsverhältnissen, mit einem mittelschichtgeprägten Blick wahrzunehmen und zu beurteilen. So entstehen schnelle, „fertige“ Urteile, bevor hinreichend die Frage reflektiert wird, warum diese Familien bzw. jungen Menschen so han-deln, wie sie handeln. Nur über solche reflektierenden Fragen wird es aber möglich, die dem Beurteilenden fremden Deutungs- und Handlungsmuster der Beur-teilten mit einzubeziehen.

Die Gefahr, dass solchen Vor-Urteilen (auch) früh-pädagogische Fachkräfte unterliegen, ist groß und angesichts der jeweils eigenen lebensweltlichen und lebensgeschichtlich verankerten Erfahrungs- und daraus resultierenden Deutungsunterschiede auch verständlich. Allerdings kommt es aus professionell-fachlichen Gründen darauf an, dass sich Fachkräfte dieser Gefahr bewusst sind, d. h. ein Bewusstsein der eigenen Vorurteilsbereitschaft entwickeln. Denn erst dadurch wird es ihnen möglich, ihre eigenen Wahrnehmungen und Beurteilungen zu reflektie-ren und auf mögliche überfordernde Ansprüche an die Eltern und unangemessene Einschätzungen der familiären Situation hin kritisch zu überprüfen. Dazu

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Einleitung

bedürfen pädagogische Fachkräfte einer doppelten reflexiven Distanz, zum einen einer reflexiven Distanz zu den eigenen Wertvorstellungen und Normen, zum anderen zu den ökonomisch und kulturell geprägten Lebensmustern der Familien und ihrer Mitglieder.

Zum eigenen Werte- und Normensystem, zum eige-nen Lebenskonzept in Distanz zu treten, kann bereits damit beginnen, kritisch nach dessen Allgemein-gültigkeit zu fragen (Weiß 2012 a). In reflexive Distanz zu den subjektiven Deutungs- und Handlungsmustern von armutsbetroffenen Menschen zu treten heißt, diese Muster als Ausdruck lebensweltlich geprägter und lebensgeschichtlich entstandener Strategien zu begreifen, mit denen diese Familien ihre prekäre Lebenswirklichkeit zu bewältigen suchen. Eine sol-che Sichtweise kann dazu beitragen, sich die „guten Gründe“ des Denkens und Handelns von Menschen in deprivierten Lebensverhältnissen bewusst zu machen, auch wenn sie den eigenen normativen Vorstellungen nicht entsprechen mögen. Dies erleichtert es, bei Menschen anderer soziokultureller Lebenswelten und Herkunft „verschüttete“ oder auf den ersten, auf die eigene Lebenswelt und Kultur zentrierten Blick übersehene Ressourcen zu entdecken.

So sind Vorurteilsbewusstsein und Selbstrefle-xionskompetenz wichtige Voraussetzungen, um mit sozioökonomisch, aber auch anders bedingten Verschiedenheiten der Kinder und deren Herkunfts-welten angemessen umzugehen. Sie sind damit ein grundlegendes Kriterium inklusiver Kultur in (früh-)pädagogischen Handlungsfeldern. 1

Stand und Grenzen der Forschung – Grundlagen der ExpertiseStudien zu Armut, deren Ursachen, den Risiken und ihren Auswirkungen gibt es inzwischen viele. Nicht zuletzt tragen dazu die regelmäßigen Armuts- und Reichtumsberichterstattungen der Bundesregierung bzw. der Länder und Kommunen bei. Aktuell liegt der 4. Bericht der Bundesregierung dazu vor (Bundesmi-nisterium für Arbeit und Soziales 2013).

Zum Standard sozialwissenschaftlicher Studien ge-hört es heute, auch sozialstrukturelle Auswertungen vorzunehmen, sodass gegenwärtig ein beachtliches Wissen zur sozialen Lage und über soziale Unter-

1 Wir danken Hans Weiß für diese wichtige Ergänzung.

schiede von jungen Menschen vorliegt, beispielsweise hinsichtlich der Gesundheit (z. B. Studie zur Gesund-heit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, KiGGS-Studie), der Bildung (z. B. PISA-, IGLU-Studien), der Freizeitgestaltung (z. B. Engels / Thielebein 2011), des Medienkonsums (Kinder und Medien, KIM-Studi-en) oder der Alltagsgestaltung und Beteiligung (z. B. World-Vision-Studien). Typisch für solche Studien ist, dass darin die finanzielle Lage, der Bildungshin-tergrund, die Erwerbssituation und die kulturelle Herkunft der jeweiligen Personen erfasst und dann zu einem Merkmal (z. B. „soziale Herkunft“, „soziale Schicht“) gebündelt werden. Eine solche methodische Herangehensweise verschleiert jedoch die Zusam-menhänge, und die Wirkung von Armut oder – anders ausgedrückt – die Folgen ökonomischer Risikolagen bei Kindern werden nicht differenziert sichtbar (Holz u. a. 2013). „Reine“ Armutsstudien sind selten.

Auffallend ist weiterhin, dass nach wie vor nur wenige Untersuchungen zu der für diese Expertise relevanten frühkindlichen Lebensphase vorliegen. Hier stellt die Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt und des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (AWO-ISS-Studie) zu Lebenslagen, Lebensverlauf und Zukunftschancen von (armen) Kindern die zentrale Informationsbasis dar (ISS 2012). Ende der 1990er-Jahre hatte diese Studie erstmals in Deutschland die Armut von Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter zum Gegenstand. In ihrem Rahmen wurde ein eigener Ansatz in der Armutsforschung – die kindbezogene Armutsforschung – entwickelt, der für die Fragestel-lungen dieser Expertise eine gute Grundlage bildet.

Aus der AWO-ISS-Studie ging außerdem ein Ansatz der kindbezogenen Armutsprävention hervor, der eine Prävention auf der Verhaltens- und Verhältnis-ebene beinhaltet. Dazu hat neben dem gesundheits-wissenschaftlichen Ansatz, der gesundheitliche Un-gleichheit als Folge sozialer Ungleichheit sieht (Mielck 2005), und dem salutogenetischen Verständnis von Gesundheitsförderung (Bundeszentrale für gesund-heitliche Aufklärung Berlin-Brandenburg 2009) auch die Resilienzforschung mit Fokus auf armutsbetrof-fene Kinder – allen voran Margherita Zander (2010 a) – wichtige Eckpunkte geliefert.

Der Ansatz kindbezogener Armutsprävention hat zudem Wurzeln im konkreten Alltag, nämlich durch die Erprobung auf kommunaler Ebene, wie in Mon-heim am Rhein, und die dort seit 2002 erfolgende

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systematische Entwicklung einer kommunalen Hand-lungsstrategie. Kindbezogene Armutsprävention beinhaltet Förderung von sozialer Inklusion durch entsprechende Gestaltung der Entwicklungs- und Lebensbedingungen von Kindern mit dem Ziel des „Aufwachsens im Wohlergehen“ – auch von jungen Menschen in ökonomischen Risikolagen.

Armutsforschung zu Kindern unter drei Jahren fehlt bislang für Deutschland gänzlich. Erste Hinweise auf die Situation der Familien liefert zum Beispiel die „Monheimer Neuelternstudie“ mit der Zielgruppe „Eltern in den ersten drei Monaten nach der Geburt ihres Kindes“ (Holz / Stallmann / Hock 2012).

Damit liegt Grundlagenwissen vor, das für die Arbeit frühpädagogischer Fachkräfte bedeutsam ist und Bestandteil ihrer Aus- und Weiterbildung sein sollte.

Gliederung der ExpertiseDie vorliegende Expertise gliedert sich in zwei grund-legende Kapitel und ein Schlusskapitel. Kapitel 1 beginnt mit einer definitorischen Einordnung (vgl. Kap. 1.1), gefolgt von der Beschreibung der Lebens-situation von Kindern bis zu sechs Jahren (und ihren Eltern) in Armutslagen (vgl. Kap. 1.2). In Kapitel 1.3 wird dargestellt, welche Unterschiede bezüglich der Nutzung von frühen Bildungsangeboten zwischen armutsbetroffenen und anderen Familien bestehen. Am Ende der Ausführungen wird u. a. der Frage nach-gegangen, inwiefern der Anteil von Kindern in ökono-mischen Risikolagen in einer Kindertageseinrichtung die Arbeit der Fachkräfte und die Chancen der Kinder mitbestimmt.

Kapitel 2 setzt strukturell auf der Ebene der Kommu-ne an. Zunächst wird das Konzept der kindbezogenen Armutsprävention allgemein vorgestellt (vgl. Kap. 2.1). Kapitel 2.2 schildert am Beispiel „Mo.Ki – Monheim für Kinder“ eine konkrete kommunale Umsetzungsstra-tegie. Abschließend wendet sich Kapitel 2.3 zentralen Aufgabenstellungen der Praxis in der Kindertagesein-richtung zu.

Kapitel 3 resümiert, was sich aus Sicht der Autorin-nen an ersten Empfehlungen für die Weiterbildung der frühpädagogischen Fachkräfte ableiten lässt.

1 Hintergrundwissen zu Armutslagen

In der Öffentlichkeit, aber auch in fachlichen Dis-kursen werden höchst unterschiedliche Vorstellungen und Definitionen von Armut formuliert, die vor allem auf individuellen Alltags- und Berufserlebnissen basieren (z. B. Hock u. a. 1999). Demgegenüber liegen wissenschaftliche und politische Armuts(risiko)defi-nitionen vor, die davon deutlich abweichen und nicht hinreichend bekannt sind.

1.1 Was heißt Armut? – Wissenschaftliche Definitionen von ökonomischen Risikolagen

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen zu ökonomischen Risikolagen. Häufig wird in Deutschland jedoch nicht der Begriff ökonomische Risikolage verwendet, sondern darum gerungen, wie Armut zu fassen bzw. zu definie-ren ist. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die beiden Begriffe gleichbedeutend gebraucht, und häufig wird der Einfachheit halber – oder weil die ver-wendeten Studien es so benennen – nur von „Armut“ gesprochen.

Maksim Hübenthal hat vor wenigen Jahren die Definitionsfrage kurz und bündig so zusammenge-fasst: „Die Definition von Armut stellt eine soziale Konstruktion dar und ist mit gesellschaftlichen Werte- und Normvorstellungen verbunden. Unter welchen Bedingungen eine Person oder eine Personengruppe als arm gilt, unterliegt einem fortwährend aushan-delbaren gesellschaftlichen Definitionsprozess. Wenn in einer modernen Industrienation wie Deutschland von Armut die Rede ist, wird meist entweder auf das Konzept der relativen Armut zurückgegriffen oder Ar-mut wird mit dem Bezug von sozialstaatlichen Grund-sicherungsleistungen gleichgesetzt“ (Hübenthal 2009, S. 8; Hervorhebung durch die Autorinnen).

Betrachtet man die aktuelle Diskussion um den Ar-mutsbegriff anhand des deutschlandweiten 4. Armuts- und Reichtumsberichtes (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] 2013) bzw. aktueller Länder berichte

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

(z. B. Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 2012), so gilt die obige Aussage nach wie vor. Darüber hinaus finden sich dort jedoch weitere Armutsdefinitionen und -konzepte. Die wichtigsten zurzeit verwendeten Definitionen werden im Folgenden aufgeführt und kurz beschrieben.

1.1.1 Relative Einkommensarmut (Ressourcenansatz)Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS NRW) fasst den soge-nannten Ressourcenansatz folgendermaßen zusammen: „Nach dem Konzept der relativen Einkommensarmut wird Armut bzw. Armutsgefährdung in Relation zum mittleren Einkommen in der jeweiligen Region defi-niert. Wer ein Einkommen unterhalb eines bestimmten Mindestabstands zum mittleren Einkommen hat, gilt als armutsgefährdet. Dabei wird davon ausgegangen, dass beim Unterschreiten eines bestimmten Prozentsatzes des mittleren Einkommens die finanziellen Mittel so gering sind, dass der Lebensstandard und die Teilha-bemöglichkeiten der betroffenen Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit das gesellschaftlich akzeptable Minimum unterschreiten“ (MAIS NRW 2012, S. 71).

Als relativ einkommensarm gilt in Deutschland bzw. der Europäischen Union in der Regel, wer weniger als 60 % des mittleren, nach Haushaltsgröße bedarfs-gewichteten Einkommens zur Verfügung hat.

1.1.2 Armut als Bezug von Grund- bzw. MindestsicherungsleistungenNach dieser Definition „ist von Armut bedroht, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft aufbringen kann und von staatlichen Mindestsiche-rungsleistungen [s.u.] abhängig ist. Die Definition der von Armut bedrohten Bevölkerung ist nach diesem Konzept von dem System der sozialen Sicherung und den normativen Setzungen, die der Festlegung der Anspruchsberechtigung zugrunde liegen, abhängig. Bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung wird – entsprechend der zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen Rechtslage – nicht nur das regelmäßige Einkommen der Haushalte bzw. Bedarfsgemeinschaften, sondern auch deren Vermögen berücksichtigt. Der Bezug von Mindestsicherungsleistungen kann somit auch als Indikator dafür betrachtet werden, dass die wirtschaft-lichen Reserven eines Haushalts aufgebraucht sind. Mindestsicherungsleistungen sind finanzielle Hilfen

des Staates, die zur Sicherung des sozioökonomischen Existenzminimums an leistungsberechtigte Personen gezahlt werden“ (MAIS NRW 2012, S. 88).

Als arm gilt demnach, wer eine der folgenden Leis-tungen bezieht:

– SGB-II-Leistungen: Arbeitslosengeld II / Sozialgeld („Grundsicherung für Arbeitsuchende“), oft „Hartz IV“ genannt (Sozialgesetzbuch SGB II);

– „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde-rung“ (SGB XII), „Sozialhilfe“ genannt;

– „Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrich-tungen“ (SGB XII);

– Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz (AsylbLG).

1.1.3 Armut als materielle Deprivation (Lebensstandardansatz)Als Deprivation bezeichnet man den Mangel an Res-sourcen. Dieser Ansatz betrachtet die Ergebnisse des Verhaltens der Einzelnen nach dem Einsatz der ihnen zugänglichen Ressourcen. Relevant ist der Lebens-standard, über den Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer gegebenen Gesellschaft tatsächlich verfügen. Arm ist nach dieser Definition die Person, die nicht über einen allgemein akzeptierten (minimalen) Lebensstandard verfügt (BMAS 2013, S. 430).

In der Europäischen Union wird eine erhebliche materielle Deprivation zurzeit so definiert: Arm ist, wer Entbehrungen in mindestens vier der folgenden neun Bereiche aufweist:

– Miete, Wasser / Strom sowie Verbindlichkeiten, – angemessene Beheizung der Wohnung, – Tätigung von unerwarteten Ausgaben, – jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch

oder gleichwertiger Proteinzufuhr, – Möglichkeit zu einem einwöchigen Urlaub an

einem anderen Ort, – Besitz eines Autos, – Besitz einer Waschmaschine, – Besitz eines Fernsehers, – Besitz eines Telefons.

Das Fehlen der vier letztgenannten Konsumgüter wird nur dann gewertet, wenn sie aus finanziellen Gründen nicht angeschafft werden können, wenn also die Be-fragten angeben, sich zum Beispiel kein Auto leisten zu können, obwohl sie es gerne hätten bzw. bräuchten (BMAS 2013, S. 353).

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1.1.4 Armut als soziale Ausgrenzung (Capability-Ansatz)Der Capability-Ansatz bzw. das Konzept der Verwirk-lichungschancen – auch Befähigungsansatz genannt – wurde von dem indischen Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen entwickelt.

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes-regierung beschreibt diesen Ansatz so: „Armut stellt (…) generell einen Mangel an Verwirklichungschan-cen dar. Armut im Sinne sozialer Ausgrenzung und nicht mehr gewährleisteter Teilhabe liegt dann vor, wenn die gesellschaftlich bedingten Chancen und Handlungsspielräume von Personen in gravierender Weise eingeschränkt und gleichberechtigte Teilhabe-chancen an den Aktivitäten und Lebensbedingungen der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Diese Definiti-on enthält neben dem relativen Charakter auch die

Mehrdimensionalität von Armut. Armut bezieht sich demnach auf die Ungleichheit von Lebensbedingun-gen und -chancen sowie auf die Ausgrenzung von einem gesellschaftlich akzeptierten Lebensstandard“ (BMAS 2013, S. 436). Die Konkretisierungsversuche zu diesem Ansatz sind jedoch komplex und zum Teil noch umstritten (BMAS 2013, S. 23).

1.1.5 Armutsrisikoschwellen in ZahlenAus der oben stehenden Darstellung wird deutlich, dass Armut im Falle der beiden gängigsten Defini-tionen, der „relativen Einkommensarmut“ (siehe Kap. 1.1.1) und der „Armut als Bezug von Grund- bzw. Mindestsicherungsleistungen“ (siehe 1.1.2), mit dem Unterschreiten von Einkommensgrenzen verbun-den ist. Die Tabellen 1 und 2 geben die aktuellen Armuts(risiko)schwellen in Geldbeträgen an.

Tabelle 1: Armutsrisikoschwellen ausgewählter Haushaltstypen im Jahr 2010 (relative Einkommensarmut)

Haushaltstyp (Gewichtungs-)Faktor (gemäß neuer OECD-Skala)

Armuts(risiko) schwellein € je Monat

Einpersonenhaushalt 1 993

(Ehe-)Paar ohne Kinder 1,5 1.490

(Ehe-)Paar mit einem Kind 1,8 1.788

(Ehe-)Paar mit zwei Kindern 2,1 2.086

(Ehe-)Paar mit drei Kindern 2,4 2.384

Alleinerziehende(r) mit einem Kind 1,3 1.291

Alleinerziehende(r) mit zwei Kindern 1,6 1.589

LESEHILFE: Ein Kind, das mit einer alleinerziehenden Mutter und ohne Geschwister lebt, gilt als arm, sofern die Familie weniger als 1.291 € im Monat an Nettoeinkommen zur Verfügung hat.

Quelle: Sozioökonomisches Panel (SOEP) v28; nach Grabka u. a. 2012, S. 9

Tabelle 1 verdeutlicht auf der Basis des Haushalts-nettoeinkommens, dass die Einkommensgrenze je nach Größe des Haushalts variiert: Je mehr Personen in der Familie leben, desto höher wird die Armutsrisi-kogrenze angesetzt. So lag die Armutsrisikoschwelle im Jahr 2010 zum Beispiel bei einem (Ehe-)Paar mit einem Kind bei 1.788 €, bei einem (Ehe-)Paar mit drei Kindern bei 2.384 €. Dabei geht die OECD-Skala nicht davon aus, dass etwa ein Zweipersonenhaushalt dop-

pelt so viel Geld benötigt wie ein Einpersonenhaushalt, um die materielle Teilhabe zu sichern, sondern nur das 1,5-Fache. Kinder werden bei der Berechnung wiederum nur mit dem Faktor 0,3 berücksichtigt (siehe Spalte „(Gewichtungs-)Faktor“). Begründet wird diese Art der Berechnung mit den Einspareffekten des gemeinsamen Wirtschaftens in einem Haushalt (z. B. über einen günstigeren Einkauf oder die Nutzung einer gemeinsamen Waschmaschine). Die genannten

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

(Gewichtungs-)Faktoren drücken diese Einspareffekte aus. Die Höhe dieser Faktoren ist allerdings umstritten (vgl. z. B. Hauser 2002); insbesondere der Faktor 0,3 für Kinder erscheint sehr gering. In einer früheren Versi-on der OECD-Skala lag die Gewichtung höher: Es galt Faktor 0,7 für jedes weitere erwachsene Haushaltsmit-glied und 0,5 für jedes Kind. Würde diese Skala heute noch verwendet, lägen die Armutsquoten für Familien und Kinder deutlich höher.

Auch in die Berechnung von Grundsicherungsleis-tungen – zum Beispiel Arbeitslosgengeld II (ALG II), umgangssprachlich „Hartz IV“ genannt – fließt dieser Ansatz ein: Die Regelsätze, die neben den Wohnkosten

(„Kosten der Unterkunft“, KdU) übernommen werden, variieren zum einen nach Alter und zum anderen da-nach, ob es sich um die erste oder zweite erwachsene Person im Haushalt handelt. Eine aktuelle Übersicht über diese (Armuts-)Grenzen bietet Tabelle 2. Die Beispiele zeigen, wie sich das Haushaltseinkommen nach der Grundsicherung für Arbeitsuchende zusam-mensetzt, und können den frühpädagogischen Fach-kräften als Orientierung dienen, mit wie wenig Geld diejenigen Familien in ihrer Kindertageseinrichtung auskommen müssen, die ALG II beziehen: So stehen etwa einer Alleinerziehenden mit einem vierjährigen Kind nur 1.106 € zur Verfügung.

Tabelle 2: Armutsrisikoschwellen ausgewählter Haushaltstypen 2011 / 12 (Armut als Bezug von Mindestsicherungsleistungen)

Antragsteller/in Regelbedarfe KdU 2 Haushalts-einkommen

Alleinstehende/r 374 283 657

(Ehe-)Paar 674 358 1.032

Alleinerziehend, 1 Kind, 4 Jahre 728 378 1.106

Alleinerziehend, 2 Kinder, 4 und 12 Jahre 979 435 1.414

(Ehe-)Paar, 1 Kind, 4 Jahre 893 474 1.367

(Ehe-)Paar, 2 Kinder, 4 und 12 Jahre 1.144 547 1.691

(Ehe-)Paar, 3 Kinder, 4, 12 und 15 Jahre 1.431 610 2.041

LESEHILFE: Ein vierjähriges Kind, das mit einer alleinerziehenden Mutter und ohne Geschwister lebt, gilt als arm bzw. leistungsberechtigt, sofern die Familie weniger als 1.106 € im Monat an Nettoeinkommen zur Verfügung hat.

Quelle: BMAS 2013, S. 120

Zu beachten ist, dass es sich hier nicht um fixe Ar-muts- bzw. Anspruchsgrenzen handelt, die nur nach Haushalts- oder Familientyp variieren, sondern dass vor allem die konkreten Wohnkosten über die Höhe der Grenzen entscheiden. Hat jemand eine hohe Miete (z. B. weil der oder die Betreffende in einer westdeut-schen hochpreisigen Großstadt wohnt), dann ist die Grenze der Anspruchsberechtigung höher als bei einer vergleichsweise niedrigen Miete. Darüber hinaus wer-

2 Durchschnittliche angemessene laufende Kosten für Unterkunft und Heizung (Juli 2011, Quelle: Analysereport SGB II, Nov. 2011, S. 55).

den auch bestimmte sogenannte „Mehrbedarfe“ (z. B. für Alleinerziehende und Schwangere) berücksichtigt, die sich wiederum auf die Grenze auswirken, bis zu der die Leistung bezogen werden kann. 3

Die (Armuts-)Grenzen unterscheiden sich je nach Armutskonzept – hier: relative Einkommensarmut und Armut als Bezug von Mindestsicherungsleistungen –

3 Informationen zur Leistung ALG II bzw. nach dem Sozialgesetz buch II (SGB II): www.sgb2.info. Informationen zu den verschiedenen Grundsicherungsleistungen in Deutschland, aber auch zu Sozial­leistungen insgesamt finden sich in einer sehr guten Übersicht unter www.sozialpolitik­aktuell.de/sozialstaat­grundinfo.html.

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

mehr oder weniger deutlich. So liegt diese Grenze bei-spielsweise für eine Alleinerziehende mit einem Kind und einer durchschnittlichen Miete einmal bei 1.291 € (siehe Tab. 1) und das andere Mal bei 1.106 € (siehe Tab. 2). In diesem konkreten Fall wäre also die Allein-erziehende (und ihr Kind) trotz Bezug von ALG II noch unter der Grenze relativer Einkommensarmut. Es gibt jedoch auch andere Fälle, in denen bei ALG-II-Bezug das Einkommen mehr oder weniger knapp oberhalb der Armuts(risiko)grenze liegt.

Wird trotz Unterschreitens der Bedarfsgrenze ( = Anspruchsberechtigung) keine Grundsicherungs-leistung (z. B. Arbeitslosgeld II oder Sozialhilfe nach SGB XII) beantragt, so spricht man von verdeckter Armut. Die Betreffenden handeln zum Teil aus Unwissen, Scham oder auch, um zum Beispiel Behördenkontakte zu ver-meiden, die sie als sehr unangenehm wahrnehmen. 4

Gemäß der Armutsdefinition des Lebensstandard-ansatzes (siehe Kap. 1.1.3) würden die Alleinerziehen-de und ihr Kind dann als arm betrachtet, wenn sie gleichzeitig

– keinen Urlaub machen können, – im Winter beim Heizen sparen müssen, – ab dem 20. jedes Monats nur noch das Notwendigste

zum Essen haben und – zum Beispiel die überraschend kaputtgegangenen

Schuhe des Kindes nicht ersetzen können.

Dieser zumindest zum Teil von außen wahrnehmbare Lebensstandard hängt jedoch nicht nur vom Haus-haltseinkommen, sondern auch von den individu-ellen Kompetenzen und Handlungen insbesondere der Erwachsenen ab: Die eine Familie schafft es trotz eines Einkommens auf Armutsniveau (im obigen Fall 1.200 €) – zum Beispiel durch sehr preisgünstige Vor-ratskäufe und Ansparen kleiner Beträge für Notfälle – , sich bis zum Ende des Monats halbwegs gesund und

4 Vor Einführung von ALG II im Jahr 2005 kamen in einer umfassen­den Studie zu Armut und Bezug von Grundsicherungsleistungen von Irene Becker (2007) auf drei Grundsicherungsbezieherinnen bzw. Bezieher zwei Personen, die – obgleich sie mit ihrem Ein­kommen unterhalb der Anspruchsgrenze lagen – keine Leistun­gen beantragten bzw. bezogen. Durch eine Simulationsstudie des Instituts für Arbeitsmarkt­ und Berufsforschung (IAB) auf der Basis des Sozioökonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2005 bis 2007 konnten folgende Werte errechnet werden: 2005 lag die Quote der Nichtinanspruchnahme von SGB II / SGB XII bei 58 %, 2006 bei 48 % und 2007 bei 48 % der potenziell anspruchsberech­tigten Haushalte (Bruckmeier / Wiemers 2012).

ausreichend zu ernähren und hat auch noch 20 € üb-rig, um die kaputten Kinderschuhe zu ersetzen; die andere Familie schafft dies bei gleichem Einkommen aber nicht. 5 Möglicherweise hat die erstgenannte Familie auch bessere soziale Netzwerke und bekommt beispielsweise Kinderkleidung und Spiele regelmäßig von Freunden oder Verwandten geschenkt, sodass hierfür keine Ausgaben anfallen, oder das Kind ver-reist sehr kostengünstig mit Freunden, sodass zumin-dest für das Kind eine erlebnisreiche Zeit gesichert ist.

Unter anderem solche – jenseits des Einkommens liegende – Unterschiede bedingen, dass sich bei glei-cher Einkommenslage die einen Menschen arm fühlen und die anderen nicht (subjektive Armut):

„Haben Menschen einen bescheidenen und ein-fachen Lebensstil selbst gewählt, so verstehen sie sich in der Regel nicht als arm. Haben sie jedoch das Gefühl, Objekt und Opfer von Umständen oder Entwicklungen zu sein, die sie nicht kontrollieren können und wes-wegen sie unfreiwillig materielle und seelische Not leiden, so begreifen sie sich oft als arm, selbst wenn sie nach objektiven Maßstäben nicht zu den Armen zu rechnen wären. So prägt sie vor allem eine Perspektiv-losigkeit und die Abwesenheit von der Hoffnung und Zuversicht, dass man sich durch eigener Hände Arbeit selbst aus der Notlage wird befreien können“ (World Vision Institut für Forschung und Innovation 2013).

Da die subjektive Wahrnehmung in vielen Fällen nicht nur eine innere Haltung widerspiegelt, sondern oftmals auch tatsächliche Zukunftsperspektiven aus-drückt (Hauser / Hock 1997 sowie Geser o.J.) und sich nicht zuletzt selbst auf die Zukunft auswirkt, ist die subjektiv wahrgenommene Armut zumindest dann ein relevanter Faktor, wenn es um den konkreten Um-gang mit armutsbetroffenen Menschen geht.

5 Es ist wichtig, bei betroffenen Familien auf derartige Unter­schiede in der Bewältigung ihrer gravierenden finanziellen Ein­schränkungen zu achten, um sie in ihrer jeweiligen Lebenswirk­lichkeit angemessen wahrzunehmen. Jedoch wäre es höchst problematisch, daraus vorschnelle und einseitige Bewertungen abzuleiten und damit gar Schuldzuweisungen zu verbinden („Die einen schaffen es doch, die anderen eben nicht, sind also letzt­lich doch selbst daran schuld.“). Im selbstkritischen Bewusstsein um mögliche eigene Vorurteile, also in einer vorurteilsbewussten Haltung, haben Fachkräfte vielmehr nach den Hintergründen z. B. dafür zu fragen, weshalb Menschen in Armut, oftmals schon von Kindheit an, wenig Möglichkeiten haben, einen planvollen Umgang mit Geld und anderen materiellen Ressourcen zu lernen.

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

1.2 Die Lebenssituation von Kindern bis zu sechs Jahren in Armutslagen

In diesem Abschnitt geht es darum, den Umfang der Armutsbetroffenheit von Kindern, die familiären Kon-stellationen und die Lebenslage der Kinder und ihrer Eltern möglichst umfassend darzustellen. Diese Wis-sensbasis benötigen die frühpädagogischen Fachkräf-te für ihre Praxis, um unter anderem den Ausschnitt der Lebensrealität, den sie in ihrer Kindertageseinrich-tung erleben, richtig einordnen zu können.

1.2.1 Umfang der Armutsbetroffenheit und familiäre KonstellationenJe nach Definition (siehe Kap. 1.1) bzw. Operationa-lisierung sind bundesweit zwischen 7 % und 35 % der Kinder von Armut betroffen (BMAS 2013; Schröder 2013). Insbesondere junge Menschen leben zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil in ökonomischen Risikolagen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012).

Für frühpädagogische Fachkräfte ist es wichtig zu wissen: Es gibt Kinder und Familien, die trotz Bezug von ALG II noch unterhalb der Grenze relativer Ein-kommensarmut leben, und solche, deren Absicherung

mit diesen Leistungen (knapp) über die Armutsgrenze „gehoben“ wird. Der Bezug von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) ist also kein ausreichender Hinweis für eine ökonomische Risikolage: Laut den Ergebnis-sen der Studie von Torsten Lietzmann, Silke Tophoven und Claudia Wenzig waren im Jahr 2009 8 % der Kinder einkommensarm trotz des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II, und 9 % waren einkommensarm, ohne solche Leistungen zu erhalten (Lietzmann u. a. 2011). Nicht alle Kinder bzw. Familien sind (gleichermaßen) armutsgefährdet. Entscheidend sind in diesem Zu-sammenhang vielmehr die Familienform sowie die Erwerbsbeteiligung der Eltern:

– Armutsrisiko und FamilienformKinder von Alleinerziehenden sind stark armuts-gefährdet, vor allem, wenn sie noch Geschwister haben (vgl. Abb. 1). Das Armutsrisiko für Allein-erziehende mit einem Kind liegt bei 46 % und mit zwei und mehr Kindern bei 62 %. Auch Kinder aus Großfamilien mit drei oder mehr Kindern tragen ein erhöhtes Armutsrisiko (22 %), während Kinder, die in Familien mit ein oder zwei Kindern leben, unterdurchschnittlich armutsgefährdet sind (10,5 % bei einem Kind, 7 % bei zwei Kindern).

Abbildung 1: Armutsrisiko von Kindern nach Familientypen im Jahr 2009

LESEHILFE: Im Jahr 2009 hatten in Deutschland Kinder aus Alleinerziehenden-Familien mit zwei und mehr Kindern mit 62,2 % das mit Abstand höchste Armutsrisiko; gleichzeitig stellten sie mit 790.000 Betroffenen auch die stärkste Gruppe der armutsgefährdeten Kinder.

Quelle: SOEP 2010, Berechnungen von Prognosen auf der Basis von Einkommen aus dem Jahr 2009 (vgl. BMAS 2013, S. 112)

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Anzahl der betroffenen Kinder

Armutsrisikoquote (in %)

1 Kind 2 Kinder und mehr

Alleinerziehende Paarhaushalte

Familientypen

3 Kinder und mehr Sonstige

Haushaltemit Kindern

1 Kind 2 Kinder

Anga

ben

in M

io.

0,4346,2 %

62,2 %

10,5 %7,1 %

22,3 %17,0 %

0,79

0,320,37

0,57

0,03

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Verschuldung, Überschuldung und ArmutMenschen in Armutslagen machen nicht häufiger Schulden als Durchschnittsverdienende. Sie ha-ben jedoch ein ungleich höheres Risiko, von der Verschuldung in eine Überschuldung zu geraten. Überschuldung liegt dann vor, wenn der Schuldner nach menschlichem Ermessen seine Verpflich-tungen aus Krediten nicht mehr aus vorhandenen Einnahmen oder Vermögen bedienen kann.

Unter den überschuldeten Privathaushalten ist der Anteil einkommensarmer und armuts-

gefährdeter Haushalte dreimal so hoch wie der Anteil bei den verschuldeten Haushalten. Circa 3 Millionen private Haushalte gelten als überschul-det oder von Überschuldung bedroht. Mehr als die Hälfte (51,5 %) der überschuldeten Haushalte sind einkommensarm oder armutsgefährdet. Unter ihnen sind Haushalte mit Kindern beson-ders betroffen. In nahezu der Hälfte (48 %) aller überschuldeten und einkommensarmen oder armutsgefährdeten Haushalte leben Kinder: Paare mit Kindern (36 %), Alleinerziehende (12 %)

– Armutsrisiko und Erwerbsbeteiligung der ElternNoch stärker als von der Familienform und -größe hängt das Armutsrisiko der Kinder davon ab, in-wieweit ihre Eltern in den Arbeitsmarkt bzw. in Erwerbsarbeit integriert sind. Arbeitet ein Elternteil vollzeit oder arbeiten beide Elternteile zusammen vollzeit, dann ist das Armutsrisiko bereits leicht un-terdurchschnittlich. Problematisch sind vor allem Konstellationen unterhalb einer Vollzeitbeschäfti-gung. Dies trifft für viele Alleinerziehende zu, die meist keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen kön-nen, sowie für traditionelle familiäre Arrangements mit einem „Haupternährer“ und einer Hausfrau bzw. geringfügig erwerbstätigen Mutter, sobald der Vater seine Arbeit verliert. Im Falle von Niedrig-löhnen bzw. bei geringer Qualifikation und hohen Wohnkosten reicht in vielen Fällen aber auch eine Vollzeitbeschäftigung nicht aus. Hier ist es meist notwendig, dass eineinhalb Vollzeiteinkommen erzielt werden, um die „Armutszone“ zu verlassen. Die Erwerbstätigkeit der Mütter – und damit die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – spielt also nicht nur bei Alleinerziehenden, sondern auch bei Familien mit beiden Elternteilen eine ganz entscheidende Rolle. Das Platzangebot der Kindertageseinrichtungen und die Öffnungs-zeiten sind demnach wichtig, wenn es darum geht, Armutsrisiken zu senken.

Trennungen, Familienform, Arbeitslosigkeit und / oder geringe Erwerbsbeteiligung der Eltern sind die we-sentlichen Faktoren, wenn es um Armutsrisiken von Kindern geht, alle anderen spielen nur eine unter-geordnete Rolle. Häufig wird noch der Migrations-

hintergrund als Einflussfaktor betrachtet. Doch auch dieser ist sekundär, denn die höheren Armutsrisiken von Kindern mit Migrationshintergrund gehen in der Regel damit einher, dass qualifikations- und zum Teil sprachbedingt die Einkommen der Eltern niedriger sind, das Erwerbslosigkeitsrisiko deutlich höher ist und traditionellere Erwerbsarrangements häufiger auftreten (vor allem bei größeren Familien). Es greift also nicht so sehr der kulturelle Hintergrund, sondern die soziale Lage der Familie.

Die oben dargestellte Analyse von Armutsrisiken be-inhaltet jedoch eine Gefahr: Sie suggeriert, dass Kinder in Armutslagen in erster Linie aus Ein-Eltern-Familien und Erwerbslosen-Familien stammen. Dies ist aber gerade nicht der Fall: Betrachtet man die Gesamtheit aller armutsbetroffener Kinder, wird ersichtlich, dass sehr viele in Familien mit zwei Elternteilen leben und viele mit Eltern, die nicht erwerbslos sind. Dies bele-gen auch die Auswertungen von Torsten Lietzmann, Silke Tophoven und Claudia Wenzig (2011, S. 6). Zwei Beispiele dazu: Kinder in gesicherter Einkommenssitu-ation leben in neun von zehn Fällen in Paarhaushalten, dies gilt jedoch auch für knapp 50 % der Kinder in Armutslagen (hier: SGB-II-Leistungsbezug). 95 % der nicht von Armut betroffenen jungen Menschen leben in einer Familie mit mindestens einem vollzeitbeschäf-tigten Elternteil, dies trifft aber auch auf ca. 25 % der Kinder aus Familien mit SGB-II-Bezug zu.

Es reicht in der Praxis der Kindertageseinrichtung also nicht, auf bestimmte Kriterien wie alleinerziehend, arbeitslos oder Migrationshintergrund zu achten, um Kinder in ökonomischen Risikolagen zu identifizieren. Armut ist, trotz sehr unterschiedlicher Armutsrisiken, in allen Familienkonstellationen zu finden.

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

So wie die Armutsrisiken abhängig vom Familientyp, vom Umfang der Erwerbsbeteiligung und von anderen Faktoren ungleich verteilt sind, so sind die Armutsri-siken auch je nach Region sehr unterschiedlich verteilt. Abbildung 2 (siehe S. 20) macht dies deutlich: Während die SGB-II-Quote für den Kreis Eichstätt (Bayern) Ende 2012 bei nur 1 % lag (niedrigste Quote in Deutschland), betrug sie für Bremerhaven (Bremen) 21,7 % (höchste Quote in Deutschland) und war damit dort über 20-mal so hoch.

Ähnlich große regionale Unterschiede bestehen auch bei den relativen Armutsrisikoquoten (vgl. hierzu ausführlich: Der Paritätische Gesamtverband 2012). Während ein Kind in Bayern oder Baden-Württemberg, vor allem wenn es in einer ländlichen Region lebt, ein extrem geringes Armutsrisiko hat, ist es in Bre-men, Berlin und in vielen ostdeutschen Kommunen sowie in vielen Städten im Ruhrgebiet einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Allerdings werden die un-terschiedlich hohen Lebenshaltungskosten zwischen Stadt und Land sowie neuen und alten Bundesländern zumindest im Hinblick auf die relativen Armutsrisiken in der Regel nicht systematisch einbezogen. So wird zum Beispiel nicht berücksichtigt, dass eine Familie,

6 „Ab dem 1. Juli 2013 beträgt der unpfändbare Grundbetrag 1.045,04 € (bisher: 1.028,89 €) monatlich. Dieser Betrag erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind, um monatlich 393,30 € (bisher: 387,22 €) für die erste und um jeweils weitere 219,12 € (bisher 215,73 €) für die zweite bis fünfte Person. Wenn Schuldner mehr verdienen als den so ermittelten pfän­dungsfreien Betrag, verbleibt ihnen vom Mehrbetrag ebenfalls ein bestimmter Anteil“ (www.bmj.de).

die in einer ländlichen Region in Ostdeutschland lebt, mit einem Einkommen an der Armutsgrenze einen hö-heren Lebensstandard erzielen kann als eine Familie in einer westdeutschen Großstadt.

(Zusammenfassung auf der Basis von Zimmer-mann 2008).

Armut und Schulden bzw. Überschuldung ge-hören also in der Mehrzahl der Fälle zusammen. Die Hauptgründe, aus denen Haushalten ihre Verbindlichkeiten über den Kopf wachsen, sind Scheidung, Arbeitslosigkeit, ein falscher Umgang mit Geld und schwerwiegende Veränderungen im persönlichen Lebensumfeld.

Es gibt jedoch auch eine Gruppe überschuldeter Familien, die zwar oberhalb der Armutsgrenze lebt, aber von Pfändungen 6 betroffen ist (vgl. hierzu u. a.

Zimmermann 2008, S. 158). Diese Familien leben im „prekären“ Einkommensbereich, also knapp oberhalb der Armuts(risiko)grenze, können aber in der Regel keine Vergünstigungen zum Beispiel bei den Gebühren für die Kindertageseinrichtung erhalten, da die Verpflichtungen aus Konsumen-tenkrediten (z. B. für Autos, Wohnungseinrichtung) nicht bei der Einkommensberechnung berücksich-tigt werden. So kann es rasch zu Schwierigkeiten in der materiellen Teilhabe der Kinder bzw. der Familie kommen, ohne dass die Familie als „arm“ (an)erkannt wird.

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Abbildung 2: Armutsbetroffenheit nach Landkreisen im Jahr 2012

LESEHILFE: Erhoben wurden erwerbsfähige Leistungsberechtigte bezogen auf die Bevölkerung (von 15 bis unter 65 Jahren) in Prozent (Mittelwert der Stichtage 31.12.2011 und 31.12.2012).

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistik, 2013

≤ 7,7

≤ 11,1

≤ 3,3

SGB-II-Quoten (in %)

≤ 5,4

≤ 19,2

Mecklenburg-Vorpommern13,9

Berlin17,4

Brandenburg12,0

Sachsen12,1

Thüringen9,9

Bayern3,5

Baden-Württemberg4,2

Hessen6,9

Rheinland-Pfalz5,8

Saarland8,1

Nordrhein-Westfalen9,5

Niedersachsen8,1

Sachsen-Anhalt15,0

Hamburg10,6

Schleswig-Holstein8,6

Bremen15,1

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

1.2.2 Lebenslagen armutsbetroffener Kinder und ihrer ElternNachdem im vorigen Abschnitt die Armutsbetroffen-heit und die Armutsrisiken im Vordergrund standen,

beschäftigt sich der folgende mit den Fragen: Wie sieht die Lebenssituation bzw. Lebenslage armutsbetrof-fener Kinder im Alter bis zu sechs Jahren aus? Welche Rolle spielt der Lebenslagetyp?

Abbildung 3: Armut und Lebenslage des Kindes

Quelle: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS) 2012, S. 7

Relevant für diese Fragestellungen sind dabei vier zen-trale Lebenslagedimensionen: die materielle, soziale, gesundheitliche und kulturelle Lage des Kindes (vgl. Abb. 3). Diese Dimensionen hängen außer von den ma-teriellen Ressourcen der Familie entscheidend auch von deren kulturellen und sozialen Ressourcen ab.

Zur Lebenslage armutsbetroffener Kinder existie-ren inzwischen einige Untersuchungen (z. B. AWO-Bundesverband 2010; Chassé u. a. 2010; Hurrelmann u. a. 2010; Meier-Gräwe 2006; Hock u. a. 2000 a und 2000 b; Richter 2000; Walper 1999), wobei der Schwer-punkt auf den Kindern im Elementarbereichs- und Grundschulalter liegt und kaum zu Kindern in den ersten drei Lebensjahren im Kontext von Armut und ökonomischen Mangellagen geforscht wurde.

Zunächst ist festzuhalten: So wenig wie es die familiäre Konstellation bei armutsbetroffenen Kin-dern bzw. die Ursache für Armut bei Kindern gibt, so wenig gibt es eine einheitliche Lebenslage unter

Armutsbedingungen. Sie reicht – zusammenfassend betrachtet – vom „Wohlergehen“ bis zur „(multiplen) Deprivation“, von einer Lebenslage also, die keinerlei Auffälligkeiten und Einschränkungen aufweist, bis zu einer Lebens lage, die in fast allen Dimensionen durch Auffälligkeiten bzw. Einschränkungen gekenn-zeichnet ist (vgl. zur Definition ausführlich: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS) 2012).

Betrachten wir jedoch zunächst die einzelnen Facetten der Lebenslage der Kinder. Am ausführlichsten ist dies für Sechsjährige auf der Basis der AWO-ISS-Studie aus dem Jahr 1999 möglich (Hock u. a. 2000 a). Damals wurden rund 900 Kinder aus Kindertagesein-richtungen der AWO untersucht, darunter rund 230 armutsbetroffene Kinder (26 %). Die Angaben zu den Kindern wurden von den Fachkräften in den Ein-richtungen geliefert. Tabelle 3 fasst diese Ergebnisse zusammen. Die Studie zeigt, dass armutsbetroffene Kinder in den allermeisten Bereichen schlechter ab-

Eltern/Erwachsene

Wohlergehen Benachteiligung Multiple Deprivation

Lebenslage-dimensionen

Lebenslagetyp Kind

Materiell(Kleidung, Wohnen, Nahrung, Partizipation u.a.)

Sozial(soziale Kompetenz, sozialeKontakte u.a.)

Gesundheitlich(physisch und psychisch)

Kulturell(kognitive Entwicklung, Sprache,Bildung, kult. Kompetenzen u.a.)

materiell

kulturellsozial

Haushalt ist arm

Was kommt beim Kind an?

Kind

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schneiden als andere Kinder. Besonders deutlich (und sehr naheliegend) ist dies im materiellen Bereich, aber auch die Unterschiede im kulturellen und sozialen Bereich sind beträchtlich. Lediglich in der gesund-heitlichen Dimension fallen die Ergebnisse weniger eindeutig aus.

Während bei über einem Viertel (27 %) der armuts-betroffenen Kinder die Kosten für Ausflüge nicht oder nur unter Schwierigkeiten von den Eltern aufgebracht werden konnten, traf dies nur auf gut jedes zehnte Kind (12 %) aus der Gruppe der nicht von Armut betroffenen Kinder zu. Etwa jedes sechste armutsbetroffene Kind (16 %) kam öfters hungrig in die Kindertageseinrich-tung, unter den anderen Kindern war es „nur“ etwa jedes zwanzigste. In ihrer körperlichen Entwicklung lagen nach Angaben der Fachkräfte rund doppelt so viele armutsbetroffene Kinder (10 %) wie andere Kinder

(5 %) zurück. In ihrem Sprachverhalten – gemessen anhand acht verschiedener Merkmale / Items – waren 38 % auffällig und damit mehr als doppelt so viele wie nicht von Armut betroffene Kinder (16 %).

Zu den Einzelmerkmalen mit den deutlichsten Ab-weichungen zwischen der armutsbetroffenen und der nicht betroffenen Gruppe zählen neben materiellen Faktoren wie der Wohnsituation vor allem „schulre-levante“ Kompetenzen. Diese sind bei armutsbetrof-fenen Sechsjährigen deutlich geringer ausgeprägt als bei anderen gleichaltrigen Kindern. Zu solchen Kompetenzen gehören zum Beispiel der Umfang des (aktiven) Wortschatzes (die Aussage „Es benutzt viele verschiedene Wörter“ trifft auf 24 % der armutsbetrof-fenen Kinder zu und auf 50 % der nicht betroffenen Kinder), das Sprachverständnis, die Grammatik und die Ausdrucksfähigkeit.

Tabelle 3: Vergleich von armutsbetroffenen und nicht betroffenen Sechsjährigen nach Lebenslagebereichen und anhand von Einzelmerkmalen

Einzelmerkmal Von Armut betroffene

Kinder (in %)

Nicht von Armut betroffene

Kinder (in %)

Materielle Dimension

Dem Kind fehlt es an notwendiger Kleidung (z. B. Winterstiefeln).* 4 < 1

Das Kind nimmt aus finanziellen Gründen nicht am Mittagessen teil.* 6 2

Das Kind ist ungepflegt / körperlich vernachlässigt.* 15 5

Das Kind kommt öfters hungrig in die Kindertageseinrichtung.* 16 5

Kosten für Ausflüge u. Ä. werden nicht ohne Weiteres gezahlt (unregelmäßig anfallende Kosten).*

27 12

Essensgeld u. Ä. wird nicht regelmäßig gezahlt (regelmäßig anfallende Kosten).*

31 9

Die Wohnverhältnisse sind beengt.* 44 10

Kind gehört in dieser Dimension zu den untersten 20 %( = unterstes Quintil = „auffällig“).

40 15

Gesundheitliche Dimension

Das Kind nässt noch ein.* 7 4

Das Kind ist in seiner körperlichen Entwicklung (vor allem Körper­größe) zurückgeblieben.*

10 5

Das Kind hat eine chronische Erkrankung.** 11 9

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

Einzelmerkmal Von Armut betroffene

Kinder (in %)

Nicht von Armut betroffene

Kinder (in %)

Das Kind ist häufig krank.* 15 9

Das Kind ist in Bezug auf seine Motorik auffällig.** Darunter …

27 22

– Das Kind ist geschickt und sicher in seinen Bewegungen. 50 57

– Es kann sicher laufen und hüpfen. 61 67

– Es kann sicher werfen und fangen.* 45 55

– Es ist sicher in der Auge­Hand­Koordination.* 48 59

Kind gehört in dieser Dimension zu den untersten 20 %( = unterstes Quintil = „auffällig“).

31 20

Kulturelle Dimension

Das Kind ist in Bezug auf sein Spielverhalten auffällig.* Darunter …

36 16

– Das Kind spielt intensiv.* 20 36

– Es spielt ausdauernd.* 19 37

– Es spielt Rollen- und Fantasiespiele.* 15 21

– Es entwickelt viele Spieleinfälle.* 10 21

– Es spielt mit Material, bei dem man bauen und konstruieren muss.* 9 21

– Es spielt mit anderen Kindern zusammen.* 33 53

– Es geht einförmig mit dem Spielmaterial um (sehr selten / nie).* 36 54

Das Kind ist in Bezug auf sein Sprachverhalten auffällig.* Darunter …

38 16

– Wenn die Erzieherin das Kind anspricht, antwortet es sofort.* 28 43

– Es schaut seinen Gesprächspartner an.* 32 45

– Es spielt Rollen- und Fantasiespiele.* 15 21

– Es spricht deutlich.* 30 51

– Es kann sich verständlich ausdrücken.* 34 56

– Es benutzt viele verschiedene Wörter.* 24 50

– Es versteht, was gesagt und erzählt wird.* 42 63

– Es spricht grammatikalisch richtig.* 21 46

– Das Kind zeigt sprachliche Auffälligkeiten. (sehr selten / nie)* 56 76

Das Kind ist in Bezug auf sein Arbeitsverhalten auffällig.* Darunter …

34 18

– Es beginnt schnell mit der Aufgabe.* 23 37

– Es ist geschickt im Umgang mit dem Material.* 27 44

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Einzelmerkmal Von Armut betroffene

Kinder (in %)

Nicht von Armut betroffene

Kinder (in %)

– Es arbeitet sorgfältig.* 25 39

– Es arbeitet zügig.* 19 31

– Es führt seine Aufgaben selbstständig durch.* 23 37

– Es beendet seine Aufgabe.* 25 41

– Es hilft anderen Kindern.* 17 25

Kind gehört in dieser Dimension zu den untersten 20 %( = unterstes Quintil = „auffällig“).

36 15

Soziale Dimension (soziales, emotionales Verhalten)

Das Kind erzählt und berichtet von sich aus anderen Kindern.* 26 41

Das Kind erzählt und berichtet von sich aus der Erzieherin.* 23 40

Es stellt Fragen und will viel wissen.* 16 29

Es äußert seine Wünsche.* 16 32

Es macht Vorschläge.* 8 21

Es nimmt aktiv am Gruppengeschehen teil.* 29 39

Es spricht nur mit der Erzieherin (sehr selten / nie).* 76 86

Es spricht nur mit wenigen Kindern (sehr selten / nie).* 62 72

Es meidet andere Kinder (sehr selten / nie).* 61 71

Es fügt sich in die Gruppe ein.* 26 44

Es sucht Streit (sehr selten / nie). 54 64

Es nimmt anderen das Spielzeug fort (sehr selten / nie).* 51 63

Es ist unruhig (sehr selten / nie).* 47 60

Es schlägt andere Kinder ohne erkennbaren Grund (sehr selten / nie).* 68 77

Es wird von anderen gemieden (sehr selten / nie).* 63 80

Es spricht mit lauter Stimme (schreit) (sehr selten / nie). 57 56

Kind gehört in dieser Dimension zu den untersten 20 %( = unterstes Quintil = „auffällig“).

36 18

ANMERKUNG: * p<0,05; ** nicht signifikant; ohne Sternchen p<0,01

Quelle: AWO-ISS-Studie, Hock u. a. 2000 a, S. 34-37, 56, 59, 61 und 68 sowie ergänzende, eigens für diese Expertise durchgeführte Auswertungen

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

Für die weitere Entwicklung der Kinder ist letztlich jedoch nicht ein einzelnes Merkmal entscheidend, sondern welchem Lebenslagetyp 7 sie zuzurechnen sind. Auch in dieser Frage sind die Ergebnisse der AWO-ISS-Studie (Hock u. a. 2000 a, S. 55) hilfreich: Im-merhin ein Viertel der untersuchten Sechsjährigen ist unter Armutsbedingungen dem Typ „Wohlergehen“ zuzuordnen. Allerdings ist die Gruppe der deutlich auffälligen, der multipel deprivierten Kinder unter den armutsbetroffenen mit 36 % deutlich größer. In der Vergleichsgruppe der nicht von Armut betroffenen Kinder verhält es sich genau umgekehrt: 40 % leben im Wohlergehen und „nur“ 20 % in multipler Deprivation. Armut hat also auch schon im frühen Kindesalter deut-liche Auswirkungen auf die Lebenslage und damit auf die Zukunftschancen der Kinder (Laubstein u. a. 2012).

Bekannt und durch Daten belegt ist beispiels-weise nicht nur die beeinträchtigte Gesundheit von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteilig ten Familien im Vergleich zu ihren besser gestellten Altersgenossen. Die medizinische Forschung hat auch gezeigt, dass die gesundheitliche Disposition eines Menschen im Lebensverlauf geprägt wird und durch frühe gesundheitliche Belastungen die Weichen für spätere (chronische) Erkrankungen gestellt werden (Dragano 2007, S. 18 ff.).

Sehr gut nachvollziehbar sind die heterogenen Lebenslagen anhand der Fallbeispiele der AWO-ISS-Studie (Hock u. a. 2000 b), die auch einen guten Mate-rialfundus für Weiterbildungsmaßnahmen darstellen, allerdings an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden können.

7 Wohlergehen trotz Armut: „Mit Hilfe persönlicher Ressourcen, privater und professioneller Unterstützung gelingt es vielen Eltern durch zum Teil massive eigene materielle Einschränkungen und sonstige Copingstrategien trotz materieller Armut für ein Wohlergehen ihrer Kinder zu sorgen, so dass diese im Vorschul­alter keinen Mangel erleiden und keine ungewöhnlichen Ent­wicklungsauffälligkeiten zeigen“ (Hock u. a. 2000 a, S. 91).

Armut und multiple Deprivation: „Ein Teil der Kinder aus armen Familien weist schon im Vorschulalter massive Defizite in mehre­ren Bereichen auf. Die Auffälligkeiten reichen von gesundheitli­chen Problemen über Sprachstörungen bis zu massiven Verhal­tensauffälligkeiten. Ihre Lebenschancen sind schon zu diesem frühen Zeitpunkt massiv eingeschränkt. Ihre Eltern haben im Kampf mit ihren materiellen und sonstigen Problemen weitge­hend resigniert und die Orientierung an ‚Normalitätsstandards‘ aufgegeben. Auch für die Kinder werden keine Zukunftspers­pektiven mehr formuliert. Die Aktivitäten reichen gerade so aus, die Grundversorgung der Familie zu gewährleisten“ (Hock u. a. 2000 a, S. 97).

Im Rahmen der AWO-ISS-Studie wurde auch un-tersucht, wie diese deutlichen Unterschiede in der Lebenslage armutsbetroffener Kinder zu erklären sind. Folgende Faktoren fördern gemäß der Untersuchung ein Aufwachsen im Wohlergehen:

– Deutschkenntnisse aufseiten mindestens eines Elternteils,

– keine Überschuldung, – keine beengten Wohnverhältnisse, – gutes Familienklima (keine regelmäßigen Streite-

reien), – regelmäßige gemeinsame Aktivitäten in der Familie

(Hock u. a. 2000 c, S. 56).

Insbesondere das Ausmaß gemeinsamer familiärer Ak-tivitäten – als Indikator zum einen für eine gemeinsame Strukturierung des Alltags, aber auch für fördernde Aktivitäten im Elternhaus – erwies sich als hoch rele-vant im Hinblick auf die Ursachen von Unterschieden in der Lebenslage materiell ähnlich schlecht gestellter Kinder. Damit geraten die Kompetenzen und das Handeln der Eltern – unabhängig von deren materiellen Res-sourcen – in den Fokus, wenn es um die Erklärung von Unterschieden bei den Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch den Motivationen der Kinder geht. Das, was die Eltern vor allem in den frühen Lebensmonaten und -jahren des Kindes vorleben, ist hoch relevant:

„Bei Kindern scheint die Fähigkeit bereits sehr früh ausgebildet zu sein, bei anderen beobachtete Verhaltensweisen im Innern, durch den Aufbau eines eigenen, das beobachtbare Verhalten abbildenden Erregungsmusters nachzuvollziehen. Kinder schlie-ßen auch in ähnlicher Weise durch Beobachtung aus dem Verhalten der Eltern, wie die Welt wahrgenom-men und eingeschätzt werden muss und wie man ihr begegnet. Dieses ‚Imitationslernen’ bildet die Grundlage für die Weitergabe von Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verhaltensmustern von einer Gene-ration zur nächsten“ (Hüther 2013, S. 59).

Die Lebenslage armutsbetroffener wie nicht betrof-fener Kinder wird also grundlegend und zu einem sehr frühen Zeitpunkt unter anderem dadurch bestimmt, wie Eltern mit ihrem Kind interagieren. Wie weit erwachsene und damit elterliche Verhaltensweisen – gerade unter Armutsbedingungen – noch veränderbar sind, steht auf einem anderen Blatt. Praxis und For-schung belegen, dass dies durch geeignete Formen der fachlichen Unterstützung der Eltern-Kind-Interaktion

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

bis zu einem gewissen Grad möglich ist (Suess u. a. 2010), und zwar umso nachhaltiger, je stärker sich auch die Lebensbedingungen der Eltern verbessern. Fachkräfte können solche Veränderungen der Ver-haltensweisen fördern, indem sie die Eltern eng und partizipativ in das Geschehen in der Kindertagesein-richtung einbinden und ihnen Angebote unterbreiten.

Vor diesem Hintergrund gilt: Nicht nur eine qua-litativ hochwertige Arbeit der frühpädagogischen Fachkräfte mit den Kindern selbst, sondern auch die Förderung regelmäßiger gemeinsamer Eltern-Kind-Aktivitäten – mit pädagogischer Begleitung, aber auch ohne – sollten ein wichtiger Ansatzpunkt der Arbeit mit armutsbetroffenen Familien sein. Begleitende Arbeit mit den Eltern ist ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Förderung der Kinder.

Andere Studien sind auf qualitativer Ebene, d. h. anhand von Fallbeispielen, viel weiter in die Tiefe gegangen, um Erklärungen für unterschiedliche Lebens-lagen unter Armutsbedingungen zu finden. Doch stehen dabei meist die Eltern, deren Ressourcen und Handeln im Vordergrund (Diakonisches Werk der ev.-luth. Lan-deskirche Braunschweig 2011; Wüstendörfer 2008). Im Folgenden möchten wir eine Typologie vorstellen, die die Bandbreite der Lebenslagen von Familien unter Armutsbedingungen aufzeigt und Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit mit Eltern geben kann.

1.2.3 Armutstypologie nach Uta Meier-GräweUta Meier-Gräwe entwickelte eine Vierer-Typologie (Meier-Gräwe 2006, S. 17 ff.), mit der es gelingt, den jeweils sehr unterschiedlichen Handlungsbedarf mit Blick auf die Förderung der Kinder abzuleiten. Die Typenbeschreibung verdeutlicht die extrem unterschiedlichen Handlungsanforderungen an das professionelle System. Wie alle Typologien, die auf einer beschränkten Anzahl von Fällen beruhen, birgt auch diese natürlich die Gefahr, reale Einzelfälle unbedingt in diese „Typen-Schubladen“ einsortieren zu wollen und dabei die Spezifik des Einzelfalles zu übersehen. Typologien helfen aber, einen Eindruck von der gesamten Situation einer Familie bzw. von Eltern und Kindern zu erhalten und auf das Spektrum an Unterschiedlichkeiten hinzuweisen.

Typ 1: die verwalteten Armen„Dieser Armutstyp ist durch das soziale Phänomen einer generationsübergreifenden Armut charak-

terisiert. Seine Repräsentant / innen verfügen über vielfältige und langjährige Erfahrung und Routine im Umgang mit Armut, aber auch mit den Behörden und Institutionen, die – verwaltungstechnisch gese-hen – für diverse Probleme von verstetigter Armut zuständig sind.

Umgekehrt sind diese Haushalte in den entspre-chenden Einrichtungen seit langem bekannt. Ohne institutionelle Netzwerke gelingt die Alltagsbewäl-tigung kaum noch. Typisch sind regelmäßige Kon-takte zum Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) oder zu Vertreter / innen der sozialpädagogischen bzw. haushaltsbezogenen Familienhilfe, um die Eltern-Kind-Beziehungen zu stabilisieren oder die Grundver-sorgung des Haushalts zu gewährleisten. 8

Charakteristisch sind vergleichsweise niedrige Alltagskompetenzen und eine eher geringe Erwerbs-orientierung. Man trifft auf das Phänomen ‚entglit-tener‘ Zeitstrukturen; es bereitet den Betreffenden oftmals schon Mühe, zwei bis drei Termine pro Woche zu koordinieren. Als Eltern sind die Erwachsenen we-der mental noch alltagspraktisch in der Lage, ihren Kindern Daseinskompetenzen wie Bindungs- und Konfliktfähigkeit, Durchhaltevermögen, emotionale Stabilität oder haushälterische Grundkompetenzen

8 Armutsbetroffene Kinder, die in solchen Familien leben, geraten häufiger als andere Kinder in den Fokus des „Jugendamtes“ bzw. des Allgemeinen Sozialen Dienstes, da immer wieder – meist von Dritten (Nachbarn, Fachkräften etc.) – die Frage gestellt wird: Ist das Wohl des Kindes nicht gefährdet? Obgleich das Wohl der allermeisten armutsbetroffenen Kinder nicht gefährdet ist, gilt tendenziell folgender Zusammenhang:

„Fälle von Kindeswohlgefährdung häufen sich in sozialen Lagen, die von Armut geprägt sind. Menschen in Armutslagen machen bereits früh und wiederholt die Erfahrungen ausgegrenzt zu werden. In Hinblick auf die Anwendung körperlicher Bestrafung unterscheiden sich Eltern nach ihren sozialen und kulturellen Hintergründen. Trotz der begründeten methodischen Kritik an der schichtspezifischen Sozialisationsforschung (…) bleibt fest­zuhalten, dass zahlreiche internationale Studien den Zusam­menhang zwischen geringem sozioökonomischem Status der Eltern und einem autoritären Erziehungsstil, der auf die Anerzie­hung von Konformität abzielt und bestrafende Methoden der Dis ziplinierung anwendet, hinreichend belegen (…). Elterlicher Stress als Folge von Armut, sozialen Anpassungsschwierigkeiten oder partnerschaftlichen Konflikten ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für körperlichen Missbrauch (…). Zudem haben misshandelnde und vernachlässigende Eltern in ihrer Kindheit selber häufiger Erfahrungen mit Gewalt gesammelt und sind eher geneigt, Konfliktsituationen durch Gewalt lösen zu wollen. In die­sem Sinne wird elterliche Gewalt ‚weitervererbt‘“ (Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein­Westfalen 2010, S. 48).

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

zu vermitteln. Selbst bei gutem Willen besteht eine ausgeprägte Hilflosigkeit, den Kindern zu einem Schul erfolg zu verhelfen, was angesichts der proble-matischen elterlichen ‚Schul- und Ausbildungskarri-eren‘ kaum überraschen kann.“

Typ 2: die erschöpften Einzelkämpferinnen und -kämpfer„Typ 2 umfasst sowohl alleinerziehende Eltern als auch Paare mit Kindern. Er zeichnet sich durch eine überproportionale Arbeitsbelastung im Familien- und Berufsalltag aus, ohne jedoch in Berufen wie Bürokauffrau oder Verwaltungsangestellter im ein-fachen öffentlichen Dienst ein Einkommen oberhalb des soziokulturellen Existenzminimums zu erreichen (‚Working poor‘). Neben einer hohen Arbeitsbean-spruchung führen zudem Krankheiten und deren Folgen zu chronischen Erschöpfungszuständen – oft verbunden mit der Erfahrung, auch von offizieller Seite ‚alleingelassen‘ zu werden. Es handelt sich um Haushalte, die den Alltag für sich und ihre Kinder mit den vergleichsweise niedrigsten Äquivalenzeinkom-men bewältigen müssen.

Armutslagen treten in der Regel als Folge eines ‚kritischen‘ Lebensereignisses wie Trennung bzw. Scheidung auf, aber auch als Folge der Geburt eines (weiteren) Kindes. Der Umgang mit Armut ist selten als generationsübergreifende Erfahrung vorhanden, ebenso wenig der Umgang mit den zuständigen Äm-tern und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.“

Typ 3: die ambivalenten Jongleurinnen und Jongleure„Bei den Repräsentant / innen dieses Typs handelt es sich um Menschen, die familienbiografisch zumindest durch sequenzielle Erfahrungen mit Armut geprägt sind. Sie besaßen aber objektiv betrachtet durchaus Handlungs-optionen, ihre Lebenssituation entweder zu verbessern oder zu ihrem Nachteil zu verändern. Psychologisch begründbare ambivalente Persönlichkeitsstrukturen münden in Verhaltensweisen, die üblicherweise als un-vernünftig bezeichnet werden. Es werden hohe Kredite aufgenommen, ohne in hinreichendem Maße die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen zu bedenken die das für die Zukunft nach sich zieht. Es dominieren Verhaltensmuster, diese Konsequenzen zu verdrängen oder man setzt auf das Prinzip ‚Hoffnung‘, dass sich schon alles zum Guten wenden werde.

Auffällig ist des Weiteren, dass trotz einer beste-henden Überschuldung des Haushalts keine Hilfe bei der Schuldnerberatung gesucht wird, obwohl die Überschuldungssituation teilweise bereits hoff-nungslos unübersichtlich ist und psychisch durchaus als belastend empfunden wird. Es werden vergleichs-weise teure Wohnungen angemietet, die allerdings voraussetzen, dass der befristete Arbeitsplatz in einen unbefristeten verlängert wird oder dass sich eine andere Erwerbsmöglichkeit eröffnet, was jedoch mit einem erheblichen Risiko behaftet ist. Ausbildungen werden kurz vor dem Berufsabschluss abgebrochen, ohne sich zu vergegenwärtigen, dass sich damit die Bedingungen auf einen Einstieg in das Erwerbsleben massiv verschlechtern.“

Typ 4: die vernetzten Armen„Das hervorstechende Charakteristikum der ver-netzten Aktiven besteht in ihrem Eingebundensein in ein unterstützendes familiales Netzwerk und / oder in ihrer Fähigkeit, institutionelle Hilfen selbstbewusst und aktiv in ihren Alltag zu integrieren. Darunter befinden sich alleinerziehende Mütter, die studieren oder ein Studium absolviert haben. Obwohl sie, insbe-sondere durch das Verhalten der Kindesväter, schwere persönliche Enttäuschungen verkraften mussten, zeigen sie als Sozialhilfe beziehende Mütter ein ge-wisses Selbstbewusstsein und sind in der Lage, ihre Situation nicht als individuelles Versagen zu deuten, sondern den Alltag mit ihren Kindern bestmöglich zu gestalten. Sie nehmen die Sozialhilfe als ein ihnen zustehendes Grundrecht in Anspruch und loten die Möglichkeiten, die das Bundessozialhilfegesetz zur Verbesserung ihrer Lebenssituation bietet, kenntnis-reich aus.

Über die gängigen Hilfen der Sozial- und Jugendhilfe hinaus mobilisieren sie, wenn es erforderlich wird, auch andere kommunale Akteur / innen, darunter Frauenbeauftragte oder Kommunalpolitiker / innen, wenn sie auf den einschlägigen Verwaltungswegen scheitern. Unterstützung durch die familialen Netz-werke erfolgt in Form von direkten monetären Trans-fers wie monatliche Geldzahlungen durch die Eltern oder durch indirekte Unterstützungsleistungen, beispielsweise durch die Mitbenutzung eines Pkw. Darüber hinaus übernehmen die Großeltern teilweise verlässlich und regelmäßig die Betreuung der Kinder oder helfen tatkräftig bei der Wohnungs renovierung.

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Diese familialen Netze sind im Grunde kaum zu erset-zen. Der Alltag der Repräsentant / innen des Typs 4 ist zwar ebenso wie der der verwalteten Armen, der er-schöpften Einzelkämpfer / innen und der ambivalenten Jongleur / innen durch eine Vielzahl von Problemen ge-kennzeichnet. Diese bewältigen sie aber aufgrund der ermutigenden und verlässlichen Unterstützung durch familiale Bezugspersonen sowie über die Mobilisie-rung von institutionellen Hilfen vergleichsweise gut. Hinzu kommt, dass es sich um stabile Persönlichkeiten mit Selbstbewusstsein und einem hohen Energiepo-tenzial handelt. Sie besitzen vielfältige Daseins- und Alltagskompetenzen und hatten überdies häufig das Glück, selbst in einem unterstützenden und gedeih-lichen Umfeld aufgewachsen zu sein.“

Die frühpädagogische Fachkraft kann die Typologie Meier-Gräwes nutzen, um armutsbetroffene Eltern und die Phänomene, die sie beim Kind erlebt, besser zu verstehen: Hat sie es zum Beispiel mit dem Typus „verwaltete Arme“ zu tun, so muss sie auf einer ganz an-deren Ebene ansetzen – sowohl im Dialog als auch in der Vermittlung von unterstützenden Hilfen – als etwa bei der „erschöpften Einzelkämpferin“. Nur so kann sie das Beste für jedes der von ihr betreuten Kinder erreichen.

Genau in diese Richtung ging wenige Jahre später die Untersuchung von Kate Bird und Wolfgang Hüb-ner (AWO-Bundesverband 2010). Sie hatten das Ziel, auf der Basis einer Typologie von Armutserfahrungen Ansatzpunkte für Elternarbeit und Familienbildung zu entwickeln. Bei der Umsetzung ihrer Typologie und der von Uta Meier-Gräwe in den Alltag der Kin-dertageseinrichtung bzw. des Familienzentrums ist die zweite Leitlinie des Inklusionsansatzes von Annika Sulzer und Petra Wagner gefragt: „Inklusion als Auf-forderung, Barrieren zur Teilhabe wahrzunehmen und abzubauen (…)“ (Sulzer / Wagner 2011, S. 20). Wie kann also die frühpädagogische Fachkraft mit Blick auf die je individuelle Situation des Kindes und seiner Eltern Un-terstützung geben? Es geht hierbei nicht mehr um die Benachteiligung durch Armut an sich, sondern um die jeweils konkrete Situation. Ist die Mutter „ausgebrannt und überarbeitet“, dann hilft nur Entlastung – ob über die Realisierung von Rechtsansprüchen oder über eine qualitätsvolle Ferienbetreuung des Kindes. Hat die Fachkraft jedoch eine Mutter vor sich, die eher dem Typ „souveräne Bewältigung“ zuzurechnen ist, so mag die Einladung ins Elterncafé durch persönliche Ansprache

genau das Richtige und auch ausreichend sein. Die beiden Typologien helfen der frühpädagogischen Fach-kraft auch, den Blick vom Kind auf die Ebene Eltern und Elternhaus zu richten und auf die gelingende Kommuni-kation und Kooperation mit den Eltern zu fokussieren.

Sowohl bei Uta Meier-Gräwe als auch bei Kate Bird und Wolfgang Hübner bleibt die Lebenslage der Kin-der stark im Hintergrund. Diese „Lücke“ lässt sich bei-spielsweise über die Lektüre der Falldarstellungen in der AWO-ISS-Studie (Hock u. a. 2000 b) füllen. Anhand von zehn ausführlichen Fallbeispielen von armutsbe-troffenen Familien mit Kindern im Vorschulalter wird die große Bandbreite der kindlichen Lebenslagen deutlich. Sowohl das Leben im „Wohlergehen“ als auch „multiple Deprivation“ werden dabei auf der Basis von Einzelschicksalen (be)greifbar. Der weitere Lebensverlauf der betreffenden Kinder ist in der 2012 veröffentlichten Studie (Laubstein u. a. 2012) nachzu-verfolgen.

1.3 Armut und Inanspruchnahme von Bildungsangeboten in den ersten Lebensjahren

Mit der Anerkennung der Wichtigkeit früher Bildung innerhalb von Familien und institutionellen Angebo-ten entwickelte sich die Fragestellung, welche sozialen Gruppen in welchem Umfang welche Angebote nut-zen. Dies gilt sowohl für die Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen als auch für die Nutzung sogenannter non-formaler Angebote, zum Beispiel von musikalischer Frühförderung für Kinder und Familienbildungsangeboten für Eltern. Die Fragestellung im Kontext dieser Expertise lautet: In welchem Umfang nutzen armutsbetroffene Eltern bzw. deren Kinder frühe Förderangebote? Pia Schober und Katharina Spieß sind dieser Frage auf der Basis der Studie „FiD“ (Familien in Deutschland 9) nachgegan-gen (Schober / Spieß 2012). Sie haben für ihre Analyse die Eltern verschiedenen Gruppen zugeordnet. Für unsere Expertise sind die Gruppen „niedriges Einkom-men“ und „ALG-II-Empfänger / innen“ im Vergleich zu

9 Es handelt sich um eine Spezialstudie auf Basis des Sozioöko­nomischen Panels (SOEP), einer repräsentativen Längsschnitt­erhebung mit sehr großen Fallzahlen (2011: 4.500 Haushalte).

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29

Hintergrundwissen zu Armutslagen

„allen anderen Familien“ relevant. Die wichtigsten Ergebnisse gibt Abbildung 4 wieder.

Es wird deutlich, dass Kinder in sozioökonomischen Risikolagen in fast allen Bereichen weniger an Ange-boten frühkindlicher Bildung teilhaben (vgl. hierzu auch BMFSFJ 2012, S. 132 – 144). Bei den Kindern bis zu drei Jahren besteht sowohl bei der formalen Förderung, also vor allem beim Krippenbesuch, als auch bei der Nutzung non-formaler Angebote 10 erheblicher Auf-holbedarf unter den ärmeren Familien: Während 17 % der Kinder unter drei Jahren aus Familien mit Bezug von ALG II eine Kindertageseinrichtung besuchen, sind es aus den anderen Familien (ohne ökonomische Risiken) 31 %. Bei den non-formalen Förderangeboten ist der Unterschied mit 13 % Nutzungsquote bei den Kindern aus Familien mit ALG-II-Bezug gegenüber 49 % aus Familien ohne ökonomische Risiken noch größer.

10 Leider haben Pia Schober und Katharina Spieß in ihrer Arbeit nicht angegeben, welche Angebote konkret einbezogen wurden.

Die Gruppe mit den besonderen Förderbedarfen, d. h. die Kinder aus armutsbetroffenen Familien, nutzt die frühkindlichen Förderangebote also in einem deutlich geringeren Umfang.

Eine Auswertung des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A)“ liefert zusätzliche Informationen zu einzelnen dieser sogenannten non-formalen Angebote (vgl. Abbildung 5). Dabei wird deut-lich, dass insbesondere Eltern mit SGB-II-Leistungen Angebote wie Babyschwimmen, PeKiP-Kurse (Prager-Eltern-Kind-Programm), aber auch Krabbelgruppen deutlich seltener mit ihren Kindern nutzen als materi-ell besser gestellte Eltern. So liegt der Unterschied beim Babyschwimmen bei 8 % (Eltern mit SGB-II-Leistungen) gegenüber 36 % (Eltern in der höchsten Einkommens-kategorie), beim PeKiP-Kurs bei 4 % versus 25 % und bei der Krabbelgruppe bei 26 % gegenüber 48 %.

0 10 20 30 40 50 60 70 80 (%)

Non-formale Förderung

Formale Förderungganztags

Dre

i- b

is S

echs

jähr

ige

Kin

der

bis

zu

dre

i Jah

ren

Non-formale Förderung

Formale Förderung

Formale Förderunghalbtags

Alle anderen Familien*

ALG-II-Empfänger/innen

72

3344

47

47

31

13

17

35

22

31

20

49

5551

Niedriges Einkommen

Abbildung 4: Nutzung frühkindlicher Förder- und Betreuungsangebote abhängig von der materiellen Lage der Eltern in Deutschland im Jahr 2010

ANMERKUNG: * Zu dieser Gruppe gehören alle Eltern, die keine der folgenden sozioökonomischen Risiken aufweisen: alleinerziehend, mit Migrati-onshintergrund, überwiegend in der Familie nicht Deutsch sprechend, Mutter ohne Berufsausbildung sowie niedriges Einkommen und ALG-II-Bezug.

Quelle: SOEP v27.2; FiD v2.0; eigene Darstellung auf Basis Schober / Spieß 2012, S. 21

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Abbildung 5: Anteil der Kinder unter 24 Monaten, die an non-formalen Angeboten teilnehmen – abhängig vom Familieneinkommen (in Prozent)

ANMERKUNG: Datenbasis ist die Sonderauswertung des DJI-Surveys „AID:A“ von 2009.

Quelle: BMFSFJ 2010, S. 14

Zumindest auf den ersten Blick sieht es für die Kin-der im Elementarbereichsalter etwas besser aus (vgl. hierzu Abbildung 4): Kinder in Armutslagen nutzen etwas häufiger als die Vergleichsgruppe (ohne öko-nomische Risiken) ganztägig formale Angebote, also die Kindertageseinrichtung (55 % bzw. 51 % versus 47 %). Betrachtet man jedoch die Summe aus halbtägiger und ganztägiger Nutzung, so fällt auf, dass diese Kinder häufiger als die Vergleichsgruppe gar keine Kita besuchen: 86 % der armutsbetroffenen Kinder nutzen formale Angebote im Elementarbereichs-alter, aber 94 % der gleichaltrigen Kinder aus der Ver-gleichsgruppe. Eklatant sind die Unterschiede in der Nutzung der non-formalen Angebote auch in dieser Altersgruppe. Während diese Angebote für Kinder aus den „anderen Familien“ mit 72 % gewissermaßen zur Normalität gehören, sind sie nur einer Minderheit der armutsbetroffenen Kinder (33 % bzw. 44 %) zugänglich. Die langjährige Erfahrung der Autorinnen 11 der vorlie-genden Expertise hat gezeigt, dass folgende Faktoren zu diesem Ergebnis beitragen:

11 Erfahrungen aus der Jugendhilfeplanung (Hock) und der Fach­stelle Kinder­Eltern­Zentren Wiesbaden (Kopplow) sowie über Fortbildungsmaßnahmen deutschlandweit (Holz).

Formale Angebote: – Knappheit des Angebots an Plätzen in Kinder-

tageseinrichtungen, vor allem für Kinder im Krip-penalter, bei gleichzeitiger Bevorzugung berufs-tätiger Eltern

– geringere Erwerbsbeteiligung der armutsbetrof-fenen Eltern, deshalb geringere Nachfrage nach formalen Angeboten bzw. geringere Dringlichkeit

– zum Teil bestimmte Rollenmodelle bei armutsbe-troffenen Eltern: „Es ist gut, wenn die Kinder zu Hause (möglichst lange) von der Mutter betreut werden.“

– zum Teil geringere Wertschätzung des Nutzens solcher Angebote

– zum Teil fehlendes Wissen um Elternbeitragszu-schüsse bzw. Übernahme der Gebühren für die Kindertageseinrichtung

Non-formale Angebote: – Begrenzte materielle Ressourcen beschränken die

Nutzung kostenpflichtiger Angebote – geringere Transparenz über das Angebot sowie

geringere Mobilität armutsbetroffener Eltern – zum Teil geringere Wertschätzung des Nutzens

solcher Angebote

SGB II (inkl. Aufstockerinnenund Aufstocker)

Weniger als 70 % (ohne SGB II)

70 % bis 100 %

100 % bis 130 %

130 % und mehr

Babyschwimmen PEKiP-Kurs

Organisiertes Freizeitangebot

Anteil des Familieneinkommens am äquivalenzgewichteten Medianeinkommen

Krabbelgruppe

8

2127

3236

4

1317

24 25 26

44 45

56

48

0

20

40

60

80

100

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31

Hintergrundwissen zu Armutslagen

1.4 Ökonomische Risikolagen in Kindertageseinrichtungen

Nicht nur für die Kinder in Armutslagen, sondern auch für die Fachkräfte in den Einrichtungen ist von Bedeutung, wie viele Kinder mit Armutshintergrund betreut werden. Die Höhe des Anteils armutsbetrof-fener Kinder beeinflusst die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte und damit die Möglichkeiten der individuellen Förderung der Kinder sowie der Zusam-menarbeit mit den Eltern und dadurch das Gelingen der inklusiven Arbeit.

1.4.1 Verteilung der Kinder auf die Einrichtungen – Ursachen und FolgenKindertageseinrichtungen in Deutschland bzw. die dort tätigen Fachkräfte sind in sehr unterschiedlicher Weise mit dem Thema Armut und ökonomische Risikolagen von Kindern und Eltern konfrontiert. Abhängig von der Lage der Einrichtung, ihrem Platz-angebot und Ruf, ihrer Trägerschaft und nicht zuletzt ihrem Konzept besuchen keine, einige wenige, einige,

viele oder sehr viele armutsbetroffene Kinder die je-weilige Einrichtung.

Daten zur VerteilungObgleich der Anteil armutsbetroffener Kinder sowohl für die Fachkräfte vor Ort als auch für Dritte, zum Beispiel die (Sozial-)Planung, relevant ist, ist die Frage-stellung „Welchen Armutsanteil hat die Einrichtung?“ nur selten Gegenstand von Berichterstattungen. In der amtlichen Statistik ( = Statistik der Kinder- und Ju-gendhilfe, Teil III: Kinder in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege), die die Kindertageseinrichtungen jährlich zum 1. März erhe-ben müssen, taucht dieses Merkmal bislang auch nicht auf. Vor diesem Hintergrund müssen Kommunen oder auch Träger und Einrichtungen, die diese Infor-mation für wichtig erachten, solche Daten gesondert erfassen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden (275.000 Einwohnerinnen und Einwohner, ca. 180 Kinder-tageseinrichtungen) führt das seit einigen Jahren durch, um beispielsweise Projekte und Maßnahmen besser platzieren zu können.

Abbildung 6: Verteilung armutsbetroffener Kinder auf Kindertageseinrichtungen (Wiesbaden 2012)

LESEHILFE: KT = Kindertageseinrichtung; 52 % der armutsbetroffenen Kinder (siehe rechte Säule) werden in Wiesbaden in den 19 % der „KT mit überdurchschnittlichem Armutsanteil“ betreut (siehe linke Säule). Nur 5 % der armutsbetroffenen Kinder werden in einer der Kindertageseinrich-tungen betreut, in der „Armut die Ausnahme darstellt“ ( = 44 % der Kitas).

Quelle: KT-Strukturdaten 2012 der Landeshauptstadt Wiesbaden (bislang unveröffentlichte Grafik)

KT, in der Armut die Ausnahme darstellt (weniger als 10 % Kinder in der KT mit ALG-II-Bezug)

KT mit durchschnittlichem Armutsanteil (10 % bis unter 1/3 der Kinder in der KT mit ALG-II-Bezug)

KT mit überdurchschnittlichem Armutsanteil (1/3 bis unter 2/3 der Kinder in der KT mit ALG-II-Bezug)

KT, in der Armut der Normalzustand ist (mindestens 2/3 der Kinder in der KT mit ALG-II-Bezug)

Perspektive KT Perspektive Kinder

Ang

aben

in P

roze

nt

0

20

40

60

80

100

44

36

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1

5

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4

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Abbildung 6 (linke Säule) zeigt für Wiesbaden, das beispielhaft für viele westdeutsche Großstädte in Bal-lungsräumen stehen kann,12 wie sich dort die rund 180 Kindertageseinrichtungen im Hinblick auf den Armuts-anteil verteilen: In knapp der Hälfte (44 %) stellt Armut die Ausnahme dar (weniger als 10 % armutsbetroffene Kinder), in gut einem Drittel (36 %) ist der Anteil armer Kinder durchschnittlich (10 % bis unter 33 %), knapp ein Fünftel (19 %) der Kindertageseinrichtungen weist einen überdurchschnittlichen Armutsanteil auf (1 / 3 bis unter 2 / 3 arme Kinder), und eine kleine Minderheit (1 %) muss mit einem Armutsanteil unter ihren Kindern von mindestens zwei Dritteln als „Armutseinrichtung“ bezeichnet werden.

Diese Verteilung wird in anderen Städten natürlich jeweils anders aussehen, aber die Erkenntnis bleibt,

dass in puncto Armutsthematik Kindertageseinrich-tung nicht gleich Kindertageseinrichtung ist.

Wichtig ist auch, die Perspektive armutsbetroffener Kinder einzunehmen und der Frage nachzugehen, wo sie mehrheitlich betreut werden. Dies ist anhand der rechten Säule in Abbildung 6 möglich: Die deutliche Mehrheit (56 %) dieser Kinder besucht Einrichtungen mit einem mindestens überdurchschnittlichen Armuts anteil. Nur jedes 20. armutsbetroffene Kind (5 %) ist in Einrichtungen zu finden, in denen solche Kinder eher eine Ausnahme darstellen.

Eine bundesweit repräsentative Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2006 (Holz 2007) ermöglicht es, die obigen Zahlen zumindest näherungs-weise zu überprüfen. Die Daten basieren auf Angaben aus 1.000 Kindertageseinrichtungen (vgl. Tab. 4).

Tabelle 4: Anteil sozial benachteiligter Kinder von drei bis sechs Jahren in Kitas

Anteil sozial benachteiligter Kinder Anzahl Prozent

Eher gering 414 40,9

Eher mittel 338 33,3

Eher hoch 201 19,8

Sehr hoch 61 6,0

Gesamt 1.014 100,0

ANMERKUNG: Die Kategorisierung der Kindertageseinrichtungen wurde – nach Angaben der Einrichtungen – wie folgt vorgenommen: „Sehr hoch“ = wenn a) ( = Anteil armutsbetroffener Kinder) und b) ( = Anteil Migrantenkinder) und c) ( = Anteil aus anregungsarmen Familien) in der Kita mehr als 50 % ausmachen. „Eher hoch“ = wenn a), b) oder c) höher als 50 % ist. „Eher mittel“ = wenn a), b) oder c) mindestens einmal zwischen 30 % und 50 % liegt. „Eher gering“ = wenn weder a) noch b) noch c) über 30 % liegt.

Quelle: Holz 2007, S. 7 (Kita-Erhebung Bertelsmann Stiftung 2006)

Obgleich die Abfrage hier über armutsbetroffene Kinder hinausging, indem die Kategorisierung auch Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus anregungsarmen Elternhäusern einbezog, ergibt sich ein ähnliches Bild wie in Wiesbaden: Auch auf der Basis dieser Datenquelle ist die größte Gruppe unter den Kindertageseinrichtungen als „eher gering belastet“ einzustufen (41 % versus 44 % in Wiesbaden). Und der

12 Die Bertelsmann Stiftung hat Wiesbaden dem Demographietyp 7 („Urbane Zentren mit heterogener wirtschaftlicher und sozialer Dynamik“) zugeordnet (vgl. www.wegweiser­kommune.de).

Anteil der Einrichtungen mit „hohen“ bzw. „sehr ho-hen“ Anteilen an benachteiligten Kindern – im ersten Fall 20 % der Kitas, im zweiten Fall 6 % – ist fast gleich hoch wie in Wiesbaden.

Auch bundesweit gilt also, dass Armut in sehr vielen, nämlich knapp der Hälfte der Einrichtungen eher kein Thema ist und in rund einem Viertel der Einrichtungen die Arbeit mit sehr vielen armen und sozial benachtei-ligten Kindern den Alltag prägt.

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

Faktoren, die die Verteilung beeinflussenDie im Folgenden aufgeführten Faktoren beeinflus-sen die Höhe des Anteils armutsbetroffener Kinder in Kindertageseinrichtungen: 13

Einflüsse auf die soziale Zusammensetzung in der Kita

Lage der Kindertages-einrichtung bzw. soziale Segregation in der Kommune / dem Kreis: 14

– Liegt die Einrichtung in einem Stadtteil mit niedrigen Mieten, mit einem hohen Anteil öffentlich geförderten Wohnungsbaus, so ist auch der Anteil von Familien mit geringen materiellen Ressourcen hoch und damit die Wahrscheinlichkeit, dass viele armutsbetroffene Kinder die Einrichtung besuchen.

– Liegt die Einrichtung in einer Gegend mit einem hohen Anteil hochpreisiger Woh-nungen, mit vielen Eigentumswohnungen / -häusern, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nur wenige Kinder aus ungesicherten ökonomischen Lagen in der Einrichtung sein werden.

Art der angebotenen Plätze:

– Angebotszeiten, die sich schwer mit Erwerbsarbeit verbinden lassen, wie z. B. Halb-tagesplätze oder Plätze ohne Mittagessen, legen einen höheren Anteil an Familien nahe, in denen das „Ein-Verdiener-Modell“ praktiziert wird; in städtischen Lagen sind dies oft einkommensarme bzw. -schwache Familien.

– Kindergemeinschaftsgruppen, die mehrere Altersstufen umfassen (z. B. Krippen- und Elementarbereich oder Krippen-, Elementar- und Hortbereich) sind für Eltern besonders attraktiv, die ein „Doppelverdiener-Modell“ praktizieren und schnell nach der Geburt ihres Kindes wieder in die Erwerbsarbeit einsteigen; aus diesem Grund sind solche Gruppen überdurchschnittlich oft mit Kindern in gesicherter ökonomischer Lage belegt.

Konzept der Einrichtung:

– Einrichtungen, die besondere pädagogische Konzepte praktizieren, wie z. B. Waldorf-Kitas oder musisch ausgerichtete Kitas, haben in der Regel ein nicht wohnortgebundenes Einzugsgebiet und werden eher von sehr bewusst wählenden Mittelschicht-Eltern ausgesucht; vor diesem Hintergrund ist der Armutsanteil in solchen Einrichtungen tendenziell gering.

– Einrichtungen, die ihr Konzept sehr konkret auf sozial benachteiligte Kinder und Eltern ausrichten und dies auch beim Zugang zur Einrichtung deutlich machen, werden kontinuierlich hohe Anteile an armutsbetroffenen Kindern haben.

13 Die Auflistung basiert auf langjährigen sozialplanerischen Be obachtungen und Analysen der Autorin Beate Hock als Sozial­planerin in der Stadt Wiesbaden.

14 Vgl. zum Thema soziale Segregation in Städten u. a. die Schriften von Hartmut Häußermann (z. B. Häußermann u. a. 2004).

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Träger der Einrichtung:

– Elterninitiativen und private Träger sind in der Regel auf ein höheres elterliches Engagement – sei es in finanzieller Hinsicht oder vom praktischen Einsatz her – angewiesen als andere Einrichtungsträger; vor diesem Hintergrund ist der Anteil ökonomisch besser gestellter Kinder in Einrichtungen dieses Typs eher hoch und der Anteil armutsbetroffener Kinder sehr gering.

– Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft weisen aufgrund ihrer relativ niedrigen Gebühren und ihrer (nichtkonfessionellen) Ausrichtung die geringsten Hemm-schwellen für viele armutsbetroffene Eltern (vor allem mit Migrationshintergrund) auf. So ist hier der Armutsanteil insgesamt eher überdurchschnittlich. Dies gilt zum Teil auch für andere nichtkonfessionelle Träger (z. B. AWO, Internationaler Bund).

Ruf der Einrichtung:

– Je schlechter der Ruf einer Einrichtung, desto weniger kommt sie für Kinder von bewusst und frühzeitig auswählenden Mittelschicht-Eltern, die häufig auch noch räumlich mobil sind, infrage. Ist insgesamt das Angebot an Plätzen im Verhältnis zur Nachfrage knapp, sind solche Kitas dann „Rest-Einrichtungen“ für Eltern, die sich erst spät um einen Platz für ihr Kind bemühen und / oder schlecht informiert sind und / oder wenig mobil sind, und dies gilt in vielen Fällen für Eltern in ökono-mischen Risikolagen. 15

Viele der zuvor genannten Faktoren, die die soziale Zusammensetzung der Kinder in der Kinder tages-einrichtung (mit-)bestimmen, lassen sich – so gewollt – beeinflussen, wenn auch weniger durch die frühpäda-gogischen Fachkräfte in den Einrichtungen. Hier sind vor allem die Kommunen und Kreise in ihrer Planungs- und Steuerungsfunktion sowie – nicht zu vergessen – die Träger gefragt, zum Beispiel über die Definition von Aufnahmekriterien, Weiterentwicklung und Imple-mentierung von Konzepten und Fachberatung.

Die Einrichtung selbst kann im Wesentlichen nur über die Steuerung der Zugänge im Einzelfall Einfluss nehmen. Im Allgemeinen gibt es zwar klare Aufnah-meregeln, die beispielsweise in der Satzung festgelegt sind, dennoch kann die Einrichtungsleitung, wenn es um die Verteilung knapper Plätze geht, die Zugänge mithilfe folgender Faktoren regulieren:

15 Es gibt in Deutschland zunehmend mehr privat finanzierte Kinder tageseinrichtungen mit sehr hohen monatlichen Gebüh­ren (bis zu 1.000 € pro Kind). Solche „exklusiven“ Kitas befördern durch ihre Zugangskriterien und ihre konzeptionelle Ausrichtung (frühe, mehrsprachige „Elitebildung“) eine bewusste Selbstexklu­sion (Weiß 2012 b). Sie widersprechen dem Grundgedanken der Inklusion, wie er dieser Expertise zugrunde liegt.

– Sprechzeiten / AnmeldezeitenJe großzügiger diese bemessen sind bzw. je fle-xibler damit umgegangen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch schlechter or-ganisierte und überforderte Eltern (die unter den armutsbetroffenen Eltern stärker vertreten sind als z. B. in der Mittelschicht) die Vormerkung bzw. Anmeldung ihres Kindes – möglichst beim ersten Besuch – realisieren.

– Erneuerung der Vormerkung / AnmeldungIn einem Teil der Einrichtungen ist es üblich, dass die Vormerkungen nach einer gewissen Zeit – zum Bei-spiel einem Jahr – erneuert werden müssen, um die Vormerklisten möglichst aktuell zu halten. Kinder, deren Eltern das versäumen, werden aus der Liste gestrichen. Ein solches Vorgehen bevorteilt gut or-ganisierte (Mittelschicht-)Eltern und benachteiligt armutsbetroffene Eltern bzw. deren Kinder.

– Abwägen der AufnahmekriterienDie meisten Einrichtungsleitungen haben oder hätten die Möglichkeit, etwa über die Definition von „Dringlichkeiten“ gemäß § 24a Abs. 3 SGB VIII, die Reihenfolge der Aufnahme nach den üblichen

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

Kriterien wie Datum der Vormerkung / Anmeldung zu verändern. Gehen sie restriktiv, d. h. buchsta-bengetreu mit den Aufnahmekriterien um, dann haben armutsbetroffene Kinder in der Regel eine geringere Chance, einen Platz zu bekommen.

– Kontaktpflege, „Werbung“ und Kooperations-beziehungenDie Art und Weise, wie Kindertageseinrichtungen auf Eltern bzw. bestimmte Elterngruppen zugehen, kann die Zugänge ebenfalls beeinflussen: Beteiligt sich zum Beispiel die Einrichtung am Elterncafé für junge Eltern im Stadtteil und pflegt sie Kontakte zum Sozialdienst / ASD sowie zum Fallmanagement SGB II, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch armutsbetroffene Eltern und ihre Kinder Zugang zur Einrichtung finden. Wirbt die Einrichtung für ihr Angebot jedoch im Rahmen von zentralen Fami-lienbildungsangeboten wie PeKiP, Babyschwimmen usw., die meist von Mittelschicht-Eltern wahrgenom-men werden (Holz u. a. 2012), gilt eher das Gegenteil.

– „Personalpolitik“Die Auswahl des Personals, die zumindest zum Teil durch die Einrichtung gesteuert werden kann, be-einflusst ebenfalls die Zugänge. Werden bewusst frühpädagogische Fachkräfte mit Migrationshin-tergrund eingestellt oder auch solche mit eigenen Armutserfahrungen und werden sie systematisch in Richtung Inklusion weiter qualifiziert, so steigt die Wahrscheinlichkeit – auch nach außen für die (armutsbetroffenen) Eltern sichtbar – , ein sozial offenes Bild zu vermitteln. Der Zugang fällt ihnen dann leichter.

Diese, sicher nicht abschließende Auflistung macht deutlich, warum – auch unter sonst gleichen Bedin-gungen (z. B. gleicher Stadtteil, gleiches Platzangebot) – in der einen Kindertageseinrichtung mehr armutsbe-troffene Eltern und Kinder vertreten sind als in der anderen.

Konsequenzen der Verteilung für die KinderDie Thesen der folgenden Passagen basieren auf eige-nen langjährigen Praxiserfahrungen der Autorinnen. Studien liegen dazu bisher nicht vor, doch finden sich entsprechende Hinweise beispielsweise in der NUBBEK-Studie (Tietze u. a. 2012, S. 13).

Mit Blick auf die Kinder in ökonomischen Risikolagen dürften vor allem die Konstellation (a) „armes Kind in einer Einrichtung fast ohne arme Kinder“ und die Konstellation (b) „armes Kind in einer Einrichtung mit fast nur armen Kindern“ problematisch sein:

– Im Fall (a) ist davon auszugehen, dass die Sensibilität und das Wissen um die Bedarfe 16 dieser Kinder und ihrer Eltern in der Einrichtung eher gering sind. Gleichzeitig bewegen sich Kinder und Eltern in einem Umfeld, das materiellen Mangel nicht kennt, was sicherlich den Druck auslöst mitzuhalten, um nicht aufzufallen und ausgegrenzt zu werden. Die Betroffenen finden keine oder kaum andere Kinder mit ähnlichen Lebensbedingungen. Andererseits bietet eine solche Einrichtung auch eine potenzielle Chance: Die materielle und sonstige Förderung einzelner armutsbetroffener und benachteiligter Kinder kann im Zweifel ohne Probleme bewältigt werden, wenn es gelingt, den Eltern und dem Kind die Scheu zu nehmen, die angebotene Unterstüt-zung anzunehmen.

– Im Fall (b) stellt sich die Situation völlig anders dar: Hier trifft das armutsbetroffene Kind fast ausnahms-los auf andere arme Kinder. Das Leben unter Knapp-heitsbedingungen ist normal; normal ist auch, dass in den Wohnungen der Familien wenig Platz vorhan-den ist, der Fernseher oft andere (kostenträchtigere) Anregungen ersetzt, die Eltern mit der Schule und dem formalen Lernen oft Schwierigkeiten haben, weil sie selbst nur über geringe Bildungschancen

16 Die Begriffe Bedarf und Bedürfnis stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Bedürfnis bedeutet die subjektive Wahrneh­mung eines Verlangens oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu verschaffen. So zählen zu den Existenzbedürfnissen z. B. ausreichende Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Sicherheit und Medikamente. Grundbedürfnisse umfassen z. B. die Bedürfnisse nach Gesundheit, Umwelt und Bildung. Kulturbedürfnisse beschreiben den Wunsch nach Kul­tur (Ausflüge, Reisen etc.). Bedarf meint konkretisierte, objekti­vierte und meist in Zahlen zu fassende bzw. gefasste Bedürfnisse im Hinblick auf bestimmte Waren und Dienstleistungen (z. B. die Anzahl der in der Kindertageseinrichtung erforderlichen Mittag­essen, Sprachförderangebote). Wie hoch der tatsächliche Bedarf an einer Ware / Dienstleistung letztlich ist, wird auf einem Markt durch die Nachfrage bestimmt, die bei einem bestimmten Preis nach dieser Leistung oder Ware entsteht. Im sozialen wie päda­gogischen Bereich – die keine Märkte im eigentlichen Sinne sind – wird der Bedarf einer Person oder einer Gruppe meist durch die fachliche Einschätzung und die Rückmeldung von Fachkräften formuliert. So sind Befragungen oder Analysen der Jugendhilfe­ bzw. Sozialplanung typische Verfahren, um Bedarfe zu ermitteln.

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verfügt haben. Normal ist auch, dass es in der Familie viel Streit gibt und Trennungen bzw. Beziehungsab-brüche mit den entsprechenden emotionalen und materiellen Folgen sehr häufig vorkommen. Diese Charakterisierung ist weder vollständig, noch trifft sie immer die Realität. Sie soll jedoch deutlich ma-chen, dass – bei aller Heterogenität der Lebenslagen unter Armutsbedingungen – in solchen „Armuts-Kindertageseinrichtungen“ tendenziell bestimmte entwicklungsförderliche Erfahrungswelten und Anregungen fehlen werden und man weniger auf schon stattgefundene wichtige informelle Bildungs-prozesse bzw. „Alltagsbildung“, wie es Thomas Rau-schenbach (2007) nennt, setzen kann. Zu viele Pro-bleme sind an einem Ort versammelt, um sie unter den gegebenen Bedingungen und Ressourcen lösen zu können (vgl. hierzu auch Kap. 1.3). In westdeut-schen Großstädten geht der extrem hohe Armuts-anteil in der Regel mit einem sehr hohen Anteil nicht deutschsprachig aufgewachsener Kinder einher. Für Einrichtungen mit einem sehr hohen Migrantenan-teil wurde nachgewiesen, dass sich dies negativ auf die Entwicklung der Sprachkompetenzen auswirkt (Tietze u. a. 2012, S. 13).

Inklusives pädagogisches Handeln fordert auf, den Blick auf das einzelne Kind zu richten. Der Anspruch der Inklusion, alle Kinder unabhängig des jeweiligen Förderbedarfs zu unterstützen, ist wünschenswert, allerdings stellen sich in der Praxis mit Blick auf Kinder in Armutslagen neue Herausforderungen: Einrich-tungen, die in Bezug auf den Anteil armutsbetroffener Kinder zwischen den oben genannten Extremen (a) und (b) liegen, also sozial gemischt sind, dürften den betroffenen Kindern tendenziell bessere Bedingungen bieten können, da die Heterogenität in der Gruppe zum einen sicherstellt, dass ein Kind nicht aufgrund seiner Sonderposition ausgeschlossen wird, und zum anderen die Förderung von Kindern besser möglich ist, wenn der Anteil förderbedürftiger Kinder nicht zu groß ist.

Konsequenzen der Verteilung für die Fachkräfte„(…) als Erzieher war ich 13 Jahre lang in einer Brenn-punkteinrichtung tätig. Inzwischen habe ich die Stelle gewechselt und musste erkennen, dass die Rahmen-bedingungen, in denen ich jahrelang gearbeitet habe, erschreckend sind. (…) Meiner Ansicht nach grenzen

die Rahmenbedingungen in manchen Brennpunkt-einrichtungen an Kindes-, Familien- und Pädagogen-Wohlgefährdung (...)“ (Auszug aus einem Leserbrief von Carlo Schöneberger, kindergarten heute, 1 / 2013, S. 36).

Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen mit einem hohen bis sehr hohen Anteil an sozial benachtei-ligten Kindern sind deutlich unzufriedener mit ihren strukturellen Rahmenbedingungen als andere. Dies hat die bereits erwähnte Befragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung gezeigt (vgl. Tab. 5): Rund 80 % der Leitungen von Kindertageseinrichtungen mit hohen Armutsanteilen sind eher oder sehr unzufrieden mit ihren strukturellen Rahmenbedingungen. Bei den Kin-dertageseinrichtungen mit eher geringen Anteilen an sozial benachteiligten Kindern sind immerhin knapp 50 % der Leitungen zufrieden.

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Hintergrundwissen zu Armutslagen

Tabelle 5: Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Kita und Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen

Zufriedenheit mit strukturellen Rahmen-

bedingungen der Arbeit

Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Kita ( %) Alle Einrich-tungen

(Durchschnitt insgesamt)Eher gering Eher mittel Eher hoch Sehr hoch

Sehr zufrieden 3,9 3,9 3,6 0,0 3,6

Eher zufrieden 42,4 30,3 18,4 21,1 32,2

Eher unzufrieden 43,5 47,6 63,8 59,6 53,2

Sehr unzufrieden 10,2 8,2 14,3 19,3 11,0

ANMERKUNG: Die Kategorisierung der Kindertageseinrichtungen wurde – nach Angaben der Einrichtungen – wie folgt vorgenommen: „Sehr hoch“ = wenn a) ( = Anteil armutsbetroffener Kinder) und b) ( = Anteil Migrantenkinder) und c) ( = Anteil aus anregungsarmen Familien) in der Kita mehr als 50 % ausmachen. „Eher hoch“ = wenn a), b) oder c) höher als 50 % ist. „Eher mittel“ = wenn a), b) oder c) mindestens einmal zwischen 30 % und 50 % liegt. „Eher gering“ = wenn weder a) noch b) noch c) über 30 % liegt.

Quelle: Holz 2007, S. 9 (Kita-Erhebung Bertelsmann Stiftung 2006)

In derselben Studie wurde außerdem untersucht, in welchem Zusammenhang zusätzliche Ressourcen und der Anteil sozial benachteiligter Kinder stehen (vgl. Tab. 6). Folgendes hat sich dabei herausgestellt: Je höher der Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Einrichtung ist, desto häufiger erhält die Einrichtung zusätzliche Ressourcen (an Geld und Personal). Wäh-rend von den Kindertageseinrichtungen mit „sehr

geringen“ Anteilen an sozial benachteiligten Kindern knapp 10 % zusätzliche Ressourcen erhalten, sind es unter den Kindertageseinrichtungen mit „sehr hohen“ Anteilen gut zwei Drittel. Die Frage ist aber: Warum bekommt ein Drittel keine zusätzlichen Ressourcen? Wie können die betreffenden Kitas überhaupt mit den Standardressourcen eine solche Gruppe von Kindern adäquat betreuen und fördern?

Tabelle 6: Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Kita und Erhalt zusätzlicher Ressourcen

Anteil sozial benachteiligter

Kinder in der Kita

Einrichtung erhält zusätzliche Ressourcen ( %) Anzahl der befragten Kinder-

tageseinrichtungenJa Nein

Sehr gering 9,6 90,4 397

Gering 24,9 75,1 285

Mittel 38,3 61,7 107

Hoch 60,2 39,8 118

Sehr hoch 67,2 32,8 58

Insgesamt 26,9 73,1 965

ANMERKUNG: p<0,01

Quelle: Holz 2007, S. 12 (Kita-Erhebung Bertelsmann Stiftung 2006)

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Wenn man die Ergebnisse der Tabellen 5 und 6 zusam-men betrachtet, kommt man zu dem Schluss: Kinder-tageseinrichtungen mit hohen bis sehr hohen Anteilen an sozial benachteiligten bzw. armutsbetroffenen Kindern fühlen sich trotz in der Regel zusätzlich vor-handener Ressourcen nicht ausreichend ausgestattet, um ihrem Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsauf-trag adäquat gerecht werden zu können.

1.4.2 Ein erstes ZwischenresümeeWorin bestehen nun die besonderen Herausforde-rungen für die frühpädagogischen Fachkräfte im Hinblick auf Kinder und Familien in Armutslagen? Um Antwort auf diese Frage zu geben, wird nachfolgend das bisher dargestellte Basiswissen (siehe vor allem Kap. 1.2) auf die Ebene der Praxis in der Kindertagesein-richtung angewendet. Zusätzliche Informationen liefern beispielsweise die Veröffentlichungen von Kirsten Heitmann (2011, 2006) und die Untersuchung von Johann Michael Gleich (2005). Auch finden sich in dieser Expertise weiter unten (vgl. Kap. 2.3) noch ver-tiefende Ausführungen anhand von sieben typischen Schlüsselsituationen im Kita-Alltag.

Armut bzw. geringe materielle Ressourcen in der Fami-lie bedeuten für die Fachkräfte im Hinblick auf die Eltern:

– zunächst einen erhöhten Aufwand an Beratung in materiellen Fragen (zu Beitragszuschüssen, -übernahme und -ermäßigungen etc.; zu Leistun-gen wie ALG II, Bildung und Teilhabe = BuT, Wohn-geld etc; zum Umgang mit Zahlungsrückständen, Schulden etc.);

– je nach Träger und Organisation einen erhöhten Aufwand in der administrativen Abwicklung von Mahnungen, Zahlungsrückständen usw.;

– sehr eingeschränkte Möglichkeiten bei Zusatz-kosten, z. B. für Ausflüge, und mindestens eine sehr frühzeitige Planung im Falle unbedingt notwendi-ger Zusatzausgaben;

– wenig bis kein Potenzial für zusätzliche Einnah-men der Kindertageseinrichtung über einen Förderverein;

– die Notwendigkeit, zusätzliche Ressourcen für den Kita-Alltag auf andere Weise (z. B. über Fördermittel oder Spenden von Dritten) zu erzielen, und nicht zuletzt

– die Notwendigkeit, mit dem Thema Geld(mangel) sowie dessen Ursachen immer sensibel umgehen zu müssen.

Beim Kind führt die Armut zu spezifischen materiellen Mangellagen, mit denen die Einrichtung ebenfalls einen geeigneten Umgang finden muss:

– Beengte und zum Teil ungesunde Wohnverhält-nisse müssen im Alltag der Kindertageseinrichtung kompensiert werden, indem den Kindern ausrei-chend Bewegungsraum (drinnen und draußen), aber auch Ruhe und eventuell sogar Schlaf ermög-licht werden.

– Bei mangelnder und / oder ungesunder Ernährung der Kinder muss die Kita im Rahmen ihrer Mög-lichkeiten kompensatorisch wirken: Drei gesunde Mahlzeiten am Tag wären in Einrichtungen mit vie-len armutsbetroffenen Kindern deshalb notwendig.

– Bei unzureichender Ausstattung mit Kleidung und Alltagsgegenständen ist Kreativität und Durchhal-tevermögen gefragt, um das Notwendige für die Kinder organisieren zu helfen, ohne dass es für die Eltern (und Kinder) peinlich wird.

Wie in Kapitel 1.2 skizziert, hat Armut aber – jenseits dieser materiellen Dimension – , vermittelt über ein-geschränkte elterliche Ressourcen, bereits von Beginn an negative Auswirkungen in allen anderen Lebenslage-bereichen (vgl. hierzu vor allem Tab. 3). Das heißt für die Kindertageseinrichtung und ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag, dass es mehr Kinder mit erhöhten Förderbedarfen gibt. Hier nur einige Beispiele:

– Durch Mehrfachbelastungen ist es den betroffenen Eltern oft nicht möglich, sich ausreichend mit ihrem Kind und seinen Bedürfnissen zu beschäftigen. Dies führt zu Belastungen der Eltern-Kind-Beziehung und zu Auffälligkeiten in der sozialen und emotio-nalen Entwicklung des Kindes, die die Fachkräfte in der Kindertageseinrichtung zunächst verstehen und dann bearbeiten müssen.

– Eltern in Armutslagen sind häufig nicht nur ein-kommensarm, sondern auch bildungsarm (vgl. u. a. Ergebnisse der regelmäßig stattfindenden IGLU- und PISA-Studien; Autorengruppe Bildungs-berichterstattung 2012, S. 49). Ihnen fehlt das Wis-sen oder die Erfahrung oder manchmal auch nur die Energie und das Durchhaltevermögen, ihr Kind altersgerecht zu fördern, sei es sprachlich, motorisch oder kognitiv. Die Fachkräfte in der Kindertagesein-richtung sind vor die Herausforderung gestellt, in vielen Bereichen mit dem Kind zusammen Entwick-lungsschritte nach- und so aufzuholen.

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Implikationen für die Praxis

– Ein kleiner Teil dieser Eltern (vgl. die Typologien in Kap. 1.2.3) ist bereits mit der grundlegenden Versorgung und Betreuung der Kinder derart über-fordert, dass es bei diesen zu massiven Symptomen und Entwicklungsverzögerungen kommt. Hier sind die Fachkräfte in der Kita herausgefordert, sich mit der Frage Kindeswohlgefährdung zu beschäftigen und bei Bedarf Dritte einzubinden.

Die genannten Anforderungen treten natürlich auch bei Kindern aus materiell besser gestellten Familien auf. Es ist jedoch ausreichend belegt, dass Armut ver-bunden mit ihren Ursachen dazu beiträgt, die Risiken wesentlich zu erhöhen. Dies bedeutet: Je mehr armuts-betroffene Kinder in einer Kindertageseinrichtung betreut werden, umso größer ist der oben skizzierte Aufwand. Daraus ergibt sich für die Einrichtung die Notwendigkeit, sich mit anderen Institutionen und Fachkräften zu vernetzen. Um die Aufgaben fach-gerecht bearbeiten zu können, benötigt die Kinder-tageseinrichtung – möglichst regelhaft – vielfältige Kooperationsbeziehungen, und zwar unter anderem

– zu Expertinnen und Experten aus dem medizi-nischen Bereich (z. B. zum kinder- und jugendärzt-lichen Dienst, zu Logopädinnen und Logopäden, zu psychotherapeutischen Fachkräften und zu interdisziplinären Frühförderstellen),

– zum Sozialdienst / ASD, – zu Beratungsstellen (Erziehungsberatung, Schuld-

nerberatung etc.), aber auch – zu Anbietern aus der Eltern- bzw. Familienbildung,

der Frühförderung und der Migrationsarbeit.

Sowohl die notwendige Vernetzung als auch der hohe Beratungs- und Bildungsbedarf aufseiten der Eltern prädestinieren Kindertageseinrichtungen mit einem hohen Anteil an armutsbetroffenen Kindern, sich zu einem Familienzentrum zu entwickeln (vgl. hierzu ausführlicher Kapitel 2.2.4). Das bedeutet, die klassischen Angebote der Kindertageseinrichtung, wie Bildung, Betreuung und Erziehung des Kindes, in Richtung eines Zentrums für die ganze Familie zu er-weitern und vor allem auch Möglichkeiten der Begeg-nung, Beratung und Bildung für Eltern anzubieten.

2 Implikationen für die Praxis

Die Ausführungen in Kapitel 1 zum theoretischen Verständnis und empirischen Wissen haben ver-deutlicht: Wird von Kinderarmut bzw. von Kindern in Armutslagen gesprochen, dann geht es präzise formuliert um die Folgen familiärer Einkommensar-mut bei Kindern, die sich in lebensphasenspezifischen Erscheinungsformen der materiellen, kulturellen, gesundheitlichen und / oder sozialen Unterversorgung sowie in mangelnden Teilhabe- und Verwirklichungs-möglichkeiten manifestieren. All das wiederum wirkt sich komplex und massiv auf die kindlichen Entwick-lungs- und Bildungsprozesse aus. Armut – vor allem dauerhafte Armut – ist ein großer Risikofaktor für die kindliche Entwicklung und trägt entscheidend zur Verfestigung sozialer Benachteiligung und indivi-dueller Beeinträchtigungen bei, die schlussendlich in generationsübergreifende – also sozial vererbte – Armut übergehen können.

Angesichts solcher (Langzeit-)Wirkungen stellt sich die Frage, ob es überhaupt Möglichkeiten zur Prävention gibt. Die Antwort lautet: Ja. Aber so kom-plex das gesellschaftliche Armutsphänomen ist, so komplex müssen die Anstrengungen sein, Armut zu vermeiden und zu bekämpfen. Dies gilt sowohl auf allgemeiner als auch auf individueller Ebene, sowohl durch politische Rahmensetzungen als auch durch das konkrete Handeln der in Kindertageseinrichtungen tätigen Leitungs- und Fachkräfte.

Erstaunlich ist, dass oft von dem Ziel gesprochen wird, die Armut bei Kindern zu bekämpfen. Bei nä-herer Betrachtung von Forschung und Praxis fällt jedoch auf, dass häufig kindliche Armut, also eine öko-nomisch riskante Lebenslage, gleichgesetzt wird mit Gefährdungen infolge von elterlicher Vernachlässi-gung (Kinderschutz) oder dass sie automatisch zusam-mengeführt wird mit anderen sozialen Risikofaktoren wie Bildungsunsicherheit, Migrationshintergrund oder Aufwachsen in sozialen Brennpunkten. Sicher-lich gibt es Überschneidungen, doch erschwert eine solche undifferenzierte Zuordnung die Entwicklung zielgenauer Präventionskonzepte und -strategien, die sich ausdrücklich auf Kinder in Armutslagen bezie-hen. Wir werden im Folgenden auf den am weitesten

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entwickelten Ansatz einer kindbezogenen Armutsprä-vention zurückgreifen. Er wurde in Monheim am Rhein praktisch erprobt und von Gerda Holz und Antje Richter-Kornweitz theoretisch fundiert.

Das Konzept wird in Kapitel 2.1 vorgestellt, dessen praktische Umsetzung auf kommunaler Ebene in Kapitel 2.2. Daran schließt sich die Darstellung von Ansatzpunkten zur kindbezogenen Armutspräventi-on in der Kindertageseinrichtung an (siehe Kap. 2.3).

2.1 Kindbezogene Armutsprävention – Konzept und Handlungsansätze

Die Erklärungsansätze der Gesundheitswissenschaft und der Sozialen Arbeit sowie daran orientierte Kon-zepte einer (Gesundheits-)Förderung 17 liefern die the-oretische wie empirische Basis (Lampert / Richter 2009; Rosenbrock / Kümpers 2009; Mielck 2005). Gleichwohl sind dort verwendete Termini der Prävention und der Bewältigung im Kontext der Armutsproblematik spezifisch zu betrachten (Holz / Richter-Kornweitz 2010; Lutz / Hammer 2010; Zander 2010 b, 2011; Richter 2005).

2.1.1 Drei Grundbegriffe: Prävention, Armutsprävention, Kindbezogene ArmutspräventionAls Prävention (abgeleitet vom lateinischen Begriff praevenire: „zuvorkommen, verhüten“) werden Maßnahmen bezeichnet, mit deren Hilfe ein nicht erwünschtes Ereignis oder eine unerwünschte Ent-wicklung vermieden werden soll. Wissenschaft und Praxis unterscheiden zwischen primärer, sekundärer

17 Gesundheit und Wohlbefinden hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Abgesehen von Alter, Geschlecht und Erbanlagen sind die meisten dieser Faktoren beeinflussbar. Göran Dahlgren und Margret Whitehead (1991) haben die verschiedenen Ebe­nen dargestellt, auf denen diese Faktoren wirken: 1. Ebene: per­sönliche Verhaltens­ und Lebensweisen, 2. Ebene: Unterstüt­zung und Beeinflussung durch das soziale Umfeld, 3. Ebene: Lebens­ und Arbeitsbedingungen und 4. Ebene: wirtschaft­liche, kulturelle und physische Umweltbedingungen. In der Gesundheitsförderung und Prävention werden zwei Ziel­richtungen unterschieden: a) Maßnahmen, die individuelle Faktoren verändern sollen, z. B. Kurse für gesundes Ernährungs­verhalten oder Raucherentwöhnung, werden als verhaltens­bezogen bezeichnet. b) Maßnahmen, die Faktoren verändern sollen, die von außen auf das Individuum einwirken, werden als verhältnisbezogen bezeichnet (Bundeszentrale für gesundheit­liche Aufklärung / Gesundheit Berlin­Brandenburg 2009).

und tertiärer Prävention (siehe Infokasten, S. 41). Weiter wird zwischen Verhaltens- und Verhältnisprä-vention differenziert. Verhaltensprävention richtet sich auf das individuelle Verhalten der Menschen. Sie will förderliche Lebensweisen stärken und riskantes Verhalten vermeiden. Verhältnisprävention wiederum will schädliche Umwelteinflüsse verringern und eine gesunde Lebens- und Arbeitswelt schaffen. Zentral ist, das Individuum durch entsprechende Angebote, Hilfen und Aktivitäten darin zu unterstützen, seine Situation positiv zu bewältigen und gesellschaftlich integriert zu gestalten. Es geht folglich darum, mög-lichst frühzeitig Bedürfnisse und Risiken auf indivi-dueller Ebene zu erkennen sowie gesellschaftlich ein bedarfsgerechtes Angebot vor allem der Primär- und Sekundärprävention zu entwickeln, das wiederum der Einzelne intensiv nutzen sollte, um so die gesellschaft-lich erwartete Wirkung zu erzielen.

Prävention – übersetzt als Vermeidung bzw. Verhin-derung von schädlichen Ereignissen – kann Armut als Gesellschaftsphänomen nicht abwenden, denn Armut ist genuiner Bestandteil moderner, auf Erwerbsarbeit beruhender und über Geldbeziehungen funktionie-render Gesellschaften. Es geht also im Zusammen-hang mit Armutsprävention eher um die Frage, wie vorhandene materielle Ressourcen und Chancen in einer Gesellschaft verteilt sind und wie mittels des Marktgeschehens der Wohlstand für alle sicherge-stellt bzw. eine wachsende Ungleichheit zwischen verschiedenen sozialen Gruppen vermieden werden kann. Wachsende soziale Ungleichheiten haben zu-nehmende Armut und soziale Ausgrenzungen von Individuen und einzelnen Bevölkerungsgruppen zur Folge (Huster u. a. 2012). Wirksame Armutsprävention muss Handlungsansätze und konkrete Maßnahmen sowohl im strukturellen Bereich (Verhältnispräven-tion) als auch im individuellen Bereich (Verhaltensprä-vention) umsetzen.

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Implikationen für die Praxis

Kindbezogene Armutsprävention (Holz / Richter-Korn-weitz 2010) stellt einen theoretischen und praktischen Handlungsansatz dar, der auf positive Lebens- und Entwicklungsbedingungen für Mädchen und Jungen in ihrem Heute und in Bezug auf ihre Zukunft hinwirkt. Dieser Ansatz ist vor allem ein öffentlicher Auftrag und damit Ausdruck öffentlicher Verantwortung für armutsbetroffene junge Menschen. Kindertagesein-richtungen (aber auch Schulen) sind als Teil dessen ebenfalls gefordert, den Auftrag konkret mit Leben zu füllen. Grundsätzlich sind folgende Eckpunkte zu beachten:

– Der Bezugspunkt ist Armut, das heißt familiäre Einkommensarmut.

– Die Leitorientierung ist die Sicherung eines „Auf-wachsens im Wohlergehen“ für alle Kinder und speziell für armutsbetroffene.

– Das Hauptziel ist, kindspezifische Armutsfolgen zu vermeiden bzw. zu begrenzen, aber auch ursäch-liche Gründe bei den Eltern bzw. der Familie und im Umfeld positiv zu beeinflussen.

– Die Umsetzung des Ziels erfolgt in drei strategische Richtungen: (1) indirekt über Maßnahmen für das soziale Umfeld bzw. den Sozialraum, (2) indirekt über Maßnahmen für die Eltern und (3) direkt für das Kind.

– Ansatzpunkte sind mit Blick auf armutsbetroffene Jungen und Mädchen sowohl die Förderung von Resilienz durch Stärkung ihrer personalen und sozialen Ressourcen als auch die Ausweitung struk-

tureller Armutsprävention durch Sicherung und Gestaltung von kindgerechten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Beides bedingt einander, steht in wechselseitigem Bezug zueinander und kennt dennoch eigene Schwerpunkte.

– Handlungsperspektive ist es, die kindlichen Bedürf-nisse aufzunehmen, den davon ableitbaren Bedarf zu erfassen und darauf ausgerichtet gezielt zu handeln.18 So eröffnen sich für jedes Kind vielfältige Befähigungs- und Verwirklichungschancen (vgl. hierzu u. a. BMFSFJ 2009).

– Rechtsgrundlage ist § 1 SGB VIII. Er gibt den Prä-ventionsauftrag vor und bestimmt Prävention zur Pflichtaufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, insbe-sondere auf kommunaler Ebene. Dieser Auftrag gilt für alle Kinder und mit besonderer Verpflichtung für benachteiligte junge Menschen. Krippe und Kin-dertageseinrichtung wiederum sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

18 Bedürfnisse sind z. B. Versorgung, Ernährung, Gesundheitsfür­sorge, Bindung, Nähe und Kontakt, Neues entdecken und erfor­schen sowie Teilhabe. Bedarfe sind hier z. B. Nahrungsversorgung, Zeit für emotionale Zuwendung, Bereitstellung von Erlebnisum­welten, Möglichkeit zum Mitmachen und Mitgestalten. Sich dar­aus ergebendes Handeln als Rahmengestaltung ist z. B. Bereit­stellung von Essen und Getränken, Trösten und Loben, Angebote zur Förderung von Selbstkompetenzen und zur Stärkung der Selbstwirksamkeit machen, Ausflüge organisieren, Beteiligung von Kindern und Eltern in der Einrichtung praktizieren.

Die drei Stufen der PräventionMargherita Zander bestimmt die drei Stufen der Prävention im Armutskontext wie folgt:

– Primärprävention: Ziel ist die Vermeidung von Armut durch erweiterte Zugangsmöglichkeiten zu Ressourcen (vor allem Einkommen, Erwerbs-arbeit, aber auch Bildung, Gesundheit, Wohnen usw.).

– Sekundärprävention: Sind bereits individuell oder familiär Armutsrisiken eingetreten, so gilt es, negative Auswirkungen möglichst zu vermeiden bzw. zu minimieren. Das heißt: Ein-satz von zusätzlichen ergänzenden und / oder kompensierenden Ressourcen durch den Staat und die Gesellschaft (z. B. Angebote der Berufs-

förderung, Beratung, kostenfreie Kita- und Schulbildung).

– Tertiärprävention: Es sind Vorkehrungen zu treffen, die die Gefahr einer Verfestigung von Armut oder einer „sozialen“ Vererbung über Generationen abwenden. Dem Einzelnen oder den Familien ist ein existenzsicherndes, ge-sundheits- und entwicklungsförderndes Umfeld im weitesten Sinn zu schaffen, wobei fehlende individuelle und familiäre Kompetenzen durch öffentliche Ressourcen eher zu kompensieren statt zu ergänzen sind (z. B. Erziehungsangebote, emotionale und soziale Förderung, Gestaltung gesundheitsfördernder Umwelten) (Zander 2010 b, S. 128 f.).

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

2.1.2 Kindbezogene Armutsprävention umfasst zwei Ebenen Die erste Ebene (Verhaltensprävention) ist darauf aus-gerichtet, Kinder und Eltern in ihrer Persönlichkeit und ihrem Handeln zu stärken, z. B. Resilienz zu entwickeln. Diese zielt auf psychische Gesundheit trotz erhöhter Entwicklungsrisiken und auf Bewältigungskompe-tenz. Im Mittelpunkt steht die Stärkung von individu-ellen und sozialen Ressourcen.

Kinder im Elementarbereichsalter beschreiben Armut eines Kindes zum Beispiel mit folgenden For-mulierungen: „wenn Mama / Papa nie Zeit für mich haben“, „wenn Mama und Papa immer streiten und schimpfen“, „wenn keiner mit mir spielt“, „wenn ich keine Freunde habe“, „wenn ich nicht zum Geburtstag der anderen Kinder eingeladen bin“ oder „wenn Mama immer sagt, das können wir uns nicht leisten“.

Armut als kindliche Lebensbedingung greift sowohl die emotionalen Bindungen als auch die sozialen Beziehungen an und schränkt das Lernen über die Entdeckung der Welt ein. Bekannt ist heute: Resili-enten jungen Menschen stand trotz widriger Lebens-umstände die Möglichkeit offen, eine enge, positiv emotionale und stabile Beziehung mindestens zu einer Person (nicht nur Eltern) aufzubauen, die ihnen eine konstante und kompetente Betreuung sowie Anregungen für eine altersgemäße Entwicklung und Bildung sicherte. Diese Bezugsperson ging angemes-sen und feinfühlig auf die Bedürfnisse und Signale des Kindes ein, wodurch es ein sicheres Bindungsmuster ausbildete. In engem Zusammenhang damit standen das Erziehungsklima und der Erziehungsstil. Ein Be-ziehungsmuster wird dann schützend, wenn es durch Wertschätzung, Respekt und Akzeptanz dem Kind gegenüber sowie durch Sicherheit im Erziehungsver-halten geprägt ist.

Armutsbetroffene Eltern sind zumeist mit ihrer Aufgabe der finanziellen Absicherung der Familie (z. B. durch Ausübung von mehreren Jobs, Putzarbeiten am Abend und Wechselschichten) befasst. Damit ist nicht nur ein permanenter Zeitdruck, sondern auch das Gefühl permanenter existenzieller Bedrohung verbunden, was wiederum zu Belastungen bis hin zur Überlastung führt (Lutz 2012). Diese wirkt sich beispielweise auf die Eltern-Kind-Beziehung, das Fa-milienklima, gemeinsame Familienaktivitäten und die sozialen Netze aus. Kindertageseinrichtungen sind für armutsbetroffene Kinder also nicht nur eine

Sozialisationsinstanz neben der Familie, sondern oft auch Teilersatz für Familie als Folge deren prekären Lebenslage.

Margherita Zander weist ausdrücklich darauf hin, dass durch Resilienzförderung nur die „Bedingungen für mögliche Resilienz“ beim Einzelnen hergestellt werden, um personale Fähigkeiten auszubauen, die dann „resilientes Verhalten ermöglichen“ (Zander 2012, S. 22). Nach Antje Richter-Kornweitz ist der Prozessgedanke für das Verständnis von Resilienz unverzichtbar. Wichtig für die pädagogische Praxis in Krippe, Kindertageseinrichtung und Schule ist demnach: Resilienz kann beim jungen Menschen un-mittelbar und mittelbar über die Erziehungsqualität gefördert werden, denn entscheidend ist, was Kinder den Anforderungen des Alltags entgegensetzen kön-nen, wie sie zum Beispiel Konflikte aktiv lösen und Probleme bewältigen können. Ebenso wichtig wie das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle über Entscheidungen ist die Förderung von Eigenaktivität und Übernahme von Verantwortung. Resiliente Ver-haltensweisen bei Kindern kann man fördern, indem unter anderem

– ermutigt wird, eigene Gefühle zu benennen und auszudrücken,

– vermieden wird, vorschnelle Hilfeleistungen zu geben,

– geholfen wird, soziale Beziehungen aufzubauen, – dabei geholfen wird, sich selbst erreichbare Ziele

zu setzen, – ermutigt wird, positiv und konstruktiv zu denken

(Richter-Kornweitz 2010).

Dazu ist es notwendig, Kinder schon von früh an in wichtige Entscheidungsprozesse einzubinden, denn so entwickeln sie ein Gefühl, selbst wirksam zu sein und Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben. Nur wer auf genügend soziale und personale Ressourcen zurück-greifen kann, kann Belastungen erfolgreicher und ohne gravierende psychosoziale Folgen bewältigen.

Kindbezogene Armutsprävention auf der Verhal-tensebene basiert auf dem pädagogischen Handeln aller Sozialisationsinstanzen. Grundlagen dafür sind die Konzepte und noch mehr deren professionelle Um-setzung in den für Kinder verantwortlichen Bildungs-, Kultur-, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Die Anforderung an pädagogische Institutionen wie die Kindertageseinrichtung lautet, Armutssensibilität –

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Implikationen für die Praxis

im Sinne einer Feinfühligkeit und Empfindlichkeit – institutionell zu verankern (vgl. hierzu u. a. Heitmann 2011, 2006; Diakonisches Werk Württemberg 2009; Haupt 2005). Armutssensibilität zeichnet sich bei-spielsweise aus durch

– ein Erziehungsklima in der Kindertageseinrich-tung, das durch emotionale Wärme, Ressourcen-orientierung, Anerkennung und Partizipations-orientierung (Lutz 2012) geprägt ist;

– Wahrnehmung und Einordnung von Armut als gesellschaftliches Phänomen und nicht als indivi-duelles Verschulden oder gar Versagen der Eltern;

– Initiierung von Angeboten mit dem Ziel, armutsbe-lasteten Kindern zusätzliche Lern- und Erfahrungs-räume, neue Ressourcen zu eröffnen;

– Verantwortungsübernahme auch für armutsbetrof-fene bzw. vermeintlich nicht leistungsfähige / -wil-lige Kinder durch individuelle Förderung, soziale Einbindung und inkludierendes Handeln;

– Verbesserung des Zugangs zu armutsbetroffenen und schwer erreichbaren Eltern, Aufbau von Be-ziehungen dieser Eltern zum Geschehen in der Kindertageseinrichtung oder Schule;

– Entwicklung pädagogischer Konzepte in Kinder-tageseinrichtung oder Schule, um Armutsfolgen zu thematisieren und Armutsprävention in der Einrichtung zu etablieren;

– Stärkung von Sozialraumbezug und Vernetzung mit anderen Institutionen sowie Ausbau der Koo-peration von Jugendhilfe, Jugendgesundheitshilfe, Frühförderstellen und Kindertageseinrichtung bzw. Schule.

Die zweite Ebene (Verhältnisprävention) der kindbe-zogenen Armutsprävention betrifft die strukturellen Aspekte über die Gestaltung und Veränderung von Lebens-verhältnissen der Familie bzw. des Kindes, zum Beispiel durch eine armutsfeste Grundsicherung 19 und eine

19 Hierzu gibt es verschiedene Modelle, u. a. von (a) Die LINKE (www.die­ linke.de/service/suche/?gms_words=kindergrundsicherung&gms _website=dielinke&gms_order=score&gms_rubrik=&Abschicken.x=0&Abschicken.y=0) und (b) Bündnis 90 / Die Grünen (www.gruene­ bundestag.de/?id=4386915) sowie vom (c) Zukunftsforum Fami­lie e. V. (www.kinderarmut­hat­folgen.de), das von verschiedenen (Wohlfahrts­)Verbänden (u. a. von der AWO und dem Deutschen Kinderschutzbund) getragen wird. Grundprinzip ist die antrags­freie Zahlung eines einheitlichen einkommensunabhängigen Grund­betrags für jedes Kind.

umfassende und qualifizierte öffentliche Infrastruktur für Kinder und Familien. Dies ist als gesellschaftliche Verpflichtung und zugleich als sozialstaatlicher Auf-trag zu verstehen und wird entscheidend durch Politik und Verwaltung gestaltet. Hierzu ist ein Aktivwerden auf unterschiedlichen Handlungsebenen erforderlich, das in sich politische, soziale, pädagogische und pla-nerische Elemente vereint.

Herausragende Bedeutung kommt dabei dem kommunalen Geschehen bzw. der Kommune zu. Sie ist der unmittelbare Lebens- und Entwicklungsort eines Kindes. Sie kann verhältnisorientierte Gestal-tungsansätze initiieren und schafft darüber die Folie für verhaltensorientierte Konzepte und Maßnahmen in Krippen, Kindertageseinrichtungen und Schulen. Dabei können alle drei Stufen der Prävention (siehe S. 41) mit jeweils eigenem Fokus relevant sein.

Ein besonders vielversprechendes Instrument kindbezogener Armutsprävention stellt die Präven-tionskette dar (vgl. Abb. 7, S. 45). Sie ist biografisch angelegt und darauf ausgerichtet, jedem Jungen oder Mädchen eine fördernde Begleitung – bedürfnisorien-tiert, bedarfsgerecht 20 und jederzeit – von der Geburt bis zum erfolgreichen Berufseinstieg zu ermöglichen. Entscheidend ist eine passgenaue Begleitung, je nach Situation und familiärem wie kindlichem Bedarf. Das Bild einer professionellen Unterstützung in Gestalt eines Brückenbauers und in der Rolle eines Lotsen oder eines Begleiters der Familie gibt wieder, was gerade insgesamt und besonders bei Entwicklungs-übergängen (z. B. Familie – Krippe und Kinderta-geseinrichtung – Grundschule) oder in Situationen mit erhöhten Lebensrisiken (z. B. Trennung, Scheidung, Arbeitsplatzverlust, Krankheiten und Pubertät) als Prä-ventionsangebot notwendig, aber auch möglich ist. Folgende Maßstäbe gelten für kommunale (Armuts-)Präventionsketten:

– Förderung aller jungen Menschen – frühestmöglich und systematischEine kind- bzw. jugendbezogene Präventionskette zielt auf die ganzheitliche Entwicklung der Persön-lichkeit, der Fähigkeiten und Kompetenzen der jun-gen Menschen ab und stellt die soziale Inklusion in den Vordergrund. Ansatzpunkte sind die Stärken und

20 Zum Zusammenhang von Bedürfnis und Bedarf siehe Fußnote 16.

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Potenziale. Im Fokus steht das Kind mit seinen Bedürf-nissen. Darüber hinaus sind die Eltern bzw. die Fami-lie und der Sozialraum weitere Handlungsebenen. Förderung – stets so früh und so systematisch wie möglich – umfasst Verhaltensweisen, Angebote, Maßnahmen und Strukturen, die die Entwicklung und Bildung des jungen Menschen sichern, indem ein aktives und selbst gesteuertes Erfahrungslernen in einem kindgerechten Lebensraum ermöglicht wird. Darin eingeschlossen sind zum einen die (Frü-he) Hilfe und bei Bedarf auch der (Kinder-)Schutz, wenn riskante Entwicklungen beim Kind oder Jugendlichen, in der Familie oder im Sozialraum entstehen sollten, zum anderen Angebote der inter-disziplinären Frühförderung, wenn Entwicklungs-verzögerungen und -abweichungen auftreten.

– Prävention und Partizipation statt KriseninterventionDie Ausrichtung der Konzepte und die Instrumente der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, des Gesund-heitsbereichs und des Bildungssystems werden grundlegend verändert. Ein präventiver Ansatz, der mit der Schwangerschaft der Frau oder spätestens mit der Geburt eines Kindes beginnt, zeichnet sich als „Aktion für etwas“ und nicht als „Reaktion auf etwas“ aus. Weiterhin ist die Partizipation von allen Kindern und Jugendlichen zentral.

– Öffentliche Verantwortung als eine kind- bzw. jugendbezogene Armutsprävention(Kinder-)Armut ist zunächst einerseits ein gesell-schaftliches Problem und stellt andererseits eine konkrete individuelle Lebenslage dar. Damit sind Handlungsansätze zur Gegensteuerung in beiden Bereichen – strukturell und individuell – wichtig. Es besteht neben der „privaten Verantwortung“ (durch die Familie) eine „öffentliche Verantwortung“ (durch den Staat). Letztere zeigt sich vor allem in der Gestal-tung der Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern (BMFSFJ 2012). Zwar steht die Kommune im Zentrum, aber der Landes- und Bundesebene kommen ebenso grundlegende Pflichten zu.

– Präventionsketten sichern durchgängige Förderung und UnterstützungDie Präventionskette steht für eine Neuorientierung und Neustrukturierung der Förder- bzw. Hilfesysteme mit der Absicht, allen sozialen Gruppen positive Le-

bens- und Teilhabebedingungen zu eröffnen. Sie wird durch alle öffentlichen und gesellschaftlichen Akteure gebildet, die für das Erreichen des jeweiligen Präventionsziels verantwortlich sind. Sie dient dazu, voneinander getrennt erbrachte Leistungen und An-gebote aufeinander abzustimmen und zu koordinie-ren. Ziel ist es, eine durchgängige und lückenlose För-derung und Unterstützung zu gestalten, bei denen die einzelnen Angebote sinnvoll miteinander ver-knüpft werden – unabhängig davon, wer sie erbringt. Eine kind- und jugendbezogene (Armuts-)Präventi-onskette ist biografisch angelegt und darauf ausge-richtet, Kindern und Jugendlichen eine fördernde, passgenaue und verlässliche Begleitung zuzusi-chern. Die konkreten Angebote orientieren sich an den jeweiligen Bedürfnissen und daraus ableitbaren Bedarfen des jungen Menschen und seiner Familie; diese können die Angebote jederzeit in Anspruch nehmen oder beenden.

Über die Beantwortung folgender beispielhafter Fragen wird unmittelbar sichtbar, dass jede Krippe, Kindertageseinrichtung oder Schule ein Element kommunaler Infrastruktur in der Präventionskette ist: (1) „Die Eltern haben wenig Zeit und Geduld für die Eingewöhnung ihres Kindes – Was tun wir, damit sie trotzdem gelingt?“, (2) „Einige Eltern können die Wechsel- oder Regenkleidung nicht finanzieren – Woher beschaffen wir die notwendigen Ressourcen, damit trotzdem alle Kinder an allem teilhaben?“ oder (3) „Das Kind und seine Eltern brauchen mehr Unter-stützung und Förderung, was wir als pädagogische Fachkräfte nicht leisten können – Wen müssen wir einbinden und mit wem müssen wir uns vernetzen, damit dann gemeinsam ein Mehr-Wert für unsere Kinder, aber auch für unsere Kita geschaffen wird?“. Über solche Fragen wird genauso sichtbar, dass jede Einrichtung immer mit anderen verknüpft ist und alle gegenseitig darauf angewiesen sind, miteinander zu arbeiten. Prävention und Inklusion erfordern Vernet-zung und Mitarbeit in Netzwerken (Schubert 2008; LVR-Landesjugendamt Rheinland o. J.).

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Implikationen für die Praxis

Abbildung 7: Strukturformen kindbezogener Armutsprävention – Präventionskette durch Netzwerke

Quelle: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS-Frankfurt a.M.) 2010

Die Pfeile in Abbildung 7 symbolisieren die Gewähr-leistungen der Präventionskette durch eine Vielzahl von Trägern, Einrichtungen, Diensten, Angeboten und Fachkräften unterschiedlicher Professionen in der Kommune. Sie zusammen sichern die Infrastruktur und prägen den Rahmen für die Lebensbedingungen vor Ort mit. Nicht das Leistungs- oder Angebotsspek-trum eines einzelnen Dienstes ist entscheidend, sondern das abgestimmte Gesamtkonzept aller Unter-stützungsangebote. Aber: Jedes einzelne Kettenglied braucht eigene Ressourcen zur Steuerung und Wahr-nehmung seiner Aufgaben. So ist es dann möglich, je nach Anforderung für jeden jungen Menschen einen individuellen Förder-, Unterstützungs- oder Hilfeplan zu gestalten, der – vor allem in den Übergangspha-sen – die Situation des Kindes bzw. Jugendlichen und der Eltern bzw. Familie mit ihren unterschiedlichen Stärken und Schwächen bestmöglich berücksichtigt.

Wird vor Ort kindbezogen gedacht und die kom-munale Infrastruktur entsprechend aufgebaut, so gilt: Kinder ohne Eltern gibt es nicht. Zu einer kindbezogenen Armutsprävention gehören automatisch auch Ange-bote zur entlastenden Unterstützung und zur Hilfe für Eltern. Dazu zählen Informationen, Begegnung, Bera-tung, Bildung oder auch Angebote einer zeitweiligen Begleitung bzw. einer mittelfristigen Betreuung. Solche Angebote zielen nicht nur auf die Stärkung elterlicher Kompetenzen ab, sondern umfassen genauso und oft-mals zuerst existenzielle Themen wie Erwerbstätigkeit,

Entschuldung, Wohnungssicherung oder Partner-schaftsfragen (Holz u. a. 2012; AWO Bundesverband 2010; Gemeinschaftsinitiative AWO Niederrhein 2010).

Zusammengefasst zeichnen sich (Armuts-)Präven-tionsketten auf der Basis von Netzwerken durch (a) bedürfnisorientierte und kind- bzw. familienbezo-gene Konzepte, (b) interdisziplinär eingesetzte Fach-lichkeit, (c) Abstimmung und Zusammenarbeit aller regionalen Hilfeangebote, Ressourcen, Programme, Fördermaßnahmen und Aktivitäten sowie (d) durch Qualitätssicherung, Verbindlichkeit und fachliche Weiterentwicklung aus.

Modell für die Präventionskette ist der in Monheim am Rhein entwickelte Ansatz „Mo.Ki – Monheim für Kin-der“. Daraus hat sich eine kommunale Gesamtstrategie der kindbezogenen Armutsprävention ent wickelt, die bundesweit als Vorreiter für Kommunen gilt. „Mo.Ki“ wird im folgenden Kapitel beispielhaft vorgestellt, weil dieser Ansatz von Beginn an und fokussiert auf armuts-betroffene Familien eine Verknüpfung von individueller Förderung und struktureller Prävention verfolgt.

Ein weiteres Vorbild für die Umsetzung einer Präven-tionskette – vor allem zur Gestaltung eines kommunalen Ansatzes zum Kinderschutz und bei Kinderarmut – ist Dormagen:

„Ausgangspunkt der Überlegungen war es, Instru-mente zu entwickeln, die mögliche gefährdende oder vernachlässigende Situationen für Kinder präventiv verhindern. Da es kaum möglich ist, Problemlagen zu

Krippe(0–3 Jahre)

Schwanger-schafts-

begleitung

Elte

rnKi

nd

Kita(3–6 Jahre)

Netzwerke für Förderung, Unterstützung, Bildung, Partizipation und Schutz

Grundschule(6–10 Jahre)

WeiterführendeSchule

(10–… Jahre)

Berufs-(aus-)bildung

Information, Begegnung, Beratung, Bildung, Begleitung, Betreuung

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verhindern, die noch gar nicht sichtbar sind, die man gar nicht kennt, sondern es sich um Situationen handelt, die sich eventuell noch entwickeln könnten, greift das Dor-magener Modell weiter: Es sollen Lebensbedingungen mitentwickelt werden, von denen man weiß, dass sie sich günstig für die Lebensgestaltung auswirken. Dazu müssen die Stärken der Menschen befördert und die Hil-fenetze sicherer gemacht werden“ (Hilgers u. a. 2011, S. 3).

Das Modell und die zugrunde gelegte Präventions-kette umfassen Angebote zur Prävention, zur frühen Unterstützung und Sicherung von Grundbedürfnissen (vgl. Abb. 8).

Inzwischen sind etliche andere Kommunen (z. B. Aachen, Braunschweig, Hannover, Kiel, Karlsruhe, Nürnberg) auf einem ähnlich vorbildlichen Weg (vgl. hierzu die Quellen im Literaturverzeichnis).

Abbildung 8: Dormagener Modell – die Präventionskette als Strukturmodell

Quelle: Hilgers u. a. 2011, S. 12

2.2 Kindbezogene Armutsprävention – ein Beispiel auf kommunaler Ebene

Nachfolgend stehen die Förder- und Inklusionsbemü-hungen in der Kommune Monheim am Rhein für Fa-milien mit Kindern unter sechs Jahren im Mittelpunkt. Der Start (siehe Kap. 2.2.1) und das Grundverständnis (siehe Kap. 2.2.2) des Ansatzes „Mo.Ki – Monheim für Kinder“ werden skizziert, um unter anderem deutlich zu machen: Kindertageseinrichtungen, aber auch Schulen sind Teil kommunaler Prozesse und der lo-kalen Infrastruktur. Die Fachkräfte wiederum sind prägender Teil der Einrichtungen und damit ergeben sich für sie spezifische Anforderungen, Inklusion und

Prävention auch in der alltäglichen Arbeit zu sichern. Dies wird beispielhaft anhand der ersten beiden „Mo.Ki“-Elemente (siehe Kap. 2.2.3 und 2.2.4) dargestellt.

2.2.1 „Mo.Ki“ – schrittweise initiiert und nachhaltig angelegtAusgangspunkt des kommunalen Engagements in Monheim am Rhein und der pädagogischen wie strukturellen Arbeit in „Mo.Ki – Monheim für Kin-der“ bildet ein Stadtteil, der über lange Jahre im Bund- / Länderprogramm „Soziale Stadt“ als Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf gefördert wur-de. Im Berliner Viertel leb(t)en rund ein Viertel der Monheimer Bürgerinnen und Bürger, von denen

Hilfen für werdende Mütter

Hilfen von der Geburt bis zum 3. Lebensjahr

Hilfen im Elementarbereichsalter:

3.–6. Lebensjahr

Hilfen in der Grundschule:

ab 6. Lebensjahr

Prävention– Infos und Hilfen– Ausbau Elternbildung– Ausbau Familienzentren

Prävention– Hausbesuch mit Eltern- begleitbuch– Betreuungsplatzgarantie ab dem 4. Monat– Ausbau der Elternschulen

Prävention– Betreuungsplatzgarantie– Ausbau der Elternbildung– Gesundheitsförderung– Weiterbildung f. Fachkräfte– Papilio

Prävention– Betreuungsplatzgarantie– Hausbesuch bei Erst- klässlern durch Lehrer– Weiterbildung der Pädagogen

Grundbedürfnisse sichern:– Gesundheitsvorsorge/ Krankenversicherung– Wohnraum Grundbedürfnisse sichern:

– Gesundheitsvorsorge/ Krankenversicherung– Wohnraum

Grundbedürfnisse sichern:– Mittagessen 1 €– Krankenversicherung

Frühe Unterstützung fürbenachteiligte Familien:– Persönliche Beratung durch Gynäkologen/ Geburtskliniken– Vermittlung an Beratungseinrichtung

Frühe Unterstützung fürbenachteiligte Familien:– Babyclubs– Krabbelclubs– Kostenl. Elternbildung– Ausbau von Familien- zentren– Familienpass

Frühe Unterstützung fürbenachteiligte Familien:– Elternbildung– Hausbesuch bei Kindern, die keinen Kindergarten besuchen– Prokita/U7a– PALME– Familienpass

Frühe Unterstützung fürbenachteiligte Familien:– Fahrkostenerstattung– Nachhilfe– Familienpass

Grundbedürfnisse sichern:– Mittagessen 1 €– Schulmittelfreiheit– Schülerfahrtkosten

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Implikationen für die Praxis

überdurchschnittlich viele von Armut betroffen sind. 60 % der Bezieherinnen und Bezieher von Sozialgeld in der Stadt wohnen hier, und jedes dritte Kind des Viertels wächst mit Sozialgeld-Bezug auf (Berg 2010).

Seit 2002 wird an einer kommunalen Gesamt-strategie der „Frühen Förderung und Inklusion von Anfang an“ gearbeitet. 21 Konkret sollen Angebote entwickelt werden, um Armutsfolgen bei jungen Menschen ab frühester Kindheit und bis zum Erwach-senenalter zu vermeiden. Mittelfristig geht es um den Ausbau einer präventiven Infrastruktur für Kinder und Jugendliche, um mit dem Motto „Stärken stär-ken und Schwächen schwächen“ in die Zukunft der jungen Generation und damit auch der Kommune zu investieren. Der Monheimer Ansatz beinhaltet folg-lich die beiden Handlungsebenen Einzelförderung und Strukturentwicklung (vgl. hierzu u. a. Berg 2010, S. 38 – 40), die untrennbar miteinander verknüpft sind, gemeinsam gedacht werden und sich in allen Aktivitäten wiederfinden.

Dies geschieht zum einen darüber, dass die Einrich-tungen präventive Konzepte und Angebote für Kinder und deren Eltern – stets für alle, aber für armutsbe-troffene ganz besonders – entwickeln und realisieren. Die Fachkräfte fördern junge Menschen, unterstüt-zen Familien, stärken Eltern, fördern Bildung und Gesundheit, gestalten Übergänge und praktizieren Vernetzung. Mithilfe einer Regiestelle wird zudem an der Qualifizierung der Fachkräfte gearbeitet. Strukturell wird die Vernetzung aller vor Ort für Kinder engagier-ten Akteure vorangetrieben, um gemeinsam das „Auf-wachsen im Wohlergehen“ zu sichern (Nowak 2011). Zum anderen wird der Auf- und Ausbau einer kindbe-zogenen (Armuts-)Präventionskette durch Netzwerke weiter verfolgt. Daran arbeitet die Kommune (Politik und Verwaltung) im Dialog mit über 70 Netzwerkpart-nern. Dazu können zahlreiche Publikationen genutzt werden, zum Beispiel die Evaluationsberichte zu „Mo.Ki 0, I und II“ (Holz / Stallmann 2011, 2010, 2009; Holz 2010 a; Holz u. a. 2005).

Elemente der Monheimer Präventionskette Altersphase

„Mo.Ki 0“ Frühes Fördern von Anfang an unter 3 Jahren

„Mo.Ki I“ Frühes Fördern in Kitas als Familienzentrum 3 bis 6 Jahre

„Mo.Ki II“ Frühes Fördern in der Grundschule 6 bis 10 Jahre

„Mo.Ki III“ Frühes Fördern als Anspruch der Sekundarstufe I (seit August 2012 in der Modellerprobung)

10 bis 14 Jahre

„Mo.Ki IV“ Frühes Fördern als Anspruch bis zum Übergang von der Schule in den Beruf (anschließend geplant)

14 bis 18 Jahre plus

21 Eine Kooperation von AWO Niederrhein und der Stadt Monheim am Rhein, mit finanzieller Förderung unter anderem durch die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und mit wissenschaftlicher Beglei­tung durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS­Frankfurt a.M.).

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2.2.2 Das Grundverständnis von „Mo.Ki“: Förderung und Inklusion von Anfang an Die Pflege und Erziehung der Kinder sind das Recht und die Pflicht der Eltern, das heißt, die Förderung des Kindes findet immer zuallererst in der Familie statt. Gleichzeitig haben die Gesellschaft im Allgemeinen und die Kinder- und Jugendhilfe im Besonderen eine eigene Verantwortung, das Recht der Kinder auf die Förderung ihrer Entwicklung und Erziehung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu unterstützen (vgl. § 1 SGB VIII).

In diesem Gesamtauftrag zielt „Förderung und Inklusion von Anfang an“ zunächst auf die Eltern im Sinne der Unterstützung und bei Bedarf der Hilfe-stellung ab. Sie sollen die elterlichen Ressourcen und Kompetenzen zur Gestaltung des Familienalltags mit dem Ziel stärken, die Entwicklungs- und Lebensbe-dingungen des Kindes positiv zu gestalten sowie zur sozialen Inklusion und gesellschaftlichen Teilhabe beizutragen. Hier verwirklicht sich die „elterliche Ver-antwortung“ für das Kind. „Förderung und Inklusion von Anfang an“ zielt aber genauso auf das Kind selbst ab, indem altersgemäße Entwicklungs- und Bildungs-prozesse durch außerfamiliäre Angebote bereichert werden. Hierbei verwirklicht sich die „öffentliche Verantwortung“ gegenüber dem einzelnen Kind, während seine eigenständigen subjektiven Rechte gesellschaftlich gesichert werden.

Im Hinblick auf die Eltern sind die Angebote der „Förderung und Inklusion von Anfang an“ freiwillig. Eltern sind Partner der Fachkräfte aus der Gesund-heits-, Familien- sowie Kinder- und Jugendhilfe oder der Familienbildung, und sie werden partizipativ in die Gestaltung der Angebote einbezogen. Es gilt der Anspruch der Bedarfsorientierung, und es ist stets der soziale (Nah-)Raum einzubeziehen. Angebote der „Förderung und Inklusion von Anfang an“ richten sich grundsätzlich – je nach Altersphase des Kindes – an alle Eltern und sind für alle zugänglich. Sie müssen aber ebenso in der Lage sein, die spezifischen Bedarfe unterschiedlicher Elterngruppen zu befriedigen. Zwei sehr wichtige Zielgruppen sind armutsbetroffene und sozial belastete sowie (bildungs)unsichere Eltern.

Der Anspruch „Förderung und Inklusion von An-fang an“ mit Fokus auf das Kind zielt auf die Sicherung der ganzheitlichen Entwicklung der motorischen, sprachlichen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten des jungen Menschen ab und unterstützt dessen soziale

Teilhabe. Er umfasst Verhaltensweisen, Angebote, Maßnahmen und Strukturen, die ein aktives und selbst gesteuertes Erfahrungslernen in einem kind- bzw. ju-gendgerechten Lebensraum ermöglichen. Förderung und Inklusion sind nicht begrenzt auf ein bestimmtes Lebensalter, sondern konzentrieren sich vor allem auf die Kindheit und Jugend und setzen sich fort bis zum Erwachsenenalter. Sie sind in ihren Formen familien-unterstützend und -ergänzend.

Das Monheimer Grundverständnis der „Förde-rung und Inklusion von Anfang an“ setzt bei Früher Förderung (Primärprävention) an und beinhaltet automatisch Frühe Hilfen (Sekundärprävention) und Kinderschutz (Tertiärprävention). Der Inklusionsan-spruch wird durch die Aufnahme aller Kinder in eine Einrichtung sowie eine uneingeschränkte Teilhabe und die Förderung von Gemeinschaft aller zu verwirk-lichen versucht.

Kindliche Entwicklungsprozesse entsprechend zu fördern bedeutet, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit orientiert am Lebensverlauf im jeweiligen Angebot und in der Struktur zu verankern. Dafür sind Quer-schnittthemen und Querschnittaufgaben wichtig, die in Monheim am Rhein von allen gemeinsam verfolgt werden. Solche Querschnittthemen sind (a) Integra-tion, (b) Sprachförderung und (c) Gesundheitsförde-rung. Entsprechende Querschnittaufgaben sind (a) die Entwicklung von Angeboten einer breit angelegten Elternbildung, (b) Erziehungs- und Entwicklungsbe-ratung anhand von MarteMeo® 22 und TAFF 23 sowie (c) die Entwicklung von Netzwerken und die Gestaltung von Schnittstellen.

2.2.3 „Mo.Ki 0“ – der Start für Familien mit Kindern bis zu drei JahrenDie Arbeit jeder Krippe und Kindertageseinrichtung knüpft an vorgelagerte Sozialisationsprozesse an, die in der Familie ab der Geburt eines Kindes bis zu seinem Eintritt in die Einrichtung stattgefunden ha-ben, und ist gleichzeitig die Basis für die folgenden Sozialisationsprozesse, die im Anschluss an Krippe und Kindertageseinrichtung erfolgen. Anders formuliert:

22 MarteMeo® ist ein in den Niederlanden entwickeltes Arbeitsmo­dell zur Kompetenzerweiterung und bedeutet „aus eigener Kraft etwas erreichen“.

23 TAFF – Training, Anleitung, Förderung von und für Familien – ist ein Elternkompetenztraining.

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Implikationen für die Praxis

Jede Einrichtung weist Schnittstellen zu anderen auf, und die Sicherung der Entwicklungsübergänge ist fester Bestandteil frühpädagogischer Arbeit. Für ar-mutsbetroffene und sozial benachteiligte Gruppen sind die Übergänge entscheidend für den weiteren Lebens- und Bildungsverlauf des Kindes. Es sind Pha-sen von Unsicherheit für Kind und Eltern und von Verunsicherung, die erfolgreich zu durchlaufen sind und spezifische Fähigkeiten positiver Bewältigung er-fordern. Gleichzeitig greifen gerade in diesen Phasen strukturelle Selektionsmechanismen, zum Beispiel beim Zugang zu Einrichtungen. Es wirken milieu-bedingte Benachteiligungen infolge von geringerer Information, fehlendem Wissen über das deutsche Bildungssystem und Abläufe, aber auch geringere individuelle Chancen im Vergleich zu Familien mit größeren finanziellen und sozialen Ressourcen sowie Bildungsressourcen. Umso wichtiger ist es, dass die Kindertageseinrichtung (aber auch die Schule) aus ihrem Selbstverständnis heraus durch das konkrete Handeln der Fachkräfte dafür Sorge trägt, sowohl der individuellen Verunsicherung als auch den struktu-rellen Mechanismen entgegenzuwirken.

Eine lebensverlauforientierte Präventionsperspek-tive sollte auch für frühpädagogische Fachkräfte nicht erst wenige Wochen vor dem „Neuzugang“ in die Ein-richtung beginnen, sondern bereits mit der Schwan-gerschaft einer Frau bzw. der Geburt eines Kindes. Die Frage lautet also: Welche Angebote können (armuts-betroffene) Eltern vor Ort bis zum Eintritt ihres Kindes in eine Krippe oder Kindertageseinrichtung nutzen und wie wird soziale Inklusion schon hier gefördert?

Hierzu wurde in Monheim am Rhein „Mo.Ki 0 – Frühe Förderung von Anfang an“ als Einstieg in die Präventionskette konzipiert. „Mo.Ki 0“ ist kein Krip-penangebot, sondern eines zur Information, Begeg-nung, Beratung, Bildung und Begleitung. In diesem Zusammenhang werden vier Ziele formuliert:

– Schaffung von Angeboten zur Förderung von Mäd-chen und Jungen ab der Geburt bis zum dritten Lebensjahr bzw. bis zum Übergang in die Krippe oder Kindertageseinrichtung.

– Schaffung von Angeboten zur Unterstützung von zukünftigen Eltern, Schwangeren und Eltern mit Kindern der genannten Altersgruppe, sodass ein aufsuchendes System der frühestmöglichen För-derung und der frühzeitigen Hilfen in Monheim am Rhein entsteht.

– Die Hilfen sollen bedarfsgerecht und passgenau sein, sodass ein ganzes Bündel von spezifischen Aktivitäten für Kinder und Eltern bzw. Familien auf- und ausgebaut wird.

– Schließlich soll der Übergang von den Frühen Hilfen zum Kita-Bereich oder von „Mo.Ki 0“ zu „Mo.Ki I“ strukturell gestaltet werden.

Diese erforderliche pädagogische und strukturelle Arbeit leistet ein multiprofessionelles Team, zu dem eine Sozialpädagogin mit Migrationshintergrund, eine Familienhebamme, eine Diplompädagogin und eine Steuerfachgehilfin mit Migrationshintergrund als Caféleiterin gehören. Ausgehend von den Wünschen und Bedürfnissen werdender Eltern bzw. von Eltern mit Kindern bis zu drei Jahren initiieren sie bedarfs-orientierte Angebote oder bieten diese teilweise selbst an. Dies geschieht mithilfe von vier „Mo.Ki 0“-Baustei-nen: „Erstbesuch“, „Familienhebamme“, „Café und mehr …“ sowie „Bildungsbegleiterin“ (vgl. Abb. 9).

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Abbildung 9: Die „Mo.Ki 0“-Bausteine

ANMERKUNG: ASD = Allgemeiner Sozialdienst; SPFH = Sozialpädagogische Familienhilfe

Quelle: Holz u. a. 2012

Insgesamt betrachtet wird Elternbildung in einem erweiterten Sinn verfolgt. „Mo.Ki 0“ steht grundsätz-lich allen Monheimer Familien mit Kindern unter drei Jahren offen, richtet sich aber ganz besonders an armutsbetroffene bzw. benachteiligte und belastete Eltern. Sie sollen möglichst früh erreicht werden. Ihre Unterstützung geschieht in zwei Formen: Zum einen sind die eigenen Angebote im „Mo.Ki 0“-Treff vorran-gig auf solche Familien ausgerichtet. Zum anderen werden Eltern begleitet, wenn Angebote anderer Träger genutzt werden sollen oder können. Immer achtet man darauf, dass die Eltern nicht im „Dschun-gel“ des Systems verloren gehen und dass finanzielle Belastungen durch kostenlose oder kostengünstige Angebote so klein wie möglich gehalten werden.

Die Eltern sollen früh positive Erfahrungen mit öffentlichen Angeboten und Einrichtungen machen. Sie sollen erleben, dass sie gute Eltern sind oder wer-den können, trotz belastender Lebenslage, und dass sie kompetent sind oder doch ihre Kompetenzen ausweiten können. Schließlich sollen sie Erziehungs-

und Bildungsangebote kennenlernen, die im weiteren Lebensverlauf ihrer Kinder immer wieder – dann aber an anderen Orten und in anderen Formen – auftau-chen. Der Besuch zu Hause, ein Eltern-Café oder Bil-dungsbegleiterinnen sind auch Bestandteile der spä-teren Phasen der Präventionskette, also von „Mo.Ki I“, „Mo.Ki II“ und „Mo.Ki III“.

Der Baustein „Erstbesuch“ – ein Besuch in der Familie – dient der Kontaktaufnahme und dem per-sönlichen Kennenlernen im Rahmen eines unver-bindlichen Gesprächs über Themen, die die Eltern interessieren. Hier wird die Basis für eine gute emoti-onale Beziehung zwischen den Eltern und dem Team gelegt und gleichzeitig den Eltern die mögliche Angst vor dem Neuen und Unbekannten genommen: Infor-mation als vertrauensbildende Maßnahme.

Die „Familienhebamme“ ermöglicht einen nied-rigschwelligen Zugang zu Versicherungsleistungen wie zum Beispiel der Schwangerenvorsorge und der Geburtsnachsorge. Im Rahmen einer Sprechstunde im „Mo.Ki 0“-Treff beantwortet die Hebamme Fragen

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– Information– Erstberatung– Bedarfseinschätzung– Sprechstunde– ASD-Kooperation– Netzwerkarbeit– Übersetzung

– Begegnung– Beratung– Information– Übersetzung– Kontaktstelle

– Sprechstunde– Geb. Vorbereitung– Rückbildung– Begleitung als Familienhebamme– Hebammen-Netzwerk– Netzwerkarbeit ASD/SPFH

Elternbildung

– Information – Netzwerkarbeit– Öffentlichkeitsarbeit– Initiierung und Durch- führung von Angeboten– Qualitätssicherung durch Kursleitende

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Implikationen für die Praxis

zur Pflege, Versorgung und Entwicklung des Kindes sowie zu gesundheitlichen Aspekten von Mutter und Kind. Für hoch belastete Familien sichert die Familien-hebamme zudem eine intensive aufsuchende Betreu-ung und Einzelfallberatung bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes.

Das „Café und mehr …“ ermöglicht einen für alle nicht stigmatisierenden Besuch. Konzept ist das ge-meinsame kostengünstige Frühstück verbunden mit themenbezogenen Gesprächsrunden, Informationen und Kurzberatungen durch das Team, aber genauso durch Fachkräfte der anderen Monheimer Einrich-tungen. Die Eltern besuchen das Café in der Regel zusammen mit ihren Kindern, wodurch sich für beide zahllose Anknüpfungspunkte des Miteinanders in informellen Bildungskontexten ergeben. Das Café ist dreifach wichtig: als Ort der Begegnung, als Anlaufstel-le, um Informationen zu erhalten, und als Türöffner zu weiteren Angeboten wie Kursen oder Gruppen.

Die „Bildungsbegleiterin“ ist einerseits Lotsin zur Monheimer Bildungs- und Dienste-Landschaft für bildungserfahrene und selbst organsierte Eltern sowie andererseits Unterstützerin, Förderin und Motivatorin für bildungsunerfahrene, unsichere und armutsbe-troffene bzw. sozial benachteiligte Eltern. Hier wird der unterschiedliche Bedarf von Familien erkennbar, auf den auch Krippe und Kindertageseinrichtung entsprechend einzugehen in der Lage sein müssen.

Die Arbeit als Unterstützerin ist zeitaufwendiger, geschieht nur in kleinen Schritten, erfordert Ausdauer, öfter eine hohe Frustrationstoleranz und gelingt nur über intensive Beziehungsarbeit sowie Begleitung. Die Arbeit als Lotsin bedeutet eher eine immer wieder abrufbare punktuelle Unterstützung. Sie berücksichtigt die höhere Selbstkompetenz, Erziehungssicherheit und meist besseren finanziellen Möglichkeiten der betreffenden Eltern. Fachlich gefordert sind hier ein guter Überblick über und Qualitätswissen zu allen Angeboten im Ort, eine gute Vernetzung durch per-sönliches Kennen der Kooperationspartner sowie eine Beratungsqualität, die Bedarf und Angebot passgenau zusammenführt.

Es ist immer wieder eine große Herausforderung auch für Krippe und Kindertageseinrichtung, das benötigte MEHR an Aufmerksamkeit, Hilfe und Un-terstützung für arme bzw. sozial belastete Familien zu leisten und dabei durchaus begründet auch in Kauf zu nehmen, das besser gestellte Eltern dadurch ein

WENIGER erhalten. Letztere haben jedoch neben der Einrichtung noch ganz andere Möglichkeiten und Zu-gänge, ihren Kindern förderliche Entwicklungs- und Lebensbedingungen zu eröffnen.

2.2.4 „Mo.Ki I“ – fünf Kindertageseinrichtungen als Familienzentrum im Stadtteil Die „Mo.Ki I“-Kindertageseinrichtungen gehörten zu den Vorbildern für eines der drei Organisationsmodelle (Verbundmodell) im nordrhein-westfälischen Ansatz für Familienzentren (Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nord-rhein-Westfalen 2011; siehe auch Infokasten auf S. 52). Fünf Kindertageseinrichtungen unterschiedlicher Trägerschaft (AWO, evangelische und katholische Kirchengemeinde, Stadt) bilden gemeinsam ein zer-tifiziertes Familienzentrum für das Quartier „Berliner Viertel“. Über diesen Verbund werden rund 1.000 Familien des Stadtteils erreicht.

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

Familienzentrum – eine Lösung für Kindertageseinrichtungen mit hohem Anteil armutsbetroffener Kinder?

Was sollen Familienzentren [in Nordrhein-West-falen (NRW)] anbieten?

„Familienzentren sollen zu einer Qualitätsstei-gerung in der frühkindlichen Bildung und Förde-rung beitragen, Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgabe stärken sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern. Ta-geseinrichtungen für Kinder werden auf diese Weise Knotenpunkte in einem neuen Netzwerk, das Familien umfassend berät und unterstützt. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die vorhandenen Angebote vor Ort stärker miteinander vernetzt und durch die Kin-dertageseinrichtung gebündelt werden. Um dies zu gewährleisten, kooperieren die Familienzentren mit Familienberatungsstellen, Familienbildungsstätten und anderen Einrichtungen wie z. B. den Familien-verbänden und Selbsthilfeorganisationen. Sie sollen frühe Beratung, Information und Hilfe in allen Lebens-phasen ermöglichen und Eltern über die Alltagsnähe der Kindertageseinrichtung entsprechende Angebote leichter zugänglich machen. Auch die Einbeziehung weiterer bedarfsorientierter Hilfsangebote für Fa-milien ist denkbar. Dies führt zu einer nachhaltig verbesserten Frühprävention. Schließlich kann ein Familienzentrum auch zu einem Ort der Begegnung im Stadtteil und zwischen den Generationen werden“ (vgl. www.familienzentrum.nrw.de/landesprojekt.html).

Familienzentren (NRW) müssen sich zertifizieren lassen, erhalten dann eine spezifische Landesun-terstützung und müssen sich in regelmäßigen Abständen re-zertifizieren (www.familienzentrum.nrw.de/fileadmin/documents/pdf/09_Guetesie-gel_Einzel.pdf).

Die Ausführungen, beispielhaft zum NRW-Ansatz, machen deutlich, dass hier vor allem Familien bzw. Eltern profitieren, die entweder zu wenig mobil sind, um zentrale Beratungs- und Bildungsangebote wahrnehmen zu können, oder

unbedingt persönliche Kontakte und Beziehungen brauchen, die ein Familienzentrum gewährleistet, um überhaupt Angebote zu nutzen. Armutsbetrof-fene Familien bzw. Eltern profitieren aber nicht nur aus den genannten Gründen von der Entwicklung hin zu Familienzentren in ihrem Stadtteil, sondern auch, weil sie insgesamt deutlich schlechter ver-netzt sind mit anderen Familien als materiell besser gestellte Eltern.

Die Förderung von Familienzentren ist in vie-len Bundesländern – wie bis vor Kurzem auch in NRW – aber nicht an die sozialen Merkmale der Kindertageseinrichtung bzw. des Stadtteils / des Sozialraums geknüpft. Sie sind als Projekt für alle Eltern, Familien und Standorte angelegt. Sie sol-len auch die Mittelschicht-Eltern ansprechen, bei denen die Balance zwischen Beruf und Kinderbe-treuung als immer schwieriger wahrgenommen wird, und hierfür Lösungen anbieten. Das heißt, Armutseinrichtungen bzw. Einrichtungen in hoch belasteten Stadtteilen konkurrieren mit anderen Einrichtungen und Standorten um die ohnehin nicht allzu reichlichen Mittel. Oder umgekehrt: Eine Kindertageseinrichtung mit einem sehr hohen Anteil an armutsbetroffenen Kindern, die sich zum Familienzentrum entwickelt, bekommt in der Regel nicht mehr Geld als eine Einrichtung mit einem mittleren oder geringen Anteil an armutsbetroffenen Kindern bzw. Familien. Die größeren Herausforderungen in den mit Armut hoch belasteten Einrichtungen werden also durch die Entwicklung zum Familienzentrum nicht per se berücksichtigt.

Allerdings gehören Brennpunkteinrichtungen vielerorts – auch aufgrund des Handlungsdrucks und vorhandener Vorerfahrungen – zu den ersten, die in die neuen Förderprogramme einsteigen und davon profitieren. Zumindest auf der Ebene der kommunalen Förderung gibt es auch Model-le (vgl. z. B. Wiesbaden und Frankfurt am Main), die eindeutig in Richtung der Förderung von Familien zentren in benachteiligten Stadtteilen gehen und damit für einen „Nachteilsausgleich“ sorgen.

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Implikationen für die Praxis

Was kennzeichnet das „Mo.Ki I“-Familienzentrum?Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale dar-gestellt, um deutlich zu machen, wie das Präventions-prinzip der frühen Förderung für die Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren umgesetzt werden soll.

– Konzeptbasierte Arbeit Jede Kindertageseinrichtung verfügt über ein päda-gogisches Konzept (z. B. Situationsansatz, interkul-turelles Integrationskonzept), das kontinuierlich reflektiert und weiterentwickelt wird. Ein zentraler Aspekt ist, wie Armutssensibilität erreicht wird und wie sie sich äußert. Indikatoren 24 sind beispielswei-se, dass Angebote so konzipiert werden, dass sie für alle Familien finanzierbar sind, dass die Haltung und der Umgang aller Beteiligter (Fachkräfte wie Eltern) wertschätzend und respektvoll sind und dass ressourcen- und lösungsorientiert gearbeitet wird; Eltern gehören dazu und gestalten mit.

– Intensive Kooperation und enge AbstimmungSie erfolgen unter Beibehaltung des unterschied-lichen Profils der fünf Kindertageseinrichtungen, aber durch systematische Nutzung von Syner-gieeffekten. So ist es möglich, gemeinsam ein wesentlich breiteres Spektrum an Förderung und Unterstützung anzubieten, aber auch weiterhin trägerspezifische Akzentsetzungen und Arbeits-schwerpunkte zu belassen. So ist quasi jede der fünf Kindertageseinrichtungen ein Kompetenzzentrum (z. B. für Sprachförderung oder für Bewegung und Gesundheit), und alle anderen können davon in ihrer eigenen Arbeit profitieren. Herzstück dieser nun schon seit mehr als zehn Jahren gelingenden Kooperation ist der Arbeitskreis der Leitungen der „Mo.Ki I“-Kindertageseinrichtungen.

24 Indikatoren stellen innerhalb der empirischen Sozialforschung eine Auswahl von empirisch prüfbaren Sachverhalten dar. Sie sollen für den Betrachtungsgegenstand möglichst repräsenta­tiv sein und durch ein angebbares Verfahren empirisch messbar sein. Ein Indikator liefert für den jeweiligen Betrachtungsgegen­stand eine „operationale Definition“. Der Gegenstand (z. B. das Kita­Konzept) wird anhand von verschiedenen Indikatoren (z. B. anfallende Kosten für Eltern, Umgang mit den Eltern) empirisch geprüft.

– Ganzheitlicher Ansatz der ProjekteAlle im kindlichen Bildungs- und Entwicklungs-prozess involvierten Akteure werden einbezogen. Bei den Förderprogrammen für die Kinder werden immer auch Unterstützungsangebote für die Eltern und gemeinsame Familienaktivitäten entwickelt, und es wird eine Qualifizierungsmöglichkeit für die Fachkräfte angeboten. Dahinter steht der Gedanke, dass Erfolge in der pädagogischen Arbeit nur dann umfassend gelingen, wenn alle Beteiligten mit ins Boot genommen werden.

– Vernetzung und intensive ZusammenarbeitDie Kindertageseinrichtungen des Familienzen-trums sind mit den im Stadtteil bzw. in der Stadt angesiedelten anderen Einrichtungen, Behörden und Ämtern vernetzt. Dazu gehört nicht nur die Ver-knüpfung mit den anderen Elementen der „Mo.Ki“-Präventionskette, sondern auch die Kooperation mit den anderen Monheimer Kindertageseinrich-tungen, mit Beratungs- und Bildungsangeboten sowie eine eng abgestimmte Zusammenarbeit mit dem städtischen Jugendamt und seinem breiten Spektrum an verschiedenen Beratungs-, Begleit- und Betreuungsangeboten (z. B. Erziehungsbe-ratung, Frühförderstellen, Sozialpädagogische Familienhilfe SPFH, Allgemeiner Sozialdienst ASD).

– Beteiligung der Familien Die Familien werden immer wieder befragt, mit ihren Wünschen und Anregungen einbezogen, übernehmen Aufgaben im Ablauf der Kinderta-geseinrichtung und gestalten über die klassischen Gremien hinausgehend das Kita-Leben aktiv mit.

– Beteiligung der Bürgerinnen und BürgerIm Rahmen von Gemeinschaftsprojekten wird stadtteilübergreifend viel bürgerschaftliches Engagement erbracht und in den Alltag der Kin-dertageseinrichtung eingebunden. So gibt es zum Beispiel Lesepaten oder der Seniorenbeirat unter-stützt die Ausrichtung von Veranstaltungen und die Beschaffung von Kleidung und Fördermaterialien für armutsbetroffene Kinder. Ob durch die Organi-sation multikultureller Treffen oder die Einwerbung von Finanzmitteln, um die Angebote kostenlos bzw. kostengünstig für alle Kinder und Familien gestal-ten zu können, ob durch die Betreuung von Kindern

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mit Handicaps oder durch Übersetzungshilfen – das „ehrenamtliche“ Engagement verhilft den Lei-tungen der „Mo.Ki I“-Kindertageseinrichtungen zu neuen Handlungsmöglichkeiten. Dabei geht es um die Stärkung eines Selbstverständnisses und einer Haltung, die ausdrückt, dass alle dazugehören und jeder etwas beitragen kann. Weiterhin geht es um die Wertschätzung und Anerkennung der erbrach-ten Leistungen, gleich vom wem und in welcher Form sie erbracht wurden.

– Qualifizierung der FachkräfteErzieherinnen und Erzieher aus verschiedenen Kin-dertageseinrichtungen bilden sich auf unterschied-lichen Gebieten weiter und richten hierzu neue Angebote ein. Einrichtungs- und professionsüber-greifend erfolgen Fortbildung und Fachtagungen (z. B. zum Thema psychisch kranke Eltern, zu neuen Erkenntnissen aus der Hirnforschung, zur Frühen Förderung und zum Kinderschutz, zu Ernährung und Bewegung oder zum Thema Sprache), die breit und intensiv genutzt werden. Im Grunde gilt das Prinzip: Jeder neue Mosaikstein in der Monheimer Entwicklungsarbeit wird auch durch ein begleiten-des Qualifizierungsangebot für die Fachkräfte reali-siert. Das setzt stetige Bereitschaft zur (Selbst-)Quali-fizierung voraus, fördert gemeinsames Verständnis und Handeln und dient der Qualitätssicherung wie der Nachhaltigkeit in Strukturen und Wirkungen.

So weit in Kürze der Ansatz der Stadt Monheim am Rhein. Wie kann jedoch die einzelne Kindertagesein-richtung, die nicht in ein solches Gesamtsystem einge-bunden ist, im Alltag armutssensibel vorgehen? Dieser Frage widmet sich das nächste Kapitel und liefert gebündelte Anregungen aus der Praxis.

2.3 Kindbezogene Armutsprävention in der Kindertageseinrichtung – Erkenntnisse aus der Praxis für die Praxis

Im Gegensatz zu den bisher präsentierten Erkennt-nissen aus anderen Studien und Modellprojekten basieren die folgenden Inhalte auf eigens für diese Expertise im Zeitraum von Januar bis Februar 2013 durchgeführten fragebogengestützten Interviews mit frühpädagogischen Fachkräften in sechs Wiesba-

dener Kindertageseinrichtungen (Fragebogen siehe Anhang). Die Auswahl sollte eine gewisse Bandbreite an Trägern, Konzepten, Betreuungsformen, sozialer Mischung der Kinder in den Einrichtungen und an Vernetzung im Stadtteil bieten. Ausgangspunkt dafür ist die Annahme, dass die genannten Kriterien eine Bedeutung für die Arbeit der Fachkräfte mit armuts-betroffenen Kindern haben und sich hierbei mögli-cherweise Unterschiede mit Ausgangsbedingungen verknüpfen lassen.

Die Einrichtungsleitungen wurden im Vorfeld gebeten zu entscheiden, ob, wie viele und welche Mitarbeiterinnen an den Interviews teilnehmen können. Es sollten möglichst erfahrene und mit dem jeweiligen Einrichtungskonzept vertraute Fachkräfte sein. Sowohl die Sicht der Leiterin als auch die der Gruppenerzieherin auf die Kinder und ihre Eltern sollte einfließen können. Insgesamt waren elf Fach-kräfte direkt beteiligt. Den Interviewpartnerinnen lagen die Fragen schriftlich vor, im Interview wurden die Fragen wiederholt, die Antworten stichwortartig mitgeschrieben. Grundlage für die Auswertung bil-dete die Zusammenfassung aller Interviewergebnisse.

Sieben Bereiche konnten schließlich als wichtige Ansatzpunkte zum (armuts)präventiven Handeln in der Kindertageseinrichtung bzw. für die frühpädago-gischen Fachkräfte herausgearbeitet werden. Diese sind nachfolgend skizziert.

2.3.1 Anmeldung, Vormerkung und Zugang zur KindertageseinrichtungWie bereits in Kapitel 1.4 ausgeführt, wird der Zugang zur Einrichtung unter anderem durch ihre Lage und das konkrete Platzangebot (ganztags / halbtags? Kindergemeinschaftsgruppen? Krippenangebot?) wesentlich mitbestimmt. An gleicher Stelle wird auch deutlich, wie wichtig es ist, Kinder aus Familien in prekären Lebenslagen möglichst früh in der Kinderta-geseinrichtung zu betreuen und zu fördern, um ihre Bildungschancen zu verbessern. Die Einrichtungslei-tung sowie die einzelne frühpädagogische Fachkraft können Eltern in Armutslagen durch einige Maßnah-men beim Zugang zur Einrichtung unterstützen; sie sind im Kasten auf Seite 55 aufgeführt.

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Implikationen für die Praxis

Maßnahmen, die den Zugang zur Kita erleichtern

Allgemeine Maß-nahmen im Vorfeld:

– Transparenz über die Zugangskriterien aller Träger im Stadtteil für alle Eltern herstellen und entsprechende Informationen in jeder Kindertageseinrichtung bereithalten.

Bei der Vormerkung:

– Eltern persönlich, über Geschwisterkinder, Freunde oder Nachbarn daran erinnern, ihre Vormerkung zu verlängern (so dies vom Träger gefordert wird), und großzügig mit Terminüberschreitungen umgehen, das heißt, armutsbetroffene und sozial benachteiligte Kinder nicht gleich von der Anmeldeliste streichen!

– Großzügige Auslegung der Trägervorgaben (mit Einverständnis des Trägers), wenn bei Eltern sprachliche Verständigungsprobleme oder Schwierigkeiten beim Umgang mit Bürokratie vermutet werden.

Bei der Aufnahme: – Bevorzugte Aufnahme von Kindern von Alleinerziehenden und Berufstätigen in prekären Lebenslagen, weil den Betreffenden andernfalls Arbeitsplatzverlust und damit Armut drohen.

– Alle Eltern über die Möglichkeiten und das Prozedere der Gebührenbezuschussung bzw. Gebührenübernahme informieren und Hilfe beim Ausfüllen der Formulare anbieten.

– Benachteiligte Kinder möglichst früh (jung) aufnehmen und Ganztagsplätze anbieten. – In Einrichtungen mit überwiegend armutsbetroffenen Kindern innerhalb der Kin-

dertageseinrichtung die Verteilung steuern, um in allen Gruppen eine möglichst gute Mischung zu erzielen und vermutete zusätzliche Belastungen, die durch die Aufnahme eines Kindes aus prekären Verhältnissen entstehen, gleichmäßig zu verteilen.

– Wenn im Stadtteil insgesamt ausreichend Plätze in Kindertageseinrichtungen vorhanden sind, sollten in denjenigen Einrichtungen mit sozial gemischter Zu-sammensetzung konsequent Kinder nach Rang auf der Warteliste aufgenommen werden, weil damit automatisch der Status der Mischung erhalten bleibt.

– In Einrichtungen mit sozial gemischter Zusammensetzung sollten benachteiligte Kinder dann bevorzugt aufgenommen werden, wenn der Stadtteil nicht über eine ausreichende Kapazität an Plätzen verfügt.

– Beim Zugang in die Krippe sollten bevorzugt Kinder aus dem betreffenden Stadtteil aufgenommen werden. Das Ziel sollte eine ausgewogene soziale Mischung sein, die alle Gruppen im Stadtteil, aber auch stadtweit berücksichtigt.

2.3.2 Die Aufnahme – Phase des Übergangs von der Familie in die Kindertageseinrichtung „Übergänge sind verbunden mit einem neuen Lebens-abschnitt mit neuen Menschen und Lernerfahrungen. Sie sind wichtige Lebensereignisse des Kindes, die Chancen und Risiken für die Entwicklung beinhalten können. Damit sie zu Chancen werden, ist es wichtig, dass diese Übergänge positiv und leicht erlebt wer-

den“ (Holz u. a. 2012, S. 160). Kinder und ihre Eltern müssen den Übergang in die Kindertageseinrichtung in relativ kurzer Zeit bewältigen. Für alle Kinder heißt das zum Beispiel, die zeitweise Trennung von den Eltern zu verkraften, die neue Umgebung zu erkunden und neue Eindrücke zu verarbeiten, neue Regeln kennen-zulernen und sich als Kind in einer Kindergruppe neu zu definieren. Für alle Eltern bedeutet das zum Beispiel,

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sich zeitweise von ihrem Kind lösen zu können, Vertrau-en zu den Fachkräften in der Kindertageseinrichtung zu entwickeln, ihre Regeln und Umgangsformen zu akzeptieren und die neue Rolle, nun Eltern eines Kita-Kindes zu sein, bewusst anzunehmen.

Belastete Eltern kommen mit mehr Ängsten in die Kindertageseinrichtung. Zum einen treten sie mit dem Eintritt des Kindes aus dem privaten Raum he-raus und machen ihre prekäre Lage damit öffentlich. Zum anderen fehlen ihnen soziale Erfahrungen und das Vertrauen darauf, dass sie selbst und ihr Kind gut aufgenommen werden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, gerade diesen Familien in der Übergangszeit ausreichend Zeit und Unterstützung anzubieten und ihnen nicht defizitorientiert, sondern wertschätzend zu begegnen, damit der Übergang für die Kinder zu einer positiven, für ihre Bildungskarriere wertvollen Lernerfahrung werden kann.

Armutsbedrohten Kindern fehlen, wenn sie in der Kindertageseinrichtung ankommen, laut Aussagen der Fachkräfte oftmals elementare Erfahrungen mit Materialien wie etwa Büchern, Malstiften und -papier, Schere und Kleber; es fehlen Naturerfahrungen, Erfah-rungen mit Theatern und Museen sowie Bewegung drinnen und draußen. Vor allem die Fachkräfte, die mit Kindern unter drei Jahren arbeiten, stellen fest, dass den Eltern Informationen über gesunde Ernährung fehlen. Zu kleine Wohnungen, mangelndes Wissen über die Bedeutung gesundheitlicher Versorgung und früher Förderung sowie andere Prioritätensetzung seitens der Eltern werden als Ursache dafür gesehen. Meist ist den frühpädagogischen Fachkräften be-wusst, dass diese Faktoren mit wirtschaftlicher Armut einhergehen. Sie streben in ihren Einrichtungen die Kompensation mangelnder Erfahrungen der Kinder mithilfe geeigneter Angebote an. Armutssensibles Handeln umfasst in diesem Sinne zum Beispiel:

– Aktives und wertschätzendes Zugehen auf die Eltern, z. B. durch Hausbesuche und Begleiten der Familie von Zuhause in die Kindertageseinrichtung.

– Gezielte Förderung von Kontakten der Familien zu anderen Eltern, z. B. Einbindung in das Eltern-Café oder einen Elterntreff.

– Aktive Nachfrage zu Ämter- und Behördenangele-genheiten, z. B. klären, ob die Beitragsübernahme klappt und gegebenenfalls Unterstützung leisten.

– Oft, aber wertschätzend und situationsangepasst informieren, z. B. darüber, welche (Unterstützungs-)

Angebote es in der Kindertageseinrichtung oder in der Kommune gibt.

– Ängste nehmen und Unsicherheiten als Normalität für jede Familie in dieser Eingewöhnungsphase darstellen.

2.3.3 Konzeption und pädagogische Ansätze der Kindertageseinrichtung Nach Einschätzung der befragten Fachkräfte sind alle pädagogischen Konzepte prinzipiell dafür geeignet, mit Kindern und Eltern in Armutslagen zu arbeiten. Befragt wurden Fachkräfte aus Kindertageseinrich-tungen mit folgenden pädagogischen Konzepten: Freinet, Montessori sowie teiloffene Gruppen mit Si-tuationsansatz in kommunaler, kirchlicher und freier Trägerschaft. Aber was macht eine armutssensible Kindertageseinrichtung aus? Wenn pädagogische Konzepte armutssensibel sein sollen, dann

– müssen sie zuallererst die wirtschaftliche Lage der Eltern berücksichtigen und Kosten für entwicklungs-fördernde Angebote möglichst gering halten, das heißt zum Beispiel, keine kostenpflichtigen Ange-bote Dritter in die Kindertageseinrichtung zu holen;

– müssen alle Angebote der Kindertageseinrichtung prinzipiell allen Kindern zugänglich sein, und das einzelne Kind muss dabei im Zentrum der Auf-merksamkeit stehen, das heißt, konzeptionell wird kein Kind ausgeschlossen, weil seine Eltern sich ein Angebot nicht leisten können oder die Bedeutung zum Beispiel von Musikalischer Früherziehung als Zusatzangebot nicht wahrnehmen;

– muss auch in Kleingruppen gearbeitet werden, die den Fokus auf die Sprachentwicklung legen, da diese eine besondere Bedeutung für die Bildungs-karriere des einzelnen Kindes hat;

– müssen viele ausgewählte (gesundheitspräven-tive) Bewegungsangebote drinnen und draußen stattfinden, weil insbesondere Kinder aus armuts-bedrohten Familien in beengten Wohnverhältnis-sen leben und selten oder gar nicht zusätzlich zur Kindertageseinrichtung zum Turnen, Schwimmen, Ballett oder Ähnlichem gehen;

– muss es Angebote in der Natur geben, zum Beispiel Waldwochen, und eventuell muss hierfür fehlende Kleidung bei Bedarf auch durch die Kindertagesein-richtung beschafft werden;

– müssen auch regelmäßig (Bildungs-)Ausflüge un-ternommen werden.

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Implikationen für die Praxis

Die befragten frühpädagogischen Fachkräfte be-werteten ihre Einrichtungskonzepte gleichermaßen für alle Kinder unter den im Folgenden genannten Voraussetzungen als förderlich und entwicklungsun-terstützend. Förderung und Unterstützung setzen voraus, dass

– die einzelne Fachkraft qualifiziert (nicht näher definiert, bezieht sich aber in der Regel auf die Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher plus Berufserfahrung) und jedem Kind zugewandt ist;

– alle hinter dem Konzept des Trägers und der Ein-richtung stehen;

– das Konzept mit Leben gefüllt ist („Konzept ist, was man tut“) und

– der Umgang der Erwachsenen miteinander vorbild-lich für die Kinder gestaltet ist.

Nach Klaus Fröhlich-Gildhoff, Gabriele Kraus-Gruner und Maike Rönnau (2006) sind die Fachkräfte in Kin-dertageseinrichtungen für Eltern die zweitwichtigsten Gesprächspartner in Erziehungsfragen (nach den Lebenspartnern). Dieser Rolle kommt gerade in der Phase des Übergangs eine hohe Bedeutung zu, das heißt, dass an die Fachkräfte an dieser Stelle beson-dere Anforderungen in Bezug auf Qualifikation und Zeitressourcen gestellt werden.

2.3.4 Interaktion in der KindergruppeDie Fachkräfte berichteten von ihren Erfahrungen, dass die Kinder untereinander wahrnehmen, wer arm ist und wer nicht; von zu Hause mitgebrachte, interessante Spielsachen und Kleidung sind wichtige Themen. Alters- und entwicklungsabhängig nehmen bereits die Kinder im Elementarbereich wahr, wer was mitbringt, wer welche Kleidung trägt, und sie streben an, chic gekleidet in die Kindertageseinrichtung zu kommen, bzw. tolle Spielsachen mitzubringen.

Ausgrenzungen finden dann statt, wenn die Kör-perhygiene der Kinder mangelhaft ist („der stinkt, da möchte ich nicht sitzen“). Mangelnde körperliche Hygiene, vor allem schlechter Geruch, aber auch schmutzige Kleidung schon am Morgen gehen nach den Erfahrungen der Fachkräfte immer mit Armut einher. Körperpflege und saubere Kleidung sind zwar nicht nur eine Frage des Geldes, dennoch sind es immer Kinder aus prekären Verhältnissen, die den Fachkräften (und den anderen Kindern!) in dieser Hinsicht auffallen.

Das macht Interventionen auf Gruppen- wie auf El-ternebene absolut notwendig, um Stigmatisierungen und Ausgrenzungen entgegenzuwirken. Aus Sicht der befragten frühpädagogischen Fachkräfte ist Inklusion zu befördern durch pädagogische Angebote, die alle Kin-der stärken und ihren Selbstwert sowie ihre Wertschät-zung gegenüber anderen fördern und dabei gezielt Kinder mit besonderem Bedarf in den Blick nehmen. Bezogen auf Kinder in prekären Lebenslagen ist vor allem auf folgende Punkte Wert zu legen:

– Es sollten lieber viele kleine, anlassbezogene „Tür- und-Angelgespräche“ mit Eltern auf Augenhöhe stattfinden, um jeweils die aktuelle Situation zu klären, statt eines großen „bestellten“ Eltern(kritik)gesprächs.

– Bei Bedarf sollten die Fachkräfte einem Kind anbie-ten zu duschen. Dafür müssen Hygieneartikel und Wechselkleidung bereitgehalten werden.

– Hygieneprobleme müssen mit dem Kind bearbeitet werden.

– Ausgrenzung in der Kindergruppe sollte bespro-chen werden.

– Alle Eltern müssen einbezogen werden. Sie sollen das Problem in der Kindergruppe kennen und die Kinder bzw. die Kindertageseinrichtung dabei un-terstützen, es zu lösen.

2.3.5 Arbeit am Thema Armut im TeamDas Thema Armut wird im Alltag der Kindertagesein-richtung im Team überwiegend im Zusammenhang mit Festen und Ausflügen angesprochen. Der Impuls dazu geht in der Regel situativ von frühpädagogischen Fachkräften aus. (In einem Fall berichtete eine Leite-rin von einem Elterngespräch, in dem ein Vater die Verhaltensauffälligkeiten seines Kindes mit seiner kürzlich eingetretenen Arbeitslosigkeit in Zusammen-hang brachte.)

Die Sozialdaten ihres Stadtteils waren vier von sechs interviewten Leitungen bekannt. In Stadtteilen, in denen die Kindertageseinrichtung in eine Analyse der Elternbedarfe aus Sicht der Fachkräfte einbezogen war (= Stadtteil mit gemeinsamem Familienzentrum, in Wiesbaden „KiEZ – KinderElternZentren“ genannt), fand eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Sozialdaten des Stadtteils statt.

Die befragten frühpädagogischen Fachkräfte sahen folgende Themenschwerpunkte als geeignet an, um die Lebenslage von armutsbetroffenen Kindern und

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

ihren Familien im Team der Kindertageseinrichtung zu bearbeiten. Armutspräventive Arbeit im Team muss

– bei der Planung pädagogischer Vorhaben die wirt-schaftliche Lage aller Eltern berücksichtigen und die Teilhabe armutsbetroffener Kinder sichern (z. B. über Spenden, Elternbeiratskasse, Bildungs- und Teilhabepaket BuT);

– Lösungen für Kleidungsprobleme (Kleidung für jedes Wetter und alle Aktivitäten) finden (z. B. Einrichtung eines Kleiderfundus, einer „Mitnah-mebörse“);

– in Gruppenanalysen und Fallbesprechungen die Risikolage eines Kindes thematisieren;

– die Sozialdaten des Stadtteils und mögliche Schluss-folgerungen thematisieren.

Die frühpädagogischen Fachkräfte wurden auch ge-fragt, welche Bedeutung aus ihrer Sicht eine eigene Armutserfahrung für ihre Arbeit hat. Überwiegend hielten sie die eigene Erfahrung für wichtig, um Empathie entwickeln zu können. Eine Fachkraft schränkte sehr reflektiert ein, dass Armutserfahrung nur aufgearbeitet eine fruchtbare Wirkung habe. Die Aussage einer anderen Fachkraft bestätigte das: Sie sah ihre Erfahrung mit (vorübergehender) Armut eher als Hindernis, weil sie ihre persönliche Leistung, nämlich das eigene Kind mit geringen Ressourcen bestmöglich versorgt und gefördert zu haben, als Erwartung auf andere Eltern überträgt. Die übrigen befragten Fach-kräfte sahen keinen Zusammenhang.

Von eigener Armutserfahrung als Kind berich-tete nur eine Interviewpartnerin, mehrere hatten Erfahrung mit vorübergehender prekärer Lage, zum Beispiel als alleinerziehender Elternteil während des Studiums. Die Erinnerung an die eigenen Eltern, die zwar über wenig Geld verfügten, daraus aber für die Familie in materieller Hinsicht das Beste machten, überwog. Dennoch ging die Tendenz der Überle-gungen in die Richtung, dass eigene Armutserfahrung für die Arbeit mit armutsbetroffenen Kindern wohl sensibilisieren müsse.

Die finanzielle Absicherung von Ausflügen usw. stellte niemand als Problem dar – kein Kind wird ausge-schlossen, jedes darf mit, es findet sich immer ein Weg. Aber wie geht man damit um, wenn ein Kind spürt, dass das Verhältnis zwischen seiner Erzieherin oder seinem Erzieher und seinen Eltern gestört ist, weil das elterliche Konsumverhalten nicht verstanden, nicht

toleriert oder sogar abgelehnt wird? Dieses Thema hat bei allen Gesprächspartnerinnen Betroffenheit ausgelöst; es gab zu denken, dass nicht auszuschließen ist, dass ein Kind unter einer solchen Situation leidet.

Nur eine der befragten Fachkräfte hat sich aufgrund ihrer in der Herkunftsfamilie tradierten gesellschafts-politischen Überzeugung für die Arbeit als Erzieherin mit armutsbetroffenen Kindern entschieden.

Aus Sicht der Fachkräfte unterstützt eine armutssen-sible Kindertageseinrichtung die betroffenen Kinder und Eltern durch

– Beratung über BuT-Leistungen (Bildung und Teil-habe),

– Hilfestellung bei der Beschaffung und beim Ausfül-len der Formulare,

– das Angebot der Ratenzahlung (wenn z. B. größere Geldbeträge für Freizeiten anfallen),

– Elternspenden, vom Elternbeirat verwaltete Be-träge,

– Kleiderfundus in der Einrichtung, – Mitnahmebörse (für jeden, unabhängig vom Budget), – kostenlose Ausleihe von Spielen und Büchern (z. B.

in Form von „Sprach- und Spielerucksäcken“ 25).

Alle Fachkräfte sehen den Zusammenhang zwischen guter Bildung für das Kind und der materiellen Lage seiner Eltern – vor allem im Hinblick auf fehlende Ressourcen für die Anschaffung von Büchern und Spielzeug oder Materialien zur Lernförderung. Wäh-rend Eltern, die finanziell gut gestellt sind, auch viel wollen für ihr Kind, begnügen sich armutsbetroffene Eltern anscheinend damit, dass ihr Kind überhaupt einen Platz in der Kindertageseinrichtung hat und verlässlich betreut wird.

In armutsbetroffenen Familien ersetzt häufig der einmal angeschaffte und dann nur geringe Zusatz-kosten verursachende Fernseher andere, meist zu Folgekosten führenden Bildungsangebote, so die Er-fahrung der frühpädagogischen Fachkräfte. An dieser Stelle sei auf Angebote der zielgruppenorientierten

25 Sprach- und Spielerucksäcke enthalten jeweils ein Spiel, ein Puzzle, ein Buch, teilweise auch Malstifte und Malpapier, abge-stimmt auf den Entwicklungsstand des Kindes. Das Kind kann sich den Inhalt gemeinsam mit der Mutter / dem Vater zusammen-stellen und den so gefüllten Rucksack für eine verabredete Zeit mit nach Hause nehmen (entwickelt im Rahmen der Arbeit der Kinder ElternZentren (KiEZ) in Wiesbaden).

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Implikationen für die Praxis

Elternbildung hingewiesen: Der Eltern-Kind-Kurs FuN (Familie und Nachbarschaft) bietet die Möglichkeit, dem Fernsehkonsum durch Erfahrungen mit gemein-samem Spielen oder Vorlesen etwas entgegenzuset-zen. FuN-Kurse werden in Wiesbaden in Stadtteilen mit besonderen sozialen Belastungen seit mehreren Jahren mit Erfolg durchgeführt. Ein weiteres Wiesba-dener Projekt ist der „Spieletester on tour“, eine mehr-tägige Freizeit für Familien aus einem hoch mit Armut belasteten Stadtteil. Bei diesem Angebot liegt der Schwerpunkt auf der Bedeutung des gemeinsamen Spielens für die Entwicklung der Kinder.

2.3.6 (Zusammen-)Arbeit mit ElternOhne die Eltern geht es nicht – diese Erkenntnis hat sich inzwischen durchgesetzt. Möchte man in der Kindertageseinrichtung in Zusammenarbeit mit

den Eltern der herkunftsbedingten Bildungsbenach-teiligung entgegensteuern, kann man sich an den „sieben großen Bs“ der Arbeit mit Eltern orientieren: Begegnung, Beratung, Bildung, Begleitung, Betreu-ung, Budget und Beteiligung (Gemeinschaftsinitiative 2010; Holz i.E.). In diesem Zusammenhang lautete die Frage an die frühpädagogischen Fachkräfte, ob es ihnen gelingt, armutsbetroffene Eltern im Hinblick auf die Belange ihrer Kinder zu erreichen. Fazit: Die Erfahrung der Fachkräfte, vor allem aus den Kinderta-geseinrichtungen mit überwiegend benachteiligten Kindern, zeigt, dass die meisten Eltern erreicht wer-den, und zwar durch persönliche Ansprache, also mithilfe eines ressourcen-, nicht defizitorientierten, das heißt, eines wertschätzenden Umgangs miteinan-der. Armutssensible Zusammenarbeit mit Eltern umfasst folgende Aspekte:

Aspekte der armutssensiblen Zusammenarbeit mit Eltern

Begegnung – Anlassbezogene Möglichkeiten der Begegnung, z. B. das gemeinsame Frühstück am Morgen nach der Übernachtung der Kinder in der Kindertageseinrichtung, der Eltern-Kind-Nachmittag oder das Elterncafé in der Eingewöhnungsphase im Sommer

– Listen mit Elternadressen und Telefonnummern; die Fachkräfte fördern aktiv gegen-seitige Besuche der Kinder

– Anlassunabhängige Möglichkeiten der Begegnung, z. B. ein immer zugänglicher Elterntreff

– Angebote für Eltern mit Kindern bzw. mit Kinderbetreuung (z. B. Grillnachmittag)

Beratung – Fachkräfte sind für Fragen immer ansprechbar, z. B. im sogenannten „Tür-und-Angelgespräch“ anstelle des „bestellten“ Gesprächs

(Eltern-)Bildung und Begleitung

– Elterncafé mit Programm, Informationen und Begleitung – Zum Beispiel Erstellen eines akustischen Elternbriefs in verschiedenen Sprachen

(entwickelt im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit der Stiftung Zuhören („Lilo Lausch“ 26)

26 Im Jahr 2012 nahmen 20 Kindertageseinrichtungen aus Wiesba­den an dem Pilotprojekt „Lilo Lausch – Zuhören verbindet!“ der Stiftung Zuhören und der Vodafone Stiftung Deutschland zur För­derung des Zuhörens teil.

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Budget – Berücksichtigung der Kosten, die z. B. bei Festen in der Kindertageseinrichtung für die Eltern anfallen (Mögliche Lösung: Alle Eltern, die Essensspenden zum Fest mitbringen, bekommen als Gegenleistung Gutscheine, mit denen die ganze Familie auf dem Fest kostenlos Essen und Getränke erhält.)

Beteiligung – Abfrage von Erwartungen und Wünschen der Eltern, z. B. im Rahmen von Entwick-lungsgesprächen (Fragebögen sind meist für die Zielgruppe weniger geeignet!)

– Eltern die Möglichkeit bieten, eigene Ressourcen einzubringen, z. B. indem sie in ihrer (nichtdeutschen) Muttersprache vorlesen (Angebot: „Meine Mama / mein Papa liest vor“), gemeinsam mit den Kindern in der Kindertageseinrichtung kochen oder backen (Materialien stellt die Einrichtung) oder ihre Fähigkeiten aus einem erlernten Handwerk einbringen

Auch armutssensible Kindertageseinrichtungen errei-chen selten, dass sich armutsbetroffene Eltern aktiv an der Mitwirkung im Elternbeirat beteiligen. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies zwingend notwendig ist, kann man doch voraussetzen, dass sich Eltern in belas-teten Lebenslagen vorrangig mit anderen Dingen als den Beiratsthemen beschäftigen müssen.

Allerdings gibt es auch einige wenige Eltern, die gar nicht erreicht werden (wollen), zum Beispiel weil sie in der Kindertageseinrichtung ausschließlich die Entlastung suchen und keine weiteren Erwartungen an sie haben. An dieser Stelle war bei allen befragten frühpädagogischen Fachkräften eine gewisse Rat- und Hilflosigkeit zu spüren. Und das zu Recht: Wenn Eltern in prekären Lebenslagen, obwohl sie täglich ihre Kinder bringen bzw. holen, für die Fachkräfte kaum ansprechbar sind und sich auch nicht für die Belange der Kindertageseinrichtung interessieren, dann werden sie – sobald ihre Kinder in die Schule gehen – vermutlich noch weniger für die Bildungs-institution ihrer Kinder erreichbar sein.

In solchen Fällen sollten die frühpädagogischen Fachkräfte durchaus überlegen, inwieweit sie sich mit dem Jugendamt beratend austauschen. Getragen von einem Präventions- und keinem Interventionsge-danken können solchen Eltern auf diese Weise noch andere fördernde wie fordernde Angebote gemacht werden. Auch hierbei ist allerdings ein differenzierter Blick auf den jeweiligen Elterntyp, seine Belastung, seine Erwartungen und Bedürfnisse erforderlich, um unterschiedliche Wege des Zugangs zu entwickeln, da man mit einem Format nicht alle Eltern erreicht;

dieser Zusammenhang ist bereits in Kapitel 1.2 aus-geführt worden.

2.3.7 Vernetzung und KooperationWer in einer Kindertageseinrichtung Eltern für An-gebote für sie selbst, für ihre Kinder oder für die Eltern zusammen mit ihren Kindern gewinnen möchte, wählt am besten den Weg über die pädagogische Fachkraft als Vermittlerin zwischen Angebot und Zielgruppe. Ist sie überzeugt bzw. nicht überzeugt von der Qualität und Wirkung eines Angebots, spüren das die Eltern und neh-men es an oder eben nicht. Eine Fachkraft formulierte dies so: „Das geschieht ohne Worte! Die (Eltern) sehen dich an und wissen sofort, was du davon (dem Angebot) hältst, da brauchst du dann gar nichts mehr zu sagen!“

Die befragten frühpädagogischen Fachkräfte wünschten sich, die Angebote sowie den betreffenden Anbieter gut zu kennen, was zum Beispiel durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden kann. (Ar-mutssensible) Fachkräfte können Eltern für Angebote gewinnen, wenn

– die Anbieter sich und ihr Angebot in der Kinderta-geseinrichtung vorstellen, zum Beispiel während eines Festes einen Spielstand anbieten und dabei für sich und ihr Angebot werben;

– Angebote in den Räumen der Kindertageseinrich-tung stattfinden (sehr erfolgreiches Beispiel in Wiesbaden: „ZusammenSpiel“, ein Kursangebot für Eltern und Kinder unter drei Jahren, bevor sie in die Kindertageseinrichtung gehen);

– ein gegenseitiger Informationsaustausch sicher-gestellt ist;

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Implikationen für die Praxis

– die Kindertageseinrichtung und die Anbieter im Stadtteil vernetzt sind und sich regelmäßig gemein-sam mit dem befassen, was die Eltern brauchen.

Vieles, aber nicht alles, was Kinder für eine gute Ent-wicklung benötigen, kann in den Räumen einer Kin-dertageseinrichtung geboten werden. Anreize zum Entdecken der Welt schaffen, heißt auch, nach außen zu gehen. Die armutssensible Kindertageseinrichtung nutzt daher die Ressourcen, die der Stadtteil bzw. das weitere Umfeld bietet, um die eigene Angebotspalette für alle Kinder zu ergänzen. Dabei trägt sie dafür Sorge, dass die Angebote auch von armutsbetroffenen Eltern und ihren Kindern in Anspruch genommen werden. Die Kindertageseinrichtung ist mit allen notwendigen Partnern im Sozialraum, wie Erziehungsberatungs-stellen, Schuldnerberatung, Sozialdienst, Gesund-heitsamt, Frühförderstellen, Schulen, Bibliotheken, Familienbildungsstätten, Sportvereinen und Museen, vernetzt. Sie hält Informationen über Angebote und Öffnungszeiten bereit und begleitet bei Bedarf die Eltern bei der Kontaktaufnahme, indem zum Beispiel die Fachkraft zusammen mit den Eltern anruft, den Kontakt in der Kindertageseinrichtung organisiert oder gemeinsam mit den Eltern zu der betreffenden Stelle hingeht.

2.3.8 Ein zweites ZwischenresümeeDie Erkenntnisse aus den Diskussionen mit den frühpädagogischen Fachkräften lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Hinblick auf die in den sechs Kin-dertageseinrichtungen angewendeten Konzepte zeigt sich, dass die unterschiedlichen pädagogischen Ansät-ze prinzipiell armutssensible Arbeit ermöglichen und unterstützen, indem sie die Stärkung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellen – seine gesunde, kog nitive und soziale Entwicklung, die Stärkung sei-ner Selbstwirksamkeit und seine Unabhängigkeit.27

Weiter wird erkennbar, dass armutssensible Ar-beit auf verschiedenen Ebenen im Alltag stattfinden

27 Siehe hierzu auch Aussagen im Kinderreport 2012, in dem einer frü­hen Beteiligung der Kinder an Entscheidungsprozessen in der Kin­dergruppe, dem Erleben von Selbstwirksamkeit und Teilhabe Ein­fluss auf die Beendigung von Armutskarrieren zugeschrieben wird (www.dkhw.de/cms/presseundmaterialien/presse mitteilungen/ 1169­akinderreport­deutschland­2012­fruehe­beteiligung­von­kindern­durchbricht­den­kreislauf­der­vererbung­von­armut).

muss, damit die Wirkung langfristig bei den Kindern ankommt. Zu diesem sogenannten Mehr-Ebenen-Ansatz gehören die Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte, Kurse zur Resilienzförderung aller Kinder, Angebote für Eltern (Einzelberatung und Elternkurse) und die Vernetzung der Kindertageseinrichtungen mit den anderen Einrichtungen und Diensten im Stadtteil (Fröhlich-Gildhoff u. a. 2011).

Schließlich wird deutlich, dass die besondere Rolle, die der frühpädagogischen Fachkraft in Kin-dertageseinrichtungen mit einem hohen Anteil an armutsbetroffenen Kindern und Eltern zukommt – sei es als Leitung, sei es als Gruppenerzieherin oder Grup-penerzieher – , nicht ohne zusätzliche Zeitressourcen auszufüllen ist.

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3 Empfehlungen für die frühpädagogische Praxis und Resümee

Sowohl im Konzept der Kindertageseinrichtung als auch in dessen konkreter Umsetzung muss sich ein Verständnis von sozialer Inklusion und von Ar-mutssensibilität wiederfinden. Dies zeigte vor allem Kapitel 2.3 anhand der Darstellung praktischer Er-fahrungen.

Während Annika Sulzer und Petra Wagner sehr gut den Ansatz der Inklusion und die sich daraus er-gebenden Anforderungen an die frühpädagogischen Fachkräfte formulieren (Sulzer / Wagner 2011), hat diese Expertise aufgezeigt, was kindbezogene Ar-mutsprävention bedeutet und wie sie gelingen kann. Teil dessen ist es, dass Einrichtungen eine instituti-onelle Armutssensibilität entwickeln, die sich dann konzeptionell und alltagsbezogen niederschlägt.

Kindbezogene Armutsprävention baut auf den generellen Konzepten und Kompetenzen der Einrichtungen und ihrer Fachkräfte auf Bei der kindbezogenen Armutsprävention geht es nicht um Sonderkonzepte und Sonderkompetenzen, sondern die Basis sind diejenigen Konzepte und Kompetenzen, die im frühkindlichen Bereich und von frühpädagogischen Fachkräften für ihr Handeln bei der Arbeit mit Kindern generell benötigt werden.

Die alltägliche Pädagogik in den Kindertagesein-richtungen muss jedoch dahingehend qualifiziert werden, dass der jeweilige pädagogische Ansatz explizit auf die Nutzerinnen und Nutzer (Kinder und Eltern) und das Umfeld ausgerichtet und modifiziert wird. Grundlegend ist eine Haltung der frühpäda-gogischen Fachkraft, die sich durch Offenheit und Wertschätzung, Respekt, Empathie, Ressourcen- und Lösungsorientierung, aber auch durch Kooperations-willen auszeichnet. Kindbezogene Armutsprävention versteht sich als ein Prozess „von der Geburt bis zum Berufseinstieg“, der im Zusammenspiel von vielen Menschen und Institutionen gesichert und gestaltet wird. Das erfordert Zeit und damit wiederum Geld. Kooperation und Vernetzung, oder anders formu-

liert Netzwerkarbeit, gehören zu den professionellen Aufgaben von Fachkräften in sozialen Diensten und Einrichtungen. Sie gelingen dann gut, wenn die dafür erforderlichen Rahmensetzungen durch Politik und Staat, aber auch durch den jeweiligen Einrichtungs-träger geschaffen wurden.

Erforderlich ist eine institutionelle Armutssensibilität, die im Konzept und im Handeln der frühpädagogischen Fachkräfte sichtbar wird Diese Sensibilität äußert sich in den folgenden Punkten:

– Grundlagenwissen über Armut ist bei den Fachkräf-ten vorhanden. Armut wird als gesellschaftliches Phänomen wahrgenommen und nicht als indivi-duelles Verschulden oder gar Versagen der Eltern. Schuldzuschreibungen führen nämlich dazu, Vor-urteile unreflektiert zu verschärfen, nicht aber nach Lösungen zu suchen.

– Enttabuisierung von Armut im Alltag der Kinder-tageseinrichtung: Die finanzielle Lage ist zum Beispiel Teil des Aufnahmegespräches, unter-schiedliche finanzielle Möglichkeiten der Eltern und Rücksichtnahme darauf sind Thema in den Team sitzungen, bei den Elternabenden, in den Beratungen mit dem Elternbeirat usw. Die ökono-mische Lage der Familien wird nach außen kom-muniziert (z. B. gegenüber der Kommune und dem Jugendhilfeausschuss: „Bei uns sind Familien arm.“), um weitere Ressourcen aus dem Umfeld, von der Jugendhilfe usw. zu erhalten.

– Übernahme von Verantwortung auch für armuts-betroffene bzw. vermeintlich nicht leistungsfähige oder leistungswillige Kinder durch individuelle Förderung, soziale Einbindung und inkludierendes Handeln. Die Kinder werden in ihrer Individualität gesehen und entsprechend gefördert.

– Initiierung von Angeboten mit dem Ziel, armuts-belasteten Kindern zusätzliche Lern- und Erfah-rungsräume sowie neue Ressourcen zu eröffnen. Das heißt, es wird gezielt darauf hingearbeitet, dass Armutsbetroffene bzw. sozial Benachteiligte in das normale Geschehen der Kindertageseinrichtung eingebunden sind. Zudem sind zusätzliche Maß-nahmen zu realisieren, die ausdrücklich Armutsfol-gen vermindern, und zwar so, dass dies nicht stig-matisierend wirkt (z. B. Bereitstellung von Kleidung, gezielte Ernährungs- und Gesundheitsförderung,

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Empfehlungen für die frühpädagogische Praxis und Resümee

Bereitstellung von Spiel- und Sportmaterialien, geeigneter Umgang mit zusätzlichen Beiträgen für Aktivitäten der Einrichtung).

– Verbesserung des Zugangs zu armutsbetroffenen und schwer erreichbaren Eltern. Grundlegend dafür sind der Aufbau von vertrauensvollen und verlässlichen Beziehungen zu den Eltern und ihre Einbindung in den Kita-Alltag. Dies gelingt nur schrittweise, durch Wertschätzung, und es muss das Ziel verfolgt werden, den Eltern eine auch emotional spürbare Unterstützung und Entlastung anzubieten. Die Eltern benötigen entlastende, stär-kende und ergänzende Hilfen.

– Arbeit am pädagogischen Konzept der Einrichtung, um höchstmögliche zielgruppenspezifische Wir-kungen zu erreichen.

– Stärkung von Sozialraumbezug und Vernetzung. Armutsprävention ohne Vernetzung ist nicht mög-lich. Kooperation ist eine Grundvoraussetzung, die durch Leitung und frühpädagogische Fach-kräfte professionell gelebt wird. Vernetzung und Kooperation sind erforderlich, um Unterstützung und spezifische Förderung durch andere Einrich-tungen und Dienste zu eröffnen (z. B. Frühe Hilfen, Erziehungsberatungsstellen, Interdisziplinäre Frühförderstellen), die Entwicklungs- bzw. Einrich-tungsübergänge der Kinder zu sichern, den Zugang zu anderen Hilfen zu ermöglichen (z. B. Arbeits-agentur, Jugendhilfe, BuT, Wohngeld, Zuschüsse) und Ressourcen des Quartiers (z. B. bürgerschaft-liche Unterstützung, Spenden, Patenschaften) zu beschaffen und zu nutzen.

Frühpädagogische Weiterbildung muss Kompetenzentwicklung mit dem Ziel der institutionellen Armutssensibilität bewirkenUm die Anforderungen der Praxis gut bewältigen zu können, benötigen die Fachkräfte spezielle Kompe-tenzen (Sulzer / Wagner 2011), die im Kasten auf S. 64 aufgeführt sind.

Kindbezogene Armutsprävention setzt Inklusion in Kindertageseinrichtungen und Strukturentwicklung vorausArmut ist ein zentrales gesellschaftliches Problem, auch das hat diese Expertise (vgl. Kap. 1) gezeigt: Etwa jedes fünfte bis sechste Kind lebt heute in Deutschland mit seiner Familie unterhalb der Armuts(risiko)gren-ze. Dies hat für die betroffenen Kinder gravierende Folgen im Hinblick auf ihre Entwicklung schon im frühen Kindesalter. Die Vermeidung von Armut bzw. die Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe durch ein ausreichendes Einkommen muss auf gesellschaft-licher Ebene – vor allem durch den Bund, zum Teil auch die Länder – erreicht werden.

Aber auch die Vermeidung oder Reduzierung von Armutsfolgen setzt – neben der Inklusion der betrof-fenen Kinder in Kindertageseinrichtungen – eine entsprechende Strukturentwicklung auf kommu-naler Ebene voraus (vgl. Kap. 2.2). Diese ist jedoch noch lange nicht überall gegeben. Deshalb sind dem erfolgreichen Handeln der Fachkräfte in den Kinder-tageseinrichtungen enge Grenzen gesetzt, was zu vielfältigen Frustrationen führt.

Noch seltener ist die direkte Verknüpfung der Bemühungen in den Kindertageseinrichtungen in Richtung armutssensibler und inklusiver Arbeit (z. B. über Konzeptentwicklung, Fort- und Weiterbildung) mit den strukturellen Bemühungen in der Kommune.

Aufgabe der Wissenschaft ist es auch, die struk-turelle Entwicklung auf allen Ebenen mit voranzu-treiben sowie auf die Wichtigkeit der Verknüpfung zwischen Weiterbildungsinitiativen und strukturellen Maßnahmen gerade auf kommunaler Ebene hinzu-weisen. Hierzu gehört ebenfalls die bedarfsgerechte Anpassung der Fachkraftschlüssel (gerade) in Kinder-tageseinrichtungen mit einem höheren bzw. hohen Anteil an Kindern in ökonomischen Risikolagen.

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Spezielle Kompetenzen der frühpädagogischen Fachkräfte

Selbstkompetenz, Haltung

– Offenheit gegenüber Menschen (Kindern und Eltern) anderer sozialer oder kultureller Herkunft und Lebensweise

– Reflektierter Umgang mit eigenen lebensgeschichtlichen und lebensweltbedingten Vorurteilen im Zusammenhang mit Armut und kultureller Verschiedenheit, reflek-tierter Umgang mit eigenen Armutserfahrungen (u. a. „Working poor“)

– Ressourcenorientierung (z. B. „alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind“, „Eltern sind (auch) Experten ihrer Kinder“, „alle Kinder haben Stärken“)

– Problemlösungsorientierung („Geht nicht, gibt es nicht“)

Wissen – Wissen über soziale Zusammenhänge und über die Sozialstruktur (in Deutschland und im jeweiligen Umfeld der Einrichtung)

– Wissen über Armut und Armutsfolgen, insbesondere über Prozesse sozialer Aus-grenzung und sozialer Inklusion bzw. Integration bei den Kindern und deren Eltern

– Wissen über die Formen der Zusammenarbeit mit armutsbetroffenen bzw. sozial benachteiligten Eltern bzw. Familien

– Wissen über Resilienz und Resilienzförderung in der Kindertageseinrichtung – Wissen über sozialstaatliche Hilfen, auf die zumeist Rechtsansprüche bestehen und

die jeder Bürgerin und jedem Bürger uneingeschränkt zur Verfügung stehen (müssen)

Fertigkeiten(Methoden-kompetenz)

– Thematisierung der finanziellen Probleme, z. B. in Form eines Seminars mit dem Titel „Über Geld spricht man doch, aber wie?“

– (Zusammen-)Arbeit mit armutsbetroffenen bzw. sozial benachteiligten Eltern (mögliche Seminarthemen: „Wie gelingt der Zugang?“, „Schwierige Eltern gibt es nicht – Elterngespräch leicht gemacht“, „Wie gelingt die Beteiligung aller Eltern?“)

Sozialkompetenz (u. a. Kooperations-kompetenz)

– Wertschätzende und bedarfsorientierte Einbindung Dritter / anderer Fachkräfte (betrifft alle Fachkräfte)

– Aufbau verlässlicher Kooperationen (zwingend für Leitungskräfte) – Vernetzung – Arbeit in Netzwerken (zwingend für Leitungskräfte)

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Literatur

4 Literatur

Der Abruf der Downloads erfolgte Anfang März 2013.

Alicke,Tina / Eichler, Antje (2013): Inklusive Gesell-schaft − Teilhabe in Deutschland. Kinder und Jugendliche: Teilhabe in der Schule. Frankfurt am Main. www.iss-ffm.de/fileadmin/user_upload/Veroeffentlichungen/AWO-ISS_Kooperation/Teil habe_in_der_Schule.pdf

Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO) (Hrsg.) (2010): Familien in benachteiligten und von Armut bedrohten oder betroffenen Lebenslagen als Adres-saten von Elternbildung und Elternarbeit. Expertise von Kate Bird und Wolfgang Hübner. Berlin. www.bird-und-huebner.de/AWO%20EXPERTISE%20FAMI LIE%20+%20ARMUT.pdf

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2012): Bildung in Deutschland 2012. Bielefeld

Becker, Irene (2007): Verdeckte Armut in Deutschland. Ausmaß und Ursachen. Friedrich-Ebert-Stiftung, Fachforum Analysen und Kommentare No. 2 / 2007. http://library.fes.de/pdf-files/do/04656.pdf

Berg, Annette (2010): „Mo.Ki – Monheim am Rhein“ – Armutsprävention als kommunale Handlungsstra-tegie. In: Holz, Gerda / Richter-Kornweitz, Antje (Hrsg.): Kinderarmut und ihre Folgen. Wie kann Prävention gelingen? München, S. 149 – 158

Boeckh, Jürgen (2007): Familien stärken? In Eltern-kompetenzen investieren! Abschlussbericht zum Projekt TAFF (Training, Anleitung, Förderung von und für Familien) der AWO Niederrhein e. V. Frank-furt am Main. www.awo-essen.de/sites/default/files/download/taff-abschlussbericht.pdf

Bos, Wilfried / Stubbe, Tobias C. / Buddeberg, Magdale-na (2010): Einkommensarmut und schulische Kom-petenzen. In: Fischer, Jörg / Merten, Roland (Hrsg.): Armut und soziale Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen: Problembestimmungen und Inter-ventionsansätze. Baltmannsweiler, S. 58 – 72

Bruckmeier, Kerstin / Wiemers, Jürgen (2012): A new targeting – a new take-up? Non-take-up of social assistance in Germany after social policy reforms. In: Empirical Economics Vol. 43, 2 / 2012, S. 565 – 580

Brülle, Heiner / Christe, Gerhard / Melzer, Ragna / Wende, Lutz (2012): Schulbezogene Unterstützungsnetz-werke. Gestaltungsansätze der Jugendhilfe zur Bil-dungsförderung armer Jugendlicher im Übergang Schule – Beruf. Frankfurt am Main. www.jugendso zialarbeit.de/media/raw/AWO_ISS_Expertise_Schul bezogene_Unterstuetzungsnetzwerke.pdf

Bundesagentur für Arbeit, Statistik (Hrsg.) (2013): Arbeitsmarkt in Zahlen. Arbeitslosenquoten und SGBII-Quoten im Regionenvergleich. Nürnberg.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hrsg.) (2013): Lebenslagen in Deutschland. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesre-gierung (Endfassung vom 06.03.2013). www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile

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5 Anhang

5.1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Armutsrisiko von Kindern nach Familientypen im Jahr 2009 17Abbildung 2 Armutsbetroffenheit nach Landkreisen im Jahr 2012 20Abbildung 3 Armut und Lebenslage des Kindes 21Abbildung 4 Nutzung frühkindlicher Förder- und Betreuungsangebote abhängig

von der materiellen Lage der Eltern in Deutschland im Jahr 2010 29Abbildung 5 Anteil der Kinder unter 24 Monaten, die an non-formalen Angeboten

teilnehmen – abhängig vom Familieneinkommen (in Prozent) 30Abbildung 6 Verteilung armutsbetroffener Kinder auf Kindertageseinrichtungen

(Wiesbaden 2012) 31Abbildung 7 Strukturformen kindbezogener Armutsprävention –

Präventionskette durch Netzwerke 45Abbildung 8 Dormagener Modell – die Präventionskette als Strukturmodell 46Abbildung 9 Die „Mo.Ki 0“-Bausteine 50

5.2 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Armutsrisikoschwellen ausgewählter Haushaltstypen im Jahr 2010 (relative Einkommensarmut) 14

Tabelle 2 Armutsrisikoschwellen ausgewählter Haushaltstypen 2011 / 12 (Armut als Bezug von Mindestsicherungsleistungen) 15

Tabelle 3 Vergleich von armutsbetroffenen und nicht betroffenen Sechsjährigen nach Lebenslagebereichen und anhand von Einzelmerkmalen 22

Tabelle 4 Anteil sozial benachteiligter Kinder von drei bis sechs Jahren in Kitas 32

Tabelle 5 Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Kita und Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen 37

Tabelle 6 Anteil sozial benachteiligter Kinder in der Kita und Erhalt zusätzlicher Ressourcen 37

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Anhang

5.3 Fragebogen für pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen

I. Zugänge in die Kindertageseinrichtung (KT)1. Welche Zugänge sieht Ihr Träger vor? (Vormerk-, Wartelisten, Fristen; Trägerunter-

schiede beschreiben, auch in Bezug auf unterschiedliche Betreuungsangebote)2. Ist eine soziale Mischung in Ihrer KT gewünscht und wie wird dies gesteuert?3. Wenn die Aufnahme von Kindern in Ihrer KT über Dritte (z. B. BSA, FM SGB II) forciert bzw.

begleitet wird: Wie gehen Sie als Leitung damit um? Welche Bilder entstehen?4. Erkennen Sie arme Eltern schon bei der Vormerkung?5. Spätestens bei Aufnahme und Vertragsabschluss: Gebührenbefreiung nur nach Vorlage

des Bescheides über staatliche Transferleistungen. Wie gehen Sie damit um? Welche Bilder entstehen?

6. Erhalten Eltern, die sich mit den unterschiedlichen Zugangswegen nicht auskennen, Unterstützung?

II. FachkraftA) Eigene Armutserfahrung

1. Hat Ihre eigene Biografie Einfluss auf Ihre Berufswahl gehabt? Welchen?2. Hatte sie Einfluss auf die Wahl der KT / des Trägers, in der / bei dem Sie arbeiten? Welchen?3. Glauben Sie, es macht einen Unterschied in der Arbeit mit den Kindern, wenn man selbst

(keine) Armutserfahrung hat? Welchen?

B) Die materielle Situation – im Alltag und im Kontakt mit Eltern – zum Thema machen, ohne dass es abschreckend / ausgrenzend wirkt1. Sprechen Sie mit Eltern über ihre materielle Lage? Bei welchen Gelegenheiten?2. Gibt es für Sie in Ihrer Arbeit einen Zusammenhang zwischen guter Bildung für das Kind

und der materiellen Lage seiner Eltern? Welchen?3. Haben Sie Erfahrung damit, armen Eltern Unterstützung anzubieten, wenn sie sich ein

relevantes KT-Angebot / ein Bildungsangebot / Sonstiges für ihr Kind nicht leisten können?

C) Konsumprioritäten bei knappen Ressourcen („Für das neue Handy ist Geld da, aber für un-seren Ausflug in den Zoo nicht.“) – Umgang der Fachkräfte damit1. Haben Sie Verständnis für arme Eltern, die sich für den Kauf von Konsumgütern wie

Handy oder Fernseher statt für ein KT-Angebot, ein Buch oder ein Spiel entscheiden?2. Wenn Sie sich in solchen Situationen über Eltern ärgern würden – welche Auswirkungen

hätte das möglicherweise auf deren Kind?3. Haben Sie Erfahrung damit, mit solchen Situationen gut umzugehen?

III. Arbeit mit dem KindEine Pädagogik für alle? Gibt es pädagogische Ansätze, die die Arbeit mit armen Kindern eher begrenzen / eher begünstigen?

1. Machen Sie in Ihrer Arbeit häufig die Erfahrung, dass armen Kindern die Vertrautheit mit Materialien / Situationen / anderen Bildungs- oder Lernorten fehlt? Welche Materialien sind das? Wie gehen Sie damit um?

2. Hat dieser Zusammenhang Einfluss auf Ihre pädagogischen Angebote? Welchen?3. Entspricht es Ihren Erfahrungen, dass Ihr pädagogisches Konzept für alle Kinder gleicher-

maßen das richtige Förderangebot bereithält, oder werden Kinder konzeptionsbedingt eher benachteiligt / besonders gefördert? Woran lässt sich das erkennen?

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Beate Hock / Gerda Holz / Marlies Kopplow

IV. Arbeit mit der GruppeArme Kinder in der Minderheit und arme Kinder in der Mehrheit – Interaktion in der Kinder-gruppe

1. Machen Sie die Erfahrung, dass die Kinder untereinander wahrnehmen, wer arm ist und wer nicht? Was beobachten Sie in diesem Zusammenhang?

2. Erleben Sie innerhalb der Kindergruppe Ausgrenzungen von armen Kindern? Spielen dabei noch andere Faktoren außer Armut eine Rolle (arm plus …)? Welche?

3. Welche Möglichkeiten sehen Sie, Ausgrenzungen zu verhindern bzw. gegenzusteuern?4. Machen Sie Hausbesuche mit der gesamten Kindergruppe bei allen Kindern? Wie erle-

ben Sie die Kinder währenddessen und anschließend?

V. Arbeit im TeamLebenslage der Kinder / ihrer Familien als Thema im Team / bei der Planung der pädagogischen Arbeit (z. B.: „Unser Ferienprogramm muss für alle finanzierbar sein“)

1. Haben Sie sich in Ihrem Team mit den Sozialdaten Ihres Einzugsgebietes befasst? Sind sie allen bekannt?

2. Haben Sie thematisiert, welche Bedeutung Armut für die Kinder in Ihrer KT hat / haben kann?

3. Wenn Sie Armut von Kindern thematisieren / thematisiert haben: Wer gibt / gab den Impuls dazu – Träger, Leitung, Erzieherin, Kind, aktuelle Situation?

VI. Zusammenarbeit mit den ElternA) Zugang zu allen Eltern suchen und gestalten

1. Mit welchen Formen Ihrer Elternarbeit erreichen Sie arme Eltern (am ehesten): mit Ein-zel-, Entwicklungs-, sogenannten Tür-und-Angelgesprächen, mit Elternabenden, mit Eltern-Kind-Aktivitäten, Sonstigem?

2. Gibt es arme Eltern, die Sie gar nicht erreichen? Wenn ja, haben Sie eine Erklärung dafür?3. Beteiligen sich auch die armen Eltern am Angebot „Hausbesuch“?

B) Unterstützt die KT den Kontakt / die Vernetzung der Eltern untereinander? Welche Wirkung hat die immer wieder so sehr gewünschte soziale Mischung auf die Zusammenarbeit mit Eltern?1. Bietet die KT für Eltern Möglichkeiten, sich anlassunabhängig zu treffen, z. B. Elternecke,

-treff, -café, -stammtisch? Wenn ja, wer nutzt diese(s) Angebot(e)?2. Sind arme Eltern in Ihren Elternbeiräten?3. Sind bei Festen und Veranstaltungen in der KT Spenden wie z. B. mitgebrachte Gerichte

oder auch Mitarbeit erwünscht? Wie erreichen Sie eine Beteiligung möglichst vieler Eltern?

VII. Vernetzung im SozialraumRessourcen / Unterstützungssysteme – Vernetzung – „warme Übergänge“

1. Was brauchen arme Eltern aus Ihrer Erfahrung im Stadtteil an Unterstützungsangebo-ten – zusätzlich zum KT-Platz? Was könnte noch dazu beitragen, die Bildungschancen armer Kinder zu verbessern?

2. Was ist aus Ihrer Sicht nötig, damit die Eltern und ihre Kinder in diesen Angeboten auch ankommen – was könnte die KT dazu beitragen?

3. Wie könnte die Zusammenarbeit zwischen der KT und z. B. diesen Anbietern zusätzlicher Angebote aussehen?

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Zu den Autorinnen

Beate Hockist Diplom-Soziologin, Mitarbeiterin und Autorin der AWO-ISS-Studie zum Thema Kinderarmut (1997 bis 2001). Seit 2001 arbeitet sie als Sozial-planerin mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfeplanung für die Landeshauptstadt Wiesbaden. Außerdem ist sie nebenberuflich tätig im Bereich wissenschaftliche Begleitung, unter anderem zum Thema Kinderarmut und Frühe Förderung.

Gerda Holzist graduierte Sozialarbeiterin und Diplom-Politikwissenschaftlerin. Sie ist als wissenschaftliche Referentin mit verschiedenen Leitungs- und Arbeitsaufgaben im Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt am Main tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Armut und soziale Ausgrenzung sowie Kindbezogene Armutsprävention.

Marlies Kopplowist seit 2009 Leiterin der Fachstelle KiEZ (KinderElternZentren) in Wies-baden. Zu ihrer Tätigkeit gehört auch die fachliche Begleitung von städtischen Kindertageseinrichtungen bei der Integration behinderter Kinder. Nach ihrer Ausbildung als Lehrerin für die Sekundarstufe II war sie mehrere Jahre als Leiterin in städtischen Kindertageseinrichtungen (u. a. in einer sehr armutsbelasteten Einrichtung) der Landeshauptstadt Wiesbaden tätig.

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Stand: März 2014

WiFF Expertisen

Wissenschaftliche Ana ly-sen und Berichte zu aktu-ellen Fachdiskussionen, offenen Fragestellungen und verwandten Themen von WiFF

WiFF Studien

Ergebnisberichte der WiFF-eigenen Forschun-gen und Erhebungen zur Vermessung der Aus- und Weiterbildungslandschaft in der Frühpädagogik

WiFF Wegweiser Weiterbildung

Exemplarisches Praxis- material als Orientierungs-hilfe für die Konzeption und den Vergleich von kompetenzorientierten Weiterbildungsangeboten

WiFF Kooperationen

Produkte und Ergebnis-berichte aus der Zu-sammenarbeit mit unter-schiedlichen Partnern und Initiativen im Feld der Frühpädagogik

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) stellt alle Ergebnisse in Form von Print- und Online-Publikationen zur Verfügung.

Alle Publikationen sind erhältlich unter: www.weiterbildungsinitiative.de

Zuletzt erschienen Zuletzt erschienen Zuletzt erschienen Zuletzt erschienen

WiFF Expertisen | 000

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ISBN 978-3-86379-106-3

WiFF Expertisen | 37

Daniela Kobelt Neuhaus / Günter Refle

Inklusive Vernetzung von Kindertageseinrichtung und Sozialraum

Die Vernetzung mit dem Sozialraum ist für Kindertageseinrichtungen heute selbstverständlich – eine inklusive Vernetzung ist dagegen noch weitgehend neu. Um allen Kindern eine Teilhabe an der Gesellschaft zu ermög-lichen, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, ist eine erweiterte Zusammenarbeit notwendig, die alle Institutionen einbezieht und die Entwicklung des Sozialraums umfasst.

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WiFF Studien | 21

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) hat die Kompetenzentwicklung von Fachkräf-ten untersucht, die an der Weiterbildungsmaßnahme „Fachkraft für Frühpädagogik U3“ der Arbeiterwohlfahrt (AWO) teilgenommen haben. Im vorliegenden Bericht wird dargestellt, in welchem Ausmaß und in welchen Bereichen die Fachkräfte einen Kompetenzzuwachs bei sich selbst beobachtet haben, welche Veränderungen die Einrichtungsleitungen bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrgenommen haben und wie die einzelnen Module der Weiterbildung im Einzelnen bewertet wurden.

ISBN 978-3-86379-112-4

Norbert Schreiber

Weiterbildung zur „Fachkraft für Frühpädagogik U3“Evaluation einer Zertifi katsreihe

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WiFF Wegweiser Weiterbildung | 6

Inklusion – Kinder mit BehinderungGrundlagen für die kompetenz orientierte Weiterbildung

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In Kooperation mit:

Klaus Fröhlich-Gildhoff / Claudia Röser

Zertifizierungs­initiative­­Frühpädagogik­Südbaden­(ZFS)Ein­Modellprojekt­zur­Anrechnung­außerhochschulisch­erworbener­Kompetenzen­auf­ein­Studium­der­Frühpädagogik

WiFF Kooperationen | 5

ISBN 978-3-86379-105-6

DRUCK_ZFS_Umschlag.indd 1 18.09.13 17:31

Band 37: Daniela Kobelt Neuhaus/Günter Refle: Inklusive Vernetzung von Kindertageseinrichtung und Sozialraum

Band 21: Norbert Schreiber: Weiterbildung zur „Fachkraft für Frühpädagogik U3“

Band 6: Inklusion – Kinder mit Behinderung

Band 5: Klaus Fröhlich-Gildhoff/ Claudia Röser: Zertifizierungs­initiative Frühpädagogik Südbaden (ZFS)

Band 36: Donja Amirpur: Behinderung und Migration – eine intersektionale Analyse im Kontext inklusiver Frühpädagogik

Band 35: Lotte Rose/Friederike Stibane: Männliche Fachkräfte und Väter in Kitas

Band 34: Annika Sulzer: Kulturelle Hetero-genität in Kitas. Anforderungen an Fachkräfte

Band 33: Ulrich Heimlich: Kinder mit Behin-derung – Anforderungen an eine inklusive Frühpädagogik

Band 20: Jan Leygraf: Fachberatung in Deutschland

Band 19: Joanna Dudek / Johanna Gebrande: Quereinstieg in den Erzieherinnen-beruf

Band 18: Norbert Schreiber: Die Ausbildung von Kinderpflegerinnen und Sozial assistentinnen

Band 17: Pamela Oberhuemer: Fort­ und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte im europäischen Vergleich

Band 5: Inklusion – Kulturelle Heterogenität in Kindertageseinrichtungen

Band 4: Frühe Bildung – Bedeutung und Aufgaben der pädagogischen Fachkraft

Band 3: Zusammenarbeit mit Eltern

Band 2: Kinder in den ersten drei Lebensjahren

Band 1: Sprachliche Bildung

Band 4: Autorengruppe Berufsfach-schule: Qualifikationsprofil „Frühpädagogik“ – Berufs-fachschule

Band 3: Expertengruppe „Anschluss-fähige Bildungswege“: Kind heitspädagogische Bachelorstudiengänge und anschlussfähige Bildungs wege

Band 2: Expertengruppe Berufs­begleitende Weiterbildung:Qualität in der Fort­ und Weiterbildung von päda-gogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen

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Inklusion als Konzept für die Bildung, Betreuung und Erziehung aller Kinder schließt die pädagogische Arbeit mit armutsbetroffenen beziehungsweise sozial benachteiligten Kindern mit ein. Beate Hock, Gerda Holz und Marlies Kopplow stellen in dieser Expertise dar, welches Hintergrundwissen frühpädagogische Fachkräfte über Kinder und Familien in Armutslagen benötigen und welche Implikationen sich für ein armutssensibles Handeln in der Kindertageseinrichtung hieraus ergeben.

ISBN 978-3-86379-115-5