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XII. Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit/~t Breslau. Beeinflussung des Purinstoffwechsels dutch Insulin und Synthalin. Voll Gert Taubmann. (Eingegangen am 13. III. 1928.) Io Im l~ahmen yon Untersuehungen fiber die Beeinflussung des tieri- schen Purinstoffwechsels durch Produkte der inneren Sekretion war die Frage gegeben, ob das Insulin, einer der jiingsten Vertreter der Hormone kSrpergruppe, in dieser Riehtung wirksam sei. Angeschlossen wurde aus sp~ter zu erw/ihnendem Grunde eine Prtifung des synthetisehen Guanidin- derivates ,> Synthalin <,, wenn auch zwischen diesem und dem Insulin zun/~chst keine andere Beziehung, ats die der/~hnlichen Wirkung besteht. Auf die Einzelheiten der ~ethodik, die in einer friiheren Arbeit 1) auslfihrlich beschrieben ist, braueht hier nicht eingegangen zu werden. Unterstrichen sei nur noch einmal, dal] bei keiner Untersuehung des tierischen Purinstoffweehsels das Allantoin als das Endpurin des S/~uge- tieres vernaehl/issigt werden darf. Die gleichzeitige Bestimmung des Gesamtstickstoffs sollte dazu beitragen, die van den Untersuchern auf- fallend verschieden beantwortete Frage nach dem Verhalten der Gesamt- N-Ausscheidung beim 1%rmaltier unter Insulinwirkung zu kl/iren. W~h- rend fiber die l~-Ausscheidung des pankreasdiabetischen Tieres seit den klassischen Untersuchungen ~[in k o w ski s Klarheit herrscht und weiter bekannt ist, da6 beim diabetisehen Organismus, wie jeder therapeutische Effekt, so auch die Insulinwirkung sich in einer Einsparung yon N-KSrpern zeigt, scheinen beim ~Normalen nnter Insulin die Verh~ltnisse 1) Taubmann, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1928, Bd. 129, S. 43.

Beeinflussung des Purinstoffwechsels durch Insulin und Synthalin

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Page 1: Beeinflussung des Purinstoffwechsels durch Insulin und Synthalin

XII.

Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit/~t Breslau.

Beeinflussung des Purinstoffwechsels dutch Insulin und Synthalin.

Voll

Gert Taubmann.

(Eingegangen am 13. III. 1928.)

Io

Im l~ahmen yon Untersuehungen fiber die Beeinflussung des tieri- schen Purinstoffwechsels durch Produkte der inneren Sekretion war die Frage gegeben, ob das Insulin, einer der jiingsten Vertreter der Hormone kSrpergruppe, in dieser Riehtung wirksam sei. Angeschlossen wurde aus sp~ter zu erw/ihnendem Grunde eine Prtifung des synthetisehen Guanidin- derivates ,> Synthalin <,, wenn auch zwischen diesem und dem Insulin zun/~chst keine andere Beziehung, ats die der/~hnlichen Wirkung besteht.

Auf die Einzelheiten der ~ethodik, die in einer friiheren Arbeit 1) auslfihrlich beschrieben ist, braueht hier nicht eingegangen zu werden. Unterstrichen sei nur noch einmal, dal] bei keiner Untersuehung des tierischen Purinstoffweehsels das Allantoin als das Endpurin des S/~uge- tieres vernaehl/issigt werden darf. Die gleichzeitige Bestimmung des Gesamtstickstoffs sollte dazu beitragen, die van den Untersuchern auf- fallend verschieden beantwortete Frage nach dem Verhalten der Gesamt- N-Ausscheidung beim 1%rmaltier unter Insulinwirkung zu kl/iren. W~h- rend fiber die l~-Ausscheidung des pankreasdiabetischen Tieres seit den klassischen Untersuchungen ~[in k o w ski s Klarheit herrscht und weiter bekannt ist, da6 beim diabetisehen Organismus, wie jeder therapeutische Effekt, so auch die Insulinwirkung sich in einer Einsparung yon N-KSrpern zeigt, scheinen beim ~Normalen nnter Insulin die Verh~ltnisse

1) Taubmann, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1928, Bd. 129, S. 43.

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wesentlich komplizierter zu liegen und yon einer grogen Reihe yon Fak- toren abhangig zu sein. Al lan und ]~{aeleod 1) linden unter Insulin eine Verminderung der Gesamt-N-Ausscheidung, dasselbe erreieht Ku dr- jawzewaS) bei normalen Kaninchen mit Insulindosen, die offenbar unter einer Kanincheneinheit tagen. Andererseits sehen Labb6 und The o dores co'~) bei Hunden, sowie Collazo und g a e n d e l ~ ) bei Tauben eine Zunahme der N-Ausscheidung. B l a t h e r w i e k 5) c. s. findet an ge- sunden Menschen zun~chst Vermehrung, dann Verminderung unter In- sulin. Von Zin s s er 6) wird eine Xnderung der Gesamt-N-Ansscheidung bei Insulinmengen zwischen 5 und 40 Einheiten pro die beim Gesunden vermi6t.

Die auff~lligen UnLersehiede in den Befunden diirften zum Teil auf die gebrauehte Tierart, verschiedenartige Dosierung, auf die Verwendung yon Insulin versehiedenen Reinheitsgrades und auf die Art der Erni~h- rung, so,vie den Erni~hrungszustand zu beziehen sein. Hinzuweisen ist auf die ParalMe im Verhalten des Leberglykogens 7), das unter kleinen Dosen Insulin eine Zunahme, unter groi3en eine Abnahme erfghrt. In der oben erwi~hnten Arbeit s) wurde auf ganz entspreehende Verhaltnisse im Verhalten yon Eiweil3, Glykogen und Purin unter Adrenalinwirkung hingewiesen.

Was das Verhalten der PurinkSrper unter Insulin betrifft, so liegt bisher nur eine Reihe von Beobaehtungen yon Kiir t i und GySrgyi 9) am gesunden und am diabetisehen )'~ensehen vor; sie fanden einen ge- ringen und weehselnden Einflul3 auf die endogene Harnsi~ure und eine Neigung zur Retention bei Zulage von nukleinsaurem Natron.

Die eigenen Versuehe wurden an Hunden ausgeftihrt, die bei fast eiweiL3freier Nahrung reeht gleiehmiilgige 3/fengen yon Gesamt-N und Allantoin aussehieden. Sie erhielten yon Insulin (Wellcome) dreimal ti~glieh 2--5Einheiten. Hypoglyki~misehe Reaktion wurde hie be- obaehtet. Vier Versuehsreihen an drei I-Iunden hatten alas gleiehe Re- sultat, l~ber den Verlauf eines solehen Versuehes beriehtet die Tabelle 1.

1) A l l a n und N a e l e o d , Transact. roy. soe. Canada 1923, Bd. 17, S. 47. 2) K u d r j a w z e w a , Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1925, Bd. 44, S. 313. 3) L a b b ~ und T h e o d o r e s c o , Cpt. rend. hebdom, des s~ances de l'ae~d.

des sciences 1925, Bd. 19, S. 1438. 4) C o l l a z o und H a e n d e l , Dtsch. reed. Wochenschr. 1923, S. 1546. 5) B l a t h e r w i c k , Be l l and H i l l , Jourm of biol. chem. 1924, Bd. 61, S. 241. 6) Z i n s s e r , Dtsch, Arch. f. klin. Ned. 1926, Bd. 152, S. 219. 7) L e s s e r , Referat ~. d. Dt. Pharmak. Tagung. Wiirzburg 1927. 8) T a u b m a n n , a. a. 0. 9) K i i r t i und G y i i r g y i , Klin. Wochenschr. 1927, S. 1426.

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126 XII. GEnT TAUBMA~X.

T a b e l l e 1.

Hund , 6,8 kg Gewicht. Fu t t e r tgglich: 100 g Kartoffeln, 40 g Mehl, 10 g Fet t , 500 ccm Wasser.

u ttarnmenge Gesamt-5~ Allantoin Bemerkungen

1. und 2. 3. ~ 4.

5, �9 6.

7. ~ 8.

9. * 10. 11. �9 12. 13. �9 14. 15. ~ 16. 17. * 18. 19. ,, 20.

21. , 22. 23. 7> 24.

710 700

820 780

835 750 815 940 855 870

650 825

2,33 2,33

2,25 2,12

2,55 3,07 2,49 2,34 2,94 2,70

2,61 3,26

o;8~2 0,924

1,297 0,895

1,011 1,363 1,393 1,032 1,010 1,238

0,957 1,019

3. und 4. 3 x 2 Einh. Insu- lin subkutan.

7. und 8. 3 ><5 Einh. Insu- lin subkutan.

19. und 20. 3 >< 5 E]nh. Insu- lin subkutan.

Was zun~tchst die Gesamt-N-Werte betrifft, so ist unter Insulin keine _~nderung zu bemerken, die die Grenzen der normalen Variations- breite iiberschreitet. Es ist natiirlich mSglich, dal~ innerha]b der recht grol~en Spanne yon 48 Stun@n, der jeder Wert entspricht, Schwan- kungen auftreten, die sich im Endeffekt kompensieren. Jedenfalls steht abet diese Konstanz in auffa]lendem Gegensatz zu den nicht iibermiil]ig grol]en, aber eindeutigen Veri~nderungen im Purinstoffwechsel. Wir sehen jede Injektionsserie gefolgt yon einer deutlichen Steigerung der Allantoinwerte. Dal~ diese Steigerung zeitlich oft spat nach der Injek- tion kommt, darf mit Riicksicht auf die schwere Mobilisierbarkeit der Purine (P o hl) und auf die analogen Befunde beim Adrenalin nicht wun- dernehmen. Es zeigt sich auch hier wieder, dal~ die Vorgiinge im Purin- stoffwechsd eine Sonderstellung gegeniiber dem Geschehen im Stoff- wechsel tier anderen /~-haltigen KSrper einnehmen.

I I .

Die Untersuchung des Synthatin, obwohl nieht stre~g in den Rahmen des Arbdtsplanes gehSrend, war, abgesehen yon der Wirkungs~hnlich- keit, durch den Umstand gegeben, daI~ in der Toxikologie des Syntha- lins die Frage der Leberseh~digung wiederholt diskutiert worden ist, und dal] nach unseren das Adrenalin betreffenden Befunden die Leber

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~m Purinstoffwechsel eine erhebliche Rolle zu spielen scheint, so dab bei

einer Mehrausscheidung yon PurinkSrpern im H a m an eine Mobilisation

vonPurinen o der ihren Muttersubst anzen in der Leber ge dacht werden mu~.

Es war yon vornherein beabsichtigt, nur solche Befunde zu verwerten, die nach Einverleibung normaler therapeutischer Dosen sich etwa zeigten; beruht doch ein grol]er Tell der Angaben tiber die toxische Wirkung des Synthalins an Tier und Mensch auf der Anwendung abnorm hoher Dosen. Wir verfiigen fiber vier - - gleichartig verlaufene - - Versuche,

die die Wirkung des Synthalins au[ den Purinstoffwechsel demonstrieren. Zwei yon ihnen sollen in Tabellenform wiedergegeben werden.

Tabelle 2. tIund, 8,3 kg Gewicht. T~gliches Futter: 100 g Kartoffeln, 40 g Mehl,

15 g Fett, 500 ccm Wasser.

Versuchstag Harnmenge Gesamt-N U Allantoin Bemerkungen

1. und 2. 3. ~ 4.

5 . ~ 6 ,

7. ,, 8. 9. - 10.

11. ,, 12. 13. ,, 14. 15. ,7 16.

1180 1220

980 1260 1300 1110 1050 1280

2,97 3,14

5,19 3,35 6,12 4,13 2,82 3,33

0,052 0,056

0,045 0,042

0,030 0~044 0,059

1,120 1,112

1,047 1,702 1,783 1,763 0,895 1,132

m

3. und 4. Je I mg Syn- thalin pro Kilogram m subkutan.

Tabe l l e 3.

Der gleiehe I-Iund wie in Tabelle 1 bei gleichem Futter.

Versuehstag ttarnmenge Gesamt-~N Allantoin Bemerkungen

1. und 2. 3. �9 4.

5 . 9 6 .

7. , 8. 9. ~ 10.

11. . 12.

600 685

945 880 935

1075

3,38 3,85

3,85 2,41 2,46 2,02

0,964 0,933

1,307 2,365 0,843 0,841

3. und 4. 1 mg Synthalin pro Kilogramm subkutan.

Wahrend ein gesetzm~l~iges Verhalten im Gesamt-~N-Stoffwechsel

nicht zu erkennen ist, sehen wir die Menge des ausgeschiedenen Allan- toins zu so enorm hohen Werten ansteigen, wie sie dutch kein anderes Pharmakon (iIn Tierversuch auch durch die Phenylchinolinkarbons~ure

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nicht; zwei Versuche, 0,125 g pro Kilogramm per os) zu erzielen sind. Woher diese Purinmengen stammen, kSnnen wir zur Zeit nicht sagen. Eine Wirkung auf die Leber zu vermuten, ist naheliegend, aber nicht bewiesen. Auffallend ist, daft die in dem in Tabelle 2 wiedergegebenen Versuch mitbestimmte Harnsi~ure von den Veriinderungen ganz unberiihrt bleibt. Weiter ist bemerkenswert, da6 wit jedesmal im AnschluB an eine Synthalininjektion eine Zunahme des Urobilins im Ham konstatierten. Allerdings ist die]~ethode unseresUrobilinnaehweises eine erheblich feinere, als die allgeme~n an der Klinik geiibte. Wir untersuehen das in bekannter Weise hergestellte Filtrat naeh Sehiitteln des I-Iarns mit einem gleiehen u alkoholiseher Zinkazetataufsehwemmung im Dunkelzimmer im Brennpunkt eines konvergierenden Lichtbiindels. Bei dieser Art der Untersuehung zeigen a~ch normale ttundeharne eine geringe Flu- oreszenz. Doeh ist die Zunahme der Intensitiit naeh Synthalingabe eine so regelm~tBige und deut]iehe,: da$ mit Sicherheit yon einer Vermehrung des Urobilins im I-Iarn gesprochen werden kann. Ob diese Tatsaehe als Ausdruek pathologisehen Gesehehens gewertet werden kann, mu$ zu- ni~ehst dahingestellt bleiben; durch Insulin war dieser Effekt nicht zu erzielen. Die Gallenproduktion scheint dutch Synthalin nicht naeh- weisbar geschi~digt zu werden. Jedenfalls konnten wir bei Kaninchen auch im letzten Stadium ehronischer Synthalinvergiftung (1 mg Syn- thalin pro Kilogramm t~glich 20--30 Tage; die Tiere zeigten starke Gewiehtsabnahme und lagen zum Sehlu$ paretiseh auf der Seite) immer prompt eine erhebliehe Steigerung der Gallenproduktion (drei Versuehe, Steigerung 120--170 ~ ) naeh Eingabe yon gallensaurem Salz (Dehydro- cholsaures Na) feststellen. Ein Befund, der jedenfalls fiir die Funktions- ttiehtigkeit der Leber dieser fast in extremis befindlichen Kaninchen spricht. Versuehe in dieser Riehtung an ttunden w~ren allerdings er- wtinseht, d a bekanntlich gerade die Kaninehenleber gegen manehe hepatotropen Agenzien, z. B. Atophan und seine AbkSmmlinge, auf- fallend resistent ist.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Durch mii$ige Insulinmengen wird beim t tund eine yore Ver- halten des Gesamt-SI-Stoffwechsels unabh~ngige Steigerung der Purin- ausscheidung erzielt.

2. Dureh Synthalin wird eine auffallend starke Vermehrung des Harnallantoins bewirkt.