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COLL »Hidd’n Blue« SCHUMANN Cellokonzert BEETHOVEN 6. Symphonie »Pastorale« GIMENO, Dirigent STECKEL, Violoncello Montag 22_02_2016 20 Uhr

BEETHOVEN - Die Münchner Philharmoniker · 2. Langsam 3. Sehr lebhaft LUDWIG VAN BEETHOVEN Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastoral-Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben« 1

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COLL»Hidd’n Blue«

SCHUMANNCellokonzert

BEETHOVEN6. Symphonie »Pastorale«

GIMENO, DirigentSTECKEL, Violoncello

Montag 22_02_2016 20 Uhr

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118. Spielzeit seit der Gründung 1893

VALERY GERGIEV, ChefdirigentPAUL MÜLLER, Intendant

FRANCISCO COLL»Hidd’n Blue« für Orchester op. 6

ROBERT SCHUMANNKonzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129

1. Nicht zu schnell2. Langsam

3. Sehr lebhaft

LUDWIG VAN BEETHOVENSymphonie Nr. 6 F-Dur op. 68

»Pastoral-Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben«

1. »Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen«: Allegro, ma non troppo

2. »Szene am Bach«: Andante molto moto, quasi allegretto3. »Lustiges Zusammenleben der Landleute«: Allegro

4. »Donner – Sturm«: Allegro5. »Hirtengesang – Wohltätige, mit Dank an die Gottheit

verbundene Gefühle nach dem Sturm«: Allegretto

GUSTAVO GIMENODirigent

JULIAN STECKELVioloncello

Eine Aufzeichnung der Konzertserie durch den Bayerischen Rundfunk

wird am Mittwoch, dem 9. März 2016, ab 20.03 Uhr auf BR-Klassik gesendet

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Francisco Coll: »Hidd’n Blue«

Musikalisches Feuerwerk

MARTIN DEMMLER

FRANCISCO COLL(geboren 1985)

»Hidd’n Blue« für Orchester op. 6

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geboren am 17. Juli 1985 in Valencia / Spa­nien.

ENTSTEHUNG

»Hidd’n Blue«, was auf deutsch so viel be­deutet wie »verstecktes, verborgenes, aber unterschwellig vorhandenes Blau«, ent­stand in den Jahren 2009 bis 2011 als Auf­tragswerk des London Symphony Orchest­ra, und zwar in Folge eines Wettbewerbs für junge Komponisten, den das britische Or­chester ausgeschrieben hatte und aus dem Francisco Coll als Gewinner hervorgegan­gen war. Finanziell unterstützt wurde der Kompositionsauftrag durch den Helen Ham­lyn Trust.

URAUFFÜHRUNG

Am 15. Januar 2012 in London in der Barbi­can Hall (London Symphony Orchestra unter Leitung von Thomas Adès). Seitdem ist »Hidd’n Blue« auch in Frankreich, Deutsch­land und Luxemburg mit großem Erfolg auf­geführt und auf CD eingespielt worden; die britische Zeitung »The Guardian« lobte vor allem die orchestrale Erfindungskraft Colls und prophezeite dem jungen Komponisten eine große Zukunft.

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Francisco Coll: »Hidd’n Blue«

Musikalisches Feuerwerk

MARTIN DEMMLER

Francisco Coll (um 2010)

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Nur knapp fünf Minuten ist dieses Orches­terstück lang und doch umschließt es einen ganzen Kosmos orchestraler Möglichkeiten. Was wie eine Ouvertüre für großes Orches­ter daherkommt – und in der Tat hat der Komponist das Stück als eine Art »Vorspiel« bezeichnet – erweist sich als konzentrier­tes Panorama unterschiedlichster musika­lischer Ausdrucksweisen, als Parforceritt durch die fast unbegrenzten klanglichen Möglichkeiten eines modernen Orchester­apparats.

MUSIKALISCHER SENKRECHTSTARTER

Francisco Coll gehört heute zu den interes­santesten Komponistenpersönlichkeiten der jüngeren Generation und steht inzwi­schen auch in Kontakt mit vielen namhaften Interpreten und Ensembles, die sich für sei­ne Musik einsetzen. 1985 im südspanischen Valencia geboren, hat Coll seine musikali­schen Aktivitäten als Posaunist begonnen, sich daneben aber auch für bildende Kunst interessiert. Später studierte er an den Mu­sikkonservatorien von Valencia und Madrid, entschloss sich aber dann, als Privatschüler von Thomas Adès nach London zu wech­seln. Daneben nahm er auch Unterricht bei Richard Baker an der Guildhall School of Music and Drama und erhielt erste, auch internationale Auszeichnungen für seine Werke.

ERSTE ERFOLGE

Colls erstes Auftragswerk für Blechblä­ser­Ensemble wurde 2005 vom Ensemble »Canadian Brass« im Lincoln Center in New York aus der Taufe gehoben. Weitere Kom­positionsaufträge folgten, etwa vom Los An­geles Philharmonic Orchestra oder von den Festivals in Aldeburgh, Aix­en­Provence

und Verbier. Auch das Spanische National­orchester und die London Sinfonietta be­stellten großformatige Arbeiten bei ihm. Bezeichnend für Colls Komponieren sind originelle Ideen und Klangvorstellungen, die er souverän und mit großem dramatur­gischen Geschick umzusetzen versteht. Inzwischen hat Coll ein knappes Dutzend Orchesterwerke mit oder ohne Solisten vor­gelegt. Seine erste Oper »Café Kafka« hatte 2014 beim Aldeburgh Festival Premiere. Derzeit arbeitet er an einer Transkription von Richard Wagners »Wesendonck­Liedern« für das renommierte Ensemble Intercontem­porain.

DREIDIMENSIONALES PANORAMA

Coll selbst hat sein zwischen 2009 und 2011 entstandenes Orchesterwerk als »3D­Musik für ein virtuoses Orchester des 21. Jahrhun­derts« bezeichnet. An anderer Stelle hat er es »eine Art Ouvertüre für großes Orches­ter« genannt. Beides trifft den Charakter dieser Musik ziemlich genau. Denn Coll be­dient sich einer außerordentlich plastischen Musiksprache, bei der man in der Tat eine sozusagen »dreidimensionale« Staffelung des Klangs assoziiert. Und ein virtuoser Klangkörper ist natürlich die Vorausset­zung, um so hochkomplexe musikalische Strukturen wie diese zu realisieren. Coll selbst hat sich bei der Beschreibung seiner Musik auf zwei verschiedene Ebenen kon­zentriert: Zum einen auf die Welt der Farben und zum anderen auf die kontrapunktischen Techniken, die er in »Hidd’n Blue« ange­wandt hat. »Wie bereits der Titel sugge­riert«, so der Komponist, »wird ein tiefer Klang von dunklem, mysteriösem Blau all­mählich von helleren Farben überlagert. Die musikalischen Linien gleichen Ästen von Bäumen, die sich häufig kontrapunktisch zueinander verhalten.«

Francisco Coll: »Hidd’n Blue«

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VON DEN HÖCHSTEN REGISTERN...

Formal gestaltet der Komponist den Beginn von »Hidd’n Blue« als frei behandelten Ka­non, der das musikalische Material bis zu einem gewissen Höhepunkt entwickelt, um sich im weiteren Verlauf allmählich aufzu­lösen. Doch was sich strukturell eher wenig spektakulär anhört, erweist sich klanglich als eine Art musikalisches Feuerwerk – mit leuchtenden Farben und jeder Menge über­raschender Wendungen. Das Stück beginnt in den höchsten Registern, der Satz scheint von Beginn an dicht, energiegeladen und äußerst bewegt. Der immense Reichtum der Klangfarben äußert sich in permanentem Glitzern, Blinken und Grollen, wobei sich die Palette mitunter jäh ändern kann. Stellen­weise kommt es auch zu tumultartigen Pas­sagen, aber immer wieder strukturieren mächtige Akzente das farbenprächtige Rauschen. Dabei spielt der breit aufgestell­te Schlagzeugapparat eine nicht unwesent­liche Rolle.

...HINAB INS TIEFE, DUNKLE BLAU

In einem zweiten Abschnitt herrschen zu­nächst die tiefen Register vor. Hier assozi­iert man das tiefe Blau, von dem Coll selbst in seinem kurzen Werkkommentar spricht. Angstvoll, beklemmend, psychogramm­artig präsentiert sich der musikalische Satz an dieser Stelle. Aus diesen tiefen Regis­tern entwickelt sich eine Vielzahl melodi­scher Linien, das Farbenspektrum wird er­weitert und umfasst nun auch hellere Töne. Coll spielt virtuos und äußerst kunstvoll mit dem riesigen Orchesterapparat, überrascht immer wieder mit ungewöhnlichen Instru­mentenkombinationen, geradezu brutalen Tutti­ Effekten und unerwarteten melodisch­harmonischen Wendungen. Bis zum Ende bleibt der Satz vorwärts drängend und

äußerst bewegt. Hier gibt es kein Auf­der­Stelle treten, kein Zaudern, keine lyrischen Reflexionen. Alles ist Klang, Kraft, Bewe­gung.

VIRTUOSITÄT UND SPIELKULTUR

Traditionelle Symphonieorchester haben nicht unbedingt eine besondere Affinität zur zeitgenössischen Musik. Doch dieses Stück von Francicso Coll werden die Or­chester lieben. Denn hier haben die Musiker die Möglichkeit, ihrem Instrument nicht nur das Letzte abzuverlangen, sondern gleich­zeitig in einem großen Ganzen aufzugehen. Virtuosität und Spielkultur sind nicht Selbstzweck, sondern strukturbildend. Und der musikalische Satz ist so organisiert, dass sich jeder Instrumentalist in das viel­stimmige Gewebe einbringen kann, sich aber auch darin wiederfindet. Dass Coll da­bei die extremen Lagen, die musikalischen Ränder, besonders intensiv ausleuchtet, geschieht hier ganz bewusst: Denn in sei­nen Augen leben wir heute in einer Gesell­schaft, in der nur noch Extrempositionen zählen. Eine Ambivalenz, die Francisco Coll bewusst einsetzt und einmal so formuliert hat: »In ›Hidd’n Blue‹ scheint alles sicher und unsicher zugleich...«

Francisco Coll: »Hidd’n Blue«

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ROBERT SCHUMANN(1810–1856)

Konzert für Violoncello und Orchester a­Moll op. 129

1. Nicht zu schnell2. Langsam3. Sehr lebhaft

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geboren am 8. Juni 1810 in Zwickau (Sach­sen); gestorben am 29. Juli 1856 in Ende­nich bei Bonn.

ENTSTEHUNG

Robert Schumann komponierte sein (einzi­ges) Cellokonzert in den ersten Wochen seiner Amtszeit als neu gekürter städti­scher Musikdirektor in Düsseldorf. Er skiz­zierte das »Concertstück für Violoncell mit Begleitung des Orchesters«, wie das Werk noch in der autographen Partitur bezeich­net ist, zwischen 10. und 16. Oktober 1850, beendete die Instrumentation am 24. Okto­ber und nahm Anfang November noch ge­ringfügige Änderungen vor. Eine Alternativ­fassung des Konzerts, in der eine solisti­sche Violine den Part des Solo­Cellos über­nimmt, richtete Schumann vermutlich 1853 für den Geiger Joseph Joachim ein.

URAUFFÜHRUNG

Das genaue Datum der Uraufführung ist un­gesichert – wahrscheinlich fand die erste öffentliche Aufführung erst nach Schu­manns Tod statt: Am 23. April 1860 in Olden­burg (Großherzogliche Hofkapelle Olden­burg unter Leitung ihres Konzertmeisters Karl Franzen; Solist: Ludwig Ebert).

Engel und Hyänen

WOLFGANG STÄHR

Robert Schumann: Violoncellokonzert

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Robert Schumann: Violoncellokonzert

AM RHEIN, AM HEILIGEN STROME

Als hätte er es geahnt. »Ich suchte neulich in einer alten Geographie nach Notizen über Düsseldorf und fand da unter den Merkwür­digkeiten angeführt: 3 Nonnenklöster und eine Irrenanstalt. Die ersteren lasse ich mir gefallen, allenfalls; aber das letztere war mir ganz unangenehm zu lesen«, gestand Robert Schumann in einem Brief Anfang Dezember 1849. »Ich muss mich sehr vor allen melancholischen Eindrücken der Art in Acht nehmen. Und leben wir Musiker, Du weißest es ja, so oft auf sonnigen Höhen, so schneidet das Unglück der Wirklichkeit um so tiefer ein.« Der Adressat dieser Zei­len, dem sich Schumann mit seinen Sor ­gen und Ängsten so rückhaltlos anvertrau­te, der Komponistenkollege Ferdinand Hil­ler, tauschte damals das Amt des Düssel­dorfer Musikdirektors mit dem eines städ ­ tischen Kapellmeisters in Köln. Er schlug Robert Schumann als Nachfolger vor, sei­nen Freund aus gemeinsamen Dresdner Tagen, der sich nach enttäuschend verlau­fenen Bewerbungen am Leipziger Gewand­haus und am Königlich Sächsischen Hof­theater in Dresden, zu einem Orts­ und Szenenwechsel durchrang: zu einem Neu­anfang am Rhein, am heiligen Strome.

»COMPOSITIONSGELÜSTE«

Und das neue Leben begann verheißungs­voll. Mit allen Ehren wurden Robert und Clara Schumann am 2. September 1850 in Düsseldorf empfangen. Ein Komitee be­grüßte den berühmten Meister der Ton­kunst und seine nicht minder prominente Gattin am Bahnhof, ein luxuriöses Gemach mit reichem Blumenschmuck und zierli­chen Lorbeerbäumen erwartete das Ehe­paar im Breidenbacher Hof, die Künstler­ Liedertafel sang, die würdigen Herren des

Konzert direktoriums gaben sich die Klinke in die Hand. Zwei Tage danach überraschte das vollzählige Orchester seinen künftigen Dirigenten mit einer Serenade im Hotel – Mozarts »Don Giovanni«­Ouvertüre erklang prachtvoll bedrohlich im Foyer –, bevor das offizielle Willkommen bei einer Gala unter Hochrufen und Trinksprüchen, mit Souper und nächtlichem Ball in bester Festtagslau­ne ausklang.

Selbst die Misshelligkeiten der Wohnungs­suche konnten die vorherrschende Auf­bruchstimmung nicht ernstlich gefährden – das erste Quartier lag an einer quälend lauten Straße mit Wagengerassel, Kinder­geschrei und Leierkastengedudel – , ja nicht einmal der Ärger mit Handwerkern und Per­sonal trübte die glückliche Zuversicht. Als untrügliches Gütezeichen kreativen Taten­drangs, der den zum Direktor avancierten Musiker alsbald erfasste, findet sich in Schu manns Haushaltsbuch unter dem Da­tum des 10. Oktober 1850 das Stichwort »Compositionsgelüste«. Nur sechs Tage später bereits hatte er tatsächlich ein neu­es Werk skizziert, ein »Concertstück für Violoncell mit Begleitung des Orchesters«, ein »durchaus heiteres Stück«, wie Schu­mann glaubte, das er am 24. Oktober (vor­läufig) vollenden konnte – just am Tag sei­nes Düsseldorfer Debüts, seines ersten Auftritts als Musikdirektor. Und die schöp­ferische Hochform dauerte an: Schon in den nächsten Wochen komponierte er seine Es­Dur­Symphonie, die so genannte »Rhei­nische«.

GEHALT UND GESTALT

Ein Musikerleben lang experimentierte Ro­bert Schumann mit der überkommenen Form des Instrumentalkonzerts, des kon­zertanten Wechselspiels und Wettstreits –

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und diese Experimente gelangten naturge­mäß nie an ein Ende: »Als ob es nur eine, zwei Formen gäbe, in die sich alle geistigen Gebilde schmiegen müßten, als ob nicht der Gedanke seine Form von selbst mit auf die Welt brächte ! Als ob nicht jedes Kunst­werk einen anderen Gehalt haben müsse und mithin auch eine andere Gestalt !«, er­eiferte sich Schumann, der in seinem »Con­certstück«, dem Konzert für Violoncello und Orchester a­Moll op. 129, die traditio­nelle Dreisätzigkeit schwerelos überspielte und kunstvoll verschachtelte. Drei Sätze in einem – charakteristisch ausgeprägt als Phantasie, Romanze und Rondo – lösen sich ab und bleiben doch heimlich »durch ein inneres geistiges Band verkettet«.

Nach wenigen Takten schon beginnt der tiefgründige Monolog des Cellisten, von den Instrumenten des »begleitenden« Or­chesters dialogisch oder chorisch kommen­tiert: ein dramatischer Vortrag, eine Klang­rede, ein »recitativo accompagnato« und vor allem – Gesang, Kantilene, berückende Cello­Melodie. Drei geheimnisvolle Bläser­akkorde ertönen zu Beginn wie eine »Lo­sung«, wie eine Eichendorff’sche Beschwö­rung: Und das »Violoncell« hebt an zu sin­gen, »...triffst du nur das Zauberwort« ! Clara erprobte das einstweilen unaufge­führte Konzert in Düsseldorf daheim am Klavier: »Ich spielte Roberts Violoncellkon­zert einmal wieder und schaffte mir da­durch eine recht musikalisch glückliche Stunde. Die Romantik, der Schwung, die Frische und der Humor, dabei die höchst interessante Verwebung zwischen Cello und Orchester ist wirklich ganz hinreißend, und dann, von welchem Wohlklang und tie­fer Empfindung sind alle die Gesangsstel­len darin !« Der romantische Charakter des Cellokonzerts, sein »Humor« in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, äußert sich frei­

lich auch in einem auffallenden Hang zu weltvergessener Meditation, zu einer »som­nambulen Melancholie«, wie sie der Kultur­historiker Egon Friedell in Schumanns Kom­positionen zu erkennen glaubte: ein we­sentlicher, aber auch ein verhängnisvoller Zug seiner musikalischen Disposition.

EUPHORIE UND TRISTE WIRKLICHKEIT

»Und leben wir Musiker, Du weißest es ja, so oft auf sonnigen Höhen, so schneidet das Unglück der Wirklichkeit um so tiefer ein.« Wenige Monate genügten, um die erste Eu­phorie der Düsseldorfer Amtszeit völlig er­kalten zu lassen. Nach Schumanns anfäng­licher Schwärmerei für das idealisierte Pu­blikum, »das nur gute Musik will und liebt«, trat der unversöhnliche Gegensatz der An­sichten und Mentalitäten in grellstem Licht zutage. Denn in Wirklichkeit blieben ihm die Rheinländer zutiefst wesensfremd, eine An­tipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte, zumal Schumann wahrlich nicht dem Typus der extrovertierten Frohnatur entsprach. »Die Art seines Verkehrs mit Anderen war sehr einfach. Er sprach eben wenig oder gar nicht, selbst wenn er um etwas befragt wur­de«, erinnerte sich Joseph von Wasielewski, Schumanns Düsseldorfer Konzertmeister und gleichzeitig sein erster Biograph. Als städtischer Musikdirektor hatte Schumann die Leitung eines Orchesters übernommen, das institutionell vom »Allgemeinen Musik­verein« getragen wurde und sich überwie­gend aus Kreisen von Laienmusikern rekru­tierte, darunter namhafte Honoratioren, die fatalerweise zugleich im Verwaltungsrat des Musikvereins saßen und in dieser Funk­tion den Dirigenten zu kontrollieren hatten, der wiederum in Proben und Konzerten ihr künstlerischer Vorgesetzter war.

Robert Schumann: Violoncellokonzert

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Robert Schumann: Violoncellokonzert

Robert und Clara Schumann (1850)

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Robert Schumann: Violoncellokonzert

Auch in dem ebenfalls von Schumann gelei­teten »Gesang­Musikverein« traf die geho­bene Mittelschicht mit der einflussreichen Elite des Düsseldorfer Bürgertums zusam­men. Schumanns unrealistisch hohe An­sprüche an die musizierenden Amateure, seine wenig konzilianten Umgangsformen, sein mangelndes Geschick zur Organisation und Führung, das sich in Unsicherheit, feh­lender Durchsetzungsfähigkeit und man­cherlei Unarten äußerte, zogen einen unauf­haltsamen Niedergang seiner Konzerttätig­keit nach sich: Disziplinlosigkeit und sin­kendes Niveau. Im Düsseldorfer Karneval musste sich Schumann von einem »Anti­ Musikverein« verhöhnen lassen. In einem boshaften Probenbericht hieß es: »Der ein­zige Mensch, der etwas von seinen Bemer­kungen verstanden hat, war sein Taktstock, den er beim Sprechen immer vor den Mund hielt !« Wachsende gesundheitliche Beein­trächtigungen – Schumann beklagte »ner­vöse Krampfanfälle«, »Unwohlsein« und »hypochondrische Gedanken« – verdunkel­ten die ohnehin glücklosen Jahre in der un­geliebten Stadt am Rhein. Allzu bald schon bereute es Schumann, die Düsseldorfer Po­sition angenommen zu haben.

DÜSSELDORFS UNTERGANG

Als er im Februar 1854 von Breitkopf & Här­tel einen Revisionsabzug des Cellokon­zerts erhielt, schwankte Schumann buch­stäblich zwischen Himmel und Hölle. Er glaubte sich von Engeln umschwebt, hörte herrliche, himmlische Musik – aber dann wieder sah er Dämonen um sich versam­melt, wurde von schrecklichstem Höllen­lärm gepeinigt, Tiger und Hyänen stürzten sich auf ihn, drohten ihn zu zerreißen. »Nach etwa einer halben Stunde wurde er ruhiger und meinte, es lassen sich wieder freundlichere Stimmen hören, die ihm Mut

zusprechen«, vermerkte Clara Schumann in ihrem Tagebuch. »Die Ärzte brachten ihn zu Bett, und einige Stunden ließ er es sich auch gefallen, dann stand er aber wieder auf und machte Korrekturen von seinem Violoncellkonzert, er meinte dadurch et­was erleichtert zu werden von dem ewigen Klange der Stimmen.«

Im August 1854 erschien Schumanns Opus 129 im Druck – die Erstveröffentlichung des nach wie vor unaufgeführten a­Moll­Kon­zerts, das sich erst Jahre und Jahrzehnte später im Repertoire der Cellisten etablie­ren sollte. Damals, im August, lebte der ge­scheiterte Düsseldorfer Musikdirektor Ro­bert Schumann längst getrennt von seiner Familie in der Heil- und Pflegeanstalt des Psychiaters Franz Richarz in Endenich bei Bonn, einer Privatklinik für Geisteskranke. »Sprach heut vom Untergang Düsseldorfs«, lautet der Eintrag im Krankenbericht vom 8. September 1854. Und drei Tage später: »Glaubt noch immer fest, Düsseldorf sey untergegangen. Ist gut gestimmt, ging nach Bonn spazieren.« Noch annähernd zwei Jah­re, bis zu seinem Tod im Sommer 1856, ver­brachte Schumann in der Endenicher Klinik, seiner letzten Station: einer Irrenanstalt. Als hätte er es geahnt.

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Robert Schumann: Violoncellokonzert

Robert Schumann (1850)

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Robert SchumannEin Sonnett

HANS PFITZNER

Hans Pfitzner über Robert Schumann

Wie sah’n wir, zitternd aus der Puppe NachtDen selt’nen Falter sich zum Lichte ringen,Und, schnell erstarkt, in Sonnenwärme schwingenPhantastisch wundervolle Farbenpracht.

Wie selig er die Flügel spreizt und flacht –Nun schnellt er tief, und saugt aus der SyringenDuftendem Blütenkelch, der hold den Schmetterlingen,Die Süßigkeit, die schier ihn trunken macht.

Wohin verflogst Du Dich, Du Sonnenwesen ?Was flatterst ängstlich Du, und krampfhaft schnelle,Wie wurdest Du der Dunkelheit zum Raub ?

Ach, nur in Lenzesluft kannst Du genesen.Nun sinken auf den Boden Deiner ZelleZerriss’ne Flügel, ohne Farbenstaub.

29. Juli 192012 ½ Uhr nachtsSchumanns Todestag

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Der Fall eines Komponisten

SUSANNE STÄHR

Robert Schumanns letzte Jahre

KARNEVAL AM RHEIN

Düsseldorf, am 27. Februar 1854. frühnach­mittags um 14 Uhr verlässt Robert Schu­mann die Wohnung in der Bilker Straße 15, die er vor anderthalb Jahren mit seiner Frau Clara und den sechs gemeinsamen Kindern bezogen hat. Obwohl es regnet, ist Schu­mann nur mit seinem langen, grüngeblüm­ten Schlafrock und Filzpantoffeln beklei­det, aber niemand nimmt Anstoß an seinem merkwürdigen Aufzug: Es ist Rosenmontag, Karneval am Rhein, und in den Straßen tum­meln sich die Jecken in allerhand skurrilen Kostümen. Schumann jedoch ist nicht zum Feiern zumute. Sein Ziel ist die nahegelege­ne Pontonbrücke, die über den breiten Fluss nach Oberkassel führt. Dass die Brücke ge­rade für die Durchfahrt eines Schiffes geöff­net wurde und eine Querung nicht möglich ist, stört Schumann keineswegs; unbeirrt geht er vor bis zur Mitte, übersteigt die Ab­sperrung, zieht seinen Ehering vom Finger, wirft ihn in die Fluten – und stürzt sich schließlich selbst hinterher. Der Selbst­mordversuch missglückt: Fischer ziehen ihn gleich wieder aus dem Wasser, rudern

ihn, der sich heftig sträubt und sogar aus dem rettenden Kahn springen will, zum rechtsrheinischen Ufer. »Fürchterlich muß sein Heimweg gewesen sein; transportiert von 8 Männern und einer Masse Volks, das sich nach seiner Weise belustigte«, berich­tete Ruppert Becker, Konzertmeister in Schumanns Düsseldorfer Orchester.

»REISE« OHNE RÜCKBILLETT

Für fünf Tage darf Schumann noch einmal in seine Wohnung zurück, Tag und Nacht be­aufsichtigt von Wärtern, abgesondert von der Familie, die zu Freunden ausquartiert wird. Am 4. März aber wird er als »geistig umnachtet« in die private Nervenheilanstalt des Psychiaters Dr. Franz Richarz in Ende­nich bei Bonn eingeliefert – auf eigenen Wunsch, wie es heißt. Penibel legt sich Schumann selbst zurecht, was er für diese »Reise« zu brauchen glaubt: Uhr, Geld, No­tenpapier, Tintenfedern, Zigarren. Doch es gibt keine Heimkehr mehr. 29 Monate wird Schumann in Endenich zubringen, zweiein­halb schreckliche letzte Jahre. Anfangs gibt es noch Hoffnung auf Genesung, denn es

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Robert Schumanns letzte Jahre

wechseln bei Schumann klare Momente mit anfallartigen Attacken und Schreikrämpfen ab; dann aber muss er in eine der »Tobe­zellen« verlegt und mit Gurten am Bett fest­geschnallt werden. Im April 1856 beginnt er schließlich, die Nahrung zu verweigern, am 29. Juli 1856 stirbt er. Zwei Tage vorher hat Clara, von der Anstaltsleitung über das na­hende Ende informiert, von ihrem Gatten Abschied genommen. Es war das überhaupt einzige Mal, dass sie ihn in Endenich be­sucht hatte...

UNHEILANSTALT ENDENICH

Heute, 155 Jahre nach seinem Tod, scheint es kaum mehr möglich, präzise zu diagnos­tizieren, worunter Schumann litt und woran er starb. Unzählige Veröffentlichungen ha­ben sich dieser Frage gewidmet, doch die Meinungen driften weit auseinander. Häufig wird darauf hingewiesen, dass sich der 21­jährige Schumann, wie er gegenüber Franz Richarz in Endenich berichtete, 1831 mit Syphilis infiziert habe und seinerzeit »mit Arsenik curirt« worden sei. Als Spät­folge dieser venerischen Erkrankung sei dann eine »progressive Paralyse« aufgetre­ten, die zu Schumanns geistigem Verfall und Tod geführt habe. Freilich könnten für seine Persönlichkeitsstörungen und Hallu­zinationen – er selbst gebrauchte das Wort »Nervenschwäche« – auch ganz andere Ur­sachen verantwortlich sein: Der hochsen­sible Schumann litt zeitlebens unter de­pressiven Verstimmungen, die in Phasen der Überarbeitung und unter dem Einfluss äußerer Ärgernisse verstärkt auftraten. Auch war er diesbezüglich familiär vorbe­lastet, nahm sich seine ältere Schwester Emilie doch 1824 das Leben – eine trauma­tische Erfahrung für den damals 14­jähri­gen. Dass Schumanns Tod am Ende gar mit den obskuren Behandlungsmethoden zu

tun haben könnte, die er in Endenich zu er­dulden hatte: Selbst diese These wird mitt­lerweile vertreten. Und sie erscheint nicht einmal so abwegig, bedenkt man, dass Schumann in der sog. »Heilanstalt« seiner Freiheit völlig beraubt und von der Außen­welt isoliert wurde, dass man ihn wechsel­weise überfütterte und dann wieder mit Abführmitteln traktierte, dass er Kupferprä­parate verabreicht bekam und in kalte Es­sigbäder gesteckt wurde. Schumanns fina­ler Hungerstreik mag unter diesen Vorzei­chen wie eine letzte Flucht erscheinen, die von der Anstaltsleitung mit Zwangsernäh­rung aus Fleischextrakt und Portwein be­antwortet wurde.

GENIE ODER WAHNSINN ?

Was immer die Ursache für Schumanns tra­gisches Ende gewesen sein mag – auf die Rezeption seines Spätwerks hatte das Ver­dikt des »Wahnsinns« fatale Auswirkungen. Denn insbesondere die Kompositionen aus dem letzten Jahr vor dem Suizidversuch standen fortan unter dem Generalverdacht nachlassender Geisteskraft, und man ver­meinte, in ihnen bereits Vorboten der sich ankündigenden »Umnachtung« erkennen zu können. Das prominenteste Opfer dieser Stigmatisierung ist das Violinkonzert aus dem September 1853, das Schumann für den Geiger Joseph Joachim geschrieben hatte. »Entsetzlich schwer für Geige«, be­fand der Virtuose, der sich zweimal an einer Einstudierung versuchte, jedesmal schei­terte und das Werk danach resigniert zur Seite legte. Schumann habe für den Solo­part unspielbare Figurationen komponiert, lautete die verbreitete Meinung, und seine Tempodispositionen, voran der schleppen­de, schwere Rhythmus der Polonaise im Schlusssatz, seien schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar. Bis 1937 dauerte es,

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Robert Schumanns letzte Jahre

Jean­Joseph­Bonaventure Laurens: Robert Schumann (1853)

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ehe das Violinkonzert in Berlin zur Urauffüh­rung gelangte, in einer vereinfachenden und verfälschenden »Bearbeitung« obendrein. Dass dies überhaupt geschah, verdankte sich auch nur den dunklen Zeitläuften: Denn im Nationalsozialismus war das beliebteste romantische Violinkonzert, Felix Mendels­sohn Bartholdys e­Moll­Konzert, aus rassi­schen Gründen verboten worden, und die braunen Machthaber suchten händeringend Ersatz für diese Repertoirelücke, die Schu­manns Konzert nun schließen durfte – ob »umnachtet« oder nicht.

ILLUSIONSBEHAFTETER NEUBEGINN

Fraglos hatte sich der öffentlichkeitsscheue Schumann in seinen letzten, den rheini­schen Lebensjahren immer stärker in seine eigene Seelenwelt eingesponnen. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. Am 2. September 1850 waren Robert und Clara Schumann aus Dresden kommend in Düsseldorf eingetroffen, wo Robert das Amt des Städtischen Musikdirektors antreten sollte. Die ortsansässigen Honoratioren hatten keine Mühe und keinen Aufwand ge­scheut, um dem prominenten Paar den Ein­stieg so angenehm wie möglich zu gestal­ten und ihre Wertschätzung zu bekunden. Im vornehmen Hotel Breidenbacher Hof an der Königsallee hatte man großzügige Zim­mer für sie angemietet, die festlich mit Blu­men und Lorbeerbäumchen dekoriert wa­ren; die Düsseldorfer Liedertafel gab ein Begrüßungsständchen, und zwei Tage spä­ter spielte im Hotel das gesamte Orchester zu Ehren des neuen Chefs auf, der anschlie­ßend bei einer Gala mit Souper, Festreden, Toasts und nächtlichem Ball offiziell will­kommen geheißen wurde. Robert Schu­mann, der es bis dahin gewohnt war, im Schatten seiner europaweit als Klavier­

virtuosin gefeierten Ehefrau zu stehen – »Sind Sie etwa auch musikalisch ?«, fragte ihn arglos Prinz Friedrich der Niederlande, als Clara in Den Haag ein Konzert gab – , war von derlei Ehrbezeugungen überwältigt und geriet zunächst in eine schöpferische Hoch­stimmung, deren bedeutendste Ergebnisse das Cellokonzert und die »Rheinische Sym­phonie« bildeten. Doch die Bewährungs­probe wartete auf ihn erst im Alltag.

DIALOGE MIT DEM TAKTSTOCK

Als Dirigent war Schumann nach Düsseldorf verpflichtet worden, aber für genau diese Profession mangelte es ihm an wesentlichen Voraussetzungen, an physischen wie an men talen. Da war zunächst seine extreme Kurzsichtigkeit, die es ihm unmöglich machte, beim Dirigieren mit den Musikern im Blickkontakt zu bleiben. Um wenigstens den Notentext entziffern zu können, griff er zu einer Lorgnette und senkte den Kopf tief in die Partitur auf dem Pult, auch wenn er dabei nicht gleichzeitig wahrnehmen konn­te, was im Halbrund des Orchesters vor sich ging. Schüchtern und introvertiert von Na­tur aus, fehlte Schumann überdies die Gabe des Kommunikators; er redete wenig und wenn überhaupt, dann an der Schwelle zur Hörbarkeit. »Der einzige Mensch, der etwas von seinen Bemerkungen verstanden hat, war sein Taktstock, den er beim Sprechen immer vor den Mund hielt«, klagte schon ein Musiker des Leipziger Gewandhausorches­ters, bei dem Schumann 1843 sein Debüt als Dirigent gefeiert hatte. In Düsseldorf sollte ihm dieses Manko zum Verhängnis werden: Zu leise, zu vage und missverständlich sei­en seine Anweisungen in den Proben, wird ihm bald vorgehalten, zu unpräzise seine Zeichengebung, zu chaotisch die Proben­planung, zu wenig konziliant seine Um­gangsformen, und durchsetzen könne er

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Robert Schumanns Grab auf dem alten Friedhof in Bonn (um 1860)

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Robert Schumanns letzte Jahre

sich auch nicht. Schon in seiner ersten Sai­son überkommen Schumann »Bedenken wegen längeren Bleibens in Düsseldorf«, in der zweiten fällt er viele Wochen wegen Krankheit aus, in der dritten richten 21 Mu­siker eine Petition an ihn, er möge von sei­ner Position zurücktreten, und zu Beginn der vierten, Anfang November 1853, legt Schumann tatsächlich sein Amt entnervt nieder.

DER GESANG DER ENGEL

Nervöse Krampfanfälle, Unwohlsein, Schwin­del, Schlafl osigkeit, hypochondrische Ge­danken: Es mehren sich während dieser Leidenszeit bei Schumann die psychosoma­tischen Symptome als Folge der stetigen Überforderung. Sie beeinträchtigen ihn auch immer massiver beim Musizieren: Ab Mitte 1851 zum Beispiel fällt es ihm merklich schwerer, schnellen Tempi zu folgen; immer wieder besteht Schumann auf langsamerem Vortrag der Werke, die er dirigiert, und sieht in seinen eigenen Kompositionen auch be­vorzugt getragene Tempi vor. Ein Jahr spä­ter setzen seine »Gehörsaffektionen« ein – heute würde man wohl von einem Tinnitus sprechen, denn Schumann hört permanent ein und denselben Ton, zu dem sich später noch ein zweiter als Intervall und Dauerbe­gleiter gesellt. An schöpferische Arbeit ist ab November 1853 nicht mehr zu denken. In der Nacht vom 10. auf 11. Februar 1854 spitzt sich die Lage dramatisch zu: Während der verbleibenden 17 Tage bis zu seinem Sprung in den Rhein wird Schumann von einem ganzen Orchester verfolgt, das in seinem inneren Ohr wechselweise zu himm­lischer oder höllischer Musik tobt. Als opti­sche Halluzination sieht er zeitweilig Schu­bert und Mendelssohn geisterhaft das ima­ginäre Orchester umschweben, dann wieder tauchen Dämonen und wilde Tiere auf, die

ihn in den Abgrund ziehen wollen. Auf eines der Themen, das ihm, wie er sagt, von En­geln vorgesungen wurde, schreibt Schu­mann sein allerletztes Werk: die »Geister­variationen« für Klavier. Am schicksals­trächtigen 27. Februar arbeitet er gerade an der Reinschrift der fünften und letzten Va­riation, als er seinen verhängnisvollen Be­schluss fasst und ins Düsseldorfer Karne­valstreiben zieht. Es gehört zu den erstaun­lichen Details seiner finalen Krise, dass Schumann diese letzte Klaviervariation in den fünf Tagen nach seinem Selbstmordver­such noch rechtzeitig vor seiner Einliefe­rung nach Endenich vollenden konnte.

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

LUDWIG VAN BEETHOVEN(1770–1827)

Symphonie Nr. 6 F­Dur op. 68

»Pastoral­Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben«

1. »Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen«: Allegro, ma non troppo

2. »Szene am Bach«: Andante molto moto, quasi allegretto

3. »Lustiges Zusammenleben der Land­leute«: Allegro

4. »Donner – Sturm«: Allegro5. »Hirtengesang – Wohltätige, mit Dank

an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm«: Allegretto

Die bis heute geläufigen Satzbezeichnun­gen der Sätze 1, 4 und 5 stammen von Beet­hovens Verlegern Breitkopf & Härtel und wurden ohne Zustimmung des Komponisten gedruckt

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geburtsdatum unbekannt; geboren am 15. oder 16. Dezember 1770 in Bonn; dort Ein­tragung ins Taufregister am 17. Dezember; gestorben am 26. März 1827 in Wien.

ENTSTEHUNG

Sporadische Einfälle, die auf die »Pastorale« vorausweisen, finden sich bereits im soge­nannten »Eroica«­Skizzenbuch »Landsberg 6«, das wohl 1803 entstand. Im Sommer 1807 fasste Beethoven dann den Plan zu einer »Sinfonia pastorella«, notierte die ers­ten Takte der Symphonie und skizzierte einige weitere Themen. Die Hauptarbeit er­folgte allerdings erst nach Vollendung der 5. Symphonie, also etwa von März bis Au­gust 1808. Im Erstdruck der Partitur ist Beet­hovens poetischer Titelentwurf »Pastoral­ Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben« überliefert, in der ersten Violinstimme die Spielanweisung (?) »Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey«.

»Der Widerhall, den der Mensch

wünscht«JÖRG HANDSTEIN

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

WIDMUNG

»Beide Symphonien den beiden Herren zu­gleich, nämlich: Seiner Exzellenz dem Gra­fen Rasoumowsky und Seiner Durchlaucht dem Fürsten Lobkowitz« – so der ausdrück­liche Wunsch Beethovens an seine Verleger Breitkopf & Härtel. Die Widmungsträger wa­ren wichtige Gönner und Förderer des Kom­ponisten: Fürst Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz (1772–1816), dem mehrere bedeutende Werke gewidmet sind, beteilig­te sich später an Beethovens »Jahrgehalt« von 4000 Gulden; Graf Andrej Kyrillowitsch von Rasumowskij (1752–1836), russischer Gesandter und begabter Amateurgeiger, förderte Beethovens Kammermusik. Diesel­be Doppel­Widmung enthält auch die 5. Symphonie, was neben ihrer gemeinsamen Entstehung und Uraufführung dafür spricht, dass Beethoven die 5. und 6. Symphonie als Paar verstanden wissen wollte, das sich komplementär ergänzt.

URAUFFÜHRUNG

Am 22. Dezember 1808 in Wien im Theater an der Wien (unter Mitwirkung eines ad hoc zusammengestellten Orchesters; Dirigent: Ludwig van Beethoven). Die vom Komponis­ten selbst veranstaltete sog. »Akademie« (= Subskriptionskonzert) zählt zu den denk­würdigen Konzerten der Musikgeschichte. Öffentlich uraufgeführt wurden nicht nur die 5. und 6. Symphonie (in zunächst um­gekehrter Nummerierung), sondern auch die sog. Chorphantasie, Teile der C­Dur­ Messe, die Gesangsszene »Ah, perfido« sowie das 4. Klavierkonzert.

DES STARKEN ZU VIEL

Heute würde es als »Event« vermarktet, da­mals, vor gut 200 Jahren, stand nur eine kurze Notiz in der Zeitung: »Donnerstag den 22. December hat Ludwig van Beethoven die Ehre, in dem k. k. privil. Theater an der Wien eine musikalische Akademie zu ge­ben. Sämmtliche Stücke sind von seiner Composition, ganz neu, und noch nicht öf­fentlicht gehört worden.« Es war ein Kon­zert unter vielen. Wer es besuchen wollte, versäumte etwa das glanzvolle Benefiz- Konzert im Burgtheater und musste zudem bei eisiger Kälte hinaus in die Vorstadt. Mäntel und Pelze behielten die Besucher auch während der Vorstellung an, froren aber trotzdem – und zwar vier Stunden lang. Denn das Programm war gigantisch: Beet­hoven bekam selten einen Saal zur eigenen Verfügung und nutzte diese einmalige Ge­legenheit ausgiebig – aber mit wenig Ge­spür für eine sinnvolle Programmgestal­tung. Er wollte schlichtweg alle bedeuten­den Orchesterwerke, die in den letzten, fruchtbaren Jahren entstanden waren, end­lich dem Publikum vorstellen. Dieses muss­te dann, wie Johann Friedrich Reichardt berichtete, die Erfahrung machen, »daß man auch des Guten – und mehr noch des Starken – leicht zu viel haben kann«.

Beethoven nahm auch ein zusammenge­würfeltes Orchester in Kauf, das nicht ein­mal alle der damals technisch ziemlich herausfordernden Stücke vollständig pro­ben konnte. »In jedem Betracht mangel­haft zu nennen«, so die »Allgemeine Musi­kalische Zeitung«, war folglich die Qualität der Aufführung. Die unerfahrene Sopranis­tin, der Beethoven seine große Gesangss­zene »Ah, perfido« anvertraut hatte, erlitt einen lähmenden Anfall von Lampenfieber, die »Chorphantasie«, die als eine Art Krö­

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

August Friedrich Oelenhainz: Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz (um 1810)

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

nung das Konzert beschließen sollte, ge­riet derart in Unordnung, dass Beethoven abbrechen musste. Kurz: Das denkwürdige Konzert erwies sich als Desaster. Werke, die heute als selbstverständlicher Teil des Kulturguts gelten, erblickten also unter Umständen das Licht der Welt, die unser Bild von ihrer problemlosen Verfügbarkeit erfrischend konterkarieren. Wie hat man wohl die 5. und 6. Symphonie unter diesen Umständen erlebt ? Die »Fünfte«, dieses musikgeschichtliche Fanal, empfand selbst der Komponist Reichardt einfach als »eine große sehr ausgeführte, zu lange Sympho­nie«. Auch die »Sechste«, die das Konzert mit ihrem Frühlingserwachen eröffnete, schien das schlotternde Publikum nicht zu erwärmen: »Jede Nummer war ein sehr lan­ger vollkommen ausgeführter Satz voll leb­hafter Malereien und glänzender Gedanken und Figuren; und diese eine Pastoralsym­phonie dauerte daher schon länger, als ein ganzes Hofconcert bei uns dauern darf.«

UNGLEICHE GESCHWISTER

Reichardts Beschreibung, die erste überlie­ferte Reaktion auf Beethovens 6. Sympho­nie, erscheint vage und unverbindlich. Doch sie zeigt recht deutlich, dass dieses Werk keineswegs als so einfach und »naiv« wahr­genommen wurde, wie das in ihrer späteren Rezeption geschehen sollte. Wie die »Fünf­te« überstieg auch die »Sechste« in Aus­dehnung und Ausarbeitung den zeitübli­chen Erwartungshorizont. Aufmerksame Betrachter haben oft bemerkt, dass diese so gegensätzlichen Werke eine erstaun­liche Verwandtschaft verbindet. Das be­ginnt bereits bei ihrer Instrumentalbeset­zung: Auch in der »Sechsten« nutzt Beet­hoven Piccoloflöte und Posaunen – damals noch keine üblichen Orchesterinstrumente ! – im Rahmen einer gezielten Klangdrama­

turgie: Er feilt diese sogar noch aus, indem er jeden Satz ganz individuell besetzt.

Das kleine klassische »Normalorchester« spielt nur im ersten Satz. In der »Szene am Bach« treten, das Murmeln des Wassers darstellend, zwei gedämpfte Solo­Violon­celli hervor; die Trompeten, noch ohne die ihnen funktionell zugehörigen Pauken, fal­len erst zum stampfenden Bauerntanz im dritten Satz ein. Das volle Orchester ertönt natürlich im »Gewitter«; dabei spart Beet­hoven Piccoloflöte und Posaunen für den kurzen Höhepunkt auf, der mit erschrecken­der Gewalt das traditionelle Gefüge der Mu­sik durchbricht. Im »Hirtengesang«, in dem Piccolo und Pauken wieder verstummen, unterstreichen schließlich alle Bläser das Hymnische dieses Schlusses. Wie in der »Fünften« spannen die Sätze also einen großen Bogen, der klar auf ein expansives Finale als Lösung und Überhöhung zuläuft. In Zuspitzung dieser Dramaturgie sind die letzten zwei Sätze wieder ohne Pause mit­einander verknüpft. Und doch bleibt die Zielrichtung gegenläufig: Die »Fünfte« strebt dynamisch nach Veränderung und Fortschritt, inszeniert mithin ein typisches Paradigma unserer westlichen »Kultur«; die »Sechste« hingegen beschwört erfüllte Ruhe und friedvolle Beständigkeit, wie sie uns traditionellerweise die »Natur« ver­spricht.

UTOPISCHE IDYLLE

»Wie froh bin ich, einmal in Gebüschen, Wäl­dern, unter Bäumen, Kräutern, Felsen wan­deln zu können, kein Mensch kann das Land so lieben wie ich. Geben doch Wälder, Bäu­me, Felsen den Widerhall, den der Mensch wünscht !« Beethoven formulierte seine oft auch religiös gefärbte Begeisterung wie ein Held aus der »empfindsamen« Literatur, der

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

Jacques Marie Legros: Andrej Kyrillowitsch von Rasumowskij (um 1820)

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

Jean­Jacques Rousseaus Parole »Zurück zur Natur !« vernommen hat und sie nun weiter­predigt. Doch Beethovens Naturliebe war echt – allein schon weil ihn in der »süßen Stille des Waldes« sein »unglückseliges Ge­hör« nicht plagte. Der Komponist verbrachte den Sommer bekanntlich gern auf dem Land, und die »Pastorale« trägt im Erstdruck den Untertitel »Erinnerung an das Landleben«. Nur: Sind damit wirklich konkrete »Urlaubs­erinnerungen« gemeint ? War es so, wie es der Maler Franz Hegi sah – Beethoven, ge­bettet in üppige Pflanzen, lauscht der Natur und hat schon den Stift in der Hand, um ihre Botschaften an die Menschheit weiterzurei­chen ? Das kann allein schon deshalb nicht stimmen, weil die »Szene am Bach« nach­weislich in der Stadt skizziert wurde...

Eher folgte Beethoven dem uralten Traum von Arkadien: »Süß ist das Wispern der Fichte, o Ziegenhirte, da drüben / nahe dem Quell, wo sie singt, und süß auch ertönt dei­ne Flöte.« So beginnen die »Idyllen« von Theokrit (ca. 3. Jahrhundert v. Chr.) und da­mit die pastorale Dichtung, die mit der Renaissance einen enormen Aufschwung erlebte. Die dort geschilderten Hirten be­schäftigen sich weniger mit Schafen und Ziegen als mit Musik, mit Liebe und ihren Gefühlen. Sie sind friedfertig und leben im Einklang mit der Natur. Doch die Literatur markiert diese Idylle klar als Fiktion: Arka­dien ist ein Nicht­Ort, auf den sich die Uto­pie einer glücklichen Gesellschaft ohne Zwänge, Konflikte und Ungleichheit proji­zieren lässt. Auch Beethovens »Pastorale« spielt in dieser sehnsuchtsvoll imaginierten Welt.

NATÜRLICHES WACHSTUM

Beethoven griff auf musikalische Muster zurück, die seit langem als »pastoral« be­kannt waren: Borduntöne, schlicht kreisen­de Melodien, stehende Klänge, wiegende Rhythmen. Ebenso gehörten seit dem Ba­rock ländliche Tänze, murmelnde Bäche und Gewitter zum Inventar der Kunstmusik. Im Einklang mit der zeitgenössischen Musik­ästhetik – und vielleicht auch um sich ge­gen Kritik abzusichern – gab Beethoven seinem Werk das Etikett »Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey«, aber er mal­te immerhin so deutlich, dass es der pro­grammatischen Überschriften kaum be­durft hätte. Der Unterschied zu Stücken wie »Das musikalische Porträt der Natur« (1784) eines gewissen Justinus Heinrich Knecht (1752–1817) liegt in der ungewöhnlichen symphonischen Verarbeitung des Sujets.

Nur im Vergleich etwa mit der »Eroica« er­scheint die »Pastorale« eingängig und ein­fach – vor dem Hintergrund der pastoralen Tradition ist sie jedoch einzigartig komplex und vielschichtig. So beginnt die Sympho­nie nicht mit einem einfachen, abgeschlos­senen Thema, sondern mit einem Gebilde aus drei organisch miteinander verbunde­nen Motiven – wie simpel dagegen das Mot­to der »Fünften« ! Aus diesem Keim sprießt das Thema erst allmählich hervor, bis es mit dem Orchester­Tutti schließlich voll auf­blüht, und aus diesem Anfang entwickelt sich im Prinzip auch der ganze erste Satz: Das geschieht weitgehend ohne dialekti­sche Spannung und diskursive Anstren­gung – die Musik entfaltet sich gleichsam »naturbelassen«, wächst aus zu großen, in sich ruhenden Flächen und lädt ein zur be­glückenden Betrachtung.

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

Franz Hegi: Beet hoven, am Bache die »Pastorale« komponierend (1834)

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

NATUR UND MENSCH

Beethovens Landleute treten bereits gegen Ende des Satzes mit einem Tänzchen auf. Sie sind also nicht weniger Bestandteil der Idylle als die Vögel, die am Schluss des zweiten Satzes zwitschern. Das Ideal des Naturmenschen bringt auch ihr »Lustiges Zusammenleben« zum Ausdruck: Der Tanz beginnt mit einer Rückung terzverwandter Harmonien, die auf die Durchführung des ersten Satzes zurückweisen. Dort evozie­ren diese farbigen Klangwechsel eine pran­gende, lichtdurchflutete Landschaft, die auch religiöse Gefühle zu wecken vermag – man denke nur an die Bilder Caspar David Friedrichs ! So kommt bereits ein wesent­licher Aspekt des Schlusssatzes ins Spiel: Der »Hirtengesang« beruht auf einem sog. »Kuhreigen«, dessen traditionell eher »nie­dere« Stillage er erstaunlich weit über­schreitet: Ein fast sakraler Klangraum baut sich da auf. Nachdem den Hörer zuvor die geballte Kraft einer unberechenbaren Natur­gewalt niederschmetterte, erhebt ihn jetzt der Glaube an eine mögliche Harmonie zwi­schen Mensch, Gott und Natur – eine Vision, die sich optimistisch als bereits erreichtes Ziel präsentiert.

Insgesamt verbindet sich das naturhafte Fließen und Sprießen also durchaus mit ei­ner fortschreitenden Entwicklung. Gewiss, der motivische Arbeiter Beethoven geht auf Urlaub, und das Orchester, so Peter Gülke, agiert »wie ein autonomes Naturwesen«. Aber trotz der kontemplativen Grundhal­tung wird auch eine andere, mehr auf Dyna­mik zielende Haltung spürbar: Schon das erste Motiv der Symphonie setzt frei im Takt ein – ein dynamischer Impuls, der bewusst gesetzt wird und an entscheidenden Stellen

wieder auftaucht; er symbolisiert das spon­tane menschliche Erleben. Insofern will die Musik Zustand und Prozess zugleich sein, »Natur« und ihre Erfahrung durch den Men­schen. Heute, wo eine global bedrohte, bis ins Innerste manipulierte Natur kaum mehr den Widerhall bietet, den der Mensch sich wünscht, ist die Vision des Finales in weite Ferne gerückt. Aber die Fragen, die das derart thematisierte Verhältnis zwischen Mensch und Natur aufwirft, stellen sich da­mit um so nachdrücklicher.

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Ludwig van Beethoven: 6. Symphonie »Pastorale«

Isidor Neugass: Ludwig van Beethoven (1806)

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Die Künstler

DIRIGENT

Gustavo Gimeno

Nach seinem viel beachteten Debüt beim Royal Concertgebouw Orchestra im Februar 2014 erreichten den jungen Spanier Gustavo Gimeno in kürzester Zeit Angebote zahlrei­cher renommierter Klangkörper. Nach Gast­dirigaten u. a. beim Orquesta Sinfónica de Galicia debütierte er in der Saison 2013/14 beim Sendai Philharmonic Orchestra in Japan und leitete in der Folge das Swedish Radio Symphony Orchestra Stockholm, das Orche­stre Philharmonique du Luxembourg, das Or­chestra Verdi Milano, die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford sowie das Orquesta Sinfónica de Castilla y León, das Orquesta de Valencia und das Orquesta Sinfónica de RTVE.

Seine internationale Dirigentenkarriere be­gann der in Valencia geborene Musiker als Assistent von Mariss Jansons im Jahr 2012, damals noch Schlagzeuger beim Royal Con­certgebouw Orchestra Amsterdam. Noch während seiner Zeit als Orchestermusiker widmete sich Gustavo Gimeno intensiv dem Dirigierstudium am Konservatorium von Amsterdam und besuchte zahlreiche Meis­terklassen. Wichtige Erfahrungen sammel­te er außerdem als Assistent von Bernard Haitink sowie von Claudio Abbado, der als Gimenos wichtigster Mentor den Werde­gang des jungen Dirigenten intensiv förder­te und ihn in vielerlei Hinsicht prägte.

Gustavo Gimeno arbeitet eng mit Komponis­ten wie Pierre Boulez, Peter Eötvös, George Benjamin, Theo Loevendie oder Jacob ter Veldhuis zusammen. Im Februar 2014 diri­gierte er mit dem Solisten Yefim Bronfman am Klavier die Europäische Erstaufführung von Magnus Lindbergs 2. Klavierkonzert, eine Auftragskomposition des Royal Con­certgebouw Orchestra. Beim Swedish Radio Symphony Orchestra leitete Gustavo Gime­no außerdem ein Konzert mit Werken der schwedischen Komponistin Britta Byström.

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Die Künstler

VIOLONCELLO

Julian Steckel

Schon zuvor Preisträger zahlreicher Wett­bewerbe, wurde Julian Steckel schließlich im Jahr 2010 mit dem ersten Preis beim In­ternationalen ARD­Wettbewerb in München ausgezeichnet. Seitdem konzertiert er mit bedeutenden Orchestern, so z. B. mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rund ­ funks, dem Royal Philharmonic Orchestra London, dem Orchestre de Paris, den St. Petersburger Philharmonikern sowie den Symphonieorchestern von Kopenhagen und Warschau. Zu seinen Partnern am Dirigen­tenpult gehören u. a. Roger Norrington, Ma­rio Venzago, Andrey Boreyko, John Stør­gards, Andrew Litton und Michael Sander­

ling. 2012 erhielt Julian Steckel den begehr­ten ECHO­Klassik für seine Einspielung der Cellokonzerte von Korngold, Bloch und Goldschmidt.

Neben der solistischen Tätigkeit widmet sich Julian Steckel intensiv der Kammermusik. Dabei sind Musiker wie Janine Jansen, Chris­tian Tetzlaff, Antje Weithaas, Vilde Frang, Lars Vogt und Menahem Pressler als Partner an seiner Seite. Ebenso gerne konzertiert Julian Steckel mit dem Armida­, dem Ébène­ und dem Vogler­Quartett und ist regelmäßig zu Gast bei den großen Festivals von Schles­wig­Holstein, Mecklenburg­Vorpommern, Bonn, Schwetzingen, Luzern, Zermatt und Mondsee.

In der laufenden Saison ist Julian Steckel »Artist in residence« bei den Heidelberger Philharmonikern, gibt Debüts u. a. bei den Bamberger Symphonikern, dem Scottish Chamber Orchestra und dem Orchestre Sym­phonique de Québec, spielt Bach­Suiten im Berliner Konzerthaus und ist ansonsten in Shanghai, Frankfurt, Wien, Baden­Baden, Seoul und auf Schloss Elmau zu hören.

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Slawische Musik in München

Die Philharmoniker als Botschafter

tschechischer und polnischer Musik

GABRIELE E. MEYER

Am 14. Oktober 1893 begann die philharmo­nische Orchestergeschichte in München mit der Wiedergabe von Smetanas Ouvertüre zu »Die verkaufte Braut«. Dieses Stück sowie die Tondichtungen »Die Moldau« und »Vyšehrad« aus »Má Vlast« gehörten über viele Jahre ebenso zum Standardrepertoire wie Antonín Dvořáks Cellokonzert op. 104. Gerne wurden auch die beiden Klavierkon­zerte von Frédéric Chopin aufs Programm gesetzt, ergänzt durch das Konzert­Allegro A­Dur in einer Bearbeitung von Jean Louis Nicodé für Klavier und Orchester. Andere polnische und tschechische Komponisten wurden meist nur einmal vorgestellt. Zu ihnen zählten Mieczysław Karłowicz, Emil Młynarski, Ignacy Paderewski, Karol Szy­manowski und Henri Wieniawski sowie Josef Suk und Jaromír Weinberger. Eine Ausnahme bildete Leoš Janáček, von dem innerhalb kurzer Zeit gleich drei Werke zu hören waren. Sehr viel später setzte man aus politisch­ ideologischen Gründen fast ausschließlich auf kroatische Komponisten wie Krešimir Baranović, Jakov Gotovac, Boris Papando­pulo und Josip Slavenski.

Wie unterschiedlich heute zum klassischen Kanon zählende Werke erstmals aufgenom­men wurden, zeigen zwei Beispiele. Kaum zu glauben: Am 16. April 1904 wurde Ignacy Paderewskis in München noch unbekanntes Klavierkonzert op. 17 mit wesentlich größe­rem Beifall bedacht als Schumanns »selten gehörtes« Konzert op. 54; andererseits aber stieß Dvořáks Symphonie »Aus der Neuen Welt« bei ihrer ersten Aufführung am 5. Ja­nuar 1898 zunächst auf indignierte Ableh­nung. So ließ die »Münchner Post« verlauten, dass man anstelle der »neuen amerikani­schen, bei den Yankees patentirten Unter­haltungs­ und Plantagen­Symphonie des vielstrebenden Herrn Dvorak« lieber einen zeitgenössischen deutschen Tondichter wie Richard Strauss gehört hätte. Die »Münchner Neuesten Nachrichten« bekrittelten die »dummpfiffige Lustigkeit« des zweiten, na­tional gefärbten Themas (Kopfsatz), die mo­tivische Kleinteiligkeit »und alle möglichen, mit äußerster Finesse in Szene gesetzten Instrumentaleffekte des langsamen Satzes, der durch seine Länge allerdings doch sehr ermüdend wirkt«. Das verhältnismäßig origi­

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Slawische Musik in München

Konzertankündigung für den 6. März 1930 mit der Münchner Erstaufführung der »Glagolitischen Messe« von Leoš Janáček durch die Münchner Philharmoniker

Die Philharmoniker als Botschafter

tschechischer und polnischer Musik

GABRIELE E. MEYER

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nelle Scherzo lehnte sich ihrer Meinung nach zu sehr an den gleichartigen Satz aus der »Harold«­Symphonie von Berlioz an. Und auch dem effektvoll aufgebauten Finale sprach der Kritiker keine besondere Origina­lität zu. Als Bereicherung der symphoni­schen Literatur, so sein Fazit, könne man das Werk jedenfalls nicht bezeichnen.

Janáčeks 1926 entstandene »Sinfonietta« erklang in München zum ersten Male am 1. März 1929. Nur ein knappes Jahr später folgte unter der Leitung von Adolf Mennerich die Orchester­Rhapsodie »Taras Bulba«, schließlich, am 6. März 1930, im Rahmen der »Woche Neuer Musik«, die »Glagolitische Messe«. Vier Tage vor der Aufführung ver­öffentlichten die »Münchner Neuesten Nach­richten« eine ausführliche Einführung, er­staunlich in ihrer detaillierten Beschreibung der einzelnen Teile, gepaart mit viel Einfüh­lungsvermögen in die stilistischen Beson­derheiten des Werks. Gleichwohl rea gierten Konzertbesucher und Pressevertreter ob der Auslegung des Messetextes teilweise irri­tiert, ungeachtet der Tatsache, dass sie das satztechnisch geniale Können, die phäno­menal temperamentvolle Schaffenskraft, die den 72­jährigen Komponisten diese groß­artige Schöpfung vollbringen ließ, durchaus anerkannten. Der stürmische Beifall in der ausverkauften Tonhalle galt zuvörderst der ausgezeichneten Leistung aller Ausführen­den, dem Chor, »der die enormen Schwierig­keiten schon hinsichtlich Treff sicherheit und Intonation hervorragend bewältigte«, den Philharmonikern, »die alles gaben, was der Dirigent an Klang und Ausdruck von ihnen forderte« und dem ausgezeichneten Orga­nisten. Einhelliges Lob gab es auch für die Solisten, vor allem für Julius Patzak.

Auch für das Konzert am 5. Januar 1938, das im Rahmen des deutsch­polnischen Kultur­austausches stattfand, gab es einen Vorbe­richt, der Bezug nimmt auf ein vorausge­gangenes, äußerst erfolgreiches Konzert in Polen. Der Dirigent Adolf Mennerich war Anfang Dezember 1937 in Begleitung des philharmonischen Solocellisten Hermann von Beckerath nach Posen gereist und hat­te mit dem dortigen Symphonieorchester musiziert. »Die Hauptstadt der Bewegung«, so hieß es, »hält es nun für eine Ehren­pflicht, auch den polnischen Gästen einen würdigen Empfang zu ihrem Konzert zu be­reiten und dabei ihrem Dank für die außer­ordentliche herzliche Aufnahme der deut­schen Künstler in Polen Ausdruck zu geben«. Neben Wagners »Holländer«­Ouvertüre und Dvořáks »Neunter« stellte Zygmunt Latos­zewski zwei in München noch unbekannte Komponisten vor: Von Mieczysław Karło­wicz erklang die romantische Legende »Stanislaw und Anna Oswiecimowie«, von Karol Szymanowski dessen Violinkonzert Nr. 1 op. 35, gespielt von Zdzislaw Jahnke. Dirigent und Solist wurden nicht nur »hin­sichtlich der glänzenden Wiedergabe der von ihnen gebrachten Stücke« bejubelt, sondern auch dafür, dass sie zwei neue Wer­ke ihrer Landsleute mitgebracht hatten. – Der deutsche Überfall auf Polen am 1. Sep­tember 1939 beendete die »friedliche Ver­ständigung zwischen den beiden Nationen« abrupt. In der Folge wurde der Anteil an ausländischer Musik je nach Kriegsverlauf auf ein Mindestmaß reduziert. Von den sla­wischen Komponisten blieben am Ende nur noch die kroatischen übrig.

Slawische Musik in München

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Dienstag01_03_2016 20 Uhr f Mittwoch 02_03_2016 20 Uhr h4 Donnerstag 03_03_2016 20 Uhr b

ANTON BRUCKNER»Ave Maria« für 7-stimmigen Chor a cappellaKAROL SZYMANOWSKI»Stabat Mater« für Sopran, Alt, Bariton, Chor und OrchesterANTON BRUCKNERSymphonie Nr. 2 c-Moll(Fassung 1877)

THOMAS DAUSGAARD, DirigentTATIANA MONOGAROVA, SopranOLESYA PETROVA, MezzosopranADAM PALKA, BaritonPHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHENEinstudierung: Andreas Herrmann

Sonntag06_03_2016 11 Uhr

5. KAMMERKONZERTFestsaal, Münchner Künstlerhaus

»Göttliche Quellen«

WOLFGANG AMADEUS MOZARTKlavierquartett g-Moll KV 478FRANZ SCHUBERTStreichtriosatz B-Dur D 471 Quintett für Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass und Klavier A-Dur D 667 »Forellenquintett«

IASON KERAMIDIS, ViolineJANO LISBOA, ViolaSISSY SCHMIDHUBER, VioloncelloSTEPAN KRATOCHVIL, KontrabassPAUL RIVINIUS, Klavier

Sonntag13_03_2016 11 Uhr mMontag14_03_2016 19 Uhr 3. JugendkonzertMittwoch 16_03_2016 20 Uhr a

JOHANNES BRAHMS»Tragische Ouvertüre« d-Moll op. 81FRANZ LISZTKonzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-DurEDWARD ELGAR»Enigma Variations« op. 36

NIKOLAJ ZNAIDER, DirigentALICE SARA OTT, Klavier

Vorschau

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Das OrchesterDas Orchester

1. VIOLINENSreten Krstič, KonzertmeisterLorenz Nasturica­Herschcowici, KonzertmeisterJulian Shevlin, KonzertmeisterOdette Couch, stv. KonzertmeisterinLucja Madziar, stv. KonzertmeisterinClaudia SutilPhilip MiddlemanNenad DaleorePeter BecherRegina MatthesWolfram LohschützMartin ManzCéline VaudéYusi ChenIason KeramidisFlorentine Lenz

2. VIOLINENSimon Fordham, StimmführerAlexander Möck, StimmführerIIona Cudek, stv. StimmführerinMatthias Löhlein, VorspielerKatharina ReichstallerNils SchadClara Bergius­BühlEsther MerzKatharina TriendlAna Vladanovic­LebedinskiBernhard MetzNamiko FuseQi Zhou

Die MünchnerPhilharmoniker

Clément CourtinTraudel Reich

BRATSCHENJano Lisboa, SoloBurkhard Sigl, stv. SoloJulia Rebekka Adler, stv. SoloMax SpengerHerbert StoiberWolfgang StinglGunter PretzelWolfgang BergBeate SpringorumKonstantin SellheimJulio LópezValentin EichlerYushan Li

VIOLONCELLIMichael Hell, KonzertmeisterFloris Mijnders, SoloStephan Haack, stv. SoloThomas Ruge, stv. SoloHerbert HeimVeit Wenk­WolffSissy SchmidhuberElke Funk­HoeverManuel von der NahmerIsolde HayerSven FaulianDavid HausdorfJoachim Wohlgemuth

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Das Orchester

KONTRABÄSSESławomir Grenda, SoloFora Baltacigil, SoloAlexander Preuß, stv. SoloHolger HerrmannStepan KratochvilShengni GuoEmilio Yepes Martinez Ulrich ZellerThomas Hille

FLÖTENMichael Martin Kofler, SoloHerman van Kogelenberg, SoloBurkhard Jäckle, stv. SoloMartin BeličGabriele Krötz, Piccoloflöte

OBOENUlrich Becker, SoloMarie­Luise Modersohn, SoloLisa OutredBernhard BerwangerKai Rapsch, Englischhorn

KLARINETTENAlexandra Gruber, SoloLászló Kuti, SoloAnnette Maucher, stv. SoloMatthias AmbrosiusAlbert Osterhammer, Bassklarinette

FAGOTTELyndon Watts, SoloJürgen PoppJohannes HofbauerJörg Urbach, Kontrafagott

HÖRNERJörg Brückner, SoloMatias Pin~eira, SoloUlrich Haider, stv. SoloMaria Teiwes, stv. SoloRobert Ross

Alois SchlemerHubert PilstlMia Aselmeyer

TROMPETENGuido Segers, SoloBernhard Peschl, stv. SoloFranz UnterrainerMarkus RainerFlorian Klingler

POSAUNENDany Bonvin, SoloDavid Rejano Cantero, SoloMatthias Fischer, stv. SoloQuirin Willert Benjamin Appel, Bassposaune

PAUKENStefan Gagelmann, SoloGuido Rückel, SoloWalter Schwarz, stv. Solo

SCHLAGZEUGSebastian Förschl, 1. SchlagzeugerJörg Hannabach

HARFETeresa Zimmermann

CHEFDIRIGENT Valery Gergiev

EHRENDIRIGENTZubin Mehta

INTENDANTPaul Müller

ORCHESTERVORSTANDStephan HaackMatthias AmbrosiusKonstantin Sellheim

Das Orchester

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Impressum

IMPRESSUM

Herausgeber:Direktion der MünchnerPhilharmonikerPaul Müller, IntendantKellerstraße 481667 München

Lektorat: Stephan Kohler

Corporate Design:HEYE GmbH, München

Graphik: dm druckmedien gmbhMünchen

Druck: Gebr. Geiselberger GmbHMartin­Moser­Straße 23 84503 Altötting

TEXTNACHWEISE

Martin Demmler, Wolfgang Stähr, Susanne Stähr, Jörg Handstein und Gabriele E. Meyer schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münch­ner Philharmoniker. Hans Pfitzners Sonnett auf Ro­bert Schumann zitieren wir aus dem Anhang zu Band II der Erstausgabe in 3 Bän­den von Pfitzners »Ge­sammelten Schriften«, Augsburg 1926. Stephan Kohler redigierte bzw. ver­fasste die lexikalischen Werkangaben und Kurz­kommentare zu den aufge­führten Werken. Künstler­biographien (Gimeno, Ste­ckel): Nach Agenturvorla­gen. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist sei­tens der Urheber genehmi­gungs- und kostenpflich­tig.

BILDNACHWEISE

Abbildung zu Francisco Coll: Website des Kompo­nisten (www.francisco­coll.com/gallery). Abbil­dungen zu Robert Schu­mann: Ernst Burger, Robert Schumann – Eine Lebens­chronik in Bildern und Do­kumenten, Mainz 1999. Abbildungen zu Ludwig van Beethoven: Joseph Schmidt­Görg und Hans

Schmidt (Hrsg.), Ludwig van Beethoven, Bonn 1969; H. C. Robbins Lan­don, Beethoven – A docu­mentary study, New York 1970. Abbildung „Slawi­sche Musik in München“: Münchner Stadtbibliothek – Musikbibliothek. Künst­lerphotographien: Marco Borggreve (Gimeno); Geor­gina Bertazzi (Steckel).

TITELGESTALTUNG

»Ludwig van Beethoven war ein Stadtmensch. Als Naturliebhaber suchte er trotzdem jede Möglichkeit der Stadt Wien zu entflie-hen. In der Zeit von 1807/1808 lies er sich von der ländlichen Umgebung inspirieren und schrieb seine sechste Symphonie (›Pastorale‹). Darin hielt er seine Eindrücke vom Landleben fest. Im Motiv wird diese Flucht durch die heruntergerissenen Fassaden der Stadt dar-gestellt. Dahinter kommt ein Herbarium zum Vor-schein, welches die Schönheit der Natur zeigt.« (Stephan Hof-mann, Junior Art Director – Heye GmbH, 2015)

Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt

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DAS ORCHESTER DER STADT

’15’16