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2. APRIL I9e3 KLINISCHE VgOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 14 631 BEITR,a, GE ZU DEN WECHSELWIRKUNGEN ZWISCHEN CHOLELITHIASIS UND VERDAUUNGS- APPARAT1). Von Privatdozent Dr. med. CARL ROHDE, Assistent der Chirurgischen Universit~.tsldinik zu Freiburg i. 13. (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. reed. E. LEXER.) Es ist eine klinische ]?;rfahrung, dab dutch die Choleli- thiasis Magen und Duodenum h/~ufig in Mitleidenschaft ge- zogen werden. In natiirlichem Zusammenhange damit steht die Tatsache, dab in einer nicht geringen Anzahl yon F/illen die Differentialdiagnose zwischen Cholelithiasis auf der einen Seite, Magen- oder Duodenalgeschwfir ant der anderen Seite schwer, zuweilen fiberhaupt nicht m6glich ist. Abgesehen yon dem gemeinsamen Verlaufe der Nervenfasern dieser 3 in Frage kommenden Organe, abgesehen yon dem engen Zu- sammenhange ihrer Funktionen, spielen dabei die normalen topogrwphischen Beziehungen eine groBe Rolle. Diese 30rgane sind im rechten Oberbauch zusammengedr~ngt und stehen in engster Berfihrung. Daraus ergibt sich, dab bier auf einem verh~ltnismgl3ig ldeinen Raume Krankheitszust/inde verschiedenartigster Herkunft entstehen k6nnen. Diese Gegend wird dadurch zu einer ganz besonders schwachen und gef/ihrdeten Stelle des ganzen K6rpers gemacht. Jene nor- malerweise schon bestehenden, engen r~ulnlichen ]3ezie- hungen werden noch erh6ht durch die im Verlaufe der GMlen- steinkrankheit so h~ufig auftretenden Verwachsungen und AdMisionen in dieser Gegend, wodurch Leber, Gallenblase, Magen, Duodenum, Colon, Netz und zuweilen auch Appendix in mehr oder weniger feste Verwachsungen gebracht werden. Auf Veranlassung yon meinem hochverebrten friiheren Lehrer, Herrn Geh. Rat L. Rnn-N, habe ich reich seit langem mit diesen Dingen beschMtigt und in mehreren Arbeiten an Hand des l~ehnschen Materiales dazu Stellung genommen~). Diese Untersuchungen erstrecken sich zusammen mit dem entsprechend durchuntersuchten Materiale der hiesigen Klinik auf etwa 200 F/ille und ffihren auf Grund des groBen Materiales zu I01genden zusammenfassenden Ergebnissen. Was zungchst die Ver/inderungen der Lage, _Form und Motilitiit des Magendarmkanales bei Cholelithiasis an- geht, so kann man sic durch systematische ROntgenunter- suchungen vor der- Operation schon zur Darstellung bringen. Ich verweise bier zun/ichst auf die ira Archiv ffir Min. Chirurgie IX5 in Gestalt yon R6ntgenskizzen zusammen- gestellten Typen derartiger Ver~nderungen, die an Hand des Rehnschen Materials erhoben wurden. Im AnschluB an obige Ver6ffentlichungen ist dann das yon mir r6ntgenologisch bearbeitete Rehnsche Material dutch G6TZE in den Grund- rib und Atlas der R6ntgendiagnostik von GROEDEI. auf- genommen und damit auch weiteren Kreisen zug/ingig ge- macht v<grden. In alien F/illen wurden die R6ntgenbefunde jedesmal dem jeweiligen Operationsbefunde und dem Pr/i- parate der entfernten Gallenblas e gegenfibergestellt, und damit Mare Vorstellung fiber die ganzen Vorg/inge gewonnen. In etwa 8o% der untersuchten Fglle linden sich bei der R6ntgenuntersuchung Lage- und _Formverdnderungen yon Maven und Duodenum. Der leichteste Grad zeigt sich in un- scharfer Zeichnung der Konturen und in den sogenannten horizontalen AbschluBlinien. Diese Ver/~nderungen beruhen auI leichteren Adh/isionen v0n Magen und Duodenum mit Leber, Gallenblase, Colon oder Netz. Kommt es im Verlaufe der Erkrankung zu st~rkeren Schrumpfungen oder Verwachsungen, so ergeben sich ganz verschiedenartige Bilder je naeh den Teilen, die haupts/~chlich betroffen sind: Vom Magen kann der Pylorus mehr oder weniger weir nach rechts oder nach oben an die Leberunter- fl/~che verzerrt werden; dabei ist der gauze Magen hgufig schr/ig gestellt. In anderen F/~llen ist der Pylorus fixiert und nur das Antrum pylori zipfelartig nach rechts ausgezogen. Ziehen schrumpfende Verwachsungen den Pylorus kardia- ) Habilitationsvortrag 7. XII, I922. 2) Siehe ROttDE, Arch. f. klin. Chirurg. 1 I Z, 7o7. I919; cbenda 113, 565. I9Z9; Mfineh. reed. Wochenschr. 192o , S. i5o 11. Arch. I. Idin. Chirurg. 115, 727. x921. w/irts, so kommt es zu Einrollungen der ganzen Pylorus- gegend, einem ]3efund, der zuerst bei schrumpfenden Ge- schwfiren der Meinen Kurvatur yon SCHmEDEN erhoben wurde und seither als ein klassisches Symptom ffir derartige Ge- schwfirsbildungen Mlgemein anerkannt wird. In besonders hochgradigen F/illen kann der ganze Magen mehr oder weniger welt nach rechts verlagert und verzerrt sein. Vom Duodenum wird in erster Linie infolge seiner nahen topographischen Beziehungen der Bulbus nach rechts oder rechts oben verzogen und dabei h/iufig erweitert. Durch fixierte, spitzwinklige Abknickung an der Flexura sup. duod. wird ferner die normalerweise schon vorhandene AbfluB- erschwerung der Speisen aus dem ]3ulbus vermehrt. Eine Folge all dieser VerS~nderungen ist, dab sich der oberste Duodenalabschnitt bei der Untersuchung mittels Kontrast- brei dauernd geffillt zeigt, Zust~nde die wit als Dauerbulbus, Duodenalzapfen oder zipfelmfitzenartig deformierte Magen- kappe bezeichnen. Sind die fibrigen Duodenalabschnitte yon derartigen pericholeeystitischen Prozessen in Mitleidenschaft gezogen, so zeigen auch sie sich mehr oder weniger nach rechts oder oben verlagert nnd in Gestalt yon Dauerffillungen. Diese pericholecystitischen Prozesse haben auBerdem in etwa 28% der Fdlle Motilitgitsst6rungen des Magen-Duo- denums im Gefolge. Ist der Pylorus durch solche Prozesse an seiner SchluBfghigkeit behindert, so entsteht die Pylorus- insuffizienz, die sich darin zeigt, dab der Kontrastbrei dauernd dutch den Pylorus abf/ieBt, und infolgedessen Duodenum und ein mehr oder weniger grol3er Tell des Dfinndarmes sieh sofort mit Kontrastmasse ffillt. In anderen FNlen kommt es durch pericholecystitische Ver~nde- rungen zur Verengerung des Pylorus und Stenosenerschei- nungen. In solchen F~llen finder man bei leichteren Graden eine Hypermotilit/it und trotzdem nach 6 Stunden Reste, in hoch- gradigen Fgllen zuweilen erschlaffte, atonische M/igen mit fast v611ig daniederliegender Entleerungsf~higkeit. Gleiche Ver/inderungen linden sich in anderen F/illen am Duodenum, und zwar mit Vorliebe an der Flexura sup, und ffihren dann zur DuodenMstenose. Zuweilen k6nnen lediglieh dutch den Druck grofler Gallen- blasen (oder Steine) Stenosen am Magen oder Duodenum er- zeugt werden, die bei wiederholter Untersuchung das eine Mal vorhanden sind, das andere Mal fehlen, je nachdem ob zur Zeit der Durchleuchtung der GallenabfluB behindert war oder nicht. Von allergr6Bter Wichtigkeit sind nun jene 12 F/ille, wo wit bei fortlaufenden Untersuehungen am Magen oder Duodenum immer wieder an der gleichen Stelle die sogenannten ,,pemistierenden-Flecken" Ianden. Die anatomische Grundlage dieser Flecke sind Traktionsdivertikel, die dutch schrumpfende Adh/isionen oder Verwachsungen der betreffenden Magen, und DuodenMabschnitte im Verlaufe der Gallensteinkrank- heit entstanden sind. Nischenbildungen durch peptische Geschwfire oder echte Duodenaldivertikel schalten auf Grund der Operationsbefunde in jedem einzelnen Falle aus. Wir m6chten hierbei darauf hinweisen, dab wir bei diesen persistierendenFlecken (durch pericholecystitischeProzesse be- dingt) niemals an der gegenfiberliegenden Wand solche Ein- ziehungen sahen, wie wir sie hgufig alsAusdruck der spastischen Komponente bei Nischenbildungen durch Magengeschwfire linden. Hat man Gelegenheit, Gallensteinkranke im An [all ( i o F/il1 e) zu durchleuchten, so bekommt man in sch6nster Weise die von den Gallenwegen reflektorisch ausgel6ste Hypermotilitdt des Magen-Darme8 zur Darstellung. Tiefeinschneidende, peri- staltisehe Einziehungen jagen in schneller Folge fiber den Magen hin. An den physiologischen ]?;ngen sind diese Wellen besonders fief und ffihren hier zuweilen zu f6rmlichen Ab- schniirungen, so dab es den Eindruck erweckt, als ob hier der Magen gegen ein besonders groges Hindernis arbeiten mfisse. DaB es sieh abet dabei um keine organischen, sondern um funktionelle (Spasmen) Hindernisse handelt, geht daraus hervor, dab nach kurzer Zeit die peristaltische~Welle glair fiber diese Stellen hinl/iuft, lind dab ferner wghrend der

Beiträge zu den Wechselwirkungen Zwischen Cholelithiasis und Verdauungsapparat

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Page 1: Beiträge zu den Wechselwirkungen Zwischen Cholelithiasis und Verdauungsapparat

2. A P R I L I9e3 K L I N I S C H E V g O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr. 14 631

BEITR,a, GE ZU DEN WECHSELWIRKUNGEN ZWISCHEN CHOLELITHIASIS UND VERDAUUNGS-

APPARAT1). V o n

Pr iva tdozent Dr. med. CARL ROHDE, Assistent der Chirurgischen Universit~.tsldinik zu Freiburg i. 13.

(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. reed. E. LEXER.)

Es ist eine klinische ]?;rfahrung, dab dutch die Choleli- thiasis Magen und Duodenum h/~ufig in Mitleidenschaft ge- zogen werden. In natiirlichem Zusammenhange damit steht die Tatsache, dab in einer nicht geringen Anzahl yon F/illen die Differentialdiagnose zwischen Cholelithiasis auf der einen Seite, Magen- oder Duodenalgeschwfir ant der anderen Seite schwer, zuweilen fiberhaupt nicht m6glich ist. Abgesehen yon dem gemeinsamen Verlaufe der Nervenfasern dieser 3 in Frage kommenden Organe, abgesehen yon dem engen Zu- sammenhange ihrer Funktionen, spielen dabei die normalen topogrwphischen Beziehungen eine groBe Rolle. Diese 30 rgane sind im rechten Oberbauch zusammengedr~ngt und stehen in engster Berfihrung. Daraus ergibt sich, dab bier auf einem verh~ltnismgl3ig ldeinen Raume Krankheitszust/inde verschiedenartigster Herkunft entstehen k6nnen. Diese Gegend wird dadurch zu einer ganz besonders schwachen und gef/ihrdeten Stelle des ganzen K6rpers gemacht. Jene nor- malerweise schon bestehenden, engen r~ulnlichen ]3ezie- hungen werden noch erh6ht durch die im Verlaufe der GMlen- steinkrankheit so h~ufig auftretenden Verwachsungen und AdMisionen in dieser Gegend, wodurch Leber, Gallenblase, Magen, Duodenum, Colon, Netz und zuweilen auch Appendix in mehr oder weniger feste Verwachsungen gebracht werden.

Auf Veranlassung yon meinem hochverebrten friiheren Lehrer, Herrn Geh. Rat L. Rnn-N, habe ich reich seit langem mit diesen Dingen beschMtigt und in mehreren Arbeiten an Hand des l~ehnschen Materiales dazu Stellung genommen~). Diese Untersuchungen erstrecken sich zusammen mit dem entsprechend durchuntersuchten Materiale der hiesigen Klinik auf etwa 200 F/ille und ffihren auf Grund des groBen Materiales zu I01genden zusammenfassenden Ergebnissen.

Was zungchst die Ver/inderungen der Lage, _Form und Motilitiit des Magendarmkanales bei Cholelithiasis an- geht, so kann man sic durch systematische ROntgenunter- suchungen vor der- Operation schon zur Darstellung bringen. Ich verweise bier zun/ichst auf die ira Archiv ffir Min. Chirurgie IX 5 in Gestalt yon R6ntgenskizzen zusammen- gestellten Typen derartiger Ver~nderungen, die an Hand des Rehnschen Materials erhoben wurden. Im AnschluB an obige Ver6ffentlichungen ist dann das yon mir r6ntgenologisch bearbeitete Rehnsche Material dutch G6TZE in den Grund- rib und Atlas der R6ntgendiagnostik von GROEDEI. auf- genommen und damit auch weiteren Kreisen zug/ingig ge- macht v<grden. In alien F/illen wurden die R6ntgenbefunde jedesmal dem jeweiligen Operationsbefunde und dem Pr/i- parate der entfernten Gallenblas e gegenfibergestellt, und damit Mare Vorstellung fiber die ganzen Vorg/inge gewonnen.

In etwa 8o% der untersuchten Fglle l inden sich bei der R6ntgenuntersuchung Lage- und _Formverdnderungen yon Maven und Duodenum. Der leichteste Grad zeigt sich in un- scharfer Zeichnung der Konturen und in den sogenannten horizontalen AbschluBlinien. Diese Ver/~nderungen beruhen auI leichteren Adh/isionen v0n Magen und Duodenum mit Leber, Gallenblase, Colon oder Netz.

Kommt es im Verlaufe de r Erkrankung zu st~rkeren Schrumpfungen oder Verwachsungen, so ergeben sich ganz verschiedenartige Bilder je naeh den Teilen, die haupts/~chlich betroffen sind: Vom Magen kann der Pylorus mehr oder weniger weir nach rechts oder nach oben an die Leberunter- fl/~che verzerrt werden; dabei ist der gauze Magen hgufig schr/ig gestellt. In anderen F/~llen ist der Pylorus fixiert und nur das Ant rum pylori zipfelartig nach rechts ausgezogen. Ziehen schrumpfende Verwachsungen den Pylorus kardia-

) Habilitationsvortrag 7. XII , I922. 2) Siehe ROttDE, Arch. f. klin. Chirurg. 1 I Z, 7o7. I919; cbenda 113, 565. I9Z9; Mfineh. reed. Wochenschr. 192o , S. i5o 11. Arch. I. Idin. Chirurg. 115, 727. x921.

w/irts, so kommt es zu Einrollungen der ganzen Pylorus- gegend, einem ]3efund, der zuerst bei schrumpfenden Ge- schwfiren der Meinen Kurvatur yon SCHmEDEN erhoben wurde und seither als ein klassisches Symptom ffir derartige Ge- schwfirsbildungen Mlgemein anerkannt wird.

In besonders hochgradigen F/illen kann der ganze Magen mehr oder weniger welt nach rechts verlagert und verzerrt sein.

Vom Duodenum wird in erster Linie infolge seiner nahen topographischen Beziehungen der Bulbus nach rechts oder rechts oben verzogen und dabei h/iufig erweitert. Durch fixierte, spitzwinklige Abknickung an der Flexura sup. duod. wird ferner die normalerweise schon vorhandene AbfluB- erschwerung der Speisen aus dem ]3ulbus vermehrt. Eine Folge all dieser VerS~nderungen ist, dab sich der oberste Duodenalabschnitt bei der Untersuchung mittels Kontrast- brei dauernd geffillt zeigt, Zust~nde die wit als Dauerbulbus, Duodenalzapfen oder zipfelmfitzenartig deformierte Magen- kappe bezeichnen.

Sind die fibrigen Duodenalabschnitte yon derartigen pericholeeystitischen Prozessen in Mitleidenschaft gezogen, so zeigen auch sie sich mehr oder weniger nach rechts oder oben verlagert nnd in Gestalt yon Dauerffillungen.

Diese pericholecystitischen Prozesse haben auBerdem in etwa 28% der Fdlle Motilitgitsst6rungen des Magen-Duo- denums im Gefolge. Ist der Pylorus durch solche Prozesse an seiner SchluBfghigkeit behindert, so entsteht die Pylorus- insuffizienz, die sich darin zeigt, dab der Kontrastbrei dauernd dutch den Pylorus abf/ieBt, und infolgedessen Duodenum und ein mehr oder weniger grol3er Tell des Dfinndarmes sieh sofort mit Kontrastmasse ffillt. In anderen FNlen kommt es durch pericholecystitische Ver~nde- rungen zur Verengerung des Pylorus und Stenosenerschei- nungen. In solchen F~llen finder man bei leichteren Graden eine Hypermotilit/it und trotzdem nach 6 Stunden Reste, in hoch- gradigen Fgllen zuweilen erschlaffte, atonische M/igen mit fast v611ig daniederliegender Entleerungsf~higkeit. Gleiche Ver/inderungen linden sich in anderen F/illen am Duodenum, und zwar mit Vorliebe an der Flexura s u p , und ffihren dann zur DuodenMstenose.

Zuweilen k6nnen lediglieh dutch den Druck grofler Gallen- blasen (oder Steine) Stenosen am Magen oder Duodenum er- zeugt werden, die bei wiederholter Untersuchung das eine Mal vorhanden sind, das andere Mal fehlen, je nachdem ob zur Zeit der Durchleuchtung der GallenabfluB behindert war oder nicht.

Von allergr6Bter Wichtigkeit sind nun jene 12 F/ille, wo wit bei fortlaufenden Untersuehungen am Magen oder Duodenum immer wieder an der gleichen Stelle die sogenannten ,,pemistierenden-Flecken" Ianden. Die anatomische Grundlage dieser Flecke sind Traktionsdivertikel, die dutch schrumpfende Adh/isionen oder Verwachsungen der betreffenden Magen, und DuodenMabschnitte im Verlaufe der Gallensteinkrank- heit entstanden sind. Nischenbildungen durch peptische Geschwfire oder echte Duodenaldivertikel schalten auf Grund der Operationsbefunde in jedem einzelnen Falle aus.

Wir m6chten hierbei darauf hinweisen, dab wir bei diesen persistierendenFlecken (durch pericholecystitischeProzesse be- dingt) niemals an der gegenfiberliegenden Wand solche Ein- ziehungen sahen, wie wir sie hgufig alsAusdruck der spastischen Komponente bei Nischenbildungen durch Magengeschwfire linden.

Hat man Gelegenheit, Gallensteinkranke im An [all ( i o F/il 1 e) zu durchleuchten, so bekommt man in sch6nster Weise die von den Gallenwegen reflektorisch ausgel6ste Hypermotilitdt des Magen-Darme8 zur Darstellung. Tiefeinschneidende, peri- staltisehe Einziehungen jagen in schneller Folge fiber den Magen hin. An den physiologischen ]?;ngen sind diese Wellen besonders fief und ffihren hier zuweilen zu f6rmlichen Ab- schniirungen, so dab es den Eindruck erweckt, als ob hier der Magen gegen ein besonders groges Hindernis arbeiten mfisse. DaB es sieh abet dabei um keine organischen, sondern um funktionelle (Spasmen) Hindernisse handelt, geht daraus hervor, dab nach kurzer Zeit die peristaltische~Welle glair fiber diese Stellen hinl/iuft, lind dab ferner wghrend der

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632 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr. 14 2. APRIL ~923

Kolik die Magenentleerung rneist beschleunigt ist. Mit dem Abtdingen des Anialles schwindet die Hypertonie des Magens allm~hlich and kann atonischen Zust~nden Platz rnachen. Nach der Cholecystektornie finder man derartige spastische Zust~nde nicht rnehr, eine Folge der Entfernung des krampf- ansl6senden Organes.

Wenden wit uns nun zur 13esprechung der Magensekretion bei Gholelithiasis. An einern Materiale yon 2oo, vor der Cholecystektornie untersuehten F~llen Ianden wit, dab in 75% der Ffille die sekretorische Funktlon des Magens herab- gesetzt ist oder fehlt (Hypacidits bzw. ttC1-Defizit), und dab diese St6rungen getl~nft (85 %) bei verschlossenern Blasen- ausgang oder Schrumpfblase, etwas seltener (69%) bei nor- rnalgroBen Blasen mit durchgs Cysticus vorhanden sind. t n gleieher Weise fund sich bei 14o cholecystektomierten F~llen in 87% Hypacidit~t bzw. HC1-Defizit. Die Uberein- stirnmung dieser postoperativen Zahlen mit denen vor der Operation bei Sehrurnpfblase oder CysticusversehluB drs den Gedanken auf, dab die Ursache dieser St6rungen in beiden F~llen die gleiche sein wird. Wir verweisen hier auf unsere obenerw~hnten Arbeiten und wiederholen nur, dab wir diese Sekretionsanornalie als sine Folgeerseheinung des tatsdichlichen oder ]unkt~onellen Aus/alles der GaUenblase als GaUenreservoir ansehen. Die unter norrnalen Verh~lt- nissen in der Gallenblase ffir den Verdauungsvorgang auf- gespeicherten Gallenrnengen tropfen in solchen patholo- gischen Fs dauernd mit den fibrigen Gallenrnengen aus der P~pille ab und erh6hen dadurch fortdauernd den Gallen- gehalt des Duodenum. Die damit verbundene, st~indig ver- rnehrte Anwesenheit von Gallen~etten und Gallenalkalien setzt reflelctorlsch die Mageneet~retion herab (vgl. Experirnente PAWLOW s and ~ICKEL S mit Alkali und Fett). So werden die St6rungen nach Ektomie und bei Schrurnpfblasen oder 131asen mit verschl0ssenern Ausgang verst~ndlich, weft in derartigen F~illen die Blase als Reservoir ausfs Die Stein: blase rnit noch durchg~tngigern Cysticus wird je nach der Schwere ihrer Vers in einer Anzahl yon Fs einen ~hnlichen Funktionsausfall bewirken, in anderen Fs nicht. In dieser Verschiedenheit liegt der niedrigere Prozent- satz yon Sekrefionsanornalien bei Blasen rnit noch durch- g~ngigern Cysticus begrfindet.

Es bedarf am Ende diesel" Ausffihrungen noeh einmal der ausdriieklichen Erw~hnung, dab alle diese 13efunde in jedem einzelnen Falls durch die Autopsia in vivo kontrolliert wurden. Es sind diesen Betrachtungen nur vollst~indig klargesteUte und einwandfreie Fitlle zugrunde gelegt, und darin liegt ihre 13eweiskraft. Es geht aus den 13efunden hervor, wie die kranke Gallenblase Magen und Duodenum in Mitleiden- scha# zieht, and wie h~iufig derartige Folgeerscheinungen sind. Von ihnen aus wiederum k6nnen St6rungen der dutch das Steinleiden rninderwerfigen Gallenblase ausgehen. MuB man daher aus irgendeiner Indikation bei Cholelithiasis ein- rnal operativ vorgehen, so ist es auch yon diesen Gesichts- punkten aus durchaus bereehtigt, wenn man aus der Krank- heitskette das eine Glied radikal entfernt, ganz besonders wenn man darnit zugleich den eigenflichen Urheber des ganzen Prozesses beseitigt.

BBezfiglich der diagnostiscben Verwendung ergibt sich, dab die Gholelithlasls in einer g~vflen Anzahl yon Fgtlen sich in kllnische Ersehelnungen yon IVlagen- oder Duodenalgeschwi~ren kleidet. Ganz besondere Vorsicht ist daher beim Aufbau der Diagnose wiehfig, wenn man nicht in einer Anzahl von F~llen diagnostischen Irrtfirnern erliegen will. Es gibt, urn das noch einrnal ganz besonders zu betonen, ]coin t~6ntgensymptom des Magen- oder Duodenalgeschwi~res, das nieht auch yon einer Cholelithiasis nachgeahmt werden lc6nnte. Hypaeiditiit oder HCl-DeJizit zusammen mit den besprochenen R6ntgenbeJunden sind besonders in unklaren Fiillen ein wiehtiger Wegweiser /i~r die Diagnose eines Gallensteinleidens. In einer Anzahl yon Fgllen wird man sich jedoch vor der Operation mit der Dia- gnose pericholecystitiseher, periduodenitischer oder peri- gastritischer Verwachsungen begnfigen miissen, ohne ihre .~tiologie sieherstellen zu k6nnen.

0BER DEN PRIMAREN SCHLUSS DER BAUCH- WAND BEI GALLENSTEINOPERATIONEN*).

Von

Prof. Dr. :ned. E. HELLE~, Ieitender Arzt dez Chlrurgischen Abteilung am Krankenhaus St. Georg in Leipzig.

Als die schwache und unbefriedigende Seite der Gallen- chirurgie wird wohl yon jedern Operateur die Tarnponade und Drainage ernpfunden. Obgleich sich schon in frfiherer Zeit vereinzelte Stimmen ffir die M6gIichkeit des prirngren Schlusses der Bauchwand nach Cholecystektomien aus- gesprochen haben, z .B. WITZEL, ROTTER, RIEDEL and FRANK, blieben diese Anregungen gegenfiber der Autor i t : t K•::RS anbeachtet , and es schien die Kehrsche Methode tier breiten offenen ~Vundbehandlung aller Gallenoperationen fast zu einern Dogma zu erstarren.

Erst in den letzten Jahren ist die Frage des prims Schlusses der Bauchhghle nach Cholecystektomie in: AnschluB an die Mit- teilung yon HABERB:: S wieder und fast gleichzeitig yon verschiedener Seite aufgeworfen worden und fiber dieses Ziel sind in neuerer Zeit auch rnehrere Autoren, z. B. I~ITTER, SCHULTZ und RICHTER (Klinik MAYO), hinausgegangen und haben den prim:iren SchluB der Bauchwand auch auf Choledochotomien ausgedehnt.

Als der Vorteil des prim~ren Sehlusses der Bauchwand wird fast flbereinstimmend yon den Anh~ingern der Methode hervor- gehoben: Die Abkfirzung der Heilungsdauer auI die gew6hnliche Zeit einer prims geschlossenen Laparotomie, sehr viel geringere Beschwerden unmittelbar nach der Operation, das Verringern der Vorbedingungen ffir postoperative Verwachsungen und die M6g- lichkeit, postoperative Hernien. zu vermeiden.

Gegenfiber den Anh~ngern des Verfahrens sind auch zahlreiche gegenteilige Urteile zur Aussprache gekommen, deren Haupt- gegengrund gegen die Empfehlung des Verfahrens ist: Die Ge]ahr einer Peritonitis durch GaUenaus~ritt in die Bauchh6hle bei Undicht- werden des Cysticusverschlusses oder auch aus dem Leberbett und die Gefahr sich infizierender H~tmatome im Wundgebiet. In der Tat sind derartige F~lle beobachtet und beschrieben worden und auch Todesfs durch Peritonitis vorgekommen

E s stehen sich also zur Zeit die Ansichten in dieser Frage noch schroff gegenfiber. Die Zahl der F~lle, welche bisher in e inzehea Operationsserien ver6ffentlicht worden sind, ist, mit Ausnahrne tier Mitteilung aus der Klinik der Gebrfider MAYO, noch eine verh~ltnism~Big geringe. Deswegen erschei- nen weitere Mitteilungen fiber persSnliche Erf~hrungen notwendig, a m eine Kl~rung der schwebenden Frage anzu- bahnen, and aus diesern Grunde m6chte~ich einen kurzen Uberblick fiber die eigenen BBeobachtungen und die bei der Operation der Gallensteine hinsichtlich des Schlusses der Bauchwand gernachten Erfahrungen berichten.

I. Zun~chst die Frage des prlm~ren Schtusses der Bauch- wand bel Cholecystektomie. Als erstes sei selbstverst~ndlich erw~hnt, dab der SchluB der 13auchwand bei Cholecystektornie n i c h t ausnahrnslos durchffihrbar ist, sondern sine gewisse Auswahl der F~lle erfordert. 13estimrnte Indlkationen ffir das Verfahren sind zum erstenrnal yon PAYR auf der deutschen Naturforseherversarnmlung I92O ausgesprochen worden, sis lauten:

i. M6glichkeit der subser6sen Ausl6sung der Gallenblase (keine schweren akuten oder chronischen entzfindlichen Ver~nderungen).

2. Fehlen aller Verdachtsgrfinde ffir die Annahme einer Infektion der tieCen Gallenwege.

3. 13eschr~nkung des Gallensteinleidens auf die BBlase, also keine Notwendigkeit der Choledochuser6ffnung.

4. Dei gleichzeitigen Eingriffen am Magen, z. ]3. Gastro- enterostomie, ist, wenn rn6glich, das Gatlenblasenbett so zu versorgen, dab sich eine Tarnponbehandlung erfibrigt.

Die Indikationen, nach denen ich selbst den Schluf~ der 13auchwand nach GMlenblasenoperationen ausgefiihrt habe, decken sich irn wesentlichen rnit den angeffihrten Grundsgtzen von PAYR. Ieh rnSchte jedoch erwXhnen, dab ich die M6glich-

*) Vortrag, gehalten auf der ioo. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte am 2r. IX. I92~.