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414 v. Boyen: Beiträge zur Ceresinfabrikation. r Zeitschrift für Lau gewandte Chemie. den, oft recht mühevollen Untersuchung ein treuer und eifriger Mitarbeiter gewesen ist, meinen besten Dank für seine Mithülfe aus- sprechen. Die neue Methode zur Bestimmung des Kohlenstoffes im Stahl möchte ich aber allen jenen Fachgenossen empfehlen, welche ein leicht ausführbares exactes Mittel zu be- sitzen wünschen, um die Genauigkeit der in der Technik üblichen Bestimmungsweisen controlliren zu können. Beiträge zur Ceresinfabrikation. Von Edgar von Boyen. Das Fehlen eines Buches über die Ceresin- fabrikation und Erdwachsgewinnung und die stiefmütterliche Behandlung dieses Industrie- zweiges in der Fachlitteratur veranlassten mich, meine Beobachtungen, welche ich während meiner Thätigkeit als Dirigent einer der ältesten und bedeutendsten Fabriken dieser Art machte, mitzutheilen. Die chemische Behandlung. Der Werth des Ceresins vor anderen festen Kohlenwasserstoffen, insbesondere dem Pa- raffin des Handels liegt hauptsächlich in seiner Plasticität. Diese natürliche, am stärksten beim Bienenwachs hervortretende Eigenschaft hat sich bis jetzt bei dem Erd- wachs nicht erhöhen lassen. Sie schwindet dagegen umsomehr, je stärker dasselbe der chemischen Behandlung unterzogen wird. Aus diesem Grunde ist Erdwachs stets plasti- scher als das aus ihm erzeugte Ceresin. Man hatte sich gleich beim Bekannt- werden dieses Stoffes nach verschiedenen Richtungen bemüht, ein Raffinirungsverfahren ausfindig zu machen, welches dem Erdwachs •wohl seine Färbung und den erdölartigen Geruch benehmen, ihm aber die ursprüng- liche Plasticität lassen sollte; leider blieben diese, wie weitere in dieser Schrift noch zu behandelnde Versuche weit hinter dem Ge- wünschten zurück. Immer wieder von neuem erwies sich kein geeigneteres Mittel, um den Stoff zu entfärben, als die Schwefelsäure. Diese Säure zerstört aber neben den fär- benden Stoffen stets andere Kohlenwasser- stoffe, welche vorzugsweise die Plasticität des Erdwachses bedingen. Zur völligen Entfärbung desselben, d. h. zur Darstellung eines wasserhellen Ceresins ist eine gewisse Menge Säure, welche je nach der Qualität des Stoffes ziemlich wechseln kann, erfor- derlich, und in dieser Menge Säure, deren Concentrationsgrad, je nachdem der Stoff zum ersten oder zum zweiten Male der Raffinirung unterzogen werden soll, wechseln muss, ist es wieder der bestimmte Anhydrid- gehalt, welcher sich bis jetzt auf keine Weise hat verringern lassen. Ist nun ein Ceresin durch wiederholte Behandlung mit Säure vollständig entfärbt worden, so wird dasselbe selbst von rauchender Schwefelsäure nicht mehr merkbar angegriffen. Bei stärkerem Erhitzen verdampft Säure und Ceresin zugleich, von einem Verkohlen, wie es bei der Einwirkung der Säure auf Erd- wachs stattfindet, ist keine Rede mehr. Ein solcher Stoff, welchen ich mit dem Ausdruck „indifferentes Ceresin" bezeichnen möchte, ist in geschmolzenem Zustand wasser- hell, hart und spröder als anderes Ceresin, schmilzt über 75°, oft sogar über 80°, ist noch unempfindlicher als Paraffin gegen chemi- sche Agentien, aber nicht krystallinisch wie das letztere. Wenn nun auch für die Praxis bisher nur die eine Methode, aus dem Erdwachs Ceresin darzustellen, nämlich durch die Raffinirung mit Schwefelsäure in Anwendung kommt, so ist es doch von Interesse, zu wissen, dass dieses auch ohne diese Säure möglich ist. Es gibt thatsächlich Ent- färbungsmittel, meistens Compositionen, deren Hauptwirkung chemisch gefällte Kieselsäure oder deren Salze hervorrufen, und welche auf flüssig gemachtes Erdwachs nur mecha- nisch einwirken, das heisst, die in demselben enthaltenen färbenden Substanzen und Kohlentheile an sich ziehen und dadurch eine Trennung der reinen weissen Kohlen- wasserstoffe bewirken können. Ein solches Ceresin, welches ich mit „differentes Ceresin" bezeichnen möchte, ist stets plasti- scher als indifferentes und von letzterem namentlich dadurch zu unterscheiden, dass Schwefelsäure energisch darauf einwirkt und einen Theil desselben verkohlt. Bei sämmtlichen Substanzen der Mineral- ölindustrie im weiteren Sinne ist das Re- sultat der Einwirkung der Schwefel- säure insofern das nämliche, als diese Säure durch Zerstörung von färbenden und Riechstoffen eine Reinigung bewirkt; auch bezüglich der Menge der Säure findet Gleiches statt, denn je mehr Säure man verwendet, desto reiner erhält man das Product, aber nur unter der Bedingung, dass man diejenige Temperatur bei der Behandlung und die- jenige Concentration der Säure einhält, wie sie für die zu raffinirende Substanz ange- zeigt ist. Das Ceresin ist von allen Kohlen- wasserstoffen , wie schon erwähnt, die in-

Beiträge zur Ceresinfabrikation

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414 v. Boyen: Beiträge zur Ceresinfabrikation. r Zeitschrift fürLau gewandte Chemie.

den, oft recht mühevollen Untersuchung eintreuer und eifriger Mitarbeiter gewesen ist,meinen besten Dank für seine Mithülfe aus-sprechen.

Die neue Methode zur Bestimmung desKohlenstoffes im Stahl möchte ich aber allenjenen Fachgenossen empfehlen, welche einleicht ausführbares exactes Mittel zu be-sitzen wünschen, um die Genauigkeit derin der Technik üblichen Bestimmungsweisencontrolliren zu können.

Beiträge zur Ceresinfabrikation.

Von

Edgar von Boyen.

Das Fehlen eines Buches über die Ceresin-fabrikation und Erdwachsgewinnung und diestiefmütterliche Behandlung dieses Industrie-zweiges in der Fachlitteratur veranlasstenmich, meine Beobachtungen, welche ichwährend meiner Thätigkeit als Dirigent einerder ältesten und bedeutendsten Fabrikendieser Art machte, mitzutheilen.

Die chemische Behandlung. DerWerth des Ceresins vor anderen festenKohlenwasserstoffen, insbesondere dem Pa-raffin des Handels liegt hauptsächlich inseiner Plasticität. Diese natürliche, amstärksten beim Bienenwachs hervortretendeEigenschaft hat sich bis jetzt bei dem Erd-wachs nicht erhöhen lassen. Sie schwindetdagegen umsomehr, je stärker dasselbe derchemischen Behandlung unterzogen wird.Aus diesem Grunde ist Erdwachs stets plasti-scher als das aus ihm erzeugte Ceresin.

Man hatte sich gleich beim Bekannt-werden dieses Stoffes nach verschiedenenRichtungen bemüht, ein Raffinirungsverfahrenausfindig zu machen, welches dem Erdwachs•wohl seine Färbung und den erdölartigenGeruch benehmen, ihm aber die ursprüng-liche Plasticität lassen sollte; leider bliebendiese, wie weitere in dieser Schrift noch zubehandelnde Versuche weit hinter dem Ge-wünschten zurück. Immer wieder von neuemerwies sich kein geeigneteres Mittel, um denStoff zu entfärben, als die Schwefelsäure.Diese Säure zerstört aber neben den fär-benden Stoffen stets andere Kohlenwasser-stoffe, welche vorzugsweise die Plasticitätdes Erdwachses bedingen. Zur völligenEntfärbung desselben, d. h. zur Darstellungeines wasserhellen Ceresins ist eine gewisseMenge Säure, welche je nach der Qualitätdes Stoffes ziemlich wechseln kann, erfor-

derlich, und in dieser Menge Säure, derenConcentrationsgrad, je nachdem der Stoffzum ersten oder zum zweiten Male derRaffinirung unterzogen werden soll, wechselnmuss, ist es wieder der bestimmte Anhydrid-gehalt, welcher sich bis jetzt auf keineWeise hat verringern lassen.

Ist nun ein Ceresin durch wiederholteBehandlung mit Säure vollständig entfärbtworden, so wird dasselbe selbst von rauchenderSchwefelsäure nicht mehr merkbar angegriffen.Bei stärkerem Erhitzen verdampft Säure undCeresin zugleich, von einem Verkohlen, wiees bei der Einwirkung der Säure auf Erd-wachs stattfindet, ist keine Rede mehr. Einsolcher Stoff, welchen ich mit dem Ausdruck„ i n d i f f e r e n t e s C e r e s i n " bezeichnenmöchte, ist in geschmolzenem Zustand wasser-hell, hart und spröder als anderes Ceresin,schmilzt über 75°, oft sogar über 80°, istnoch unempfindlicher als Paraffin gegen chemi-sche Agentien, aber nicht krystallinisch wiedas letztere.

Wenn nun auch für die Praxis bishernur die eine Methode, aus dem ErdwachsCeresin darzustellen, nämlich durch dieRaffinirung mit Schwefelsäure in Anwendungkommt, so ist es doch von Interesse, zuwissen, dass dieses auch ohne diese Säuremöglich ist. Es gibt thatsächlich Ent-färbungsmittel, meistens Compositionen, derenHauptwirkung chemisch gefällte Kieselsäureoder deren Salze hervorrufen, und welcheauf flüssig gemachtes Erdwachs nur mecha-nisch einwirken, das heisst, die in demselbenenthaltenen färbenden Substanzen undKohlentheile an sich ziehen und dadurcheine Trennung der reinen weissen Kohlen-wasserstoffe bewirken können. Ein solchesCeresin, welches ich mit „differentesCeres in" bezeichnen möchte, ist stets plasti-scher als indifferentes und von letzteremnamentlich dadurch zu unterscheiden, dassSchwefelsäure energisch darauf einwirkt undeinen Theil desselben verkohlt.

Bei sämmtlichen Substanzen der Mineral-ölindustrie im weiteren Sinne ist das Re-sultat der E inwi rkung der Schwefel-säure insofern das nämliche, als dieseSäure durch Zerstörung von färbenden undRiechstoffen eine Reinigung bewirkt; auchbezüglich der Menge der Säure findet Gleichesstatt, denn je mehr Säure man verwendet,desto reiner erhält man das Product, abernur unter der Bedingung, dass man diejenigeTemperatur bei der Behandlung und die-jenige Concentration der Säure einhält, wiesie für die zu raffinirende Substanz ange-zeigt ist. Das Ceresin ist von allen Kohlen-wasserstoffen , wie schon erwähnt, die in-

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differenteste Substanz schon hieraus ergibtsich, dass der Process der Säuerung sich in an-derer "Weise vollziehen muss als bei anderenKohlenwasserstoffen. Ich habe, um überden Vorgang der Säurebehandlung Aufschlusszu erhalten, eine grosse Anzahl von Ver-suchen seinerzeit angestellt und gebe siehier mehr der Wissenschaft als der Praxiszu Frommen in möglichster Kürze -wieder.

Mischt man geschmolzenes Erdwachsbei 80° mit concentrirter Schwefelsäure, sofindet eine massige, aber doch merklicheEinwirkung statt. Es entweicht bei schwacherGasentwicklung wenig schweflige Säure, diebraune Masse färbt sich dunkel bis schwarzund bleibt in der Ruhe homogen. Voneiner Trennung in zwei Schichten, wie sieso leicht nach der Mischung der Mineralölemit Schwefelsäure in der Ruhe vor sichgeht, bemerkt man beim Erdwachs augen-scheinlich garnichts. Wäscht man dasProduct mit heissem Wasser oder mit Dampf,so bilden sich graue Emulsionen, aus wel-chen man nur unter grossen Verlusten undUmständlichkeiten ein schlecht entfärbtesCeresin gewinnen kann.

Erhöht man bei der Einwirkung derSchwefelsäure die Temperatur auf 120°, sofindet unter schwachem Schäumen eine etwasstärkere Entwicklung von schwefliger Säurestatt. Die Masse setzt in der Ruhe zähe,schleimige, schwarze Massen ab, welche beimErkalten fester werden, asphaltartige Eigen-schaften zeigen und, mit unveränderterSchwefelsäure behaftet, stark sauer reagiren.Mit Wasser gewaschen, bildet auch diesesCeresin graue Emulsionen, die ebenso schlechtzu regeneriren sind, wie bei der vorhin er-wähnten Einwirkung. Löst man das Erd-wachs in der gleichen oder doppelten MengeBenzin und behandelt bei 50 ° mit Säure,so wird das Resultat ebenfalls nicht besser.

Ganz anders verhält sich diese Substanz,wenn man sie in einer offenen Schale auf100° erwärmt, unter langsamem Umrührenmit einem Spatel nicht weniger als 18 Proc.Schwefelsäure von 66° Be. hinzugibt undnun bei eingehängtem Thermometer langsamerhitzt. Schon bei 130° hat sich die Massevollständig schwarz gefärbt, es findet einmerkliches Schäumen statt, während vielschweflige Säure und Wasser entweicht.Zwischen 140 bis 150° nehmen die beidenletzten Erscheinungen mehr und mehr zu,und man spürt beim Rühren am Boden einenreichlichen Absatz zäher, schleimiger Sub-stanz. Durch fortgesetztes Rühren und Er-hitzen auf 160 bis 165° nimmt die zäheSubstanz, die man in der Praxis mit „Säure-asphalt" bezeichnet, einen immer festeren

Gharakter an, sie wird erst flockig, dannkrümelig und endlich, nachdem die Ent-wicklung der schwefligen Säure nachzulassenbeginnt, hartkörnig, sandig.

Während dieses Stadiums findet bei demErdwachs eine charakteristische Erscheinungstatt, in welcher der Gipfelpunkt desSäurungsprocesses liegt, nämlich die soge-nannte „Trennung" . Während das Säu-rungsgut unterhalb 160°, des kritischenGrades, schmutzig braun oder dunkel gefärbtist, findet nach Erreichung desselben eineScheidung der unangegriffenen, reinen Kohlen-wasserstoffe, des Ceresins, vom schwarzen,sich leicht zu Boden absetzenden Säure-asphalt statt. Dieser Unterschied tritt amdeutlichsten hervor, wenn man einen Tropfendes Säurungsgutes unterhalb des kritischenGrades und einen solchen oberhalb desselbennebeneinander auf eine Glasplatte fallen lässt.Der Tropfen des ungetrennten Gutes siehtdann schmutzig braun, oder braunschwarzund undurchsichtig aus, der des getrenntendagegen durchsichtig, grün bis blaugrün,während kleine schwarze Asphaltkörner sichdeutlich darin unterscheiden lassen. DieseTrennung richtig zu bewerkstelligen, ist dieHauptaufgabe bei der Ceresinfabrikation underfordert Erfahrung und Aufmerksamkeit.Man kann für das Gelingen des Säurungs-processes niemals einen Fehler begehen,wenn man die Temperatur zu langsam, wohlaber, wenn man sie zu schnell steigert.

Betrachten wir nun den chemischenVorgang der Einwirkung der Schwefelsäureauf Erdwachs bei e rhöhter Temperatur, sofinden wir, dass die Säure nach der innigenMischung sich mit gewissen Körpern desErdwachses beladet und den sogenanntenSäureasphalt bildet, der bei dem Beginnder Operation gleichmässig in dem Säurungs-gut vertheilt ist, sich dann durch Erhöhungder Temperatur und durch das Rühren unterAbgabe von Wasser und Gasen zusammen-klumpt und zu Boden fällt. Erhitzt mandas Säurungsgut schnell über 165°, ohnebei diesem Grad stehen zu bleiben, so bleibtden Asphalttheilchen keine Zeit zum Zu-sammenklumpen übrig, es bleibt dann einTheil derselben gleichmässig im Ceresinvertheilt, welcher demselben mit einersolchen Zähigkeit anhaftet, dass zur voll-ständigen Reinigung grosse Umständlichkeitenund ein Mehrverbrauch an Reinigungspulvernicht zu vermeiden sind. Die Trennungist dann in einem solchen Fall „ve rpass t "worden. Eine ebenso wichtige Rolle wiedie Temperatur spielt der Anhydridgehaltder Schwefelsäure bei der Erdwachsraffi-nirung.

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Je mehr Anhydrid in einer Säure ent-halten ist, desto grösser ist ihre entfärbendeKraft, desto grösser werden aber auch dieVerluste an Ceresin. Letztere kommen frei-lich wenig in Betracht, wenn es sich darumhandelt, indifferentes Ceresin zu erzeugen,doch wird dieses in der Praxis nur in denallerseltensten Fällen geschehen. Es ver-bietet sich die Anwendung einer Säure vonzu hohem Anhydridgehalt aber noch ausanderen Gründen. Denn, abgesehen davon,dass eine solche Säure für die Praxis zukostspielig ist, um mit derselben rationellarbeiten zu können, verhindert sie in ähn-licher Weise, wie es durch zu schnelleSteigerung der Temperatur geschieht, dieTrennung. In der Praxis spricht man voneinem „Versulzen" der Masse, welcher Aus-druck sehr richtig gewählt ist. Das miteiner Säure von 83 und mehr ProcentAnhydrid behandelte Erdwachs gesteht, so-bald sich die Temperatur dem kritischenGrade nähert, plötzlich zu einer dickensulzartigen Masse, welche zwar mit Erhöhungder Temperatur meistens „fällt", sich dannaber noch schlechter als zu schnell erhitztesSäurungsgut trennt. Ein derartig versulztesMaterial lässt sich selbst durch einen grossenAufwand an Eeinigungspulver nicht zurTrennung bewegen und sich weder pressennoch ßltrirea.

Hat man nun bei Einhaltung der ge-gebenen Bedingungen die Trennung einesSäurungsguts erreicht, so bleibt noch noth-wendig, die in demselben vorhandene Säurezu vertreiben. Dieses geschieht dadurch,dass man die Temperatur unter langsamemRühren allmählich auf 175 bis 180° steigertund den Reactionsprocess erst dann alsbeendet ansieht, wenn die der Masse ent-weichenden Gase den scharfen, stechendenGeruch nach schwefliger Säure verloren haben.Der Ruhe überlassen, fällt dann der körnigeAsphalt zu Boden, während das Ceresin aufder Oberfläche des Gefässes wohl einenbraunen Stich haben darf, in dünnenSchichten jedoch durchsichtig sein muss.Diesen braunen Stich dem Ceresin zunehmen und dasselbe soweit vorzubereiten,dass es sich leicht und schnell pressen undfiltriren lässt, sind Aufgaben, welche an dieBehandlung mit Reinigungspulver gestelltwerden müssen.

Nun beruhtbekanntermaassen die Wirkungeines Entfärbers, sei derselbe aus Thon,Knochenkohle, Blutlaugensalzrückständenu. s. w. dargestellt, bei einem neutralen,nicht zuvor mit Säure behandelten Kohlen-wasserstoff, wie z. B. beim gepressten Pa-raffin einzig und allein auf Flächenanziehung.

Bei dem zuvor mit Säure behandelten Ceresinbedarf es dagegen zunächst einer Substanz,welche die letzten Reste der sauren Körper,seien dieselben Oxydationsstufen des Schwefelsoder organische Säuren, wie Ameisensäure,Essigsäure, Oxalsäure u. a. neutralisirt.Erst das neutralisirte Ceresin kann danneiner ähnlichen Entfärbung unterzogen wer-den, wie sie bei dem Paraffin stattfindet.Die Behandlung des Ceresins mit Reinigungs-pulver zieht also eine doppelte, eine che-mische und eine mechanische Wirkung nachsich. Auch in dieser Richtung hat mansich bei der Entstehung der Ceresinindustrieeifrig bemüht, ein Mittel ausfindig zu machen,welches das Entsäuern besser bewirken sollteals das allgemein übliche Pulver der Blut-laugenrückstände, oder doch wenigstensbilliger zu beschaffen wäre als letzteres.Doch auch diese Bemühungen sind bis jetztalle gescheitert, und man hat sich immerwieder von neuem überzeugen müssen, dasskein anderes Mittel weder an Wirkung, anBilligkeit, noch bezüglich der Ausbeute anCeresin dem erstgenannten vorzuziehen wäre.In welcher Weise hier die neutralisirendeWirkung vor sich geht, ist bis jetzt mitSicherheit nicht festgestellt worden. Manweiss nur aus einer grossen Anzahl vonVersuchen, dass gerade wie bei der mecha-nischen Wirkung Feinheitsgrad und Poro-sität des Materials Haupterfordernisse sind.Ferner ist unbedingt nothwendig, dass dasEntsäurungspulver in feinster Form vertheiltenKohlenstoff besitze, wie man es erhält, wennman das Material mit einer kohlenstoffreichenSubstanz imprägnirt und dann unter Luft-abschluss stark glüht. Ein derartiges Pro-duct liefert uns die Natur nicht, dasselbewird aber von verschiedenen Fabrikenmeistens unter Benutzung von Abfallstoffenbillig dargestellt. Der Wirkungswerth derim Handel erscheinenden Entsäurer ist rechtverschieden, und die Hoffnung nicht unge-rechtfertigt, dass sich derselbe erhöhen Hesse.Es ist eine bekannte Thatsache, dass mancheEntfärber besser auf Paraffin einwirken,wenn sie vorher getrocknet, oder sogar ge-glüht worden waren. Sowohl bei der Ent-säurung als Entfärbung findet beim Ceresingerade das Gegentheil statt; das geglühteReinigungspulver wirkt schlechter als dasluftfeuchte auf diese Kohlenwasserstoffe ein;Hygroskopität des Pulvers ist daher ebenfallsvon grösster Bedeutung. Ein gutes Reinigungs-pulver muss beim Eintragen in das über100° erwärmte Ceresin unter Entweichungvon Wasserdampf kräftig schäumen. Ent-säurungs- wie Entfärbungspulver sind daherals Kunstproducte aufzufassen, deren Wir-

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kung keine einfach zu definirende, sonderneine complicirte sein muss.

Ist nun das gesäuerte Ceresin neutralisirtworden, so -wird es in ähnlicher Weise wiedas Paraffin entfärbt. Die Einwirkung desEntfärbers ist hier genau wie bei dem Pa-raffin eine mechanische, nur zeigt sich, dassnicht alle Entfärber, welche sich für Paraffineignen, sich auf Ceresin vortheilhaft an-wenden lassen. Thon in geglühtem oderungeglühtem Zustand wirkt z. B. auf Ceresindurchaus nicht entfärbend. Dagegen ent-färben sehr kohlenstoffreiche Materialien wieBlutkohle und dergleichen das Ceresin amkräftigsten.

Obwohl wir in der starken Säure einäusserst kräftiges Mittel haben, welches imVerein mit Entsäurungs- und Entfärbungs-pulver nach einmaliger Behandlung aus dembraunschwarzen Erdwachs ein Product liefert,welches mit dem Rohstoff kaum mehr zuvergleichen ist, so ist es bis jetzt niemalsgelungen, durch die einmalige Behand-lung , und mag man noch so viel Säureanwenden, ein wasserhelles Ceresin zu er-zeugen; ja selbst ein Ceresin, welches imgeschmolzenen Zustand die Nuance des Weiss-weines besitzt, kann durch einmalige Raffi-nirung nur aus aussergewöhnlich schönemRohstoff erzeugt werden. Der Grund hierzuist darin zu finden, dass der gebildete Säure-asphalt, welcher 25 bis 30 Proc. beträgt,jede weitere Einwirkung der von neuem zu-gegebenen Säure auf den Stoff verhindert.Die Säure reagirt schliesslich leichter mitdem Asphalt als mit dem Ceresin und ver-dampft bei höherer Temperatur. Handelt essich also in der Fabrikation um Erzeugungweissen Ceresins, so muss der ersten Be-handlung die zweite folgen.

In der Praxis hat es sich als das Ratio-nellste ergeben, aus dem Rohwachs zunächstdurch einmalige Raffinirung ein gelbes, sogen,„naturgelbes Ceresin"darzustellen. DieserStoff bildet dann das Ausgangsmaterial zurDarstellung des weissen Ceresins. Für dieerste Raffinirung ist es vortheilhaft, keinezu starke Säure in Anwendung zu bringen.Hat man eine Säure von etwa 78 Proc.Anhydrid, so braucht man je nach Qualitätdes Rohstoffes und der beabsichtigten gelbenNuance des naturgelben Ceresins etwa 18bis 20 Proc. dieser Säure, zur Neutralisirung5 bis 6 Proc. eines guten Entsäurungs- und1 bis 2 Proc. eines guten Entfärbungspulvers,Zahlen, welche in ziemlich engen Grenzenliegen. Für die zweite Raffinirung ist esvortheilhaft, etwas stärkere Säure, etwa von81 Proc. Anhydrid in Anwendung zu bringen.Zur Entsäurung genügen in der Regel 3 Proc,

zur Schönung 2 Proc. Pulver. Wenn esauch vorkommt, dass ein geübtes Auge dieWirkung des dritten, manchmal sogar desvierten Procentes Entfärbungspulvers wahr-zunehmen im Stande ist, so erscheint esdennoch als unrationell, mehr als 2 Proc.Pulver zum Entfärben in Anwendung zubringen, weil Wirkung und Kostenpunkt inungleichem Verhältniss stehen. 2 Proc. desin Anwendung kommenden Entfärbungs*pulvers sollte daher niemals überschrittenwerden, besonders wenn man berücksichtigt,dass, je mehr Pulver in Anwendung kommt,desto mehr Ceresin von demselben absorbirtwird, welches erst durch die Extractionwiedergewonnen werden kann. — Anderssteht es mit dem Entsäuerungspulver, vonwelchem man soviel hinzuzugeben genöthigtist, bis die absolute Trennung des Ceresinserreicht wurde, welche sich durch schnellesFiltriren des reinen und blanken Ceresinsdurch ein Papierfilter zu erkennen gibt.Bei der ersten Raffinirung wird sich diesesim Allgemeinen mit 5 bis 6 Proc, bei derzweiten in der Regel schon mit 3 Proc.Entsäurungspulver erreichen lassen. Solltetrotzdem die Filtration schlecht von stattengehen, die Entsäurung also nicht genügenddurchgeführt worden sein, so ist man ge-nöthigt, beim gelben Ceresin ein siebentesund achtes, beim weissen ein viertes, odersogar ein fünftes Procent Entsäurungspulverhinzuzugeben, da es jetzt nicht mehr möglichist, den. Stoff auf eine andere Weisezu corrigiren. Die F i l t r a t i o n s p r o b e istdie einzig maassgebende für die Beurtheilungder Operation, denn nur sie kann lehren,ob die letztere richtig oder fehlerhaft ge-handhabt worden war.

Die Ceresinfabrikation ist somit, abge-sehen von einigen Kunstgriffen, die lediglichauf Erfahrung beruhen, in chemischer Be-ziehung ausserordentlich einfach. Die ganzechemische Operation besteht in der richtigenBehandlung des Erdwachses mit Schwefel-säure und der darauf folgenden mit Reini-gungspulver. Aber auch eine complicirteApparatur ist dieser Fabrikation unbekannt.

Die für die chemische Behandlung ge-bräuchlichen Apparate bestehen in Fabriken,wo die Mischung der Chemikalien noch mitder Hand vorgenommen wird, aus offeneneisernen Kesseln, die sich von oben nachunten verjüngen. Dieselben pflegen vielfachaus starkem Kesselblech mit aufgenietetem,verstärktem Boden hergestellt zu sein. An-fangs hatte man gusseiserne Kessel gewählt,kam aber sehr bald davon ab, weil die-selben leicht Risse bekamen und dann nichtmehr reparaturfähig waren. Bei den schmiede-

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eisernen Kesseln ist das Springen des Ma-terials ausgeschlossen, es macht sich aberbei denselben ein ebenso grosser Übelstandbemerkbar, der in der mangelhaften Dichtungder Nieten liegt. Selbst bei solide ge-arbeiteten Kesseln ist es nicht zu vermeiden,dass sich durch die starke Dehnung derEisenflächen die Nieten lockern, und meistenswenn der Kessel in die grösste Hitze kommt,Ceresin in die Feuerung rinnt. Mögen sichdie gusseisernen Kessel der früheren Zeit,weil man voraussichtlich bei deren Dar-stellung damals noch nicht genügende Er-fahrung zur Erzielung eines geeigneten Gussesbesass, nicht bewährt haben, das heutigeMaterial leistet jedenfalls die gewünschteGarantie fürDauerhaftigkeit. In der sächsisch-thüringischen Mineralölindustrie, die reichan Erfahrung nach dieser Richtung ist, be-nutzt man heute zur Destillation ausschliess-lich gusseiserne Blasen, die fast täglich be-schickt und deren Böden bis zur Rothgluterhitzt werden. Selbst das harte Abstossendes Kokses beim Reinigen der Blasen ver-hindert nicht, dass dieselben oft jahrelangim Feuer stehen. Zur Ceresindarstellungist aber eine bei weitem geringere Hitze alszur Destillation des Braunkohlentheers er-forderlich.

Ähnlich veraltet ist oft die Einmauerungder Kessel, deren Böden von der directenFlamme umspült werden, wodurch dieKesselböden stark zu leiden haben. Auchder jetzt vielfach gebräuchlichen schnecken-förmigen Zugfübrung, bei welcher der Bodendes Kessels durch Abdeckung der Feuerunggegen die Stichflamme geschützt ist, möchteich andern Anordnungen gegenüber den Vor-zug geben. Eine Einmauerung in diesemSinne hätte aber noch vor der freihängendenden grossen Vortheil, dass der Kessel sichgleichmässiger feuern Hesse, und die Tempe-ratur geringeren Schwankungen ausgesetztwäre. Die Anordnung mehrerer Kessel isteine batterieförmige, ähnlich wie in denDestillationsgebäuden. Die Feuerung, durchFeuermauer von den Kesseln getrennt, wirddurch Schieber regulirt.

Die für den Handbetrieb üblichen Kessel,welche höchstens 3000 k Erdwachs fassendürfen, sind oben offen und mit einemMauerkranz versehen. Dieselben dürfen nie-mals bis zum oberen Rand, sondern nur soweit angefüllt werden, damit bei starkemSchäumen dem Erdwachs ein Steigungsraumvon mindestens 0,5 m bleibt. Über derÖffnung des Kessels befindet sich ein Schirmaus Eisenblech, an dessen Rand ein Mantelaus starkem Gewebe herunterhängt und dieÖffnung desselben allseitig schliesst. Über

dem Schirm ist ein durch Klappenventil ab-sperrbares, 20 cm weites Abzugsrohr ange-bracht, welches in ein grosses Sammelrohrmündet. Letzteres hat den Zweck, die Ab-zugsgase sämmtlicher Säurekessel in sichaufzunehmen und fortzuführen. Sein Durch-messer richtet sich nach der Anzahl derKessel und ist möglichst gross zu wählen.Derartige Säurerohre sind stets so tief an-zubringen, dass die Rohrstutzen, welche ausden Schirmen führen, abwärts in dieselbenhineinfallen müssen, damit das gesammelteCondensationswasser niemals in den Kesselzurückfliessen kann.

Bei einem Gang oder einer „Charge",worunter man die Operationen vom Einsetzeneiner bestimmten Quantität Erdwachses biszum Abführen des daraus dargestelltenCeresins versteht, dauert die chemische Be-handlung drei Arbeitsschichten für die ein-malige Raffinirung. Jede weitere Raffinirung,welche in gleicher Weise vor sich geht, er-fordert wiederum drei Arbeitsschichten.

Betrachten wir nun den Gang der Ver-arbeitung des Rohwachses auf naturgelbesCeresin und beginnen mit dem Einsetzendesselben.

Während der ersten Schicht wird dasErdwachs in die Kessel gebracht, welche zugleicher Zeit angeheizt werden. Das Ein-schmelzen geht schnell vor sich, wobei nichtunerhebliche Quantitäten Wasserdampf ent-weichen, die starkes Aufschäumen ver-ursachen. Man mässigt das Feuer, um demÜbersteigen des Erdwachses vorzubeugen.Nachdem das Erdwachs in 4 bis 6 Stundenwasserfrei geworden, deckt man die Kesselmit einem Holzdeckel zu, zieht das Feuervor und schliesst die Feuerungsthür, um dieAbkühlung der Kessel nach Möglichkeit zubeschränken. Am nächsten Arbeitstage werdendie Kessel auf 115 bis 120° geheizt, mitMänteln verhängt und es folgt nun das Zu-geben der Schwefelsäure.

Dieses geschieht, indem man die fürjeden Kessel erforderliche abgewogene Quanti-tät, beispielsweise 18 Proc. einer Säure von78 Proc. Anhydrid, in etwa 3 cm dickemStrahle in die Kessel einfliessen lässt. Beikleinen Anlagen wird es ohne Bedeutungsein, ob die Säure durch Handarbeit oderdurch besondere Hülfsvorrichtungen in dieKessel gegeben wird. Bei grösseren, rationellangelegten Fabriken wird man jedoch Rück-sicht zu nehmen haben, dass auch in dieserBeziehung möglichste Vereinfachung statt-findet. Man bringt daher einen als Mont-jus dienenden eisernen Kessel in den Erd-boden, welcher so gross sein muss, ummindestens das für eine ganze Charge er-

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forderliche Säurequantum zu fassen; verbin-det denselben mit einer eisernen Rohr-leitung, welche zu den einzelnen Ceresin-kesseln führt. Auf dem oberen Rand derKessel zieht sich der Länge nach durch dasSäurehaus ein kleiner Schienenweg, auf demein kleiner Wagen mit bleiernen Messgefässan jeden Kessel herangeschoben werdenkann. Das Messgefäss ist mit einem Blei-deckel , in welchem für den Einfluss derSäure ein kleiner Trichter steckt, zugedecktund besitzt ein seitliches Niveauglas miteiner Scala, welche den Inhalt des Gefässesfür Schwefelsäure anzeigt, und auf der 2 kSäure noch deutlich abgelesen werden kön-nen. Will man nun einen Kessel mit Säurebeschicken, so schiebt man Wagen mitMessgefäss an den gewünschten Platz, sodass der Stutzen der Säureleitung geradeüber dem Trichter steht, stellt das mitSäure gefüllte Montjus durch Einpumpen vonLuft unter schwachen Druck, öffnet vorsichtigden am Stutzen befindlichen Hahn, lässt dasMessgefäss bis zum Nullpunkt mit Säureanlaufen und schliesst den Hahn der Leitung.Durch Öffnen eines am Boden des Mess-gefässes sich befindenden Hahnes lässt mannun die bestimmte Quantität Säure in denCeresinkessel fliessen und schliesst daraufden Zulauf. Dann rückt man mit demMesswagen an den nächsten Kessel heranund wiederholt die gleiche Operation vonneuem. Hat man zwei oder mehrere Mess-wagen zur Verfügung, so geht das Säure-geben, welches durch einen Mann geschehenkann, noch schneller vor sich.

Während dieser Thätigkeit rührt anjedem Kessel ein Arbeiter mit einer eisernenStange, an deren unterem Ende sich einkleines Krückeisen befindet, die Masse durch-einander. Die dadurch verursachte ver-hältnissmässig geringfügige Bewegung genügtvollständig zur Mischung der Materialien,weil die Säure bei der hohen Temperatursogleich in Reaction mit dem Erdwachs trittund sich nicht mehr am Boden des Kesselsabsetzen kann. Sogleich nach Zusatz derSchwefelsäure findet eine reichliche Ent-wicklung schwefliger Säure statt, welchevermittels geeigneter Abzugsvorrichtungendurch das Säurerohr fortgeschafft werdenmuss. Wurde die Säure um 8 Uhr Vor-mittags zugesetzt, so steigert man die Tem-peratur so langsam, dass man um 10 Uhretwa 140° erreicht hat. Es beginnt nundie stärkste Ausscheidung des Säureasphalts,daher wird zur Freihaltung des Bodens undzur Verhinderung dessen Erglühensein zweiterMann zur Verstärkung der Rührarbeit noth-wendig. Das Erglühen des Bodens zieht

einen doppelten Übelstand nach sich, nämlichdadurch, dass ein Theil des Wachses aufder erglühten Eisenfläche verbrennt, und eindurch die Krücke an die Oberfläche gebrachtesglühendes Stück Asphalt sofort Feuer fängtund sehr leicht einen Brand verursachenkann. Um 12 Uhr muss die Temperaturauf 160 bis 165° gebracht worden sein.Der Asphalt wird nun feinkörniger, dieRührarbeit leichter, so dass der zweite Mannausser Thätigkeit treten kann. Um dieseZeit macht sich bereits die Trennung desCeresins vom Asphalt bemerkbar. Man hältdiese Temperatur bis 3 Uhr Nachmittagsein, steigert sie dann auf 170 bis 175° undrührt mit einer Krücke bis 6 Uhr Abendsfort. Dann nimmt man die Mäntel ab undlässt die Kessel über Nacht offen stehen,um die letzten Säurereste ausdampfen zulassen.

Das Rühren der gesäuerten Masse durchHandarbeit ist eine widerwärtige Arbeitbei der Ceresin fabrikation, denn der Abzugder Säure aus den mit Mänteln verhängtenKesseln bleibt stets unvollkommen, sowienicht ganz vorzügliche Exhaustoren inAnwendung kommen; daher hat man inFabriken, in welchen das Mischen der Säurenicht in geschlossenen Apparaten vorge-nommen werden kann, stets dafür Sorge zutragen, dass ein Arbeiter niemals länger alsl/2 bis 1 Stunde bei dieser Arbeit verweiltund von einem Reservemann rechtzeitig ab-gelöst wird. Man kann sich hierbei da-durch helfen, dass man zwischen der Be-dienung der Säurekessel und der Pulver-kessel zeitweise wechselt. Von allen be-kannten Schutzvorrichtungen gegen die Ein-athmung der schwefligen Säure haben sichnoch am besten nasse Schwämme bewährt,doch auch diese werden nur ungern von denArbeitern angewandt.

Am dritten Operationstage wird derKesselinhalt mit der Krücke aufgerührt unddie über Nacht gesunkene Temperatur auf115° gebracht. Man schreitet dann zur Be-handlung mit Entsäurungspulver, welches,beispielsweise 6 Proc. betragend, in dieoffenen Kessel in Portionen von 5 bis 10 keingetragen und mit einer Krücke verrührtwird. Dabei findet starkes Aufschäumenstatt, und man hat zur Vermeidung desÜbersteigens Sorge zu tragen, dass nicht zuviel Pulver auf einmal zugegeben wird.Sobald das Schäumen nachlässt, erhöht manlangsam die Temperatur auf 130°. Beirichtiger Arbeit ist die Behandlung mitEntsäurungspulver in etwa 3 Stunden be-endet. Man schöpft dann Proben von500 g aus den Kesseln und prüft sie auf

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420 Becker: Beziehungen der Chemie zur Bakteriologie. I" Zeitschrift fürLangewandte Chemie.

ihre Filtrationsgescbwindigkeit. Die Ope-ration ist als gelungen zu betrachten, wenndas flüssige Ceresin nach Trennung desersten dunklen Durchlaufs ziemlich gleich-massig von Anfang zu Ende durch ein mitDampf geheiztes Faltenfilter hindurchläuft,eine reine gelbe Farbe und keinen dumpfenoder bräunlichen Stich mehr zeigt.

Man trägt nun 2 Proc. Entfärbungspulverportionsweise unterfortwährendem Umknickenin den Kessel ein und macht, nachdem dasSchäumen beendet und das Pulver gutdurchgerührt ist, was in der Regel 1 bis2 Stunden dauert, die Filtrationsprobe.Das erkaltete Ceresinmuster darf, wennrichtig gearbeitet worden ist, vom Standard-muster nicht zu unterscheiden sein. Alseines der besten bekannten Entsäurungs-pulver ist das von H o c h s t e t t e r & Comp.in Brunn, als gutes Entfärbungspulver dasaus Blutkohle erzeugte Glasgower Pulverzu empfehlen.

Die chemische Behandlung des Erd-wachses hat somit ihren Abschluss erreicht;die Waare ist nun pressfertig und kann,falls man sie sofort verarbeiten will, sogleichzur Presse geschafft werden; im anderenFalle deckt man die Kessel, nachdem mandas Feuer vorgezogen, Feuerthür undSchieber geschlossen hat, mit Holzdeckelnzu, um die Waare vor Abkühlung zuschützen. Bei der Handübertragung wirddie Ceresinmasse mit langgestielten Schöpf-kellen aus den Kesseln in grosse Kübel, dieebenso gut von Holz als aus Eisen seinkönnen, geschöpft, und diese entweder aufkleinen Wagen oder durch Übertragen zurPresse geschafft.

[Fortsetzung folgt.]

Über die allgemeinen Beziehungen derChemie zur Bakteriologie.

Vortrag von Dr. Becker (s. S. 376).

Wenn wir uns die Entwicklungsge-schichte der Bakteriologie vor Augen hal-ten, so haben wir gleichzeitig ein prächtigesBild von dem fördernden Einfluss der an-gewandten Chemie. Es dürfte somit wohlals durchaus angebracht erscheinen, in derJahresversammlung der deutschen Gesell-schaft für angewandte Chemie die allge-meinen Beziehungen zwischen der Chemieund der Bakteriologie zu besprechen.

Obgleich man schon vor mehreren hun-dert Jahren in dem Munde das Vorkommenvon ganz kleinen Organismen beobachtet

hatte, dauerte es doch bis fast zur Mittedieses Jahrhunderts, bis eingehendere For-schungen angestellt werden konnten. Esfehlte an den optischen Hilfsmitteln. Erstals die Glas- oder Hüttenchemiker es ver-standen haben, gewisse Glasflüsse herzu-stellen und die Optiker gelernt hatten, dieseFlüsse in geeigneter Weise zu schleifen,konnte das bakteriologische Studium einenweiteren Fortgang nehmen.

Damals waren es namentlich noch dieBotaniker, welche sich mit dem Studiumder niedersten Mikroorganismen beschäf-tigten.

Einen ganz gewaltigen Aufschwung nahmdann die bakteriologische Forschung, alssich unser College Pas teur und eine ganzeReihe Anderer diesem Gebiete zuwandten.Nun beschäftigten sich auch einzelne Medi-ciner, und zwar pathologische Anatomen,mit den Veränderungen innerhalb des mensch-lichen und thierischen Organismus bei demVerlauf einzelner Krankheitserscheinungen,und seit dem Zusammenwirken der bedeu-tendsten Forscher der verschiedensten wis-senschaftlichen Richtungen, hat sich 'dieBakteriologie zu einer selbstständigen undfruchtbringenden Wissenschaft herausgebildet.

Noch heute besitzen diese Disciplinenihre hohe Bedeutung für die Bakteriologie,namentlich sind es aber die Chemie unddie Medicin, welche sich auch hier vortheil-haft gegenseitig ergänzen. Wir dürfen wohlsagen, dass es kaum ein Gebiet gibt, aufwelchem so viele heterogene wissenschaft-liche Disciplinen in so enge Berührung zueinander treten, wie dies bei der Bakterio-logie der Fall ist.

Für heute interessiren uns nur dieWechselbeziehungen zwischen der Chemieund der Bakteriologie. Selbstverständlichliegt es mir ferne, Ihnen nun einen detail-lirten Überblick über das Wesen der Bak-terien, Hefen und Schimmelpilze zu geben,ich darf wohl voraussetzen, dass Sie zurweitaus grössten Mehrzahl über diese Punktevollständig unterrichtet sind. Ich habe viel-mehr als Eingang nur diejenigen Punktehervorzuheben, bei welchen chemische Er-kenntniss förderlich war.

Ziehen wir in Betracht, dass die Leiberdieser Mikroorganismen als Bläschen aufzu-fassen sind, welche aus einer cellulosehal-tigen Membran bestehen, die eine eiweiss-haltige Flüssigkeit umschliesst, so ist unsdie Richtung der chemischen Mitarbeit ge-kennzeichnet.

Um die Bakterien in ihren specifischenEigenschaften studiren zu können, war eserforderlich, sie künstlich zu züchten, künst-