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Beitrage zur Chemie der Elemente Niob und Tantal. IF) Die Qleichgewichtsdruckedes Niobtetrachlorid-Zerfalls Von HARALD SCHAFER, LISEL BAYER und HEIMBERT LEHMASN (Mit 5 Abbildungen) Professor Franx Hein xum 60. Geburtstag gewidmet Inha,ltsubersicht Der Zerfall des Niobtetrachlorids 2 NbCl, = NbCl, + NbCI,g,, wurde untersucht. Hierbei wurden die iiber den festen Bodenkorpern NbCl, und NbCI, herrschenden NbC1,- Drucke zwischen 200 und 340" C mit einer Taupunktsmethode gemessen und thermo- chemisch ausgewertet. Im Rahmen der Arbeit war eine Neuauswertung der Literaturangaben zu den Satti- gungsdrucken uber festem und fliissigem NbCl, erforderlich. Auf prapara.tivem Wege wurde vor kurzem2) gezeigt, daf3 Niob- tetrachlorid bei hoherer Temperatur disproportioniert nach der Gleichung 2 NbCldfest : = NbCl,f,,t + NbCIbgas. Die Kenntnis dieser NbC1,-Zerfallsdrucke ist wunschenswert bei der Darstellung des Niobtetrnchlorids 2, und bei der Niob-Tantal-Trennung durch Reduktion des Niobpentachlorids 3). Zur Druckmessung war im vorliegenden Falle eine T a u punk fs - me thode vorteilhaft : Der (kleine) Eigendanipfdruck des Kiobtetra- chlorids stork dabei nicht und auch geringe, schwer vermeidbare Spuren von Luft und Luftfeuchtigkeit, die zur Bildung von Oxychlorid und Chlorwasserstoff fuhren, haben keinen schadlichen EinfluB. Die Messung mit einer statischen Methode oder nach dem Mitfuhrungsprinzip war dagegen hier weniger empfehlenswert. 1) Mitteilung VIII vgl. H. SCHAFERU. G. BREIL, Z. anorg. allg. Chem. 267, 265 (1952). 2) H. SCHAFER, C. GOSER u. L. BAYER, 2. anorg. allg. Chem. 265, 258 (1951). s, H. SCHAFER u. CH. PIETRUCK, Z. anorg. allg. Chem. 266, 151 (1951).

Beiträge zur Chemie der Elemente Niob und Tantal. IX. Die Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls

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Beitrage zur Chemie der Elemente Niob und Tantal. I F )

Die Qleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls

Von HARALD SCHAFER, LISEL BAYER und HEIMBERT LEHMASN

(Mit 5 Abbildungen)

Professor Franx Hein xum 60. Geburtstag gewidmet

Inha,ltsubersicht Der Zerfall des Niobtetrachlorids 2 NbCl, = NbCl, + NbCI,g,, wurde untersucht.

Hierbei wurden die iiber den festen Bodenkorpern NbCl, und NbCI, herrschenden NbC1,- Drucke zwischen 200 und 340" C mit einer Taupunktsmethode gemessen und thermo- chemisch ausgewertet.

I m Rahmen der Arbeit war eine Neuauswertung der Literaturangaben zu den Satti- gungsdrucken uber festem und fliissigem NbCl, erforderlich.

Auf prapara.tivem Wege wurde vor kurzem2) gezeigt, daf3 Niob- tetrachlorid bei hoherer Temperatur disproportioniert nach der Gleichung

2 NbCldfest := NbCl,f,,t + NbCIbgas.

Die Kenntnis dieser NbC1,-Zerfallsdrucke ist wunschenswert bei der Darstellung des Niobtetrnchlorids 2, und bei der Niob-Tantal-Trennung durch Reduktion des Niobpentachlorids 3).

Zur Druckmessung war im vorliegenden Falle eine T a u p u n k f s - m e t h o d e vorteilhaft : Der (kleine) Eigendanipfdruck des Kiobtetra- chlorids s tork dabei nicht und auch geringe, schwer vermeidbare Spuren von Luft und Luftfeuchtigkeit, die zur Bildung von Oxychlorid und Chlorwasserstoff fuhren, haben keinen schadlichen EinfluB. Die Messung mit einer statischen Methode oder nach dem Mitfuhrungsprinzip war dagegen hier weniger empfehlenswert.

1) Mitteilung VIII vgl. H. SCHAFERU. G. BREIL, Z. anorg. allg. Chem. 267, 265 (1952). 2) H. SCHAFER, C. GOSER u. L. BAYER, 2. anorg. allg. Chem. 265, 258 (1951). s, H. SCHAFER u. CH. PIETRUCK, Z. anorg. allg. Chem. 266, 151 (1951).

SCHAFER, BAYER u. LEHMANN, Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls 269

A. Die MeBmethode 1. Die apparative Einrichtung

Die Abb. 1 zeigt die verwendete Anordnung: Das aus Jenaer Gerateglas hergestellte Reaktionsrohr A wurde durch ein verjiingtes Rohr B mit dem Bodenkorper C beschickt. Danach wurde im Vakuum (0,l mni) bei B abgeschmolzen. Das Reaktionsrohr steckte bei derMessung in dem Kupferkorper D, der seinerseits in dem elektrisch beheizten, thermo- regulierten Aluminiumblock E stand. Der Zwischenraum zwischen E und D war mit Asbest ausgefiillt. Die Bodenkorpertemperatur wurde durch das Kupfer-Konstantan-Thermoele- ment F gemessen4). Bei der Be- stimmung der Taupunkte erfiillte das vom Bodenkorper abgegebene gasformige NbCI, den gesamten Raum A. Durch Erniedrigung der Temperatur des Fingers G konnte dort ein NbC1,-Kondensat niederge- schlagen werden (Taupunktstempe- ratur). Dieser Finger war 40 mm lang und hatte einen Durchmesser von 11 mm. Die Temperatur von G wurde dadurch eingestellt, dad in G eine Fliissigkeit (Nitrobenzol, Anilin oder Anisol) unter einem bestimmten Druck siedete. H stellt eine elek- trische Heizspirale und I ein Kupfer- Konstantan-Thermoelement 4, dar. Der glaserne Dampfmantel K wurde z. B. 10" iiber der Taupunktstempe- ratur gehalten. Dadurch fand eine NbC1,-Kondensation nur am Finger G statt.

Besondere Beachtung erforderte die T e m p e r a t u r v e r t e i l u n g auf dem F i n g e r G. Da die Bodenkorper- temperatur bei den Messungen um

Abb. 1. A n o r d n u n g z u r B e s t i m m u n g d e r T a u p u n k t e

etwa 90 bis 100" iiber der Taupunktstemperatur lag, war die Spitze des Fingers etwas heider als der iibrige Finger. Im Innern des Fingers (in der siedendcn Flussigkeit) waren die Temperaturunterschiede gering. Erheblich war aber das Temperaturgefalle auf der AuDenwand des Fingers. Dieses wurde in Anlehnung an die Arbeitsweise bei den eigentlichen Taupunktsmessungen so ermittelt, dad man den NbCI, + NbCI,-Boden-

4, Eichung der Thermoelemente mit Hilfe der Schmelzpunkte von Zn, Cd und Sn und durch Vergleich mit einem von der PTA geeichten Thermometer bei 150" C (Anisol- Dampfbad). Die Nebenlotstellen der Thermoelemente befanden sich stets auf 0". Die Temperaturmessung lieferte auf +lo genau die wahre Temperatur. Temperaturschwan- kung im Cu-Korper D auf Grund der Thermoregulierung 1 0 , 5 " C.

270 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 268. 1952

korper auf konstante Temperatur erhitzte und durch plotzliche Temperaturerniedrigung von G dort ein NbC1,-Kondensat erzeugte. Danach befand sich Kondensat stets an der obersten (kaltesten) Stelle des Fingers und reichte von dort ausgehend mehr oder weniger weit, nach unten. An der Kondensat-Grenze herrschte die Taupunktstemperatur.

Auf diese Weise ergab sich, daB die Temperatur der auaeren Wand des Fingers bei x2 um etwa 2" und bei x, um etwa 4" hoher war, als bei x1 (vgl. Abb. 1). Die Temperatur bei x1 konnte keineswegs niedriger - eher ein wenig hoher - sein, als die im Innern des Fingers herrschende Temperatur 5 ) . Die im Innern gemessene Temperatur wurde als niit der Temperatur bei x1 ubereinstirnmend angesehen.

2. Arheitsweiso hei der Messung F u l l u n g d e r Mefirohre: Die Rohre wurden mit Niobtetrachlorida) und Niob-

trichlorid 6) beschickt. Die Umfullung der Chloride aus dem Reaktionsrohr, in dem sie hergestellt worden waren, in das Meljrohr geschah im P,O,-trockenen Luftstrom. Nach dem Einfullen wurden die Rohre mit der Olpumpe evakuiert und bei B (Abb. 1) abge- schmolzen.

MeBrohr A: 1300 mg NbCl, + 250 mg NbCl, MeBrohr B: 1100 mg NbCl, + 250 mg NbCl, MeBrohr C: 850 mg NbC1, + 20 mg NbCl, MeBrohr D : 750 mg NbCl, + 400 mg NbCl,.

Messung: Das MeBrohr wurde in der aus Abb. 1 ersichtlichen Weise eingcwtzt. Danach stellte man die gewunschte Bodenkorpertemperatur ein. Gleichzeitig regelte man die Temperatur des Fingers so, daB sie etwa 10 bis 20" uber der zu erwartenden Tau- punktstemperatur lag. Die Temperatur des Dampfmantels K war 5 bis 20" hoher, als die Taupunktstemperatur 7) . Etwa 2 Stunden, nachdem der Bodenkorper die Versuchs- temperatur erreicht hatte, begann man mit der Messung : Durch Erniedrigung des Drucks, unter dem die Flussigkeit im Finger G siedete, wurde die Temperatur des Fingers schritt- weise erniedrigt, bis bei x1 eben ein NbC1,-Kondensat auftrat. Eine geringe Temperatur- erhohung in G lieB dieses Kondensat wieder verschwindens). Man gabelte diese Tau- punktstemperatur immer mehr ein, indem man zunachst in Temperaturschritten von z. B. 3" und zuletzt in Schritten von nur 0,5" vorging. Wesentlich war, dalj man die Boden- korpertemperatur solange unverandert lielj, bis in einem Zeitabschnitt von wenigstens eirier Stunde die wiederholt ermittelte Taupunktstemperatur konstant blieb. Damit

Die dem Finger gegenuberliegende Wand des Reaktionsraumes war hciBer; hier fand bei der Messung niemals NbCl,-Kondensation statt.

6) NbCl, dargestellt a.us Nb + NbCI,, bei gleichzeitiger Sublimation des NbCl,; vgl. H. SCHAFER, C. GOSER u. L. BAYER, Z. anorg. allg. Chem. 265,258 (1951), Abschnitt E, Versuch 20. NbCl, dargestellt durch thermische Zerlegung von sublimiertem NbCI,; vgl. die genannte Veroffentlichung, Versuch 29.

7) Man kann den Mantel K und den Finger G an die gleiche Druckregelung an- schlieBen. Beschickt man beide mit verschiedenen Siedeflussigkeiten, so bleibt bei P- h d e r u n g die T-Di f f e ren z ungefahr gleich. Bei den vorliegenden Messnngen arbeiteten wir aber nicht so.

s, Bei der Bestimmung der Taupunkte lie0 man nur wenig Kondensat auf G ent- stehen, das man auch bald wieder verdampfte, damit das System durch die Messung nicht merklich gestort wurde.

SCHAFER, BAYER u. LEHMANN, Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls 271

war dann erwiesen, daB zwischen Bodenkorper und Gasphase Gleichgewicht herrschte. AnschlieBend ging man zu einer anderen Bodenkorpertemperatur iiber.

Die Gleichgewichtseinstellung bei der endgiiltigen MeBreihe geschah bei 22 MeB- punkteu von kleineren Drucken und bei 13 Punkten von hoheren Drucken her. Bei der Einstellung ,,von obeu" konnte man so vorgehen, daB man im AnschluB an eine Messung bei hoherer Temperatur die Bodenkorpertemperatur erniedrigte. Man konnte aber auch bei konstanter Bodenkorpertemperatur ein erhebliches NbC1,-Kondensat bei G entstehen lassen, das man anschlieljend verdampfte. Der Bodenkorper nahm dann NbCI, auf, bis das Gleichgewicht eingestellt war. Ob das Gleichgewicht ,,yon oben" oder ,,von unten" eingestellt wurde, war auf die Ergebnisse ohne merklichen EinfluR. Das Gleichgewicht

stellte sich also reversibel ein. Diese Reversibilitat lie0 sich auch leicht qualitativ beob- achten: Erhitzte man das MeBrohr auf z. B. 300" und kiihlte dann durch Herausnehmen aus dcm Ofen schnell ab, so kristallisierte vie1 NbCl, an der Glaswand. LieB man dagegen das Rohr nach der Messung im Ofen langsam erkalten, so wurde das NbCl, weitgehend Tom Bodenkorper aufgenommen. Man nahm in der Rage1 das Rohr nach Beendung der filessung aus dem Ofen und fror so den Endzustand ein. Hierdurch sparte man bei der anschlieBenden Messung etwas Zeit.

Die Beobachtung des NbC1,-Kondensats bei x1 geschah bei durchfallender Beleuch- tung mit einer zweifach vergrooernden Leselupe. Dabei war in der Nahe des NbC1,- Schmelzpnnktes zu vermerken, ob das Kondensat kristallin oder fliissig war.

Etwas storend war - iusbesondere bei den hoheren Bodenkorpertemperaturen - der Eigendampfdruck des NbCl,. Das NbCl, schlug sich in braunen Nadeln in der Mitte des MeBrohres nieder und gelangte zum Teil auch bis zum Finger G. Daher muBte das NbCl, yon Zeit zu Zeit im Temperaturgefalle zuriicksublirniert werden. Hierbei befand sich der gesamte Reaktionsraum A im Ofen: Die Stelle mit dem zu entfernenden Sub- limat bei 350" und der gewiinschte Kondensationsort (Abb. 1, C) bei etwa 300 bis 320' Ca).

Eine Falschung der Taupunktstemperatur durch Bildung einer Losung von NbCI, i n NbCl, war bei den Messungen mit fes tem NbC1,-Kondensat nicht zu erwarten. Sie war aber offenbar auch bei den Messungen, bei denen sich fliissiges NbCl, niederschlug, unerheblich.

Eine weitere Storung bestand darin, daB sich geringe NbOC1,-Gehalte - entstanden durch Reaktion von NbCl, und NbCl, mit Spuren 0, oder H,O - nicht vollig vermeiden liefie,. NbOCl, liegt in seiner Fliichtigkeit zwischen NbCl, und NbC1,l0). Das NbOCl, gelangte daher z. T. auf den Finger G und erschwerte dort unter Umstanden die Beob- achtnng des NbC1,-Kondensats. Allerdings war diese Storung nicht sehr ernst: Die weiBen NbOC1,-Nadeln waren vom gelben NbC1,-Kondensat gut zu unterscheiden. Wichtig war ferner, daB sich NbOCI, im fliissigen NbCl, nur im sehr geringen MaBe lost"). Mit einer merklichen Herabsetzung des NbC1,-Sattigungsdruckes durch die Gegenwart von NbOCl, war also nicht zu rechnen.

9) Zur Sublimation des NbCI, vgl. auch H. SCHAFER, C. GOSER u. L. BAYER, 2.

10) Vgl. in der in Anmerk. 9 zitierten Arbeit auf S. 263. 11) H. SCHAFER u. CH. PmmucK, Z. anorg. allg. Chem. 267, 174, 180 (1951).

anorg. allg. Chem. 265, 258 (1951).

272 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 268. 1952

Einstellungs- 1 MeB- richtung voii 1

temp. rohr oben (0) ; vonunten(u) 1

Boden- , Tau- I Einstellungs- 1

korper- I punkt 1 MeB- richtungvon ; temp. rohr ~ oben ( 0 ) ;

" C " C von unten(u)

203,5 1 114 1 273,5 179 222 125,5 I 1 275 1833 1 223 128 , A 1 o 1 277,5 184 223 , 131 ' H 0 1 1 279 186 I A

j 287 192 C 157 C I 288 193 A

236,5 143 D U ~ 280 185 A 0

0

0

142 'A 281 187 B 2 , s ~ 153,3 D

250,5 157 A U 288,5 196 B 251 158 D 299 203 B 257 162 D 303 207 R 257,5 162,5 D 265,s 171,5 D 305,5 210 D

f 1 303 208 D

267 173 A u 1 306 210 €3

u U

U

U

U

U

U

U

0

0

U

U

268,5 1 175 D ~ 11 1

o ' 268,5 177,s A ~ i I 272 1 180 C u / I 273 1 182 C '

L---

309,5 1 216 D 1 11

313,5 U

U

311

250

200

Die rnit den vier Meljrohreii gewonne- nen Ergebnisse stim- men hberein. Auch war es - wie bereits erwahnt - fur den ge- messenen Wert ohne Bedeutung, ob die

d x MeDrohr A

+ Mebrohr C Mebrohr D

o MeDrohr B ,?

/" k P'

-$ k? ./*

a c -z

smp NbCI, --s/4 ' 4;+'i :'

150 /

Bodmkorper-Temperotur "C 100

Gleichgewichtseinstel- lung von hbheren oder

Druclien her erfolgte. Die Abb. 2 bringt neben den oben ge- nannten Werten noch

von niedrigeren NbC1,-

SCHAFER, BAYER u. LEHMANN, Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls 273

gen, die nach dem gleichen Prinzip, aber mit einer einfacheren An- ordnung gewonnen worden waren.

Wegen des bei diesen Orientierungsmessungen herrschenden, bedeutenden Tem- peraturgefalles auf dem Finger G sind diese Taupunkte auf etwa 5" unsicher. Die Er- gebnisse der Orientierungsmessungen wurden daher bei der spateren mathematischen Aus- wertung (Abschnitt D) nicht mit verwendet.

Die in die Abb. 2 eingetragenen Taupunktslinien entsprechen den in den Abschnitten C und D mitgeteilten Gleichungen fur PNbCl, iiber NbCI, bzw. iiber NbCI, + NbCI,. Bemerkenswert ist, daB auch die Ergebnisse der bei den hochsten Temperaturen durch- gefiihrten 0 r ie n t i e rungs messungen sich glatt einfiigen.

Die MeBpunkte liegen angenahert auf zwei geraden Linien. Diese schneiden sich beim Schmelzpunkt des NbCI,. Bei hoherer Temperatur besteht das Kondensat auf dem Finger G aus flussigem NbCl,, bei niedrigerer Temperatur aus kleinen Kristallen. Tritt beim Taupunkt f e s t e s NbC1, auf, so gilt nahe die einfache Beziehung

TTau = TBodenltorper - 94.

Der fruher 2, auf Grund von praparativen Versuchen abgeschatzte Zu- sammenhang von Bodenkorperternperatur und NbC1,-Taupunkt wird durch die jetzl vorliegenden Messungen gut bestatigt.

C. Die Siittigungsdrucke des Niobpentachlorids Zur weiteren Auswertung der beobachteten Taupunkte benotigt

man die NbC1,-Sattigungsdrucke. Hierau liegen Messungen vor von OPICHTINA und FLEISCHER~~), von TARASENKOW und KOMANDIN'~) und ferner von ALEXANDER und FAIRBR0THERl4). Die Abb. 3 ver- anschaulicht diese Literaturdaten. Wir haben alle diese MeBreihen nach der Methode der kleinsten Quadrate ausgewertet und erhielten so fur die Konstanten der allgemeinen Gleichung log PNbC,, (mm) = a + b . lO3/T die folgenden Werte :

S a t t i g u n g s d r u c k e u b e r festem NbCl,:

Mitfuhrungsmethode, OPICHTINA und FLEISCI-IER, a = 11,57 & 0,40; b = -4,38 i 0,17; Sublimationsentropie = 39,8 & 1,s cl; Sublimationswarme = 20,O f 0,s kcal.

12) M. A. OPICHTINA u. N. A. FLEISCHER, Zurnal obg6ej chimij 7, (69), I, 2016 (1937). l3) D. N. TARASENHOW u. A. W. KOMANDIN, Zurnal ob6Cej chimij 10, 11, 1319 (1940). 14) K. M. ALEXANDER u. F. FAIRBROTHER, J. chem. SOC. London 1949, S223.

274 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 268. 1952

Statische Methode, TARASENKOW und KOMANDIN 15;,

a = 10,77 & 0,22; b = -4,Ol & 0, lO; Sublimationsentropie = 36, l 1,0 el; Sublimationswarme

a = 11,38 & 0,24; b -= -4,36 4 0 , l l ; Sublimationsentropie = 38,9 & 1 , l cl; Sublimationswiirme = 20,O 0,5 kcal.

= 18,3 -& 0,5 kcal. Statische Methode, ALEXANDER und FAIRBROTHER,

Abb. 3. S a t t i g u n g s d r u c k e d e s N i o b p e n t a c h l o r i d s

'iiber festem KbCl,: b Mitfuhrung; OPICHTINA u. FLEISCHER Q Statisch ; TARASEXKOW u. KOMANDIN Q Statisch; ALEXANDER u. FAIRBROTHER

uber ilussig. KECl,: 1 Mitfuhrung; OPICHTINA u. FLEISCHER x Statiwh; TARASENKOW u. KOMANDIN

T Statisch; ALEXARDER u. FATRBROTHER Siedemethode ; TARASERKOW u. KOMANDTN

15) Die MeBwerte bei Temperaturen unter 165" C sind bei dieser MeBreihe offen- sichtlich systematisch zu hoch ausgefallen. Sie wurden bei der Berechnung der Konstanten a und b nicht mit verwendet. Bei allen anderen hier ausgewerteten MeBreihen wurden keine MeBpunkte ausgeschlossen.

SCHAFER, BAYER u. LEHMANN, Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls 275

ALEXANDER und FAIRBROTHER haben das gel be NbCI, bei Temperaturen unter 183" C getempert und dabei eine fa rb lose Substanz beobachtet, die sie als neue NbC1,- Modifikation ansprechen. Diese Beobachtung war wohl der AnlaB dafur, daB sie bei der Auswertung der yon ihnen uber festem NbCI, gemessenen Sattigungsdrucke im log P-l/T- Diagramm zwei gerade Linien so durch die MeBpunkte legten, daB sie sich bei 183' C schneiden. Unsere Auswertung ihrer MeBdaten nach der Methode der kleinsten Quadrate lieferte fur die MeBpunkte unter 183" (5 Punkte): log P(mm, = 10,63 - 4,04 . 103/T und fur die 4 MeBpunkte uber 183": log P(mm) = 12,06 - 4,67 . 103/T. Diese beiden Geraden schneidea sich bei t = 168' C, jedoch miiBte danach die bei Raumtemperatur vorliegende Modifikation bei Temperaturen uber 168" in eine Modifikation mit g roderem Dampf- druck ubergehen, was thermodynamisch unmoglich ist. Offenbar ist dieser Schnittpunkt nicht reell und nur durch die geringe Zahl der MeBpunkte zustande gekommen. Der von ALEXANDER und FAIRBROTHER angenommene Schnittpunkt mit dem Obergang in eine s t ab i le re Hochtemperaturmodifikation des NbCl, ist in den MeBpuakten dieser Autoren iiicht enthalten. Da wir auch die praparative Umwandlung des gelben NbCI, in eine farblose Form bisher nicht durchfuhren konnten 11), halten wir die Existenz einer farblosen NbC1,- Modifikation nicht fur ausreichend gesichert.

Bei der Berechnung der in der obigen Zusammenstellung genannten Konstanten (a = 11,38; b = -4,36) wurden alle yon ALEXANDER und FAIRBROTHER iiber festem NbCl, gemessenen Drucke verwendet (9 MeBpunkte).

S a t t ig u n g s d r u c k e u be r fliissigem NbC1, :

a = 8,43 f 0,59; b = -2,84 & 0,29; Verdampfungsentropie 25,4 2,7 el; Verdampfungswarme 13,O & 1,3 kcal.

Siedemethode, TARASENKOW und KOMANDIN a = 7,60 & 0 , l l ; b = -2,45 & 0,05; Verdampfungsentropie 21,6 f 0,5 el; Verdampfungswarme 11,2 f 0,2 kcal.

a = 9,22 & 0,76; b = -3,27 f 0,38; Verda.mpfungsentropie 29,O & 3,5 el; Verdampfungswarme 15,O f 1,7 kcal.

a = 8,36 f 0,02; b = - 2,89 4 0,Ol; Verdampfungsentropie 25,l 0 , l cl ; Verda,mpfungswarme 13,2 0,05 kcal.

Mi tf iihrungsme thode, OPICHTINA und FLEISCH ER,

Statische Methode, TARASENKOW und KOMANDIN,

Statisclie Methode, ALEXANDER und FAIRBROTHER,

Bei der Bildung oines ,,gewogenen Mittels" aus den vorstehenden Literaturwerten ist xu bedenken, dalj die fur dio Konstanten berechneten Fehlerbreiten lediglich ein Ma13 fur die Reproduzierbarkeit darstellen. Sie geben keinen Aufschlulj uber die systematischen Fehler, die bei so empfindlichen Substanaen erheblich sein konnen. Durch systematische

276 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 268. 1952

Fehler sind ohne Zweifel die von TARASENKOW und KOMANDIN auf statischem Wege gewonnenen Werte entstellt. Wir haben diese Mes- sungen daher weniger berucksichtigt und die Gleichungen fur die ,,wahr- scheinlichsten Werte" so gewahlt, daB sie zwischen den MeBwerten von OPICHTINA und FLEISCHER einersejts und denen von ALEXANDER und FAIRBROTHER andererseits liegen. AuBerdem wurde beachtet, daB sich die beiden Geraden im Schmelzpunkt des NbCI, schneiden mussen, den wir fruher11) zu 204,7" C fanden. Als ,,wahrscheinlichste" Gleichungen erhielten wir so

Sublimationsentropie = 39,5 el; Sublimationswa~rme = 20,O kcal Verdampfungsentropie = 25,l el; Verdampfungswarme = 13 , l kca,l Schmelzpunkt = 204,7" C; Siedepunkt(,,,,,, = 250" C.

stehenden Gleichungen. Die in die Abb. 3 eingetragenen Geraden entsprechen den vor-

D. Die Zerfallsdrucke des Niobtetrachlorids

Die im Abschnitt B beobachteten NbC1,-Taupunkte und die irn Abschnit t C gewonnenen , ,wahrseheinlichs ten' ' Gleic hungen fur die NbC1,- Sat tigungsdrucke liefern die Zerfallsdrucke des Niob te trachlorids. Die Abb. 4 zeigt die so erhaltenen Ergebiiisse. Die mathematische Aus- wertung der Meljdaten liefert die Konstanten der Gleichung

= a + b * 103/T

mit a = 13,16 i. 0,14 und h = - 6,19 0,08 log PNbC16 (mm,iiber NbCIJ+NbC1,)

Die folgende Zusammenstellung bringt einige mit der Gleichung = 13,16 - 6,19 . 103/T log pKbc15(mm, iiberNbCl3+NbCI,)

berechnete NbCl,-Drucke'G).

. 1 1,2 1 4 , l 1 12,5 1 36 I 93 I 230 ~ 531 I

Fur die Reaktion NbCISgas + NbCl,iedt = 2 NbCI,fert

Ifi) Die in die Abb. 4 eingetragene Gerade entspricht dieser Gleichung. Die Streuung der MeRpunkte urn die Gerade ist nicht vollig unsysternatisch, was aber wohl nicht auf das JCp-Giied der Reaktion, sondern auf Versuchsfehler zuriickzufiihren ist.

SCHAFER, BAYER u. LEHMANN, Gleichgewichtsdrucke des Niobtetrachlorid-Zerfalls 277

erhalt man mit den oben genannten Konstanten bei der mittbren Bodenkorpertemperatur (259" C) die Reaktionsentropie zu 47,O & 0,6 cl und die Reaktionswarme zu 28,3 &0,4 kcal.

Die Abb. 5 zeigt als Ubersichtsbild dje NbC1,- Drucke iiber den Bo- denkorpern NbC1, fest,

NbC15,,,,,, und NbCI, + NbC1,. Man erkennt, wie sich die Existenzgebiete der Bodenkorper NbCl,, NbC1, und NbC1, anein- ander anschliellen. Mit der Fortfuhrung der Untersuchungen im Ge- biet zwischen Nb und NbC1, sind wir be- schaf tigt .

Das Existenzgebiet des Niobtetrachlorids ist nach hohen Tempe- raturen hin geschlossen und endet bei 420°C in1 Quadrupelpunkt B mit

If 18 1.9 2.0 2. I

Abb. 4. PNbCl6 u h e r NbCI, + NbC1,

den Phasen NbC1,fest, NbCb test,

NbC1,f,,ss,, NbCl,,,,. Die Abb. 5 ist insofern idealisiert, als hierbei angenommen wurde, daB sich NbC1, im flussigen NbC1, nicht lost. Da aber eine Loslichkeit von NbC14 in der Pentachlorid- schmelze beobachtet worden ist ,), I

wird hierdurch die Linie BC der Sattigungsdrucke uber der Penta- 6 chloridschmelze und somit auch der Quadrupelpunkt etwas herab- gesetz t .

* 3

- I

-i Aussagen iiber die Stabilitat des

103/ T - \ * v 2.5 2 2 ~

3 1.5 17 1,9 2.1 2.3

NbCI, sind auch mogIich, wenn NbCl, Abb. 5. E x i s t e n z g t: b i e t d e s NbCI,

278 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 268. 1952

neben NbCI, + TaCI, vorliegt, wie bei der Nb-Ta-Trennung uber das Tetra~hlor id~) . Die beiden Pentachloride bilden im fliissigen und im festen Zustand Mischphasen, die sich nahe wie ideale Mischungen verhaltenll). Die fur die Bestandigkeit des NbCI, ma& gebenden NbC1,-Drucke sind daher leicht berechenbar.

Stuttgart, Institut fu r Physilcalische Chemie der M etalle am Max- Planck-Institut fur Metallforschung.

(Bei der Redaktion eingegangen am 7. Februar 1952.)