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Beitrage zur Chemie des Schwefels. 401) Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergierr Von F. FEHER und G. WINKHATJS~) Mit 2 Ahbildungen Inhaltsubersicht In Fortfuhrung unserer fruheren thermochemischen Untersuchungen wurden die Zersetzungswarmen der Snlfane H,S, bis H,S, bei Itonstantern Volumen in einer zu diesem %week konstruierten Bombc geniessen und rechnerisch auf einheitliche Bedingungen bezogen. Aus den experinientellen GroBen wurden folgende Norrnalbildungsenthalpien er- mittelt (20' C) W , S , : -4,21 kcal/Mol, H,S,: -3,45 kcal/Mol, H,S,: -2,87 kcal/Mol, H,S,: -2,37 kcal/Mol, H,S,: -1,87 kcal/Mol. Wahrend somit die Normalbildungsenthalpien der untersucliten flussigen Schwefelwasser- stoffe samtlich negativ sind - linear mit der Zahl dcr Schwefelatome abnehmend--, ist die Bildung aller gasfiirinigcn Sulfanc: aus den Elementen in ihren Standardzustanden bei Zirnmerternperatur endotherrn ; exotherrn dagegen ist ebenfalls ihre Bildung aus den gasforinigen Elementen S, und H,. Die aus den gcwonncnen Unterlagen unter Heranziehung bekaunter thermischer Daten des Schwefels abschatzbaren Bindungsenergien fur die S-S- und S-H-Bindung sind nahczu konstant bei allen untersuchten Sulfanen. Diese Tatsache bekraftigt die auch andcrweitig erwiesenc Annahme eines kettenformigen Baues dieser Stoffe. Unter dem Vorbehalt der Richtigkeit des der Literatur cntnommenen Wertes von 102,6 kcal/ Mol fur die Enthalpieanderung der Reaktion Sz(g;rs) --f 2 S(gas) ergeben sich die Bin- dungsenergieri Es-s = 63,2 kcal/Mol und Es-H = 83,l kcal/Mol. Aus den ermittelten Bildungsenthalpicn wurden die Warmetonungen verschiedener in der Sulfanchcmie haufiger vorkommender Reaktionen, wio z. B. Disproportionierungrn, errechnet. Die Resultate stchen in tibereinstinimung mit den praparativen Befundcn. 1) 39. Mittlg. F. FEH~R, W. LAUE u. W. KRUSE, z, G. WINKHAUS, Dissertation Koln 1056. Z. anorg. allg. Chern. 292, 203 (1957).

Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

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Page 1: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

Beitrage zur Chemie des Schwefels. 401)

Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergierr

Von F. FEHER und G. WINKHATJS~)

Mit 2 Ahbildungen

Inhaltsubersicht In Fortfuhrung unserer fruheren thermochemischen Untersuchungen wurden die

Zersetzungswarmen der Snlfane H,S, bis H,S, bei Itonstantern Volumen in einer zu diesem %week konstruierten Bombc geniessen und rechnerisch auf einheitliche Bedingungen bezogen.

Aus den experinientellen GroBen wurden folgende Norrnalbildungsenthalpien er- mittelt (20' C )

W,S,: -4,21 kcal/Mol, H,S,: -3,45 kcal/Mol, H,S,: -2,87 kcal/Mol, H,S,: -2,37 kcal/Mol, H,S,: -1,87 kcal/Mol.

Wahrend somit die Normalbildungsenthalpien der untersucliten flussigen Schwefelwasser- stoffe samtlich negativ sind - linear mit der Zahl dcr Schwefelatome abnehmend--, ist die Bildung aller gasfiirinigcn Sulfanc: aus den Elementen in ihren Standardzustanden bei Zirnmerternperatur endotherrn ; exotherrn dagegen ist ebenfalls ihre Bildung aus den gasforinigen Elementen S, und H,.

Die aus den gcwonncnen Unterlagen unter Heranziehung bekaunter thermischer Daten des Schwefels abschatzbaren Bindungsenergien fur die S-S- und S-H-Bindung sind nahczu konstant bei allen untersuchten Sulfanen. Diese Tatsache bekraftigt die auch andcrweitig erwiesenc Annahme eines kettenformigen Baues dieser Stoffe. Unter dem Vorbehalt der Richtigkeit des der Literatur cntnommenen Wertes von 102,6 kcal/ Mol fur die Enthalpieanderung der Reaktion Sz(g;rs) --f 2 S(gas) ergeben sich die Bin- dungsenergieri Es-s = 63,2 kcal/Mol und Es-H = 83,l kcal/Mol.

Aus den ermittelten Bildungsenthalpicn wurden die Warmetonungen verschiedener in der Sulfanchcmie haufiger vorkommender Reaktionen, wio z. B. Disproportionierungrn, errechnet. Die Resultate stchen in tibereinstinimung mit den praparativen Befundcn.

1) 39. Mittlg. F. F E H ~ R , W. LAUE u. W. KRUSE,

z, G. WINKHAUS, Dissertation Koln 1056.

Z. anorg. allg. Chern. 292, 203 (1957).

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F. FEHBR u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Biridungsenergien von Sulfanen 21 1

Eine wichtige calorische GroBe bei der thermodynarnischen Cha- rakterisierung eines Stoffes ist seine Bildungsenthalpie. Einerseits stellt sie bei nicht zu hohen Temperaturen ein angentihertes StabilitatsrnaB dar und andererseits ist ihre Kenntnis zur Ermittlung von Reaktions- affinitiiten, uber die in einer weiteren Arbeit dieser Reihe berichtet werden wird, im allgerneinen unent behrlich .

uber die Bildungsenthalpien der Sulfane liegen bereits einige Unter- suchungen vor :

SABATIER~) errechnete aus der von ihm gemessenen Warmetoriung von + 2,65 kcal/ Mol bei der Zersetzung yon ,,H,S,"*) in gasformigen Schwefelwasserstoff und Schwefel, unter Zugrundclegen der Bildungswarme des H,S mit + 2,3 kcal/Mol, die Bildungs- warme des ,,H,S," bci Zimmertemperatur zu -0,35 kcal/Mol. BICHOWSKI-ROSSINI~) verwendeten den SABATIERSCheIl Wert (+ 2,7 kcal/Mol) und errechneten mit einer ge- naueren Bildungswarme des H,S (+5,3 kcal/Mol) die Bildungswarme des ,,H,S," zu + 2,6 kcal/Mol; ferner schatzten sic die Warmetonung der Reaktion H,S, + 3 S,, + H,S, zu + 3 kcal/hfol nnd erhielten damit cine Bildungswarme fur H,S, von -0,4 kcal/Mol.

Die ersten Messungcn an definiertcn Sulfanen wurdcn in einer fruheren Arbeit der vorliegenden Reihes) durchgefuhrt. Es wurden die Zersetzungswarmen der Sulfane H,S,, H,S, und H,S, bei konstantem Volumen zu 4,39, 5,12 bzw. 5,23 kcal/Mol gemessen und daraus rnit einer Bildnngswirme d ~ s H,S yon $- 4.80 kcal/Mol die Bildungswarmen der Sulfane bei Zimmertemperatur zu +4,2 , +3,5 bzw. +3,4 lical/hfol bcrechnet.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Sicherstellung des vorhandenen Materials und die Ausdehnung der Meesungen auf die inzwischen leichter und reiner zuganglichen hoheren Sulfane. Zu diesem Zweck wurden zunachst, wie im folgenden beschrieben, die Wkrme- tonungen der bei konstantem Volumen durchgefuhrten Zersetzungen der flussigen Sulfane in Schwefelwasserstoff und Schwefel gemessen. Im wesentlichen wurde dabei der fruhere Weg 6, eingehalten, wobei nur das Verfahren zweckentsprechend durch An wendung einer spe- ziellen Stahlbonibe statt eines Glasbombenrohres und durch Beschleuni- gung der Zersetzung rnittels einer Spur MgO modifiziert wurde.

Die Messung der Zersetzungswarmen bei konstariterri Atrnospharcndruck, die in der fruheren Arbeit 6, bercits vcrsuchsweise durchgefuhrt wurde, hat sich auch fur die hoheren Sulfane als ungunstigcr erwiesen, so daB wir von eiricr Fortfiihrung dicscr Versuche ab- gesehen haben. Ein weiterer Weg, die Bildungswarmcn durch hfessung der Verbrennungs-

3, P. SABATIER, C. R. hebd. Seances Acad. Sci. 91, 51 (1880). 4, Das yon SABATIER als H,S, angesehene 01 war nach unseren heutigen Kennt-

nissen kein Pentasulfan, sondern ein ,,Rohol", d. 11. ein Gemisch vori Sulfanen der Brutto- zusamrnensetzung H,S,.

,) F. R. BICHOWSKI u. F. D. ROSSINI, ,,The Thermochemistry of the Chemical Substances", NewYork 1936.

6 , F. FEHBR u. E. HEUER, Z. anorg. Chern. 265, 185 (1947). Vgl. E. HEUER, Uisser- tation Gottingen 1947.

14*

Page 3: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

212 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 292. 1957

warmen zu bestimmcn, wurde in unserem Laboratorium ebenfalls beschritten 7, ; die bis- lierigen Versuche zeigten jedoch eine betrachtliche Streuung der Ergebnisse; der Grund hierfiir ist verrnutlich in der komplexen Zusammensctzung der Verbrennungsprodukte zu suchen.

Experimentelle Durchfuhrung

1. Darstellung und Charakterisierung der Sulfane Die zur Messung verwendeten Sulfane wurden nach bekannten Verfahren8) dar-

gestellt. Die Reinheitspriifung erfolgte durch Analyseg), Molekulargewichtsbestimmungl0) und ramanspektroskopische Untersuchung.

2. Die Zersetzung Die Zersctzung der Sulfane in Schwefel und Schwefrlwasserstoff wurde wie bei der

Analyse mittels Seesaiid durchgefuhrt. Da die Zersetzung, besoiiders der hoheren Sulfane, auf diese Weise fur calorimetrische Zweckc zu langsam vor sich geht, wurde die Wirlr- samkcit verschiedener bcschleunigender Zusatze erprobt. Als gceignet erwies sieh eine Spur dem Seesand beigemischten MgO. Die moglichc Auswirkung dieses Zusatzes auf die Warmcbilanz licgt weit innerhall) der Fehlcrgrenze unscrer Messungen.

3. Die Apparatur Das Zer se t zungsge faR: Die nach unsereii Angabcn angefertigte Bombe (Abb. I),

in der die Zersetzungen durchgefuhrt wurden, besteht aus Edelstahl. Sie hat zylin- drische Form und ist zweiteilig. AUS dem Unterteil A sind 4 FiiWe herausgearbeitet, auf denen die Bombe im CalorimetergrfaU steht; dadurch wird eine Zirkulation

a i 2 3 4 s m u

der Calorimeterfliissigkeit untcrhalb der Bombe crmoglicht. Die kreisfiirinige Kopfflache des Unterteils i.st glatt geschliffeii und wird zur Dichtung und Abgrenzung des Reaktionsraumes rnit einer Aluminiumschcibe S von 1 mm Dicke abgedeckt. In den Hohl- raum der Bombe ist der Stahldorn D lose eingelegt. Das Oberteil B wird mittels eines Gcwindes von 30 mm Liinge (4 G%nge/cm) auf A aufgeschraubt. Aus dern Oberteilkopf ist ein Vierkant K heraus- gearbeitet, an welchem cine Stange F von 30 em Lange ange- schraubt ist.

D a s Calor i rne t e r : Als calorimetrisohe Apparatur diente ein StandardgefS11 dcr Firma Peters, Berlin. Stat t der vorgesehenen Verbrennungsbonibe wurde die oben beschriebene Zersetzungs- bombe in das CalorimetergefaW eingestellt. Als Calorimeter- fliissigkeit verwendeteii wir die mittlerc Fraktion eines kauflichen Xylol-Isomeren-Gcmisches. Das metallene innere CalorimetergefaR wurde zur Vermeidungvon Verdampfungsverlusten rnit einem zwei-

Abb. 1. Zerset- teiligcn Blechdeckel abgedeckt. Zur Temperaturmessung diente ein zungsgefaW BEcKMANN-Thermomcter mit Lupe.

~ -~ -

?) H . K. SCHAFER, Dissertation Koln 1953. 8) F. FEHER, W. LAUE u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 288, 113 (1956). 9, F. FEHER, B. TALPAY u. E. HEUER, Z. anorg. Chem. 555, 316 (1948). I") F. FEHBR, J. KRAEMER u. G. REMPE, Z. anorg. allg. Chem. 279, 18 (1955).

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F. FEHBR u. G. WINKHAUS, Bildungseiithalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 213

4. Durchfuhrung der Messung Zur Einwaage des Sulfans wurden passende Reagenzglaschen unten diinnwandig

SO aufgeblasen, daR der Durchmesser sich nicht wesentlich vergrooerte. Daraus wurden Ampullen vorbereitet, die vor Gebrauch mit hei8er Salzsaure vprbehandelt waren. Etwa 3-4 g Sulfan wurden mit einer Genauigkeit von + 0,2 mg in die Ampulle eingewogen und diese zugeschmolzen.

Die Ampulle wurde vorsichtig in den Hohlraum der Bombe (Abb. 1) - der vorher mit einem Gemisch von etwa 5 g Seesand und 5-10 mg MgO beschickt worden war - aingefiihrt. Nach Abdecken des Hohlraumes niit der Aluminiumscheibe S wurde die Bombe am Schraubstock fest verschlossen. (Diese Handhabungen sind sehr vorsichtig auszufiihren, um eine vorzeitige Zertriimmerung der Ampulle zu vermeiden).

Mittels der Fuhrungsstange F wurde die Bombe dann in das CalorimetergefaIS ein- gestellt und darin unter Riihren zwecks Einstellung der Gleichgewichtstemperatur etwa '/, h belassen. Die Messungen wurden in cinem Raum ausgefiihrt, dessen Temperatur etwa 20 rt 2 ° C betrug. Zu Beginn der Messung wurde mit einem Thermomcter die Temperatur der Calorimeterfliissiglreit bestimmt. Zur Erfassung des apparativ- und umgebungsbedingten Temperaturganges wurde sodann der Gang der Vorperiode bestimmt, iiidem miniitlich die Temperatur am BEcKniANN-Thermometer abgelesen wurde. Sobald der Gang etwa konstant war, wurde die Zersetzung des Sulfans durch ein- bis zweimaliges senkrechtes Hin- und Herstooen der Bombe innerhalb der Calorirneterflussigkeit mittels der Fiihrungsstange eingeleitet. Die erfolgte Zertriimmerung der Ampulle an dern Stahl- dorn zeigte sich durch momentanes Ansteigen der Temperatur an. (Es kam gelegentlich vor, daB der crste Zertriimmerungsversuch nicht zuin Zielc fiihrte,was durch wechselnde Dicke dcs Ampullenbodens bedingt war; in solchen Fallen wurde der Zertrummerungs- versuch wiederholt, nachdem erneut der Gang der Vorperiode bestimmt worden war. Der Temperaturanstieg durch das Bcwegen der Bombe betrug im Durchschnitt weniger als 0,0005 Grad). Darauf wurde der Gang der Hauptperiode durch miniitliches Ablesen der Temperatur bestimmt. Der Haupteil der Warme wird in den crsten 2-3 Minuten frei. Die gesamte Warmeabgabe dauert etwa 10-30 Minuten, zunehmend mit der Ketten- lange des Sulfans. - AnschlieUend wurde der Gang der Nachperiode bestimmt. Die Er- mittlung der korrigierten Temperaturdifferenz aus den Gangbeobachtungen erfolgte durch graphische Auswertung.

Unmittclbar nach jeder Messung wurde der Wasserwert durch elektrische Eichung bestimmt.

Zum SchluB wurde die Bombe aus dern Calorimeter entnonimcn und nach Ab- kiihlen auf etwa -100" C auf dem Schraubstock gcoffnet. (Das Offnen der Bomb? bei Zimmerternperatur ist wegen des herrschenden Innendruckesvon nahezu 20 Atm. schwierig.) Nach Entweichcn des Schwefclwasserstoffes und Erwarmen der Bombe auf Zirrimertem- peratur wurde durch ZuflieBenlassen von Wasser aus einer Biirettc das freie Boniben- volumen bcstimnit, dessen Kenntnis zur Erfassung des gasformig vorliegenden Anteils an Schwefelwassrrstoff notig ist. Dcr angefalleiie Schwefel erwies sich im allgemeincri als trocken und geruchlos. (Nur in ein paar mil3lungenen Versuchen war die Zersetzung durch Verstopfen des Ampullenbodens mit ausgeschiedenem Schwefel nicht vollstandig.) Der Schwefel liegt in der rhombischen Modifikation vor, der manchmal geringe Mengen, im Hochstfalle l%, unloslichen Schwefels beigemengt sind, wie Loslichkeitsversuche in CS, zeigten. Das Vorliegen merklicher Mengen monoklinen Schwefels kann nach allen Er- fahrungen ausgeschlossen werdea. Die geringe, expcrimentell kaum genau erfaobare Unsicherheit im Zustand des Schwefels und die entsprechende Auswirkung auf die Warme- bilanz wurde in unseren Fehlerangaben beriicksichtigt (siehe Tab. 2).

Page 5: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

214 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Bdnd 292. 1957

Ergebnisse der Messungen Bei den Berechnungen in dieser Arbeit wurden folgende Zahlenwcrte verwendet

(LANDOLT-BORNSTEIN, 1953, 6. Aufl., I, 1):

1 em3. Atm = 2,4209 . 1 0 P cal (unter cal ist stets cal,, verstanden).

R = 82,05 om3. Atm. Grad-l. Mo1k1.

Es wurde eine groflere Zahl von Messungen an den verschiedenen Sulfanen durchgefiihrt. Aus den Versuchsdaten ist die Warmetonung fur jede Bombenreaktion leicht zu ermitteln. Die realisierte Reaktion, bei der ein Teil des Schwefelwasserstoffes flussig, ein geringerer Teil gas- formig anfallt und die im wesentlichen (auf 1 Mol bezogen) nach dem Schema

(1)

0" C = 273,16" K.

HzSncf~(1atrn) + x '32S(fl) (p,) + Y HZSW (ps) + (n -- 1) S(rh)(g,) (T und v konstant, ps = Sattigungsdruck des flussigen H,S bei To K, x + y = l )

verlauft 11), ist thermochemisch uniri teressant, da der Endzustand des Systems von Versuch zu Versuch wechselt. Erwunscht fur thermo- dynamische Betrachtungen ist eine Umrechnung a u f eine Reaktion

(11) J 3 2 S n ~ (1Atm) ++ 1J2%1).(pB) -t- (n - 1) S(rh)(ps)

(T = const = 293,1G0 K,

mit ;inem ubersichtlichen, einfachen Endzustand, bei dem der geasmte Schwefelwasserstoff flussig vorliegt.

Die Warmetonung der Reaktion (11) ist gleicli der 'Wbrmetonung der Reaktion (I), vermehrt um die Energieanderung K bei der Konden- sation von y Molen H,S. K ergibt sich aus:

= Y [L - 1's (Vg - V d l .

v = const)

Fur y, den Anteil an gasformigem H2S in der Bornbe, 1aWt sich lcicht der Ausdruck

(mit vm = gernessenes freies Bombenvolunien, v = Einwaage an Sulfan in Mol) ableiten.

11) Dabei wird nicht herucksichtigt, daO in Wirlilichkeit der Druck in der Bombe nicht ps, sondern pe -t m 1 Atrn betragt, sowie die Tatsachr, da13 die Realition in Wirk- lichkeit nicht; streug isotherm verlauft. Aueh wcrden bei dcr weiter unten beschriehenen Umrechnung zwar dic Versuchstemperaturen, die im Bereich von 20" C & 2 lagen, zu- grunde gelegt (s. Tab. I), die Ergchnissc jcdoch als fur 20" C gultig angesehen. Wie die Durchfuhrung einer angenalierten Rcchnung zeigte, tragen diese Faktoren nicht inehr als 0 , l % zur Gesamtwarmetonung bei, so daIj sie nicht herucksichtigt zu werden brauchen. Die Verhaltnisse sind in der Dissertation (s. Fu Wnote 2) ausfuhrlich dargclegt.

~ ~ ~

Page 6: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

F. F E H ~ u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 215

L, die Verdampfungsenthalpic des Schwefelwasserstoffes, wurde, da direkte Mcs- sungen bei Zimmertempcratur nicht vorliegen, aus neueren Dampfdruclimessungei (CRACOE, vgl. G M E L I N ~ ~ ) , S. 23) unter Bnrucksichtigung der Verhaltnisse in realen Gasen Init Hilfe der CLAUSIUS-CLAPEYRON-Beziehung

d In ps L -

dT Ps . T ( V g - V d

crrechnet. Fur den in Frage kommenden Temperaturbereich ergibt sich: L,, = 3,70, L,, = 3,67, L,, = 3,64 (kcal/Mol).

ps , der Sattigungsdruck des flussigen Schwefelwasserstoffs bei der Versuchstem- peratur, wurde den Dampfdruckniessungen yon CRACOE (vgl. GMELIN~,), S. 23) ent- nommcn: p: = 16,83, p: = 17,70, p2gi! = 18,58 (Atm).

V,, das Volunicn des gasforrnigen Schwefelwasserstoffs unter dein Druck ps, wurde mit Hilfe der V A N DER WAALSschen Gleichung, dercn Konstanten aus den bekannten kritischen Datcn (GMELIN~,), S. 23) zu a = 4,45 . 106 cm6 . Atm . MolF und b = 43,07 cm3. Mol-1 errechnet wurden, ermittelt: V: = 1260, V r = 1200, V r = 1145 (cm3/Mol).

Fur V,,, das Volumen des flussigen H,S, wurde der Wrrt 43,3 cm3/Mol (vgl. G M E L I N ~ ~ ) , S. 21) fur den interessierenden Temperaturbereich eingesetzt.

Iir dcr Dissertation (s. FuBnote 2) sind die im vorigen angcdeuteten Berechnungen sowic rine Fehlerdiskussion ausfuhrlich durchgefuhrt.

In Tab. 1 sind die Versuchsdaten, die 'Werte der Umrechnungs- groBe K sowie die sich ergebenden Warmetonungen der Reaktion (I) und Reaktion (11) fur eine Anzahl von Versuchen aufgefuhrt.

In Abb. 2 sind die erhaltenen Warmetonungen der Reaktion (11) graphisch als Funktion der Sulfankettenlange eingetragen.

Erlauterungen zu Tab. 1: Spalte 1: = laufende Nummcr der Messung.

2: = Wasserwert in cal (Wa). 3: = Einwaage an Sulfan in g (m). 4: = Kettenlange des Sulfans H,S,. 5: = Molekulargewiclit (M) des Sulfans nach: M = 32,06. n + 2,02. 6: = Mole Sulfan ( Y ) ; aus v = m/M. 7 : = Mittlere Calorimet,ertemperatur bei der Zersetzung, in O C; auf-

8: = Kor. Tcmperaturdifferenz bei der Zersetzung (6). 9: = Gemessenes freies Bombenvolumen; in cm3 (vm),

rundet auf 0,5 Grad.

10: .= Warmetonung (Z) der auf 1 Mol bezogcnen Bombcnreaktion (I) in cal/Mol:

z = - - . W,.6 V

11: = Unirechnungsgrohe K in cal. 12: = Warnictonung (W,) der Reaktion I1 in cal/Mol; aus W, = Z + K.

1,) GMELINS Handbuch der anorganischen Chemie, 8. Aufl., Syst.-Nr. 9 B (1953).

Page 7: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

216 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine CheInie. Band 292. 1957

0,108,

- 1

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 30 2 1 82 23 84

-

7,30 _______

2

129,O 129,O 130,9 132,8 132,8 152,l 159,l 160,7 160,7 165,s 191,5 197,6 197,G 204,3

1103 1036 1015 1004 1024 1059 1021 1009 984

1084 1031 1034 1016 1118 1065 1068 1101 1103 1082 1051 1032 1057 1076 1125

0,0227 0,0303 0,0366 0,0224 0,0226 0,0282 0,0296 0,0279 0,0185 0,0195 0,0213 0,0162 0,0195

I 0,0203

3

3,0150 2,8345 3,1212 2,5681 2,9739 3,5711 4,0859 3,2866 2,3228 3,4655 2,9338 3,9079 4,7875 2,9775 3,0055 4,2945 4,7122 4,4873 2,9768 3,2312 4,0810 3,1962 3,8536 4,1492

Tabelle 1

4 / 5 1 6 --__

2,OO 2,oo 2,00 2,00 2,11 3,Ol 3,03 3,07 3,lO 3,05 3,96 3,96 4,02 4,08 4,08 4,65 4,90 4,95 4,95 5,11 5,91 6,10 6,10 6,31

.~

7

19,o 22,0 19,o 22,o 20,o 19,o 19,o 22.0 22,o 19,0 20,o 20,o 21,o 20,0 18,O 18,O 19,0 20,o 18,O 21,5 21,o 22,0 22,o 19,o

~

8

0,158 0,167 0,190 0,163 0,174 0,181 0,199 0,148 0,100 0,148 0,111 0,150 0,190 0,095 0,105 0,144 0,147 0,146 0,090 0,100 0,121 0,087 0,102

___

8,83 7,65 8,10 7,23 9,70 8,43 6,57 8,62 8,49 7,73 7,54 8,01 7,98 8,91 8,23 7,56 9,70 6,20 8,Ol 7,24 7,41 7,43 8,65

3822 4032 4087 4218 4173 4763 4932 4568 4297 4637 5042 5119 5275 4741 4948 5455 5468 5733 5262 5390 5863 5677 5629 5986

406 386 347 40 9 496 448 314 630 937 486 795 608 492 975 847 594 768 492

1029 929 856

1188 1145 854 __

_- 1 2

1228 4418 4434 4627 4669 5201 5246 5198 5234 5123 5837 5727 5767 5716 6795 6049 6236 6225 6291 6319 6719 6865 6774 6839

__

_ _

Aus den erhaltenen W,-Werten ergeben sich durch algebraische bzw. hische Mittelung die Warmetonungen

fl (H, Sn) 3 4 5 6

Abb. 2. Zersetzungswarmen bei konstantem Volumeri

W, fur die Reaktion (11) der reinen 8ulfane. Sie siitd in Tab. 2 aufgefuhrt.

Von Interesse ist fer- ner die Warnietonung W, der unter normalen Be- dingungen stattfindenden Zerfallsreaktion der Sul- fane :

H A ( f l ) + H&,, + (n- 1) %h)

(T = const. = 293,16” K,

p := const = 1 Atm). (111)

Die Umrechnung yon W, der Reaktion (11) in W, der Reaktion (111) ergibt sich

Die Energicanderung AUIII dcr Reaktion (111) betragt: auf Grund einer Berechnung nach folgender Ubcrlegung :

dU,,, = W, + A v . p (dv = Volumanderung bei der Reaktion (111), p = 1 Atm).

Page 8: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

F. FEH$R u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 21 7

- h , s , I w,, (kcal/Mol) 1 AW,

1 0,76 0,58 0,50 0,50

- __

Sie ist gleich der Energieanderung W,, vermindert um die Expansionsenergie L - ps (Vg - Vfl) fur die Entspannung von 1 Mol Schwefelwasserstoff sowie um die mit der Expansion des verdampften H,S von ps + 1 Atm verbundenen Energie AUExp1*), also :

Fur die zur Errechnung von Av notigen Molvolumina wurden folgende Werte eingesetzt: Vols, = 23911 cm3/Mol; VSrh = 15,6 cm3/Gr. Atom (vgl. GMELIN15)); VH,s, =

W, = W, - A V . p - L + ps (V, - Vfl) - dUEXp.

H,S, ~ + 0,59 5 0,1513) H,S3 + 1,35 & 0,17 1 H,S, ~ + 1,93 0.24 1 H,S, + 2,43 & 0,26 H S, + 2,93 i 0,28 I -_

! 0,78 0,58 0,50 1 0,50

49,6 + (n - 2) I 16,416). Es ergibt sich nach Umrechnung: p . Av = 0,58 kcal/ Mol. Fur L, ps, V,, V,, wurdcn die weiter oben angebenen, fur 20" C gultigen Werte eingesetzt. (L = 3,67 kcal/Mol; fur ps (V, - Vfl) ergibt sich nach Umrech- nung : 0 3 0 kcal/Mol) -AUExp =AUps ~ =

f dV. (Mit V, = 23911 cm3/Mol,

V2

V, = 1200 cm3/Mol und a = 4,45. 1C6 cm6. Atm - Mok2 (s.oben) folgt nach Um- rechnung: 0,09 kcal/Mol.)

Die erhaltenen W,-Werte fur die Reaktion (111) sind in Tab. 3 aufgefuhrt .

Zum Vergleich seien die aus 3 Mes- sungen an Disulfan direkt erhaltenen W,-Werte (Messungen im offenen System bei Atmospharendruck) angefuhrt: 0,56, 0,65, 0,87 kcal/Mol. Die ubereinstim- mung mit dem Disulfan-Wert der Tab. 3 ist bcfriedigend. Im allgcmeinen aber streuten die direkt erhaltenen W,- Werte, besonders bei den hoheren Sulfanen zu stark, so daB, wie schon erwahnt, diese Versuche aufgegeben wurden.

Wie aus den Tabellen und aus Abb. 2 ersichtlich, ist der Zerfall aller untersuchten Sulfane sowohl in Schwefel und flussigem Schwefelwasser- stoff als auch in Schwefel und gasforrnigern H,S bei Zimmertemperatur

19 Die Fehlerangaben stellen die mittleren absoluten Fehler dar; sie wurden an Hand einer Fehlerdiskussion ermittelt. Die ungenaue 2. Dezimale der W,-Werte wird nur aus formalen Grundcn mitgefiihrt. Der im Vergleich zu andercn calorimetrischen Bestimmungen verhaltnismaRig groBe Fehler unserer Mcssungen erklart sich durch die Eigenart der untersuchten Substanzen und die geringfugigc Unsichcrheit uber den Zu- stand des entstehenden Schwefels.

14) Die mit der Entspannung des Schwefels verbundene Energieanderung sowie sonstige Einflusse sind vernachlassigbar (Naheres siehe Dissertation, FuBnote 2).

15) GMELINS Handbuch d. anorganischen Chcmie, 8. Aufl., Syst.-Nr. 9 A (1953). la) F. FEHER, W. LAUE u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 290, 52 (1957).

Page 9: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

218 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemle. Band 292. 1957

exotherm - nahezu linear zunehmend mit der Kettenlange. Dem ent- spricht die Erfahrung, dalj die Sulfane zum Zerfall in Schwefelwasserstoff

Tabcllc 4 _ I _ _ _ _ ~ _

Enthalpieindcrung 1 Litcratur

AHl =- 4,80 ~~~~

3Hz = + 8,07 HzS, + 10,89 H,S, i 13,57 H.,S, + 16,34 H,S, +19,11 H,S,

AH, = +15,4

AH, = +51,.? ..

l') .- ~

17) Diese Konstante ist die unsichcrste un- ter den thermodyna- niischen GrdBen des Schwefels. Der ange- gebene Wert ist untcr vcrschiedenen anderen diskutierten Werten als der derzeit sicher- ste anziisehen (vgl. '9))

1 . HzSj(g) = 734

- ~ _ _ _ ~

17) W. H. EVANS u. D. D. WACMANN, J. lies. nat. Bur. Standards 49, 141 (1952). I*) F. F E H ~ R u. G. HITZEMANN, siehe folgende Mitteilungen. G. HITZEMANN, Diplom-

arbeit Koln 1955. l9) J. L. FRANKLIN u. E. H. LUMPKIN, J. Amer. chem. SOC. 74, 1023 (1952). 20) F. D. ROSSINI u. a., NBS Circular 5009 Sel. Val. Chcm. Therm. Prop. 1952 *l) W. F. GIAUQUE, J. Amrr. chem. Soc. 52, 481G (1930). **) Zu dicscn Wertcn vgl. K. H. SCHAFER, Dissertation Koln 1953 und G. WINK-

HAUS, Diplomarbeit Koln 1953, noch nicht veroffcntlicht. Der Wert fur H,S, ist extra- poliert. Allen Daten kann man nur cine Genauiglieit auf f LOYO wpgen der Unsicherhcit in der Kenntriis der Hemnipotentiale der Inneren Rotationon zumessen. Genauerc An- gaben werden nsch AbschlulJ noch laufendcr [Jntersuchungcn geinacht werden.

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F. FEHBR u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 219

a) b) c)

1 d) i

j32 (g ) + n S(rh) HzPn(f l ) J32(g) + n S ( r h ) + H2Sn(g) H2(g, + 4 2 S,(,, + HzSncs, 2 H,,, + n s(g ) + HzPn(g)

AH, = + AH, + W, AH,, = + AH, + AH2 + kZ5) AH,=+AH,- -AH, AH, = + AH, - n d H , - 2AH, ,

_ _ ~-

ps wenn man - wie es in diesem Druckbereich zulassig ist - die Virialgleichung pV = RT-pB mit B = b-a/RT verwendet. Mit den anderweitig erhaltenen 20) Sattigungsdrucken und kritischen Daten der Sulfane und den daraus errechneten VAN DER WAALschen Konstanten a und b ergibt sich: H,S, Tk=572 p,=58,3 p,=0,116 Atm a=15,94. lo6 b=100 ,7 k=- 26 cal/Mol H,S, 738 50,6 0,0018 Atm 30,60 . lo6 149,7 - 58 cal/Mol H,S, 855 4 3 , l 0 Atm 4 8 , 1 8 . lo6 203,6 - 92cal/Mol H,S, 930 38,4 0 Atm 63,98. lo6 248,5 -123 cal/Mol H,S, (extrapoliert) - 185 cal/Mol Den k-Werten ist nur eine Genauigkeit von & l o % beizumessen, da pa, T,, pk indirekt ermittelt wurden. Wegen der geringen GroBe von k ist dies jedoch ohne Bedeutung.

F. FEHBR u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 219

und Schwefel neigen und daB die thermische Bestandigkeit mit wachsen- der Kettenlange abnimmt. Ihre Bestandigkeit als metastabile Substanzen hat kinetische Ursachen und erklart sich dadurch, daI3 zur Einleitung des Zerfalls eine Aktivierungsenergie aufzubringen ist, die nach kineti- schen U n t e r s ~ c h u n g e n ~ ~ ) fur Disulfnn etwa 25 kcal/Mol betragt. Die im Vergleich zu Disulfan erhohte Bestandigkeit der hoheren Sulfane gegen Zersetzungskatalysatoren ist ebenfalls kinetisch bedingt.

Die Bildungsenthalpien der Sulfane 24)

Fur die nachstehenden Umrechnungen wurde eine Anzahl thermo- dynamischer Daten benotigt. Ihre Werte und Herkunft sind in der folgenden Obersicht (Tab. 4) zusammengestellt (fur 293,16" K; Ein- heit : kcal/Mol).

Aus unseren MeBdaten (Tab. 3) sowie den in Tab .4 zusammen- gestellten Werten wurden die in Tab. 5 aufgefuhrten Enthalpieanderun- gen folgender Bildungsreaktionen, wie angegeben, berechnet (T = 293,16" K, p = 1 Atm):

23) F. FEHER u. Ho. WEBER, 2. Elektrochem. Ber. Bunsenges. physik. Chem. 61, 385 (1957).

z4) Realrtionswarmen werden im folgenden stets als die auf das System bezogenen Enthalpieanderungen AH angegeben ; AH ist positiv bei endothermen und negativ bei exothermen Reaktionen.

25) Die GroWe lr erfal3t die mit der Kompression der gasforrnigen Sulfane von ihrem Sattigungsdruelr pi, bei dern.sie verdampft wurden, auf 1 Atrn verbundene Enthalpie- anderung. k berechnet sich nach:

ps wenn man - wie es in diesem Druckbereich zulassig ist - die Virialgleichung pV = RT-pB mit B = b-a/RT verwendet. Mit den anderweitig erhaltenen 20) Sattigungsdrucken und kritischen Daten der Sulfane und den daraus errechneten VAN DER WAALschen Konstanten a und b ergibt sich: H,S, Tk=572 p,=56,3 p,=0,116 Atm a=15,94. lo6 b=100,7 k=- 26 cal/Mol H,S, 738 50,6 0,0018 Atm 30,60 . lo6 149,7 - 58 cal/Mol H,S, 855 43, l 0 Atm 48,18. lo6 203,6 - 92cal/Mol H,S, 930 38,4 0 Atm 63,98. 106 248,5 -123 cal/Mol H,S, (extrapoliert) - 165 cal/Mol Den k-Werten ist nur eine Genauigkeit von & l o % beizumessen, da pa, T,, pk indirekt ermittelt wurden. Wegen der geringen GroBe von k ist dies jedoch ohne Bedeutung.

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220 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 292. 1957

Ferner wurden in Tab. 5 die mit Hilfe der Enthalpien der Reak- tions teilnehmer aus AH, errechneten atomaren Bildungsenthalpien A H , bei 0" K aufgefuhrt, also die Enthalpieanderung der Reaktion:

2 H(g) + n S(g) + HzSn(g, bei 0" K. Sie ergibt sich aus:

AH, = AH, - ( ~ z o o c - E h n d p r o o b k t e + (Hmoc> - E3Ausgangsprodukte.

Aus Tab. 5 geht folgendes hervor:

Die Bildung der flussigen Sulfane aus ihren Elementen bei Zimmer- temperatur (AH,) ist exotherm, ab H,S, linear abnehmend mit der Ke ttcnlange.

Vergleicht man damit den Wert von SABATIER~) fur Rohol ( m H,S,), so ergibt sich eine recht gute ubereinstimmung. BICHOWSKI-ROSSINI gelangten zn eincr positiven Enthalpieanderung bei der H,S,-Bildung, weil sie die Ileaktion H,S, + 3 Srh + H,S, als exotherm a b ~ c h a t z t e n ~ ) , wahrend aus Tab. 5 hervorgeht, daU sie mit AH = +1,84 kcal/Mol endotherm ist. Die friiher in unserem Laboratorium gefundenen Werte 6, (vgl. auch weiter vorne) fur H,S, nnd H,S, stimmen innerhalb dcr Fehlergrenzen init unseren jctzigen Ergebnissen uberein, wahrend wir fur H,S, eincn ,&was niedrigeren Wert als da- rnals erhalten haben, vermutlich zuruckzufiihren auf die Vervollstandigung und Beschleuni- gung der Zersetzung durch die Beimischung eincr Spur MgO sowie auf die Verbcsserung der Arbcitstechnilr.

Die Bildung der gasformigen Sulfane aus den Elementen in ihren Standardzustanden (AH,) bei Zimmertemperatur ist endotherm, prak- tisch ab H,S, linear mit der Kettenlange zunehmend; letzteres ist dadurch bedingt, dafl sowohl AH, als auch die Verdampfungsenthalpien der Sulfane nahezu lineare Funktionen der Kettenlange sind.

Die Rildung gasformiger Sulfane aus S, und H, Molekeln (AH,) ist bei Zimmertemperatur exot,herm. Diese Tatsache ist fur eine bei hoheren Temperaturen - bei denen Schwefeldampf zu einem hohen Prozentsatz aus S,-Molekeln besteht - zu versuchende Snythese in- teressant, obwohl die Aussage zunachst nur einen groben Anhalt bietet,

Page 12: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

F. FRH$R u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien yon Sulfalien 221

da eine Umrechnung auf hohere Temperaturen erst nach genauer Kennt- nis der thermodynamischen Funktionen der Sulfane moglich ist.

Die Bildung aus den gasformigen Atomen (AH,) zeigt ebenfalls einen mit der Kettenlange linear zunehmenden exothermen Verlauf.

Bindungsenergien der S-S- und S-H-Bindung Die negative Bildungsenthalpie AH, (Tab. 5) eines gasformigen

Sulfans aus den Atomen bei 0 O K (Elektronengrundzustande ; ideale Gase) kann als die molare Summe der Valenzenergien des Sulfans ange- seken werden. Aus AH, lassen sich daher die Bindungsenergien fur die S-S- und S-H-Bindung, d. h. die auf die gleichartigen Bindungen im Durchschnitt entfallenden Energien, abschatzen.

Der Verlauf von AH, 1aSt sich a b H,S, als Funktion der Ketten- lange angenahert darstellen nach :

He = - [166,2 + (n - 1) 63,2].

Daraus lassen sich die Bindungsenergien ES-, = 63,2 kcal/Mol E,, = 83,l kcallMilo1

entnehmen. Die aus LIH,,,~, = -173,4 kcal/Mol zu entnehmende Bindungs-

energie Es-H = 86,7 kcal/Mol beim Schwefelwasserstoff? dem Anfangs- glied der Reihe, weicht merklich von dem obigen E,-,-Wert ab. Eine derartige Sonderstellung des Anfangsgliedes einer homologen Reihe ist nicht aul3ergewohnlich. Auch H,S, zeigt noch eine kleine, aber nur unerhebIiche Abweichung. Es ist zu erwahnen, dafi die aus den RAMAN- Spektren des Schwefelwasserstoffes und der Sulfane zu erschlieflenden Kraftkonstanten ein ahnliches Verhalten zeigen.

Die Absolutwerte der so abgeleiteten Bindungsenergien werden unter dem Vorbehalt der Richtigkeit der unsicheren Atombildungs- energien (AH,, A H5) angegeben Z8). Fur unsere Belange wesentlich ist nur das Ergebnis der Konstanz dieser Bindungsenergien ; dieses Resultat ist unabhangig von der GroSe der eingesetzten Atombildungswarmen. Es stellt eine weitere Stutze dar fur die vielfaltig belegt,e Auffassung einer kettenformigen Struktur der Sulfa'ne.

ReaLtionsenthalpien einiger wichtiger Iteaktionen Aus den Bildungsenthalpien der Tab. 5 und den ubrigen angefuhrten

Daten werden im folgenden die Reaktionsenthalpien (in kcal/Mol)

26) Zum Vergleich seien die Angaben anderer Autorcn iibcr die Bindungsenergien dcr S-S- und S-H-Bindung angegeben (vgl. LANDOLT-BORNSTEIN). H. G. GRIMM 11.

H. WOLFF: Es-s = 64 (amcystin), ES-= = 86 (aus H,S). L. PAULING: ES+ =

64,4 (aus S,Cl,), Es-H = 87,2 (aus H,S).

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222 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 292. 1957

einiger praktisch interessierender Reaktionen bei Zimmertemperatur berechnet. Die Umrechnuiig auf andere Temperaturen kann leicht er- folgen, sobald die spez. Warmen bzw. die thermodynamischen Funk- tionen genauer bestimmt sind.

Die Ergebnisse der folgenden Rechnungen sind naturgernaB nur als ungefahrer Anhalt fur die praktische Durchfiihrbarkeit der Reaktionen zu werten, ds abgesehen davon, daB auch kinetischc Faktoren eine Rolle spielen, quantitative Aussagen iiber Glcichgewichtslagen erst nach Kcnntnis dcr Freien Reaktionsenthalpien gemacht werden konnen.

1. Die von uns praparativ durchgefuhrtt: Darstellung von H,S,, H,S, durch Krackung hoherer Sulfanes) lCiJ3t sich durch folgende sche- matische Gleichungen darstellen :

H,S,(,) --f H,S,(,, + 4 S(rh) mit AH = -13,24

H,S,(,, + H,S(,) + 5 Sirh) rnit AH = -21,88.

Die arigegebenen Reaktionsenthalpien beziehen sich zwar auf eine Durchfiihrung der Reaktion bei Zimmertemperat ur, wiihrend die Krackung bei etwa 150" C verlauft, erlauben jedoch einen Vergleich. Wie ersicht- lich ist die 13,s-Bildung bevorzugt. DnB trotzdem praparativ H,S, auf diesem Wege in guter Ausbeute gewonnen werden ka'nn, da'rf als typi- sches Beispiel in der Sulfanchemie angesehen werden : Entsprechend der OsTwAmschen Regel geht die Reaktion dabei nicht unmittelbar bis zur Stufe minimaler Energie, sondern iiber met,astabile Zwischenstufen, dic infolge betrachtlicher Hemmurig der Weiterreaktion faBbar sind.

2. Rei der Alterung sowie bei der thermiechen Behandlung von Sulfanen wurden Disproportionierungsreaktiorien, wje z. B.

2 H,S, -> H,S, + H,S,

beobachtet. Da die Reaktion mit -0,18 kcal/Mol bei Zimmertem- temperatur exotherm ist, ist diese Tatsache verstandlich.

3. Es gelingt k)ei normalen Temperaturen und Drucken praparativ nicht, durch Einwirkung von Schwefel auf Sulfane hohere Homologe aufzubauen. Dem entspricht der Befund, da13 die Reaktionen

H2S4j4(11) + 2 S(rh) + H2S6(fl) mit AH := + 1 ,OO H,S,(,) + 2 --f H,S,(,, mit AH == + 6,47 H,S(,, $- S(,,, + H2S2(rl) niit AH := + 0,69

endotherm sind. Dagegen wiirdc z. B. die Reaktion

H,S,,, 4- l/, S2(g) + H2S2(g) rnit A H .= - 6,76

bei Zinimerteniperatur exotherm verlaufen. Eine genaue Aussage iiber die priipamtive Durchfiihrbarkeit dieser Reaktioii, die bei hoherer

Page 14: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 40. Zur Thermochemie der Sulfane: Bildungsenthalpien und Bindungsenergien

F. F E H ~ R u. G. WINKHAUS, Bildungsenthalpien und Bindungsenergien von Sulfanen 223

Temperatur ausgefuhrt werden muate, lafit sich ohne Kenntnis der thermodynamischen Funktion aber auch hier noch nicht machen.

4. Die von uns durchgefuhrte Kondensationsreaktion 27)

2 H,S,(ft) + S2%m + H2Se(n) + 2 aq,, erweist sich niit BII L- --23,4 kcal/Mol entsprechend ihrer Realisier- barkeit als exotherm. (Bei der Berechnung von AH wurde als Bildungs- enthalpie fur S2CI2 der Wert -14,3, fur HC1 - 2 2 , l verwendet (vgl. 5).)

Ebenso ist die praktisch realisierbare 28) Reaktion von Disulfan niit Chlor nach

stark exotherm.

durchgef uhrt.

2 HzSz(fll + Clz(gl = HzS4(fl) + 2 HCI,,) mit AH = - 38,7

5. Hydrierungsreaktionen an Sulfanen wurden noch nicht direkt Sie sind thermodynamisch jedoch begunstigt, z. B. :

H,(g) + HzS3(fl) + H,SIg1 4- HzS,(f,l mit AH = -5,56

H2W + HzSz(g1 -+ 2 HZS(,I mit AH = - 13,44.

Die Zahl der aufgefuhrten Beispiele wird in einer spateren Arbeit, in der auch Reaktionsaffinitaten mitgeteilt werden, erweitert.

2 7 ) F. F E H ~ R , W. LAUE u. J. KRAEMER, Z. Naturforschg. 7b, 574 (1952); F. F E H ~ R u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 288, 123 (1956).

F. F E H ~ R u. W. KRUSE, noch nicht veroffentlicht.

Koln, Abteilung fur Anorganische und Anal ytische Chemie des Che- mischen Instituts der Universittit.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. Juni 1957.