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42 F. Foerstcr und E. Kircheisen. Beitrage zur Kenntnis der schwefligen Saure und ihrer Salze. VII. Uber die Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfhydrat. Von F. FOERSTER und E. KIRCHEISEN. Mit einer Figur im Text. 1. Einleitung. Bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf schweflige Saure entsteht die Lijsung von Pentathionsaure und Tetrathionsaure neben freiem Schwefel, und nur Spuren von Thioschwefelsaure und Tri- thionsaure machen sich daneben bemerkbar. LaBt man statt der freien Sauren ihre primiiren Alkalisalze, also die Anionen SH und S0,H.' bei geringer H-Konzentration, aufeinander wirken, so ent- steht, wie vor einiger Zeit schon mitgeteilt wurde') in glatter und schneller Wechselwirkung das Anion der Thioschwefelsture S,O,", wenn SH und SO,H im Molverhaltnis 1:2 zur Wechselwirkung gelangen: 2 SH += 4 S0,H' -+ 3 S20/ + 3H,O. Dabei treten, wie auch schon mitgeteilt, in sehr geringem MaBe die Produkte von Nebenvorgangen auf. Deren Betrag kann gestejgert werden durch Anwendung des Molverhaltnisses, in welchem man Sulfhydrat und Bisulfit aufeinander wirken lafit. Die dabei auf- tretenden Erscheinungen sind, wie sich zeigte, fur die Theorie der Entstehung der Polythionsauren von Bedeutung. Sie wurden daher naher verfolgt; iiber die dabei gewonnenen Ergebnisse sol1 im Fol- genden berichtet werden. (1) 2. Ausgangsmaterialien und Arbeitsweise. F u r die sichere Verfolgung des Reaktionsverlaufs ist es von ausschlaggebender Bedeutung, daf3 die Ausgangsstoffe tunlich genau hergestellte Losungen von Sulfhydrat und Bisulfit sind, alao weder die binaren Salze M,S bzw. M,SO, noch die freien Sauren H,S bzw. H,SO, in nennenswert anderem MaBe enthalten, als sie von Natur in den LSsungen von reinem Sulfhydrat bzw. Bisulfit im l) F. FOERSTER u. E. TH. MOMMSEN, Bcr. 57 (1924), 258.

Beiträge zur Kenntnis der schwefligen Säure und ihrer Salze. VII. Über die Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfhydrat

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42 F. Foerstcr und E. Kircheisen.

Beitrage zur Kenntnis der schwefligen Saure und ihrer Salze.

VII. Uber die Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfhydrat. Von F. FOERSTER und E. KIRCHEISEN.

Mit einer Figur im Text.

1. Einleitung.

Bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf schweflige Saure entsteht die Lijsung von Pentathionsaure und Tetrathionsaure neben freiem Schwefel, und nur Spuren von Thioschwefelsaure und Tri- thionsaure machen sich daneben bemerkbar. LaBt man statt der freien Sauren ihre primiiren Alkalisalze, also die Anionen S H und S0,H.' bei geringer H-Konzentration, aufeinander wirken, so ent- steht, wie vor einiger Zeit schon mitgeteilt wurde') in glatter und schneller Wechselwirkung das Anion der Thioschwefelsture S,O,", wenn S H und SO,H im Molverhaltnis 1 : 2 zur Wechselwirkung gelangen: 2 S H += 4 S0,H' -+ 3 S20/ + 3H,O.

Dabei treten, wie auch schon mitgeteilt, in sehr geringem MaBe die Produkte von Nebenvorgangen auf. Deren Betrag kann gestejgert werden durch Anwendung des Molverhaltnisses, in welchem man Sulfhydrat und Bisulfit aufeinander wirken lafit. Die dabei auf- tretenden Erscheinungen sind, wie sich zeigte, fur die Theorie der Entstehung der Polythionsauren von Bedeutung. Sie wurden daher naher verfolgt; iiber die dabei gewonnenen Ergebnisse sol1 im Fol- genden berichtet werden.

(1)

2. Ausgangsmaterialien und Arbeitsweise.

F u r die sichere Verfolgung des Reaktionsverlaufs ist es von ausschlaggebender Bedeutung, daf3 die Ausgangsstoffe tunlich genau hergestellte Losungen von Sulfhydrat und Bisulfit sind, alao weder die binaren Salze M,S bzw. M,SO, noch die freien Sauren H,S bzw. H,SO, in nennenswert anderem MaBe enthalten, als sie von Natur in den LSsungen von reinem Sulfhydrat bzw. Bisulfit im

l) F. FOERSTER u. E. TH. MOMMSEN, Bcr. 57 (1924), 258.

Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfhydrat. 4 3

Gleichgewicht auftreten. Bequem ist es ferner, wenn von beiden 9 toffen genau gleichmolare Lijsungen vorratig gehalten werden.

Fur die Herstellung der Sulfhydratlosung wurde 'II n-Natron- lauge, die aus reinstem, aus Natrium gewonnenem Natronhydrat be- reitet war, in einen LitermeBkolben bis zur Marke eingefiillt und dann 100 cm3 wieder abpipettiert, so da6 nun fur die bei der Uber- fuhrung in NaHS eintretenden Volumenanderungen Raum war. Der Kolben wurde durch einen Ein- und Ableitungsrohr tragenden Kork- stopfen verschlossen und nun aus einem KIPP'schen Apparat durch Wasser gut gewaschener Schwefelwasserstoff langsam eingeleitet. An einem Qasstromungsmesser konnte die eintretende H,S-Menge un- gefahr abgeschatzt werden, nachdem man sich durch eine Analyse des aus dem Schwefeleisen entwickelten Gases uber seinen selten fehlenden, meist aber nicht erheblichen Gehalt an freiem Wasserstoff unter- richtet hatte. Das Einleiten dee Schwefelwasserstoffb: wurde etwas langer als erforderlich fortgefuhrt und dann an Stelle dieses Gases ein langsamer Strom von Stickstoff, der durch Uberleiten uber gluhendes Kupfer von allem Sauerstoff befreit war, dnrch die Losung treten gelassen, wahrend an das Ableitungsrohr ein gewogener Kali- apparat angeschlossen war. Bei bestimmter Arbeitsweise kennt man angenahert den in immer wiederkehrendem MaBe in die Losung ge- tretenen UberschuB an Schwefelwasserstoff. Hatte der Kaliapparat diese Menge annahernd aufgenommen, so wurde die Stickstoffzufuhr unterbrochen , und wahrend das Einleitungsrohr langsam empor- gezogen wird, durch dieses ausgekochtes Wasser unter Stickstoff- druck bis zur Marke des Kolbens eintreten gelassen, und die Losung gut durchgemischt. Nun kann durch Stickstoff eine kleine Probe der Losung in einer Pipette emporgedruckt und analysiert werden, indem sie durch Bromwasser zu Sulfat oxydiert und ihr Schwefel- gehalt nach dem Benzidinverfahren ermittelt wird. Meist ist er fur die angewandte Menge NaOH noch etwas zu grod; man wiederholt daher das Abblasen mit Stickstoff, bis der von der Analyse angezeigte Betrag an uberschussigem Schwefelwasserstoff vom Kaliapparat auf- genommen ist. Da dieser, um seinen Zweck zu erfullen, mit er- heblich starkerer a18 'I, n-Alkalilauge beschickt werden muB, wird auch etwas Wasserdampf in ihm festgehalten. An seiner Gewichts- zunahme muB daher eine fur eine bestimmte Arbeitsweise zu er- mittelnde kleine Korrektur angebracht werden. Auf solche Weise erhalt man sehr angenahert eine 0,9 n-NaSH-Lbsung. Sie ist unter Stickstoffdruck auf das sorgfaltigste vor Luftzutritt geschutzt auf-

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zubewahren, wobei naturlich jede Beruhrung der Lijsung mit Gummi- verbinduugen zu vermeiden ist. Durch Stickstoff wurden auch die von der Losung anzuwendenden Teile in Pipetten emporgedruckt.

Fur die Herstellung der Bisulfitlosung kann man ganz ent- sprechend verfahren, indem man aus flussigem SO, 900 cm3 n- NaOH genau zu NaS03H absiittigt; einfacher ist es hier, von dem durch Umkristallisieren leicht in sehr hoher Reinheit zu gewinnenden

Kaliumpyrosulfit ausaugehen. Urn die zur Wechselwir-

kung bestimmten Losungs- mengen moglichst schnell und gleichma6ig zu vermischen, wurde als ReaktionsgefaB (Fig. 1) ein weithalsiger Rund- kolben A benutzt, der durch einen dreifach durchbohrten Stopfenverschlossen war. Durch die mittlere Bohrung ging die - Fuhrung eines in bekannter

Nz Weise mit Quecksilberver- schluB B abgedichteten Ruh- rers C, durch eine der seitlichen Bohrungen trat die Mundung eines Hahntrichters D, wah- rend die dritte Offnung ein au6en unter Wasser miinden- des Gasableitungsrohr E trug. Der Hahntrichter trug als Ver- schluB einen Stopfen F, durch

den von Sauerstoff befreiter Stickstoff zugefiihrt werden kounte. Nachdem der ganze Apparat mit Stickstoff gefullt war, wurde

unter kurzem Offnen des Kolbens A , wahrend der Stickstoff weiter durch ihn stromte, die abgemessene Probe der einen Lijsung mit der Pipette rasch eintreten gelassen, der Stopfen wieder aufgesetzt und nun Hahn H geschlossen und in entsprechender Weise die ab- gemessene Menge der zweiten Lijsung in D eingetragen. Nachdem der Riihrer in Tatigkeit gesetzt war, wurde unter Stickstoffdruck die Losung aus D nach A in einer gemessenen Zeit uberfliegen gelassen. Sollte iiber oder unter Zimmertemperatur gearbeitet werden, so konnten beide Losungen durch die sie umgebenden Wassermengen

Fig. 1.

Wechselwirkung von Bisulfit und Sulf hydrat. 45

vor der Vermischung auf die gewiinschte Temperatur gebracht werden. Nach bestimmter Reaktionszeit wurde dann der Inhalt von A mit ausgekochtem Wasser auf ein grGEeres, gemessenes Volumen gebracht, von dem bestimmte Bruchteile fur die analytische Bestimmung der in der Lasung enthaltenen Stoffe herauspipettiert wurden.

3. Die benutzten Analysenverfahren.

In den Reaktionslibsungen waren, da aus spater zu erorternden Griinden ein UberschuB von Sulfhydrat nicht benutzt wurde, Thio- sulfat, Bisulfit, Sulfit und Trithionat neben freiem Schwefel zu be- stimmen, Sulfat entstand, wenn uberhaupt, in so geringer Menge, da6 im allgemeinen von seiner Bestimmung abgesehen werden konnte. Der gesamte Sulfitschwefel und der Thiosulfatschwefel wurden nach dem bewahrten Verfahren von A. KURTENACKEB~) bestimmt. Von grober Wichtigkeit war es, festzustellen, welcher Anteil des durch Titration rnit Jod gemessenen gesamten Sulfitschwefels noch als Bi- sulfit, welcher als sekundares Sulfit zugegen war. Nan kann das Bisulfit annahernd durch Titration rnit Alkalilauge unter Anwendung von Phenolphthalern bestimmen. Fur die hier erforderliche Genauig- keit genugte dies aber nicht. Genauer wird die Bestimmung, wenn man nach J. M. KOLTHOFF ,) Thymolphthalevn als Indikator verwendet. LaBt man reine Natronlauge bis zum Auftreten der Blaufarbung zu- flieben, fiillt dann das entstandene SO,” durch Chlorbarium am und fiigt zu der dabei wieder farblos gewordenen Lijsung aufs neue Natronlauge bis zum Wiederauftreten der Blaufarbung, so ist der Endpunkt des Vorganges HSO,’ f OH’ -+ SO,” + H,O mit groBer Scharfe zu bestirnmen. Man kann andererseits auch das SO,” durch Titration rnit Saure in HSO,’ uberfiihren und Methylorange als Indi- k%tor zur Erkennung des Endpunktes benutzen; doch ist die Er- kennung des Endpunktes hier etwas unsicherer als bei der erst- genannten Titration. Da diese aber das SO,” nur aus der Diffe- renz von Gesamtsulfitschwefel und Bisulfitschwefel ergibt, haben wir, zumal fur die Ermittlung kleiner Sulfitmengen, auch deren un- mittelbare Bestimmung durch Titration mit Saure unter Anwendung von Methylorange nicht unterlassen.

I) A. KUETENACKEE, Z. anorg. u. Jlg. Chem. 134 (1924), 265. *) J. M. KOLTEOFF, Z. anorg. u. allg. Chem. 109 (1920), 69; vgl. auch K. TXUFEL

u. c. WaaaEE, z. analyt. Chem. 68 (1926), 25.

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Da stets, wenn Polythionatschwefel in irgend nennenswerter Menge auftritt, die Losung zugleich Sulfit enthalt, und dieses, wie wir wissen, mit gro6er Geschwindigkeit die hoheren Polythionate zu Trithionat abbaut l), kann der Polythionatschwefel nur als Trithionat auftreten. Zu seiner Bestimmung wurden Sulfit und Thiosulfat zu- nachst durch Schwefelsaure zerstort. Um jede das Bestehenbleiben des Trithionats gefahrdende Temperaturerhohung dabei zu vermeiden, wurde das Schwefeldioxyd unter Zuhilfenahme des Wasserstrahl- pumpenvakuums rnittels Durchleiten von Stickstoff bei Zimmertempe- ratur abgeblasen. Nach Iangstens 6/4 Stunden reagiert die Losucg nicht mehr auf Jod; nachdem mit einem Jenaer Glasfilter der aus- geschiedene Schwefel abfiltriert ist, wird die Losung mit Bicarbonat neutralisiert und nun das Trithionat in der fruher angegebenen Weise z, durch Kochen mit Kupfervitriol und Wagen des ausgefiillten Kupfersulfids bestimmt.

Wenn unter den Produkten der Reaktion zwischen Bisulfit und Sulfhydrat freier Scbwefel auftritt, ist er so fein verteilt, da6 er nicht filtrierbar ist. Durch Zusatz von etwas Lanthanchlorid 3, wird er zum Zusammenballen gebracht, und kann dann auf einem Jenaer Glasfilter gesammelt und nach Trocknen bei 85 -9OO gewogen werden. Er ist nur zum Teil in Schwefelkohlenstoff l6slich. Urn das Filter von ihm zu reinigen, macht man ihn durch kurzes Er- wlrmen auf 130 vollstandig loslich in Schwefelkohlenstoff.

4. Die erhaltenen Ergebnisse.

a) Einwi rkung von 1 Mol NaSH auf 2 Mol NaS0,H. La& man zu 100 cm3 der in der oben beschriebenen Art be-

reiteten Bisulfitlosung 50 cm3 der Sulfhydratlijsung fliegen, also auf 2 Mol NaS0,H 1 Mol NaSH einwirlren, so tritt etwas freier Schwefel in weiBen Wolken auf und nach der Vereinigung der Losung ist alles Sulf hydrat und fast aller Sulfitschwefel verschwunden und dafiir Thiosulfat entstanden. Die Mengen des abgeschiedenen Schwefels sind stets klein; ihr Betrag ist etwas graBer, wenn die Vereinigung der Losungen sehr schnell vor sich geht. Zweclrmiiflig stellt man die Zeit des Zusammentretens der Losungen auf 5 Minuten ein. Die Meage des freien Schwefels und des verbliebenen Sulfitschwefels

I) F. FOERSTER u. H. CENTNER, Z. anorg. u. allg Chem. 157 (1926), 45. 2, F. FOERSTER, u. A. HORNIO, Z. anorg. u. allg. Chem. 125 (1922!, 100. *) E. HEINZE, Journ. prakt. Chem. 99 (1919), 133.

Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfhydrat. 47

vermindert sich im Laufe der Folgezeit, wahrend die Ausbeute an Thiosulfat noch entsprechend zunimmt. Durch Erwarmen laBt sich diese Nachreaktion naturlich beschleunigen. Der Umstand, da8 das in der Losung gebliebene Sulfit trotz seiner nur kleinen Konzen- tration so leicht mit freiem Schwefel sich vereinigt, lehrt, dal3 es in Qestalt von SO," vorliegt. Daher zeigt die Lijsung nach der Vereinigung der beiden Bestandteile gegen Lackmus oder Phenol- phthalern eine ganz schwach alkalische Reaktion.

An den Erscheinungen andert sich nichts Erhebliches, wenn man die Lijsung des Bisulfits in die des Sulfhydrats flieBen la&. Nur farbt sich diese jetzt zunachst gelb, indem der frei- werdende Schwefel Polysulfid bildet. Bei weiterem Zutritt des Bisulfits verschwindet die Gelbfarbung und eine gewisse Menge von freiem Schwefel scheidet sich ab. Am Ende hat die Lo- sung etwa die gleiche Zusammensetzung wie bei der umgekehrten Arbeits weise.

Folgende Versuche erlautern die Erscheinung in quantitativer Hinsicht:

Bei Ver such 1 wurde die in der eben beschriebenen Weise hergestellte LSsung kurze Zeit nach der Vermischung der Kompo- nenten verdunnt und der freie Schwefel durch Lanthanchlorid filtrierbar gemacht. Vom Gesamtschwefel 4,631 g war jetzt vor-

1?3 O/O , , s . . . . . . . . . . . I n Ver such 2 wurde nach rascher Vereinigung der Kompo-

nenten eine Probe analysiert, und von der Mischung ein Teil 24 Stunden bei Zimmertemperatur stehen gelassen, der andere kurze Zeit in siedendem Wasser gehalten. Die LBsung enthielt sofort nach der Herstellung von 4,631 g Oesamt-S 91,9"/, als S,O," und 1,8O/, als SO,"; nach. 24 Stunden 95,4O/, als S,O," und 0,4O/, als SO,"; die erhitzte Probe enthielt 95,5O/, als S203", 0,4O/, als SO," und 0,5O/, als freien S.

Versuch 3 zeigt den zeitlichen Verlauf der hderungen in der LSsung; die Bestimmung des abgeschiedenen S muB jetzt unter- bleiben.

50 om3 0,9 m-NaSH traten in 5 Minuten zu 100 cm3 0,9 m- NaS0,H bei gewiihnlicher Temperatur.

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Versuch 5 Versuch 6 _-

Weehselwirkon g von Bisulfit und Sulfhpdrat. 49

b) E inwi rkung von 1 Mol NaSH auf ube r schuss iges B i su l f i t , a l so auf mehr a l s 2 Mol NaS0,H.

Bei den folgenden Versuchen, bei denen die Einwirkung iiber- schiissigen Bisulfits auf Sulfhydrat untersucht werden sollte, wurde zunachst stets die Lijsung des Sulfhydrats in die des Bisulfits flieBen gelassen. Die auBeren Erscheinungen beim Zusammentritt der Losungen sind im wesentlichen die gleichen wie bei den fruheren Versuchen, indem auch hier etwas freier Schwefel auftritt, und zwar schon dem Augenschein nach um so reichlicher, je groBer der Hi- sulfituberschuh ist. Auch hier findet nach dem Vermischen der Reaktionsteilnehmer eine Nachreaktion statt, da wiederum Sulfit unter den ersten Reaktionsprodukten auftritt. Da bei diesen Ver- suchen unter dem EinfluB iiberschiissigen Bisulfits stets Trithionat auftritt, und dieses in LGsung langsam sich zu Sulfat und Thiosulfat zersetzt, findet hier in den Lijsungen eine weitere und zviar dauernde Nachreaktion statt, die das urspriinglich entstandene Thiosulfat ver- mehrt und zugleich Sulfat bildet. Ihre Reaktionsgeschwindigkeit ist aber gliicklicherweise klein genug, da6 bei Zimmertemperatur inner- halb der z. B. bei Versuch 3 als zur praktischen Vollendung der auf den freien Schwefel wirkenden Nachreaktion als genugend er- kannten Zeit von einigen Stunden sie noch nicht merklich in die Produkte der primaren Reaktion eingreift. Bei den folgenden Ver- suchen wurde daher liingstens nach 6 Stunden, oft schon nach 2 Stunden, die Losung auf ein gr6Beres Volumen gebracht und an diesem die Analyse der Reaktionslosung vorgenammen. Die inner- halb dieser Zeit sich in der Losung noch vollziehenden Nachreak- tionen sind geriugfiigig; der weitaus groBte Teil der Reaktion ist schon gleich nach dem Vermischen der angewandten Lijsungen beendet.

Die Ergebnisse sind in der folgenden Ubersicht zusammen- gestellt. Die fur den SO,"-Schwefel angegebenen Werte sind Mittel- werte aus den durch Titration mit Methylornnge a19 lndikator mi- mittelbar gefundenen Sulfitmengen und denen, die sich aus der Diffe- renz des Gesamtsulfitschwefels gegen den mit Thymolphthalern als Indikator alkalimetrisch ermittelton Bisulfitschwefel mittelbar ergaben.

Diese Versuche lehren, daB, je grijBer der BisulfituberschuB ist, einerseits um so weniger Thiosulfat aus der gleichen Menge Sulf- hydrat entsteht, und andererseits urn so mehr Trithionat, und daB mit der Menge des Trithionats auch die des Sulfits wachst. Sehr bemerkenswert ist , daB vom angewandten BisulfituberschuB meist

Z. anorg. 11. nllg. Chom. Bd. 177. 4

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- - G g 9

- - 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Ubersicht 1. 50 ems etwa 0,9 m-NaSH-Losung wurde bei Zimmertemperatur in

iiberschiissige Bisulfitliisung treten gelassen.

Angewandt

:ms etwa 0,9 m-

NaS0,E

120 150 200 200 200 200 200 250 250

.

___ g Bi-

sulfit-S

3,685 4,606 6,0S3 6,063 6,080 6,080 6,141 ?,GO4 7,600

g Sulf- 1ydrat.E

1,535 1,535 I ,52 1 1,521 1,521 1,521 1,535 1,525 1,520

g Thio- sulfat- S

4,286 4,014 3,648 3,691

3,513 3,644 3,689 3,607

___ -

3,535

g Bi- sulfit-S

0,053 0,094 0,559 0,740 0,456 0,331 0,844 2,5 13 2,340

-__

Gefunden

B hlfit-S

0,236 0,481 0,802 0,780 0,900 0,955 0,806 0,707 0,831

g Tri- iionat- $

0,613 1,486

2,491 2,210 2,509 2,839 2,248

2,067 2,052

__-

g ele- ientarer

S

0,032 0,066 0,108 0,145 0,105 0,158

0,147 0,193

-__

0,100

nur geringe Anteile iibrig bleiben, z. B. da, wo dieser UberschuB 100 von der nach Gleichung (1) erforderlichen Menge betrug (Ver- such 9-13), nur 11 bis hochstens 28O/,. Erst wenn ein noch gr5Berer UberschuB an Bisulfit angewandt wird, bleibt das nun hinzugekom- mene Mehr an Bisulfit annahernd bestehen. Auch die iibrigen Ver- schiebungen in Art und Menge der Reaktionsprodukte, die anfangs bei geringerem BisulfituberschuB verhaltnismaBig stark sind, andern tlich schlieBlich nicht mehr erheblich. Werden die Versuche mit dem gleichen Mengenverhaltnis von Sulfhydrat und Bisulfit unter etwa gleichen Bedingungen wiederholt, 80 sind die Ergebnisse, wie die Versuche 9-13 lehren, nicht ganz streng die gleichen. Die dann eintretenden Schwankungen in den relativen Mengen der Re- aktionsprodukte sin d aber wiederum gesetzmiifiige, insofern urn so mehr Trithionat enlsteht, je weniger Thiosulfat auftritt, und zugleich um so weniger Bisulfit zuruckbleibt, und um so mehr Sulfit gebildet wird. Doch sind diese Schwankungen, gemessen am angewandten Gesamtschwefel, verhaltnismafiig gering, was natiirlich nicht aus- schliefit, daB sie, gemessen an den in kleineren Betragen auftreten- den Substanzen, wie z. B. denen des verbleibenden Bisulfits, recht erheblich erscheinen.

Die Ergebnisse dieser Versuche fuhren zu dem Schlusse, dae, wenn 1 Mol Sulfhydrat mit mehr als 2 Mol Bisulfit zusammentrifft, nur ein Teil von diesem im Sinne der Gleichung (1) in Thiosulfat verwandelt wird, wahrend ein anderer Teil des Bisulfits, und zwar in einem hoheren Molckularverh8ltnis als es zur Tliiosulfatbildung

Wechselwirkung v m Bisulfit und Sulf hydrat. 51

erforderlich ist, in Trithionat verwandelt wird, wobei gewisse An- teile des Bisulfits in das sekundare Sulfit iibergehen. Die Entstehung freien Schwefels ist nach wie vor Nebenreaktion; sie wird aber offenbar durch die Wasserstoffionenkonzentration, die mit der in der Losung verbleibenden Bisulfitmenge steigt, gefijrdert.

Hiernach Bind Thiosulfat und Trithionat die Produkte zweier nebeneinander bei der Einwirkung,von S H auf S03H sich mit groBer Geschwindigkeit abspielenden Vorgange. Die MGglichkeit , daB das Trithionat in einer Folgereaktion aus dem zunachst entstandenen Thiosulfat und dem unverbrauchten Bisulfit sich gebildet haben kBnnte , ist hier ausgeschlossen. An sich ist die Wechselwirkung zwischen SzOi’ und HSO,’ durchaus mSglich, wie friiher ’) dargetan wurde, aber sie verlangt eine gewisse E-Konzentration, wie sie nur bei Gegenwart freier schwefliger Saure gegeben ist, um sich nach

(3) zu vollziehen und auch dann verlauft diese Wechselwirkung bei Zimmertemperatur nur mit sehr beschriinkter Gesohwindigkeit. Im vorliegenden Falle aber ist die H - Konzentration der BisulfitlSsung durch Gegenwart von SO,” noch vermindert , und trotzdem muBte die gedachte Wechselwirkung sehr schnell verlaufen, also kann sie nacb den fruheren Erfahrungen hier gar nicht in Betracht kommen.

Immerhin hielten wir es nicht fur uberfliissig, durch einige Ver- suche uns zu iiberzeugen, wie S,03“ und HSO,’ bei den in obigen Versuchen auftretenden Konzentrationen bei Zimmertemperatur sich nebeneinander verhalten. Es wurden in 300 cm3 etwa solche Mengen Thiosulfat und Bisulfit geliist, wie sie bei den mit dem groBten Bi- SulfituberschuB angestellten Versuchen 14 und 15 nebeneinander auftraten, und zugleich an Sulfit etwa so vie], wie dort entstanden war, oder wesentlich kleinere Mengen davon zugefiigt, und die Liisung bei Zimmertemperatur im gut verschlossenen GefaBe stehen gelassen. Die in nbersicht 2 zusammengestellten Werte wurden erhalten:

Ubersicht 2.

S,O,”+ 4HSO,’+ 2 H --t 2S,O,”+ 3H,O

Angewandt -~ Ver-

3,521 I 3,026 1,005 1 4,031 3,521 3,025 i 0,503 3,528

18 3,521 ~ 3,026 I 0,101 1 3,127

1 Gefund.n. 18-20Stdn.

g Thio- g Geeamt- sulfat-S sulfit-S

3,514 1 4,022 3,513 3,513 3,525 1 3,113

I ____-~___.__

l) F. FOEBSTEB u. R. VOOEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 156 (1926), 172ff. 4*

52 F. Foerster und E. Kircheisen.

- .__.__

3,662 3,763

~ 3'556 3,975

wenige Minuten 2 Tage 4 ,* 7 1,

Wie man sieht, sind Thiosulfat und Bisulfit auch dann, wenn nur ganz kleine Sulfitmengen zugegen sind, bei Zimmertemperatur praktisch gegeneinaoder wirkungslos innerhalb einer Zeit, die sehr vie1 Ianger ist als die langste, iiber welche bei obigen Versuchen die Reaktionslosung sich selbst iiberlassen blieb.

LaBt man andererseits eine ReaktionslBsung, wie sie bei den Versuchen 14 und 15 entstand, mehrere Tage lang stehen, so be- obachtet man, ahnlich wie bei den Versuchen 1-3, eine langsame Zunahme des Thiosulfats, wahrend zugleich der Sulfitschwefel ab- nimmt, wie folgendes Beispiel zeigt:

Versuch Nr. 19.

3,294 3,251 5,191 3,004

v3

f i 4

. * bc- bSJ3e g m"R

6,141 1 1,535 6,083 1,521 6,755 I 1,535

7,676 3,133 ~ 0,074 7,626 0,050 3 017 0,026 7,456 0,148

8,290 7'604 I d:!!! 1 3:681 I 0,040 1 8,171 1 0,119

Wechsclwirkmg voii Bisulfit und Sulfhydrat. 53

iindert, wenn man, anstatt wie bisher die Sclfhydratlosung zum Uberschusse der Bisulfitlosung flieBen la& nun umgekehrt die uberschussige Bisulfitlosung in die Sulfhydratlosung treten la6t. Uber die Wirkung dieser MaBnahme geben die in der Ubersicht 3 zusammengestellten Versuche Auskunft.

Diese Versuche sind nach den Mengen der miteinander ver- mischten Losungen unmittelbar mit Versuch 9-13 zu vergleichen. Man erkennt aber, da6 jetzt das Ergebnis von deren Wechsel- wirkung ein ganz anderes ist. Die Thiosulfatbildung ist jetzt etwa diejenige, welche im Sinne von Gleichung (1) nach der angewandten Menge Sulfhydrat zu erwarten ist, in der Tat treten etwa 96O/,, davon auf. DemgemaB bleibt der Bisulfituberschu6 fast unvermindert in der Reaktionslijsung. Nur ganz kleine Mengen des sekundaren Sulfits sind entstanden; daneben ist kein freier Schwefel ab- geschieden, die Losungen bleiben vollig klar. Vielleicht ist neben dem Sulfit eine geringo Menge Trithionat entstanden ; ihr Nachweis lie6 sich aber bei dem groBen UberschuB an Thiosulfat und Bi- sulfit nicht bewerkstelligen.

Diesen Reaktionsverlauf hat auch F. RASCHIG l) beobachtet, als er eine Losung von Bisulfit in eine solche von Schwefelnatrium flie6en lie& Dabei liefert zunachst der Vorgang

HSO,” + S a SO,” + S H das zur Reaktion erforderliche SH, wahrend SO,” als Nebenprodukt auftritt.

5. Theoretische Erorterung der Versuchsergebnisse.

Die tiefgreifende Xnderung, die der Reaktionsverlauf zwischen S H und SO,H erfiihrt, je nachdem man einen BisixlfituberschuB zum Sulf hydrat oder dieses zu einem BisulfitiiberschuB flieBen la&, erlaubt keine andere Deutung, als da6 die Wechselwirkuug von SH’ und SO,€€‘ in sehr schnellen Vorgangen zunachst zu einem un- bestiindigen Zwischenprodukte fuhrt, und da6 dieses, je nach den Konzentrationsverh~ltnissen der es erzeugenden Ionen diese momentan entweder in Schwefel und Sulfit bzw. Thiosulfat oder in Trithionat iiberf iihrt.

Eine Zwischenverbindung, die fur beide Vorghge gleich be- fahigt erscheiut, ist das hypothetische Schwefelmonoxyd SO.

Die Annahme der Oxydationsstufe SO als ZwischenkSrper hat sich schon mehrfach bei den fruheren Untersuchuugen fur die Deutung

I) F. RASCHIO, Schwefel- und Stickatoffstudien S. 303-304.

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der Beziehungen zwischen dem Thiosulfat und den Polythionaten a19 zweckma6ig erwiesen.')

DaS der primare Vorgang zwischen S H und S0,H kaum anders als der zwischen H,S und H,SO, verlaufen wird, ist zu er- warten. Fur diesen wurde es fruher wahrscheinlich gemacht*), da8 er iiber das Gleichgewicht

(4) nach

H,S,O, + H,O + H,SO, 3H,SO, 3H,O f 3SO (5) zur Oxydationsstufe SO fuhrt. Die Wechselwirkung zwischen S H und S0,K wurde entsprechend zu denken sein:

S,O," + H,O + SO,& + 3 H 3H,O + 3SO. (5a)

Die an 1 SH und 2S0,H' gegeniiber den Gleichungen (4) und (5) hier fehlenden H , yon denen jedes entstehende SO eines vcrbraucht, miissen jetzt von anderen Reaktionsteilnehmern geliefert werden. Dazu kommt von den beiden Anionen SIT und SO,H vor allem dasjenige in Bctracht, welches die hohere Affinitatskonstante besitzt, d. h. SO,H es liefert, solange es noch geniigend vorhanden ist, H' durch Rechtsverschiebung des Gleicbgewichts

H,S + H,SO, q? H,S,O, + H,O

SH' + SO,H' SzOz" + H,O , (4 a) 3H,SO,

HSO,' SO," + H , (6) Das im Gleichgewicht (5 a) aufgetretene, unbestgndige Oxyd SO

kann nun auf die Reaktionsteilnehmer selbst alsbald weiter ein- wirken, indem es sich als Oxydationsmittel ihnen gegeniiber betatigt.

SB' werden dabei zu Schwefel oxydiert:

Die hierfiir erforderlichen IT werden wieder durch Qleich- gewicht (6) geliefert. Insgesamt werden also nach (7) und (5a) auf zwei freiwerdende Schwefelatorne auch 2 H verbraucht, entstehen also 2SO,", d. h. gerade die Mengen, welche nach

Thiosulfat bilden. Wenn also, wie es nach den Gleichungen (4a) und (5 a) erforderlich ist, 1 S H und 2 SO,H das Oxyd SO bilden, werden, wenn dieses auf SH einwirkt, wiederum auf 1 S H 2 SO,H beniitigt,

SO+SH+H' - - f 2 S + H , O . (7)

SO," + s --f S,O," (2)

l) F. FOERBTER, Z. anorg. u. allg. Chem. 141 (1924), 428; F. FOERSTER u. R.VOQEL, ebenda 166 (1926), 161; F. FOERSTER u. H. CENTNER, ebenda 167 (1926), 45.

e, F. FOERSTER u. A. HORNIG, Z. anorg. u. allg. Chcm. 126 (1922), 92; F. NOACE, ebeiida 146 (1925), 239.

Wechselwirkung von Bisulfit und 8ulf hydrat. 55

um Schwefel und Sulfit zu bilden. Soweit diese momentan zu T h i o - s u l f a t zusammentreten, entsteht dieses; soweit die Reaktions- geschwindigkeit dazu nicht ausreicht , bleiben zunachst aquivalente Mengen S und SO,” bestehen, um in langsamer Nachreaktion noch weiter Thiosulfat zu bilden. So fuhrt das Zusammenwirken von 1SH und 2S0,H in momentaner Reaktion weitgehend zu einer neutralen Thiosulfatlosung, und der Um€ang der Nachreaktion ist um so grofier, in je kleinerer Konzentration die Reaktionsteilnehmer angewandt wurden, wie es die Versuche 1-6 gelehrt haben.

Die Entstehung einer neutralen Thiosulfatlosung konnte auch als unmittelbar aus SO vor sich gehend gedacht werden nach einem Vorgange, der in einfachster Weise nach

zu furmulieren ware, und der, wie man sieht, die bei der Entstehung von 2SO nach (5a) verbrauchten 2 H zuriickliefern wiirde. Da aber in SO der Schwefel zweiwertig, in 5,0,” aber eiu Schwefelatom sechswertig auftritt, ist eine unmittelbare Entstehung von S,O,” aus SO kaum wnhrscheinlich. Sie diirfte auf diesem Wege wohl uber Zwischenverbindungen vor sich gehen, deren Wechselwirkung sich vielleicht nicht momentan vollziehen kiinntel), und d a m fur die Thiosulfatbildung im vorliegonden Falle hBchstens a19 Nebenreaktion in Betracht kame.

Die Annahme diesea Vorgangs ist fur die Deutung der Er- scheinungen also vielleicht entbehrlich, wenn auch die Bedingungen, die einen augenblicklichen Verlauf von Vorgang (2) sichern, noch nicht vollig klargestellt sind.

Trifft SO nun mit einer gr66eren HS0,’-Konzentration zu- sammen, als sie fur dessen Einwirkung auf S H zwangsweise noch herangezogen wird, so ist auch der Vorgang

2SO + H,O SzOg” + 2 H (8)

SO + 2HS0,’ ---3

maglich und fuhrt zu Tr i th iona t . Da dem dabei benotigten SO

1H‘ entspricht, muB die Entstehung von 1S0,“ verbunden sein.

Angesichts der aufierordentlich

S, Osrr + H, 0 (9

nach (5af der Verbrauch von von lS,O,” mit dem Auftreten

grofien Geschwindigkeit von Vorgang (7)? kann Vorgang (9) nur eintreten, wenn er einerseits eine ahnliche Geschwindigkeit besitzt, und andererseits das primar ent- stehende SO bei seinem Auftreten in der Losung in hiiherem MaBe

Vgl. hierzu die folgende Mitteilung VIII.

56 F. Foerster und E. Kircheisen.

S0,H' vorfindet, als sie fur die Wechselwirkung von SO mit S H mitbenotigt werden. Diese Bedingung ist nur erfullt, wenn 1 Mol Sulfhydrat i n eine Losung tritt, die mehr als 2 Mol Bisulfit enthalt, wie es bei den Versuchen der Ubersicht 1 der Fall war. J e grofler der BisulfituberschuB ist, urn so mehr SO kann gegenuber SO,H zur Wirkung kommen; das zeigen die Versuche. Tritt aber iiber- schussiges Bisulfit zur Sulfhydratlosung, so werden die ersten zu- flieBendm Anteile ganz fur Vorgang (7) verbraucht, und dieser ist bei seiner enormen Geschwindigkeit schon beendet, der Vorrat an SO dadurch erschopft, wenn der uber den Bedarf d i e m Vorgangs hinausgehende Betrag an Bisulfit in die Losung gelangt. Allem Anscheine nach ist die Reaktionsgeschwindigkeit von (7) etwrts grofler als von (9), entsprcchend der verschiedenen Fahigkeit von S H und SO,H', auf SO reduzierend einzuwirken, so dab beim Zusatnmen- trefkn dieser Anionen in dem fur Vorgang (7) erforderlichen Ver- liiiltnis Vorgang (9) nicht in nachweisbarem Umfange sich dem mit ihm im Wettbewerb stehenden Vorgange beigesellen kann.

Der im SchoBe einer uberschiissigen Bisulfitlosung frei werdende Schwefel wird von deren H-Konzentration anscheinend etwas starker zu langsamer lijslichen Aggregaten zusammengeballt, so da6 jetzt etwas mehr davon zunachst ubrig bleibt. Vollzieht sich aber der Vorgang anfangs in einer SulfhgdratlSsung, so nimmt diese den Schwefel zu Polysulfid auf, welches, wenn es mit weiterem Bisulfit reagiert, den Schwefel in feinster, sehr rasch reagierender Form freigibt, so daB er jetzt schon am Ende des Eisulfitzusatzes voll- standig verschwunden ist.l)

Damit lassen sich die auf den ersten Blick so iiberraschenden Beobachtungen einfach und einheitlich verstehen. Es eriibrigt nur zu prufen, ob der beim Zutritt der Sulfhydratlosung zum Bisulfit- uberschufi beobachtete verwickeltere Reaktionsverlauf auch nach den stochiometrischcn Verhaltnissen der Reaktionsprodukte unter- einander und zu den Ausgangsstoffen den theoretischen Darlegungen entspricht. FeBt man fur die verschiedenen Reaktionsprodukte die stochiometrischen Beziehungen von Ausgangs- und Endprodukt in Gleichungen zuaammen, so ergibt sich:

fur Schwefel und Sulfit:

- 2SH + 4S0,H --f 35 + 3S0," + 3H,O, (10) I) Mischt man gleiche Volumina von lm-Na,SO, und 1 m-Na,S,, so

dauert es bei etwa 35O einige Miuuten, bis die Miscliung sich entfarbt hat, da jetzt nicht freier, sondern als Spl' gebundener Schwefel an SO," abzugeben ist.

Wechselwirkung von Bisulfit und Sulfliydlat. 57

fur Thiosulfat:

fur Trithionat und Sulfit:

Die zum Vergleich der Beobachtung mit der Theorie benijtigte Rechnung kann in verschiedener Weise vorgenommen werden je nach dem Produkte, von dem dabei ausgegangen wird. Zweckma6ig wird man dazu die am sichersten bei der Analyse zu bestimmenden Stoffe wahlen. Das sind das Bisulfit iind das Thiosulfat.

Geht man von ersterem aus, so gestaltet sich die Rechnung am iibersichtlichsten, wenn man fur sie annimmt, daB zunachst nlles Sulfhydrat, soweit es nicht freien Sohwefel geliefert hat, Thiosulfat gebildet hat, und da6 cin Teil vom Thiosulfat - im Gegensatz zum wirklichen Geschehen - mit Bisulfit sich zu Trithionat und Sulfit umsetzt, was im Sinne der Gleichung [aus (1) und (ll)]

geschehen muBte.

Betrage abzieht:

2 S H + 4S0,H --f 3S,O,“ + 3H,O,

S H + 11 S0,H.’ --f 3 S306” + 3 SO,” + 6 H,O . (1)

(1 1)

S,O,” + 6HS0,‘ --f 2S,06” + 2S0,” + 3H,O (12)

Wenn man von der angewandten Menge Bisulfitschwefel folgende

a) die iibrig gebliebene Menge Bisulfitschwefel, b) des freien Schwefels, d. h. die nach (10) zu seiner Ent-

stehung benijtigte Bisulfitmenge, c) die gefundene Menge von Trithionatschwefel, die im Sinne

von Gleichung (1 2) der zu seiner Erzeugung erforderlichen Menge von Bisulfitschwefel gleich wke,

so bleibt ein Betrag von Bisulfitschwefel ubrig, der zur Thiosulfat- bildung verbraucht ware, und der im Sinne von Gleichung (1) mit 3/z multipliziert, die insgesamt entstandene Menge von Thiosulfat- schwefel ergeben mii6te. Da aber mit Gleichung (12) gerechnet ist, und hiernach ‘Is des gefundenen Trithionatschwefels als Thiosulfat- schwefel wieder verbraucht sein muBte, kann nur die um diesen Be- trag gekiirzte Menge an Thiosulfatschwefel erhalten worden sein. Das wiire dann die berechnete Menge an Thiosulfatschwefel, die mit der gefundenen zu vergleichen ware.

Andererseits kann man die zu erwartende Menge an Sulfit- schwefel berechnen; denn ihr Betrag mu6 einesteils nach Gleichung (10) dem des freien Schwefels, anderenteils nach Gleichung (1 1) dem dritten Teile des Trithionatschwefels gleich sein. Mit der Summe dieser Betrage muB der des gefundenen Sulfitschwefels ubereinstimmen.

58 F. Foerster nnd E. Iiircheisen.

Vers.-Nr.

7 8 9

10

g Sulfit-S - g Thiosulfat-S berechnet I gefunden berechnet gefunden

0,236 4,276 4,286 0,236 3,912 4,014 0,561 0,48 1 3,539 3,648 0,938 0,802 3,673 3,691 0,882 0,780

I-- .-__--____--_ ___ ______

11 3,646 I 3,538

1% I 3,462 3,5 I3 13 3,625 3,644

0,941 0,900 1,026 0,955 0,849 0.806

14 3,553 3,689 0,836 15 ~ 3,744 3,607 1 0,877

0,707 0,836

Wechselmirkung von Bisulfit und Sulf hydrat. 59

iiberall da, wo die Oxydationsstufe SO neben HSO,‘ auftreten kann, durch sichergestellte Tatsachen gerechtfertigt ist. In diesem Vor- gange ist mindestens einer der Grundvorgange zu erblicken, die zu den Polythionsauren fuhren.

Die Entstehung der Oxydationsstufe SO ist gegeben z. B. durch den Zerfall des Systems S203” + 2 H , oder des Systems SeSO,”+ZH’, oder bei der Wechselwirkung von SH und S0,H. Letztere liegt auch bei der Entstehung der WACKENRODER’SC~~~ LGsung vor. Hier wirkt, da SO, in Wasser weit loslicher ist als H,S, stets ein groBer UberschuS von SO&’ auf SH und gibt dadurch die Bedingungen zur Entstehung von Trithionsaure. Andererseits verhindert hier die verhBltnisma6ig hohe H’-Konzentration, daS SO,” in merklichem Be- trage entsteht und mit freiem Schwefel Thiosulfat in gr6Berer Menge bildet. Dieses tritt also nur in untergeordnetem MaBe auf und dafur vie1 freier Schwefel. Durch ihn kann die Trithionsaure in die haheren Polxthionsauren ubergefuhrt werden, so daB von jener nur Spuren iibrig bleiben, wahrend tatsachlich so gut wie ausschlie6lich Tetrathionsiiure und Pentathionsaure auftreten. Ware kein anderer Vorgang als dieser fur die Entetehung der Polythionsauren be- stimmend, so ware die Trithionsaure auch in der WACKENRODEE- schen Lbsung die alleinige Ausgangssubstanz fur die hoheren Poly- thionsauren. Das gleiche haben vor kurzem auch BASSETT und DUBRANT ausgesprochen ; unsere Untersuchuligen fuhren also zum gleichen Ergebnis wie die der genannten Forscher, allerdings, wie man sieht, nur bedingt.l)

I n fruheren Darlegnngen wurde umgekehrt die Pentathionsaure als Ausgangssubstanz der Polythionsauren angesprochen, und die Entstehung der niederen Polythionsauren der entschwefelnden Wirkung der schwefligen Saure auf die Pentathionaaure zuge- schrieben, womit die tatsachlich in der WAcKENRoDER’schen L6sung auftretenden Mengenverhaltnisse der einzelnen Polythionsauren im Einklange stehen. Als der die Pentathionsaure erzeugende Vorgang wurde ein solcher im Sinne der Gleichung

SO + 2HS,O,‘ --f S,O,” + H,O (1 3) angenommen. Er setzt eine H-Konzentration, wie man sieht, voraus, neben der das saure Anion der starken Thioschwefelsaure in merk- licher Konzentration existenzfahig ware. In einer L6sung von Sulf- hydrat und Bisulfit kann er auf Thiosulfat also nicht wirken, eher

l) Niiheree hieriiber in Mitteilung VIII.

60 F. Foerstcr u. E. Kircheisen. Wechselwirkung van Risulfit u. Sulfhydrat.

ist es in der Losung der schwefligen Same maglich und noch mehr d a m , wenn schon eine gewisse Menge der starken Polythionsauren entstanden ist. Ob dann das stets auftretendc Thiosulfat wirklich dem nach Analogie mit Vorgang (91 durchaus wahrscheinlichen Vor- gange (13) unterliegen kann, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Wenn dabei Anhaltspunkte fur die tatsiichliche Moglichkeit von Vorgang (13) erbracht werden, so ware damit gezeigt, da8 in der WACKENRODER’sChen Losung sowobl Trithionsiiure wie Pentathion- saure in analoger Weise aus SO,H bzw. S,O,E€‘ entstehen konnen, urn dann durch freien Schwefel in hohere, durch schweflige Saure in niedere Polythionsauren verwandelt zu werden.

6. SchluB. Die Hauptergebnisse der Untersuchung sincl folgende : 1. Beine Sulfhydrat- und Bisulfitlosung geben, wenn sie im

Verhaltnis 1 MSH 1 2 MSO,H vermischt werden, bei gewohnlicher Temperatur in momentaner Umsetzung in fast theoretischer Aus- beute Thiosulfat:

2MSH + 4MS0,H -* 3M,S,O, + 3H,O. 2. Als Nebenprodukte entstehen Schwefel und Sulfit im Mengen-

verhaltnis 1 S : 1 SO,”. 3. Bei Gegenwart von Bisulfit in einer Menge, die das Ver-

haltnis 1MdH: 2MS0,H iibersteigt, werden, und zwar auch in momentaner Reaktion bei gewohnlicher Temperatur, neben Thio- sulfat Trithionat und Sulfit gebildet; der Anteil an diesen Produkten wbhst bei zunehmendem BisulfituberschuB.

4. Die zum Thiosulfat fuhrenden Vorgannge verlaufen so auBer- ordentlich rasch, dab die Wirkung eines Bisulfitiiberschusses nur hervortritt , menn die Sulfhydratlomng zur Bisulfitlosung gebracht wird. Bei der umgekehrten Arbeitsweise entsteht nur Thiosulfat, und der uber das Verhaltnis 1 MSH : 2 MS0,H angewandte Bisulfituber- schuf3 bleibt unverandert.

5. Die Theorie der Yorgange wird gegeben und gezeigt, daD die Beobachtungen fur die Theorie der Polythionatbildung dadurch bedeutungsvoll sind, daB sie die Annahme eines wahrscheinlich nach

SO + 2HS0,’ -+ S306” 4- H,O momentan verlaufenden Vorgangs rechtfertigen.

Drcsdetz, Aizorganisoh-chemischsches Instijut dcr Technischen Hochsahde.

Bei der Redaktion eingegangen am 21. September 1928.