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Die Angewandte MakromolekuIare Chemie 189 (1991) 63- 76 (Nr. 3170) Technische Hochschule Gdansk, Institut fur Organische und Nahrungsmittelchemie und Technologie, 80-952 Gdansk, Polen BUNA AG, 0-4212 Schkopau, BRD Technische Hochschule Merseburg, Fachbereich Physik, 0-4200 Merseburg, BRD Beitrag zur Aufklarung der Morphologie von segmentierten Polyurethanen Janina Foks', Irene Naumannz* und Goerg H. Michler3* (Eingegangen am 25. April 1990) ZUSAMMENFASSUNG Verschiedene Polyester-Polyurethane mit einem Anteil der Hartsegmente von 22 bis 100 Gew.-Vo wurden hinsichtlich ihrer ubermolekularen Strukturen elektronenmikro- skopisch analysiert. Hierzu wurden sowohl Kryodunnschnitte und Usungsfilme rnit der Hochstspannungs-Elektronenmikroskopie als auch Abdruckfilme und chemisch kontrastierte Ultradunnschnitte rnit der konventionellen Transmissions-Elektronen- mikroskopie untersucht. In allen Proben wurde eine vielschichtigeMorphologie gefun- den, die aus mindestens vier unterschiedlichen Anteilen oder Phasen besteht. Dazu gehdren Spharolithe rnit zentralsymmetrischem Aufbau, Garben rnit einer Facher- struktur, Fibrillen, Lamellen sowie Domanenstrukturen. Mit abnehmendem Hartseg- mentanteil treten deutliche Anderungen in der Ausbildung und in der Haufigkeit dieser Strukturen auf. Die Existenz der sog. Mikrodomanen wird in Verbindung rnit der ange- wandten chemischen Kontrastiertechnik diskutiert. SUMMARY The supermolecular structures of different polyester-polyurethanes with a hard- segment content of between 22 and 100 wt.-% were studied using different techniques of electron microscopy: Cryo-thin sections and solution-cast films were investigated in a high-voltage electron microscope, replicas and chemically stained ultra-thin sections were studied by conventional transmission electron microscopy. In all samples a multi- structured morphology has been found, consisting of four or more different parts or phases, including spherulites with a regular shape, sheaf-like structures, fibrils, lamellae, and domain structures. Clearly pronounced changes in shape and amount of these structural details appear with decreasing content of hardsegments. The existence of the so-called micro-domains is discussed in connection with the applied chemical staining procedure. * Adresse: Institut fur Festkorperphysik und Elektronenmikroskopie, Weinberg 2, 0-4050 Halle, BRD. 0 1991 Hiithig & Wepf Verlag, Basel CCC OOO3-3146/91/$03.00 63

Beitrag zur Aufklärung der Morphologie von segmentierten Polyurethanen

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Die Angewandte MakromolekuIare Chemie 189 (1991) 63- 76 (Nr. 3170)

Technische Hochschule Gdansk, Institut fur Organische und Nahrungsmittelchemie und Technologie, 80-952 Gdansk, Polen

BUNA AG, 0-4212 Schkopau, BRD Technische Hochschule Merseburg, Fachbereich Physik, 0-4200 Merseburg, BRD

Beitrag zur Aufklarung der Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Janina Foks', Irene Naumannz* und Goerg H. Michler3*

(Eingegangen am 25. April 1990)

ZUSAMMENFASSUNG Verschiedene Polyester-Polyurethane mit einem Anteil der Hartsegmente von 22 bis

100 Gew.-Vo wurden hinsichtlich ihrer ubermolekularen Strukturen elektronenmikro- skopisch analysiert. Hierzu wurden sowohl Kryodunnschnitte und Usungsfilme rnit der Hochstspannungs-Elektronenmikroskopie als auch Abdruckfilme und chemisch kontrastierte Ultradunnschnitte rnit der konventionellen Transmissions-Elektronen- mikroskopie untersucht. In allen Proben wurde eine vielschichtige Morphologie gefun- den, die aus mindestens vier unterschiedlichen Anteilen oder Phasen besteht. Dazu gehdren Spharolithe rnit zentralsymmetrischem Aufbau, Garben rnit einer Facher- struktur, Fibrillen, Lamellen sowie Domanenstrukturen. Mit abnehmendem Hartseg- mentanteil treten deutliche Anderungen in der Ausbildung und in der Haufigkeit dieser Strukturen auf. Die Existenz der sog. Mikrodomanen wird in Verbindung rnit der ange- wandten chemischen Kontrastiertechnik diskutiert.

SUMMARY The supermolecular structures of different polyester-polyurethanes with a hard-

segment content of between 22 and 100 wt.-% were studied using different techniques of electron microscopy: Cryo-thin sections and solution-cast films were investigated in a high-voltage electron microscope, replicas and chemically stained ultra-thin sections were studied by conventional transmission electron microscopy. In all samples a multi- structured morphology has been found, consisting of four or more different parts or phases, including spherulites with a regular shape, sheaf-like structures, fibrils, lamellae, and domain structures. Clearly pronounced changes in shape and amount of these structural details appear with decreasing content of hardsegments. The existence of the so-called micro-domains is discussed in connection with the applied chemical staining procedure.

* Adresse: Institut fur Festkorperphysik und Elektronenmikroskopie, Weinberg 2, 0-4050 Halle, BRD.

0 1991 Hiithig & Wepf Verlag, Basel CCC OOO3-3146/91/$03.00 63

J. Foks, I. Naumann und G. H. Michler

I . Einleitung

Segmentierte Polyurethane (PU) auf der Basis von Polyestern werden fur die verschiedenen Anwendungen rnit unterschiedlichen Anteilen an Hart- und Weichsegmenten hergestellt. Je nach der Zusammensetzung entstehen Poly- mere rnit veranderten Eigenschaften. Fur die Realisierung konkreter Eigen- schaften sind aurjer der chemischen Zusammensetzung auch die sich im Her- stellungsprozerj in Abhangigkeit von den Synthesebedingungen und der ther- mischen Vorgeschichte ergebenden ubermolekularen Strukturen (d. h. die Morphologie) bedeutsam. Aus der Literatur ergibt sich zur Morphologie der Polyurethane kein einheitliches Bild. Die alteste und schon klassische Ansicht ist das Auftreten einer Mikrophasenseparation rnit der Bildung von Domanen- strukturen. Danach bilden die Hartsegmente domanenartige Cluster der Grorje von 2-20 nm, die in eine Matrix aus Weichsegmenten eingebettet ~ i n d l - ~ . Diese Vorstellung lehnt sich an den klaren und oft modellartig ver- wendeten Aufbau der Butadien-Styrol-Blockcopolymeren an1. 5 . Als Belege fur die Domanenstrukturen werden unter anderem elektronenmikroskopische Befunde31 lo- l2 und insbesondere die Untersuchung von rnit Iod3 oder Osmiumtetroxid8 kontrastierten Dunnfilmen im Transmissionselektronenmi- kroskop (TEM) angesehen. In einer neueren Arbeit wird zur Kontrastierung Ru04 anstatt Os04 verwendet und eine ausgepragte Mikrodomanenstruktur rnit an Hartsegmenten reichen, irregular geformten Mikrodomanen von etwa 2 bis 8 nm Durchmesser gefunden7.

In anderen Arbeiten wird auch uber das Auftreten von weiteren strukturellen Elementen rnit grorjeren Abmessungen als die Domanendurchmesser berich- tet. So werden Spharolithe8> 13-18, globulare Strukturen16 und Lamellen19.20 beschrieben. Trotz dieser aus den verschiedenen Untersuchungen ableitbaren Vielfalt struktureller Details wird als die dominierende Struktur bis heute oft noch die Mikrodomhe angesehen (z. B. in7>9).

Vorangegangene Arbeiten zur Untersuchung von segmentierten Polyuretha- nen mittels verschiedener elektronenmikroskopischer Methoden zeigten das Nebeneinander mehrerer Strukturen in denselben Proben: Mittels der Ab- drucktechnik konnten Spharolithe unterschiedlicher Gestalt dargestellt wer- denI7.I8, die eingehender auch in ihrem fibrillaren Aufbau an Kryo-Dunn- schnitten mittels der Hochstspannungs-Elektronenmikroskopie untersucht wurdeni7. An chemisch selektiv (mit einer Kombination von C1S03H, Os04 und HCHO) kontrastierten Ultradunnschnitten wurden im TEM Lamellen rnit Dicken von 4 bis 12 nm und Langen bis 0,3 km gefunden, die teilweise parallel und dichtgepackt waren und so fibrillenartige Strukturen bildetenI9* 20.

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Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird in der vorliegenden Arbeit uber elektronenmikroskopische Untersuchungen an Polyester-Polyurethanen mit systematisch variierten Anteilen aus Hart- und Weichsegmenten berichtet.

2. Experimentelles

2.1 Probenherstellung

Die Polyurethane wurden mittels Prepolymerisation aus Polyethylenadipatglykol (PEA) mit einer Molmasse von ca. M, = 2000, 4,4'-Diphenylmethyldiisocyanat (MDI) und I ,4-Butandiol (BDO) hergestelltls. Nach Zentrifugierung und Trocknung der Polymeren wurden sie 24 h bei 385 K getempert. AuBer einem Hartsegment-Homo- polymeren wurde eine Serie von Polyurethanen mit Variation der Molverhaltnisse PEA : MDI : BDO von 1 : 8 : 7 bis 1 : 2 : 1 hergestellt (s. Tab. 1). Die ProbekGrper lagen entweder als 2 mm dicke Platten oder als diinne Liisungsfilme vor. Ein Teil der Proben wurde nochmals nachtraglich fur I h bei 373 K getempert.

Tab. 1. Zusammensetzung der untersuchten Proben.

Probe Monomerverhaltnis Hartsegmentanteil PEA : MDI : BDO (Gew.-% ) (Gew.-%)

P I 100 PU I1 1 : 8 : 7 57 PU Ill 1 : 5 : 4 45 PU IV 1 : 3,5 : 4 36 PU v 1 : 3 : 2 32 PU VI 1 : 2 : 1 22

2.2 Praparationen fiir die elektronenmikroskopischen Untersuchungen

Zur Untersuchung im 10oO kV-Hochstspannungs-Elektronenmikroskop (HEM) sind aus den Platten ohne eine weitere Vorbehandlung Kryodiinnschnitte rnit Dicken von 0,5 bis I pm hergestellt worden. AuBerdem wurden von einigen Proben direkt Liisungsfilme in Dimethylformamid (DMF) rnit einigen 0,l pm Dicke prapariert und im HEM vorwiegend mittels Beugungskontrast untersucht.

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Fur die Untersuchung rnit der konventionellen Transmissions-Elektronenmikrosko- pie (TEM) erfolgte eine Behandlung der Proben zunachst mit ClS0,H-Dampf, nach Spiilen in Aceton rnit gesattigter wa8riger Os0,-LOsung und zur weiteren Kontrastver- besserung rnit einer HCHO/OsO,Liisung. Hieraus hergestellte Ultradiinnschnitte rnit Dicken von etwa 0,l pm (bei Raumtemperatur in einem Ultramikrotom Tesla 490 A) wurden in einem 90 kV-TEM untersucht.

3. Ergebnisse

3.1 Hartsegment-Homopolymeres (Probe P I)

Die kontrastierten Ultradunnschnitte der Probe P I zeigen die Existenz von mindestens drei unterschiedlichen strukturellen Anteilen oder Phasen (Abb. 1). Schmale Streifen an den Probenoberflachen sind am starksten kon- trastiert und erscheinen als schwarze Linien oder Bander. Daneben liegen Gebiete rnit einer globularen Kontrastierung vor, d. h., es sind dunkel kontra- stierte Domanen oder Globulen in einer nicht oder wenig kontrastierten Matrix vorhanden. Die kontrastierten Domanen sind z. T. mehrere 10 nm grol3 und unregelmainig bis globular geformt (Domanendurchmesser zwischen

Abb. 1. Unterschiedliche Strukturen in einem Hartsegment-Homopolymeren (Pro- be P I; chemisch selektiv kontrastierter Ultradiinnschnitt, TEM): Dunkel kontrastierte Bander an den Probenoberflachen, globular kontrastierte Gebiete, graue Bereiche rnit Lamellen.

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Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Abb. 2. Beugungsmuster eines Hartsegment-Homopoly- meren (Probe P I; Liisungsfilm, HEM).

20- 150 nm); dazwischen sind noch kleinere Kontrastierpartikel rnit Durch- messern unter 10 nm (durchschnittlich 2 - 5 nm) erkennbar. Eine dritte Phase erscheint grau kontrastiert (Abb. 1 a) und zeigt bei hdheren VergriiDerungen (Abb. 1 b) eine ausgepragte lamellare Struktur. Die Lamellen weisen Dicken um 5 nm auf und sind oft parallel zusammengelagert (mit einer Langperiode um 10 nm). Die Lamellen erreichen Langen bis zu mehreren 0,l ym.

Als direkt durchstrahlbare dunne Proben hergestellte Usungsfilme zeigten im HEM stellenweise uberraschend gute Elektronenbeugungsmuster rnit zahl- reichen Punktreflexen (Abb. 2). Die ausgepragteren Beugungsmuster sind an einigen Stellen lokalisiert und werden mehr oder weniger alternierend rnit Stel- len gefunden, die nur schwache oder kaum Beugungsmuster zeigen.

3.2 Segmentierte Polyurethane (Proben PU 11- VI)

Im Vergleich rnit dem Homo-Hartsegmentmaterial ist in den segmentierten Polyurethanen rnit dem zusatzlichen Anteil aus unterschiedlichen Mengen von Weichsegmenten (Proben PU I1 -VI) die Vielfalt in der Morphologie noch gro- Der. Als groBte strukturelle Elemente zeigen sich Spharolithe (Abb. 3). Sie tre- ten entweder isoliert in einer Matrix auf oder stonen teilweise zusammen und weisen einen zentralsymmetrischen Aufbau rnit von einem Zentrum radial aus- gehenden Fibrillen auf. Die Untersuchung im HEM erlaubte als Folge der hohen Strahlspannung von 1000 kV eine schonende Beobachtung der dunnen Filme und zeigte dadurch unter dem Elektronenstrahl auftretende Kontrast-

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Abb. 3. Spharolithe mit radial angeordneten Fibrillen: Entwicklung eines verbesser- ten Kontrastes durch die Elektronenbestrahlung (Probe PU IV; Kryodiinn- schnitt, HEM). a) Unmittelbar zu Beginn der Bestrahlung. b) Nach intensive- rer Elektronenbestrahlung.

veranderungen. Der Vergleich von Abb. 3 a und 3 b lafit eine Verstarkung der Kontraste der radialen Fibrillen und damit auch der gesamten Spharolithe mit zunehmender Bestrahlungsdauer erkennen.

Diese ,,bestrahlungsinduzierte Kontrastverstarkung" ist Ausdruck eines geordneten Aufbaus der Spharolithe aus radial angeordneten lamellaren Strukturen und wurde ausfiihrlicher inz0 beschrieben.

Die in den Spharolithen vorhandenen ,,intraspharolithischen" Lamellen mit ihrer radialen Anordnung zeigt Abb. 4. Jeweils einige der Lamellen sind dich- ter gepackt und parallel angeordnet und bilden dadurch die radialen Fibrillen innerhalb der Spharolithe, wie sie die niedrige VergroDerung von Abb. 3 zeigt. Abb. 5 a zeigt eine Garbenstruktur in der Ubersicht, die aus facherartig ange- ordneten Fibrillen besteht. Die hohere Vergrofierung der Abb. 5 b lafit den Aufbau dieser Fibrillen aus parallel gepackten, langen Lamellen gut erkennen. Als eine Besonderheit der Lamellenanordnungen sind mitunter spiralenformig aufgewickelte Fibrillen vorhanden (Abb. 6). Diese aus parallel gepackten Lamellen bestehenden Bundel oder Fibrillen sind teilweise raumlich so ange- ordnet, daR sie den Eindruck eines - allerdings noch schlecht geordneten - Spharolithen erwecken.

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Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Abb. 4. Innenstruktur eines Spharolithen mit radialer Anordnung von Lamellen, die biindelweise parallel zusammengelagert sind (Probe PU IV; chemisch selektiv kontrastierter Ultradiinnschnitt, TEM).

Abb. 5. Garbenstruktur aus facherfOrmig angeordneten Fibrillen (a), die ihrerseits aus dicht gepackten, parallel angeordneten Lamellen (b) bestehen (Probe PU 11; chemisch selektiv kontrastierte Ultradunnschnitte, TEM).

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Abb. 6. Bundelartig angeordnete und spiralenformig aufgewickelte Fibrillen (Probe PU 11; chemisch selektiv kontrastierter Ultradiinnschnitt, TEM).

Abb. 7. Nebeneinander verschiedener Strukturdetails in unterschiedlichen elektro- nenmikroskopischen VergroDerungen (Probe PU 111; chemisch selektiv kon- trastierte Ultradunnschnitte, TEM). a) Hell erscheinende Spharolithe, die in eine dunkler kontrastierte Matrix eingebettet sind. b) Struktur in einem Spha- rolithen aus vorwiegend radial angeordneten kiirzeren Lamellen. c) Struktu- rierung der Matrix mit deutlich kontrastierten, unregelmtirjig geformten glo- bularen Teilchen (unten Ubergang zu einem Spharolithen - helles Gebiet).

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Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Abb. 8. Lamellen, die z. T. zu kleineren iiberlamellaren Bundeln zusammengelagert sind (Probe PU VI; chemisch selektiv kontrastierter Ultradiinnschnitt, TEM).

Die selektiv kontrastierten Ultradunnschnitte zeigen bei kleinerer VergrbDe- rung die Spharolithe als hellere Gebiete in einer starker kontrastierten Matrix (Abb. 7 a). Starker kontrastierte Dunnschnitte lassen bei hoheren VergroDe- rungen in diesen helleren Gebieten kurzere, vorwiegend radial angeordnete Lamellen mit Dicken von ca. 2 - 6 nm erkennen (Abb. 7 b). Die die Spharolithe umgebende Matrix enthalt schwarz erscheinende, dicht gepackte und unregel- maDig geformte Globulen oder Partikel (Abb. 7c). Zwischen den griiaeren Teilchen sind kleinere kontrastierte Partikel mit Durchmessern von durch- schnittlich 2- 5 nm vorhanden.

Die Probe PU VI mit dem hochsten Weichsegmentanteil zeigt schwarz kon- trastierte Gebiete bis uber 1 pm GroDe (auf Abb. 8 z. T. aus dem Ultradunn- schnitt durch das Schneiden im Ultramikrotom herausgerissen), die dispers in eine Matrix eingelagert sind. In der Matrix liegen Lamellen vor, die z. T. lang- gestreckt und einzeln auftreten oder auch zu kleineren uberlamellaren Struk- turen (Bundel, Stapel, Garben) zusammengelagert sind.

Auf der hohen elektronenmikroskopischen VergriSDerung von Abb. 9 sind kleine Kontrastierpartikel gezeigt, wie sie in Ultradunnschnitten der PU-Pro- ben neben gr6Deren kontrastierten Globulen oft auftreten. Diese Kontrastier- partikel entsprechen im Aussehen den Strukturen, die in der Literatur oft a ls Mikrodomanen bezeichnet werden.

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Abb. 9. Kleinere Os0,-Kontrastierpartikel neben grdneren kontrastierten Globulen in einer PU-Probe (PU 111).

4. Diskussion und SchluJfolgerungen

Folgende Strukturelemente konnen unterschieden werden:

- Spharolithe; - Fibrillen, die innerhalb der Spharolithe radial angeordnet sind; - Lamellen innerhalb der Spharolithe, die parallel zusammengelagert die

- Fibrillen und Lamellen aunerhalb von Spharolithen; - groDere, dunkel kontrastierte Gebiete (Globulen, GroDenordnung 1 pm); - kleinere Kontrastierpartikel um einige 10 nm; - kleinste Kontrastierpartikel (Mikrodomanen) mit Durchmessern um einige

nm.

Die Ergebnisse belegen, dal3 die angewendete Kontrastiertechnik durch den kombinierten Einsatz von C1S03H/Os04/HCH0 sehr gut geeignet ist, Strukturen in Polyester-Polyurethanen aufzudecken bzw. nachzuweisen. Eine nicht leicht zu beantwortende Frage ist, welche Anteile bevorzugt angegriffen und kontrastiert werden. Erfahrungen mit der Kontrastierung von verschiede- nen amorphen und teilkristallinen Polymeren zeigen, daD hierbei nicht nur chemische Reaktivitaten, sondern in wesentlichem MaD auch Adsorptionen an ,,physikalischen" StrukturgroDen wie an Gebieten mit geringerer molekularer Packungsdichte, grol3erem freiem Volumen oder an Mikrohohlraumen eine

Fibrillen ergeben;

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Morphologie von segmentierten Polyurethanen

Rolle spielen. Zum Beispiel werden im teilkristallinen Polyethylen trotz einer gleichartigen chemischen Struktur die amorphen Gebiete und insbesondere die Deckschichten der Lamellen deutlich kontrastiert, da hier verstarkt mole- kulare Defekte und ein grofieres freies Volumen (kleinere Dichte) vorliegen, wahrend die Lamellen aus dicht gepackten Makromolekulsegmenten nicht oder kaum angegriffen Eine analoge, bevorzugte Kontrastie- rung der Phasengrenzen zwischen kristallinen und amorphen Regionen wurde fur segmentierte Polyetherester durch eine Behandlung rnit Allylamin und Os04 gefundenZ8.

In der Literatur wird der verstarkte Angriff von Os04 auf Doppelbindun- gen in Verbindung mit Polyurethan zur Kontrastierung von MDVBDO- Hartsegmenten* und von Polybutadien-WeichsegmentenZ2 genutzt. Uber eine Kontrastierung von Polyester-Polyurethanen mit Iod wird in3 berichtet, und in7 wird die wesentlich groBere Reaktivitat von Ru04 gegenuber den Hartseg- menten hervorgehoben.

Der deutliche Angriff gegenuber den Hartsegmenten zeigt sich auch bei der Untersuchung der Probe P I. Allerdings erfolgt die Kontrastierung sehr hetero- gen, indem neben klar kontrastierten Gebieten auch weniger und nicht ange- griffene Bereiche vorliegen, so dalj hierdurch mindestens drei Phasen unter- schieden werden konnen (vgl. Abb. 1). Das kann Ausdruck einer lokalen che- mischen bzw. molekularen Heterogenitat (z. B. in der Kettenlange) oder auch von unterschiedlichen Packungsdichten sein. Letzteres durfte die Kontrastie- rung an den Stellen mit deutlich ausgebildeten Lamellen bewirkt haben.

Die Polyurethane (Proben PU I1 bis VI) weisen durch das Auftreten von Bereichen rnit deutlich unterschiedlicher Morphologie ebenfalls auf einen lokal heterogenen molekularen Aufbau hin. Hierfur kann insbesondere auch angenommen werden, dafi die Zusammensetzung aus Hart- und Weichseg- menten nicht homogen im gesamten Material ist, sondern dafi Bereiche rnit lokal vergrofierten Hartsegment- bzw. Weichsegmentanteilen auftreten. Das kann auch so ausgedruckt werden, dafi das Material eine Mischung aus Poly- urethanen unterschiedlicher Zusammensetzung ist. Diese Ansicht wird auch in23-25 vertreten.

Die Grofie der Spharolithe und der anderen uberlamellaren Gebilde variiert in den Proben relativ stark, nimmt aber rnit abnehmendem Hartsegmentanteil durchschnittlich ab. Die Proben PU I11 und IV zeigen Spharolithe bis uber 10 pm Durchmesser und die Probe PU V bis etwa 5 pm, wahrend bei der Probe PU VI nur noch kleinere Garbenstrukturen mit Grofien bis maximal 1 pm vor- liegen. Das reine Homo-Hartsegmentmaterial (P I) sowie die Probe PU I1 rnit einem geringen Weichsegmentanteil zeigen keine eigentlichen Spharolithe,

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sondern gut ausgebildete, grodere Garben. Diese bestehen aus facherformig angeordneten Fibrillen, die ihrerseits aus dicht gepackten, parallelen Lamellen aufgebaut sind. Deutliche Spharolithe rnit zentralsymmetrischem Aufbau und radial angeordneten Fibrillen besitzen die Proben PU 111, IV und V. Mit zunehmendem Anteil an Weichsegmenten werden die Spharolithe kleiner, und ihre Anzahl nimmt ab.

Hieraus und in Ubereinstimmung rnit den Ergebnissen int8 (die auf Grund von Abdruckfilmen im TEM und lichtoptischen Untersuchungen an den glei- chen Materialien erhalten wurden) kann angenommen werden, dad die Spha- rolithe vorwiegend aus Hartsegmenten aufgebaut sind. Im Homo-Hartseg- mentpolymeren P I und in der hartsegmentreichen Probe PU I1 erfolgt eine Lamellenkeimbildung an zahlreichen Stellen, so dad ein ungestortes Wachsen groderer Gebilde wie der Spharolithe verhindert wird. Das Material zeigt im DSC einen groden kristallinen Anteill*, der rnit dem Vorliegen eines deutli- chen Elektronenbeugungsmusters korreliert (vgl. Abb. 2). Konformationsana- lysen von Poly(MD1-BDO) Hartsegmenten fiihren zu der Annahme, dalj die BDO-Abschnitte in einer ebenen Zick-Zack-Anordnung vorliegen und die Ein- heitszelle triklin istz6# 27. Mit zunehmendem Weichsegmentanteil wird eine Kristallisation mehr und mehr behindert, so dad der Kristallinitatsgrad, die Anzahl der Lamellen sowie die Grorje und Menge der uberlamellaren Spharo- lithe abnehmen, bis bei der Probe PU VI nur noch einige locker aus jeweils wenigen Lamellen zusammengefiigte Biindel auftreten.

Die in den verschiedenen Proben erkennbaren Lamellen variieren in ihren mittleren Dicken zwischen 4,O und 6,5 nm bei abnehmender Tendenz rnit klei- ner werdendem Hartsegmentanteil: Die Lamellendicken liegen bei der Probe PU I1 zwischen 4 und 9 nm rnit einem Mittelwert von 6,5 nm und bei der Probe PU V zwischen 2 und 6 nm rnit einem Mittelwert von 4,O nm. Dies ist die Folge einer Uberlagerung zweier Effekte: Das Auftreten lingerer und dickerer Lamellen (Lamellendicken bis 9 nm) beruht auf einer ungestorten Hartseg- mentkristallisation, wahrend die Bildung der kiirzeren und diinneren Lamel- len (kleinste Dicken 2 - 3 nm) auf dem behinderten Einflurj der Weichsegmente beruhen.

Eine Temperung der Probe PU V1 fur 1 h bei 373 K fiihrt zu einer Zunahme der Lamellendicken (3,5 bis 9 nm rnit einem Mittelwert von 5,7 nm) und kann als eine verstarkt erfolgende molekulare Separation der Hartsegmentanteile angesehen werden.

Als weitere Strukturdetails treten kontrastierte Globulen, Partikel oder Domanen auf. Die groderen Partikel rnit Durchmessern von etwa 0,l bis 1 pm werden in allen Proben beobachtet und markieren damit eventuell reine Hart-

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segmentanteile. Die kleinsten erkennbaren Kontrastierpartikel im GroBenbe- reich von 1 nm bis zu einigen nm korrelieren mit der in der Literatur vorwie- gend diskutierten Strukturebene der Mikrodomanen, die als Hartsegmentan- teile als Ergebnis einer Phasenseparation gedeutet werden.

Bei der Darstellung von Mikrodomanen an selektiv kontrastierten Ultra- dunnschnitten im TEM ist Vorsicht angeraten. Wie der Vergleich der hoheren elektronenmikroskopischen Vergronerung in Abb. 9 mit zahlreichen anderen kontrastierten Materialien (z. B. Polybutadien, Polyethylen, PVC) zeigt, liegen in der kontrastierten PU-Probe dunkle Partikel vor, wie sie als Osmium-Parti- kel von diesen Materialien her bekannt sind. Das Problem ist, da13 bei hinrei- chend hartem Angriff statistisch verteilte 0s-Keime entstehen konnen, die durch weitere Anlagerung von 0s-Atomen zu stabilen Partikeln mit charakteri- stischen GrODen von 1 nm bis zu einigen nm anwachsen. Daher konnen auch ohne einen tatsachlichen Strukturhintergrund ,,Mikrodomanen“ in der genannten Gronenordnung vorgetauscht werden. Folglich ist fur den Nachweis von Mikrodomanen das Auftreten der Kontrastierpartikel zwar notwendig, aber allein nicht ausreichend.

Bei allen zur Zeit noch vorliegenden Schwierigkeiten einer Zuordnung der unterschiedlichen Strukturdetails zur chemischen Zusammensetzung zeigt sich aber, daR Heterogenitaten bzw. Phasenseparationen in mehreren GroDen- bereichen von wenigen nm bis weit uber 10 p.m vorliegen. Die in der Literatur vorwiegend diskutierte Strukturebene der Mikrodomanen mit Gronen von einigen nm ist damit nur die auf dem kleinsten GroDenniveau erfolgende Mikrophasenseparation.

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