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262 LINCK. reichen des Anfangsteiles der Hypopharynxhinterwand liegt. Diese Gegend wird yore Nervus glossopharyngeus sensibel innerviert. Er w~ire demnach der Hauptschlucknerv des Menschen. Die schluckaktausl6sende Empfindlichkeit des Epiglottisrandes dient offenbar als Reflexreserve und tritt wahrscheinlich beim Schlucken yon Fliissigkeit in T~ttigkeit. Der Epiglottisrand w~tre daher als erste Nebenschluckstelle des Menschen anzusprechen. Er wird vom Nervus laryng, sup. vagi innerviert, der damit als erster Nebenschlucknerv des Menschen zu gelten h~tte." Literatur. Skramlik, Physiologie der MundhShle und des Rachens. Handb. d. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk. von Denker und Kahler, Bd. 1. Ka.hn, Studien fiber den Schluckreflex. Arch. f. Anat., 1903, Suppl. Band. Marschik, Kehlkopffilm. Acta oto-laryngologica Vol XII, 1928. Aus der Universit~Ksklinik fiir Ohren-Nasen-Halskrankheiten in Greifswald. (Vorstand: Prof. Linck.) Beitrag zur Klinik und Pathologie der echten und falschen (entziindlichen) Geschwtilste des Kehlkopfes. Von A. Linck, Greifswald. Mit 3 Abbildungen. Es ist eine alte Erfahrung, dab bei der mannigfaltigen Morpho- logie der echten und falschen (entziindlichen) Oeschwulstbildungen im Kehlkopfinneren und mit Riicksicht auf die immerhin begrenzte Leistungsfiihigkeit der klinischen Untersuchungsmethoden, ins- besondere der indirekten Laryngoskopie, die klinisch-diagnostische Unterscheidung des Geschwulstcharakters nach der einen oder anderen Seite grol3e Schwierigkeiten bereiten kann. Auch die praktische Wichtigkeit, welche der Probeexzision und der histologischen Untersuchung bei dieser differential-diagnostischen Entscheidung zukommt, ist eine so alte anerkannte Tatsache, dab man dariiber keine weiteren Worte mehr zu verlieren braucht. Was aber immer wieder interessiert und der Ver6ffentlichung wert ist, das sind die besonderen kasuistischen Rarit~tten, welche aus Zu- f/illigkeiten der Lokalisation oder aus besonderen Eigentiimlichkeiten

Beitrag zur Klinik und Pathologie der echten und falschen (entzündlichen) Geschwülste des Kehlkopfes

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262 LINCK.

reichen des Anfangsteiles der Hypopharynxhinterwand liegt. Diese Gegend wird yore Nervus glossopharyngeus sensibel innerviert. Er w~ire demnach der Hauptschlucknerv des Menschen.

Die schluckaktausl6sende Empfindlichkeit des Epiglottisrandes dient offenbar als Reflexreserve und tri t t wahrscheinlich beim Schlucken yon Fliissigkeit in T~ttigkeit. Der Epiglottisrand w~tre daher als erste Nebenschluckstelle des Menschen anzusprechen. Er wird vom Nervus laryng, sup. vagi innerviert, der damit als erster Nebenschlucknerv des Menschen zu gelten h~tte."

Literatur. Skramlik, Physiologie der MundhShle und des Rachens. Handb. d. Hals-,

Nasen- u. Ohrenheilk. von Denker und Kahler, Bd. 1. Ka.hn, Studien fiber den Schluckreflex. Arch. f. Anat., 1903, Suppl. Band. Marschik, Kehlkopffilm. Acta oto-laryngologica Vol XII, 1928.

Aus der Universit~Ksklinik fiir Ohren-Nasen-Halskrankheiten in Greifswald. (Vorstand: Prof. L inck . )

Beitrag zur Klinik und Pathologie der echten und falschen (entziindlichen) Geschwtilste des Kehlkopfes.

Von A. L i n c k , Greifswald.

Mit 3 Abbildungen.

Es ist eine alte Erfahrung, dab bei der mannigfaltigen Morpho- logie der echten und falschen (entziindlichen) Oeschwulstbildungen im Kehlkopfinneren und mit Riicksicht auf die immerhin begrenzte Leistungsfiihigkeit der klinischen Untersuchungsmethoden, ins- besondere der indirekten Laryngoskopie, die klinisch-diagnostische Unterscheidung des Geschwulstcharakters nach der einen oder anderen Seite grol3e Schwierigkeiten bereiten kann.

Auch die praktische Wichtigkeit, welche der Probeexzision und der histologischen Untersuchung bei dieser differential-diagnostischen Entscheidung zukommt, ist eine so alte anerkannte Tatsache, dab man dariiber keine weiteren Worte mehr zu verlieren braucht. Was aber immer wieder interessiert und der Ver6ffentlichung wert ist, das sind die besonderen kasuistischen Rarit~tten, welche aus Zu- f/illigkeiten der Lokalisation oder aus besonderen Eigentiimlichkeiten

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des entziindlichen bzw. geschwulstigen neoplastischen Prinzips sich ergeben und durch ihre mehr oder weniger groBe Abweichung yon dem landl~iufigen einschl~igigen Typus die Grenzen der pathologischen M6gliehkeiten im klinsichen Erkenntnisbereich jedesmal neu er- kennen und revidieren lassen. Hierzu rechnen zwei F~ille, die letzthin ziemlich zur gleichen Zeit in der Greifswalder Klinik zur Beobaehtung gelangten.

F a l l 1: Tuberkulom des Kehlkopfes, eine maligne Geschwulst vort~uschend.

Es handelt sich um einen kr~iffigen leidlieh gut gen~hrten Mann mittleren Alters. Er erscheint mit der Angabe, dab er seit Monaten heiser und in letzter Zeit auch bei der Atmung etwas behin- dert sei. Namentlich die letzte- ren Beschwerden h~itten ihn zum Arzt geftihrt, der ihn zur Beurteilung und Behandlung der Klinik iiberwiesen habe.

Die laryngoskopische Un- tersuchung (indirekte Laryngo- skopie) zeigt im supraglotti- schen Raum des Kehikopfs einen rundlichen, halbkugelig hervorragenden,breit aufsitzen- den, etwa kirschgrol3en Tumor, der sich yon links vorne in das

Abb. 1. Innere nach hinten und rechts hiniiberlegt. Seine Farbe ist ira ganzen br~tunlich-rot. Die Oberfl~tche ist z. T. glatt, z. T. rissig, leicht zerkliiffet. An den letzteren Partien zeigt die Farbe einen gelblieh-braunen Ton. Das Kehlkopfinnere ist bis auf die linke Seite, welche dureh den Tumor z. T. verdeekt ist, gut zu iibersehen und zeigt sonst keine bemerkenswerten Abweichungen. Die Stimm- b~tnder, yon denen bei der Phonation auch das linke gut siehtbar wird, sind mattgerOtet, etwas verdickt aber sonst vollst~tndig glatt und gl~inzend. Ihre grobe Beweglichkeit ist unbehindert (s. Abb. 1).

Der Lungenbefund (Innere Medizinische Klinik) l~iBt keine Ab- weichungen erkennen. Die W a s s e r m a n n s c h e Blutuntersuchung ergibt ein ganz eindeutiges negatives Resultat.

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Die k l in i sche Diagnose lautet unter diesen Umst~inden auf ma l i gne N e u b i l d u n g (Sarkom?).

Die Probeexzision ergibt ein br6ckliges markiges Gewebs- material. Die m i k r o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g zeigt darin dicht bei dicht Epitheloidtuberkel mit geringer zentraler Verk~isung und reichlich Riesenzellen (Abb. 2).

Die a n a t o m i s c h e Diagnose lautet hiernach: t u b e r k u l 6 s e Geschwul s t (Tuberkulom) des Kehlkopfs.

Abb. 2. Tuberkulom des Kehlkopfes.

Die T h e r a p i e bestand in Laryngofissur, scharfer Exstirpation der Geschwulst mit nachfolgender ausgiebiger Elektrokoagulation des Geschwulstgrundes und der unmittelbaren Umgebung.

Der postoperative Verlauf fiihrte zu einer v611igen Heilung. Patient hat sich seither in gr6Beren zeitlichen Zwischenr/tumen wiederholt vorgestellt. Er sieht gut aus,kann leidlich gut sprechen und hat auch seine Arbeit als Maschinist wieder aufgenommen. Die wiederholte laryngoskopische Untersuchung zeigte keine Spur eines Rezidivs in dem weiten, gut tibersichtlichen Kehlkopfinnern.

Beitrag zur Klinik und Pathologie usw. 265

Die Geschwulstbildungen des Kehlkopfs auf tuberku15ser Grundlage, die sog. Tuberkulome oder Lupome, sind in der Literatur wiederholt, z .T. sehr ausfiihrlich behandelt worden (s. Literatur bei L o e b e l l l ) ) . Dem histologischen Bau nach gehSrt unser Fall zu dem Granulom-Tuberkulom (Manasse2)). Was ihn kasuistisch be- sonders auszeichnete, war das geschwulstartige Auftreten der tuber- kul6sen Gewebsver~inderungen im vorderen und oberen seitlichen Tell des Larynx. Dadurch wurde klinisch die Deutung im Sinne einer echten Geschwulstbildung geradezu provoziert.

In dieser Beziehung liegt der Fall ganz ~ihnlich wie der yon L o e b e l l beschriebene. Dort war die tuberkulSse Geschwulstmasse ebenfalls auf der linken Seite als kugelige breitaufsitzende Gewebs- neubildung zu sehen gewesen. Wegen seiner harten Konsistenz und auf Grund der histologischen Untersuchung eines exzidierten Ge- websfetzens wurde sie Iiir ein Chondrom gehalten. Erst bei der histologischen Untersuchung des durch Hemilaryngektomie ge- wonnenen Gesamtpr~iparates kam der tuberkul6se Charakter der Neubildung zutage.

Auch in dem einen von M a n a s s e ver6ffentlichten Falle war die tuberkulSse Kehlkopfgeschwulst Iiir ein malignes Neoplasma gehalten und durch Hemilaryngektomie exstirpiert worden. Die Geschwulst hatte im Stimmbandgebiet gesessen und dieses in einen grol3en halbkugeligen Tumor umgewandelt.

In diesen und in anderen F/illen der Literatur war eine radikal- chirurgische Behandlung durch irrige diagnostische Voraussetzungen veranlal3t worden. In unserem Falle hatten wir bewul3t, in klarer Erkenntnis des spezifisch-entziindlichen Geschwulstcharakters, eine radikal-chirurgische Behandlungsmethode, die scharfe Exstirpation nach Laryngofissur gew/ihlt, weil sie uns bei der GrSl3e des Tumors den besten und sichersten Erfolg zu versprechen schien.

Allerdings wird in der Literatur im allgemeinen gegen eine solche chirurgische Behandlung der Tuberkulome Stellung genommen unter den verschiedensten Begriindungen. Der Verlauf unseres Falles hat aber gezeigt, dab die Laryngofissur fiir derartige F~lle sehr wohl als erfolgreiches Behandlungsverfahren zu beriicksichtigen ist. Immerhin diirfte es sich empfehlen, der Exstirpation der Geschwulst stets ein

1) Loebell, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1923, 13d. 254. ~) Manasse, Referat fiber Kehlkopftuberkulose auf der Jahresver-

sammlung deutscher Hals-Nasen-Ohren~irzte in Breslau 1924.

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Auskochen ihres Grundes und ihres Randgebietes folgen zu lassen. Damit wird am besten ein Rezidiv und vor allem auch die Provo- kation einer generalisierten Tuberkulose vermieden. Voraus- setzung fiir die Wahl dieses Verfahrens mul3 natiirlich unter allen Umst~nden sein, dab es sich tats~ichlich bei den tuberkulSsen Ver- 5nderungen um ein zirkumskript lokalisiertes, in sich abgeschlossenes Geschwulstgebilde handelt und nicht etwa um multiple tuberkul6se Effloreszenzen, und dab die Lungen keine tuberkulSse Ver~nderungen erkennen lassen. Namentlich den letzteren Umstand wiirde ich als ein Moment auffassen, welches eine Laryngofissur kontraindiziert erscheinen lieBe.

F a l l 2: Prim~res hohes Trachealkarzinom mit geschwulstiger Infiltration beider Stimmb~inder, eine Kehlkopftuberkulose vor- t~iuschend.

Diese Patientin, eine Frau Ende der Vierzig, wird wegen zu- nehmender Heiserkeit mit Husten und Auswurf der Klinik tiber- wiesen. Der behandelnde Arzt h~ilt die Krankheit fiir Tuberkulose, zumal er tiber beiden Lungen Infiltrationsherde hatte feststellen kSnnen.

Von vornherein Iiillt das hinf~illige elende Aussehen der blassen Frau auf. Die laryngoskopische Untersuchung zeigt einen gut zu iibersehenden supraglottischen Raum. Die Stimmb~inder sind beide walzenfSrmig verdickt, gerStet, am inneren Rande ausgefressen, unregelm~iBig gezackt. Bei der starr fixierten fast unbeweglichen Mittelstellung ist zwar der Luftwechsel in- und exspiratorisch un- behindert, aber der subglottische Raum ist dunkel und schwer zu iibersehen.

Die internistische Untersuchung best~tigt das Vorhandensein multipler kleiner Infektionsherde in beiden Lungen. Im Sputum keine Tuberkelbazillen.

Die spezial~rztliche klinische Diagnose lautet daraufhin: Vor- geschrittene infiltrierende Tuberkulose beider Stimmb~nder.

Bei der Probeexzision aus beiden Stimmb~ndern wird ein mar- kiges brSckliges Gewebsmaterial gewonnen. Die m i k r o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g zeigt keine Spur von tuberkul6sen Ver~tnderungen, sondern das typische Bild eines infiltrierenden Plattenepithel- karzinoms (s. Abb. 3).

Die a n a t o m i s c h e D i a g n o s e lautet hiernach: K e h l k o p f - k a r z i n o m in b e i d e n S t i m m b ~ i n d e r n .

Beitrag zur Klinik und Pathologie usw. 267

Gleichzeitig mit dieser Feststellung taucht naturgem~13 der Verdacht auf, dab es sich nicht um ein prim~ires Kehlkopfkarzinom handeln k6nnte, weft das gleichm~il3ige Ergriffensein beider Stimm- b~inder in dieser Form mit einer prim~ren Genese des Karzinoms im Stimmbandgebiet unm6glich in Einklang gebracht werden konnte. Es lag vielmehr der Verdacht nahe, dab der prim~ire Geschwulstherd unterhalb der Stimmb~inder lokalisiert sei und von unten her die Stimmlippen durchwachsen haben mfisse.

Abb. 3. AlveolXres Karzinom des Stimmbandes bei prim~trem Trachealkarzinom.

Um die Lage zu kl~iren, wurden Kehlkopf und Trachea auto- skopisch untersucht. Dabei erblickte man nach Auseinanderdr~ngen der starren Stimmb~nder eine flache papill~ire zottige, z. T. ulzerie- rende Geschwulstplatte, welche dem obersten Teil der Trachea an der ganzen Vorderwand aufsal3 und bis an die Regio glottica heran- reichte.

Hiermit war die klinische und anatomische Situation, soweit das Kehlkopftrachealgebiet in Frage kam, restlos gekl~irt. Aber auch hinsichtlich der Lungenherde konnte hiernach die Diagnose dahin erg~nzt werden, dab es sich voraussichtlich um geschwulstige

268 LINCK. Beitrag zur Klinik und Pathologie usw.

Metastasen (embolische oder Aspirationsmetastasen) handelte, die yon dem prim~iren Trachealkarzinom ausgegangen waren.

Angesichts dieser Gesamtlage konnte yon einer chirurgischen Therapie keine Rede sein. An sich w~ire das Trachealkehlkopf- karzinom durch eine tief herunterreichende zirkul~tre Kehlkopf- trachealresektion vielleicht noch zu beherrschen gewesen. Die Operation h~itte aber mit Rticksicht auf die vorhandenen Lungen- herde und auf den stark reduzierten Kr~iftezustand der Patientin weder einen vortibergehenden noch einen dauernden Erfolg herbei- ftihren k6nnen. Unter diesen Umst/inden verzichteten wir auf eine spezialchirurgisehe Therapie und iiberwiesen die Patientin zur R6nt- genbehandlung der strahlentherapeutisehen Abteilung der Chirur- gischen Klinik. Die Patientin ist dann bald darauf nach Hause entlassen und dort nach kurzer Zeit gestorben.

In diesem Fall war die Entwicklung und Korrektur der Diagnose genau umgekehrt vor sich gegangen wie im ersten Fall. Auf Grund des doppelseitigen typischen laryngoskopischen Befundes und mit Riicksicht auf den diagnostischen LungenprozeB waren die Ver- ~inderungen im Kehlkopf Iiir Tuberkulose gehalten, und nach der mikroskopischen Untersuchung entpuppten sie sich als maligne Neubildung. Die autoskopische Feststellung des hoch herauf- reichenden Trachealkarzinoms gab dann die plausible Erkl~trung fiir das Zustandekommen der fiir Karzinom hi3ehst ungewtihnlichen und darum klinisch irritierenden Larynxvergnderungenl Das Kar- zinom war prim~ir in der Trachea entstanden, war yon unten her in die beiden Stimmb/inder hineingewachsen und hatte so zu der doppelseitigen gleichm~il3igen Infiltration gefiihrt, der man von oben her den geschwulstigen Charakter unm6glich ansehen konnte. In der Tat h~ttte ja der Kehlkopfbefund auch niemals ein derartiger sein k6nnen, wenn das Karzinom im Gebiet der Stimmb/inder selbst seinen Ursprung genommen h/itte. Somit stellt dieser Fall ein laryngoskopisches Unikum yon Karzinom im Kehlkopf dar. AuBer- dem bildet er einen kasuistischen Beitrag zu den seltenen prim~ren Trachealkarzinomen (s. H o l m g r e n , Arch. f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilk. Bd. 122, H. 1--4, S. 145).