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BELLE DE JOUR Die intimen Aufzeichnungen eines Londoner Callgirls 1

BELLE DE JOUR Die intimen Aufzeichnungen eines Londoner ...media.libri.de/shop/coverscans/659/6594561_lprob.pdf · Buch Das älteste Gewerbe der W elt? Mag sein, doch Belle de Jour

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BELLE DE JOUR

Die intimen Aufzeichnungeneines Londoner Callgirls

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Buch

Das älteste Gewerbe der Welt? Mag sein, doch Belle de Jour, einLondoner Edel-Callgirl, beweist mit ihren intimen Aufzeich-nungen, dass diese Profession auch einer modernen jungenFrau wunderbar gemäß kann. Vorausgesetzt, sie mag tabulosenSex und versteht es, stets getreu dem Motto zu leben: »Tu nichtsfür Geld, was du nicht auch so tun würdest.« Schon als sie dieFotografin ihrer Dating-Agentur frustrierte, weil sie sich einfachnicht das Lachen über die absurde Situation des lasziven Posie-rens verkneifen konnte, entdeckte Belle de Jour die komischenSeiten ihres Gewerbes – und beschloss, darüber zu schreiben.Heraus kam ein preisgekröntes Online-Tagebuch, das sich un-gebrochener Beliebtheit erfreut, und bald darauf Buchverträgein der ganzen Welt. In ihren intimen Aufzeichnungen erfahrendie Leser nicht nur, was Belle zu dieser doch nicht ganz gewöhn-lichen Berufswahl bewog, was es mit dem Boy, N und den vier Asauf sich hat oder welche Dessous zu welchem ›Anlass‹ passen,sondern vor allem natürlich, was Männer wirklich wollen – undwas Frauen tatsächlich darüber denken. Und das immer offen,

manchmal schockierend und stets herrlich frech.

Autorin

Belle de Jour ist das Pseudonym eines Londoner Edel-Callgirls.Und obwohl sich Heerscharen von Journalisten die Köpfe zer-brochen und die Finger wund geschrieben haben, bleibt ihre

wahre Identität ihr süßes Geheimnis.Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Online-Tagebuchesund der daraus resultierenden Aufzeichnungen in Buchformschreibt Belle nun Artikel für Medien rund um den ganzen Erd-

ball – von The Daily Telegraph bis zur Tribune.

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Belle de JourDie intimen

Aufzeichnungeneines

Londoner Callgirls

Aus dem Englischenvon Andrea Fischer

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Die Originalausgabe erschien 2005unter dem Titel »The Intimate

Adventures of a London Call Girl«bei Weidenfeld & Nicolson, London

Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches

sind chlorfrei und umweltschonend.

Einmalige SonderausgabeTaschenbuchausgabe November 2007Copyright © der Originalausgabe 2005

by Bizrealm LimitedAll rights reserved

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagfoto: Wynn PhotodesignDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN: 978-3-442-46602-3

www.goldmann-verlag.de

F und N gewidmet

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Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung und Geduld vonPatrick Walsh und Helen Garnons-Williams nicht möglichgewesen, auch ihren Angestellten und Mitarbeitern giltmein Dank.

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Zuerst muss ich eines klarstellen: Ich bin eine Hure.Das ist nicht einfach so dahergesagt. Ich meine das nicht

in dem Sinne, als hätte ich einen langweiligen Schreibtisch-job oder würde in den neuen Medien arbeiten. Ich kenneviele, die behaupten, ein einjähriger Zeitvertrag oder einJob als Verkäufer, das sei schon so etwas wie Prostitution.Stimmt nicht. Ich weiß das, denn ich hatte Zeitverträge undhabe für Geld gevögelt. Beides hat nichts miteinander zutun, nicht im Geringsten. Das sind zwei völlig verschiedeneSonnensysteme.

Außerdem muss man wissen, dass ich in London lebe.Diese beiden Tatsachen haben möglicherweise etwas mit-einander zu tun. London ist keine billige Stadt. Wie fastalle meine Freunde bin ich nach der Uni voller Hoffnungauf einen Job hergezogen. Wenn schon keinen gut bezahl-ten, dann wenigstens einen interessanten oder einen, indem es vor gut aussehenden, heiratsfähigen Männern nurso wimmelt. Aber solche Stellen sind rar gesät. Irgend-wann landet fast jeder, so wie meine Freunde A2 und A3,die in ihren akademischen Kreisen durchaus geschätztwerden, in der Finanzbuchhaltung. Bloß das nicht! Erbsenzählen ist schlimmer als der Tod. Auf der Liste der abtör-nendsten Berufe kommt der Buchhalter noch vor demUniprofessor.

Prostitution ist eine regelmäßige, aber nicht besondersanstrengende Arbeit. Ich lerne viele Menschen kennen. Si-

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cher, die meisten sind Männer, die ich normalerweise nureinmal treffe und mit denen ich schlafen muss, auch wennsie behaarte Leberflecke und nur noch drei Zähne imMund haben oder wenn sie verlangen, dass ich ihre Ge-schichtslehrerin aus dem letzten Schuljahr spiele. Aber dasist immer noch besser, als die Uhr anzustarren, auf dass siedie nächste offizielle Pause im trostlosen Gemeinschafts-raum anzeige. Wenn meine Freunde also mit dem strapa-zierten Vergleich kommen, im Angestelltenverhältnis müs-se man sich prostituieren, dann nicke ich wissend undbedaure ihr Schicksal. Anschließend kippen wir unsereCocktails und fragen uns, was aus unseren Zukunftsplänengeworden ist.

Die Pläne meiner Freunde sind wahrscheinlich auf einerZufahrtsstraße zur Reihenhaussiedlung gestrandet, meinTraum macht regelmäßig für Geld die Beine breit.

Wobei – ich bin ja nicht über Nacht zur Nutte geworden.Ich landete in London wie tausend andere frisch ge-

backene Hochschul-Absolventen. Ich hatte nur ein kleinesStudiendarlehen zurückzuzahlen und etwas angespart,dachte also, ich käme eine Zeit lang über die Runden. Dochbald hatten Miete und unzählige triviale Ausgaben meineErsparnisse aufgezehrt. Mein Tagesablauf sah folgenderma-ßen aus: Stellenanzeigen durchforsten, kriecherische Be-werbungsschreiben verfassen, obwohl ich wusste, dass ichniemals zum Vorstellungsgespräch geladen würde, undabends vorm Schlafengehen wie wild onanieren.

Die Selbstbefriedigung war der Höhepunkt jedes Tages –mit Abstand. Ich stellte mir vor, als Testerin bei einem Büro-artikelhersteller zu arbeiten; dafür musste ich mir unzähli-ge Klemmen an die Oberschenkel heften und wurde da-bei kräftig gebumst. Oder ich malte mir aus, als persönlicheAssistentin einer einflussreichen Geschäftsfrau an ihren

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Schreibtisch gekettet und von einem ihrer Sklaven gelecktzu werden, der wiederum auf einem Dildo hockte. Oder ineinem Desensibilisierungsbecken zu treiben und von un-sichtbaren Händen gezwickt und an der Haut gezogen zuwerden, erst sanft, dann immer stärker.

London war nicht die erste Großstadt, in der ich gelebthabe, aber sie war mit Sicherheit die größte. In anderenStädten kann es immer passieren, jemanden zu treffen, denman kennt, oder immerhin einen Menschen lächeln zu se-hen. Hier nicht. Die Züge sind voll gestopft mit Pendlern,die ehrgeizig versuchen, sich gegenseitig im Zeitunglesenoder Musikhören zu übertreffen – ein ständig eskalierenderKrieg. Einmal saß eine Frau in der Northern Line nebenmir und hielt sich die Metro so dicht vor die Nase, dass icherst nach drei Haltestellen merkte, dass sie nicht las, son-dern weinte. Ich musste mich zusammenreißen, kein Mit-leid mit ihr zu haben, und noch mehr, nicht selbst loszuheu-len.

Und so sah ich zu, wie meine kärglichen Ersparnisseschwanden, während der Kauf einer Travelcard zum Höhe-punkt der Woche wurde. Ich bin süchtig nach ständig neu-en Dessous, doch selbst die Einschränkung des Neuerwerbsvon Spitzenhöschen konnte das Problem nicht lösen.

Kurz nach dem Umzug bekam ich eine SMS von einerFrau, die mir von meinem Freund N vorgestellt worden war.London ist Ns Stadt, er kennt hier alles und jeden. Fallsman wirklich über sechs Ecken jeden auf der Welt kennt,deckt er bei mir die ersten vier ab. Als er sich also mächtigins Zeug legte, um mir diese Frau ans Herz zu legen, spitzteich die Ohren. »Hab gehört, dass du in der Stadt bist – wür-de dich gerne treffen«, stand in der SMS. Sie war eine kom-pakt gebaute, anziehende ältere Frau mit messerscharfemAkzent und teurem Geschmack. Als wir uns trafen, dachte

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ich erst, sie sei eine Klasse zu hoch für mich. Aber kaumdrehte sie mir den Rücken zu, gab N mir flüsternd mit wil-den Gesten zu verstehen, sie würde abgehen wie nichts undstehe auch auf Frauen. Ich wurde sofort feucht. Besser ge-sagt: klitschnass.

Zwei Wochen lang behielt ich die SMS gespeichert; mei-ne Phantasien wurden immer heißer und heftiger. Es dauer-te nicht lange, da hatte sie sich in die strenge Latexchefinmeiner abendlichen Phantasien verwandelt. Die Hurenund sexbesessenen Sekretärinnen meiner Träume beka-men Gesichter – ihres. Ich simste zurück. Fast umgehendrief sie an und sagte, sie und ihr Neuer würden gerne in dernächsten Woche mit mir essen gehen.

Tagelang überlegte ich, was ich anziehen sollte, leistetemir einen Frisörbesuch und neue Unterwäsche. Als es soweit war, riss ich alle Klamotten aus dem Kleiderschrankund zog mich mindestens zehnmal um. Schließlich ent-schied ich mich für einen eng anliegenden Pulli in Aqua-marinblau und eine Hose in Anthrazit – sah vielleicht einbisschen nach Bürohilfe aus, war aber durchaus sexy. Ichkam dreißig Minuten zu früh im Restaurant an, obwohl ichden Laden schon eine halbe Stunde gesucht hatte. Der Kell-ner sagte, ich könne mich erst an den Tisch setzen, wennalle da seien. Ich gab mein letztes Geld für einen Drink ander Bar aus und hoffte, dass ich das Essen nicht würde be-zahlen müssen.

Gemurmelte Gespräche vermischten sich mit der dahin-plätschernden Hintergrundmusik. Alle sahen aus, als wärensie älter als ich. Mehr Geld in der Tasche hatten sie auf je-den Fall. Einige kamen wahrscheinlich direkt von der Ar-beit, andere hatten sich offensichtlich zu Hause frisch ge-macht. Immer wenn die Tür aufging, zog es eisig herein, be-gleitet vom Geruch trockenen Herbstlaubs.

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Dann kamen die beiden. Wir wurden an einen Ecktischgeführt, wo uns das Personal besonders gut im Blick hatte.Ich saß zwischen den beiden. Er ließ den Blick über meinenPulli wandern, sie sprach über Kunstgalerien und Sport.Irgendwann legte er die Hand auf mein rechtes Knie, undihr Fuß im Seidenstrumpf fuhr mein Bein hinauf.

Aha. Darauf waren sie also aus, dachte ich – hatte ich esnicht die ganze Zeit gewusst? Die beiden waren klasse; älterals ich, aber völlig freizügig. Es gab keinen Grund, nichtmit ihnen ins Bett zu gehen. Bei der Essenswahl orientier-te ich mich an ihnen: reichhaltige, buttrige Gerichte. DasPilzrisotto war so schwer, dass man es kaum vom Teller be-kam. Ich musste es mit den Zähnen vom Löffel kratzen.Der Fisch war noch nicht zerlegt, seine glasigen Augenstarrten uns an. Die Frau leckte sich die Finger. Ich glaube,sie tat es mit Absicht. Ich schob die Hand über ihre hauten-ge Hose in ihren Schritt, sie umklammerte mit beiden Bei-nen meinen Knöchel. In dem Augenblick kam die Kellne-rin zu dem Schluss, unseren Tisch vernachlässigt zu haben.Sie brachte eine Auswahl von Petit fours. Der Mann fütter-te mit der einen Hand seine Freundin, mit der anderenumfasste er meine, während ich ihren Schoß kraulte. Siekam schnell, fast lautlos. Ich streifte mit den Lippen ihrenHals.

»Erstklassig«, murmelte er. »Und jetzt noch mal.«Gesagt, getan. Nach dem Essen verließen wir das Restau-

rant. Er bat mich, oben ohne auf dem Beifahrersitz Platz zunehmen. Sie fuhr. Auf der kurzen Strecke zu ihrem Hausumfasste er meine Brüste von hinten und kniff mir in dieNippel. Ich ging nackt vom Auto zur Haustür und musste,kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war, auf die Knie. Sieverschwand im Bad, während er mich ein paar grundsätzli-che Unterwerfungspraktiken üben ließ: unbequeme Stel-

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lungen aushalten, in unbequemen Stellungen schwere Din-ge tragen, in unbequemen Stellungen schwere Dinge tra-gen und dabei seinen Schwanz in den Mund nehmen.

Sie kehrte mit Kerzen und Peitschen zurück. Ich hattezwar schon heißes Wachs und eine Reitgerte auf der Hautzu spüren bekommen, aber dabei die Beine in der Luft undbrennende, tropfende Kerzen in mir stecken zu haben, wardoch eine neue Erfahrung. Nach zwei Stunden drang er insie ein und drückte dabei ihr Gesicht in meine Muschi, in-dem er seinen Schwanz wie die Domina in meinen Phanta-sien einsetzte.

Wir zogen uns an, sie ging duschen. Er brachte michnach draußen, um mir ein Taxi zu besorgen. Legte den Armum mich. Vater und Tochter, hätte man denken können.Wir gaben ein nettes Pärchen ab.

»Eine tolle Frau hast du da«, sagte ich.»Hauptsache, sie hat Spaß«, meinte er.Ich nickte. Er winkte ein Taxi heran, drückte mir mehre-

re Scheine in die Hand und sagte, ich könne mich immerwieder melden. Erst als ich schon fast zu Hause war, falteteich die Scheine auseinander und sah, dass es mindestensdas Dreifache des Fahrgeldes war.

Ich begann zu rechnen – Miete, die Tage bis zum Monats-ende, Nettogewinn des Abends. Ich meinte, mich eigentlichwundern oder ärgern zu müssen, benutzt und dafür auchnoch bezahlt worden zu sein. Doch das tat ich nicht. Diebeiden hatten ihren Spaß gehabt, und für Leute mit Geldwaren die Kosten für ein Abendessen und ein Taxi durch-aus zu verkraften. Und ich hatte mich, ehrlich gesagt, auchnicht gerade gelangweilt.

Ich bat den Taxifahrer, einige Straßen von meiner Woh-nung entfernt zu halten. Meine Absätze klapperten über dasPflaster. Es war Anfang Herbst, aber noch ziemlich warm.

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Die roten Flecken vom heißen Wachs glühten unter meinerKleidung.

Die Vorstellung, Geld für Sex zu bekommen, war gesetztund schlug Wurzeln. Zunächst jedoch begrub ich meinInteresse an der Prostitution. Ich lieh mir Geld von Freun-den und ließ mich auf eine ernsthafte Beziehung zu einemjungen Mann ein. Das war so lange eine angenehme Ab-wechslung, bis das erste Überziehungsschreiben meinerBausparkasse mit dem Vorschlag eintrudelte, doch einmalwegen eines Kredits vorstellig zu werden. Nach jedem miss-lungenen Bewerbungsgespräch und jeder Absage brach deralte Virus wieder aus und begann zu jucken. Ich konntenicht vergessen, wie großartig ich mich in jener Nacht aufder Rückbank des Taxis gefühlt hatte. Ich könnte das. Ichmusste mich mal schlau machen.

Und kurz nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, be-gann ich mit einem Tagebuch …

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Novembre

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Belles Londoner Sex-Alphabet

A steht für AgenturenLondoner Agenturen nehmen normalerweise ein Drittel vom Honorar, ex-klusive Fahrtkosten und Trinkgeld. Vom Kunden wird erwartet, dass er beieinem Hausbesuch die Kosten für die Anfahrt übernimmt; das können zu-sätzlich 30 bis 40 Pfund (45 bis 60 Euro) sein.Die Agentur kümmert sich um die Werbung, vereinbart und bestätigt Ter-mine und sorgt, wenn nötig, für die Sicherheit. Manche Agenturen ziehendie Kosten für die Fotos vom ersten Honorar ab oder verlangen sie im Vor-aus. Die Agentur, bei der ich arbeite, hat das nicht gemacht; die Fotos undder Entwurf meines Internet-Profils waren umsonst.Wenn man Glück hat, beschränkt sich der Kontakt mit der Agentur auf dasNötigste. Als ich meine Chefin das letzte Mal getroffen habe, nörgelte sie anmeinem Lipliner herum. So viel zum Thema weibliche Solidarität.

A steht auch für AbsagenÜber eine Agentur vermittelt zu werden, sollte eigentlich Scheinbuchungenverhindern: Es gibt Menschen, die sich für meine Dienste interessieren, so-gar einen Termin vereinbaren und sich auf den Preis einigen, aber dann fest-stellen, dass sie doch etwas anderes vorhaben, dass die Ehefrau aufgetauchtist oder sie die Telefonnummer vergessen haben (meine Lieblingsausrede –dafür gibt es doch Handys, oder etwa nicht?). Es kann also vorkommen, dassman sich stundenlang vorbereitet und dann versetzt wird. Wenigstens kannman sich in diesem Fall – anders als im richtigen Leben – damit trösten,dass es nicht an einem selbst liegt, sondern wirklich nur an ihm.

B steht für BeziehungenDas Leben ist kein Film und kein Märchen. Man heiratet am Ende keinenreichen, gut aussehenden Junggesellen, den man bei der Arbeit kennen ge-lernt hat – nach dem Motto »… und wenn sie nicht gestorben sind, dann le-ben sie noch heute«. Keine privaten Verabredungen mit Kunden! Privatesund Geschäftliches unbedingt voneinander trennen! Man kann sich mit ei-nem Mann amüsieren, den man nett findet, sollte aber nie vergessen, wo dieGrenzen sind. Es wäre doch merkwürdig, wenn der Personal Trainer seinerKundin vom Fitness-Studio nach Hause folgte oder beide am Wochenendezusammen abhängen würden, oder? Kommt also nicht in Frage.

samedi, le 1 novembre

Ein Kunde saugte an meinen Brustwarzen. »Bitte vorsichtigda, die sind empfindlich, bekomme meine Tage«, sagte ichund leitete seine Hände behutsam um.

»Was ist deine schönste Phantasie?«, fragte er.»Vier Männer entführen mich, ziehen mich aus und fes-

seln mich hinten auf der Rückbank. Sie halten an, steigenaus und wichsen durchs offene Fenster auf mich.«

»Sind Pferde in der Nähe?«»Jede Menge. Wir sind mitten auf dem Land. Auf einem

Bauernhof. Die Männer sind Bauern.«»Kannst du die Pferde riechen?«»Ja, ich rieche sie. Sie werden unruhig in den Ställen und

machen Lärm. Hengste haben Riesenschwänze, stimmt’s?«»Oh, ja. Allerdings.«»Als die Bauern fertig sind, schleppen sie mich in den

Stall.«»Lass dich nicht vom Hengst besteigen!«»Oh, nein, der ist zu weit weg. Er ist zu groß! Das Pferd …

der Hengst … er ist völlig außer sich, nicht zu bändigen.Nein, der ist viel zu groß. Es hört sich an, als würde er dieStalltür eintreten.«

Wiehern und Schnauben.

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dimanche, le 2 novembre

So manches habe ich erst während der Arbeit gelernt:Heutzutage, wo Zwölfjährige heiße Stiefel und Omis glit-

zernde Minikleider tragen, erkennt man eine Prostituiertebeim Betreten des Flughafenhotels von Heathrow an ihremDesignerkostüm. Hundertprozentig.

Die Anbahnung eines Termins läuft eigentlich immer aufdieselbe Weise ab: Der Kunde besucht die Website und mel-det sich bei der Agentur. Die Agentur ruft mich an, sagtdem Kunden zu, er wartet. Ich bin normalerweise innerhalbvon zwei Stunden einsatzbereit. Eine Stunde fürs Haareaus-zupfen, Duschen, Schminken und Frisieren, die andere fürdie Taxifahrt zum Treffpunkt.

Für die Kosmetik habe ich ein eigenes Regal, die übrigenToilettenartikel stehen woanders. Ich stelle mich vor denlangen Spiegel und gehe die einzelnen Schritte durch: Pu-der und Parfüm, Slip, BH und Strümpfe, Kleid, Schuhe,Make-up und Haare. Ich wechsle zwischen drei Outfits:ein unauffälliges, aber hautenges graues Jerseykleid, ein inWeißtönen kariertes Kostüm und ein schickes schwarzesLeinenkleid mit passendem Blazer. Dazu gibt’s eine schierunendliche Auswahl an Unterwäsche und Schuhen.

Die drei Sekunden vorm Betreten eines Hotels sind diewichtigsten. Hat es Glastüren? Wenn ja, schnell nach denAufzügen suchen! Bloß nicht reingehen und stehen blei-ben oder gar das Personal nach dem Weg fragen. Flott ge-hen, mit leichtem Nicken grüßen. Wenn man die Aufzügeoder Toiletten nicht sofort entdecken kann: ab in den näch-sten Korridor und sich dort orientieren. Wenn man über-haupt einen Eindruck hinterlassen will, dann den einer gutgekleideten Dame. Wir sind schließlich Geschäftsfrau.

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Was durchaus nicht gelogen ist.Aufzüge sind praktisch. Man hat Zeit, noch mal das Han-

dy hervorzukramen und der Agentur zu simsen – die wollenwissen, ob man pünktlich ist. Wenn man Verspätung hat,sagt die Agentur dem Kunden Bescheid. Falls nötig, nochmal Lipgloss nachlegen, die Kleidung zurechtzupfen. Nie-mals schwitzen oder einen hektischen Eindruck machen.Kurz und bestimmt an der Tür klopfen. Beim Eintreten grü-ßen: »Hallo, mein Schatz, freut mich, dich zu sehen.« Undimmer: »Tut mir Leid, dass du warten musstest.« Selbstwenn man pünktlich ist. Auch wenn man die Uhr nach dirstellen kann – für den Kunden haben sich die letzten Minu-ten quälend in die Länge gezogen. Nervös darf jeder sein –nur du nicht. Mantel ablegen, hinsetzen. Meistens bietetder Kunde etwas zu trinken an. Niemals ablehnen. Zumin-dest ein Wasser nehmen.

Direkt zu Anfang das Geld kassieren. Einmal habe ich dasvergessen. Der Kunde lachte. »Du bist scheinbar neu imJob«, sagte er. Als ich anschließend zum Frischmachen aufdie Toilette ging, schob er das Geld in den Toaster in seinerKüche. Nie vor dem Kunden nachzählen; dazu ist späternoch genug Zeit, falls man misstrauisch ist. Pünktlich wie-der verschwinden. Wenn er will, dass man länger bleibt,muss er die Agentur anrufen, einen Preis vereinbaren undsofort zahlen. Zum Abschied ein kleiner Kuss. »War mir einVergnügen. Vielleicht bis zum nächsten Mal!« Beim Verlas-sen des Hotels dem Personal zunicken und so schnell ver-schwunden sein, wie man gekommen ist. Draußen sofortdie Agentur anrufen oder ihr simsen. Wenn die Agentur-chefin nichts von einem hört, ruft sie zuerst den Kunden,dann das Hotel, die eigene Security, falls in der Nähe, undschließlich die Polizei an. Sie weiß Bescheid. Sie hat das malalles selbst gemacht.

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Meine Agenturchefin ist süß, eine ganz Liebe. Wenn siemich fragt, wie es gelaufen ist, sage ich immer, der Kundewar nett, ein Gentleman, auch wenn das manchmal nichtganz zutrifft. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht.

Es kann immer mal vorkommen, dass man danebengreift – wie ich damals, als ich einem von Natur aus nichtgroßzügig bedachten Kunden zum Abschied mit dem Zei-gefinger zuwackelte. Ups. Egal, vielleicht hat er es gar nichtgemerkt. Das Leben geht weiter.

lundi, le 3 novembre

Der Verkehr im Zentrum von London ist unberechenbar,und man kommt besser zu früh als zu spät zu einem Termin.Gestern hatte ich eine Buchung in der Nähe vom LeicesterSquare. Ich war eine halbe Stunde zu früh und ging deshalbnoch in einen Plattenladen, um die Zeit totzuschlagen.

Ich mag Plattenläden, und Musik mag ich auch. Der La-den gehörte aber zu einer Kette; im Erdgeschoss gab’s nurDVDs und Bücher über Musik. In einigen Regalen standentatsächlich CDs, jedoch nur Bestseller und Sonderangebo-te. Ich schlich nach oben, zu Jazz und Blues.

Die meisten Kunden waren junge Leute, die zu viel Zeithatten – so wie ich (bloß nicht so stark geschminkt). Obmein Kunde wohl schon am vereinbarten Treffpunkt war,fragte ich mich. Vielleicht war er ja noch unterwegs, mögli-cherweise sogar hier? Ich schaute mich um. Ein großerblonder Mann stand am Ende des Ganges. Attraktiv, Typ un-schuldiger Hochschullehrer. Ich schlenderte an ihm vorbeiund warf einen Blick über seine Schulter.

Seine schmalen Finger spielten mit einer CD von IsaacHayes. »Guter Geschmack«, raunte ich. Vor Schreck hätte

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er sie beinah fallen gelassen. Ich muss einen seltsamen An-blick geboten haben: völlig aufgedonnert, dazu der bau-schige Mantel und das Gesicht wie eine Gruselmaske. Wasfür eine Schnapsidee, ihn anzusprechen! Ich hastete nachunten, meine Absätze klapperten auf den Treppenstufen.

Als ich den Kunden traf, war er natürlich nicht der Typaus dem Plattenladen.

Es war eine mehrstündige Buchung, ich sollte bis zumMorgengrauen bleiben. Die Agenturchefin hatte so vielepositive Rückmeldungen über meine Fähigkeiten als Domi-na erhalten, dass sie das S/M-Angebot auf der Website jetztoffensiver bewarb. Ich persönlich bin kein dominanter Typ,aber es macht mir nichts aus, so zu tun. Scheinbar fuhrenjetzt alle Kunden auf diese Nummer ab.

Er: »Es gibt doch nichts Aufregenderes, als mit jeman-dem zu bumsen, den man nicht kennt.«

Ich: »Darf ich dich da zitieren?«»Ja.« Er überlegt. »Was machst du da mit den Händen?«Ich hatte die Finger gespreizt, schwebte also quasi über

ihm. »Ich will die Bilder nicht von der Wand reißen.« Ichknirschte mit den Zähnen.

»Gut. Sei lieber vorsichtig.« Mensch, Junge, wir sind dochnicht bei dir zu Hause! Hm. Reichlich aufmüpfig für einenSklaven, dachte ich.

Etwas später …Er: »Du bist eine Wahnsinnsnummer, Süße.«Ich: »Wusste gar nicht, dass man das wirklich sagt. Kenne

ich nur aus dem Kino.«»Irgendwoher muss ich meine Sprüche ja haben.«Kurz vor Sonnenaufgang traf ich N vor dem Hotel. Er ist

ein guter Freund, wir hatten mal was miteinander, er weiß,womit ich mein Geld verdiene. Im richtigen Licht geht erals George Clooney durch. Na ja, im Dunkeln. N grinste.

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»Und, war’s nett?« Ich schlug den Mantel auf und zeigteihm die beiden Peitschen. »Ach, du hattest die Überzeu-gungsmittel dabei. Also war es nett.«

»Doch, schon. Zum Schluss bekam er keinen mehr hoch,da haben wir die Minibar leer getrunken und Fernse-hen geguckt.« Wir setzten uns in Ns Wagen, der am Stra-ßenrand stand. »Und er hat mir ein silbernes Pustefix ge-schenkt.« Ich holte das Geschenk aus der Tasche. Es lag ineinem Holzkästchen, das mit goldenen und schwarzenBändern verziert war, und hatte die Form einer kleinenSektflasche.

Ich war nicht müde, N auch nicht. »Hast du Lust, Seifen-blasen zu pusten?«, fragte N, als wir über eine Brücke fuh-ren. Er wendete, wir rollten am grünen Ufer entlang. DasLicht der Dämmerung ließ das Wasser dunkel glitzern. Nkennt sich aus mit den Gezeiten der Themse; er hat schongesehen, wie Leichen aus dem Fluss gezogen wurden. Erweiß, wo man bei warmem Wetter Schildkröten und See-hunde findet. N zeigte mir ein Haus. Im Keller sei ein Swim-mingpool, da seien sie in seiner Schulzeit immer schwim-men gewesen. Auf der Brücke musste er an die Frau den-ken, die sich dort hinuntergestürzt hatte. Sie hatte mehrereLagen Kleidung an und Steine in den Taschen, aber nichtbedacht, dass sich die Luft zwischen den Stoffschichtenfängt – sie konnte gar nicht ertrinken. Als die Rettungsboo-te sie aus dem Wasser zogen, hatte sie sich gewehrt: »Ich willnicht, ich will nicht!« Ich lehnte mich mit halb geschlosse-nen Augen zurück und lauschte seinen Londoner Legen-den. Bei Sonnenaufgang standen wir schließlich am Bahn-hof von Charing Cross und pusteten Blasen aus Seifenlau-ge, vermischt mit trübem Themsewasser, auf die erstenPendler.

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mardi, le 4 novembre

Kleine Handtaschen? Pah! Und wenn die Mode winzigeTäschchen noch so sehr als letzten Schrei anpreist … Manbedenke, dass ich beim Verlassen des Hauses normaler-weise folgendes bei mir habe:

eine Nagelschere (lose Fäden sind der größte Feind eines ge-pflegten Aussehens)

einen Stift (ich habe ein gutes Gedächtnis, aber kann ich michdarauf verlassen?)

Handy (um mich vorher und nachher bei der Agentur zu mel-den)

Kondome (aus Polyurethan und aus Latex; manche Männersind allergisch)

einen LöffelGleitmittelLipgloss (nach Oralsex Lippenstift auflegen ist zu aufwän-

dig)Kompaktpuder und Wimperntuscheeinen kleinen Parfümflakon (Zitrusduft ist nett)TaschentücherSlip und Seidenstrümpfe zum WechselnSchlüssel, Scheckkarten, den üblichen Kramsowie bei Bedarf Nippelklemmen, Ballknebel und eine mehr-

schwänzige Gummipeitsche

Es leuchtet ein, dass eine geräumige Reisetasche genau dasRichtige für mich ist. Das alles in ein Fendi-Täschchen zustopfen, wäre schwarze Magie, die nicht mal Houdini be-herrschte.

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Belle de Jour

Die intimen Aufzeichnungen eines LondonerCallgirls

Taschenbuch, Broschur, 352 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-442-46602-3

Goldmann

Erscheinungstermin: Oktober 2007

Lust & Leidenschaft Was Männer wollen – und was Frauen wirklich darüber denken: Belle de Jour gewährt pikanteEinblicke. „Tu nichts für Geld, was du nicht auch so tun würdest.“ So lautet das Motto von Belle de Jour,einem Londoner Edel-Callgirl. Und dass diese junge, lebensfrohe Frau kein sexuelles Tabukennt, kommt natürlich ihren Kunden zugute. Aber – durch ihre intimen, schamlos offenen, aberstets auch erfrischend frechen Aufzeichnungen aus ihrem bewegten Leben – auch uns Lesern.Danke Belle!