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Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen Klaus J. Huttinger und Franz Bauer* Die Berechnung des Stoffaustausches in Filmkolonnen erfordert grundlegende Kenntnisse uber die Benetzung der Materialien, aus denen die Austauschkorper bestehen. Aufbauend auf thermodynamischen Grundlagen zur Be- schreibung der Grenzflache fest/fliissig werden Methoden diskutiert, die eine exakte Bestimmung der GrundgroOen der Benetzung erlauben. Es wird ferner gezeigt, wie durch Auswahl der Materialien, Modifizierung der Austauschkor- per-Oberflachen und Zusatz von Additiven das Ziel einer moglichst idealen Benetzung erreicht werden kann. Aus den Erfahrungen iiber die Wirkung der verschiedenen MaRnah- men auf die Trennleistung werden SchluRfolgerungen im Hinblick auf die Ermittlung von dimensionslosen Gleichun- gen zur Vorausberechnung der Trennleistung gezogen. Wetting and mass transfer in film columns. Calculation of mass transfer in film columns requires a fundamental knowledge about the wetting of the materials comprising the packing bodies. Starting from thermodynamic principles for a description of the solid/liquid interface. methods are discussed which permit an exact calculation of the basic parameters of wetting. It is also shown how the goal of ideal wetting can be approached by choice of material, modifica- tion of the surface of the packing bodies, and use of additives. Experience gained with regard to the effect of the various measures on the separation performance leads to conclusions concerning the determination of dimensionless equations for prediction of separation performance. 1 Einleitung Der Energieaufwand fur thermische Stofftrennprozesse betragt etwa 25% des Gesamtenergie-Einsatzes der Chemi- schen Industrie. In Landern wie der Bundesrepublik Deutsch- land oder den USA entspricht dies etwa 2% des Primarener- gieverbrauchs der Volkswirtschaft [l J. Zur Durchfiihrung der Trennprozesse werden uberwiegend Kolonnen eingesetzt, die rnit verschiedenen Einbauten ausgestattet sind. Kolonnen rnit Fiillkorpern haben bei der Rektifikation einen Anteil von ca. 30%, bei der fliissig/flussig-Extraktion und Absorption einschliel3lich Gaswaschen jeweils ca. 50% [2]. Aufgabe der Fiillkorper ist es, bei moglichst niedrigem Druckverlust eine moglichst groBe Phasengrenzflache zwischen den stoffaus- tauschenden Phasen zu schaffen. Die GroRe der Phasengrenz- flache wird entscheidend von der Benetzung der Fiillkorper durch die fliissige Phase bestimmt. Ob Fiillkorper gut oder schlecht benetzt werden, hangt von der Adhasionsarbeit zwischen Festkorper und Fliissigkeit sowie von der Kohasionsarbeit der fliissigen Phase ab. Ideale Benetzung oder Spreitung tritt dann auf, wenn die Adhasions- arbeit fest/fliissig mindestens ebenso groB wie die Kohasions- arbeit der Flussigkeit ist. Die Benetzung verschlechtert sich in dem MaBe, wie die Kohasionsarbeit grol3er als die Adhasions- arbeit wird, s. Kap. 2.1. Eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung fur eine grol3e Adhasionsarbeit zwischen Festkorper und Fliissigkeit ist eine groRe spezifische freie Oberflachenenergie des Festkorpers. Metalle und anorganische Glaser besitzen die groBten spezifischen freien Oberflachenenergien. Die Werte stark polarer Flussigkeiten iibertreffen diejenigen der Poly- mere und unpolaren Fliissigkeiten etwa um den Faktor2, s. Tab. 1. Bei den Polymeren 1aBt sich die spezifische freie Oberflachen- energie direkt mit der chemischen Struktur und damit in erster Naherung mit der chemischen Struktur der Oberflache korrelieren. Verschiedenen Oberflachenstrukturelementen konnen definierte Energiewerte zugeordnet werden. Tab. 2 * Prof. Dr.-Ing. K.J. Huttinger und Dr. F. Bauer, Institut fur Chemische Technik, Univ. Karlsruhe, KaiserstraDe 12, 7500 Karlsru he, veranschaulicht, daI3 die Kohlenwasserstoff- und Fluorkoh- lenstoff-Oberflachen eine niedrigere spezifische freie Oberfla- chenenergie besitzen als die Oberflachen. welche Chlor-, Sauerstoff- und Stickstoff-Gruppierungen enthalten. Tabelle 1. Spizifische freie Oberflachenenergie einiger Flussigkeiten und Festkorper, T= 293 K [3-61. Flussigkeit 0, Jim'] Festkorper CJ~ J/mZ] Quecksilber 480 161 Wasser 72,8 PI Glycerin 65,2 PI Ethylen- 47,l PI Benzyl- 39,9 151 glycol alkohol Ameisensaure 37,6 [6] Essigsaure 27,8 [6] Polydimethyl- 20 bis 24 [5] siloxan Methylcyclo- 22,5 [6] hexan n-Heptan 19,5 [6] Diamant 10000 PI Wolfram 6800 [51 Eisen 2 030 PI Aluminium 500 151 anorganische 400 bis 600 [3] Glaser Nylon-6 40 bis 47 [4] Polyethylen 30 bis 33 [4] Polypropylen 29 bis 33 [4] Polyvinyli- 25 bis 33 [4] den fluorid Polytetra- 18 bis 20 [4] fluorethylen Mit Hilfe der in den Tab. 1 und 2 aufgefiihrten Werte der spezifischen freien Oberflachenenergie verschiedener Fest- korper und Flussigkeiten lassen sich die Benetzungsverhalt- nisse in Fiillkorperschiittungen qualitativ diskutieren. Im Falle der Metall- und Glasoberflachen ist die Grundvoraus- setzung fur ideale Benetzung, namlich ein hoher Wert der spezifischen freien Oberflachenenergie des Festkorpers, gegeben. Trotzdem findet man in der Praxis in vielen Fallen zwar eine gute, aber keine ideale Benetzung. Hierfur sind zwei Ursachen maOgebend : 1. Die spezifische freie Oberflachenenergie von Feststoff- oberflachen setzt sich additiv aus dispersiven und polaren Anteilen zusammen. Bei Metallen ist zusatzlich ein Anteil zu berucksichtigen, der die ,,freien" Elektronen beriick- sichtigt. Zur Adhasionsarbeit kann nur der Teil der spezifischen freien Oberflachenenergie beitragen, auf dem die Wechselwirkung mit der Fliissigkeit tatsachlich be- Chem.-1ng.-Tech. 54 (1982) Nr. 5, S. 449-460 0 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim 1982 0009-286X/82/0505-0449$02.50/0 449

Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen

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Page 1: Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen

Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen Klaus J. Huttinger und Franz Bauer*

Die Berechnung des Stoffaustausches in Filmkolonnen erfordert grundlegende Kenntnisse uber die Benetzung der Materialien, aus denen die Austauschkorper bestehen. Aufbauend auf thermodynamischen Grundlagen zur Be- schreibung der Grenzflache fest/fliissig werden Methoden diskutiert, die eine exakte Bestimmung der GrundgroOen der Benetzung erlauben. Es wird ferner gezeigt, wie durch Auswahl der Materialien, Modifizierung der Austauschkor- per-Oberflachen und Zusatz von Additiven das Ziel einer moglichst idealen Benetzung erreicht werden kann. Aus den Erfahrungen iiber die Wirkung der verschiedenen MaRnah- men auf die Trennleistung werden SchluRfolgerungen im Hinblick auf die Ermittlung von dimensionslosen Gleichun- gen zur Vorausberechnung der Trennleistung gezogen.

Wetting and mass transfer in film columns. Calculation of mass transfer in film columns requires a fundamental knowledge about the wetting of the materials comprising the packing bodies. Starting from thermodynamic principles for a description of the solid/liquid interface. methods are discussed which permit an exact calculation of the basic parameters of wetting. It is also shown how the goal of ideal wetting can be approached by choice of material, modifica- tion of the surface of the packing bodies, and use of additives. Experience gained with regard to the effect of the various measures on the separation performance leads to conclusions concerning the determination of dimensionless equations for prediction of separation performance.

1 Einleitung

Der Energieaufwand fur thermische Stofftrennprozesse betragt etwa 25% des Gesamtenergie-Einsatzes der Chemi- schen Industrie. In Landern wie der Bundesrepublik Deutsch- land oder den USA entspricht dies etwa 2% des Primarener- gieverbrauchs der Volkswirtschaft [l J . Zur Durchfiihrung der Trennprozesse werden uberwiegend Kolonnen eingesetzt, die rnit verschiedenen Einbauten ausgestattet sind. Kolonnen rnit Fiillkorpern haben bei der Rektifikation einen Anteil von ca. 30%, bei der fliissig/flussig-Extraktion und Absorption einschliel3lich Gaswaschen jeweils ca. 50% [2]. Aufgabe der Fiillkorper ist es, bei moglichst niedrigem Druckverlust eine moglichst groBe Phasengrenzflache zwischen den stoffaus- tauschenden Phasen zu schaffen. Die GroRe der Phasengrenz- flache wird entscheidend von der Benetzung der Fiillkorper durch die fliissige Phase bestimmt. Ob Fiillkorper gut oder schlecht benetzt werden, hangt von der Adhasionsarbeit zwischen Festkorper und Fliissigkeit sowie von der Kohasionsarbeit der fliissigen Phase ab. Ideale Benetzung oder Spreitung tritt dann auf, wenn die Adhasions- arbeit fest/fliissig mindestens ebenso groB wie die Kohasions- arbeit der Flussigkeit ist. Die Benetzung verschlechtert sich in dem MaBe, wie die Kohasionsarbeit grol3er als die Adhasions- arbeit wird, s. Kap. 2.1. Eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung fur eine grol3e Adhasionsarbeit zwischen Festkorper und Fliissigkeit ist eine groRe spezifische freie Oberflachenenergie des Festkorpers. Metalle und anorganische Glaser besitzen die groBten spezifischen freien Oberflachenenergien. Die Werte stark polarer Flussigkeiten iibertreffen diejenigen der Poly- mere und unpolaren Fliissigkeiten etwa um den Faktor2, s. Tab. 1. Bei den Polymeren 1aBt sich die spezifische freie Oberflachen- energie direkt mit der chemischen Struktur und damit in erster Naherung mit der chemischen Struktur der Oberflache korrelieren. Verschiedenen Oberflachenstrukturelementen konnen definierte Energiewerte zugeordnet werden. Tab. 2

* Prof. Dr.-Ing. K.J . Huttinger und Dr. F. Bauer, Institut fur Chemische Technik, Univ. Karlsruhe, KaiserstraDe 12, 7500 Karlsru he,

veranschaulicht, daI3 die Kohlenwasserstoff- und Fluorkoh- lenstoff-Oberflachen eine niedrigere spezifische freie Oberfla- chenenergie besitzen als die Oberflachen. welche Chlor-, Sauerstoff- und Stickstoff-Gruppierungen enthalten.

Tabelle 1. Spizifische freie Oberflachenenergie einiger Flussigkeiten und Festkorper, T = 293 K [3-61.

Flussigkeit 0, Jim'] Festkorper CJ~ J/mZ]

Quecksilber 480 161 Wasser 72,8 PI Glycerin 65,2 PI Ethylen- 47,l PI

Benzyl- 39,9 151 glycol

alkohol Ameisensaure 37,6 [6] Essigsaure 27,8 [6] Polydimethyl- 20 bis 24 [5] siloxan Methylcyclo- 22,5 [6] hexan n-Heptan 19,5 [6]

Diamant 10000 PI Wolfram 6800 [51 Eisen 2 030 PI Aluminium 500 151

anorganische 400 bis 600 [3] Glaser Nylon-6 40 bis 47 [4] Polyethylen 30 bis 33 [4] Polypropylen 29 bis 33 [4]

Polyvinyli- 25 bis 33 [4] den fluorid Polytetra- 18 bis 20 [4] fluorethylen

Mit Hilfe der in den Tab. 1 und 2 aufgefiihrten Werte der spezifischen freien Oberflachenenergie verschiedener Fest- korper und Flussigkeiten lassen sich die Benetzungsverhalt- nisse in Fiillkorperschiittungen qualitativ diskutieren. Im Falle der Metall- und Glasoberflachen ist die Grundvoraus- setzung fur ideale Benetzung, namlich ein hoher Wert der spezifischen freien Oberflachenenergie des Festkorpers, gegeben. Trotzdem findet man in der Praxis in vielen Fallen zwar eine gute, aber keine ideale Benetzung. Hierfur sind zwei Ursachen maOgebend : 1. Die spezifische freie Oberflachenenergie von Feststoff-

oberflachen setzt sich additiv aus dispersiven und polaren Anteilen zusammen. Bei Metallen ist zusatzlich ein Anteil zu berucksichtigen, der die ,,freien" Elektronen beriick- sichtigt. Zur Adhasionsarbeit kann nur der Teil der spezifischen freien Oberflachenenergie beitragen, auf dem die Wechselwirkung mit der Fliissigkeit tatsachlich be-

Chem.-1ng.-Tech. 54 (1982) Nr. 5, S. 449-460 0 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim 1982 0009-286X/82/0505-0449$02.50/0

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ruht. Aus diesem Grund ist beispielsweise der hohe Elektronen-Anteil bei der spezifischen freien Oberflachen- energie von Metallen fur die Adhasion zwischen Metall- oberflachen einerseits und waDrigen sowie organischen Fliissigkeiten andererseits ohne Bedeutung [7,8].

2. Durch Oberflachen-Kontamination bilden sich Adsorbat- schichten, durch die die spezifische freie Oberflachenener- gie der Fiillkorper drastisch vermindert werden kann. Bereits Monoschichten von Verunreinigungen an der Oberflache sind ausreichend, um die spezifische freie Oberflachenenergie der Fullkorper erheblich zu verandern

Polymerfiillkorper besitzen von Natur aus niederenergetische Oberflachen, so daD sie von waDrigen Phasen grundsatzlich schlecht benetzt werden sollten. Die praktischen Erfahrungen bestatigen diese Erwartung.

Tabelle 2. Spezifische freie Oberflachenenergie verschiedener Oberflachen- strukturelemente von Polymeren, T = 293 K [3].

[91.

Oberflache Oberflachen- os J/m2] Polymeres stru k t urelement

Fluorkohlen- stoff -CF3

-CF,H 4CF2$,

Kohlenwasser- stoff -CH,

f c H z 3 , Chlorkohlen- Stoff -€CH,-CHCI4,

K H , -CCI, -I-"

=cc1, nitrierter Kohlen- wasserstoff -CH, - ON 0,

-CguO,), -CH,NHNOZ

6 15 18

20 25

28

24 31

39

40

43

40 42 44

Polytetrafluor- ethylen

Polyvinyliden- fluorid Polyvinyl- fluorid

Polyethylen

Polyvinyl- chlorid Polyvinyliden- chlorid

Im Falle schlechter Benetzung fliel3t die flussige Phase in Bachen und Kanalen uber die Fullkorper; die effektive Stoffaustauschflache ist gering und die Stoffaustauschlei- stung entsprechend schlecht. Eine hohe Stoffaustauschlei- stung ist zu erwarten, wenn sich ein gleichmaDig dunner Fliissigkeitsfilm uber die gesamte verfugbare Fullkorper- oberflache ausbreiten kann. Diese Phanomene sind qualitativ bekannt [lo]. Um trotz der schlechten Benetzbarkeit gute Stoffaustausch- Ergebnisse zu erzielen, wurden in neuerer Zeit neben den bekannten filmbildenden Fiillkorpern wie Raschig- und Pall- Ringen sog. tropfenbildende Fullkorper entwickelt. Beispiele sind die Telleretten, NSW-Fullkorper und der Super-Torus-Sattel [l 1 - 131. Bei diesen Fiillkorpern wurde durch konstruktive MaDnahmen versucht, den Nachteil der schlechten Benetzung nicht nur zu umgehen, sondern umzukehren und positiv auszunutzen : Von tropfenbildenden Fiillkorpern herabfallende Tropfen zerplatzen beim Auftref- fen, wodurch die Fliissigkeitsoberflache vergroDert wird. Auf diese Weise lassen sich geringfugige Verbesserungen der

Stoffaustauschleistung von 10 bis maximal 15% erreichen. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, fundamentale Korrelationen zwischen Oberflacheneigenschaften sowie Benetzung und Stoffaustauschleistung filmbildender Full- korper aufzuzeigen. Hierzu werden zunachst die theoreti- schen Grundlagen der Benetzung und die Methoden zur Bestimmung der spezifischen freien Oberflachenenergie von Feststoffen mit Hilfe von Kontaktwinkelmessungen darge- stellt. Danach wird gezeigt, wie durch Modifizierung der Festkorperoberflache oder durch Zusatz von Additiven infolge veranderter Benetzung die Trennleistung beeinfluDt wird. SchlieDlich wird untersucht, inwieweit die empirischen Gleichungen, die zur Berechnung des Stoffubergangs in Fiillkorperschuttungen entwickelt wurden, den EinfluB der Fullkorperbenetzung befriedigend wiedergeben.

2 Energetische Beschreibung der Grenzflache fest/flussig 2.1 Physikalischchemische Grundlagen

Zur makroskopischen Beschreibung der Energieverhaltnisse an der Grenzflache fest/flussig sind folgende GroDen ge- brauchlich : 1. Die spezifische freie Oberflachenenergie des Festkorpers

2. die spezifische freie Oberflachenenergie der Flussigkeit o,, 3. die spezifische freie Grenzflachenenergie zwischen Fest-

korper und Flussigkeit ysl [14]. Der Zusammenhang zwischen diesen GroBen wird durch die Gleichung von Young beschrieben') :

(1 1 Hierin bezeichnet $den Kontaktwinkel, den die Tangenten an die beiden Oberflachen an einem Beruhrungspunkt ein- schlieDen (Abb. 1). Die Beziehung von Young ist fur 9-Werte von 0 bis 180Winkelgraden (grd) anwendbar. Liegt 9

*S 9

a,cos9 = os - ys,.

9 I i

Abb. 1 . Grafische Darstellung der Gleichung von Young.

zwischen 0 und 90 grd, so spricht man von Benetzung ; den Fall 90grd <9 <180grd bezeichnet man als Nichtbenet- zung. Spreitung oder ideale Benetzung ergibt sich fur den Fall 9 = Ogrd. In diesem Fall mu13 die Adhasionsarbeit Festkor- per/Fliissigkeit grol3er sein als die Kohasionsarbeit der Flussigkeit. Als Adhasionsarbeit W,, ist die reversible, spezifische Arbeit definiert, die erforderlich ist, um eine Grenzflache von zwei chemisch verschiedenen Stoffen mit den Phasen fest/flussig zu bilden bzw. die gleiche Grenzflache aufzuheben :

1 ) Eine Zusammenstellung der Formelzeichen befindet sich am SchluD des Beitrages.

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w,, = 0 s + 0, - Ysl. (2 1 Diese Beziehung nach Dupri ist lediglich eine Definitionsglei- chung, da die spezifische freie Oberflachenenergie 0, und die spezifische freie Grenzflachenenergie ysl nicht direkt meDbar sind. Durch Vereinigung der Gleichung nach Duprd rnit der Gleichung von Young ergibt sich fur die Adhasionsarbeit W,, zwischen Fliissigkeit und Festkorper die Beziehung :

w,, = 01 (1 + cos9). (3 )

Die spezifische freie Oberflachenenergie 0, und der Kontakt- winkel 9 konnen experimentell ermittelt werden. G1. (3) gilt nur bis zu dem Grenzfall, wo die Adhasionsarbeit fest/flussig und die Kohasionsarbeit der Flussigkeit gleich sind. Als Kohasionsarbeit einer Flussigkeit W, ist die doppelte spezifische freie Oberflachenenergie c1 definiert :

w, = 20,. (4)

Unter der Kohasionsarbeit eines Festkorpers W, versteht man entsprechend die doppelte spezifische freie Oberflachen- energie 0,:

w, = 2 0 , . (5

Die Differenz aus Adhasionsarbeit W,, und Kohasionsarbeit W, wird als Spreitungsdruck ?I bezeichnet :

?I = W,, - W, = (0, + 01 - ?,I) - 20, 0, - (61 + 7,l). (6)

Die Differenz (0, - y,,) bezeichnet die Taucharbeit bzw. Benetzungsenergie oder Benetzungsspannung W, :

WB = 0, - ysl = alcos8. (7

Die Gln. (1) bis ( 7 ) gelten streng genommen nur fur ideale, absolut glatte Oberflachen, weil sie den EinfluB der Oberfla- chenrauhigkeit auf die spezifische freie Oberflachenenergie 6, nicht berucksichtigen. Selbst hochglanzpolierte Festkorper- oberflachen weisen jedoch einen gewissen Rauhigkeitsgrad auf. Der Rauhigkeitsfaktor r wird definiert als Quotient aus der realen rauhen Oberflache A , und der idealen glatten Oberflache A [15,16]:

r = A , / A . (8

Fur rauhe Oberflachen gilt demzufolge :

COSQ, = rcos9. (9 1 Aus GI. (9) ergibt sich, daD ein Aufrauhen der Oberflache fur 9 <90grd eine Verbesserung und fur 9 >90grd eine Ver- schlechterung der Benetzbarkeit bewirkt. Im Falle eines Kontaktwinkels von 9 = 90grd auf einer glatten Oberflache sollte eine Aufrauhung keinen EinfluB auf die Benetzbarkeit haben (vgl. Kap. 3.4). Mit Hilfe der Gleichung von Young ist es moglich, durch Kontaktwinkelmessungen die Differenz zwischen 6, und ysl, namlich die Taucharbeit oder Benetzungsenergie W,, zu bestimmen. Die beiden GroDen selbst konnen nicht ermittelt werden .

2.2 Experimentelle Methoden

Der erste Ansatz zur Abschatzung der spezifischen freien Oberflachenenergie eines Festkorpers durch Kontaktwinkel- messungen stammt von Zisriztrri et al. [17-201. Durch Bestimmung der Kontaktwinkel9 verschiedener Flussigkei- ten mit unterschiedlicher spezifischer freier Oberflachenener-

gie auf der zu untersuchenden Festkorperoberflache 1aDt sich die sog. kritische Benetzungsenergie yc ermitteln. Dabei tragt man cos9 gegen die spezifische freie Oberflachenenergie der Flussigkeiten auf und extrapoliert die resultierende Bezie- hung auf cos 9 = 1 (Abb.2). Nach Zisman stimmt die kritische

1 I -

, I L . I

G, .Xr3J/m2 6o /8448821

Abb. 2. Bestimmung der kritischen Benetzungsenergie yc von siliconisiertem Borosilicat-Glas [9] rnit Hilfe der Methode von Zisman [17-201.

Benetzungsenergie bei niederenergetischen Oberflachen an- nahernd mit der spezifischen freien Oberflachenenergie des Festkorpers uberein. yE und 0, sind dann identisch, wenn fur ideale Benetzung (9 =0) ysl den Wert Null annimmt. In diesem Falle ergibt sich aus der Gleichung von Young:

0, = OS = yc .

Neumann und Sell haben eine prinzipiell ahnliche Methode zur grafischen Bestimmung von 6, entwickelt, welche ebenfalls auf der Messung von Kontaktwinkeln beruht

Grundvoraussetzung fur die Anwendung der Methode ist auch hier, daD im Falle der idealen Benetzung (9 = 0) die spezifische freie Grenzflachenenergie ysl gleich Null wird. Es gilt :

(10)

[21 -251.

w,, - 1 +cos9 Wl 2 ’

wobei bei 9 = 0 folgt :

= 1. w,, Wl

Durch Auftragung des Quotienten W,,/ W, als Funktion der Benetzungsenergie W, IaDt sich nach Extrapolation auf W,, = 1 die kritische Benetzungsenergie yc bestimmen (Abb. 3). Ein neues grafisches Extrapolationsverfahren ist in Abb. 4 dargestellt [9]. In diesem Falle wird die Kohasionsar-

0.8

0.6 N

0.J I

-10 0 10

Abb. 3. Bestimmung der kritischen Benetzungsenergie yc von siliconisiertem Borosilicat-Glas [9] rnit Hilfe der Methode von Neumann [21-241.

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beit der Fliissigkeit und die Adhasionsarbeit gegen die spezifische freie Oberflachenenergie der Flussigkeit aufgetra- gen. Der Schnittpunkt beider Kurven liefert die kritische Benetzungsenergie y, und somit die spezifische freie Oberfla- chenenergie des Festkorpers. Aufgrund der experimentell ermittelten linearen Abhangigkeit der Adhasionsarbeit W,, von oI 1aBt sich rnit Hilfe dieser Darstellung die kritische Benetzungsenergie yc eindeutig bestimmen. Diese Art der Auftragung veranschaulicht zudem, daB ideale Benetzung dann auftritt, wenn die Adhasionsarbeit fest/fliissig dem Betrag der Kohasionsarbeit der Fliissigkeit entspricht. Die Bestimmung des Kontaktwinkels kann entweder direkt mit Hilfe der Methode des aufsitzenden Tropfens [9] oder aber indirekt durch Kraftmessungen rnit Hilfe einer Benetzungs- waage erfolgen [26,27]. Im letzten Fall werden die Anspring- und AbreiBkraft gemessen, die beim Eintauchen bzw. Herausziehen des zu untersuchenden Festkorpers in die bzw. aus der Fliissigkeit auftritt. Die notwendige Variation der spezifischen freien Ober- flachenenergie g1 kann entweder durch Verwendung verschie- dener reiner Fliissigkeiten oder aber von Fliissigkeitsgemi- schen erfolgen. Grundsatzlich sind reine Fliissigkeiten rnit unterschiedlicher spezifischer freier Oberflachenenergie vor- zuziehen. Bei Verwendung von Fliissigkeitsgemischen besteht die Gefahr, daB eine der Gemischkomponenten selektiv adsorbiert wird, wodurch ein anderer Wert der spezifischen freien Oberflachenenergie der Fliissigkeit wirksam wird als ihn die Bulkphase aufweist. Lediglich bei niederenergeti- schen, beispielsweise fluorierten oder siliconisierten Oberfla- chen ist diese Gefahr der selektiven Adsorption nicht gegeben, so daB Fliissigkeitsgemische wie beispielsweise waBrige Losungen von Alkoholen verschiedener Konzentration an- wendbar sind [9]. Solche Gemische liegen auch den Messun- gen in den Abb. 2 bis 4 zugrunde, wobei die Methode des aufsitzenden Tropfens Verwendung fand.

2.3 Rechenverfahren

Neben der grafischen Methode zur Bestimmung von 6, haben Neumann et al. eine empirische Zustandsgleichung entwik- kelt, welche es ermoglicht, die spezifische freie Oberflachen- energie eines Festkorpers aus einer einzigen Kontaktwinkel- messung zu berechnen [28 - 311 :

2 + 0,0150,cos~ cp + 471 cos ~

E=2] / 0,045 3 ' wobei

coscp= - y& (1 + cos9)

Die nach GI. (13) berechneten 0,-Werte stimmen in vielen Fallen rnit bekannten Werten gut iiberein. Besonders im Falle polarer Feststoffoberflachen ergeben sich jedoch betrachtli- che Abweichungen. Ursache hierfiir ist, daB je nach Oberfla- che Wechselwirkungen unterschiedlicher Natur die Adhasion verursachen, die G1. (13) nicht beriicksichtigen kann [9]. Eine wesentliche Verbesserung in dieser Hinsicht erbrachte eine Gleichung, welche u. a. von Owens und Wendt [32,33] sowie von Bagda [34,35] zur Berechnung der spezifischen freien Oberflachenenergie von Feststoffen benutzt wurde :

W,,=al(l +cos9)=2 m+2 m. (15)

GI. (15) basiert aufdem sog. Prinzip von Fowkes, wonach die spezifische freie Oberflachenenergie einer Fliissigkeit in eine

dispersive und eine polare Komponente zerlegt werden kann [7,81:

01 = 0;' + 0; . (16)

Durch Anwendung dieses Prinzips auf Feststoffoberflachen erhalt man eine analoge Beziehung fur G ~ :

0,=0: +o:. (17)

Unter der Annahme, daB beim Kontakt einer Fliissigkeit rnit einer festen Oberflache die dispersiven Krafte des Festkor- pers rnit den dispersiven Kraften der Fliissigkeit und die polaren Krafte des Festkorpers mit den polaren Kraften der

I I

Abb. 4. Bestimmung der kritischen Benetzungsenergie yc von siliconisiertem Borosilicat-Glas nach Bauer [9].

Fliissigkeit in Wechselwirkung stehen, 1aDt sich die Adhasionsarbeit additiv aus einem dispersiven und einem polaren Wechselwirkungs-Term zusammensetzen. Man er- halt G1. (1 5) . Mit Hilfe der Gln. (1 5) und (1 7) ist es moglich, den dispersiven und polaren Anteil sowie die spezifische freie Gesamtoberflachenenergie eines Festkorpers zu bestimmen. Hierzu sind Kontaktwinkelmessungen rnit zwei verschiede- nen Fliissigkeiten notwendig. Bekannt sein miissen der dispersive und der polare Anteil der spezifischen freien Oberflachenenergie beider Fliissigkeiten. Fur praktische Untersuchungen empfehlen sich Fliissigkeitspaare, von denen eine Fliissigkeit einen hohen dispersiven und die andere Fliissigkeit einen hohen polaren Anteil der spezifischen freien Gesamtoberflachenenergie besitzt , wie beispielsweise Methy- leniodid und Wasser (Tab. 3). Durch Einsetzen der Stoffdaten

Tabelle 3. Spezifische freie Oberflachenenergie von Wasser und Methyleniodid.

ud J/mz] up J/m2] u, J/mz] ~

HZO 21,8 51 ,O 72,8 CHJZ 49,5 1,3 50,8

von Wasser und Methyleniodid in G1. (15) ergibt sich ein Gleichungssystem rnit zwei Gleichungen, in denen nur noch der dispersive und der polare Anteil der spezifischen freien Oberflachenenergie des Festkorpers sowie die Kontaktwin- kel gegen Wasser und gegen Methyleniodid als Variable auftreten :

0: =[-0,029(1 + c o s 9 ~ ~ 0 ) + 0 , 1 2 8 ( 1 +COS$CH,J)]~, (18) 0: =[0,180(1 +cOs$~~0)-0,084(1 +COS~CH,J,)]~. (19)

Fur die Bestimmung der spezifischen freien Oberflachenener- gie von Metallen oder Glasern, also solchen Festkorpern rnit hoher spezifischer freier Oberflachenenergie, sind die Metho-

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den aus Kap. 2.2 und 2.3 nicht geeignet. An ihre Stelle treten beispielsweise Benetzungsuntersuchungen aus der Schmelze oder quantenmechanische Berechnungsmethoden [36].

2.4 Spezielle Wechselwirkungen an Grenzflachen

Neben den dispersiven und polaren Wechselwirkungen zwischen einem Festkorper und einer Fliissigkeit konnen elektrostatische Wechselwirkungen eine Rolle spielen. Sie beruhen einerseits auf dem Kontaktpotential, das sich aufgrund unterschiedlicher Austrittsarbeiten des Festkorpers und der Fliissigkeit aufbaut. Andererseits konnen sie ihre Ursache in der UberschuDladung des Festkorpers haben. Ein quasi-stabiles Kontaktpotential kann sich nur dann auf- bauen, wenn entweder der Festkorper oder die Fliissigkeit nichtleitend sind und im Falle einer Fliissigkeitsstromung diese an der Grenzflache laminar ist. Voraussetzung fur eine dauerhafte UberschuDladung an der Grenzflache ist eine Relativbewegung zwischen Festkorper und Fliissigkeit, da diese Ladungen reibungsinduziert sind ; sie konnen auch bei turbulenter Fliissigkeitsstromung entstehen. AuDerdem mus- sen sowohl der Festkorper als auch die Fliissigkeit elektrisch nichtleitend sein. Grundsatzlich ist davon auszugehen, daB beide elektrostatische Wechselwirkungsarbeiten die Benet- zung begiinstigen, sofern sie an einer Fest/Flussig-Grenzfla- che wirksam sind. Neben elektrostatischen Wechselwirkun- gen konnen an Grenzflachen Erscheinungen auftreten, welche die makroskopischen GroBen der spezifischen freien Oberflachen- bzw . Grenzflachenenergie entscheidend veran- dern. Hierbei handelt es sich um mono- oder polymolekulare Adsorbatschichten. Diese konnen entweder nur physisorbiert oder aber chemisch gebunden sein. Aus der Tensidchemie ist bekannt, daD bereits Monoschichten die spezifische freie Oberflachenenergie auch hochenergetischer Feststoffober- flachen auf Werte erniedrigen konnen, welche denen von Molekeln der Adsorbatschicht entsprechen [37,38]. Che- misch gebundene Monoschichten wurden beispielsweise von Bauer und Huttinger [39] sowie Harttig und Huttinger 1401 untersucht.

3 Modifizierung der Benetzung

3.1 Ubersicht

Rektifikations- und Absorptionsuntersuchungen zur experi- mentellen Bestimmung der Abhangigkeit der Stoffaustausch- leistung von der Benetzung wurden fur verschiedene Stoff- systeme und Fullkorper in groDer Zahl durchgefuhrt [3,9,16, 41 - 501. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen stand der Wunsch, die Stoffaustauschleistung durch verbesserte Full- korperbenetzung zu erhohen. Verbesserungen der Fiillkor- perbenetzung wurden versucht durch : 1. Variation der Fullkorper-Materialien [41- 441, 2. Tensidzusatz zur Flussigphase [45 - 491, 3. Veranderung der Oberflachenrauhigkeit der Fullkorper,

d. h. physikalische Modifizierung der Fullkorperoberfla- che [3,16],

4. chemische Modifizierung der Fullkorperoberflache [9, 16, SO].

3.2 Verschiedene Materialien

Bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde erkannt, daB Fullkorper aus unterschiedlichen Werkstoffen, aber rnit identischen auneren Abmessungen je nach Testgemisch unterschiedliche Trennleistungen erbringen [41- 441. Ergeb- nisse von Rektifizieruntersuchungen in einer Rieselfilmko- lonne rnit Kupfer-Blech und vernickeltem Kupfer-Blech als

Stoffaustauschflachen sind in den Abb. 5 bis 7 dargestellt [43,44]. Bei den Gemischen n-Heptan/Benzol und n-Hep- tan/Methylcyclohexan spielt die Natur des Fullkorpermate- rials offensichtlich keine Rolle (Abb. 5). Mit n-Heptan/Toluol

n-Heptan I Methylcydohexan

/ I \ -I--==

5+k+ Benzolln -Heptan 1 I

1000 2000 Belastung. rnll h

o b 1Bus8.51

Abb. 5 . Theoretische Trennstufenzahl nth der Gemische n-Hep- tan/Methylcyclohexan und Benzol/n-Heptan in Abhangigkeit von der Belastung nach Giinther und Wolf [44] ; Stoffaustauschflachen : Cu -, vernickeltes Cu - - .

oder Ethanol/Wasser dagegen liegen die Trennleistungen rnit dem vernickelten Kupfer-Blech max. 30 bis 80% uber denjenigen, die rnit reinem Kupfer-Blech erhalten wurden (Abb. 6 und 7). Die Untersuchungsergebnisse wurden uber- einstimmend derart interpretiert, daD 1. die Differenz der Stoffaustauschleistung unter Verwen-

dung verschiedener Metalle um so grol3er ist, je hoher die spezifische freie Oberflachenenergie des Flussigkeitsge-

I I 1000 . 2000

IBuBBII Belastuq, ml lh

Abb. 6. Theoretische Trennstufenzahl nth des Gemisches n-Hep- tanpoluol in Abhangigkeit von der Belastung nach Giinther und Wolf [44] ; Stoffaustauschflachen : Cu -, vernickeltes Cu - - .

mischs liegt. Demzufolge ist bei Gemischen mit besonders niedriger spezifischer freier Oberflachenenergie, wie z. B. n-Heptan/Methylcyclohexan, die Art des Fullkorperma- terials bedeutungslos ;

2. bei Verwendung von Gemischen mittlerer bis groljer spezifischer freier Oberflachenenergie die Trennleistung rnit zunehmender Auffullung des 3d-Bandes der Metalle abnimmt.

f C

15

10

\ \ \ \

5- 50 100 151 EBm Belastung , ml/cm2 h

Abb. 7. Theoretische Trennstufenzahl nth des Gemisches Ethanol/ Wasser in Abhangigkeit von der Belastung nach Giinther und Wolf [44] ; Stoffaustauschflachen : Cu -, vernickeltes Cu - - .

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Page 6: Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen

So tragt nach Fowkes [7,8] im Falle von Metallen rnit aufgefullten inneren Elektronenschalen, die auch als inaktive Metalle bezeichnet werden, lediglich der dispersive Anteil der spezifischen freien Oberflachenenergie zur Adhasion mit waDrigen oder organischen Flussigkeiten bei. Die Adhasions- arbeit W,, berechnet sich zu

w,, = 2 = o,(l + cos9). (20)

Fur ideale Benetzung mu0 gelten :

w,, 2 w,. Aus den Gln. (20) und (21) folgt, daB beispielsweise Wasser rnit den in Tab.3 angegebenen a-Werten eine solche Metalloberflache dann ideal benetzt, wenn at mindestens einen Wert von 243,12 . J/mZ annimmt. Ahnliche Abschatzungen lassen sich fur Losungen und organische Flussigkeiten durchfuhren. Mit den Werten von Tab. 4 folgt, daD Kupfer von Wasser nicht ideal benetzt wird. Fur n-Heptan/Methylcyclohexan rnit a: = a, = 20 . J/mZ lautet die Bedingung fur ideale Benetzung a8 2 20 . J/m2. Aus Tab. 4 geht hervor, das Kupfer von n-Heptan/Methylcy- clohexan in jedem Falle ideal benetzt wird. Bei Metallen mit unaufgefullten inneren Orbitalen, die auch als aktive Metalle bezeichnet werden, sind abhangig vom Testgemisch neben den dispersiven noch weitere Wechselwir- kungen zu berucksichtigen, die zur Adhasion beitragen konnen. Beispielsweise sind beim Gemisch Ethanol/Wasser spezifische Wechselwirkungen der Hydroxylgruppen rnit der Nickel-Oberflache moglich. Die freien Elektronen am Sauer- stoff treten rnit den freien d-Orbitalen der Metalloberflache in Wechselwirkung. Infolge dieser d, , p,-Wechselwirkung wird die Adhasionsarbeit erhoht, wodurch Benetzung und Stoffaustauschleistung verbessert werden. Im Falle von n-Heptan/Toluol schlieljlich postulieren Giin- ther und Wolf[44] neben der dispersiven Wechselwirkung des Gemischs mit der Nickel-Oberflache aufgrund des Dipolmo- ments von Toluol eine induzierte Polarisation, aus der sich eine Verbesserung der Trennleistung gegenuber Kupfer herleitet, obwohl bei diesem Gemisch aufgrund seiner niedrigen spezifischen freien Oberflachenenergie sowohl Nickel als auch Kupfer ideal benetzt werden. Daraus ist ableitbar, dalj ideale Benetzung eine notwendige, aber moglicherweise keine hinreichende Bedingung fur maximalen Stoffaustausch in Filmkolonnen ist.

Tabelle 4. Dispersiver Anteil der spezifischen freien Oberflachenenergie von Metallen nach Fowkes [7,8].

crt Jim2]

Kupfer 60 Silber 74 Blei 99 Zinn 101 Eisen 108

3.3 Zusatz von Tensiden

Eine Verbesserung der Benetzung ist durch VergroDerung des Quotienten Ws,/ W, zu erreichen. Durch Tensidzusatz zur Flussigphase 1aDt sich W, reduzieren, wodurch der Quotient Ws,/ W, ansteigt. Experimentelle Untersuchungen ergaben, daD eine Verbesserung der Benetzung auf diesem Wegenur bei Gemischen rnit speziellen Eigenschaften auch zu einer Verbesserung des Stoffaustausches fiihrt.

Binare Gemische fur die Rektifikation lassen sich nach einer Klassifizierung von Zuiderweg und Harems [51] in negative, neutrale und positive Gemische unterteilen. In negativen Gemischen hat die leichtersiedende Komponente eine hohere und in positiven Gemischen eine niedrigere spezifische freie Oberflachenenergie als die schwerersiedende Komponente. In neutralen Gemischen ist die spezifische freie Oberflachen- energie beider Komponenten annahernd gleich. Nach Unter- suchungen von Ponter et al. [45], Martinez Moreno [46] sowie Berg et al. [47 - 491 wird durch Zusatz von gewissen Tensiden zu negativen Gemischen die Stoffaustauschleistung erhoht. In positiven Gemischen zeigen dieselben Tenside keinen Effekt. Andere Tenside vermindern die Stoffaustauschlei- stung sowohl in positiven als auch in negativen Gemischen. Eine Verschlechterung der Stoffaustauschleistung ist qualita- tiv damit zu erklaren, daB Tenside an den Grenzflachen flussig/gasformig eine Adsorbatschicht bilden und den Stoffiibergang in komplexer Weise behindern. Die positive Wirkung des Tensids n-Decanol bei der Rektifikation rnit 4-mm-Keramik-Berlsatteln als Fiillkorper und Ameisensaure/ Wasser als Testgemisch ist in Abb. 8 dargestellt. Ameisensau-

1L r I I

E l I

. . . . . . . . . . . . . . . . . . I I

50 70 Mo1.-% Wasser in der Blase

8io EiGm

Abb. 8. Trennwirksamkeit von 4-mm-Keramik-Berlsatteln fur das System Ameisensaure/Wasser rnit und ohne Zusatz von n-Decanol nach Berg [49] ; Gemischzusammensetzung : Wasser/Ameisensaure, ohne n-Decanol (negatives System+-, WasserlAmeisensaure, 0,02 Vo1.-% n-Decanof - - - , Wasser/Ameisensaure,O,lO Val.-% n-Decanol - - - -, Wasser/Ameisensaure, 0,20 V0l.-% n-Decanol

, Ameisensaure/Wasser, ohne n-Decanol (positives Sy- stem) . . . . . . . . . .

re/Wasser besitzt bei einer Konzentration von etwa 43 Mol- YO Wasser einen azeotropen Punkt. Bei Konzentrationen kleiner als 43 Mol-% Wasser besitzt das Gemisch eine positive und bei Konzentrationen grol3er als 43 Mol-YO Wasser eine negative Charakteristik. Der Rektifizieraufwand fur das negative, tensidfreie System ist erheblich hoher als fur das positive System. Dieser Befund hat allgemeine Gultigkeit. Ursache hierfur ist, dal3 im Falle negativer Systeme der herabrieselnde Flussigkeitsfilm aufgrund des Marangoni- Effekts destabilisiert wird [16]. Das Zerreiljen des Films zu Tropfen, Bachen und Kanalen bringt eine erhebliche Vermin- derung der Stoffaustauschflache und damit der Stoffaus- tauschleistung mit sich. Durch Zusatz des Tensids n-Decanol kann dieser Effekt dermal3en vermindert werden, daIj sich die Stoffaustauschleistung derjenigen des positiven Systems nahert.

3.4 Rauhigkeit der Oberflache

Aus umfangreichen Untersuchungen von Krell [16] geht hervor, daIj es durch Modifizierung der Oberflachenrauhig- keit von Feststoffoberflachen moglich ist, deren Benetzbar- keit entscheidend zu verandern. Beispielsweise gelingt es, durch Aufbringen paralleler Rillen auf ein Blech aus einem X 10CrNiTi 18.9-Stahi den Kontaktwinkel gegen Wasser von 89 grd auf der ideal glatten Oberflache rnit einer mittleren Rauhtiefe R, < 0,l pm auf maximal 52 grd auf einer Ober- flache der mittleren Rauhtiefe R, = 2,O pm zu senken. Noch

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Page 7: Benetzung und Stoffaustausch in Filmkolonnen

starkere Aufrauhung ergibt einen Wiederanstieg des Kon- taktwinkels. Die gemessenen Kontaktwinkel sind in Abb. 9 als Funktion der mittleren Rauhtiefe dargestellt. Ahnliche Ergebnisse wie im Falle des CrNi-Stahlblechs wurden auch fur Nickel- und Kupfer-Oberflachen gefunden. Bereits Krell [16] hat darauf hingewiesen, daI3 diese Ergebnisse nicht in Einklang mit der Beziehung nach Wenzel[15] gemal3 G1. (9) stehen, da letztere das Extremwerjphanomen nicht erklart. Andererseits ist aus der Theorie der Metalle und Halbleiter bekannt, daB an Rauhigkeitsspitzen eine groljere Ladungs- dichte vorliegt, welche die Adhasion mit permanenten Dipolen, wie sie in Wasser vorkommen, verstarkt. Aus geometrischen Uberlegungen folgt, daI3 ein Optimum der wirksamen Rauhigkeitsspitzen existieren muB, so da13 die in Abb. 9 dargestellte Abhangigkeit des Kontaktwinkels von der

18448991 Abb. 9. Abhangigkeit des Kontaktwinkels 9 im System Wasser/XlOCrNiTi18.9-Stahl von der mittleren Rauhtiefe R, des Festkorpers nach Krell [16].

Rauhigkeit qualitativ erklart werden kann. Da auch die Gemischkomponenten n-Heptan/Methylcyclohexan perma- nente Dipole besitzen, wird die von Krell gefundene Korrelation zwischen Kontaktwinkel und Trennleistung nach Abb. 10 plausibel. Fur eine quantitative Korrelation scheint es notwendig, auf Ergebnisse von Johnson und Dettre [3] zuriickzugehen. Sie haben gezeigt, daB auf rauhen und inhomogenen Feststoff- oberflachen eine ausgepragte Kontaktwinkel-Hysterese vor-

26 I I 1

I R.=O,lvm -. / I I / / ' - - .......

. '.;.,./

. . . . . . . .

Abb. 30. Abhangigkeit des HETP-Wertes der Fullkorper unter- schiedlicher mittlerer Rauhtiefe R, von der Belastung nach Krell [16]; Fullkorper: XlOCrNiTil8.9-Stahlwendeln (1,6 x 1,6 x 0,2mm).

liegt. Das bedeutet, daB sich der voranschreitende und ruckziehende Gleichgewichts-Kontaktwinkel unterscheiden. Dazwischen sind metastabile Energiezustande moglich, die ein Spektrum von Kontaktwinkeln zwischen diesen Extrem- werten zulassen. Offen bleibt die Frage, welcher der

moglichen Kontaktwinkel unter Rektifizierbedingungen mal3gebend ist.

3.5 Chemie der Oberflache

Aus Kapitel 3.2 geht hervor, daB Metalle trotz der hohen spezifischen freien Oberflachenenergie von waBrigen Losun- gen in der Regel nicht ideal benetzt werden. Eine Moglichkeit zur Verbesserung der Benetzbarkeit besteht in einer oxidati- ven Behandlung, d. h. in einer chemischen Modifizierung der Oberflache. Die Adhasionsarbeit gegen waBrige Losungen wird erhoht, weil neben den dispersiven jetzt auch polare Wechselwirkungen in Form von Wasserstoff-Bruckenbin- dungen auftreten. Benetzbarkeit und Trennverhalten unbe- handelter sawie durch Erhitzen im Luftstrom oxidierter Fullkorper aus Metal1 wurden von Krell [16] untersucht. Abb. 11 zeigt, daB der Kontaktwinkel von Wasser auf den

I 1

\ I 300 500

T.OC 184488111 Abb.11. Abhangigkeit des Kontaktwinkels 9 von Wasser auf oxidierten Metalloberflachen von der Gluhtemperatur des Metalls nach Krell [16]. KurveZ: XlOCrNiTil8.9, Rm=0,9pn; Kurve2: Aluminium, R, = 1 ,O Fm ; Kurve 3 : Phosphorbronze, R, = 1,l pm ; Kurve 4 : Wolfram, R, = 0,l p.

30 min bei bis zu 500°C behandelten Proben erheblich abnimmt, d. h., daB die Benetzung entsprechend verbessert wird. Fur dermaBen modifizierte Fullkorper gibt Krell bei der Rektifikation mit einem neutralen Testgemisch im Vergleich zu nichtoxidierten Fiillkorpern Verbesserungen der Trennlei- stung bis zu 20% an. Trotz der vorliegenden qualitativen Erkenntnis, daB sich eine verbesserte Benetzung vorteilhaft auf den Stoffubergang auswirkt, kommen in der industriellen Praxis Polymerfull- korper von auBerst schlechter Benetzbarkeit, wie beispiels- weise Polypropylen, zum Einsatz. Ein Hauptgrund hierfur ist neben der chemischen Bestandigkeit solcher Fullkorper vor allem deren Preiswurdigkeit. Da chemische Bestandigkeit bei Absorptionsprozessen mit waorigen alkalischen Losungen als flussiger Phase eine entscheidende Forderung darstellt, ist der Wunsch naheliegend, die spezifische freie Oberflachen- energie der Polymerfullkorper so zu erhohen, daB auch in solchen waBrigen Losungen Benetzung erfolgt. Untersuchungen zur chemischen Oberflachenmodifizierung von Polypropylen und Polyvinylidenfluorid wurden von Hurttig [50,67] bzw. Buuer [9] durchgefuhrt. Hurttig zeigte, daB durch Fotochlorierung von Polypropylen mit an- schlieBender Hydrolyse-Behandlung in siedender NaOH der Kontaktwinkel gegen Wasser von 102 auf 56 grd erniedrigt werden kann. Aus den Untersuchungen von Bauer an Polyvinylidenfluorid geht hervor, daB bei diesem Polymeren eine Behandlung in siedender NaOH ausreicht, um den Kontaktwinkel gegen Wasser von 85grd auf 55grd zu erniedrigen. Bei beiden Behandlungsmethoden resultiert die

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verbesserte Benetzung in erster Linie aus einer Erhohung des polaren Anteils der spezifischen freien Oberflachenenergie. Tab. 5 zeigt dispersive und polare Anteile der unbehandelten und gemaD obigen Angaben behandelten Fullkorpermateria- lien. Ursache der Erhohung des polaren Anteils ist in beiden Fallen die Einfuhrung von Hydroxylgruppen an der Oberfla- che.

Tabelle 5. Spezifische freie Oberflachenenergie von Polypropylen (PP) und Polyvinylidenfluorid (PVDF) nach Hurttig [50, 671 und Buuer [9].

crp J/m'] cr: Jim'] crs J/mz]

PP, unbehandelt 25,3 0,5 25,8 PP, fotochloriert u. NaOH-behandelt 30,5 18,3 48,8 PVDF, unbehandelt 28,9 4 8 32,9 PVDF, NaOH- behandelt 32,O 18,5 50,5

Rektifizier-Untersuchungen in Laborkolonnen von 30 und 70 mm Dmr. unter Verwendung von Polymergranulat bzw. Pall-Ringen von 25 mm Dmr. in geordneter Packung ergaben im Falle des Polypropylen ubereinstimmend Verbesserungen der Trennleistung bis zu etwa 40%, wenn als Testgemisch Essigsaure/Wasser verwendet wird. Dieses Gemisch zeichnet sich durch eine negative Charakteristik und durch eine hohe spezifische freie Oberflachenenergie aus. Die entsprechenden Trennkurven sind in Abb. 12 dargestellt.

I

8-o-o---o -.--.A-.- I I ' ,-a- I 0.5 1.0 15

V,.mls O O

EEsm

Abb. 12. Trennung von Essigsaure/Wasser mit Polypropylen- Fullkorpern nach Hurttig [50, 671. a ) 30-mm-Kolonne, PP-Granulat als Fullkorper, hydrophiliert, 0 nicht hydrophiliert ; b) 70-mm-Kolonne, PP-Pall-Ringe als Fullkorper, hydrophiliert, 0 nicht hydrophiliert .

Im Falle des Polyvinylidenfluorids liegen lediglich Ergebnisse rnit zylinderformigem Granulat von 2,8 mm Dmr. und 3,5mm Hohe in der 30-mm-Kolonne vor. Durch die Oberflachenmodifizierung wird eine Steigerung der Trennlei- stung bis zu etwa 30% erreicht, wie sich aus Abb. 13 entnehmen 1aBt. Die .in den voranstehend beschriebenen Untersuchungen verwendeten Fullkorpermaterialien besitzen quasi-ideal glat- te Oberflachen. Aufgrund der Teilkristallinitat der Polymere sind die Oberflachen nicht als ideal homogen anzusprechen. Die voranstehend mitgeteilten, rnit Hilfe der Sessile-drop- Methode ermittelten Kontaktwinkel konnen deshalb nur in erster Naherung zur Korrelation rnit der Trennleistung herangezogen werden. Uber MeDergebnisse riickziehender Kontaktwinkel wird an anderer Stelle berichtet [50, 671. SchlieDlich sei erwahnt, daB in den zitierten Arbeiten mit den modifizierten Fullkorpermaterialien auch Untersuchungen unter Verwendung des Gemischs n-Heptan/Methylcyclohe- xan durchgefiihrt wurden. Mit diesem Gemisch niedriger

spezifischer freier Oberflachenenergie ergab sich in Uberein- stimmung rnit den Untersuchungen an Kupfer- und Nickel- Rieselblechen [44] wie erwartet kein EinfluD der Oberflachen- modifizierung auf die Trennleistung. Bauer konnte durch vergleichende Untersuchungen an unbehandelten und siliconisierten Glasfiillkorpern zeigen, dal3 die Verminderung der spezifischen freien Oberflachen-

l2 t I 1 I 1 0.07 0.11 0:

vD ,mls

Abb. 13. Trennung von Essigsaure/Wasser rnit Polyvinyliden- fluorid-Fiillkorpern nach Buuer [9] ; 30-mm-Kolonne, PVDF- Granulat als Fullkorper, hydrophiliert, 0 nicht hydrophiliert.

energie durch die Polysiloxan-Oberflachenschicht eine Ab- nahme der Trennleistung um 50% ergibt, wenn als Gemisch Essigsaure/Wasser verwendet wird [9]. Bei n-Heptan/Methyl- cyclohexan ergibt sich erneut kein Effekt. Die in diesen Untersuchungen verwendete Polysiloxan-Schicht kann als Oberflachenmodifizierung angesehen, aber auch als Adsor- batschicht rnit erheblicher Erniedrigung der spezifischen freien Oberflachenenergie betrachtet werden. Solche Adsor- batschichten konnen sich in der Praxis aufgrund von Verunreinigungen insbesondere an hochenergetischen Full- korperoberflachen, aber auch an der Grenzflache fliissig/gas- formig anlagern und den Stoffubergang bzw. die Trennlei- stung entscheidend beeinflussen. Von groDerer Bedeutung sind solche Adsorbatschichten an der Grenzflache der austauschenden Phasen bei der Flussig/Flussig-Extraktion [52 - 541.

4 Berechnung der Trennleistung

Zur rechnerischen Bestimmung des Stoffubergangs in Full- korperschuttungen wurden zahlreiche empirische Gleichun- gen auf der Basis dimensionsloser KenngroDen entwickelt [55 - 651. Die Beziehung von Onda [55, 561 gibt nach einer Untersuchung von Krotzsch [66] die experimentell ermittel- ten Stoffaustauschleistungen am besten wieder :

ShF = 0,0051 Ga0*33Re0,67 SCO,~ (aGd,)'s4, (22)

wobei

- = 1 - exp [ - 1 4 5 Reo.' Fr-',05 Weo.']. (23) US

a , Die GroDen ShF, Ga, Re, Sc, Fr und We bezeichnen die Sherwood-Zahl, die Galilei-Zahl, die Reynolds-Zahl, die Schmidt-Zahl, die Froude-Zahl und die Weber-Zahl der Flussigkeit . a$aG ist der Quotient aus wirksamer und geometrischer Fullkorperoberflache. Er hangt unter anderem entscheidend von der Oberflachenbenetzbarkeit ab. Diese Abhangigkeit wird in G1. (23) durch den Quotienten (yc /0 , )0 *75 berucksich-

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tigt. Fur yc = c1 liegt ideale Benetzung vor ; wird der Quotient < I , so verschlechtert sich die Benetzbarkeit. Durch Uber- schlagsrechnungen kann man zeigen, daB fur yc/al = 0,5 im Vergleich zu yc/a, = 1 eine groBenordnungsmaBig um 20% verringerte Stoffaustauschleistung resultiert [66]. Diesem rechnerisch mit der Gleichung von Onda ermittelten Ergebnis stehen experimentelle Ergebnisse von Harttig und Bauer gegenuber, die zeigen, daB unter solchen Bedingungen die Abnahme der Stoffaustauschleistung bis zu 50% betragen kann [9, 50, 671. Daraus ist zu folgern, daB der EinfluB der Benetzbarkeit der Fullkorper auf deren Stoffaustauschlei- stung mit den derzeit bekannten empirischen Gleichungen nur unzureichend beschrieben wird. Eine befriedigende Ubereinstimmung zwischen Experiment und Berechnung der Stoffaustauschleistung ist deshalb nur fur den Fall guter Benetzung zu erwarten. Auch fur diesen Fall findet Krotzsch bei Berechnungen der Stoffaustauschleistungen nach mehre- ren empirischen Gleichungen Abweichungen von 30% [66]. Die reproduzierbare Bestimmung der kritischen Ober- flachenenergie yc von hochenergetischen Oberflachen erfor- dert besondere Sorgfalt, weil die Oberflachen grundsatzlich kontaminiert sind. Durch Kontaktwinkelmessungen be- stimmt man somit die spezifische freie Oberflachenenergie der Adsorbatschichten. Je nach Kontaminationsgrad erhalt man die unterschiedlichsten y,-Werte. Beispielsweise hat Ondu die kritische Oberflachenenergie yc von VA-Stahl zu 70 . JimZ bestimmt [55,56]. Zech findet bei seinen Messungen yc = 18 . J/m2 [%I. Zur Berechnung des Quotienten uJa, nach G1. (23) ist der letztgenannte Wert sicherlich zu niedrig, denn unter den Betriebsbedingungen von Rektifikation, Extraktion oder Absorption konnen Adsorbatschichten teilweise von der Oberflache entfernt werden, womit yc groBer und die Benetzbarkeit verbessert wird. Das angefiihrte Beispiel macht deutlich, wie wichtig es ist, bei der Bestimmung von yc auf Kontaminationseffekte zu achten. Eine Moglichkeit, reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen, wurde von Bauer vorgeschlagen [9]. Dabei wird der Kontaktwinkel nach verschieden langer Lagerung von Proben gemessen, die zuvor den Bedingungen in einer Kolonne ausgesetzt waren. Zur Bestimmung des gesuchten Wertes wird die erhaltene Kurve gegen die Zeit Null extrapoliert . Uber die Verwendung geeigneter Testflussigkeiten zur Be- stimmung von yc wurde in Kapitel 2.2 berichtet. Auf jeden Fall sollten die verwendeten Testflussigkeiten sowohl disper- sive als auch polare Wechselwirkungen zeigen. Nach diesem Verfahren kann ebenfalls die fur die Benetzung von Fullkor- pern relevante kritische Benetzungsenergie von Metallen ermittelt werden, die jedoch nicht identisch mit der spezifi- schen freien Oberflachenenergie dieser Stoffklasse ist. Bei den Veifahren zur Bestimmung von yc wird ublicherweise der vorruckende Kontaktwinkel bestimmt. In Kapitel 3.4 wurde darauf hingewiesen, daB an heterogenen und rauhen Oberflachen eine Kontaktwinkel-Hysterese auftritt. Das bedeutet, daB an benetzten Oberflachen vorzugsweise der riickziehende Kontaktwinkel die entscheidende GroDe dar- stellt. Es ware deshalb zweckmaBig zu prufen, o b bei der Ermittlung von yc nicht der ruckziehende Kontaktwinkel zugrundezulegen ist. SchlieBlich sei nochmals betont, daB fur die Benetzung einer Feststoffoberflache grundsatzlich das Verhaltnis von Adhasionsarbeit W,, zur Kohasionsarbeit W, maBgebend ist. Es ware deshalb naheliegend, anstelle des Quotienten yc/a, den Quotienten Wsl/ W, zu benutzen. Wie in Kapite12.4 bereits erwahnt, konnen an Fest/Flussig- Grenzflachen mit bewegter fliissiger Phase elektrostatische Wechselwirkungen in Erscheinung treten und die Adhasion

beeinflussen. Solche Effekte werden durch die Kontaktwin- kelmessungen nicht erfaBt. Weitere Untersuchungen miissen zeigen, ob durch eine subtilere Erfassung der Benetzungspha- nomene eine exaktere Beschreibung der Stoffaustauschsyste- me moglich ist.

Der DFG danken wir fur finanzielle Unterstutzung. Herr Dr. Rozploch, Institut fur Physik der Nikolaus Kopernikus-Universitat, Torun, Polen, danken wir fur die kritische Durchsicht des Manu- skriptes. Eingegangen am 2. November 1981 [B 44881

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Phase Theory: The Thermodynamics of Heterogeneous Equilibria. Von H . A. J. Oonk. Elsevier Scientific Publishing Comp., Amsterdam -Oxford-NewYork 1981.1.Aufl.,XIV,269S.,zahlr.Abb.u.Tab., geb., $ 59.50.

Ganz in der Tradition der alten Hollandischen Schule mit Namen wie van Laar und Roozeboom stehend, wird ein Thema aufgegriffen, das friiher als Phasenlehre eine bedeutende Rolle gespielt hat. Inhalt der Phasenlehre ist im wesentlichen, den Zusammenhang aufzuzeigen zwischen den Phasengleichgewichten in ihren vielfaltigen Erschei- nungsformen einerseits und dem Verlauf der freien Enthalpie G ats Funktion von Temperatur, Druck und insbesondere der Konzentra- tion andererseits. Es lassen sich auf diese Weise die Phasengleichge- wichte klassif~eren und eine Reihe von interessanten Beziehungen f i r p x - sowie T-x-Diagramme herleiten, die heute in den gangigen Darstellungen der Mischphasen-Thermodynamik nicht mehr in der Breite dargestellt werden und die teilweise in Vergessenheit geraten sind. Das Buch ist gut gegliedert, stellt die wesentlichen Punkte in der notwendigen Ausf*lichkeit dar, um es zum Selbststudium geeignet zu machen, und erleichtert das Verstandnis durch zahlreiche Abbildungen; es beschrankt sich auf binare Systeme. Der Autor erweitert die Phasenlehre durch einen eigenen Beitrag, namlich die sog. ,,Kurven gleicher freier Enthalpie", denen nach Ansicht des

[65] Schmidt, R . : Int. Chem. Eng., Symp. Ser. 56 (1979) S. 39. [66] KrBtzsch, P . : Chem.-1ng.-Tech. 53 (1981) S. 892. [67l Harttig, H . ; Hiittinger, K . J . : Chem.-1ng.-Tech. 54 (1982) in

Druck.

Formelzeichen

nth

R m T

spezifische freie Oberflachenenergie spezifische freie Grenzflachenenergie zwischen Festkorper und Fliissigkeit Kontaktwinkel Adhasionsarbeit zwischen Festkorper und Fliissigkeit Kohasionsarbeit Spreitungsdruck Benetzungsspannung (Taucharbeit, Benetzungsenergie) Rauhigkeitsfaktor reale rauhe Oberflache ideale glatte Oberflache kritische Benetzungsenergie theoretische Trennstufenzahl mittlere Rauhtiefe Behandlungs-Temperatur Dampfgeschwindigkeit wirksame Fiillkorper-Oberflache geometrische Fiillkorper-Oberflache

Indices S Festkorper 1 Fliissigkeit c kritisch d dispersiv p polar

Autors eine physikalische Bedeutung zukommt, die bisher iibersehen wurde. Vom heutigen Standpunkt aus erscheint der Titel des Buches zu anspruchsvoll, da wichtige neue Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Verdampfungsgleichgewichte unerwahnt bleiben, z. B. die Gleichungen, die auf dem Konzept der lokalen Zusammen- setzung beruhen, wie die Wilson-, NRTL- und UNlQuAc-Gleichung, ferner das Zustandsgleichungsverfahren, das in den letzten zehn Jahren zunehmende Bedeutung gewonnen hat, sowie auch die Versuche, mit Hilfe der statistischen Thermodynamik aus den molekularen Wechselwirkungspotentialen Phasengleichgewichte zu berechnen . Insofern diirfte das Buch den Ingenieur in der Verfahrenstechnik nur bedingt ansprechen. Er wird esniitzlich finden, wenn er sich kurz iiber ein Gebiet der Mischphasen-Thermodynamik informieren will, das fur ihn heute nur mehr von historischem Interesse ist; denn der praktische Nutzen der Ergebnisse der Phasenlehre ist nur beschrankt . Etwas anders mogen die Verhaltnisse liegen, wenn man es mit den haufig sehr komplexen Phasengleichgewichten zu tun hat, an denen feste Phasen, insbesondere feste Mischphasen, beteiligt sind. Auf diesem Gebiet wurden in den letzten Jahren weniger Fortschritte erzielt, so daB dort auch heute noch graphische Betrachtungen zum Verlaufder freien Enthalpieein wichtiges Hilfsmittelzum Verstandnis und zur Klassifizierung der Phasengleichgewichte darstellen.

[BB 23421 H. Wenzel, Erlangen

460 Chem.-1ng.-Tech. 54 (1982) Nr. 5, S. 449-460