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ORIGINALBEITRAG Zusammenfassung: In den letzten Jahren lässt sich im Schulbereich zunehmend beobachten, dass Schulen bei ihrer pädagogischen und organisatorischen Weiterentwicklung auf die Unter- stützung von Expertinnen und Experten „von außen“ zurückgreifen. Diese Expert/innen stellen hinsichtlich ihrer Profession, ihres inhaltlichen Einsatzbereiches und ihrer Arbeitsweise eine he- terogene Gruppe dar, das Feld der externen Schulentwicklungsberatung erscheint auch deshalb unübersichtlich. Der Beitrag geht nun der Frage nach, ob sich im Feld der externen Schulentwick- lungsberatung unterschiedliche Beratungstypen identifizieren lassen, die sich als Kombination spezifischer Merkmale der Beratung (z. B. Inhalte und Settings) beschreiben lassen. Dabei greift er auf die Erkenntnisse eines ersten größeren Forschungsprojekts zurück, die anhand von stan- dardisierten Befragungen und qualitativen Interviews von Schulleitungen und Lehrkräften sowie Dokumentenanalysen zur Gestaltung, zum Ablauf und zu den Ergebnissen der externen Beratung von Schulen in einem deutschen Bundesland – Nordrhein-Westfalen – generiert worden sind. Schlüsselwörter: Schulentwicklung · Externe Berater · Beratungstheorie · Empirische Studie Types of consultation in external school development consultation Abstract: In recent years schools have increasingly drawn on help of external experts for their pedagogical and organisational development. These experts are a heterogeneous group in respect to their profession, their area of operation and their working method. This article deals with the question if different types of consultation can be identified in the field of external school development consultation that can be described as a combination of specific characteristics of consultation (e.g. content and working methods). It draws on findings of a large-scale research project based on standardised surveys and qualitative interviews with school administrators and teachers and on archival data analysis concerning design, course of action and results of external consultation of schools in the German federal state North Rhine-Westphalia. Z f Bildungsforsch (2013) 3:253–269 DOI 10.1007/s35834-013-0071-7 Angenommen: 12.08.2013 / Online publiziert: 09.10.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Prof. Dr. K. Dedering () Institut für Soziale Arbeit, Bildungs- und Sportwissenschaften, Universität Vechta, Driverstr. 22, 49377 Vechta, Deutschland E-Mail: [email protected] M. Rauh, M. Ed. Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg, Deutschland Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung Melanie Rauh · Kathrin Dedering

Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung; Types of consultation in external school development consultation;

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Originalbeitrag

Zusammenfassung: In den letzten Jahren lässt sich im Schulbereich zunehmend beobachten, dass Schulen bei ihrer pädagogischen und organisatorischen Weiterentwicklung auf die Unter-stützung von Expertinnen und Experten „von außen“ zurückgreifen. Diese Expert/innen stellen hinsichtlich ihrer Profession, ihres inhaltlichen Einsatzbereiches und ihrer Arbeitsweise eine he-terogene Gruppe dar, das Feld der externen Schulentwicklungsberatung erscheint auch deshalb unübersichtlich. Der Beitrag geht nun der Frage nach, ob sich im Feld der externen Schulentwick-lungsberatung unterschiedliche Beratungstypen identifizieren lassen, die sich als Kombination spezifischer Merkmale der Beratung (z. B. Inhalte und Settings) beschreiben lassen. Dabei greift er auf die Erkenntnisse eines ersten größeren Forschungsprojekts zurück, die anhand von stan-dardisierten Befragungen und qualitativen Interviews von Schulleitungen und Lehrkräften sowie Dokumentenanalysen zur Gestaltung, zum Ablauf und zu den Ergebnissen der externen Beratung von Schulen in einem deutschen Bundesland – Nordrhein-Westfalen – generiert worden sind.

Schlüsselwörter: Schulentwicklung · Externe Berater · Beratungstheorie · Empirische Studie

Types of consultation in external school development consultation

Abstract: In recent years schools have increasingly drawn on help of external experts for their pedagogical and organisational development. These experts are a heterogeneous group in respect to their profession, their area of operation and their working method. This article deals with the question if different types of consultation can be identified in the field of external school development consultation that can be described as a combination of specific characteristics of consultation (e.g. content and working methods). It draws on findings of a large-scale research project based on standardised surveys and qualitative interviews with school administrators and teachers and on archival data analysis concerning design, course of action and results of external consultation of schools in the German federal state North Rhine-Westphalia.

Z f Bildungsforsch (2013) 3:253–269DOI 10.1007/s35834-013-0071-7

Angenommen: 12.08.2013 / Online publiziert: 09.10.2013© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Prof. Dr. K. Dedering ()Institut für Soziale Arbeit, Bildungs- und Sportwissenschaften,Universität Vechta, Driverstr. 22, 49377 Vechta, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. Rauh, M. Ed.Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft,Universität Hamburg, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg, Deutschland

Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung

Melanie Rauh · Kathrin Dedering

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Keywords: School development · External consultants · Consultation theory · Empirical study

1 Einleitung

Die Ansicht, dass Schulen bei ihrer pädagogischen und organisatorischen Entwicklungs-arbeit von externen Beratern begleitet und unterstützt werden sollten, wird in der Lite-ratur zur Schulentwicklung schon seit mehr als zwanzig Jahren vertreten. So begreifen beispielsweise Dalin, Rolff und Buchen externe Berater bereits in den 1980er und 1990er Jahren als konstituierenden Bestandteil ihres Institutionellen Schulentwicklungsprogram-mes (ISP) (Dalin et al. 1990). In der Praxis lässt sich eine derartige Hinzuziehung von Experten „von außen“ in den letzten Jahren in zunehmendem Maße beobachten. Das Feld dieser externen Schulentwicklungsberatung erscheint relativ unübersichtlich: Personen mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen und Kompetenzen beraten Schulen zu viel-fältigen Themen in verschieden gestalteten Settings.

An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an: Er geht der Frage nach, ob sich im Feld der externen Schulentwicklungsberatung unterschiedliche Beratungstypen identifi-zieren lassen, die sich als Kombination spezifischer Merkmale der Beratung (z. B. Inhalte und Settings) beschreiben lassen. Dabei greift er auf Erkenntnisse eines empirischen Forschungsprojekts1 zurück, das sich erstmals mit der Gestaltung, dem Ablauf und den Ergebnissen der externen Beratung von Schulen bei ihrer pädagogischen und organisa-torischen Weiterentwicklung befasst hat. Mit der Beantwortung der Fragestellung wird der Versuch unternommen, das unübersichtlich erscheinende Feld der externen Schulent-wicklungsberatung zu systematisieren.

Im Folgenden werden zunächst der Gegenstand und die derzeitige Forschungslage zur externen Schulentwicklungsberatung dargestellt (Kap. 2). Sodann werden potenzielle Theorieperspektiven (Kap. 3) sowie die Fragestellung und das methodische Vorgehen des erwähnten Forschungsprojekts skizziert (Kap. 4). Schließlich werden empirische Befunde zur Schulentwicklungsberatung präsentiert und empirisch beobachtbare Beratungstypen abgeleitet (Kap. 5), bevor der Beitrag in einem Fazit und Ausblick mündet (Kap. 6).

2 Gegenstand und Forschungslage

Unter externer Schulentwicklungsberatung wird hier die Unterstützung von Schulen durch nicht zum Kollegium gehörende Personen verstanden. Beratung wird als Oberkate-gorie für verschiedene Unterstützungsformen definiert (Rolff et al. 2000); dazu gehören Fortbildung, Supervision und Coaching ebenso wie die Moderation von Problemanaly-sen und die Hilfe bei der Aufstellung von Handlungsprogrammen. Die Zielperspektive dabei ist, die pädagogische Qualität der Schule zu verbessern. Diese Orientierung auf die Schule als Ganzes schließt nicht aus, dass auch Einzelne oder Gruppen Adressaten der Beratung sein können und dass sich die Veränderungsabsichten nur auf ein Teilsystem der Schule (z. B. bestimmte Jahrgänge) beziehen. Allerdings sollen die Beratungsergeb-nisse stets so angelegt sein, dass sie in das Veränderungsprogramm der Schule integriert werden können (Schönig 2000; Schönig und Brunner 1993).

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Im anglo-amerikanischen Raum sind zu der so definierten Schulentwicklungsbera-tung seit den 1970er Jahren einige wenige empirische Studien durchgeführt worden. Die Untersuchungen legen ihr Augenmerk auf externe Berater und ihre Tätigkeiten im Bereich der Schulentwicklung. Thematisiert werden erstens die Rollen, die externe Berater in Schulentwicklungsprozessen einnehmen. In einer Metaanalyse fasst Tajik (2008) die erkennbare Rollenvielfalt in drei größeren Kategorien zusammen: 1) Die Unterstützer geben den Lehrkräften vor allem Anregungen und befähigen sie, den Wan-del selbst zu gestalten; 2) die technischen Experten fungieren vornehmlich als Trainer, Lösungsgeber und Anweiser und 3) die kritischen Freunde sehen ihre primäre Auf-gabe darin, die Lehrkräfte durch Rückmeldungen in ihren innovativen Absichten zu bestärken. In den empirischen Studien finden sich zweitens Hinweise auf Fähigkeiten bzw. persönliche Eigenschaften, durch die sich erfolgreich agierende externe Berater auszeichnen (u. a. Leithwood et al. 1979; McCallister 2001; Miles et al. 1988). Her-ausgestellt werden u. a. ein Verhandlungsgeschick in zwischenmenschlichen Situatio-nen, Kompetenzen im Umgang mit Gruppen, fachliches und pädagogisches Wissen, Erfahrungen in der Konfliktmediation, Hilfsbereitschaft und Kollegialität sowie die Fähigkeit, Vertrauen zu schaffen und ein harmonisches Verhältnis mit den Klienten zu unterhalten. Drittens werden in den empirischen Studien Strategien herausgearbeitet, die erfolgreiche externe Berater anwenden. Exemplarisch sei hier die Vereinbarung gemeinsamer Prinzipien, die Schaffung gemeinschaftlicher Partnerschaften unter den Lehrkräften, Erziehern und Eltern sowie die Einführung geteilter Verantwortlichkeiten erwähnt (z. B. Richert et al. 2001).

Auch in der deutschsprachigen erziehungswissenschaftlichen Literatur wird die externe Schulentwicklungsberatung – wie eingangs erwähnt – bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten thematisiert (Dalin et al. 1990). Dies geschieht allerdings überwiegend kon-zeptionell und handlungsanleitend. In die Arbeiten fließen bisher nur wenige Erkennt-nisse über die Praxis der Schulberatung ein. Diese werden entweder aus den eigenen Beratungsaktivitäten der erziehungswissenschaftlichen Autoren (z. B. Philipp 2007) oder aus der Evaluation von Beratungsaspekten in einigen schulischen Modellversuchen abge-leitet (z. B. Bastian und Rolff 2001; Holtappels et al. 2008).

Zwei kleinere Studien stellen Informationen über die Gestaltung von externer Schul-entwicklungsberatung bereit. Ihre Befunde deuten u. a. auf breit streuende Beratungs-anlässe, eine große Vielfalt an von den Schulen genutzten Beratungsformen sowie ein breites Aufgabenspektrum der Beratung hin (Holzäpfel 2008; Schönig 2000). Zudem attestieren sie den Schulen eine hohe Sensibilität bei der Beraterauswahl: Gesucht wer-den jene Berater, die zum jeweiligen Beratungsanlass passen. Die Tätigkeiten der Berater umfassen eine große Bandbreite an Aktivitäten, die insgesamt auf die Funktion der Bera-tung als „Hilfe… bei der selbstständigen Erreichung der eigenen Projektziele“ (Schönig 2000, S. 134) verweisen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Schulentwicklungsberatung bisher weder im angloamerikanischen noch im deutschsprachigen Raum zum Gegenstand einer syste-matischen Analyse gemacht worden ist. Gesicherte Aussagen über die Häufigkeit von externer Beratung in Schulentwicklungsprozessen, deren Gestaltung und Effekte sind deshalb derzeit nicht möglich. Insbesondere hinsichtlich der ablaufenden Prozesse fehlen fundierte Erkenntnisse (Arnold und Reese 2010).

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Mit dem Ziel, einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, wer-den nachfolgend umfassendere empirische Erkenntnisse zur Thematik bereitgestellt, die – wie eingangs erwähnt – zudem zu Beratungstypen verdichtet werden.

3 Theorieperspektiven

Da es sich bei der externen Schulentwicklungsberatung um ein vergleichsweise neues Phänomen handelt, kann nicht auf etablierte theoretische Konzepte zurückgegriffen wer-den. Vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung mit potenziellen Bezugstheorien lassen drei Theoriekonzepte fruchtbare Erkenntnisse erwarten. Sie nähern sich der exter-nen Schulentwicklungsberatung aus einer jeweils anderen Perspektive und bedingen je spezifische Fragestellungen:

1. Die Beratungstheorie, die die Kommunikation zwischen dem Berater- und dem Klientensystem in den Blick nimmt und professionelle Beratung als „institutiona-lisierte Form einer hilfreichen Kommunikation“ (Dewe 2011, S. 104) versteht. Die spezifische Zuspitzung beim Thema des Projekts liegt darin, die Beratung auf die Entwicklung der Institution Schule zu beziehen.

2. Die Schulentwicklungstheorie, die sich mit geplanten Veränderungen in der Institu-tion Schule und somit genau mit dem sozialen Feld befasst, um das es im Projekt geht. Die spezifische Zuspitzung beim Thema des Projekts liegt in der Frage, welche Relevanz Beratungsprozesse für die Schulentwicklung erlangen können.

3. Das Konzept von Educational Governance, bei dem die Auffassung Dreh- und An-gelpunkt ist, dass die Steuerung des Bildungssystems nicht von einem einzigen oder einigen wenigen staatlichen Akteuren betrieben, sondern multikausal durch viele politisch-administrative, pädagogische und zivilgesellschaftliche Beiträge erzeugt wird (Altrichter und Heinrich 2007). Die spezifische Zuspitzung beim Thema des Projekts liegt darin, die unterschiedlichen Handlungskoordinationen zu identifizie-ren, in die externe Schulentwicklungsberatung auf den unterschiedlichen Ebenen des Schulsystems eingebunden ist.

Nachfolgend werden einige Eckpunkte dieser Konzepte präsentiert, die – unter den ver-schiedenen Perspektiven – dazu geeignet sind, die empirisch identifizierten Beratungs-typen theoretisch zu verorten. Eine differenzierte Darstellung dieser Theorien und ihrer spezifischen Fragestellungen in Bezug auf die externe Schulentwicklungsberatung findet sich in der Monographie zum genannten Forschungsprojekt (Dedering et al. 2013).

3.1 Beratungstheoretische Konzepte: Experten- und Prozessberatung

Externe Schulentwicklungsberatung bezieht sich auf die Schule als Organisation; sie ist deshalb als Teil einer organisationalen Beratung zu verstehen. Diese wird in der Lite-ratur bereichsunspezifisch thematisiert, fokussiert also zunächst nicht explizit auf den Schulbereich. Als grundlegende Unterscheidung wird jene zwischen Experten- bzw. Fachberatung einerseits und Prozessberatung andererseits vorgenommen (König und Vol-mer 1996; Schein 1969, 2000). Während der Berater in der Experten- bzw. Fachberatung

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257Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung

konkrete Problemlösungen anbietet, geht es in der Prozessberatung darum, die Problem-lösekompetenz des Ratsuchenden zu verbessern (Holzäpfel 2008). Mit anderen Worten: Bei der Expertenberatung kennt der Ratsuchende sein Problem, der Berater soll Lösungs-beiträge liefern. Bei der Prozessberatung schafft der Berater die Arbeitssituation, die es dem Ratsuchenden erlaubt, sein Problem selbst zu entdecken und zu beheben (Häfele und Lanter 2003; Moldaschl 2001; Wimmer 2004).

Die beiden Beratungskonzepte lassen sich auch auf den Bereich der Schulentwick-lungsberatung übertragen. Sie eignen sich dabei als Hintergrundfolie für die theoretische Einordnung der empirisch beobachtbaren Arbeitsweise von Beratern in der Kommuni-kation mit den schulischen Akteuren. Über die vier in Tab. 1 angeführten Dimensionen wird die Arbeitsweise der Berater konkretisiert (Quellen: Schein 1969; Schönig 2000; Wimmer 2004).

Die jüngere Diskussion zur Organisationsberatung generell zeigt allerdings, dass eine so strikte Trennung zwischen Fach- und Prozessberatung längst nicht mehr gezogen wer-den kann. Vielmehr werden in allen Organisationen zunehmend Berater gefordert, die ihre Kompetenzen zur Gestaltung von Prozessen mit sehr guten Kenntnissen der inhaltlichen Probleme (und ihrer Lösungsperspektiven) verbinden können (z. B. Wimmer 2004). Bei der Rezeption der Konzepte und ihrer Übertragung auf den Bereich der Schulentwick-lungsberatung betonen auch die erziehungswissenschaftlichen Autoren die Bedeutung prozessberatender und inhaltlicher Kompetenzen der Schulberater gleichermaßen (z. B. Dalin et al. 1996).

Tab. 1: Dimensionen des BeratungsprozessesDimension der Beratung

„Reine“ Prozessberatung „Reine“ Expertenberatung

Zielsetzung Es geht um eine Erweiterung des Problemhorizonts und die Herstel-lung von Problemlösungsfähigkeit

Es geht um eine Festlegung von Lösungsvorschlägen und eine Um-setzung von Entscheidungen

Wissens- und Erfahrungsbezug

Relevant sind wissenschaftliches Wissen (und Prozesserfahrungen) über den Ablauf von Kommuni-kation und die Herbeiführung von Entscheidungen

Relevant sind wissenschaftliches Wissen (und fachliche Erfahrun-gen) zum jeweiligen inhaltlichen Problembereich

Problemdefinition und Problemlösung

Probleme sind vage und diffus, eine gemeinsame Diagnose von Berater und schulischen Akteuren führt zu ihrer Konkretisierung. Der Berater hilft den Akteuren, Problemlö-sungsvorschläge zu entwickeln

Probleme werden von den schu-lischen Akteuren identifiziert und benannt. Der Berater entwickelt in der vorgegebenen Linie konkrete Lösungsvorschläge und managt die Umsetzung

Kompetenzen und Rolle des Beraters

Gefordert werden vor allem prozessbegleitende Kompetenzen (z. B. Konfliktmediation, Verfahren der Entscheidungsfindung)

Gefordert werden vor allem fach-lich-inhaltliche Kompetenzen (z. B. Kenntnisse über die Umsetzung von Leseförderung)

Der Berater fungiert als kompeten-ter Moderator

Der Berater fungiert als inhaltlicher Fachexperte

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3.2 Schulentwicklungstheoretische Konzepte: Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung

Nach einem im deutschsprachigen Raum weithin geteilten Verständnis lässt sich Schul-entwicklung als die systematisierte, bewusste und absichtsvolle Weiterentwicklung von Einzelschulen verstehen, die von den Mitgliedern der Einzelschulen selbst vorgenommen wird. Der Begriff beinhaltet eine prospektive Blickrichtung und impliziert das Ziel, Schu-len zu schaffen, die sich selbst steuern, selbst reflektieren und selbst organisieren (Rolff 2010).

In der schulentwicklungstheoretischen Literatur werden unterschiedliche Bereiche angegeben, in denen Aktivitäten der Schulentwicklung erfolgen können (u. a. Holtappels 2003; Rolff 2010): Sie kann sich im Bereich der Schulorganisation, etwa in Form von Teambildungsprozessen im Kollegium, vollziehen. Schulentwicklung ist dann als Orga-nisationsentwicklung (OE) zu verstehen. Darüber hinaus ist sie im Bereich der Lernkultur in Unterricht und Schule möglich – wenn sich das Kollegium beispielsweise auf ein-heitliche Kriterien der Leistungsbeurteilung verständigt und diese in die Praxis umsetzt. Schulentwicklung stellt dann Unterrichtsentwicklung (UE) dar. Schließlich ist sie auch im Bereich des Personals realisierbar, etwa als Entwicklung einer Kommunikations- und Konfliktkultur. Schulentwicklung vollzieht sich dann als Personalentwicklung (PE) (ebd.).

Die externe Schulentwicklungsberatung kann sich nun auf einen oder mehrere dieser Bereiche beziehen. Aus diesem Grunde eignet sich diese „Trias “ (Rolff 2010, S. 29) als Hintergrundfolie zur theoretischen Verortung empirisch beobachtbarer Inhalte von Beratung.

3.3 Das Konzept von Educational Governance: Akteure und Akteurkonstellationen

Das Governance-Konzept untersucht allgemein, wie Leistungen und soziale Ordnungen im Bildungswesen entstehen, aufrechterhalten und transformiert werden (Altrichter und Maag Merki 2010). Es fokussiert das Zusammenwirken von Akteuren in komplexen Mehrebenensystemen – wie etwa im Schulsystem.

Im Mittelpunkt des Analyseinteresses stehen zunächst einmal die einzelnen Akteure: individuelle Akteure (Lehrkräfte, Schüler/innen, Eltern) wie organisierte Akteure (u. a. Gewerkschaften, Bildungsadministrationen). Letztlich geht es in diesem Konzept aller-dings um das handelnde Zusammenwirken aller relevanten Akteure – um die Akteurkon-stellation. Diese beinhaltet eine Struktur, die das Handeln der Akteure beeinflusst und die durch das Handeln der Akteure wiederum verändert wird; sie stellt demnach ein Muster der sozialen Ordnungsbildung dar.

Die externe Schulentwicklungsberatung kann nun verschiedene (außer-)schulische Akteure einbeziehen. Richtet man die Aufmerksamkeit auf den innerschulischen Raum, so ist eine Zusammenarbeit des Beraters mit Teilen des Kollegiums (Schulleitung, Steuer-gruppe, Jahrgangsteams) oder mit dem Gesamtkollegium möglich. Der Ansatz von Edu-cational Governance eignet sich in dieser Hinsicht als Hintergrundfolie zur theoretischen Verortung empirisch beobachtbarer Beratungssettings, in denen sich das Zusammenwir-ken von Berater und Lehrerschaft vollzieht.

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259Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung

4 Das Projekt – Fragestellung und methodisches Vorgehen

Im Mittelpunkt des Projekts „Wie beraten die Berater?“ stehen Beratungsprozesse an allgemeinbildenden Schulen mit Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen (Gymnasien, Haupt-, Real- und Gesamtschulen), bei denen schulfremde Berater tätig werden, um Schulentwicklungsprozesse anzuregen und zu begleiten. Dementsprechend geht die Stu-die der übergeordneten Frage nach, auf welche Weise sich diese Beratungsprozesse in Schulen vollziehen.

Das Forschungsdesign umfasst zwei Teiluntersuchungen: Zum einen wurde eine stan-dardisierte Befragung der Leitungen aller allgemeinbildenden Schulen mit Sekundarstufe I durchgeführt. Das Ziel bestand darin, grundlegende Informationen über wesentliche Merkmale externer Schulentwicklungsberatung in der Breite zu generieren – etwa über die Häufigkeit von Beratung, die Vermittlung und Herkunft der Berater, Inhalte, Bera-tungssettings, Finanzierung von Beratung etc.). Von den insgesamt 2042 Schulleitungen nahmen 957 an der Befragung teil (Rücklaufquote: 46 %). Die Fragebögen wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS (Version 20) aufbereitet und ausgewertet. Es wur-den Häufigkeiten und Korrelationen berechnet sowie Varianz- und Faktorenanalysen vorgenommen.

Zum anderen wurden Fallstudien an Schulen durchgeführt, um konkrete Beratungspro-zesse genauer zu analysieren und daraus verallgemeinerbare Erkenntnisse zu gewinnen. Unter Berücksichtigung des Schulform-Kontextes (Gymnasium, Gesamtschule, Haupt-/Realschule) und der Profession des Beraters (Tätigkeit innerhalb/außerhalb des Schul-systems) wurden sechs Schulen ausgewählt. An diesen wurde der „Fall“ – verstanden als Beratungsprozess an den Schulen – jeweils mittels Informationen aus drei Erhebungs- und Auswertungsverfahren rekonstruiert:

a. Anhand einer Analyse jener Dokumente, die im Beratungsprozess entstanden sind (Briefkontakt zwischen Schule und Berater, Protokolle von Arbeitssitzungen usw.): Die 16 bis 82 Dokumente pro Fall wurden anhand des Verfahrens der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring 2010).

b. Mittels qualitativer Interviews mit den am Beratungsprozess am stärksten beteilig-ten Personen (u. a. Schulleitung, Steuergruppenmitglieder, Berater): Die Analyse der fünf bis acht Interviews pro Fall erfolgte inhaltsanalytisch mit Hilfe der Software MAXQda.

c. Über eine standardisierte Befragung aller Lehrkräfte: Pro Fall wurden zwischen 20 und 87 Fragebögen anhand des Datenverarbeitungsprogramms SPSS (Version 20) ausgewertet. Dazu wurden Häufigkeiten und Korrelationen berechnet.

Die Ergebnisse der Verfahren wurden auf der Ebene der einzelnen Fälle zu einem kom-plexen Bild zusammengefügt. Anschließend wurde ein systematischer Fallvergleich nach dem Prinzip des maximalen und des minimalen Vergleichs (Kelle und Kluge 2010) vorgenommen.

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5 Beratungstypen in der externen Schulentwicklung

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden nun darauf hin befragt, ob sie die Identifizie-rung unterschiedlicher Typen externer Schulentwicklungsberatung erlauben.

5.1 Ergebnisse aus der standardisierten Schulleitungsbefragung

Bei der externen Schulentwicklungsberatung handelt es sich um ein weit verbreitetes Phänomen: Etwa 46 % aller Schulen der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten fünf Jahren vor der Befragung (2011) durch eine nicht zum Kollegium gehö-rende Person in ihrer Entwicklungsarbeit unterstützt worden. Dieses Ergebnis variiert zwischen den Schulformen und Schulen unterschiedlicher Größe nur in geringem Maße.

Profession der Berater: Die Berater im Feld der externen Schulentwicklungsberatung stammen aus ganz unterschiedlichen beruflichen Bereichen. Im Projekt bündeln wir die Vielfalt der Beraterherkunft über eine Unterscheidung in schulnahe und schulferne Bera-ter: Schulnahe Berater sind entweder selbst als Lehrkräfte oder in der Lehrerausbildung tätig oder in anderer Weise unmittelbar mit dem Schulsystem beruflich verknüpft. Als schulferne Berater gelten diejenigen, die hauptberuflich nicht im Schulsystem beschäftigt sind. Dazu gehören z. B. Universitätsangehörige, Mitarbeiter von Beratungsunternehmen und freiberufliche Berater. Unsere Schulleitungsbefragung zeigt, dass 53 % der Berater aus einem schulnahen Umfeld stammen, 37 % hingegen aus einem schulfernen Umfeld. Ein geringer Prozentsatz lässt sich keiner der beiden Kategorien eindeutig zuordnen. Bei ihnen handelt es sich beispielsweise um Lehrkräfte, die temporär im Hochschuldienst tätig sind.

Inhalte der Beratung: Die Inhalte der Beratungsprozesse haben wir in der standar-disierten Befragung über ein offenes Antwortformat erhoben. Die Angaben der Schul-leitungen umfassten ein breites Spektrum an Maßnahmen, die sich 1) auf den Unterricht, die Vermittlung von Kompetenzen an Schüler/innen und damit verbunden auf die Ent-wicklung schulinterner Curricula, 2) auf Aufgaben der Schulleitungen und Steuergrup-pen innerhalb der Schulorganisation und 3) auf konkrete Probleme und Entwicklungen (z. B. die Erarbeitung eines Lese-Rechtschreibschwäche-Konzepts für die Klassen 5 bis 10) bezogen. Die Maßnahmen lassen sich den Bereichen „Unterrichtsentwicklung“ und „Organisations- und Personalentwicklung“ zuordnen. Dabei zeigt sich, dass etwa 52 % der Maßnahmen im Bereich Unterrichtsentwicklung angesiedelt sind und etwa 43 % The-men der Organisations- und Personalentwicklung behandelten.

Beratungssetting: Die externen Berater arbeiten für die Dauer des Unterstützungs-prozesses mit Schulleitungen und Lehrkräften zusammen. Dabei werden verschie-dene Beratungssettings umgesetzt: Besonders weit verbreitet sind Beratungsgespräche mit der Schulleitung bzw. der Steuergruppe sowie Fortbildungsmaßnahmen mit dem Gesamtkollegium. Anhand dieser und weiterer Beratungssettings wurden mittels einer Faktorenanalyse drei Faktoren herausgearbeitet, die etwa 56 % der Varianz aufklären können. Diese wurden von uns als „Beratung der Leitungsebene“ (ca. 60 % der Fälle; Mehrfachnennungen möglich), „Fortbildung und Coaching“ (ca. 46 % der Fälle) und „Arbeit mit Kollegiumsgruppen“ (ca. 42 %) bezeichnet.

Kombination der Merkmale: Die Ergebnisse unserer Schulleitungsbefragung deuten nun darauf hin, dass die Profession der Berater sowie die Inhalte und die Beratungssettings

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261Beratungstypen in der externen Schulentwicklungsberatung

häufig in einer bestimmten Kombination auftreten: Schulnahe Berater behandeln bedeu-tend häufiger Themen der Unterrichtsentwicklung. Sie sind zudem bevorzugt in Bera-tungssettings tätig, die sich als Fortbildung und Coaching an das gesamte Kollegium richten. Schulferne Berater (und hier vor allem Unternehmensberater) unterstützen Schu-len demgegenüber öfter bei Themen aus den Bereichen der Organisations- und Personal-entwicklung. Sie agieren verstärkt in Beratungssettings, in denen mit Teilgruppen des Kollegiums gearbeitet wird.

5.2 Ergebnisse aus den Schulfallstudien

Im Rahmen der Schulfallstudien haben wir konkrete Beratungsprozesse detailliert nach-gezeichnet. Diese werden nun knapp dargestellt.

5.2.1 Die Fälle Waldschatten und Heitwiese

Da diese Fälle relativ ähnlich sind, werden sie gebündelt präsentiert. Dabei seien zunächst einige Eckdaten zu den Schulen genannt: Die Hauptschule Waldschatten liegt in einer kleinen nordrhein-westfälischen Kommune mit knapp 13.000 Einwohnern. An der Schule werden ca. 250 Schüler/innen von 21 Lehrkräften unterrichtet. Bei der Realschule Heitwiese handelt es sich um eine städtische Realschule, die in einem Vorort einer nord-rhein-westfälischen Großstadt mit etwa 300.000 Einwohnern liegt. An ihr werden 568 Schüler/innen von 42 Lehrkräften unterrichtet.

In beiden Schulen wurde das Lehrerkollegium im Bereich der Unterrichtsentwicklung fortgebildet – und zwar im Rahmen eines Schulentwicklungsprojekts. In Waldschatten war für die Entscheidung zur Teilnahme an diesem Projekt 2005 das Bedürfnis der Lehr-kräfte ausschlaggebend, sich weiterzuentwickeln, um mit der sich stark verändernden Schülerklientel besser umgehen zu können. In Heitwiese stimmte die große Mehrheit des Kollegiums der Teilnahme in demselben Jahr zu, weil die Methodenkompetenz vieler Lehrkräfte als verbesserungsbedürftig eingeschätzt wurde. An beiden Schulen lag damit zu Beginn der externen Beratung bereits eine klare Vorstellung von dem zu behebenden Problem und dessen potenzieller Lösungsrichtung vor; es ging im Folgenden nicht mehr darum, mit dem Berater eine offene Analyse und Problemdiagnose der schulischen Praxis vorzunehmen.

In beiden Fällen wurden schulnahe Berater herangezogen: Die Hauptschule Wald-schatten verpflichtete auf einen Vorschlag des zuständigen Schulamtes hin zwei Lehr-kräfte aus der regionalen Lehrerfortbildung (Kompetenzteam) des benachbarten Kreises. Diese Berater haben ein Lehramtsstudium absolviert und sind seit mehr als zehn Jahren an verschiedenen Schulen tätig. Sie arbeiten mit einem Konzept, dessen Inhalte festste-hen und – mit minimalen Variationen im zeitlichen Ablauf – in allen Schulen auf dieselbe Art und Weise vermittelt werden. In die Beratung bringen sie ihre inhaltlich-fachlichen Kenntnisse und ihre Innovationserfahrungen ein.

Die Lehrkräfte der Realschule Heitwiese entschieden sich aus zwei zur Wahl stehen-den Fortbildungskonzepten zur Unterrichtsentwicklung für eines, das vom Schulleiter einer benachbarten Realschule angeboten wurde. Dieser steht seiner Schule bereits seit 1995 vor und hat gemeinsam mit Kollegen ein schulinternes Curriculum zum Thema

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Lernkompetenzentwicklung konzipiert, das inzwischen auch überregional in der Fort-bildung eingesetzt wird. Auch hier arbeitet der Berater mit einem feststehenden Konzept. Er nutzt seine langjährigen Erfahrungen und bringt seine fachliche wie moderierende Kompetenz ein.

Mit der Projektteilnahme haben die Schulen ein klar umrissenes Fortbildungs- und Entwicklungsprogramm übernommen, das offensichtlich in einer guten Passung zur Schule stand. Die Richtung der Problemlösung wurde dann jeweils vom Beratungs- und Fortbildungsansatz der Berater vorgegeben. In beiden Fällen wandten sich diese an das gesamte Kollegium.

Sowohl in Waldschatten als auch in Heitwiese wurden mehrere Fortbildungsblöcke zu unterschiedlichen Themenbereichen durchgeführt, in deren Rahmen die Lehrkräfte mit-tels einführender Inputs des Beraters und praktischer Übungen zunächst einmal selbst die neuen Methoden erlernten. In Waldschatten fanden von 2006 bis 2009 vier schulinterne Fortbildungsveranstaltungen zu den Themen Methodenkompetenz und Kommunikation sowie zum selbstgesteuerten Lernen statt; in Heitwiese waren es von 2005 bis 2008 sechs Veranstaltungen u. a. zu Kooperativen Lernformen und Visualisierungstechniken sowie zur Kommunikation. Zwischen den Fortbildungsblöcken wurden die neu erworbenen Kenntnisse auf so genannten Methodentagen bzw. als Trainings im regulären Unterricht an die Schüler/innen weitergegeben. An der Hauptschule Waldschatten fungierten die Berater als inhaltliche Experten, der Berater an der Realschule Heitwiese war zugleich als „Coach“ tätig, da er die schulinterne Adaption der Fortbildungsmodule leistete. An beiden Schulen wurde durch die externe Beratung unterstützt ein Curriculum zum Metho-denlernen etabliert.

5.2.2 Die Fälle Dingtrup und Balstadt

Das Gymnasium Dingtrup liegt in einer nordrhein-westfälischen Stadt mit 97.000 Ein-wohnern, an ihm werden ca. 1.700 Schüler/innen von etwa 120 Lehrkräften unterrichtet. Im Rahmen eines großen Schulentwicklungsprojekts hat die Schule im Zeitraum von 2002 bis 2008 umfassende Qualifizierungsangebote im Bereich des Schulmanagements und der Unterrichtsentwicklung wahrgenommen. Dabei hat sich eine große Zahl der Lehr-kräfte für eine Teilnahme an dem Projekt entschieden, weil im Jahr 2001 selbst grund-legende Kompetenzen in den genannten Bereichen an der Schule nicht vorhanden waren. Die schulischen Akteure haben demnach ein bestehendes Defizit erkannt und durch die Akzeptanz der Angebote des Schulentwicklungsprojekts die Richtung zu dessen Lösung übernommen. Im Hinblick auf die Qualifizierung im Bereich des Schulmanagements – um die es hier gehen soll – hat das Gymnasium Dingtrup an schulübergreifend orga-nisierten Schulungen für Lehrkräfte auf Funktionsstellen (Schulleitung, Steuergruppe sowie Evaluationsberater) teilgenommen. Diese wurden von einem schulfernen Berater durchgeführt: einem Unternehmensberater, der vor allem über betriebswirtschaftliche und organisationssoziologische Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Er arbeitete mit einem entsprechenden Qualifizierungsprogramm, dessen Module feststehen, aber auf die jeweils spezifische schulische Situation der Funktionsträger angepasst werden. Auf diese Weise nahm der Berater auch in Dingtrup die Problemdefinition und Lösungsrichtung des Gymnasiums auf.

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In seiner Beratungs- und Schulungsarbeit richtete er sich an eine Teilgruppe des Gesamtkollegiums – an die Funktionsträger. In mehreren Fortbildungsveranstaltungen (drei Veranstaltungen bei den Evaluationsbeauftragten, acht Veranstaltungen bei den Schulleitungsmitgliedern und 12 Veranstaltungen bei den Steuergruppenmitgliedern) vermittelte er den unterschiedlichen Funktionsträgergruppen zunächst inhaltliche Kennt-nisse zur Schulentwicklung und deren Durchführung. Thematisiert wurden so z. B. das Konfliktmanagament an Schulen oder die Projektplanung. Zusammen mit „normalen“ Lehrkräften erwartete er dann die Realisierung konkreter Schulentwicklungsprojekte. Dabei gestaltete sich die Anwendung aber sehr offen: Die Funktionsträger mussten selbst entscheiden, welche Schwerpunkte sie in ihrer innerschulischen Entwicklungsarbeit mit Hilfe der neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf welche Weise bearbeiten wollen. In Dingtrup wurde so die Installierung von Jahrgangsteams im Kollegium ange-gangen. Der Berater half den Lehrkräften, konkrete Problemlösungen zu entwickeln; er verzichtete aber selbst darauf, konkrete Lösungsvorschläge zu präsentieren und verfuhr so nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“. Deutlich wird also, dass er einerseits als Vermittler von Wissen für die Durchführung von Schulentwicklung und als Fachmann für das Management von Schulentwicklungsprozessen fungierte und somit als inhaltli-cher Experte auftrat, dass er andererseits aber auch moderierender Begleiter eines von den schulischen Akteuren verantworteten Entwicklungsprozesses gewesen ist. Mit Hilfe der mehrjährigen Unterstützungsangebote im Schulentwicklungsprojekt schaffte es das Gymnasium Dingtrup, einen systematischen Entwicklungsprozess in unterschiedlichen Bereichen (z. B. im Bereich der Teamentwicklung) in Gang zu setzen.

Die Gesamtschule Balstadt liegt in einer nordrhein-westfälischen Stadt mit 42.000 Einwohnern, an ihr werden ca. 1.200 Schüler/innen von etwa 100 Lehrkräften unter-richtet. Die Schule wurde 2006 für langjähriges Engagement im Bereich der Berufs-orientierung ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung war der „Gewinn“ einer Beratung verbunden, die an der Schule durchgeführt werden sollte. Der Beratungsbedarf wurde also nicht von der Schule und ihren Lehrkräften artikuliert, sondern von außen herange-tragen. Hierzu war ein Unternehmensberater aus einer kommerziellen Beratungsfirma – und somit ein schulferner Berater – vorgesehen, der bei der Preisvergabe bereits fest-stand. Bei ihm handelte es sich um einen betriebswirtschaftlich orientierten Experten für Unternehmensanalysen, der zunächst eine Beratungsstrategie verfolgte, die eng an das Qualitätsmanagement-System EFQM2 angelehnt war. Beabsichtigt war eine im Ergebnis offene „Selbstbewertung“ zur umfassenden Ermittlung der Stärken und Schwächen der Schule. Damit wird deutlich, dass es dem Berater um eine Erweiterung des Problemhori-zonts der schulischen Akteure ging, auf der die Herausbildung von Problemlösefähigkeit aufbauen sollte. Zu einer solchen Analyse – und somit zu einer gemeinsamen Problem-diagnose – kam es jedoch nicht. Vielmehr wurden die Themen, bei denen der Berater tätig wurde, von der Schule bereits vorab festgelegt. Bestimmt wurden auf diese Weise drei Themen (u. a. zum selbstständigen Arbeiten der Schüler/innen), zu denen Arbeitsgruppen gebildet wurden. Sie arbeiteten über ein Jahr (2006 bis 2007) hinweg relativ eigenstän-dig daran, ihre selbstformulierten Ziele zu erreichen. Dabei wurden sie von dem Berater im Rahmen von sechs Veranstaltungen begleitet. Er fungierte als kompetenter Modera-tor, der den Arbeitsprozess begleitete und bei Bedarf mit seinen Prozesserfahrungen und Kompetenzen (etwa zur Anleitung der Entscheidungsfindung) bereit stand.

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Da die Arbeitsgruppen jeweils nur aus fünf bis sechs Mitgliedern bestanden, war nur ein kleiner Teil des Kollegiums in die Beratung einbezogen. Bei dem Versuch, zumindest in den drei Arbeitsgruppen eine Stärken-Schwächen-Analyse mit dem vom Berater kon-zipierten Instrument durchzuführen, traten erhebliche Widerstände auf. Trotzdem lagen in zwei Gruppen am Ende des Prozesses brauchbare Ergebnisse (z. B. ein Dokument zur methodischen Organisation des selbstständigen Arbeitens) vor.

5.2.3 Der Fall Schilftal

Das Gymnasium Schilftal liegt in einer ländlichen Region Nordrhein-Westfalens, dort werden etwa 950 Schüler/innen von ca. 75 Lehrkräften unterrichtet. In den Jahren 2002 bis 2006 legte die Schule einen Schwerpunkt ihrer Entwicklungsarbeit auf die Etablierung von klassenbezogenen Lehrerteams, um die pädagogische Betreuung der Schüler/innen zu verbessern. Sie wurde durch ein großes Schulentwicklungsprojekt unterstützt, indem gezielte Fortbildungsmaßnahmen angeboten und ein spezieller Berater finanziert wurde. Bei ihm handelte es sich um einen Unternehmensberater, der zuvor ein erziehungswis-senschaftliches Studium absolviert hatte und lange Jahre im erziehungswissenschaftli-chen Bereich einer Universität tätig gewesen war. Der Ausgangspunkt der Beratung war ein Problem, das von Lehrkräften und Schulleitung relativ übereinstimmend beschrieben wurde: In einem auf Fachunterricht ausgerichteten Gymnasium sollte die Erziehungs-arbeit gestärkt und das Verhältnis zwischen Schüler/innen und Lehrkräften stabiler gestal-tet werden. Die Schule wollte hierzu eine verbindliche Lehrerkooperation installieren – und zwar im Rahmen eines Teammodells. Es ging somit nicht um eine gemeinsame Problemsuche, sondern um die Bearbeitung eines von der Schule benannten Problems. Die Lösungsrichtung war mit dem Teammodell nur grob angegeben, so dass Berater und schulische Akteure gemeinsam ein Modell ausarbeiten und erproben mussten. Der Bera-ter nahm die Problemdefinition und Lösungsrichtung der Schule auf und half bei der weiteren Differenzierung und Konkretisierung. Die Beratungsarbeit vollzog sich dabei über drei Jahre hinweg parallel auf zwei Ebenen: Zum einen wurden Fortbildungsveran-staltungen mit (fast) dem gesamten Kollegium der Schule durchgeführt – zwei Veranstal-tungen für alle 75 Lehrkräfte, drei Veranstaltungen für die seinerzeit erstmals in Teams arbeitenden Lehrkräfte ausgewählter Jahrgänge und zwei Coaching-Termine für einzelne Lehrerteams. In diesen Veranstaltungen vermittelte der Berater spezifisches Wissen und spezielle Kenntnisse z. B. zu Formen der Kooperation und zu Konferenzregeln, um die pädagogischen Kompetenzen der Lehrkräfte für die Arbeit in Teams zu stärken. Zum anderen arbeitete er intensiv mit einer Teilgruppe des Kollegiums – der Steuergruppe und der Schulleitung –, um das Teammodell zu konkretisieren und umzusetzen. Hier ging es darum, eine angemessene Form der Organisation zu entwickeln. Der Berater brachte also Kenntnisse und Erfahrungen über die Organisation solcher Teammodelle, über deren inhaltliche Ausgestaltung und über die Qualifizierung der Lehrkräfte für diese Arbeit – und somit sowohl fachlich-inhaltliche als auch prozessbegleitende Kompetenzen – ein. Er fungierte als inhaltlicher Fachexperte und kompetenter Moderator gleichermaßen. Diese mehrjährige Beratungsarbeit half schließlich, am Gymnasium ein System klassen-bezogener Lehrerteams (und damit verbunden eine pädagogische Schülerberatung) zu

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installieren und die Schule sowohl im Bereich der Unterrichts- als auch der Organisa-tionsentwicklung voranzubringen.

5.3 Zusammenfassung und Typenbildung

In Kapitel 3 haben wir uns der externen Schulentwicklungsberatung aus unterschiedli-chen Theorieperspektiven genähert und mit der Herausstellung theoretischer Kategorien jeweils eine Hintergrundfolie für die Verortung empirisch beobachtbarer Merkmale der externen Schulentwicklungsberatung geliefert: In beratungstheoretischer Hinsicht haben wir die Experten- und die Prozessberatung als deutlich unterschiedliche Arbeitsweisen der Berater dargestellt, in schulentwicklungstheoretischer Hinsicht haben wir die Orga-nisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung als voneinander abgrenzbare Inhalts-bereiche von Beratung beschrieben und in goverancetheoretischer Hinsicht schließlich haben wir die Anzahl der an der Beratung beteiligten Akteure als Information über unter-schiedliche Settings eingeführt, in denen Beratung (und die damit einhergehende Hand-lungskoordination der Beteiligten) stattfinden kann.

Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts haben gezeigt, dass sich die Beratungs-praxis anhand dieser theoretischen Kategorien gut abbilden lässt. Sie deuten außerdem darauf hin, dass einige Merkmale der externen Beratung in der Praxis häufig in Kombi-nation auftreten. So ist die (theoretisch zuvor nicht entfaltete) Profession der Berater viel-fach gekoppelt an die Inhalte der Beratung und die Settings, in denen Beratung praktiziert wird. Schulnahe Berater sind häufig mit Inhalten befasst, die sich dem Bereich der Unter-richtsentwicklung zuordnen lassen, wohingegen schulferne Berater öfter mit Themen aus dem Bereich der Organisations- und Personalentwicklung betraut sind. Während schul-nahe Berater vielfach in Beratungssettings agieren, die zahlreiche Akteure – nämlich das Gesamtkollegium – einbeziehen, arbeiten schulnahe Berater eher mit Teilgruppen des Kollegiums.

Versteht man diese Kombination von Merkmalen bzw. deren jeweils spezifischen Ausprägungen als Ausdruck bestimmter Typen von Beratung, so lassen sich vor dem Hintergrund der standardisierten Schulleitungsbefragung zunächst zwei unterschiedliche Beratungstypen identifizieren:

● Typ 1: Beratung des Gesamtkollegiums einer Schule im Bereich der Unterrichtsent-wicklung durch einen schulnahen Berater und

● Typ 2: Beratung von Teilgruppen des Kollegiums einer Schule im Bereich der Orga-nisations-/Personalentwicklung durch einen schulfernen Berater.

Dieses Bild lässt sich weiter differenzieren, wenn man die Ergebnisse der Schulfallstu-dien hinzuzieht – auch, weil sie die Ermittlung der konkreten Arbeitsweise der Berater und damit eine Spezifizierung der Beratung als Experten- oder Prozessberatung erlauben.

Im Falle der Hauptschule Waldschatten und der Realschule Heitwiese wurde eine Beratung des Gesamtkollegiums der Schule im Bereich der Unterrichtsentwicklung (Methodenentwicklung) durch schulnahe Berater durchgeführt. Dabei finden sich jeweils Merkmale einer klassischen Expertenberatung: Die Probleme werden von den schulischen Akteuren identifiziert und benannt. Der Berater entwickelt in der vorgege-benen Linie konkrete Lösungsvorschläge und übernimmt deren Umsetzung. Gefordert

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werden vor allem seine fachlich-inhaltlichen Kompetenzen; der Berater fungiert als inhaltlicher Fachexperte. Während die Arbeitsweise des Beraterteams in Waldschatten damit erschöpfend charakterisiert ist, finden sich in Heitwiese zusätzlich Anteile einer Prozessberatung, da der Berater die Lehrkräfte hier auch coacht.

Für das Gymnasium Dingtrup und die Gesamtschule Balstadt kann zusammengefasst werden, dass in beiden Fällen eine Beratung von Teilgruppen des Kollegiums der Schule im Bereich der Organisations- bzw. Personalentwicklung durch einen schulfernen Berater durchgeführt worden ist. In beiden Fällen finden sich Merkmale einer klassischen Pro-zessberatung: Die Berater leiteten Arbeitsprozesse moderierend an und standen mit ihren Prozesserfahrungen und Kompetenzen unterstützend zur Verfügung. Dabei ging es um die Erweiterung des Problemhorizonts der schulischen Akteure und die Herstellung von deren Problemlösungsfähigkeit. Während die Arbeitsweise des Beraters in Balstadt damit erschöpfend charakterisiert ist, gab der Berater in Dingtrup zugleich inhaltliche Inputs zu Themen der Schulentwicklung, fungierte also auch als inhaltlicher Fachexperte; die Bera-tung dort ist demnach als Mischung aus Experten- und Prozessberatung zu verstehen.

Bei zwei der von uns analysierten Fälle – am Gymnasium Schilftal und an der Gesamt-schule Gelder (die hier aus Platzgründen nicht dargestellt wurde) – finden sich Beratungs-aktivitäten, die aus einer Kombination der beiden zuvor dargestellten Typen bestehen. In ihnen wird die Fortbildung des Gesamtkollegiums der Schule mit der Beratung bzw. dem Coaching von Lehrkräften bestimmter Jahrgangsstufen, Fächer oder Funktionen verknüpft. Dabei handelt es sich um besonders komplexe Vorhaben, bei denen sowohl eine Weiterentwicklung der schulischen Organisation als auch des Unterrichts angestrebt werden. Die Berater, die hier tätig werden, lassen sich nicht eindeutig als schulnahe oder schulferne Berater charakterisieren, da sie über Erfahrungen innerhalb und außerhalb des Schulsystems verfügen. Ihre Arbeitsweise umfasst Merkmale einer Experten- und einer Prozessberatung gleichermaßen.

Vor dem Hintergrund unserer Schulfallstudien lassen sich also drei unterschiedliche Beratungstypen identifizieren. Das Spektrum jener Typen, die in der standardisierten Befragung ermittelt wurden, erfährt damit eine Erweiterung:

● Typ 1: Beratung des Gesamtkollegiums einer Schule im Bereich der Unterrichtsent-wicklung durch einen schulnahen Berater,

● Typ 2: Beratung von Teilgruppen des Kollegiums einer Schule im Bereich der Orga-nisations-/Personalentwicklung durch einen schulfernen Berater und

● Typ 3: parallele Beratung des Gesamtkollegiums und von Teilgruppen des Kolle-giums einer Schule in den Bereichen Unterrichts- sowie Organisations-/Personalent-wicklung durch einen Berater, der berufliche Erfahrungen sowohl im schulnahen als auch schulfernen Tätigkeitsfeld mitbringt.

Betrachtet man innerhalb dieser Typen die konkrete Arbeitsweise der schulischen Bera-ter (festgemacht an den Zielsetzungen der Beratung, der Problemdefinition und Prob-lemlösung, dem Wissens- und Erfahrungsbezug sowie den Kompetenzen und der Rolle des Beraters, siehe Tab. 1) differenzierter, so stellt sich das Bild weniger klar dar: Eine eindeutige Zuordnung von Beratungsaktivitäten, die der Experten- bzw. Fachberatung oder der Prozessberatung entsprechen, zu den einzelnen oben genannten Beratungstypen ist nicht möglich.

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6 Fazit und Ausblick

Vor dem Hintergrund des unübersichtlich erscheinenden Praxisfeldes der externen Schul-entwicklungsberatung wurde im vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen, ob sich unterschiedliche Beratungstypen identifizieren lassen, die sich als Kombination spezifi-scher Merkmale der Beratung beschreiben lassen. Dazu wurden die empirischen Befunde eines Forschungsprojekts zur Gestaltung, zum Ablauf und zu den Ergebnissen der externen Beratung von Schulen bei ihrer pädagogischen und organisatorischen Weiter-entwicklung herangezogen. Sie deuten darauf hin, dass eine Systematisierung des Bera-tungsfeldes anhand von drei Typen möglich ist. In diesen sind die Merkmale Profession des Beraters, Inhalte der Beratung und Beratungssettings jeweils auf spezifische Weise miteinander kombiniert.

Merkmale der Experten- bzw. Fachberatung und Prozessberatung können den drei Typen jedoch nicht eindeutig zugewiesen werden. Das bedeutet, dass sich die konkrete Arbeitsweise der schulischen Berater im Rahmen der definierten Typen weniger homo-gen gestaltet, als man vermuten könnte. Hier findet sich quer zu den drei definierten Typen eine breitere Varianz. Dieser Befund entspricht der unter Punkt 3.1 dargestellten Diskussion in der Organisationsberatung, der zu Folge Berater ihre Kompetenzen zur Gestaltung von Prozessen (Prozessberatung) und sehr gute Kenntnisse der inhaltlichen Probleme und Lösungsperspektiven (Experten- bzw. Fachberatung) kombinieren müs-sen. Vor dem Hintergrund unserer Ergebnisse verbindet sich dies mit der Erkenntnis, dass sich schulische Berater – um Beratungsprozesse erfolgreich initiieren und zum Abschluss bringen zu können – auf die jeweils spezifische Situation an den Schulen einlassen und ihre Rolle als inhaltlicher Experte oder prozessbegleitender Moderator mitunter auch während des Beratungsprozesses modifizieren müssen.

Die identifizierten Beratungstypen wurden aus den Ergebnissen eines Forschungspro-jekts abgeleitet, das methodisch als explorative Querschnittstudie angelegt war und eine Analyse beinhaltete, die sich auf Schulen der Sekundarstufe in Nordrhein-Westfalen und auf dort stattfindende Entwicklungen der letzten zehn Jahre bezog. Die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung sind durchaus vorzeigbar; sie sind in ihrer Aussagekraft auf-grund des regionalen, zeitlichen und institutionellen Bezugs aber dennoch begrenzt. In zukünftigen Forschungsprojekten sollte eine Erweiterung der Perspektive in mindestens drei Richtungen vorgenommen werden:

a. Bundeslandperspektive: Über eine Einbeziehung weiterer Bundesländer könnte ge-klärt werden, ob sich die Situation in den Ländern ähnlich darstellt oder ob wir – etwa in Stadtstaaten – auf eine ganz andere Struktur der Schulentwicklungsberatung stoßen.

b. Schulstufenperspektive: Anhand einer Berücksichtigung weiterer Schulstufen ließe sich untersuchen, wie sich externe Schulentwicklungsberatung in den jeweils spezifischen Kontexten (etwa von altersgemischt arbeitenden Grundschulen oder mehrere Bildungsgänge umfassenden Berufsschulzentren) gestaltet.

c. Zeitperspektive: Eine Ausdehnung des untersuchten Zeitraumes schließlich würde es möglich machen, auch die Häufigkeit, eine eventuelle Regelmäßigkeit und die Wir-kungen externer Schulentwicklungsberatung an einzelnen Schulen zu ermitteln.

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Darüber hinaus sollten zukünftige Forschungsvorhaben die Aufmerksamkeit auf die Wir-kungen richten, die durch die externe Schulentwicklungsberatung angestrebt werden. Sys-tematisch ließen sich Effekte mindestens auf drei verschiedenen Ebenen erforschen: auf der Ebene konkreter Handlungsprogramme/Organisationsstrukturen 1), auf der Ebene von Lehrereinstellungen und -kompetenzen 2) und auf der Ebene von Schülereinstellun-gen und -kompetenzen 3). Zur Feststellung dieser Effekte sind Längsschnittstudien erfor-derlich, die im Idealfall qualitative und quantitative Methoden miteinander kombinieren. Solche Längsschnittstudien sind dann auch in der Lage zu ermitteln, welche Bedeutung dabei unterschiedlichen Faktoren zukommt, die sich – gängigen Wirkungsmodellen ent-sprechend – dem Inputbereich (z. B. die Profession des Beraters), dem Prozessbereich (u. a. die Akzeptanz des Beraters durch die schulischen Akteure) und dem Kontextbe-reich (etwa die regionale/institutionelle Einbindung der schulischen Beratungsaktivitä-ten) zuordnen lassen.

Anmerkungen

1 Es handelt sich hierbei um das DFG-Projekt „Wie beraten die Berater? Externe Berater als Akteure der Schulentwicklung“, das an der Universität Bielefeld von Klaus-Jürgen Tillmann (2006–2012), Martin Goecke (2008–2012), Melanie Rauh (2008–2012), Helen Knauf (2006–2009) und Kathrin Dedering (2009–2012) geplant und durchgeführt worden ist.

2 Hierbei handelt es sich um ein Qualitätsmanagement-System, das 1988 von der European Foundation for Quality Management entwickelt wurde (vgl. EFQM-Foundation 2003).

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