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Bericht über die Unfallmedizinische Tagung in Mainz am 8./9. November 2008 | Heft 108

Bericht über die Unfallmedizinische Tagung · auch vom Prinzip der Solidarität lebt und wenn man in Zeiten der Finanzkrise einen Blick in andere Länder wirft, dann kann man eigentlich

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Bericht über dieUnfallmedizinische Tagungin Mainz am 8./9. November 2008 | Heft 108

ISBN 3-88383-082-8

© 2009 Deutsche Gesetzliche UnfallversicherungLandesverband Mitte

Gesamtherstellung: gzm Grafisches Zentrum Mainz Bödige GmbHDekan-Laist-Straße 38, 55129 Mainz

Inha

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InhaltsverzeichnisBegrüßung Dr. Albert Platz 9

Grußwort Frau Malu Dreyer 11

Begrüßung Prof. Dr. Peter Kirschner 15

I. Sitzung

Thoraxtrauma – Update KombinationsverletzungenVorsitz: Kirschner, Mainz/Schirren, Bad Nauheim

Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, 17 Kombinationsverletzungen (Sternum – Rippen – Wirbelsäule) Marzi, Frankfurt Lungenverletzungen 25 Schirren/Trainer, Bad Nauheim – Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor – Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße 27 Ennker, Lahr

II. Sitzung

Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvollVorsitz: Rilinger, Frankfurt/Winker, Erfurt Sonographie 35 Ruchholtz, Marburg/Hedtmann, Hamburg – Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –

Die Computertomographie in der Unfallchirurgie – was ist sinnvoll 37 Blum, Worms/Braunschweig, Halle Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist sinnvoll? 45 MRT aus radiologischer Sicht Vogl, Frankfurt/Jäger, Frankfurt

Impulsreferat Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler – 53 Bedrohung oder Unterstützung Hermichen, Neuss – Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –

III. Sitzung

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?Vorsitz: Weise, Tübingen/Platz, Mainz

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an? 55 Rechtliche Grundlagen Erlinghagen, Bonn

Begutachtung der Schulter – Rotatorenmanschette 67 Studier-Fischer, Ludwigshafen

Begutachtung des Kniegelenks bei Meniskus- und Bandläsionen 73 Weise, Tübingen

Gutachten bei Osteitis – Expert opinion in osteitis 83 Schnettler, Gießen

IV. Sitzung

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle KonzepteVorsitz: Hofmann, Halle/Schnettler, Gießen

Weichgewebsmanagement 93 Hofmann, Halle Gelenkinfekt und infizierte Endoprothese 105 Heppert, Ludwigshafen Osteitis – Frühinfekt 115 Walter, Frankfurt Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose 121 Gerlach, Hamburg

Inhaltsverzeichnis

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V. Sitzung

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue TrendsVorsitz: Wentzensen, Ludwigshafen/Hoffmann, Frankfurt

Ligamentäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens 127 Müller, Mainz Distale Humerusfrakturen 135 Wentzensen, Ludwigshafen – Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor – Olecranon- und Monteggiafrakturen 137 Wenda, Wiesbaden Kindliche Ellenbogenfrakturen 141 Winkler, Kaiserslautern Ellenbogenprothese nach Trauma 151 Hoffmann, Frankfurt

VI. Sitzung UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-ManagementVorsitz: Hoffmann, Frankfurt/Platz, Mainz

Typische Fallstricke im Rehamanagement – in der niedergelassenen Praxis 157 Rauch, Mainz/Wendler, Rüsselsheim Fallstricke im Rehabilitations-Management 161 Schumacher, Mainz/Hochstein, Mainz

Schlussworte Prof. Dr. Hoffmann 171

Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden 173

Inhaltsverzeichnis

Gruß

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Begrüßung

Dr. Albert Platz

Sehr geehrte Frau Ministerin Dreyer,sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zur 29. Unfallmedizinischen Tagung des Landesverbandes Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Unfallmedizinische Tagung fällt in eine für die Unfallversicherungsträger turbulente Zeit. In der vergangenen Woche wurde das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz verkündet. Ein Gesetz, das ursprünglich als umfassendes Reformgesetz die gesetzliche Unfallversicherung neu ordnen sollte. In dem ersten Entwurf spielte auch das Leistungs-recht eine wichtige Rolle. Das Reformgesetz wurde in der politischen Diskussion zu einem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz . Hauptgrund für diese Veränderungen war, dass hinsichtlich einer Neuordnung des Leistungsrechts kein Konsens in der Politik und kein Konsens bei den beteiligten Sozialpartnern gefunden werden konnte. Wichtigste Ziele des UVMG sind die Organisationsreform der gesetzlichen Unfallversicherung, die Lösung der Altlastenproblematik sowie die Modernisierung der Verwaltungsstrukturen. Die Selbstver-waltung der Unfallversicherungsträger wird beauftragt, durch Fusionen in eigener Verant-wortung die Zahl der Unfallversicherungsträger deutlich zu reduzieren und damit nachhal-tig leistungsfähige Träger zu schaffen. Die Verteilung der Altlasten wird auf der Basis eines von der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften entwickelten Konzepts neu gestaltet und schließlich wird auch das gesamte Vermögensrecht der Unfallversicherungsträger neu geordnet. Die Reform des Leistungsrechtes und damit auch Fragen, die Sie als Leistungser-bringer in erster Linie berühren, ist aufgeschoben.

Unabhängig von diesem Gesetz haben die Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger – der ehemalige Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Bundes-verband der Unfallkassen – im vergangenen Jahr fusioniert. Daraus entstand die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV). Hieran geknüpft wurde auch eine Neuordnung der Landesverbände. Der Landesverband Hessen-Mittelrhein und Thüringen wurde zum Landesverband Mitte und ist nun neben Hessen und Thüringen auch für gesamt Rheinland-Pfalz zuständig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich versichere Ihnen aber, dass sich lediglich unser Name und unser Zuständigkeits-bereich verändert haben. An der Qualität unserer Arbeit sowie der guten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Ihnen werden wir weiterhin festhalten.

Herzlich willkommen heiße ich auch Frau Ministerin Malu Dreyer und freue mich sehr, dass Sie es ermöglichen konnten, diese für uns wichtige Veranstaltung mit einem Grußwort zu eröffnen.

An diesem Wochenende haben wir uns ein umfangreiches und anspruchsvolles Programm vorgenommen. Ich danke ganz besonders den wissenschaftlichen Leitern der Tagung, den Herren Professor Kirschner und Professor Hoffmann für die Vorbereitung des Programms.

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Begrüßung

Dass wir mit der Vorbereitung des Programms nicht falsch liegen, demonstriert allein schon die Zahl der Anmeldungen. Es sind mindestens etwa 900, die an der Veranstaltung teilnehmen werden.

Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle allerdings vor allem auch den Referenten, die trotz ihrer oft angespannten Terminsituation nicht gezögert haben, uns heute und morgen als Vortragende und Moderatoren zur Verfügung zu stehen.

Auch möchte ich mich herzlich bei den Firmen in der Industrieausstellung sowie den groß-zügigen Sponsoren bedanken, ohne die die Veranstaltung nicht möglich wäre. Insbesondere danke ich der Firma Hifi-Klang für die Bereitstellung der allerneusten HD-Präsentations-technologie sowie den Autoherstellern Audi und Lexus für den Shuttle-Service. Auch unser Kaffee ist gesponsert, diesmal von der Firma Tchibo. Allerdings erlauben wir uns dafür einen Euro zu nehmen pro Tasse, den wir einem wohltätigen Zweck zukommen lassen, nämlich dem Landesverband „Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz“, der sich um die Verbesserung der Versorgung dieser Kinder und die Betreuung der Eltern bemüht. Es wäre schön, wenn Sie auch das innerlich mittragen und beim Kaffee dann einen Euro bereithalten.

Ich freue mich, Ihnen – nach einem informativen Tag – mit unserem heutigen Gesellschafts-abend ein wenig Unterhaltung mit nicht nur kulinarischen Genüsse bieten zu können. Für die angemeldeten Gäste haben wir ab 19.00 Uhr den Transfer zum nahe gelegenen Favorite-Parkhotel organisiert. Bis etwa 20 Uhr stehen Ihnen hierfür Busse im Pendelverkehr zur Verfügung. Die Busse warten an der Haltestelle vor dem Eisernen Turm in der Rheinstraße genau schräg gegenüber der Rheingoldhalle. Die Pendelbusse können Sie natürlich auch später für die Rückfahrt nutzen.

Soweit zum Organisatorischen. Jetzt darf ich unsere Tagung eröffnen und freue mich auf das Grußwort von Ihnen, Frau Ministerin Dreyer.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

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Grußwort

Malu Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz

Einen schönen guten Morgen meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen, sehr geehrter Herr Dr. Platz, sehr geehrter Herr Professor Kirschner, sehr geehrter Herr Professor Hoffmann, sehr geehrte Teilnehmer dieser Tagung,

auch ich möchte Sie sehr sehr herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie wieder in das wun-derschöne Rheinland-Pfalz gekommen sind, falls Sie aus den angrenzenden Bundesländern kommen, und ich freue mich auch, dass die 29. Unfallmedizinische Tagung, die ja inzwischen Tradition hat, tatsächlich auch immer wieder hier in Mainz stattfindet in unserer schönen Landeshauptstadt. Ich begrüße Sie herzlich und darf auch alle hochkarätigen Fachkräfte aus ihrem Bereich herzlich begrüßen.

Sie haben natürlich aktuelle Themen heute zu besprechen, auf die ich nicht eingehen kann. Ich bin keine Medizinerin, aber ich möchte ein paar Schlaglichter setzen zum Thema Gesund-heitspolitik, aber auch zur Unfallmedizin und zum Arbeitsschutz insgesamt.

Ich sage es immer wieder gern und auch sehr bewusst zu Beginn meiner Ausführungen, dass ich persönlich der Auffassung bin, dass wir nach wie vor ein Gesundheitssystem in Deutschland haben, über das wir sehr froh sein können, das auch sehr leistungsstark ist und das immerhin auch Arbeitgeber für 4,3 Millionen Menschen in unserem Land ist – Tendenz steigend. Und diese Menschen machen gute Arbeit, sie machen eine gute Versorgung, medi-zinische Versorgung auf hohem Niveau, und sie tun es in aller Regel auch mit einem außer-gewöhnlichen Engagement und dafür möchte ich mich herzlich bedanken bei Ihnen allen, die in diesem Bereich tätig sind. Ich denke, die Menschen spüren das immer sehr genau, ob Ärzte, Ärztinnen, Pfleger, Pflegerinnen engagiert und auch mit Herz an der Arbeit sind und natürlich vorausgesetzt ist immer ihre hohe Kompetenz, die sie ja mitbringen.

Ich möchte nochmal betonen, dass ich der Auffassung bin, dass unsere Krankenversicherung auch vom Prinzip der Solidarität lebt und wenn man in Zeiten der Finanzkrise einen Blick in andere Länder wirft, dann kann man eigentlich nur unglaublich froh sein, dass die Menschen hier versichert sind, unabhängig von ihrem individuellen Krankheitsrisiko, unabhängig von ihrem individuellen Geldbeutel. Nach wie vor denke ich, dass das ein Ziel sein muss, das auch in Zukunft sichergestellt ist. Und damit wäre ich beim Thema „Reform in der Gesund-heitspolitik“.

Als Sozialpolitikerin – ich bin jetzt immerhin schon 6 ½ Jahre Ministerin, auch für Gesund-heit; ich glaube ich bin die Amtsälteste inzwischen aller Bundesländern - weiß ich einfach, Gesundheit ist immer ein Thema, das sich im Prozess befindet. Das gilt für Sie, was den medi- zinischen Wandel betrifft, das gilt aber auch für alle anderen Kriterien, die damit zusammen-hängen und deshalb haben wir auch immer wieder Reformen und werden auch in Zukunft immer wieder Reformen haben. Das liegt auch in der Natur der Sache. Die letzte Reform, das GKV-WSG – es ist ja vor eineinhalb Jahren in Kraft getreten – war reichlich umstritten und

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Grußwort

ist es immer noch. Ich kann sagen, dass ich der Auffassung bin, dass nicht alles gefällt, aber einiges doch auch ganz gut gelungen ist und ich glaube auch, dass die Grundausrichtung insgesamt stimmt. Ich nenne nur ein paar Punkte des neuen Vergütungssystems. Für die niedergelassene Ärzteschaft, was aus meiner persönlichen Sicht längst, längst überfällig war, ist das ja jetzt auch umgesetzt worden. Es ist ein zentrales Kernelement dieser Reform gewesen. Ich bin auch ganz optimistisch, dass es im Januar des neuen Jahres, wenn dieses Vergütungssystem eingeführt wird, hoffentlich zu einer auskömmlicheren Finanzierung der niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen kommt und wir vor allem über ein transparentes Vergütungssystem verfügen, indem Sie schon im Januar wissen, was ihre Leistung tatsächlich auch wert ist, und nicht erst im Herbst.

Wir haben die Abkehr von der Grundlohnsummenorientierung in den Krankenhäusern, was ja jetzt verabschiedet worden ist, was aber damals auch schon erklärtes Ziel war in der Reform. Aus meiner Sicht elementar wichtig für die Krankenhäuser, die seit vielen Jahren ja „unter dem Deckel“ leben, was damit zu tun hat, dass sie immer nur die Grundlohnsummen-anpassung erhalten haben. Das wird sich in Zukunft ändern und ich denke es ist richtig. Es ist auch richtig, dass Themen wie die Palliativversorgung oder die Impfung – bestimmte Impfungen als Pflichtimpfungen – in den Leistungskatalog aufgenommen worden sind. Und es ist auch richtig, dass der Zugang zu einer bezahlbaren Krankenversicherung für alle Menschen in unserer Gesellschaft sichergestellt wird durch diese Reform. Und natürlich bin ich auch froh, dass der Einstieg in eine stärkere Steuerfinanzierung vorgenommen worden ist, weil wir auch absehen können, dass langfristig die Finanzierung des Gesundheitssystems natürlich auch immer wieder ein Diskussionspunkt sein wird. Ich bin auch froh darüber, dass uns das Thema Finanzierung dann doch in einem Kompromiss nicht völlig getrennt hat, sondern dass wir am Ende wenigstens gemeinsam die Reform hingekriegt haben.

Aber ich sage auch nochmal, die unterschiedlichen Ausgangssituationen waren so groß, dass eben nicht mehr drin war. Der Gesundheitsfond, der ab Januar in Kraft treten wird, ist ein Kompromiss, er bleibt ein Kompromiss, aber er kann weiterentwickelt werden in unter-schiedlichste Richtungen und für mich ist besonders relevant, dass dadurch der mobilitäts-orientierte Risikostrukturausgleich eingeführt worden ist. Und ich denke, eins muss man hier vielleicht auch nochmal sagen, es ist auch ein Erfolg der Reform, dass die Unfälle – und da bin ich jetzt wieder bei Ihnen – damals nicht ausgegliedert worden sind aus dem Leistungs-katalog. Das war ja erklärte Absicht gewesen, um Geld zu sparen. Es wäre aus meiner Sicht auch ein Wahnsinn gewesen, sich allein die Abgrenzungsmöglichkeiten vorzustellen, wann was ein versicherter Unfall ist und wann eben nicht. Sie kennen das Problem ja schon aus- reichend genug zwischen Krankenversicherung und Unfallversicherung. Das wäre aus meiner Sicht überhaupt gar nicht darstellbar gewesen.

Und damit wären wir auch beim Thema Unfallversicherung. Dr. Platz hat eigentlich alles Wesentliche gesagt, was es zu diesem Thema bezogen auf die letzten Monate – und man kann ja schon fast eineinhalb, zwei Jahre sagen – zu sagen ist. Das Gesetz zur Modernisie-rung der gesetzlichen Unfallversicherung reduziert sich jetzt eben tatsächlich auf eine reine Organisationsreform. Es sind Anpassungen der Organisation an die veränderten Wirtschafts-

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Grußwort

strukturen. Die Lösung der Altlastenproblematik und natürlich auch die Modernisierung der Verwaltungsstrukturen stehen im Mittelpunkt. Es gab keine Einigung über das Leistungs-recht, wobei es auch schwierig zu lösen ist, das möchte ich auch nochmal betonen. Die Gefahr, dass es zu großen Verwerfungen kommt, ist nicht gering, aber natürlich muss es ein Thema sein für die nächste Legislaturperiode, auch darüber nochmal intensiv zu diskutieren und an der Stelle auch weiter zu kommen. Aus rheinland-pfälzischer Sicht sind alle gesetzli-chen Regelungen, die jetzt getroffen sind, durchaus positiv. Ich habe mich besonders für die Organisationsstruktur des Spitzenverbandes als eingetragenen Verein eingesetzt, was am Anfang höchst umstritten war. Das wird jetzt auch so umgesetzt und ich traue es eben auch der Selbstverwaltung zu, dass diese die Organisationsreform in diesem Sinne aus eigener Kraft bewältigen wird und die ersten Anfänge sind ja auch schon gemacht.

Das erklärte Ziel, dass der Fusionsprozess 26 Berufsgenossenschaften auf 9 Träger reduzie-ren soll – perspektivisch um Verwaltungskosten zu senken, aber auch die Strukturen zu straffen – ist ja auch sehr energisch angegangen worden, wie wir heute auch schon sehen am veränderten Namen und eben auch am veränderten Zuständigkeitsbereich insgesamt. Für die Versicherten gibt es durch die gesetzliche Regelung keine Leistungseinschränkungen. Wie gesagt, das Thema wird uns weiter begleiten und wer weiß, bei Ihrem nächsten, sagen wir übernächsten Kongress, sind wir vielleicht auch im Bereich des Leistungsrechts ein Stück weiter.

Ich möchte gerne noch zwei Sätze verwenden auf das Thema Arbeitsschutz. Das zentrale Anliegen des Themas Arbeitsschutz ist ja die Gestaltung von sicheren, von menschengerech-ten Arbeitsplätzen und sie tragen dazu bei, Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gefahren natürlich zu verhüten. Noch immer sind arbeitsbedingte Erkrankungen und Expositionen gegenüber Gefahrstoffen wie Kälte, Hitze, Nässe, Wärme, Lärm, aber auch Belastungen durch Termin- und Leistungsdruck, Monotonie oder Überforderung sehr weit verbreitet. Letzteres mit steigender Tendenz.

Mit der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie wollen sich ja Bund, Länder und die Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Weg machen zu sicheren und besseren Arbeitsplätzen, bessere Arbeitsplätze auszugestalten im Sinne von Präven-tion. Natürlich werden wir auch hierzu einen Beitrag leisten. Unfälle ereignen sich an jedem Ort und zu jeder Zeit, sie treffen plötzlich und unvorhergesehen Menschen jeden Alters. Die folgenden Zahlen zeigen das Ausmaß arbeitsbedingter und gesundheitlicher Beeinträchtigun-gen.

Im Jahre 2006 gab es in Deutschland über eine Million meldepflichtiger Arbeitsunfälle, davon 941 tödliche und fast 23.000 anerkannte Berufskrankheiten. In 2007 ereigneten sich im Bereich der Unfallversicherungen der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand insgesamt 959.714 meldepflichtige Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Tagen oder den Tod zur Folge hatten. Neben den bei der Berufsausübung entstandenen Unfällen, die ca. 15% aller Unfälle ausmachen, ereignen sich im häuslichen Bereich ungefähr ein Drittel – 33 % – in der Freizeit 31 %, im Schulbereich 17 und im Verkehr 5 % aller Unfälle.

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Grußwort

Die gute Versorgung der Verletzten nach einem Unfall setzt natürlich ein flächendecken-des Netz leistungsstarker Versorgungseinrichtungen voraus. Ich glaube sagen zu dürfen, dass Rheinland-Pfalz über eine gute Verletztenversorgung von hoher Qualität verfügt. Als Beispiele möchte ich hier neben den anderen hervorragenden unfallchirurgischen und am-bulanten und stationären Einrichtungen – wie beispielsweise das Katholische Klinikum, Herr Prof. Kirschner – die BG-Unfallklinik in Ludwigshafen nennen, die jetzt ihr vierzig-jähriges Bestehen feiert, aber natürlich auch als Zentrum für Schwerbrandverletzte einen internationalen Ruf hat.

So wichtig die gute und schnelle Versorgung bei Unfallfolgen ist, so wichtig ist natürlich auch die Prävention von Unfällen. Die seit Jahren rückläufigen Zahlen sind Ergebnisse erfolgreicher Präventionsarbeit aller Akteure. Prävention ist nun mal auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich gehöre zu denen, die deshalb auch seit vielen Jahren für ein Bundespräventions-gesetz kämpfen, weil ich glaube, dass man Prävention sinnvollerweise wirklich auch zielorien-tiert macht mit gebündelten Kräften. Die BGen geben das eigentlich ziemlich gut vor mit ihrer Herangehensweise. Ein Präventionsgesetz ist aber leider nach wie vor nicht in Sicht, weil man sich politisch eben nicht einigen kann. Trotzdem bleiben wir da dran und ich glaube, man muss Mittel und auch Verständigung auf Gesundheitsziele wirklich bündeln, um dann auch entspre-chende Schlagkraft entwickeln zu können.

Die Unfallprävention spielt für uns auch als Landesregierung eine wichtige Rolle. Im Rah-men der Förderung von Kindergesundheit beispielsweise unterstützt und fördert das Land Veranstaltungen, die Eltern und Multiplikatoren schulen, um Unfälle bei den Kleinsten zu vermeiden. Denn viele Unfälle im Verkehr oder im Haushalt können natürlich durch zielge-richtete Maßnahmen und Verhaltensweisen verhindert werden. Ein anschauliches Beispiel ist das von der Techniker Krankenkasse in Kooperation mit dem Land durchgeführte Projekt der Riesenküche. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen. Es ist eine Ausstellung, in der Erwach-sene aus der Kinderperspektive in einer im Größenverhältnis von Kindern die Umgebung und die Gefahren, wie heiße Herdplatten, kochende Flüssigkeiten oder umkippende Stühle, wahrnehmen können und es ist eine erleuchtende Erkenntnis, wenn man mit dem Kopf mal an den Stiel einer Pfanne anstößt, die auf dem Herd steht. Man kann dann sehr schnell nachempfinden, wie schnell ein entsprechender Unfall passiert.

Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen, ich glaube, das ist ausreichend für ein Grußwort. Ich hoffe, ich konnte ihnen einige wenige, kleine Positionen der Landes-regierung zu wichtigen Positionen im Bereich der Gesundheit und der Unfallversicherung deutlich machen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie eine ertragreiche Tagung haben und viele neue Erkenntnisse mit nach Hause nehmen können, dass Sie sich gut austauschen können. Und ich danke natürlich nochmal der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Landes-verband Mitte, Herrn Dr. Platz und natürlich auch Herrn Wirthl für die Vorbereitung und auch für das hohe Engagement in der Sache Unfallversicherung. Vielen Dank, weiterhin eine gute Kooperation, gutes Gelingen und Ihnen allen wünsche ich weiterhin erfolgreiche, gute Arbeit im Sinne der Menschen für die wir alle da sind. Herzlichen Dank und viel Vergnügen.

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Begrüßung

Prof. Dr. Peter Kirschner

Sehr verehrte Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank für Ihr Grußwort. Die moderate Aus-sage gibt ja Grund zu hoffen, dass das Weiterleben, speziell der Unfallchirurgie auch auf der politischen Bühne anerkannt und unterstützt wird.

Sehr geehrter Herr Dr. Platz, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren aus den Verwaltungen,

zur 29. Unfallmedizinischen Tagung des Landesverbandes Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung möchte auch ich Sie hier in Mainz ganz herzlich willkommen heißen. In manchen Dingen scheint die Zeit stehen zu bleiben. So beim Titel dieser traditionsreichen Veranstaltung unserer Unfallmedizinischen Tagung. Natürlich ist die Bezeichnung Unfall- medizin nach wie vor der umfassende Titel für verschiedenste Auslöser und Ursachen, Be- handlungsarten und Fachdisziplinen sowie Versicherungs- und Versorgungsfragen. Er wird zu Recht für eine Veranstaltung geführt, die sich mit der Fortentwicklung all dieser Fragen zeitgemäß auseinandersetzen muss, um sie darzustellen und zu bearbeiten. Nebenbei muss natürlich auch die Entwicklung der Tätigkeitsfelder verfolgt werden, um die sich ändernden Ansprüche und Erkenntnisse zu verarbeiten. Dabei komme ich zur Zusammenführung der Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie. Der neue Facharzt wird bereits als Titel geführt, wobei allerdings auffällige Unterschiede in den einzelnen Kammern die Vergaben begleiten. Die idealistische Zielsetzung der Kompetenz aus einer Hand lässt sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit in der Weiterbildung realisieren. Umso problematischer entwickelt sich aus dieser Art der Titelvergabe eine Chancenungleichheit für junge Kollegen im Fach. Nun haben die beiden wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Orthopäden und Unfall- chirurgen im Sommer bereits den nächsten Schritt vollzogen und eine gemeinsame Deut-sche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie gegründet. Damit wird es wichtig werden, unfallchirurgische Kompetenz besonders in den Versorgungskrankenhäusern so zu erhalten, dass sie wie bisher rund um die Uhr – und das ganzjährig – zur Verfügung steht. Nicht nur das derzeitige Finanzierungssystem bietet dazu am wenigsten Unterstützung, sind doch unfallchirurgische Leistungen meist vergleichsweise bescheiden bewertet. Alleine hierdurch schon wird die Stellung des Unfallchirurgen im neuen Fachgebiet erheblich benachteiligt. Umso wichtiger ist es, dass die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung auch weiterhin zu ihrer Forderung steht, die Qualifikation des D-Arztes an den Erwerb des Schwerpunktes spezielle Unfallchirurgie, der kompetentesten Weiterbildungsstufe im Fach, zu binden. Unübersehbar wird natürlich die Entwicklung in der praktizierenden Medizin mit Bildung von Netzwerken und Zentren für bestimmte Behandlungsmethoden die Speziali-sierung weiter vorantreiben. Der Konflikt zwischen weitreichender Kompetenz und hohem fachlichen Wissensstand wird uns in Zukunft viele neue Arten von Versorgungsmodellen bescheren. Daher ist es wesentlich in einem Fach wie der Unfallverletzenversorgung den hohen Spezialisierungsgrad zu erhalten.

Meine Damen und Herren, zu diesen Forderungen trägt eine Tagung wie diese nicht wenig bei. Aktuelle Themen der Unfallmedizin spiegeln das Programm wider und wir, Herr Hoffmann

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Begrüßung

und ich, haben uns bemüht eine wissenschaftlich interessante Veranstaltung vorzubereiten. Wir hoffen nun, dass Ihre Erwartungen erfüllt werden. Der Landesverband hat uns dies-bezüglich jegliche Unterstützung zuteil werden lassen. Es ist uns gelungen, profilierte Referenten für diese Tagung einzuladen. Ihnen sei vorab für Ihre Bereitschaft sehr herzlich gedankt. Lassen Sie uns nun mit dem Programm beginnen. Ich wünsche uns interessante Vorträge und Diskussionen und Ihnen zwei erlebnisreiche Tage hier in Mainz.

Vielen herzlichen Dank.

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Thoraxtrauma – Update

Vortragsfolge

I. SitzungThoraxtrauma – Update

Vorsitz: P. Kirschner, Mainz/C. J. Schirren, Bad Nauheim

Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, Kombinationsverletzungen (Sternum, Rippen, Wirbelsäule)

Autoren I. Marzi, W. Daecke, F. Walcher

ZusammenfassungVerletzungen des Thorax sind bei annähernd 60 % der Polytraumapatienten und bei direk-tem Anpralltrauma festzustellen. Die Primärdiagnostik des Thorax erfolgt beim Schwerver-letzten mittlerweile neben dem Thorax-Röntgenbild regelhaft mittels Spiral-Computerto-mographie mit Kontrastmittelgabe, da hiermit blutungsrelevante innere Verletzungen von Herz, Gefäßen oder Lunge am besten erfasst werden können. Die knöchernen Verletzungen können ebenfalls mittels CT-Rekonstruktion festgestellt werden, wobei hier die konven-tionelle Röntgendiagnostik ihren Stellenwert beibehält. Die häufigste lebensrettende Primärmaßnahme ist die Positionierung einer Thoraxdrainage zur Entlastung von Hämato-Pneumothoraces. Die im CT-früh erkannten Lungenkontusionen werden im Rahmen des präventiven Versorgungskonzeptes durch Lagerungstherapie und moderne Beatmungskon-zepte so behandelt, dass die Komplikationsrate der Pneumonien und sekundären Organ-schäden minimiert wird. Die Behandlung der knöchernen Verletzungen ist differenziert und reicht von konservativer Behandlung der Sternum-und Rippenfrakturen über die offene Stabilisierung der Schultergürtelverletzungen bis hin zur minimal-invasiven Osteosynthese der Brustwirbelfrakturen.

SchlüsselwörterPolytrauma – Thoraxdrainage – Computertomographie – Lungenkontusion – Schultergür-telverletzungen – Sternumverletzungen – Osteosynthese

SummaryChest injuries are found in almost 60% of multiple trauma patients and in direct blunt traumas. In addition to chest x-rays, primary diagnostics of the thorax in the seriously injured today should correctly include spiral computed tomography with contrast medium as this best visualises internal injuries to the heart, vessels or lungs for possibly relevant bleeding. Bony injuries can also be determined by CT reconstruction although conventional radiological diagnosis retains its value. The most common life-saving primary intervention

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Thoraxtrauma – Update

is positioning a chest tube to relieve pressure on haemato-pneumothorax. Any pulmonary contusion recognised early by CT is treated by the preventive care concept with patient positioning and modern ventilation methods to minimise the rate of pneumonic complica-tions and secondary organ damage. Treatment of bone injury is differentiated and ranges from conservative treatment for sternal and costal fractures to open stabilisation of shoulder girdle injuries and minimally invasive osteosynthesis of dorsal vertebral fractures.

KeywordsMultiple trauma – thoracic drainage – computed tomography – pulmonary contusion – shoulder girdle injuries – sternal injuries – osteosynthesis

Aktuelle Themen beim Thoraxtrauma betreffen insbesondere die Diagnostik, die Akutthe-rapie und die Behandlung von Kombinationsverletzungen. Das Thoraxtrauma ist regelhaft beim Polytrauma-Patienten festzustellen, wobei der klinische Verdacht bereits vom Notarzt oder im Rahmen des ATLS-Traumakonzeptes vermutet werden kann. Bei der Inspektion und Palpation zeigen sich äußere Verletzungszeichen im Bereich des Thorax mit Krepitation, Instabilität oder Hautemphysem; die Auskultation ergibt häufig ein vermindertes Atemge-räusch. Zur Standarddiagnostik gehört die Röntgen- Thoraxaufnahme als erste Röntgenauf-nahme im Rahmen der Schockraumbehandlung eines schwerverletzten Patienten. Auch im Rahmen der Sonographie des Abdomens kann ein Hämatothorax mit diagnostiziert werden. Bei schwer verletzten Patienten gehört jedoch heute die Sprial-Computertomographie des Körperstammes und des Schädels mit Kontrastmittel zum Standard der Initialdiagnostik. Im Vordergrund stehen Organverletzungen der Lunge, der Pneumothorax, der Hämatothorax sowie die Verletzungen der großen Gefäße.

Im Rahmen der Qualitätssicherung des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Un-fallchirurgie sind bundesweit im Jahre 2007 11 Minuten verstrichen bis die 1. Röntgen-Tho-raxaufnahme bei einem Patienten erfolgt ist. In einzelnen Kliniken und Traumazentren ist dies deutlich geringer, was am eingespielten Traumamanagement liegt. Die Notwendigkeit zur weitergehenden Diagnostik eines Thoraxtrauma durch Computertomographie ergibt sich bei jedem schweren Polytrauma und schon alleine aus der Notwendigkeit einen ventralen Spannungspneumothorax zu erkennen, der leicht auf Nativ-Röntgenaufnahme des Thorax nicht zu erkennen ist. Die Ursache für das Übersehen eines ventralen Spannungspneumo-thorax ist in Abb. 1 exemplarisch dargestellt. Der Vorteil der Computertomographie in der Diagnostik ist in Abb. 2 illustriert und kann von wesentlicher Bedeutung in der Primär- und Sekundärdiagnostik des Thorax sein.

Die Häufigkeit des Thoraxtraumas liegt laut DGU Traumaregister 2007 bei 58% bei den schwer verletzten Patienten. Ursachen des Thoraxtraumas sind überwiegend PKW-Unfälle, Motorradunfälle und Stürze über oder unter 3 Meter, wie Abb. 3 exemplarisch für die Universitätsklinik Frankfurt hergibt.Neben der Initialdiagnostik des Thoraxtraumas gehört auch die unmittelbare operative Intervention nach Diagnosestellung eines Pneu-, oder Hämatothorax. Diese ergibt sich im Wesentlichen durch die Einlage von Thoraxdrainagen, die üblicherweise über im 5. ICR auf

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Thoraxtrauma – Update

der rechten oder linken Seite in der vorderen Axillarlinie (Bülau-drainage) oder bei ventra-len Spannungspneumothoraxis durch eine Monaldi-drainage im 2. ICR gelöst wird. Relativ selten ist eine Eröffnung des Thorax mit operativer Blutstillung erforderlich

In den letzten Jahren hat sich als Standardtherapie die kinetische Therapie im Drehbett (Ro-tationsbett) durchgesetzt. Durch diese Lagerungstherapie mit Drehen des Patienten um 60° in beiden Richtungen kommt es zu rascheren Flüssigkeitsauflösung und Verteilung, so dass die Belüftung der Lunge optimiert werden kann. Bei schweren Thoraxtraumen mit erheblich beeinträchtigter Oxygenierung des Patienten ist im Einzelfall auch die Bauchlagerung des Patienten intermittierend notwendig um die dorsalen Anteile der Lunge für den Gasaus-tausch wieder zu rekrutieren. Die kinetische- und Lagerungstherapie ist zwischenzeitlich etablierter Standard und in jedem Fall indiziert für

1. CT gesicherte Lungenkontusionen.2. Für einen Verletzungsgrad mit mehr als 25 Punkte im ISS.3. Auch schon beim klinischen Verdacht auf eine Lungenkontusion bei adäquatem Trauma.

Die Studienergebnisse der kinetischen Lagerungstherapie zeigen hier eine eindeutige ra-schere Verbesserung der Oxygenierung und stellen ein unverzichtbares Mittel der primären Schwerverletztentherapie dar. Auch die Behandlungsoptionen beim Thoraxtrauma haben sich deutlich verbessert durch verschiedene Verfahren mit CPAP/ASB sowie PEEP- Behandlung über 72 Stunden mit einem Druck von 15 Millibar. Die Standardisierung von Weaningkonzepten zur Entwöhnung von der Beatmung haben zu einer Verbesserung der Behandlung des Thoraxtraumas beigetragen.

Neben der Verletzung der Pleurahöhlen ergeben sich zahlreiche weitere Komplikations-möglichkeiten und Begleitverletzungen beim Thoraxtrauma. Die Rippenfrakturen gehen immanent mit dem Thoraxtrauma einher und bedürfen in aller Regel keiner spezifischen Behandlung, bis auf die oben genannten Beatmungsmodalitäten und eine ausreichende Schmerztherapie. Die Pneumo- und Hämatothoraces müssen regelhaft entlastet werden und auch im weiteren Verlauf muss auf das Auftreten sekundärer ventraler Spannungspneumo-thoraces geachtet werden, insbesondere bei einer Verschlechterung der Beatmungssituati-on eines Patienten im Intensivbehandlungsverlauf muss frühzeitig an eine CT-Kontrolle des Thorax gedacht werden.

Als weitere mögliche Zusatzverletzungen können Parenchymverletzungen der Lunge, Bronchialrupturen, Herzkontusionen, Herzbeuteltamponaden, Zwerchfellrupturen und in sehr seltenen Fällen auch Ösophagusverletzungen auftreten, auf die hier aber nicht weiter eingegangen wird.

Abhängig von der Energie und vom Kraftfaktor treten auch verschiedenste knöcherne Ver-letzungen auf (Abb. 4). Hierzu zählen: Rippenfrakturen, Wirbelsäulenverletzungen, Ster-numfraktur, Schultereckgelenkverletzungen, Claviculafrakturen, Scapulafrakturen. Gerade auch das Auftreten von Frakturen der Brustwirbelsäule, vor allem auch bei Vorhandensein

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Thoraxtrauma – Update

einer Sternumverletzung, muss als Zeichen einer großen Instabilität gewertet werden. Die Analyse des knöchernen Skelettes in der Computertomographie des Polytraumas bedarf daher einer außerordentlichen Sorgfalt. Kombinationsverletzungen des Thorax mit der Wirbelsäule treten insgesamt in 18% auf.

Verletzungen des Sternums treten insbesondere bei angeschnallten Fahrern und bei Beifahrern auf, wie in Abb. 5 illustriert. In der Regel sind die Verletzungen im seitlichen Röntgenbild zu erkennen, im Einzelfall jedoch auch nur durch eine Computertomographie. Es handelt sich insgesamt um eine seltene Verletzung mit 0,6% und einer Mortalität von 0,7%. Als wesentliche Begleitverletzungen treten retrosternale Hämatome auf, seltener Verletzungen der HWS, Rippenfrakturen und pulmonale Verletzungen.

Sternoclaviculaluxationen findet man insbesondere bei seitlicher Krafteinwirkung, Ver-schüttung oder Quetschtrauma oder Sturz bei ausgestrecktem Arm. Sternoclaviculaluxatio-nen können leicht übersehen werden und sind häufig erst in der Computertomographie zu diagnostizieren. Die Komplikationsrate bei dorsalen Verletzungen ist mit 25% relativ hoch, anderseits ist die operative Therapie auch problematisch und führt immer zu kosmetisch bleibenden Einschränkungen.

Eine häufige, insbesondere bei Motorradfahrern auftretende schwere Begleitverletzung ist die sogenannte Floating Shoulder. Die Floating Shoulder bezeichnet eine Instabilität der Aufhängung des Armes durch gleichzeitige Clavicula- und Scapulaverletzung (Abb. 6). Die Diagnose einer Floating Shoulder kann frühzeitig durch eine erhebliche Hämatombil-dung festgestellt werden, wobei hier immer auch die Durchblutung des Armes nochmals überprüft werden muss. In Einzelfall muss hier auch eine Angiographie erfolgen um eine Subclavia- oder Axillarisverletzung auszuschließen. Eine Floating Shoulder muss frühzeitig operativ stabilisiert werden, wobei hier je nach Situation entweder nur die Clavicula, nur die Scapula oder beides operativ mittels Plattenosteosynthese stabilisiert werden muss.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Thoraxtrauma in annähernd 60% Bestandteil der Verletzung eines schwer verletzten Patienten ist. Im Rahmen eines standar-disierten Schockraumprotokolls kann im Röntgenbild des Thorax und vor allem in der Com-putertomographie die Diagnostik der Thoraxverletzungen erfolgen. Hierbei ist neben den Parenchymverletzungen der Lunge vor allem an einen Pneumothorax, Hämatothorax aber auch an knöcherne Verletzungen, insbesondere der BrustwirbelsäuIe und des Sternums zu denken. Auch die angrenzenden Verletzungen des Schultergürtels sind bei der klinischen Untersuchung mit zu berücksichtigen.

Das standardisierte Therapiekonzept beinhaltet eine Lagerungstherapie mit optimierten Beatmungsprotokollen für die Lungenverletzungen, die eine Verhinderung sekundärer Lungeninfektionen und Komplikationen vermeiden soll. Die Sternumverletzungen werden praktisch immer konservativ behandelt, instabile Verlet-zungen der Brustwirbelsäule praktisch immer operativ, möglichst minimalinvasiv und früh-zeitig um eine rasche Mobilisierung und Intensivbehandlung des Patienten zu ermöglichen.

21

Thoraxtrauma – Update

Die Verletzungen des Schultergürtels erfordern hingegen eine individuelle Behandlung mit dem Ziel einer raschen Rehabilitation des Patienten.

Literatur

Frank J, Marzi I. Schockraummanagement. Zentralblatt für Chirurgie 121: 943-949, 1996

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Kühne CA, Ruchholtz S, Voggenreiter G, Eggebrecht H, Paffrath T, Waydhas C,Nast-Kolb D; AG Polytrauma DGUTraumatische Aortenverletzungen beim PolytraumaUnfallchirurg. 2005, 108:279-87

Marzi I, Risse N, Wiercinski A, Rose S, Mutschler W. Thorax-Spiral CT in der Primärdiagnos-tik und Intensivbehandlung des PolytraumapatientenLangenbecks Arch Chir Suppl Kongressbd. 1996;113:928-30

Waydhas C, S. Sauerland and AG Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Unfallchir-urgieThoraxtrauma und Thoraxdrainage: Diagnostik und Therapie – Ein systematisches ReviewNotfall & Rettungsmedizin, Volume 6, 2003

Westhoff J and Bingold TMIntensivmedizinisches Behandlungsprotokoll bei Thoraxtrauma mit LungenkontusionTrauma und Berufskrankheit, Volume 9, Number 3 / September 2007

Waydhas C, Nast-Kolb D.Thoraxtrauma. Teil 1: Signifikanz – Symptome – DiagnostikUnfallchirurg. 2006, 109: 777-84

Waydhas C, Nast-Kolb D. Thoraxtrauma. Teil 2: Management spezieller VerletzungenUnfallchirurg. 2006, 109(10):881-92

22

Thoraxtrauma – Update

Abb. 1: Schematische

Darstellung eines occul-

ten ventralen Pneuma-

thorax in der Nativ-

Röntgendiagnostik. Durch

ein Röntgenstrahlengang

AP zeigt sich überall

Lungengewebe. Der

Pneumothorax ist nicht

darstellbar. Auch das

Röntgenbild seitlich

würde einen Pneumotho-

rax nicht nachweisen, da

einseitig die Lunge voll

ausgebildet ist und auf

der Gegenseite nicht

ausgebildet ist.

Abb. 2: Risiko des Übersehens eines ventralen Pneumothorax

Abb. 2a: Konventionelles Röntgenbild eines Thoraxtrauma ohne erkennbaren Pneumothorax nur mit Hämatothorax

auf der linken Seite

Abb. 2b: Gleicher Patient mit Nachweis eines Hämatothorax rechts und links sowie Nachweis eines beidseitigen

ventralen Pneumothorax

Diese beiden schematischen Zeichnungen belegen warum eine CT Aufnahme in der Initialdiagnostik und in der

Verlaufsdiagnostik des Polytraumas zum Ausschluss eines Pneumothorax erforderlich ist.

Abb. 2 a Abb. 2 bAbb. 2 a Abb. 2 b

Konventionelles Röntgen CT

Abb 1 Röntgen

Abb. 1

n

Okkulter ventralerPneumothorax im

LLuunn

Nativ Röntgen

nnggeennRöntgenssttrruu

g

uukkttuu

LungenstrukturLungenstruktur

rr

23

Thoraxtrauma – Update

Abb. 3: Unfallursachen bei Thoraxtrauma Uniklinik Frankfurt 2007

Abb. 4: Knöcherne

Verletzungen beim

Thoraxtrauma

Abb. 5: Sternumverlet-

zung bei einem 61jährigen

Patienten mit Anprall-

trauma am Lenkrad.

Dislozierte Sternumfraktur

im seitlichen Strahlengang

Abb. 4

Rippenfrakturen (meist multipel)

WirbelsäulenverletzungenWirbelsäulenverletzungen

Sternumfraktur

SC Luxation, AC Verletzungen

Claviculafraktur

Scapulafraktur

KombinationenKombinationen

Abb 3Abb. 3

Unfallursachen bei Thoraxtrauma [%]

5,58,23,84,99,9

18 116,5

18,1

33 033,0

Fußgänger Radfahrer Motorrad PKW/LKWFußgänger Radfahrer Motorrad PKW/LKW

Sturz > 3m Sturz < 3m Suizid Gewalt

Abb. 5

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Thoraxtrauma – Update

Abb. 6 Abb. 6: Floating Shoulder bei

einem 26-jährigen Patienten mit

Claviculafraktur und Skapulafraktur

Kontakt:

Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.

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Thoraxtrauma – Update

C. J. Schirren/Trainer, Bad Nauheim

Lungenverletzungen

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.

Kontakt:

Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.

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J. Ennker, Lahr

Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße

Autoren S. Bauer und J. Ennker

ZusammenfassungVerletzungen des Brustkorbes in Form von penetrierenden Verletzungen sind in Deutsch-land immer noch ein seltenes Krankheitsbild. Bei Autounfällen kommt es bei 25% aller schweren Autounfälle zu einer Mitbeteiligung des Brustkorbes. Von diesen 25% der verletzten Patienten zeigen in etwa 18% Mischbilder von Verletzungen der intrathorakalen Gefäße in Kombination mit Hämatothorax, instabilem Thorax, Lungenverletzungen und Pneumothorax. Genau wie bei allen anderen Verletzungsmustern muss zunächst auch bei Verletzungen der Gefäße und des Herzens zunächst eine Beurteilung des Unfallhergan-ges und damit eine Abschätzung der eingewirkten Kräfte durchgeführt werden. Aufgrund dieser Beurteilung des Unfallherganges kann darauf geschlossen werden, wie groß der Schaden im Brustkorb sein kann (1). So genannte Niedrigenergieverletzungen beinhalten die Akzelerations- und Dezelerationstraumen sowie die peripheren Verletzungen durch langsamfliegende Geschosse. Mittel- und Hochenergieverletzungen finden sich meistens in Fromm von penetrierenden Thoraxverletzungen durch Hochgeschwindigkeitsgeschosse und Schusswaffen.

Davon abzugrenzen sind so genannte Crushverletzungen, bei denen es durch Einklemmung (Kompression mit hoher Kraft) des Körpers es zu Verletzungen der thorakalen Organe und Gefäße kommen kann.

Im Gegensatz zur sonst üblichen Diagnosekette mit Untersuchung, Beurteilung der klini-schen Situation, Bildgebung und Diagnosestellung, ist bei penetrierenden Verletzungen der großen Gefäße oder des Herzen unmittelbares Handeln angesagt. Die Diagnostik und Behandlung laufen bei diesen Krankheitsbildern parallel ab (7).

Schlüsselworte: Aortenverletzung – Herzverletzung – Thoraxtrauma

SummaryPenetrating chest injuries are still a rare clinical picture in Germany. 25% of all serious road traffic accidents involve the chest. About 18% of these 25% patients injured show mixed pictures of injuries of the intrathoracic vessels in combination with haemothorax, unstable thorax, lung injuries, and pneumothorax. As with all other injury constellations, the course of events of an accident with trauma to the vessels and the heart must first be evaluated to assess the forces that acted on them. This evaluation enables us to estimate how severe the intrathoracic damage actually is (1). So-called low energy injuries include acceleration and deceleration trauma, and peripheral injuries caused by low-velocity projectiles. Moderate

Thoraxtrauma – Update

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to high energy injuries usually present as penetrating chest injuries caused by high velocity projectiles and firearms.

These must be differentiated from crush injuries in which entrapment (compression with high forces) of the body can lead to injuries of the thoracic organs and vessels.In contrast to the otherwise standard diagnostic chain with examination, assessment of the clinical situation, imaging, and diagnosis, immediate action is required for penetrating inju-ries of the major vessels or the heart. In these clinical pictures, diagnostics and treatment run parallel (7).

Key words: aortic injury, heart injury, thoracic trauma

Zur Anatomie des Thorax und der großen Gefäße im Thorax Das Herz ist insgesamt ein durch den knöchernen Brustkorb sehr gut geschütztes Organ. Jedoch ist es relativ elastisch im Brustkorb aufgehängt. Die Fixierung des Herzens erfolgt durch die großen venösen Gefäße, durch den linken Vorhof und durch die Hauptschlag-ader. Die Hauptschlagader selbst wird durch eine Dreipunktfixierung im Brustkorb fixiert. Der eine Fixationspunkt ist der Aortenannulus, er stellt zudem die Verbindung zum Herzen dar. Ein zweiter Fixpunkt ist das Ligamentum arteriosum, welches eine Verbindung zur Pulmonalarterie herstellt. Und dann gibt es als dritten Fixierungspunkt den Hiatus aorticus, dies ist der Punkt, bei dem die Hauptschlagader durch das Zwerchfell tritt. Im Thorax finden sich weiter die Vena cava superior, die Vena cava inferior, die Arteria pulmonalis, die Venae pulmonales sowie den Oesophagus. Über die Lungenstrombahn und die Verletzungen der Lungen soll in diesem Zusammenfassung nicht eingegangen werden. Nach der Häufigkeit werden nun die verschiedenen pathophysiologischen Zusammenhänge beim Thoraxtrauma mit kardiovaskulärer Beteiligung erläutert.

Das am häufigsten vorkommende Krankheitsbild stellt die myokardiale Kontusion dar. Bei etwa 76% der Patienten mit schwerem Thoraxtrauma ist diese zu finden. Sie betrifft meist den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Im Ultraschall findet sich bei diesem Krankheitsbild eine Kontraktilitätsminderung. Das am häufigsten auftretende klinische Krankheitsbild ist mit einem Low Cardiac Output Syndrom unterschiedlicher Ausprägung vereinbar. Ausgelöst wird dieses Krankheitsbild durch eine Veränderung der Erregbarkeit der Myokardzellen, die dann zu Rhythmusproblemen führt. Aufgrund dieser Arrhythmien kann es dann zu einem zunehmenden Pumpversagen des Herzen kommen oder sogar zur Ausbildung eines kardiogenen Schocks. Weitere direkte Traumata des Myokards können zu-dem zu einem myokardialen Hämatom führen, welches sich dann bis zur Ausbildung einer Myokardnekrose fortsetzen kann. Weitere konsekutive Probleme nach einer myokardialen Kontusion sind Einblutungen in das Epikard, die dann zu einem Hämatoperikard und/oder zu einer zunehmenden Perikardtamponade führen können. Die klinischen Auswirkungen stellen sich oft in einer Schwellung der Brustwand (Hämatom der Pectoralismuskulatur) als Ausdruck des Thoraxtraums, in einer Tachykardie oder Rhythmusstörungen dar. Es können retrosternale Schmerzen ähnlich wie Angina pectoris Symptomatik auftreten.

Thoraxtrauma – Update

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Besonders zu beachten sind in diesem Zusammenhang knöcherne Bruchverletzungen wir Rippen- oder sternale Frakturen.

Perikardtamponade Bei weniger als 2% aller schweren Thoraxtraumen tritt eine Perikardtamponade auf. Unter einer Perikardtamponade versteht man die Behinderung der Herzfüllung durch Blut- oder andere Flüssigkeiten im geschlossenen Herzbeutel. Dadurch kommt es vor allem zu einer Kompression der rechten Herzhöhle und einer so genannten oberen und unteren Einflussstauung, da durch die Flüssigkeit oder Blut im Perikard die Füllung des rechten Herzens beeinträchtigt wird. Die Mortalität einer Perikardtamponade im Beginn eines Tho-raxtraumas ist sehr hoch. Die Gründe für die Ausbildung einer Perikardtamponade können die Verletzung einer Koronararterie, eine Kontusionsblutung aus dem Myokard oder eine Blutung aus der Aorta sein. Pathophysiologisch wird das Herz im Herzbeutel durch das Blut komprimiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass bereits 200-300 ml Blut erheblich die Kontraktilität des Herzens beeinträchtigen. Eine Therapieform stellt eine Perikardiozentese dar, bei der bereits die Abpunktion von 20 ml Flüssigkeit aus dem Perikard oft eine erhebliche Verbesserung der Hämodynamik hervorrufen kann. Klinisch kann eine Perikardtamponade aufgrund der Dyspnoe, einer möglichen Zyanose mit oberer Einflussstauung sowie der so genannten Beck’schen Trias (Halsvenenstauung) leise Herztöne, Hypotension und niedrige Blut- druckamplitude festgestellt werden. Das Kussmaulzeichen, bei dem kein Kollaps der Hals-venen bei der Einatmung zu sehen ist, ein paradoxer Impuls, Blutdruckabfall um mehr als 10 mmHg während der Einatmung und das Oberflächen-EKG mit Amplitudenschwankungen können weitere Hinweise für eine Perikardtamponade sein.

Das größte diagnostische und am schnellsten herbeizuführende Diagnostikum stellt eindeu-tig die transthorakale oder transösophagiale Ultraschalluntersuchung des Thorax und des Herzens mit seinem Herzbeutel dar. Da diese oft unter Beatmung nur eingeschränkt möglich ist, empfiehlt sich auch in der dieser Konstellation nach Ausschluß einer Oesophagusper-foration die Durchführung eines transoesophagialen Echos. Bei hämodynamisch instabilen Patienten sollte auf die Durchführung eines CTs mit vorhergehendem Transport verzichtet werden. Die Therapie der Perikardtamponade besteht darin, diese so schnell als möglich zu entlas-ten. Dieses ist über eine mediane Sternotomie oder über eine linkslaterale Thorakotomie möglich. Ein subxyphoidaler Zugang kann ebenfalls gewählt werden.

Ausbildung eines Herzwandaneurysmas oder einer Herzwandruptur:Dieses Krankheitsbild findet sich nur bei extremsten Thoraxtraumata und diese beiden Enditäten treten oft sekundär als Folge eines größeren Myokardinfarktes im Rahmen des Traumas auf. Die Hinweise auf dieses Krankheitsbildes stellen oft ausgeprägte Sternum- Und Serienfrakturen dar, es kommt fast regelmäßig zum Ausbilden einer Perikardtampo-nade und es können zudem Probleme an den Klappen auftreten wie z.B. Klappenrupturen, Sehenfadenabriß an den Klappen. Je nach dem welche Klappe betroffen ist, kommt es zum akut zum Auftreten eines Rechts- oder Linksherzversagens. Bei einer Ruptur eines

Thoraxtrauma – Update

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Herzwandaneurysmas kommt es meistens nach einem schweren initialen Schmerzerereig-nis zum Erlöschen der Vitalzeichen des Patienten und Reanimationsmaßnahmen mit einer externen Herz-Druck-Massage sind erfolglos. Die Sterblichkeit an der freien Ruptur eines Herzwandaneurysmas ist hoch und kann mit anekdotischem Überleben von Patienten am besten dargestellt werden.

Traumatische Verletzungen der Gefäße Bei Akzelerations- oder Dezelerationstraumata kommt es nur bei sehr schweren Traumata zu einer Verletzung der Aorta. Die Mortalität wird in der Literatur zwischen 85 und 95% angegeben. Wenn das initiale Traumaereignis mit Ausbildung einer gedeckten Aortenruptur oder Dissektion überlebt wird, dann beträgt die Mortalität 30% nach 6 Stunden und 50% nach 24 Stunden und 70% Mortalität nach einer Woche. Die Verletzung konzentriert sich meist auf die Fixpunkte der Aorta, die wir ausführlich im Einleitungskapitel erläutert haben. Die Symptome stellen oft eine rapide Verschlechterung der Vitalzeichen dar und als klini-sche Zeichen finden sich ein Pulsdefizit zwischen der rechten und der linken oberen oder unteren Extremität. An weiteren vorstellbaren Gefäßverletzungen sind die Ruptur der Vena cava superior oder inferior an ihren Fixationspunkten innerhalb des Thorax meist an den Durchtrittstellen durch das Perikard. Durch die Blutung aus den Venen kommt es eben- falls zum Ausbilden einer Perikardtamponade, insbesondere die Klinik, die gleich ist wie bei einer akuten Perikardtamponade ist wegweisend. Bei Einriss von großen Gefäßen im Mediastinum tritt Blut ins Mediastinum aus und komprimiert zum Teil die großen venösen Gefäße und vor allem auch die Speiseröhre. Die Symptome sind die gleichen wie bei einem penetrierenden Trauma mit Verletzung des Herzens und der Gefäße. Es kommt zur Hypo-volämie und Ausbildung eines Schocks. Im Röntgenbild ist eine Verbreiterung des Medias-tinums sichtbar.

Versorgung der Verletzungsarten am Herzen und den großen GefäßenJe nach der Ausprägung und der hämodynamischen Auswirkung der Verletzung sollte eine sofortige Versorgung der penetrierenden kardialen Verletzungen bzw. einer penetrieren-den Gefäßverletzung erfolgen. In der Regel können bei Stich- und Schussverletzungen des

Thoraxtrauma – Update

Versorgung von Verletzungen mit Nähten und tangentialem

Ausklemmen.

Die Versorgung erfolgt in der Regel im Rahmen der Notfall-

behandlung im Schockraum über eine linkslaterale großzügig

durchgeführte Thorakotomie, bei der der Herzbeutel eröffnet

wird und eine digitale Kontrolle der Blutung durchgeführt

werden kann (1, 3, 6, 7).

Zur Kontrolle der Verletzung können auch Hilfsmittel wie

Foley- oder Fogarthykatheter eingesetzt werden, die im linken

Cavum geblockt und an die innere Herzwand zurückgezogen

werden. Damit wird ein blutdichter Verschluß der penetrie-

renden Herzverletzung erzielt.

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Herzens, sofern diese initial überlebt werden, die Verletzungen des linken oder meist des rechten Ventrikels mit Nähten versorgt werden.

Thoraxtrauma – Update

Abb. Die Abbildungen zeigen die Versorgung von

penetrierenden Verletzungen des Herzen, die via einer

lateralen Notfallthorakotomie mit einem Fogarthy-

katheter gestoppt wurden (www.tauma.org)

Die weiteren Vorgehensweisen bei einer Thoraxverletzung mit Verdacht der Verletzung der großen Gefäße und

des Herzens sind in einem Algorhythmus obenstehend dargestellt.

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Thoraxtrauma – Update

Kommt es zu einer Hypotension oder zu einer Ausbildung eines Low Cardiac Output Syndroms, welches als Ursache eine kardiale Verletzung oder eine Verletzung eines großen Gefäßes nach sich zieht, so werden die üblichen Notfallversorgungsmaßnahmen mit Legen von großlumigen Zugängen und Sicherung der Atemwege, Gabe von Volumen, Plasma-Expandern und Thoraxdrainagen durchgeführt.

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Thoraxtrauma – Update

Ist eine hämodynamische Stabilität zu erzielen, kann im OP eine geordnete Versorgung bei parallel laufender Diagnostik durchgeführt werden. Ist die Hämodynamik des Patienten auch unter diesen Maßnahmen weiterhin instabil, so sollte die Möglichkeit der Operation im Schockraum als sogenannte emergency department Thorakotomie (edT) angedacht wer-den (7). Ist eine Notfallversorgung im Schockraum erfolgt, so wird der Patient dann anschlie-ßend nach hämodynamischer Stabilisierung und Initialversorgung der größten Verletzun-gen im OP endgültig versorgt (7). Des Weiteren ist bei der Verletzung von großen Gefäßen und des Herzens mit nachfolgender operativer Versorgung nach hämodynamischer Stabili-sierung dann eine weitere Feindiagnostik erforderlich. Die Feindiagnostik beinhaltet eine Darstellung der gesamten Klappenfunktionen (5) des Herzens incl. der Gefäßversorgung (Koronarangiographie). Es müssen zudem Defekte der intraartrialen und intracavitären Septen ausgeschlossen werden. Bei Verletzungen der großen Gefäße sind unbedingt bild-gebende Verfahren in Form von Angio-CT durchzuführen, so dass eine genaue Darstellung der supraaortalen Äste des gesamten Aortenrohres durchgeführt werden können (4,5,6). Stellen sich nach Akutversorgung von Gefäßen im Angio-CT weiterhin Pathologien dar, so können diese interventionell mit Stents versorgt werden (5).

Traumatische Aortenrupturen

Eine traumatische Aortenruptur im Rahmen eines Akzellerations- oder Dezellerations-traumas tritt meist nicht isoliert sondern oft im Rahmen eines Polytraumas auf. Das Poly-trauma entsteht meist durch die großen wirkenden Kräfte, denen der Patient ausgesetzt wird. Die Problematik der traumatischen Aortenruptur besteht darin, dass die konventio-nelle chirurgische Versorgung mit Anschluß an die Herz-Lungen-Maschine bei einem polytraumatisierten Patienten oft zu großen Blutverlusten der meist frakturierten Becken-Oberschenkelgebieten führt, so dass schlussendlich intraoperativ ein hohes Risiko für den Patienten besteht, an der notwendigen gefäßchirurgischen Maßnahme zu verbluten (4,5,7). Eine Alternative hierzu stellen transaortal einzubringenden bezogene Aortenstents dar, bei denen eine Versorgung einer traumatischen Aortenruptur endovaskulär möglich wird. Die-ses Vorgehen hat bei diesem polytraumatisierten Patienten sicherlich Vorteile, setzt jedoch voraus, dass ein geeignetes Zentrum innerhalb kürzester Zeit gefunden wird, welches in der Lage die traumatische Aortenruptur mit einem Stentgraft zu versorgen und die bestehenden Begleitverletzungen adequat mitzuversorgen. Die Zentren für endovaskuläre Stentversor-gung sind meist an herzchirurgische Kliniken angebunden (4, 7).

Eine Versorgung einer traumatischen Aortendissektion setzt daher zum einen das Bereit-stellen eines kompletten OP-Saales sowie einer kompletten Diagnostikeinheit im OP voraus. Diese Voraussetzungen sind nur mit Hilfe eines sogenannten Hybridoperationssaales ge-geben, in welchem sowohl die Diagnostik als auch die Versorgung sofort durchgeführt wer-den kann. Dieses ist bisher nur in wenigen Kliniken in Deutschland der Regelfall. Ein weitere Unsicherheit in der interventionellen Versorgung dieses Krankheitsbildes ist, dass die Langzeitergebnisse der Stentversorgung bei akuter traumatischer Aortendissektion noch nicht klar sind. Die akute Stentversorgung stellt jedoch zur Zeit für die Akutphase sicherlich die beste Möglichkeit dar, um die Aorta zumindest temporär zu versorgen (4).

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Thoraxtrauma – Update

Literatur:

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3. Bizzarri F, Mattia C, Ricci M, Chirichilli I, Santo C, Rose D, Muzzi L, Pugliese G, Frati G, Sartini P, Ferrari R, Della Rocca C, Laghi A. Traumatic aortic arch false aneurysm after blunt chest trauma in a motocross rider. J Cardiothorac Surg. 2008 May 1; 3:23.

4. Semih Buz, Burkhart Zipfel, Sead Mulahasanovic, Miralem Pasic, Yuguo Weng, Roland Hetzer. Conventional surgical repair and endovascular treatment of acute traumatic aortic rupture. EurJCardThroac Surg 33 (2008) 143-151

5. Da Col U, Di Lazzaro D, Di Manici G, Affronti A, Bardelli G, Di Bella I, Ragni T. Aortic valve repair after blunt chest trauma: repair of traumatic aortic valve rupture. J Card Surg. 2007 May-Jun;22(3): 221-3.

6. Degiannis E, Loogna P, Doll D, Bonanno F, Bowley DM, Smith MD. Penetrating cardiac injuries: recent experience in South Africa. World J Surg; 2006 Jul;30(7): 1258-64

7. Navid F, Gleason TG. Great vessel and cardiac trauma: diagnostic and management strategies. Semin Thorac Cardiovasc Surg. 2008 Spring;20(1): 31-8

Kontakt:

Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.Ärztlicher Direktor MediClin Herzzentrum Lahr/BadenChefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und GefäßchirurgieHohbergweg 2, 77933 Lahr

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

II. SitzungErweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie

– Was ist wann sinnvoll –

Vorsitz: K. H. Winker, Erfurt/V. Rilinger, Frankfurt

S. Ruchholtz, Marburg/A. Hedtmann, Hamburg

Sonographie

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

J. Blum, Worms

Die Computertomographie in der Unfallchirurgie – was ist wann sinnvoll?

ZusammenfassungDie Computertomographie stellt einen wesentlichen Bestandteil in der modernen unfall- chirurgischen Diagnostik dar. Sie verdrängt weder die unfallchirurgische Anamnese- erhebung, noch die körperliche Untersuchung. Auch die konventionelle radiologische Diagnostik und Sonographie haben weiterhin ihren Stellenwert. Dennoch hat das CT in-zwischen beim Polytrauma-Scan eine führende Rolle eingenommen. Die CT-Diagnostik beim Thorax-, Abdomen-, Becken- und Wirbelsäulenverletzten, wie auch beim Schädel-Hirn-Trauma ermöglicht eine professionelle Einschätzung und Therapieplanung.

Bei komplexen Gelenkfrakturen, wie auch bei komplexen Hand- und Fußtraumen kommt dem CT eine Schlüsselrolle zu. Bei den Schaftfrakturen langer Röhrenknochen ist sie von untergeordneter Bedeutung, bei der Rotationsbestimmung nach Frakturversorgung hinge-gen kann die Bestimmung mit hoher Genauigkeit erfolgen.Dennoch muss ihre Indikation kritisch hinterfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwen-dung stellt eine unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterhin viele Verletzungs-situationen gibt, in denen die Computertomographie keine wesentliche Information für ein verbessertes Ausheilungsergebnis bietet.

SchlüsselworteComputertomographie, Spiral-CT, Polytrauma, Gelenkfraktur, Wirbelfraktur, Beckenfraktur

Summary Computerized Tomography in Trauma Surgery – what makes sense and when?Computerized tomography today is an integral part of modern diagnostics in trauma surgery. It does not substitute trauma history taking or physical examination. Furthermore conven-tional radiological diagnostics and ultra-sounds have their relevant standing even today. Nevertheless CT has now the leading role in polytrauma-scanning.

CT-diagnostics in thoracic, abdominal, pelvic and spine injuries, as well as in acute head trauma enhance a professional prognosis and therapy planing.In complex joint fractures, as also in complex hand and foot trauma CT has a key-role. In long bone diaphyseal fractures its significance is low, but the evaluation of rotational errors after fracture treatment can be performed with high precision. Nevertheless the indication for a CT-scan must be questioned critically, since not indicated applications mean a violation of body integrity, since there are without doubt many injury situations where computer tomography will not offer significant information in order to reach an optimized treatment result.

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

KeywordsComputertomography, spiral-CT, polytrauma, articular fracture, spine fracture, pelvic fracture

1. Einleitung – Computertomographie in der Unfallchirurgie

Die Computertomographie (CT) ist heute aus dem unfallchirurgischen Alltag in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Kaum ein klinisch tätiger Unfallchirurg sieht für sich eine pro-fessionelle Arbeitsplattform, wenn er nicht unmittelbar auf ein CT zugreifen kann. Genauso werden die D-Ärzte im niedergelassenen Bereich eine enge Kooperation mit radiologischen Praxen eingehen, die über einen Computertomographen verfügen.In erster Linie dient das CT hierbei als primäres diagnostisches Werkzeug, welches ent-scheidende Informationen in der Entscheidungsfindung einer adäquaten Therapie bei Ver-letzungen liefern soll. Andererseits bestehen klare Anhaltspunkte, wo das CT auch nach einer primären Therapie in der Beurteilung des weiteren Verlaufes hilfreiche Details liefert. Speziellen Zentren vorbehalten ist der intraoperative Einsatz eines Computertomographen, wenn es um operationsbezogene Details geht, die durch konventionelles Röntgen nicht erreichbar sind.

Der Unfallchirurg erwartet prinzipiell von den schichtweisen Darstellungen eines CTs Ver-letzungsdetails, die er durch Anamnese und körperliche Untersuchung, aber auch konven-tionelles Röntgen und Sonographie oder andere diagnostische Verfahren nicht in gleicher Klarheit und Sichtweise erhalten kann. Er verspricht sich, dadurch ein besseres Verständnis für die Verletzungsform und –schwere, für die damit erbundenen dreidimensionalen Ver-letzungsrelationen und somit auch für die günstigste und an die individuelle Verletzung optimal angepasste Therapiewahl, einschließlich der Operationsplanung vor Osteosynthe-sen, zu erwerben.Diese Erwartung ist genährt durch die Tatsache, dass die Computertomographie aufgrund ihrer axialen Schnittebenen, ihrer überlagerungsfreien Darstellung und der Möglichkeit der Beurteilung der Organe und Weichteile, wie auch der relativ einfachen Lagerung des Ver-letzten bedeutende Vorteile gegenüber der konventionellen Röntgendiagnostik besitzt.

Bewusst wurde die Reihenfolge der diagnostischen Sequenz mit Anamnese und körper-licher Untersuchung angeführt. Die Gefahr in der Verwendung einer beeindruckenden und hochtechnisierten diagnostischen Methode, wie der CT, liegt in der Versuchung, klassische Verfahren, wie die Erhebung der Unfallanamnese, aber auch der exakten und umfassenden körperlichen Untersuchung zu unterschätzen. Es muss auch von den unfallchirurgischen Ausbildern sicherlich in der Gegenwart und Zukunft weiter darauf Wert gelegt werden, diese Priorität zu verdeutlichen.

Die Einordnung der CT nach dem konventionellen Röntgen und minimal-invasiven Sono-graphie ist sicher heute noch für das Monotrauma gültig, hat aber durch die technische und logistische Weiterentwicklung der Spiral-Computertomographie und des damit verbunde-

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

nen „Traumascans“ beim Schwerverletzten und polytraumatisierten Patienten eine deut-liche Einschränkung erfahren.Gegenüber dem polypragmatischen Gebrauch der CT in der Unfallchirurgie sei auf deren heute noch hohe Strahlungsexposition, aber auch je nach Modell längere Unter-suchungszeiten und höhere Anfälligkeit gegenüber Bewegungs- und Metallartefakten hingewiesen.

2. Computertomographie beim Schädel-Hirn-Trauma

Schon Ende des 70er Jahre konnte nachgewiesen werden, dass der Einsatz der Computer-tomographie die Prognose bei Schädel-Hirn-Traumen wesentlich verbessert hat. Zwar kann die native Röntgendiagnostik wesentliche Hinweise auf das Vorliegen von Schädelfrakturen liefern, wodurch ggf. auf intrakranielle Läsionen geschlossen werden kann. Nicht selten werden solche Frakturen erst bei der CT-Untersuchung entdeckt, wobei der wichtigste infor-mative diagnostische Gewinn die Detektion epiduraler, subduraler oder subarachnoidaler Blutungen, intracranieller Kontusionen, Verletzungen der Gehirnsubstanz und die Verlage-rung von Gehirnanteilen darstellt. Die daraus abgeleitete Information zur Entscheidung über konservative oder operative Maßnahmen ist fundamental, die Frage, ob die CT bei Schädel-Hirn-Traumen sinnvoll ist, wird weltweit mit „Ja“ beantwortet. Hinzu kommt die deutlich bessere Beurteilungsqualität von Verletzungen des Gesichtsschädels im Vergleich zur nativen Röntgendiagnostik.

Wann die Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen sinnvoll ist, hängt von der Verletzungsschwere und den damit verbundenen äußeren wie auch neurologischen Ver-letzungszeichen ab, was wiederum die Wichtigkeit der Erhebung von (hier meist Fremd-)Anamnese und körperlich-neurologischer Untersuchung belegt. Sicherlich unsinnig ist die Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen ersten Grades, allerdings sollte bei Zweifeln eines höhergradigen Schädel-Hirn-Traumas direkt eine Computertomographie angestrebt werden.Zeigt die primäre CT eine deutliche Diskrepanz zwischen neurologischer Schwere und einem weitgehend unauffälligen CT, so planen wir hier eine Kontroll-CT innerhalb der nächsten 6–12 Stunden an, bei Befundverschlechtung auch entsprechend früher.Die Notwendigkeit weiterer Kontrolluntersuchungen auch nach erfolgter Therapie ist abhängig vom Verlauf.

3. Computertomographie beim Polytrauma einschließlich Thorax- und Abdominaltrauma

Die Weiterentwicklung des Spiral-CT ermöglichte es bereits in den frühen 90er Jahren, die Computertomographie auch in der Akutdiagnostik polytraumatisierter Patienten einzu-setzen. War damals noch mit deutlichen Schwierigkeiten, wie logistische Probleme, lange Untersuchungszeiten, ungeübtes Personal und hohem Datenanfall bei niedrigen Speicher-

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

kapazitäten zu kämpfen, so haben sowohl die beeindruckenden technologischen Fort-schritte wie auch die Erstellung sinnvoller Untersuchungs-Algorithmen, ausgefeilte logisti-sche Konzepte und die damit verbundene Schulung aller Beteiligten zu einer nun routinier-ten Anwendung des CT-Traumascans geführt.Der Einsatz der Computertomographie ist somit heute bei polytraumatisierten Patienten als sinnvoll einzustufen. Die Frage nach dem „wann?“ ist auch eindeutig zu benennen. Sobald nach der Bergungsphase am Unfallort und der primären Stabilisierungsphase im Schockraum möglich, muss zügig der Traumascan durchgeführt werden. Die daraus neben der Verletzungsübersicht mögliche Feindiagnostik am CT-Bildschirm kann dann parallel zur Überleitung des Unfallverletzten in den OP erfolgen.

Dennoch sollte die Indikationsstellung zum Ganzkörper-Traumascan auf ihre Berechtigung überprüft werden, denn auch mit modernen Geräten besteht eine nicht geringe Strahlen-exposition. Die Auflösung der Übersichtsprogramme des Spiral-CT muss hoch genug sein, um konventionelle Röntgenaufnahmen zu ersetzen, die Scan- und Rechenzeiten müssen so kurz wie möglich sein. Das Gerät muss sehr nahe am, im idealen Fall sogar im Schockraum integriert sein. 24-Stunden täglich verfügbares Fachpersonal muss hochwertig geschult zur Verfügung stehen.

Neben dem primären Traumascan beim polytraumatisierten Patienten kann im weiteren Verlauf eine zweite Computertomographie notwendig werden, wenn es um die Versorgung aufschiebbarer Verletzungsfolgen geht, wie beispielsweise epi- und metaphysärer Fraktu-ren, die nun nach einigen Tagen ihre definitive Osteosynthese erfordern und bei denen der Datensatz des Traumscans noch nicht befriedigende Detailtreue bietet.

4. Computertomographie bei Wirbelsäulenverletzungen

Verletzungen, und hierbei insbesondere Frakturen der Hals-, Brust- und Lendenwirbel-säule, treten sowohl als Monoverletzungen, als auch im Kontext eines Polytraumas auf. Bei Letzteren werden diese in der Regel im Rahmen des Traumascans erkannt und auch im Wesentlichen bereits klassifizierbar. Bei den Monoverletzungen, insbesondere bei jenen ohne neurologische Symptomatik, ist die Computertomographie nicht das primäre diagnos-tische Mittel, sondern die konventionelle Radiologie. In Fokus des diagnostischen und therapeutischen Interesses stehen die Wirbelkörperhinter-kante und der knöcherne Spinalkanal.Bei instabilen Frakturen streben wir zügig die Computertomographie an. Wenn konventio-nell kein Verdacht auf eine instabile Frakturform, aber dennoch eine neurologische Sympto-matik vorliegt oder sich rasch entwickelt, so ist eine Computertomographie direkt indiziert. Nicht selten wird beispielsweise eine Hinterkantenbeteiligung mit Kompression erst im CT erkannt. Sagittale, koronare oder paraaxiale Rekonstruktionen erlauben es oft, das Ver-letzungsausmaß besser zu erfassen.Die Untersuchung sollte Knochen- und Weichteilfenster beinhalten, um auch begleitende Hämatome etc. erkennen zu können.

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Sowohl nach konservativem Vorgehen, wie auch bei operativer Stabilisierung wird die Computertomographie ihren hohen Stellenwert zur Verlaufsbewertung behalten, da sie Details offenbart, die im konventionellen Röntgen nicht so eindeutig zu bewerten sind. Dies gilt selbst bei einer gewissen Einschränkung durch Metallartefakte wie nach der Pedikel- und Wirbelkörperinstrumentierung oder Cage-Implantation.

Wenig hilfreich ist die Computertomographie in der Klärung der Frage nach alten oder frischen Frakturen, insbesondere bei den osteoporotischen Frakturen. Hier ist die MRT vorzuziehen.

5. Computertomographie bei Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes

Schwere Becken- und Azetabulumfrakturen treten meist im Rahmen eines Polytraumas auf, so dass hier bereits im Rahmen des Traumascans deren vitale Bedrohlichkeit und Verknüp-fung mit intrapelvinen Organ- und Weichteilverletzungen erkannt werden kann. Zumindest kann hierbei in der Regel die Frage nach der Notwendigkeit eines Beckenfixateurs oder einer Beckenzwinge zusammen mit dem klinischen Bild des Patienten sehr rasch entschie-den werden. Moderne Computertomographen erlauben in der Regel auch die verfeinerte Auswertung der Datensätze einschließlich drei-dimensionaler Rekonstruktionen, so dass auch für die definitiven anspruchsvollen Osteosynthesen die nötige Information verfügbar ist.Auch für die geplante Versorgung solcher Frakturen ausserhalb der primären Notfallsitua-tion halten wir die Computertomographie für unerlässlich. Die alleinige Verwendung konventioneller Ala- und Obturator- bzw. Inlet- und Outletaufnahmen zusammen mit der Beckenübersicht wird als nicht ausreichend angesehen.Gleiches gilt für Frakturen des Hüftkopfes (Pipkin-Frakturen), die durch eine CT verfeinert untersucht und klassifiziert wird, bevor das operative Konzept festgelegt wird.Bei den Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes und deren konservativer oder eher operativer Versorgung spielt die Computertomographie auch im Verlauf eine Rolle sowohl bei der Beurteilung von Frakturfragmentrepositionen und –alignement, wie auch bezüglich der einliegenden Implantate. Beispielsweise die korrekte Lage von Sakralschrauben oder die extraartikuläre Position von Schrauben im Rahmen der Azetabulumplattenosteosyn-these lässt sich nur im CT eindeutig klären.

Bei Osteotomien fehlverheilter Becken- oder Azetabulumfrakturen ist die Computertomo-graphie unbedingte Vorraussetzung in der Operationsplanung.

6. Computertomographie bei Gelenkverletzungen

Die Computertomographie ist eine anerkannte Domaine in der Beurteilung und Operations-planung epi- und metaphysärer Frakturen an Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und Hand, Kniegelenk, Sprunggelenk und Fuß. In der Regel besteht bei den geschlossenen Frakturen

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auch genügend Zeit, diese Untersuchung geplant und ohne Zeitdruck durchzuführen. Da die Maxime in der operativen Behandlung solcher Frakturen die anatomische und stufenfreie Wiederherstellung der Gelenkflächen und ihrer räumlichen Ausrichtung liegt, erfordert dies ein Detailwissen der Frakturform und -klassifikation, das in der Regel durch konventionelle Röntgendiagnostik, aber oft auch durch den direkten Einblick während der Operation nicht zu erreichen ist.Selbst bei den sehr häufigen, aber teilweise unterschätzen Frakturformen, wie beispiels-weise den distalen Radiusfrakturen und den proximalen Humerusfrakturen lässt sich ein Trend hin zum vermehrten Einsatz der Computertomographie zur Operationsplanung erken-nen. Dies korreliert mit den inzwischen höheren Operationsfrequenzen solcher Frakturen. Natürlich muss der CT-Einsatz auch hier begründet sein. Ein weitgehend undislozierte subcapitale Humerusfraktur oder eine isolierte rein extraartikuläre distale Radiusfraktur wird selten ein CT erfordern. Allerdings je komplexer und Gelenkflächen-bezogener die Fraktur, umso mehr muss die Frage nach einer CT überlegt werden - dies insbesondere bei jungen und sportlich ambitionierten Patienten.Komplexe Verletzungen des Schultergürtels, insbesondere auch der Schultergelenkspfanne, sind ohne CT kaum sachgerecht einzustufen. Als Screening nach reinen Schulterluxationen ist hingegen das MRT überlegen.Proximale Tibiafrakturen, wie auch Frakturen des Pilon tibiale stellen nahezu immer eine Indikation zur computertomographischen Untersuchung dar, insbesondere wenn sie epi-physärer Natur sind. Die früher geübte Praxis, auch Kniebinnenverletzungen mittels CT (und ggf. intraartikulärer Insufflation) zu untersuchen, ist weitgehend durch die Überlegenheit des MRT verlassen worden.

Frakturen der Handwurzel, Fußwurzel wie auch des Rückfußes sind in der Regel als Gelenk-frakturen einzustufen. Hier besitzt die Computertomographie einen hohen Stellenwert. Unstrittig ist seit vielen Jahren die CT-Diagnostik bei Rückfußfrakturen. Die Komplexizität von Calcaneus-, aber auch Talusfrakturen und -luxationen ist mit konventionellen Röntgen-aufnahmen, oft auch mit Spezialaufnahmen wie z.B. nach Broden nur unzureichend zu erfassen. Das gleiche gilt für komplexe Kombinationsverletzungen mit Luxationen des Rück-, Mittel- und Vorfußes, wo für uns eine CT obligat ist.

Analog ist dies auf die Handwurzel zu übertragen. Auch bei den Scaphoidfrakturen ist der Anspruch an eine perfekte anatomische Rekonstruktion gestiegen, so dass der Trend deut-lich wird, die Diagnostik nicht nur auf die Scaphoid-Quartett-Spezialaufnahmen zu begren-zen, sondern eine Computertomographie zur Operationsplanung voranzustellen.Hingegen ist bezüglich der Frage nach Weichteilverletzungen, wie beispielsweise Verlet-zungen des TFCC, die MRT eindeutig überlegen.

Die technischen Möglichkeiten moderner Computertomographen erlauben in der Regel die spektakuläre und animierte dreidimensionale Rekonstruktions-Darstellung. Sicherlich kann dadurch für eine Reihe von komplexen Frakturtypen eine nahezu reelle Sichtweise erzeugt werden, die im Gegensatz zur intellektuellen Kombination einzelner (zweidimensioneller)

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Schnittebenen leichter und gefälliger erscheint. Dennoch ersetzt dies nicht die Bildbetrach-tung klassischer CT-Schnitte, da hier manche Operationsschritte weit besser und tiefgreifen-der geplant werden können, weil Überlagerungseffekte wegfallen.

7. Computertomographie bei Schaftfrakturen langer Röhrenknochen

Die diaphysären Frakturen langer Röhrenknochen werden beim Polytraumatisierten in der Regel im Traumascan erkannt. Dennoch ist das CT nicht die Methode der Wahl oder ein Regelzusatz in der Diagnostik solcher Frakturen. Auch heute noch ist weitgehend das kon-ventionelle Röntgen in zwei Ebenen ausreichend. Die CT-basierte Navigation diaphysärer Frakturen langer Röhrenknochen spielt eine marginale Rolle.Allerdings dient die CT durchaus in der postoperativen Rotationskontrolle, insbesondere von Femurfrakturen, wenn hier Zweifel angezeigt sind.

8. Fazit

Die Computertomographie ist in der Unfallchirurgie etabliert. Als Unterstützung in der Diag-nostik und Einschätzung von Verletzungsfolgen ist sie heute von hoher Wichtigkeit, für die Planung und Kontrolle unfallchirurgischer Therapien in vielen Fällen unerlässlich. Dennoch muss ihre Indikation kritisch hinterfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwendung stellt eine unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterhin viele Verletzungssituationen gibt, in denen die Computertomographie keine wesentliche Information für ein verbessertes Ausheilungsergebnis bietet.

Wünschenswert wäre für die CT-Entwicklung eine weitere Verbesserung der Arbeitsge-schwindigkeit und Verlässlichkeit, der Detailtreue, aber auch der Preisgünstigkeit in einer Welt zunehmend knapperer Mittel in der Krankenhaus- und Praxislandschaft.

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Kontakt:Blum, Jochen, Prof. Dr. med.Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum WormsAkad. Lehrkrankenhaus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz67550 Worms

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T. J. Vogl, Chr. Fiebig

Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist sinnvoll? MRT aus radiologischer Sicht

ZusammenfassungDie erweiterte bildgebende Diagnostik mit neuester Spulen- und Sequenztechnik stellt einen wichtigen diagnostischen Bestandteil für die richtige Diagnosestellung in der Unfall-chirurgie dar. Bei Untersuchungen mit Feldstärken ab 1,5T sollten Protokolle zum Einsatz kommen, die spezifisch die Fragestellung an das muskuloskelettale System und deren Pathologie erlaubt zu verifizieren. Im Folgenden werden die exakten Indikationsstelllungen über das Kniegelenk, das Schultergelenk und die Wirbelsäule dokumentiert und erarbeitet. Abhängig von der klinischen Thematik kommen die zitierten Untersuchungsprotokolle zum Einsatz. Indikationsstellung und Ergebnisse müssen dabei im Einzelfall präzisiert werden.

SchlüsselwörterCT, MRT, Traumatologie, Kniegelenk, Schultergelenk, Wirbelsäule

SummaryImaging diagnostics with the latest sequence developments and coil techniques is essential for the exact diagnosis in trauma surgery. In examinations with field strengths from 1.5 Tesla onwards protocols should be applied, which specifically allow verification of diagnosis re- garding the musculoskeletal system and its pathologies. In the following exact indication for the knee joint, the shoulder joint and the vertebral column are documented and evaluated. Depending on the clinical topic the examination protocols mentioned above are applied. Indication and results need to be specified in the individual cases.

Key wordsCT, MRI, traumatology, knee joint, shoulder joint, vertebral column

EinleitungDie Aufgabenstellung der radiologischen Diagnostik inklusive der bildgebenden Diagnostik, der Computertomographie und des MRT ist die zur Verfügungstellung von bildgebenden Verfahren rund um die Uhr mit jeweils höchster Auflösung und präzisen diagnostischen und topographischen Informationen. Im Folgenden sollen einmal die Indikationen zum Einsatz der MRT in der Traumatologie vorgestellt werden. Dies soll anhand von drei Organsystemen wie dem Kniegelenk, dem Schultergelenk und der Wirbelsäule dokumentiert werden.

KniegelenkDas Kniegelenk, das durch Muskeln, einem inneren und äußeren Seitenband, einem vor- deren und hintern Kreuzband, und dem inneren und äußeren Meniskus stabilisiert wird, neigt als bandgesichertes Gelenk bei Verletzungen zur Instabilität. Daher ist es notwendig,

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traumatische Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln, bevor die Statik des Gelenkes beeinflusst wird. Die häufigsten Verletzungen des ligamen-tären Halteapparats beziehen sich auf die Kreuz- bzw. Seitenbänder. Verletzungen der Gelenkkapsel stellen keine primäre Indikation zur MRT, sie können aber im Verlauf der Untersuchung mitbeurteilt werden. Begleitende Gelenkergüsse und Hoffa-Fettkörper-schwellungen mit Impingement stellen sich ebenso aussagekräftig dar, wie Bone-Bruise und Kapselzysten. Der Ablauf der Untersuchung sollte anhand des Protokolls erfolgen und alle Gelenkstrukturen umfassen.

MeniskusstrukturenUm die Menisken in ihrem vollen Umfang ausreichend darzustellen, werden sagittale und koronare Schichten erstellt. Somit werden Binnenödeme und Rupturen sowie angrenzende Strukturen in ihrer Lage zum Meniskus sicher abgebildet. Dadurch lässt sich die Gradein-teilung der Verletzung feststellen. Im Gegensatz zur diagnostischen Arthroskopie können so alle Verletzungsgrade erkannt werden. Verletzungen der Grade I und II sind als Binnen-schäden des Meniskus zu werten. Sie werden mit keinem anderen Verfahren abgebildet (Abb.1). Diagnostische Arthroskopien stellen in diesem Fall keine Alternative dar, da die Läsion keinen Bezug zur Meniskusoberfläche hat. Diese ist weiterhin glatt begrenzt und unverletzt, während sich im Meniskusbinnenraum erste strukturelle Veränderungen zeigen. Grad-I-Verletzungen beruhen auf einer punktuellen Umwandlung der kollagenösen Matrix mit Schwächung der fibrillären Struktur. Das entstehende Mikroödem stellt sich als Aufhel-lung gut abgrenzbar zum übrigen Knorpelgewebe dar. Grad-II-Verletzungen sind als ein Fortschreiten der ödematösen Veränderung entlang der Kollagenfibrillen zu werten. Ihre Signalverstärkung ist deutlich kontrastreicher und der räumliche Verlauf der Läsion ist ausgedehnter. In vielen Fällen kommt es zur Schwächung und Zerreißung der Kollagenfib-rillen durch andauernde Belastung. Grad-III-Verletzungen sind auch während der diagnos-tischen Arthroskopie gut zu erkennen, da sie die Knorpeloberfläche erreichen und hier zur deutlichen Rissbildung führen. Im MRT stellen sie sich als longitudinale Signalverstärkun-gen dar. Je nach Rissverlauf und -tiefe kann das zum Kniebinnenraum gerichtete Fragment dislozieren. Dies ist hauptsächlich bei zirkulär verlaufenden Rupturen der Fall, jedoch nicht die Regel. Bei erfolgter Dislokation eines zirkulär rupturierten Meniskusfragmentes in den Interkondylenraum spricht man von einem Korbhenkelriss. Die koronaren Schichten weisen in diesem Fall einen nach medial verplumpten Meniskus mit stumpfem Margo medialis auf. Im Bereich des vorderen Kreuzbandansatzes lässt sich zusätzlich das dislozierte Meniskus-fragment abgrenzen. Die sagittalen Schichten stellen dieses dislozierte Fragment in seiner longitudinalen Ausdehnung dar. Es erscheint als bandförmige Struktur unterhalb des Ver-laufes des hinteren Kreuzbandes. Dem Aussehen nach wird es das Zeichen des „doppelten hinteren Kreuzbandes“ genannt.

Bandapparat des KniegelenkesDie Stabilität des Kniegelenkes wird hauptsächlich über den Bandapparat gewährleistet. Hierzu zählen das mediale und laterale Kollateralband, das vordere und hintere Kreuzband, sowie das Patellarband und die Quadrizepssehne. Mehrere kleinere Bänder wie das Liga-mentum transversum, Ligamentum meniskofemorale anterius und posterius sind an der

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

Aufrechterhaltung der Stabilität weniger beteiligt. Sie verhindern eher die Dislokation von Klein-strukturen wie Menisken und Gelenkkapsel und ermöglichen somit den orthograden Bewegungs-ablauf ohne Impingementsyndrome. Ist es zur Verletzung der gelenkstabilisierenden Bänder gekommen, bietet die MRT hervorragende diag-nostische Möglichkeiten. In der Regel gelingt die Darstellung aller relevanten Bandstrukturen überlagerungsfrei, und Pathologien können an-hand der morphologischen Veränderungen sowie der Signalalteration dargestellt werden.

Die Seitenbänder des KniegelenkesDas Ligamentum collaterale mediale (Innenband)

entspringt dem medialen Fenurkondylus und verläuft kapsulär nach distal zur medialen Fläche der Tibia. Es setzt über eine Länge von ca. 5–7 cm hier an. In seinem Verlauf ist es fest mit dem Innenmeniskus verbunden und hält diesen während der Bewegung des Knie-gelenkes in Position. Krafteinwirkungen von lateral, wie z.B. Valgusstress oder Distorsions-traumen, können das Band schädigen. In den meisten Fällen geht die Verletzung des Innen-bandes mit kombinierten Verletzungen des Kniegelenkes einher. Der kapsuläre Verlauf des Innenbandes und die Verbindung zum Innenmeniskus komplizieren die Verletzungen. Bei adäquater Krafteinwirkung kann der Meniskus vom Band getrennt werden und seine Füh-rung verlieren. Im MRT erscheint der Meniskus nach lateral verlagert, und im Bereich der ursprünglichen Verbindung kann ein Ödem, eventuell eine Einblutung, nachgewiesen wer-den. Diese Verletzung betrifft am ehesten die tiefere Bandschicht, wobei die oberflächlichen Bandschichten noch ausreichend Gelenkstabilität bieten. Eine komplette Ruptur des Innen-bandes kann klinisch durch die Aufklappbarkeit bei Valgusstress sowie die schmerzhafte Lokalisation nachgewiesen werden. Im MRT ist die Kontinuität des Bandes unterbrochen und die Rupturenden wirken diffus aufgetrieben. Das angrenzende Weichteilgewebe ist im Seitenvergleich verdickt, was dem begleitenden Ödem entspricht; die Abgrenzbarkeit des Bandes zum umgebenden Gewebe ist erschwert. In den meisten Fällen kann Bone-Bruise nachgewiesen werden an den Insertionsstellen, am ehesten im Bereich des Femurkondylus, da das Band im Gegensatz zur tibialen Insertion eine kleinere Ansatzfläche findet. Ossäre Ausrisse des Innenbandes können schon im a.p.-Nativröntgen dargestellt werden. Teilrup-turen betreffen am ehesten die tieferen Bandschichten und die Verbindung zum Innenme-niskus. Im MRT ist die gelenkseitige Fläche des Innenbandes in ihrer Kontinuität unterbro-chen, ein subligamentäres Ödem ist im Kapselbereich nachzuweisen. Reißt der Innenmenis-kus vom Innenband ab, liegt in vielen ein Hämarthos vor. Das Ligamentum collaterale laterale enspringt im Bereich des lateralen Femurkondylus und zieht extrakapsulär nach dorsokaudal. Es setzt im Bereich des Fibulaköpfchens an und strahlt in die komplexe Band-sicherung des tibiofibularen Gelenkes ein. Verletzungen entstehen bei Varusstress mit Innenrotation des Unterschenkels. In der MRT stellt sich die Außenbandverletzung ähnlich der Innenbandverletzung dar, wobei die Separation vom Außenmeniskus hier physiologisch

Abb. 1:

MRT Ruptur des Innenmeniskushorns

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ist. Klinisch imponieren lokaler Druckschmerz sowie die vermehrte Varusaufklappbarkeit. In den meisten Fällen wird die isolierte Verletzung des Bandes nicht durch einen Gelenkerguss begleitet. Ödem und flaue Abgrenzbarkeit zum umgebenden Weichteilmantel sowie Konti-nuitätsunterbrechung sind aber im Falle der Ruptur dargestellt.

Die Kreuzbänder des KniegelenkesDas vordere und das hintere Kreuzband werden auf Bildern sagittaler Schichtung am aus-sagekräftigsten dargestellt. Aufgrund ihres Durchmessers von ca. 1 cm und ihrer guten Kon-trastierung gegen das umgebende Gewebe sind sie leicht zu lokalisieren und zu beurteilen. Das vordere Kreuzband entspringt an der Facies medialis des Condylus femoris lateralis im dorsalen Drittel. Es verläuft umgeben von einer derben, periligamentären Fascie nach ventrocaudal und setzt im ventralen Bereich der Eminentia intercondylaris an. Seine Länge beträgt ca. 2,5–4 cm. Die Hauptaufgabe des vorderen Kreuzbandes ist die Stabilisierung des Kniegelenkes in Extension. Das hintere Kreuzband entspringt an der Facies medialis des Condylus femoris medialis und verläuft, das vordere Kreuzband von medial kreuzend, nach dorsocaudal. Es setzt an der Eminentia intercondylaris im dorsalen Bereich an. Seine Sig-nalintensität im MRT ist im Vergleich zum vorderen Kreuzband etwas geringer, da sein Fettgehalt im Vergleich niedriger ausfällt. Ebenso wie das vordere Kreuzband ist es von einem derben Fascienschlauch umgeben. Bei adäquaten Traumen kann es zu Rupturen der Kreuzbänder kommen (Abb.2). Ist das vordere Kreuzband betroffen. kommt es zu Instabilitä-ten der Tibia zum Femur nach ventral. Klinisch kann die vordere Schublade im Rahmen des Lachmann-Tests festgestellt werden. Der Umfang dieses tibialen Ventralshifts muss aber nicht mit dem Grad der Kreuzbandverletzung korrelieren, da im akuten Fall die Schwellung des umgebenden Weichteilmantels, ein eventuell aufgetretener Gelenkerguss oder Begleit-verletzungen das Testergebnis verfälschen. Isolierte Kreuzbandverletzungen ohne Beglei-terguss oder Schwellung sind äußerst selten. Zur Sicherung der Diagnose ist die MRT die geeignete Methode. Hier stellt sich die komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes, mit Ruptur des Fascienschlauches, als Kontinuitätsunterbrechung dar. Die Rupturenden wirken aufgetrieben, der femorale Bandabschnitt ist nach dorsal verlagert. Ein beginnendes perili-gamentäres Ödem kann durch seine Signalintensität bei oberflächlicher Beurteilung eine Bandkontinuität vortäuschen. Begleitend sind subchondrale Bone-Bruise-Herde an den Ansatzlokalisationen des Bandes zu beobachten. Diese resultieren aus einer dem Trauma entsprechenden Überbeanspruchung des ligamentär-ossären Übergangs. Bei Distorsions-traumen mit folgender Bandverletzung kann Bone-Bruise auch im mittleren Drittel des lateralen Femurcondylus und als Contré-Coup im dorsalen Bereich des lateralen Tibiapla-teaus nachgewiesen werden. Sie treten als Folge einer kurzzeitigen Einstauchung in Distor-sionsstellung auf. Rupturen des vorderen Kreuzbandes ohne Beteiligung des Fascienschlau-ches erhalten die Kontinuität in der MRT. In diesem Fall ist aber die Binnenstruktur des Bandes aufgelockert und das Band weist eine leichte bauchige Kontur auf. Sie resultiert aus dem bandnahen Ödem und kann leicht übersehen werden. Da die meisten Traumen des Kniegelenkes in Extension stattfinden, ist das vordere Kreuzband von Rupturen häufiger betroffen. Das hintere Kreuzband ist mit 3–4 cm etwas länger und deutlich seltener betrof-fen als das vordere Kreuzband. Außerdem treten Rupturen hier in den wenigsten Fällen isoliert auf. Oft werden Begleitverletzungen, wie Seitenbandrupturen und dorsale Kapsel-

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schäden beobachtet. Dies macht die klinische Diagnose deutlich schwerer, und die MRT kann hier ihre Aussagekraft beweisen.

Das SchultergelenkDie MRT stellt eines der aussagekräftigsten diag-nostischen Verfahren zur Beurteilung der physio-logischen und pathologischen Verhältnisse im Schulterbereich dar. Dies beruht vor allem auf der Anatomie der Schulter. Der Humeruskopf kommu-niziert nur über etwa 35% seiner chondralen Oberfläche mit dem Processus glenoidalis der Scapula. Um trotzdem eine ausreichende Stabili-tät zu erreichen, umgreifen verschiedene Muskel-systeme manschettenartig die Gelenkzone. Bei

Verletzungen dieser stabilisierenden Systeme kommt es zu Weichteilschäden, die aufgrund der hohen Signalintensität im MRT sehr gut nachvollzogen werden. Ebenso können Läsio-nen im Knorpelbereich und der Bursae sowie der Sehnenansätze und des Labrum glenoi-dale genau detektiert werden. Ausgereifte Untersuchungsprotokolle und zumutbare Aquisi-tionszeiten machen die MRT hier unerlässlich. Gewissenhafte klinische Untersuchungen mit Dokumentation der Schmerztriggerpunkte und der Bewegungseinschränkung erleichtern die Auswertung der MRT-Daten und ermöglichen ihre klinische Korrelation.

Die RotatorenmanschetteDie wichtigste stabilisierende muskuläre Struktur im Bereich der Schulter stellt die so genannte Rotatorenmanschette (RM) dar. Sie setzt sich aus M. teres minor, M. supraspina-tus, M. infraspinatus, sowie M. subscapularis zusammen. Diese Muskeln umgreifen in ihrem Verlauf den Humeruskopf von ventral und dorsal. Geschlossen betrachtet wirken sie in ihrer Gesamtheit wie eine muskuläre Gelenkkapsel. Anhaltend einseitige Belastungen und traumatische Vorfälle führen zur Degeneration bzw. Ruptur eines Teils der RM. Am häufigs-ten ist der M. supraspinatus betroffen. Dieser kann bei Insuffizienzverhalten einen Hume-rushochstand auslösen und somit zwischen Humeruskopf und Subakromialfacette ein-klemmen. Dieser Umstand ist das am häufigsten beobachtete posterosuperiore Impinge-mentsyndrom, welches daher am ehesten degenerativer Genese ist. Dabei zeigt sich der Subakromialraum deutlich verschmälert, der M. supraspinatus wirkt signalintensiviert und aufgetrieben. Diese ödematöse Veränderung forciert die klinischen Syndrome zusätzlich, es resultiert der so genannte „Painful Arc“ bei Abduktion und Elevation. In vielen Fällen wird eine zusätzliche Ansatztendinitis mit Bursitis calcarea beschrieben, wobei oft ein umschrie-benes Kalkdepot kranial des Tuberculum majus in Erscheinung tritt. Das Ausmaß des Hume-ruskopfhochstandes kann anhand der Korrespondenz des caudalen Abschnittes der glenoi-dalen Gelenkfläche mit der caudalen Knochenknorpelgrenze der medialseitigen Gelenkflä-che des Humerus bestimmt werden. Diese sollten in coronarer Schichtung auf einer Höhe liegen. Die Untersuchung hierzu sollte ohne Belastung und nicht im Zuge der röntgenologi-schen AC-Gelenksdiagnostik erfolgen. Die Beurteilung der ossären Konturen im Bereich des

Abb. 2:

MRT Ruptur des vorderen Kreuzbandes

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Subakromialraumes ist ebenso notwendig, da osteophytäre Anbauten besonders im Bereich der lateralen Clavicula zu chronischem Abrieb mit Schwächung der Supraspinatussehne führen. Seltener kommt es am Schultergelenk zu degenerativen Verletzungen des M. sub-scapularis. Dessen Sehne kann zwischen Processus coracoideus und Humeruskopf einklem-men und ähnliche Beschwerden wie oben beschrieben auslösen. Der MRT-Nachweis gelingt am besten in sagittaler Schichtung. Auch hier imponiert eine aufgetriebene, meist unscharf abzugrenzende Sehne mit peritendinösem Ödem. Bei Komplettrupturen von Anteilen der RM sind diese in ihrem Verlauf nicht mehr vollständig zu verfolgen. Die Muskelbäuche der betroffenen Strukturen haben sich zurückgezogen und sind atroph. Die sonst gut abgrenz-baren Sehnen enden fransig aufgelockert im ödematös veränderten Weichteilmantel. Das Ödem resultiert aus der chronischen Entzündung bei anhaltender Belastung unter Destabi-lisierung. Hier sollte auch die Anamnese gründlich erhoben werden. Ein medikamentös vorbehandelter Patient kann unter Umständen keine entzündungsbedingten Weichteil-schwellungen aufweisen. Trotzdem sollte hier die Verletzung der RM nicht unterschlagen werden. Als wichtigste stabilisierende Struktur bei bestehender RM-Läsion ist die lange Bizepssehne anzusehen. Sie verläuft im Sulcus bicipitalis nach proximal und setzt am cra-nialen Rand des Processus glenoidalis an. In ihrem Verlauf überwindet sie den Humerus-kopf cranial und hält ihn somit in der glenoidalen Pfanne. Ihr Zustand muss im MRT-Bericht angeführt und beurteilt werden.

Das Labrum glenoidaleBei Zustand nach Luxation des Schultergelenkes stellt sich in den meisten Fällen eine Verletzung des chondralen Labrum glenoidale dar. Diese äußert sich klinisch in deutlich schmerzhafter Bewegungseinschränkung und rezidivierender Luxationsneigung. Radiolo-gisch kann im MRT eine hohe Signalintensität, unphysiologische Konturen des Labrums mit abnormer Mobilität und Rissbildung nachgewiesen werden. Je nach Verletzungsmuster sind verschiedene Abschnitte betroffen. Da am häufigsten die ventrocaudale Luxation beob-achtet wird, ist das Labrum glenoidale im caudalen Bereich am ehesten verletzt (Abb. 3). Hier kommt es zu Partialdehiszenz der Labrumbasis mit Ödem oder Komplettablösung

vom ossären Processus glenoidalis. In seltenen Fällen kann ein Umschlagen des Labrums in den Gelenkspalt erfolgen. Alle Binnenechos des Lab-rums sind verdächtig und weisen auf eine Verlet-zung. Diese Veränderungen sind am besten im coronaren Schichtmuster dargestellt, wobei die höchstmögliche Auflösung angestrebt werden sollte.

Die WirbelsäuleDie Wirbelsäule stellt aufgrund ihrer Anatomie und strukturellen Beschaffenheit ein ideales Organ zur MRT-Diagnostik dar.Physiologisch grenzen sich Bandscheiben, Wirbelkörper, liga-mentäre Strukturen, Liquor und Medulla auf-

Abb. 3:

MRT Bankart-Läsion bei Zustand nach Luxation

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Labrumverletzungen

Bankart-Läsion Ventrocaudale Verletzung des SLAP-Läsion Typ II Labrums nach Luxationsverletzung SLAP-Läsion Typ III bei mit Abriss des Labrums und eventuell bei ossärer Beteiligung begleitendem ossären Defekt

ALPSA-Läsion Abtrennung des Labrums bei SLAP-Läsion Typ IV bestehender Periost- und Kapsel- SLAP-Läsion Typ V bei kontinuität und eventuell begleitender Dislokation Dislokation des Labrums

GLAD-Läsion Einriss der Labrumbasis mit SLAP-Läsion Typ VI Beteiligung des Gelenkknorpels

Bennet-Läsion Longitudinalriss im dorsocaudalen SLAP-Läsion Typ VII Labrum

SLAP-Läsion Verletzung des cranialen Glenoids HAGL-Läsion mit Einbezug des langen Bicepssehnen- ansatzes (TYP I)

grund ihres hohen Weichteilkontrastes deutlich voneinander ab. Artefakte treten bei ent-sprechender Untersuchungsprotokollierung nur selten auf. Im orthopädischen Bereich kommt hauptsächlich die Diagnostik von degenerativen Veränderungen, Frakturen und Fehlstellungen bzw. Missbildungen in Betracht.

Der Bandscheibenschaden (BSS)Die Bandscheibenprotrusion zeichnet sich durch das Übertreten der Bandscheibengrenze über die Wirbelkörperkante aus. Dabei kann Bandscheibenmaterial nach ventral oder dorsal verlagert werden. Die Bandscheibe ist im Falle der Protrusion intakt, der Anulus fibrosus ist nicht rupturiert. Im MRT zeichnet sich hauptsächlich der Nucleus pulposus ab, da die Anteile des Anulus fibrosus und die angrenzenden Weichteilstrukturen eine geringe Signalintensität aufweisen. Somit gibt die MRT bei Bandscheibenprotrusion nicht das wahre Ausmaß der Verlagerung preis, sondern spiegelt einen scheinbar geringeren Verletzungs-grad wider. Indirekte Zeichen geben weitere Hinweise zur aktuellen Morphologie der Ver-letzung. So werden Asymmetrien der duralen Strukturen, Verdrängung des Myelons zur kontralateralen Seite sowie begleitende entzündliche Veränderungen im Bereich der Ner-venwurzel als Parameter zur Bestimmung des Verletzungsgrades herangezogen. Ebenso kann nicht vom Ausmaß des Bandscheibenschadens auf die begleitende klinische Sympto-matik geschlossen werden. Um den BSS aussagekräftig darstellen zu können, werden sagittale und axiale Schichten angefertigt. Voraussetzung für die aussagekräftige Beurtei-lung sind die Kriterien der hohen örtlichen Auflösung mit geringer effektiver Schichtdicke und der Aquisition ausreichender Daten zur Darstellung in multiplanaren Rekonstruk- tionen.

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Erweiterte bildgebende Diagnostik in der Unfallchirurgie – Was ist wann sinnvoll –

Zusammenfassende BewertungDerzeitige MR-Protokolle beziehen sich im Wesentlichen auf vergleichende Wertung von

1,5 Tesla gegenüber 3 Tesla. Dabei kann klar gezeigt werden, dass für 3.0 Tesla ein erhöhtes Auflösungsvermögen besteht, insbesondere für Läsionen des Knorpels sowie für diskrete Band-diagnostik. Bei Verdacht auf Wirbelsäulenfraktur und unklare Befunde in der Computertomogra-phie stellt die Kernspintomographie ein wichti-ges bildgebendes Untersuchungsverfahren dar (Abb.4). Zukünftige Entwicklungen sind insbeson-dere ausgerichtet auf die volumetrische Unter-suchung des Gelenkknorpels, die Evaluation der Knorpelqualität insbesondere bezüglich Proton-dichte und transversale Relaxationszeiten den Kollagengehalt sowie den Wassergehalt betref-fend. Therapiekontrollen von Knorpel-Chondro-sen und Knorpelzelltransplantation sind weitere wichtige Schwerpunkte.

Kontakt:Vogl, Thomas, Prof. Dr.Institut für Diagnostische und Interventionelle RadiologieKlinikum der Johann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am Main

Abb. 4:

MRT Fraktur der LWK III

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Impulsreferat

H. G. Hermichen, Neuss

Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler – Bedrohung oder Unterstützung

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

III. SitzungDas BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Vorsitz: K. Weise, Tübingen/A. R. Platz, Mainz

Assessor. jur. N. Erlinghagen,

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an? Rechtliche Grundlagen

Zusammenfassung:Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger haben im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens im Feststellungsverfahren die Auswahl der Beweismittel vorzunehmen. Die Beauftragung von Gutachten muss planvoll, zweckgerichtet und sorgfältig vorbereitet sein. Der Gutachter ist dabei durch präzise Fragen zu leiten. Alle Beteiligte, Unfallversicherungsträger, Ver-sicherte und Gutachter verbindet das gemeinsame Interesse an einer möglichst objektiven, auf aktueller wissenschaftlicher Kenntnis beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden und gerichtsfesten Begutachtung. Dabei ist der versicherte und zu begutachtende Bürger im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte Partner und nicht Objekt im Verfahren. Der unfallversicherungsrechtliche Rahmen ist gesetzt und durch den Gutachter zu beachten. Gutachten sind durch den ausgewählten Gutachter selbst zu erstatten, Ab-weichungen davon führen zum Beweisverwertungsverbot. Jeder Beteiligte hat durch die gewissenhafte Wahrnehmung seiner Aufgaben die Qualität der Begutachtung stetig zu verbessern.

Schlüsselwörter:Gesetzliche Unfallversicherung, Feststellungsverfahren, Begutachtung, Versicherter, Rechte, Sachverständiger

Summary:Statutory accident insurers are obliged to select the evidence within the context of their dutiful discretion in declaratory proceedings. Orders for expert reports must be well planned, target-oriented, and carefully prepared. The expert must be guided by precise questions. All those involved, accident insurers, the insured persons and the expert share a common interest: an expert report that is as objective as possible, is based on the latest scientific understanding, that observes the principle of equality, and will withstand court scrutiny. Within his constitutionally guaranteed rights the insured citizen undergoing the examination is a partner in the proceedings, not an object. The framework is set by accident insurance law, and must be observed by the examining expert. Expert reports must be

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

presented by the selected expert him/herself, deviations from this lead to the evidence being declared inadmissible. It is the duty of all those involved to fulfil his/her obligations conscientiously to constantly improve the quality of expert reports.

Keywords:Statutory accident insurance, declaratory proceedings, expert reporting, insured persons, rights, examining experts

Am Anfang des kurzen Überblicks zu den rechtlichen Grundlagen der Begutachtung im Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung soll zunächst eine Geschichte stehen, die in meiner Heimatstadt Bonn dargestellt ist:

„Als einst ein König die Blinden seines Reiches einen Elefanten betasten ließ, beschrieb ein jeder diesen auf seine Weise.

So meinte der eine, der den Rüssel umfing, dass dies eine Schlange und der Stoßzahn ein Schwert sei. Ein anderer umfasste ein Bein und dachte, es sei der Stamm eines Baumes, während sein Nachbar das Ohr für ein gewaltiges Kohlblatt hielt. Jener, der das Schwänz-chen befühlte, glaubte einen Wurm zu greifen, und dem Fünften schien die rissige Haut eine Felswand zu sein.

Alles zusammen aber war ein Elefant.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

So machte ein jeder seine eigene Erfahrung und fand seine eigene Wahrheit, so wie auch Sehende oft nur Teilwahrheiten erkennen und der absoluten Wahrheit gegenüber Blinde sind.“

Auch bei der Begutachtung begegnen sich – wie in unserer Geschichte – mehrere Beteiligte, die – jeder für sich – eine eigene Wahrnehmung und Sicht ihrer Rolle und ihrer Beziehung zu den beiden anderen Akteuren haben. Unfallversicherungsträger, Gutachter und ver-sicherte Person, das bedeutet drei verschiedene Beteiligte, drei verschiedene Beziehungen zueinander und drei verschiedene Blickwinkel auf die gleiche Sache. Es ist Aufgabe des Rechts, die Rollen der Beteiligten zu definieren, Rechte und Pflichten festzulegen, das Vor-gehen im Feststellungsverfahren zu steuern und auf das angestrebte Ziel einer möglichst auf objektiven Feststellungen beruhenden Rechtsanwendung auszurichten.

In dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen können nur einzelne Aspekte der Rechts-grundlagen der Begutachtung im Sinne von „Schlaglichtern“ angesprochen werden. Sie sollen sich, in der Reihenfolge Ihrer Beteiligung im Verfahren, an den Akteuren ausrichten:

1. Begutachtung aus der Sicht des Unfallversicherungsträgers:

Als Körperschaften öffentlichen Rechts betreiben die Träger der gesetzlichen Unfallversi-cherung neben ihrer Rolle als Dienstleister in der Prävention und der Rehabilitation natür-lich auch Rechtsanwendung. Als Teil der vollziehenden Gewalt sind sie dabei nach dem Grundgesetz an Gesetz und Recht gebunden und unterliegen in vollem Umfang der (sozial-) gerichtlichen Kontrolle. Anders als es die öffentliche und veröffentlichte Diskussion oft glauben lassen will, sind sie im Feststellungsverfahren nicht Partei, sondern ihrer Konstruk-tion nach neutrales Werkzeug gesetzgeberischen Willens im Sozialsystem. Ihr Ziel muss im Rahmen des Rechts der „gerichtsfeste“ Interessenausgleich zwischen den beteiligten Sozialpartnern sein.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Rechtsanwendung bedarf sicherer tatsächlicher Grundlagen. Deswegen beauftragt § 20 Sozialgesetzbuch X die Unfallversicherungsträger, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie haben dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Die Behörde (und das sind die Unfallversiche-rungsträger nun einmal formal) muss also aktiv handeln und darf dabei auf keinem Auge blind sein. Das Recht gibt dem Unfallversicherungsträger bei seinen Ermittlungen einen weiten Spielraum in der Wahl der Beweismittel. Nach pflichtgemäßem Ermessen bedient er sich der Beweismittel, die er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Der Kanon ist breit gefächert, er kann Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder deren schriftliche oder elektronische Äußerung ein-holen, Urkunden und Akten beiziehen und den Augenschein einnehmen.

Aber in dieser Breite der Möglichkeiten der Ermittlung liegt auch gelegentlich ein Problem im Feststellungsverfahren. Es besteht die Gefahr, dass in der Sachbearbeitung nach dem Prinzip verfahren wird:“ Viel nützt viel! Je mehr Unterlagen, Berichte, Stellungnahmen und Gutachten ich habe, desto mehr Sicherheit habe ich auch für meine Entscheidungen.“ Aus-wahl der Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen bedeutet aber gerade die Abkehr vom „Jäger und Sammler“ zum zielgerichteten, im besten Sinne ökonomisch handelnden Ermittler, der sich genau überlegt, welcher Weg der kürzeste zum Ziel ist. Einschränkung bedeutet dabei nicht unbedingt einen Qualitätsverlust, sondern lediglich die Abkehr von mechanischen Reaktionen. Ob nun ein (evtl. weiteres) Gutachten wirklich erforderlich ist und welchen Zwecken dieses genau dienen soll, ist in jedem Einzelfall präzise und kritisch zu prüfen. Kann die anstehende Frage aus dem Akteninhalt heraus eigentlich schon beant-wortet werden, ist Selbstbeschränkung und der Mut zur Entscheidung Pflicht. So mancher komplizierte Sachverhalt wird nicht dadurch klarer, dass er dem zweiten, dritten oder vier-ten Sachverständigen vorgelegt wird, soweit die Vorgutachten sich sauber an die tatsäch-lichen und rechtlichen „Spielregeln“ gehalten haben. Auch für begründete Zweifel und offene, nicht weiter zu klärende Fragen sieht das Recht Lösungswege z.B. über Beweislast-regeln vor. Einen begründeten Rest an Unsicherheit zu ertragen, damit muss die Sachbear-beitung oft leben.

Neben dem „Jäger und Sammler“ gibt es (natürlich nur ganz selten) manchmal aber auch noch einen anderen Typus von Sachbearbeiter: Die große Zahl hochqualifizierter und hoch-geschätzter Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter möge mir den Scherz verzeihen: Man könnte ihn als „Facharzt für Verwaltungsmedizin“ bezeichnen. Ohne medizinisches Staats-examen und Approbation, aber geprägt von z.T. jahrzehntelang angesammelter Erfahrung neigt dieser dazu, seine Meinung an die Stelle der Äußerungen der fachmedizinischen Gut-achter zu setzen und diese gar nicht erst zu fragen oder den Versuch zu machen, diese nicht nur klärend zu befragen, sondern zu belehren. Hier gilt für die Sachbearbeitung: „Schuster bleib bei deinen Leisten!“ Verwaltungstechnischer oder -juristischer Sachverstand ist bei aller Erfahrung nicht naturwissenschaftlicher Sachverstand. Im Umgang mit den Gutachtern ist partnerschaftliche Kommunikation und Verständnis für die Reichweite der jeweiligen Fachkenntnis gefragt. Die Sprache und Denkweise des jeweils anderen Fachs besser begrei-fen zu lernen, deshalb sind ja hier und heute Mediziner und Verwaltungsfachleute in großer

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Zahl in einem Saal vereint! Die förmliche Feststellung von Körperschäden und medizini-schen Kausalzusammenhängen in medizinischen Fachgutachten als Grundlage u.a. der Rentenfeststellung sollten nach meiner Meinung bei allen ökonomischen Sichtweisen und Versuchen zur Beschleunigung der Verfahren auch im Sinne beider Sozialpartner weiter-hin die Regel sein.

Sind die Fragestellungen in diesem Sinne aber gut herausgearbeitet und ergibt sich die Notwendigkeit einer Begutachtung, müssen diese Fragen auch eindeutig gestellt und dem Gutachter klar gemacht werden, wie sein Sachverstand die Entscheidung unterstützen soll. Die Zivilprozessordnung, die auch im Sozialgerichtsverfahren Anwendung findet, weist in einer relativ jungen Vorschrift hier den Weg.

§ 404 a ZPO befasst sich mit der Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen, hier heißt es u.a.:(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und

Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.(2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen

vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn in seine Aufgabe einweisen und ihm auf Ver-langen den Auftrag erläutern.

(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll.

Dieses Programm kann auch als Auslegungsgrundlage für den o.a. § 21 SGB X dienen. Es verlangt von der Sachbearbeitung die Präzisierung, von welchem Sachverhalt der Gutachter ausgehen soll. Ergibt das Aktenstudium z.B. Hergangsvarianten eines Unfalles, muss der Sachbearbeiter klarstellen, welcher Sachverhalt nach der Beweislage als Grundlage der Begutachtung dienen soll. Wer einen unbestimmten Auftrag erteilt, erhält zwangsläufig auch ein unbestimmtes Gutachten! Bei komplizierten Sachverhalten und Fragestellungen ist vorab ein klärendes Gespräch zwischen Sachbearbeitung und Gutachter hilfreich, hier sollten eventuelle Berührungsängste abgebaut werden. Es geht dabei nicht um Absprachen, sondern um die Eindeutigkeit der Aufgabenstellung.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Doch wechseln wir jetzt einmal die Perspektive:

2. Begutachtung aus der Sicht der versicherten Person

Sind Sie schon einmal begutachtet worden? Wie fühlt sich ein mündiger Mitmensch, wenn er (vielleicht erstmals im Leben) einbestellt, gewogen, gemessen, abgebildet, durchleuchtet, gebogen, durchbewegt, durch ein Krankenhaus geschleust, beschrieben und beurteilt wird?

Das Bundessozialgericht hat kürzlich in einer Entscheidung vom 5.2.2008 (Az: B 2 U 8/07 R) unter Bezugnahme auf von Wulffen und P. Becker für das sozialgerichtliche Verfahren ein Bild gezeichnet, das Anlass zum Nachdenken gibt. Dort ist nachzulesen:

„Das sozialgerichtliche Verfahren ist durch ein hohes Maß an Ungleichheit zwischen den Beteiligten zu Gunsten der Verwaltung geprägt, weil meistens ein „normaler“ Mensch gegen eine Sozialversicherung klagt, die eine von ihm begehrte Feststellung oder Sozialleistung abgelehnt hat. Diesem „normalen“ Menschen, der oftmals durch Armut, Alter, Arbeitslosig-keit oder körperliche Gebrechen eingeschränkt ist, steht eine spezialisierte Fachverwaltung mit nahezu unbegrenzten finanziellen Ressourcen, besonders ausgebildeten Sachbearbei-tern, entsprechend geschulten Juristen und oftmals Ärzten sowie weiteren Fachwissen-schaftlern gegenüber. Im Bereich der Unfallversicherungsträger ist darüber hinaus her-vorzuheben, dass diese mittels ihrer Zusammenschlüsse über eigene Kliniken und große spezialisierte naturwissenschaftliche und technische Forschungseinrichtungen ver- fügen.“

Zugegeben, diese Schilderung steht im Zusammenhang mit der im konkreten Fall zu klären-den Fachfrage der Chancengleichheit im Sozialgerichtsprozess und passt vielleicht nicht ganz zum Thema Begutachtung. Oder doch? Welches Weltbild bzw. welches (Zerr-)Bild von der Realität der Arbeit der Unfallversicherungsträger spricht aus diesen Worten? Stehen wir den Versicherten „gegenüber“? Nutzen wir unsere personelle und materielle Ausstattung tatsächlich gegen die Versicherten? Ist eine solche Darstellung gerechtfertigt?

Bei allem Respekt vor unserem höchsten Fachgericht möchte ich dem widersprechen:

Erstens: Es gibt die Unfallversicherungsträger in dieser Form nur, weil der Gesetzgeber, also in unserer Demokratie das Volk, es so will. Dies hat er gerade wieder durch das Unfall-versicherungsmodernisierungsgesetz grundsätzlich bestätigt.

Zweitens: Viele Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallversicherung entspre-chen mit ihrer Arbeit nach ihrem Gelöbnis nicht nur dem Grundgesetz und den Gesetzen. Sie fühlen sich besonders im Versicherten dem Mitmenschen in schwieriger Lebenslage täglich neu verpflichtet. Wir stehen den Versicherten bei – nicht gegenüber!

Drittens: Die Klagestatistik belegt insgesamt beeindruckend die Qualität unserer Arbeit durch die Abbildung der uns bestätigenden Entscheidungen unabhängiger Gerichte.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Viertens: Die durch die Arbeitgeber finanzierten Institutionen der Unfallversicherungs-träger sind bewusst und gewollt den Interessen der Versicherten zu dienen bestimmt. Die Versicherten erkennen dies durch ihre Erfahrungen in zahlreichen Einzelfällen geleitet auch immer wieder dankbar an.

Fünftens: M.E. darf auf der Grundlage segmentaler Erfahrungen der Justiz nicht auf die weit überwiegende Zahl der unstreitigen Feststellungsverfahren und der sich in ihnen in aller Regel zeigenden guten Zusammenarbeit aller Beteiligten geschlossen werden.

Aber nicht nur Tatsachen, auch Empfindungen prägen die Wahrnehmung. Was also erwartet der Versicherte auch im Zusammenhang mit der Begutachtung von uns? Das ist wohl nur das, was auch wir uns für uns selbst als Ausfluss unserer verfassungsmäßigen Rechte u.a. wünschen:

Entsprechend Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) entspricht es der Würde des Menschen, nicht lediglich Objekt unserer Arbeit zu sein, sondern Subjekt, d.h. mitwirkender Partner im Feststellungsverfahren. Das gilt im Umgang mit der Verwaltung, die durch ihre Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter ein menschliches Gesicht erhalten muss und meist auch erhält, ebenso wie bei der Durchführung der Begutachtung. Hier hilft in der großen fremden Klinik oder bei dem oft unbekannten Arzt schon eine zugewandte, Ängste abbauende und freund-liche Information über den Ablauf und den Grund der einzelnen Untersuchungen.

Entsprechend Art. 2 Abs. 1 GG darf der Versicherte im Rahmen der allgemeinen Handlungs-freiheit auch frei und ohne Sanktionen entscheiden, eventuell einmal nicht mitzuwirken, z.B. nicht zur Begutachtung zu gehen. Dass in diesem Fall mangels Mitwirkung Entscheidun-gen über Leistungen evtl. nicht möglich sind, ist von beiden Seiten zu akzeptieren. Aber vielleicht kann – wie oben dargestellt – ja auch einmal ohne (weitere) Gutachten entschie-den werden?

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Entsprechend Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und auch als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips darf er erwarten, geschützt durch die Qualität und Objektivität des Feststellungsverfahrens und durch eine von hoher, aktueller wissenschaftlicher Sachkenntnis geprägte Begutachtung in allen Teilen unseres Landes und im Vergleich mit ähnlich Geschädigten gleich behandelt und mit den gleichen Leistungen versorgt zu werden.

Entsprechend dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herrührenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf er erwarten, als Herr seiner Daten im Rahmen des § 200 Abs. 2 SGB VII auswählen zu dürfen, welchem Gutachter gegenüber er seine zum Teil sehr persönlichen Daten offenbaren möchte. Dabei sind eigene Vorschläge zum Gut-achter, soweit sie fachlich akzeptabel sind, nicht als Störung, sondern im Sinne der Akzep-tanz der späteren Entscheidungen grundsätzlich und in der Regel als willkommen anzu-sehen!

Die Regeln unseres Feststellungsverfahrens stehen nicht gegen die Versicherten, sie kon-kretisieren vielmehr deren verfassungsmäßige Rechte; sie täglich auch im Detail der Be-gutachtung zu verwirklichen ist eine ständige Aufgabe. Sprechen wir also mit unseren versicherten Mitbürgerinnen und Mitbürgern und nicht nur über sie, nehmen wir sie mit auf den Weg, begleiten wir sie bei der Begutachtung ebenso, wie wir das in der Rehabilitation schon seit langer Zeit erfolgreich tun, dann wird aus gefühlter Übermacht gute Partner-schaft!

3. Begutachtung aus der Sicht des Gutachters

Wird ein Arzt mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, findet in seinem Handeln ein Rollenwechsel statt: Aus dem heilenden, den Kranken begleitenden Arzt muss nun ein zwar freundlicher aber distanziert, objektiv und rein von wissenschaftlichem Fachverstand geprägter Sachverständiger werden.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Mit dem Gutachtenauftrag übernimmt der Gutachter die Pflicht zum sorgfältigen Studium des Auftrages und der Akten, zur gründlichen Vorbereitung des Untersuchungstermins, die Pflicht zur angemessenen, auf Kommunikation und Information beruhenden Führung des Probanden und zur vollständigen, sorgfältigen und zügigen Abfassung des Gutachtens.

Im Rahmen eines Werkvertrages stellt er dem Versicherungsträger seine geschulte Wahr-nehmungsfähigkeit, sein Fachwissen, seine Erfahrung, seine Kunst der Analyse, besonders aber seine Fähigkeit zur sorgfältigen schriftlichen Dokumentation zur Verfügung. Sein „Werk“ ist (nur) das, was als Ergebnis seiner Arbeit auch schriftlich niedergelegt zur Grund-lage des weiteren Verwaltungshandelns wird: Das Gutachten. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass dieser spezielle, fachlich-wissenschaftlich geprägte Text die neutrale Hal-tung des Verfassers auch in der Wahl der Sprache und der Argumentation zum Ausdruck kommen lässt. Lassen Formulierungen Zweifel an der Objektivität des Autors aufkommen, ist das Werk, auch wenn es sonst „richtig“ ist, mangelhaft und nicht verwertbar.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Als „Grenzgänger“ zwischen Medizin und (Sozial-)Recht muss sich der Sachverständige auf die besonderen Anforderungen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung einlassen, diese kennen und bei der Anwendung seines medizinischen Sachverstands beachten. Auch die zutreffende Verwendung der unfallversicherungsrechtlichen Fachbegriffe zeichnet ein qualitativ hochwertiges Gutachten aus.

Schon die vorstehenden Bemerkungen zeigen, wie sehr sich die Begutachtung an der kon-kreten Person des Gutachters ausrichtet: Der Gutachter muss das Vertrauen der Verwaltung und des zu begutachtenden Menschen besitzen. Die Verwaltung möchte die Erfahrung des angeschriebenen Arztes selbst nutzen, der Versicherte stimmt einer Datenübermittlung an eine natürliche Person, nicht an eine Institution zu!

Zwar darf sich der Gutachter bei der Erstellung des Gutachtens seines medizinischen Hilfs-personals bedienen, jedoch sollte es eindeutig und durch die eigene Unterschrift bestätigt sein, wer wirklich Autor und Verantwortlicher für das Gutachten ist. Unterschreibt der Stell-vertreter oder ein anderer Arzt das Gutachten, verstößt dies gegen das Gutachterauswahl-recht des Versicherten nach § 200 Abs. 2 SGB VII.

Nach der neuesten Rechtsprechung (BSG v. 5. Februar 2008, Az: B 2 U 8/07 R) würde dies zu einem Verwertungsverbot im Feststellungsverfahren und im anschließenden Streit-verfahren führen. Wie in einem Dominoeffekt wären dann auch die auf dem rechtswidrig entstandenen Gutachten „aufsetzenden“ Gutachten nicht verwertbar! Die Verwaltungen werden auf diesen nicht nur formalen Sachverhalt in der kommenden Zeit sicher verstärkt zu achten haben und bitten dabei die Begutachtenden schon jetzt um Mitwirkung und Verständnis.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Fazit:Alle Beteiligte verbindet im Feststellungsverfahren der Unfallversicherungsträger das ge-meinsame Interesse an einer möglichst objektiven, auf aktueller wissenschaftlicher Kennt-nis beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden und gerichtsfesten Begutachtung. Der rechtliche Rahmen ist gesetzt und zu beachten. Dabei ist der versicherte Bürger Partner und nicht Objekt im Verfahren. Jeder Beteiligte hat durch die gewissenhafte Wahrnehmung seiner Aufgaben die Qualität der Begutachtung stetig zu verbessern.

P.S.:Hätten die Blinden aus der anfangs erwähnten Geschichte miteinander gesprochen und ihre Erkenntnisse ausgetauscht, hätten sie erkannt, dass es sich um einen Elefanten handelte!

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Kontakt:Erlinghagen, Norbert, Ass. jur.Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaftund der Steinbruchs-BerufsgenossenschaftPeter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

S. Studier-Fischer

Begutachtung der Schulter Rotatorenmanschette

ZusammenfassungZusammenhangstrennung der RotatorenmanschetteHat der Patient nach einem angeschuldigten Ereignis persistierende Beschwerden an der Schulter, so ist die Eigenanamnese des Patienten zu erfragen. Befunde der Gegenseite, der HWS und der angrenzenden Gelenke sind zu dokumentieren. Elementar für die Begutach-tung und die Bewertung ist der Unfallhergang überhaupt. So ist zwingend festzuhalten, ob überhaupt ein Unfall vorliegt oder ob nicht eine willentliche Bewegung erfolgte. Die Rich-tung der einwirkenden Kraft und Hinweise auf stattgehabte Luxationen sind in jedem Falle schon im ersten sog. D-Arztbericht zu entnehmen. Eine ökonomisch eingesetzte Diagnostik ist entsprechend zu werten.

SchlüsselwörterRotatorenmanschette – Ruptur – Begutachtung

SummaryRotatory cuff tearIf a patient has continuous problems in the shoulder after an injury the past medical history is to be surveyed. Findings at the other site, the neck and adjacent joints are to be documented. Elementary for the appraisal is the mechanism of the injury itself. It is man-datory to assume if there is an injury at all or a voluntary motion. The direction of force and findings of a former luxation are to be reported in the primary report (D-Arztbericht). The economicaly initiated tests should be reevaluated carefully.

Key wordsRotatory cuff – cuff tear – appraisal

ProblematikDie gutachterliche Bewertung einer Zusammenhangstrennung ist schwierig und ist häufig Grundlage und Anlass für rechtliche Auseinandersetzungen. Ziel muss es sein, in der Be-gutachtung bei gleichen medizinischen Sachverhalten einheitliche Beurteilungen abzuge-ben [1].

VorbemerkungDie Rotatorenmanschette (RM) ist eine Sehnenplatte der Muskeln M. subscapularis, M. supraspinatus, M. infraspinatus und M. teres minor. Funktionell wird die Sehne des

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Caput longum M. bicipitis brachii hinzugezählt. Über diese Rotatorenmanschette setzt die tiefe Schultermuskulatur am Oberarmkopf an und zentriert und stabilisiert diesen in der Schulterpfanne. Das Sehnengewebe der RM besteht aus mehreren Schichten als Ausdruck der unterschiedlichen mechanischen Belastung. Die Supraspinatussehne ist in ihrem ober-flächlichen Bereich eine Zugsehne und in der Tiefe eine Gleitsehne. Defekte der RM gehö-ren zu den häufigsten krankhaften Befunden des Schultergelenkes. Meist sind diese dege-nerativer Art [3]. Auch wenn im deutschen Sprachgebrauch diese Begriffe ungewöhnlich klingen, sollte besser von einer Zusammenhangstrennung oder von einer Kontinuitätsunter-brechung gesprochen werden bevor Begehrlichkeiten bei den Patienten geweckt werden. Auf dieser Grundinformation sollte die Begutachtung basieren.

Erste InformationenDie Eigenanamnese beinhaltet neben besonderen beruflichen Belastungen die sportliche Aktivität. Hierzu ist festzustellen, ob die betroffene Person armbelastende Sportarten aus-führt oder ausführte. Befunde der Gegenseite und der angrenzenden Gelenke sind festzu-halten. Bereits im D-Arztbericht ist festzulegen ob überhaupt ein Unfall im Sinne des Ge-setzes vorliegt oder ob nicht ein willentlicher Vorgang beschrieben wird. Die Richtung der einwirkenden Kraft oder Auftreffen des Körpers auf den Widerstand muss klar und unmiss-verständlich dokumentiert werden. Von hohem Interesse ist der Hinweis auf eine stattge-habte Luxation. Der Schmerzverlauf ist wichtig; initial schmerzarme Zeiten von einigen Stunden oder Tagen sind genauso zu schriftlich zu fixieren, wie ein sofortiges Schmerz-maximum. Immer wieder wird vergessen das Verhalten des Betroffenen nach dem Unfall fest-zuhalten. Dabei ist zu erfassen, ob der Patient seine Arbeit fortgesetzte und wann er einen Arzt erstmals aufsuchte. Auch nicht D-ärztliche Konsultationen sind bedeutend. Da-bei sind „innerbetriebliche“ Zwänge zu berücksichtigen, wie z. B. drohende Kündigungen oder hohe Auftragslage bei welchen die Patienten erheblich unter Druck gesetzt werden können [2].

Klinischer ErstbefundIm D-Arztbericht muss aufgeführt werden, ob der Patient Schürfmarken oder Hämatome aufweist. Auch das Nichtvorliegen solcher Veränderungen ist von Bedeutung. Bei der klini-schen Untersuchung sind der passive Dehnungsschmerz und das Drop-Arm-Phänomän von immenser Bedeutung. Die Dokumentation des Bewegungsausmaßes nach der Neutral-Null-Methode ist obligat. Bei der Bewertung der Begleitverletzungen ist dem AC-Gelenk ein Augenmerk zu schenken und die Befunde zu fixieren. Auf neurologische Ausfälle z. B. am Plexus brachii oder am N. axillaris ist zu achten.

Erste RöntgenaufnahmeInitial werden Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen angefertigt, evtl. ist auch eine outlet- view-Aufnahme erforderlich. Dabei ist auf eine exakte Einstellung des Gelenkspaltes zu achten (Abb. 1). Die Abbildungsqualität sollte die knöchernen Strukturen des Schultergelen-kes darstellen. Insbesondere muss der subacromiale Raum und dessen Weite zu erkennen sein. Frakturen z. B. an Humeruskopf, Klavikula und Glenoid sind immer auszuschließen (Abb. 2). Die Standart röntgen aufnahme gibt Hinweise auf eine vorliegende Omarthrose,

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Abb. 1:

Röntgenaufnahme der Schulter. Der Humeruskopf

projiziert sich über das Glenoid – eine Luxation ist

damit nicht auszuschließen; die Qualität der Röntgen-

aufnahme ist nicht zu akzeptieren.

Abb. 2:

Die Röntgenaufnahme der Schulter zeigt eine

eingestauchte Fraktur des Humeruskopfes.

Humeruskopfhochstand oder eine bereits vorliegende Cuff-tear-Arthropathie als Zeichen eines fort geschrit tenen Rotatorenmanschettenschadens.

SonografieWenngleich leicht durchzuführen, ist diese Untersuchung extrem untersucherabhängig. Sie ist sehr gut geeignet als „Kontaktaufnahme“ zu dem Patienten. Aus persönlicher Erfah-rung ist festzustellen, dass Patienten welche sonografisch an der Schulter untersucht wur-den Vertrauen zu dem Untersucher aufbauen. Mit hoher Sicherheit kann der Nachweis einer intakten RM erbracht werden. Das isolierte Vorliegen eines Ergusses ist nicht richtungs-führend. Die Sonografie ist gleichzeitig eine dynamische Untersuchung, welche einen sehr guten Überblick bietet über das Gleitverhalten des Gewebes und mögliche degenerative Veränderungen oder „Kalkherde“. Eine Aussage über das AC-Gelenk ist sofort möglich. Es muss standardisiert die Gegenseite mituntersucht werden (Abb. 3).

KernspintomografieDie Magnetresonanztomografie mit oder ohne Kontrastmittel ist das sensibelste Verfahren zur Untersuchung der Rotatorenmanschette (Abb. 4). Hiermit gelingt nicht invasiv der Nach-weis oder der Ausschluss von RM-Schäden. Eine Retraktion der Sehnenränder oder die fettige Degeneration der Sehne lassen sich sehr leicht erkennen. Auch Veränderungen am AC-Gelenk stellen sich sehr exakt dar. Ein Bonebruise im Humeruskopf, eine Bankartläsion oder das Vorliegen einer Hill-Sachs-Delle sprechen für ein Unfallgeschehen.

ArthroskopieAm Schluss der diagnostischen Kette jedoch immer mit einer therapeutischen Intention, steht die Arthroskopie der Schulter. Dabei ist die Menge, Farbe und Konsistenz des Ergusses

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

zu beschreiben. Der Defekt, falls vorliegend, wird ohne Wertung beschrieben (Abb. 5). Hierzu sind die Abrundung der Ränder, Lage, Richtung und Einblutungen anzugeben. Die Ausdehnung der Dehiszenz und Adaptierbarkeit der Ränder geben dem Gutachter später Aufschluss auf das Alter der Läsion. Die Beschreibung der Lage und der Zustand der langen Bicepssehne und der Begleitbefunde wie Bankart-Schaden, Hill-Sachs-Delle, SLAP-Läsion etc. ist obligat.

Abb. 3:

Sonografische Aufnahme Die Rotatorenmanschette der rechten Schulter ist nicht mehr nachweisbar.

Abb. 4:

Kernspintomografie. Die Rotatorenmanschette ist

durchtrennt, es zeigt sich bereits ein Hochstand des

Humeruskopfes mit Einengung des subacromialen

Raumes.

Abb. 5:

Fotografie des Randes der RM Abgerundete Ränder

und Gefäßeinsprossung sprechen gegen ein frisches

traumatisches Ereignis

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

HistologieEine repräsentative Entnahme ist zu fordern. Der Beauftragung der Histologie hat eine dezidierte Fragestellung zu folgen. Eine Entnahme später als drei Monate nach einem frag-lichen Ereignis lässt in der Regel keine zeitliche Zuordnung mehr zu. Das Labor sollte über eine entsprechende Erfahrung verfügen. Die Bedeutung der Histologie in der Zusammen-hangsbegutachtung wird jedoch häufig überschätzt.

Diagnostisches StufenschemaWie üblich kommt der ersten Dokumentation im D-Arztbericht und der Unfallmeldung eine enorme Bedeutung zu. Nicht alle Patienten bedürfen einer MRT. Eine Zweitkonsultation etwa zwei Wochen nach einem evtl. Unfall wird angeschlossen. Hier werden die ersten Untersuchungen ggf. wiederholt und Zweituntersuchungen veranlasst. Etwa vier Wochen nach dem Unfall sollte die definitive Festlegung über den Schaden an der Rotatorenman-schette erfolgt sein. Im günstigen Fall kann dann unverzüglich evtl. mit der operativen Therapie begonnen werden (siehe Tabelle rechts). Im Falle einer frühen Festlegung der Ursächlichkeit ist die Begutachtung entbehrlich.

Literatur1. Loew M, Habermeyer P, Wiedermann E, Rickert M, Gohlke F, (2000) Empfehlungen

zu Diagnostik und Begutachtung der traumatischen Rotatorenmanschettenläsion. Unfallchiurg 103: 417-426

2. Schönberger G, Mertens G, Valentin H, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten (2003). 7. Auflage, Erich Schmidt Verlag

3. Weber M, (2004) Empfehlungen zur Begutachtung von Schäden der Rotatorenmanschette. DGU – Mittteilungen und Nachrichten Suppl/2004 27-33

Diagnostisches Stufenschema zur Diagnostik bei möglichem Rotatorenmanschettenschaden

• Unfallzeitpunkt – Erstkonsultation – Dokumentation: Was liegt vor und was nicht?

• zwei Wochen nach dem Unfall – Zweitkonsultation, Befunde im Verlauf – Verlaufsröntgen, erneute Sonografie – Veranlassung weitergehender Untersuchungen

• vier Wochen nach dem Unfall definitive Festlegung über Schaden an der Rotatorenmanschette – Beginn der Therapie

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

Kontakt

Studier-Fischer, Stefan, Dr. med.Leiter der Sektion für Schulter- und Ellbogenchirurgie Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen – Unfallchirurgische Klinik an der Universität Heidelberg –Ludwig-Guttmann-Straße 13 67071 Ludwigshafen a. Rh.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

K. Weise, F. Schröter

Begutachtung des Kniegelenkes bei Meniskus- und Bandläsionen

ZusammenfassungDie Begutachtung von Meniskus- und Kapsel-Band-Verletzungen am Kniegelenk ist eine gleichermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Ver-ständnis für die Geschehensabläufe und eine angemessene Bewertung von Anamnese und dokumentiertem Erstkörperschaden sind unabdingbare Voraussetzung für die Kausalitäts-prüfung und Zusammenhangsbeurteilung. Durch Heranziehen von etablierten Prüf- und Bewertungskriterien unter Zuhilfenahme von Checklisten ist eine Beurteilung im Sinne der Wahrscheinlichkeit möglich. Aufgrund der häufig bestehenden Schwierigkeiten in der Abgrenzung von anlagebedingten oder vorbestehenden Veränderungen gehört die Begut-achtung der Folgen stattgehabter Meniskus- und Kapsel-Band-Läsionen in die Hände des Erfahrenen.

Schlüsselwörter:Begutachtung, Meniskus-/Bandverletzungen Kniegelenk

SummaryThe medical assessment of meniscus and capsule-ligament injuries on the knee joint is an equally difficult and responsible task. Pathomechanical understanding of the events described and an appropriate evaluation of the medical history and documentation of primary injury/injuries are an indispensable condition for the causality examination and connection evaluation. By utilizing established test and valuation criteria with the help of check lists, an evaluation in the sense of probability is possible. Due to the difficulties in the classification of congenital or previously existing abnormalities the medical assess- ment of appeared meniscus and capsule-ligament lesions, belongs in the hands of an expert.

Keywords:Expert opinion, torn menisci/ligaments knee

EinführungVerletzungen und Überlastungsschäden am Kniegelenk sind deswegen vielfach Gegenstand der Begutachtung, weil sie einerseits häufig vorkommen, andererseits Traumafolgen von anlagebedingten bzw. vorbestehenden Läsionen oft nur schwer abgrenzbar sind. Das Ver-ständnis für Pathologie und Pathomechanik der meist durch komplexe Traumen verursach-ten Verletzungen am Kapsel-Band-Apparat bzw. den Menisci ist unabdingbare Vorausset-zung, um insbesondere die Zusammenhänge zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis

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und dem verbliebenen Schaden gutachtlich beurteilen zu können. Dabei ist zu berücksich-tigen, dass Kniegelenksverletzungen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle als Kombina-tionstraumen, seltener als Monoverletzung imponieren. Die gutachtliche Bewertung und Einschätzung gelingt umso leichter, je exakter der Erstbefund einschließlich des Unfallher-gangs dokumentiert ist und je mehr objektive Untersuchungsdaten beispielsweise in Ge-stalt eines zeitnah angefertigten, technisch einwandfreien Kernspintomogramms oder gar in Form eines schriftlichen und bildlichen Arthroskopiebefundes zur Verfügung stehen. Ein lückenloses Vorerkrankungenverzeichnis sowie allfällige Befunde aus der Zeit vor dem im Rede stehenden Unfall sind weitere Hilfen, welche für eine gutachtliche Beurteilung des Zusammenhanges große Bedeutung besitzen.

Aus medizinischer Sicht bestehen regelmäßig dann keine Zweifel an einer Kausalitäts-beziehung zwischen Ereignis und Kniebinnenschaden, wenn nachstehende Kriterien erfüllt sind:• Das Ereignis ist unstreitig belegt• Die akute Symptomatik führte zum Niederlegen der beruflichen Tätigkeit• Der zeitnah erhobene Lokalbefund ist dokumentiert• Frische Verletzungszeichen wie Hämatom und/oder ein Hämarthros sind nachgewiesen• Zeichen einer frischen Zerreißung sind belegt (nach F. Schröter)

Aus versicherungsrechtlicher Sicht entsteht dann eine Kausalitätsproblematik, wenn es sich um ein Schadensbild aus sog. innerer Ursache handelt. Beispiel hierfür ist die konstitu-tionell bedingte Kniescheiben (Sub-)Luxation, die Begleitschäden im Sinne osteochondraler Frakturen oder einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes verursachen kann, welche ihrerseits als frische Verletzung imponieren. Nur wenn bei einem solchen Ereignis eine relevante Einwirkung von außen im Sinne der Definition einer Verletzung belegt ist, handelt es sich zweifelfrei um eine Unfallfolge, ansonsten muss von einer Schädigung aus innerer Ursache ausgegangen werden, die nicht mehr unter Versicherungsschutz fällt.Die weitaus meisten Kniebinnenschäden entstehen durch indirekte Krafteinleitungen, bei welchen die Gewalt nicht direkt am Knie einwirkt. Dadurch verursachte Läsionen führen regelhaft durch das so benannte „subluxation movement“ zu Kombinationsverletzungen, ausgelöst durch• Achsenstress, der die Kollateralbänder, die Kapsel und fallweise Menisci und Knorpel

schädigen kann• Rotationsstress, der die Kreuzbänder und Menisci, aber auch Knorpel und die Gelenk-

kapsel gefährdet• Kombinierten Stress (Achse, Rotation), der sämtliche Kniebinnenstrukturen inklusive

des Streckapparates erfassen kann

Die aufgrund der häufig schwer nachvollziehbaren und oft komplexen Unfallmechanik und der mangelhaften Erhebung und Dokumentation des Erstbefundes schwierigen Zusam-menhangsbeurteilungen sollten dazu veranlassen, mit derartigen Gutachten nur erfahrene Sachverständige zu betrauen. Auch diese sollten sich vorzugsweise an eine Art Checkliste von Prüfkriterien halten, die folgende Einzelschritte umfasst:

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Ist auf diese Weise eine frische Kniebinnenläsion zeitnah zum angeschuldigten Unfall umfassend und exakt dokumentiert, ist die Altanamnese in Richtung früherer Verletzungen nachgewiesenermaßen leer, hat nach dem Unfall kein konkurrierendes Ereignis mehr statt-gefunden und kann eine innere Ursache ausgeschlossen werden ist die Kausalität kaum anzuzweifeln und die Zusammenhangsbeurteilung unproblematisch. Eher unwahrschein-lich ist eine Kausalitätsverknüpfung in den Fällen, bei welchen, oft nach einem längeren zeitlichen Intervall zwischen dem Unfallereignis und der Begutachtung, im Rahmen der retrospektiven Aufklärung

• Keine „gekoppelte Subluxation“ stattgehabt hat• Eine entsprechende Sofortsymptomatik nicht belegt ist• Die berufliche Tätigkeit nicht unterbrochen wurde• Hinweise auf Begleitläsionen fehlen• Keine sog. Brückensymptomatik besteht

Geradezu unwahrscheinlich wird ein Kausalzusammenhang, wenn die Anamnese schon vor dem Unfall mit nachgewiesenen Verletzungen oder Kniebinnenschäden belastet ist, wenn davor wiederkehrend das Kniegelenk betreffende Unfälle bekannt sind bzw. wenn zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung nach dem Unfall bereits Zeichen einer Arthrose bestan-den. Die Kausalitätsprüfung für derartige Spätschäden kann durch nachfolgende Checkliste erleichtert werden. (Siehe Tabelle 2 auf der folgenden Seite.)

Durch konsequentes „Abarbeiten“ der einzelnen Prüfschritte können fehlerhafte Beurtei-lungen der Kausalität in einem hohen Prozentsatz vermieden werden, auch wenn eine restliche Fehlerquelle nicht völlig zu vermeiden sein wird.

Prüfkriterien

• Altanamnese: Knieerkrankungen, -unfälle, Sport• Unfallanamnese: – Knie „irgendwie“ erreicht? – In Rede stehende Kniebinnenstrukturen gefährdet?• Zeitintervall der Symptomatik: Sofort oder verzögert?• Schwellung/Erguss: Schnell (Blut) oder langsam (meist serös)?• Verhalten nach Unfall: Weiter gearbeitet? Erster Arztbesuch wann?• Erstschadensbild: Was wurde wann und von wem „wie“ belegt?• Schützende Strukturen mitbeteiligt?• Bildbefunde: Frisch oder alt? MRT: Bone bruises?• Arthroskopiebefund: Frisch oder alt?• Histologie: Frisch oder alt?• Verlaufsanalyse

Tabelle 1:

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Begutachtung des Meniskusschaden

Die isolierte traumatische Schädigung eines gesunden Meniskus gehört zu den absoluten Ausnahmen, weil dafür eine erhebliche Gewalteinwirkung auf das flektierte und rotierte Knie gefordert wird. Wegen der hinreichenden Mobilität und Dehnungsfestigkeit des gesun-den Meniskusgewebes innerhalb physiologischer Grenzen ist eine isolierte Meniskusver-letzung kaum denkbar. Werden die physiologischen Grenzen der Belastbarkeit überschrit-ten sind begleitende Läsionen am und im Kniegelenk zu erwarten. Beispielsweise entsteht eine Meniskusverletzung als Begleitläsion im Rahmen eines kombinierten Achsen- und Rotationsstresses bei einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Für einen auf der Basis degenerativer Meniskusveränderungen entstehenden Korbhenkelriss sind frische Mecha-nismen wie das Aufstehen aus der Hocke bekannt. Die verschiedenen Rissformen eines Meniskus werden möglichen Ursachen wie folgt zugeordnet:• Degeneration

– Horizontalriss – Lappenriss – Komplexriss

Beurteilungskriterien

Unfallfolge Pro Kontra

Altanamnese leer belastet

Hergang „gekoppelte Subluxation“ Bagatelle

Aktivität nach Unfall eingestellt fortgesetzt

Symptomatik sofort verzögert

erheblich mäßig

wegweisend unspezifisch

Erstbefund verletzungstypisch Reizknie

Erguss/Hämarthros Trocken

Begleitläsionen ja nein

MRT Subchondrales Ödem Kein oder chronisches über ca. 6 Monate rückläufig subchondrales Ödem, Übergang in Spongiosa- verfettung

Isolierte Läsion nein ja

Vorbestehende Arthrose nein ja

Tabelle 2:

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• Traumatisch möglich – Längsriss – Radiärriss

• Mehrzeitige Ausdehnung eines Risses – Korbhenkelriss

Gefährdet ist ein Meniskus bei Kniebeugung und Außenrotation des Unterschenkels infolge Zugspannung, Druckbelastung im Hinterhornbereich und einer Art Gewebeverformung mit Fältelung. Ungeeignete Mechanismen für die Schädigung eines gesunden Mechanismus sind: • Jegliche Krafteinwirkung auf ein gestrecktes Knie• Stauchungsbelastung (Fraktur)• Direktes Anstoßen des Kniegelenkes• Sturz auf das Kniegelenk• Ausrutschen oder Stolpern• Aufstehen aus der Hocke• Alltagsübliche Drehbewegungen

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass unter gutachtlichen Aspekten• Kein unfallbedingter Meniskusschaden anzunehmen ist, wenn Bewegungen/Belastungen

des Kniegelenkes in physiologischem Ausmaß stattfinden• Es für unfallbedingte Läsionen spricht, wenn physiologische Grenzen überschritten

werden müssen oder Bewegungen in unphysiologische Richtungen stattfinden• Schützende Strukturen wie der Kapsel-Band-Apparat überwunden bzw. geschädigt sein

müssen

Hilfreich zur Beurteilung des zeitlichen Intervalls bei Meniskusverletzungen ist die Histologie mit Beurteilung der einzelnen Stadien der Reparation.

Tabelle3

Reparative Prozesse bei Meniskusriss

Ablauf des Reparationsversuches • Kondensiertes Fibrin an Oberfläche der Riss-Stelle • Proliferation der Knorpelzellen (Brutkapseln) • Proliferation der Bindegewebszellen • Einsprossung von Fibroblasten, Angioblasten und Gefäßen • Blutabbau mit Hämosiderinablagerung • Zellreiches Bindegewebe an Rissrändern (nach 4 bis 6 Wochen) • Narbenbildung (nach 4–5 Monaten)

Wertung der Histologie abhängig von zeitlicher Distanz Unfall ± OP

nach Gässner, (1982: BG-Schriftenreihe Heft 47)

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Die gutachtliche Beurteilung des Kausalzusammenhanges orientiert sich an nachstehenden standardisierten Prüfkriterien:1. Schadensmechanismus: Exakte Analyse des Hergangs nach Art, Größe und Richtung der

einwirkenden Kräfte2. Funktionelles Schadensbild: Verletzungsspezifischer Funktionsverlust unmittelbar nach

dem Unfall mit sofortiger Arbeitsniederlegung und alsbaldigem Arztkontakt3. Strukturelles Schadensbild: Nachweis verletzungsspezifischer/-beweisender struktu-

reller Veränderungen (z.B. MRT, Arthroskopie etc.)

Die Zusammenhangsbeurteilung des (nicht berufsbedingten) Meniskusschadens ist schwie-rig und komplex, gehört in die Verantwortung eines erfahrenen Gutachters und wird erheb-lich erleichtert durch eine exakte und umfassende Erstdokumentation unter Einbeziehung von Bildgebung und, wenn verfügbar, arthroskopischen Berichten und feingeweblichen Untersuchungen.

Begutachtung bei Bandläsionen

Läsionen bzw. Instabilitäten der Kniegelenksbänder sowie der Kapsel sind meist Folge von Kombinationstraumen im Sinne von Kompressions-Scher-Mechanismen oder unphysiolo-gischer Dehnung/Überdehnung. Diese auch als gekoppelte Subluxation bezeichnete Gewalt-einwirkung gefährdet durch unphysiologische Belastungen regelhaft mehrere Kniebinnen-strukturen, so dass stets nach derartigen Begleitläsionen, wie z.B. dem Hinterhornriss des Außenmeniskus bei der VKB-Ruptur oder diese begleitende Kollateralbandrisse gefahndet werden muss. Für die Begutachtung sind u.a. Kenntnisse des Gefährdungspotentials des VKB bei unterschiedlichen Kniegelenkspositionen von Bedeutung. Das VKB ist• in Strecknähe angespannt• durch Überstreckung rissgefährdet• in Innenrotation des Unterschenkels von Rupturen bedroht

Mögliche pathomechanische Konstellationen für einen VKB-Riss sind:

Tabelle 4:

Pathomechanische Vorstellungen zum VKB-Schaden

• Innenrotation des Unterschenkels in Strecknähe: – Eigentlich nur vorstellbar mit Begleitverletzungen am Außenmeniskus,

am Außenrand • Krafteinwirkung von hinten auf den Schienbeinkopf (selten) bei angewinkeltem Knie • Gewaltsame Hyperextension durch Tritt vor das gestreckte Knie: – Begleitverletzungen im Kniekehlenbereich zu erwarten • „big bump flat landing“ – Maximale Innervation der Quadrizepsmuskualtur in Kniebeugung (z.B. Skisport !)

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Probleme bei der Beurteilung des Unfallherganges liegen in der Blitzartigkeit des Gesche-hensablaufs und der dadurch eingeschränkten Rekonstruierbarkeit pathomechanischer Einwirkungen. Prüfkriterien für das „Alter“ der Bandläsion können sein:

Das hintere Kreuzband (HKB) ist angespannt bei • Rückversetzung Tibiakopf in Kniebeugestellung • Innenrotation der Tibia bei intakten Menisken • Maximaler Beugung und Innenrotation des Unterschenkels

Nachstehende pathomechanische Einwirkungen für HKB-Rupturen sind denkbar: • Direktes Trauma – anteriorer Anprall (z.B. Torhüter) – prätibialer Anprall (z.B. „Dashboard Injury“) – Sturz nach vorn auf das gebeugte Kniegelenk • Indirektes Trauma – Hyperflexion des Kniegelenkes

Tabelle 5:

Prüfkriterien:

• Symptomenentwicklung, 1. Arztkontakt • Klinischer Erstbefund (z.B. Hämatom, Schwellung, Hämarthros etc.) • Bildbefunde (Rö., MRT etc.) • Arthroskopischer Befund • Histologischer Befund • Verlaufsanalyse

Die Genauigkeit von kernspintomografischen Untersuchungen wird in einschlägigen Publi-kationen mit einer Sensitivität von 96% und einer Spezifität von 98% angegeben. Hierbei ist insbesondere die Differenzierung zwischen einer frischen Ruptur und chronischen bzw. degenerativen Veränderungen von Bedeutung, was speziell durch qualitativ hochwertige und zeitnah zum Unfall angefertigte Kernspintomogramme gelingt. Als Checkliste zur Diffe-renzierung eignet sich auch hier Tabelle 2. Im 2004 erschienenen Supplementband der „Mitteilungen und Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie“ zur Begut-achtung des VKB-Schadens sind entsprechende Empfehlungen mitgeteilt.

Zusammenfassend sind bei der Beurteilung von Bandläsionen am Kniegelenk folgende Kriterien zu berücksichtigen:

• Es handelt sich stets um Einzelfallbeurteilungen• Alleine aufgrund der Analyse des Unfallhergang ist eine Zusammenhangsbeurteilung nicht

möglich• Die Pro-/Kontraabwägung ist im Sinne der „einfachen“ Wahrscheinlichkeit vorzunehmen

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• Mögliche MdE-Einschätzungen bei Folgen einer Kapsel-Band-Verletzung sind: muskulär kompensierte Instabilität 10 v.H. muskulär nicht kompensierte Instabilität 20 v.H. stabilisierende Orthese erforderlich 30 v.H. zusätzliche wesentliche Funktionseinschränkungen 40 v.H.

Fazit:Die Begutachtung von Meniskusschäden und Bandläsionen am Kniegelenk ist eine glei- chermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Verständnis im Hinblick auf die Beurteilung des Geschehensablaufs, die sorgfältige Erhebung der Anamnese einschließlich der Altanamnese, die exakte Auswertung dokumentierter klini-scher, radiologischer und arthroskopischer Befunde unter Berücksichtigung allfälliger histo-logischer Untersuchungen sind wesentliche Grundlage der Kausalitätsprüfung. Standardi-sierte Prüfkriterien unter Anwendung etablierter Checklisten erleichtern die Zusammen-hangsbeurteilung. Je exakter und umfänglicher die Dokumentation der Erstbefunde, desto einfacher und korrekter ist die gutachtliche Beurteilung. Daraus kann man logischerweise ableiten und fordern, dass gerade auch im Rahmen von Heilverfahren zu Lasten der gesetz-lichen Unfallversicherung eine zeitnahe und umfassende Berichterstattung erfolgen muss, welche dem sachverständigen Gutachter bei seiner Kausalitätsbewertung wesentliche Unterstützung gewährt.

Literatur 1. Contzen H (1985): Begutachtung des Meniskusschadens Unfallchirurg 88: 6 2. Felenda M, Dittel KK (1992): Die Bedeutung der Segond-Ausrissfraktur als Zeichen einer

komplexen ligamentären Kniegelenksverletzung Akt Traumatol 22: 120-122 3. Geyer M, Wirth CJ (1991): Ein neuer Verletzungsmechanismus des vorderen Kreuzbandes Unfallchirurg 94: 69-72 4. Hertel P (1996): Frische und alte Kniebandverletzungen Unfallchirurg 99: 686-700 5. Hertel P (1997): Die Entstehung von Kniebinnenverletzungen BG-Schriftreihe 99: 43-48 6. Hofmann G, Probst J (1985): Die Begutachtung des Meniskusschadens aus chirurgischer

Sicht BG-Schriftenreihe 56: 195-200 7. Jerosch J, Castro WHM, Halm H, Assheuer J (1993) Kernspintomographische Meniskus-

befunde bei asymptomatischen Probanden Unfallchirurg 96: 457-461 8. Kohn D, Schneider G, Dienst M, Rupp S (2002) Diagnostik der Ruptur des vorderen

Kreuzbandes Orthopäde 31: 719-730

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

9. Ludolph E, Heitemeyer U (1986): Die Begutachtung des Menikusschadens Unfallchirurgie 12: 4, 215-219 10. Ludolph E, Weber M, Besig K (1996): Die Begutachtung des isolierten Meniskus-

schadens Die BG 10: 563-567 11. Mazzotti I, Hein MF, Castro WHM (2002): Der isolierte traumatische Menikusriss –

gibt es neue Erkenntnisse? Versicherungsmedizin 54: 172-175 12. Schröter F (1988): Beratungsärztliche Bobachtungen zum „unklaren Knieschaden“ mit

der Erstdiagnose „Meniskusverletzung“ Gutachtenkolloquium 3, Springer Verlag: 141-154 13. Weber M (1994): Die Beurteilung des Unfallzusammenhanges von Meniskusschäden Orthopäde 23: 171-178 14. Weber M, Hertel P, Weise K (2004): Der vordere Kreuzbandschaden Empfehlungen zur Begutachtung, Supplementband „Mitteilungen und Nachrichten der

Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie“

Kontakt:

Weise, Kuno, Prof. Dr. med.Ärztlicher DirektorBerufsgenossenschaftliche UnfallklinikSchnarrenbergstr. 9572076 Tübingen

Schröter, Frank, Dr. med.Institut für Medizinische BegutachtungLandgraf-Karl-Str. 2134131 Kassel

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R. Kraus, R. Schnettler

Gutachten bei Osteitis Expert opinion in osteitis

ZusammenfassungBei der Begutachtung einer posttraumatischen Knochenentzündung (Osteitis) sind drei spezielle Aspekte der Erkrankung besonders zu würdigen: der Verletzungszusammenhang, der Aktivitätsgrad und etwaige Folgeerkrankungen. Während die Kausalität im Falle einer akuten Osteitis meist klar ist, kann dieser bei einer chronischen Osteitis nicht manchmal auf den ersten Blick klar sein und erst durch eine subtile Würdigung der Anamnese aner-kannt werden. Differential-diagnostisch ist eine hämatogene Osteitis auszuschließen. Die Bewertung der Osteitisfolgen in Form einer MdE richtet sich nach dem Aktivitätsgrad der Erkrankung und kann nur eine Momentaufnahme sein. Bei ruhender Osteitis über einen Zeitraum von mehr als 3–5 Jahren wird von einer sogenannten Heilungsbewährung ausge-gangen. Ein genereller Osteitis –Aufschlag soll dann nicht gewährt werden. Nicht übersehen werden dürfen Folgeerkrankungen der chronischen Osteitis. Unter Ihnen sind vor allem die Amyloidose und das Narben- oder Fistelkarzinom zu nennen. Bei deren Bewertung kann die Veranlassung Zusatzgutachten aus anderen Fachgebieten notwendig sein.

Schlüsselwörter: akute Osteitis, chronische Osteitis, Fraktur, Gutachten, Amyloidose, Plattenepithel- karzinom

SummaryPreparing an expert opinion in case of a post-traumatic osteitis, three special aspects have to be referred to: accident-connection (causality), grade of activity and following, connected diseases. Causality most often is clear in cases of acute osteitis, but may be subject to further investigations in chronic osteitis. Haematogenic osteitis has to be ruled out. Rating the sequelae of an osteitis as a degree of impediment is dependent on the activity of the osteitis. Follow-up diseases are not to be missed. Amongst them amyloidosis and squamous cell carcinoma are most common. Rating their sequelae additional expert opinions from other medical fields may be necessary.

Keywords: acute osteitis, chronic osteitis, fracture, expert opinion, amyloidosis, squamous cell carcinoma

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Einleitung

Die posttraumatische und postoperative Osteitis stellt nach wie vor eine große Herausforde- rung für den behandelnden Chirurgen dar und geht oft mit einer schwerwiegenden Leidens-verschlimmerung und Leidensverlängerung für den Verletzten einher. Dennoch muss heute nicht mehr, wie noch vor weniger als 30 Jahren von einer Kapitulation des Therapeuten und Gutachters gesprochen werden (1).

Es muss zwischen einer exogenen Osteitis einerseits und einer endogenen (hämatogenen) Osteitis andererseits unterschieden werden. Außerdem ist eine Differenzierung zwischen einer akuten Osteitis und einer chronischen Osteitis notwendig. Während die akute Osteitis innerhalb von vier Wochen nach einem Unfall oder einer Operation auftritt und meist mit akuten Entzündungszeichen wie Fieber, Schmerzen und erhöhten laborchemischen Infektparametern einhergeht, kann eine chronische Osteitis Monate und Jahre nach dem ursächlichen Ereignis auftreten. Systemische Entzündungsparameter können völlig fehlen. Sie ist vielmehr gekennzeichnet durch Sequester- oder Fistelbildungen und einen rezidi-vierenden Verlauf.

Die Häufigkeit der akuten exogenen Osteitis liegt bei 0,1 – 1,7% nach Elektiv-Eingriffen am Skelettsystem (6), bei 1–8% nach operativer Versorgung geschlossener Frakturen (3) und bei 3 – über 40% bei der Behandlung offener Frakturen in Abhängigkeit vom begleitenden Weichteilschaden (8). Vergleichbare Zahlen für das Auftreten chronischer Osteitiden gibt es leider nicht (5).Die derzeit aktuellen Behandlungsoptionen, -algorithmen und –richtlinien sollen nicht Ge- genstand dieses Aufsatzes sein. Hierzu darf auf die aktuelle Literatur verwiesen werden (9,15).

Wird in Zusammenhang mit einer Osteitis eine berufsgenossenschaftliche Begutachtung, sei es zur Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit oder auch des Unfallzusam-menhangs notwendig, so sind drei Gesichtspunkte zu beachten:– Ist die in Frage stehende Osteitis tatsächlich in ursächlichem Zusammenhang mit der

erlittenen, angeschuldigten Unfallverletzung zu sehen? Dabei ist die Differenzierung zwischen exogener und hämatogener Osteitis von Bedeutung.

– Welche Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Körperregion bzw. welche Minderung der Erwerbsfähigkeit ist der Osteitis zuzuschreiben und erweitert diese die Funktionsbeeinträchtigung durch die unmittelbaren Verletzungsfolgen?

– Liegen Folgekrankheiten der Osteitis vor, stehen diese in einem zwingenden Zusammen-hang und welche eigene MdE bedingen Sie. Sind zur Beurteilung dieser Folgekrankheiten fachfremde Zusatzgutachten einzuholen?

Zusammenhangsfrage

Zur Anerkennung der exogenen Ursache einer Osteitis werden vier Voraussetzungen gefordert, ohne deren Vorliegen das Vorliegen einer unfallbedingten Osteitis in Zweifel gezogen werden muss.

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– Ein Unfall muss zweifelsfrei vorgelegen haben.– Es muss eine erhebliche Gewalteinwirkung stattgefunden haben.– Der Unfall muss nachweislich die von der Osteitis betroffene Körperregion betroffen

haben.– Das Auftreten der Erkrankung muss in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang mit

dem Unfallereignis gestanden haben.– Nicht zwangsläufig zu fordern ist im Gegensatz dazu das Vorliegen eines Knochenbruchs

oder einer offenen Verletzung im Rahmen des angeschuldigten Unfallereignisses.

Die Definition des Unfallereignisses als „plötzlich und unerwartet, kurzzeitig von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis“ muss in diesem Zusammenhang als Grundvoraus-setzung für die berufsgenossenschaftliche Eintrittspflicht gesehen werden und unterschei-det sich im Falle einer posttraumatischen Osteitis nicht von anderen Zusammenhangs- und Kausalitätsfragen.

Das Ausmaß der Gewalteinwirkung wird als entscheidend für die Entstehung einer Osteitis angesehen. Eine Bagatellverletzung führt zumindest beim gesunden und insbesondere im- munkompetenten Individuum nicht zu einer solch schwerwiegenden Komplikation. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei Vorliegen lokal oder systematisch herabgesetzter Infektabwehr (D. mellitus, Kortikoid-Therapie, etc.) auch mindere Unfallereignisse eine Osteitis nach sich ziehen können (10).

Im Gegensatz zur hämatogenen Osteitis, die als disseminierende Erkrankung besondere Prädilektionsorte kennt und einen eindeutigen Altersgipfel im Kindes- und Jugendalter hat, tritt die posttraumatische Osteitis primär am Ort des Verletzungsereignisses auf und führt ihrerseits nur selten und nach langem Krankheitsverlauf als Infektherd zu „septischen Metastasen“, dann meist in der Peripherie der betroffenen Extremität. Sie tritt in jedem Verletzungsalter auf.

Obwohl die posttraumatische Osteitis zweifelsohne am häufigsten nach offenen Frakturen auftritt, ist eine solche jedoch auch nach schweren Weichteilverletzungen mit und ohne Eröffnung des Hautmantels, aber ohne begleitenden Knochenbruch, beschrieben. Ebenfalls denkbar sind Frakturen ohne begleitende Hautverletzung als kausaler Ausgangspunkt einer exogenen Osteitis. Unter den beschriebenen Gesichtspunkten ist selbstverständlich auch die postoperative Osteitis, auch nach der Behandlung, insbesondere der Osteosynthese, ursprünglich geschlossener Frakturen zu begutachten.

Die Forderung nach dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Verletzung m kt dem Auftreten der Erkrankung gilt für die akute Osteitis. Von einer solchen wird ausgegangen, wenn es in den ersten vier Wochen nach Verletzung bzw. Operation zu einer Knochenent-zündung kommt. Weniger eindeutig ist der zeitliche Zusammenhang bei der Erstmanifesta-tion einer chronischen Osteitis Monate oder gar Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis. Ist der angeschuldigte Unfall, bzw. die operative Behandlung dessen Verletzungsfolgen jedoch prinzipiell geeignet eine Osteitis herbeizuführen, so ist in den meisten Fällen ein kausaler

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Zusammenhang herzustellen. Die Annahme, dass eine chronische Osteitis nur nach Ablauf einer akuten Osteitis anzuerkennen ist, bzw. zumindest Brückensymptome wie Hämatom oder Fieber im Verlauf zu fordern sind (16), kann nicht mehr aufrecht erhalten werden (5).

FallbeispielDer zum Unfallzeitpunkt 42-jährige Patient erlitt bei einem Verkehrsunfall eine ge-schlossene laterale Schienbeinkopffraktur (AO: 41 B3). Diese wurde offen reponiert und plattenosteosynthetisch stabilisiert. Der postoperative Verlauf ist völlig unauffällig. Die Wiedervorstellung erfolgt nach 28 Monaten mit einer erstmals vor drei Wochen aufge-tretenen massiven, schmerzhaften, überwärmten Rötung und Schwellung am lateralen Schienbeinkopf. Eine Fistel am proximalen Narbenpol sezerniert massiv eitrig. Radiolo-gisch besteht eine chronische Osteitis des Schienbeinkopfes mit ausgedehnter Exkava-tion (Abb. 1a). Im Rahmen der sofort durchgeführten Revision mit Metallentfernung und radikalem Debridement wird eine ca. 1 cm durchmessende sequestrierte Kortikalisscherbe entfernt. Es kann Staphylokokkus aureus nachgewiesen werden. In einer zweiten Sitzung wird erneut debridiert und ein lokaler Antbiotikaträger (Perossal®, 50 Pellets, getränkt mit 1 g Vancomycin®) eingelegt. Danach ist der Patient Infekt- und Rezidivfrei (Abb. 1b, 1c).

Obwohl nach der Primärbehandlung keine akute, postoperative Osteitis aufgetreten war und auch im Verlauf von über zwei Jahren keine Brückensymptome zu eruieren waren, ist der kausale Zusammenhang der Exazerbation der chronischen Osteitis mit der Fraktur und deren chirurgischer Versorgung zweifelsfrei gegeben.

Abb. 1a:

Posttraumatische, postoperative Osteitis 28 Monate nach Schienbeinkopffraktur

Abb. 1b, c:

Radiologischer Zustand 3 Jahre nach operativer Sanierung mit Reiz- und Fistelfreien Narbenverhältnissen

Gutachterliche Bewertung

Im Stadium der akuten exogenen Osteitis wird eine gutachterliche Bewertung zur Feststel-lung einer MdE in der Regel noch nicht stattfinden. Diese wird, so es nicht zur Sanierung

Abb. 1a Abb. 1b

Abb. 1c

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der akuten Osteitis gekommen ist, im Übergang zur bzw. bei schon manifester oder exazer-bierter chronischer Osteitis durchgeführt werden.

Die gutachterliche Bewertung einer Verletzung des Bewegungsapparates mit nachfolgen-der Osteitis wird in erster Linie bestimmt von der Funktionseinschränkung der betroffenen Körperregion und unterscheidet sich damit nicht von jeder anderen gutachterlichen Bewer- tung (2). Während noch in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhun-derts ein genereller Osteomyelitis „Zuschlag“ (MdE + 10%, (1)) gewährt wurde oder aber die Rezidivgefahr selbst bei derzeit inaktiver Osteitis bei der Festsetzung der MdE zu berück-sichtigen empfohlen wurde (14), wird dies in der aktuellen Literatur abgelehnt (2,4,5,1)

Ausgehend von der Annahme, dass bei einer chronischen Osteitis nie von einer Ausheilung gesprochen werden darf (9), sind auf Grund verbesserter Therapiemöglichkeiten doch zumindest langfristige rezidivfreie Intervalle zu erreichen. Unter diesem Gesichtspunkt wird nach drei Jahren Rezidivlosigkeit von der sogenannten Heilungsbewährung ausgegangen. Ist ein solcher Zustand erreicht, ist es aktuell absolut gerechtfertigt keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE 0%) bezüglich der chronischen Osteitis anzunehmen. Es ist jedoch unumgänglich, im Falle eines später auftretenden Rezidivs eine erneute Begutachtung vorzunehmen. Wie im rezidivfreien Intervall kann jedoch auch diese wiederum nur eine Momentaufnahme der Erkrankung darstellen und ist dementsprechend revidierbar. Liegen aber zum Gutachtenzeitpunkt Symptome der chronischen Osteitis vor, so ist entsprechend derer Ausprägung und dem Aktivitätszustand des chronischen Entzündungsgeschehens eine MdE für die Osteitis neben der MdE für funktionelle Einschränkungen zu gewähren (Tab.1).

Aktivitätsbezogene Stadieneinteilung der chronischen Osteitis und näherungsweise Höhe der adäquaten MdE nach (4).

Stadium/Aktivität MdE

Ruhende Osteitis (Inaktivität mindestens 5 Jahre, 0–10% Stichwort: „Heilungsbewährung“)

Chronische Osteitis – geringgradig

(lokal begrenzt, geringe Aktivität, geringe Sekretion, keine ~20% allgemeinen Krankheitszeichen)

– mittelgradig (ausgedehnt, häufige oder ständige Sekretion, laborchemische ~50% Entzündungsparameter erhöht, allgemeine Krankheitszeichen)

– schwergradig (ausgedehnt unter Weichteilinfiltration und ständiger > 70% starker Sekretion, Sequesterabstoßung, deutliche laborchemische Entzündungszeichen, häufige Krankheitsschübe mit Fieber)

Tabelle 1:

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Beispiele zur Berechnung der MdE

1) Chronische Osteitis des Schienbeinkopfes nach osteosynthetisch versorgter Fraktur, 5 Jahre rezidivfrei, keine Sekretion. Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes 0-5-140 Grad, Valgusfehlstellung von 6 Grad ohne radiologische Zeichen einer Gonarthrose.

MdE: Funktionell 10%, keine Veränderung durch die Osteitis in der Phase der Heilungs-bewährung, Gesamt-MdE: 10%

2) Chronische Osteitis des Fersenbeins nach offener Fraktur mit therapieresistenter Fistel, ständige Sekretion, mehrfach tägliche Verbandwechsel, etwa vierteljähr-liche Exazerbation mit erhöhtem CRP. Einsteifung des unteren Sprunggelenkes und Bewegungseinschränkung des OSG auf 0-0-20 Grad. Schmerzfreie Gehstrecke 30 m. Notwendigkeit orthopädischen Schuhwerks.

MdE: Funktionell 20%, Osteitis bezogen 30%, Gesamt-MdE 50%

Ähnliche und in ihrer Auswirkung zu vergleichende Berechnungsgrundlagen ergeben sich auch für die Gebrauchsunfähigkeit nach der Gliedertaxe im Rahmen der privaten Unfallver-sicherung (5,17).

FolgeerkrankungenBei einer langjährig bestehenden chronischen Osteitis kann es zu schwerwiegenden lokalen oder systemischen Folgeerkrankungen kommen, von denen nur die beiden häufigsten und dramatischsten angesprochen werden sollen.

AmyloidoseBei der Amyloidose liegt eine interstitielle Ablagerung abnormer Proteine im vor, die zur Funktionsminderung bis hin zum Ausfall des betroffenen Organs führen kann. Die Eiweiß-körper werden von Plasmazell-Linien synthetisiert, die sich im Rahmen der Abwehr eines chronischen Infektes monoklonal vermehren. Während dieser Entstehungsmechanismus früher als sekundäre Amyloidose bezeichnet wurde, spricht man nach neuerer Literatur von einer A-A-Amyloidose (13). Das dabei gebildete pathologische Eiweiß ist Serum Amyloid A, eine akute Phase Protein wie die bekannten Entzündungseiweiße Haptoglobin oder CRP (C reaktives Protein). Die Serum Amyloid A Bildung ist autosomal rezessiv vererbbar oder eben Folge einer chronischen Entzündung wie einer Osteitis (6).

Die Amyloidose befällt generalisiert oder lokalisiert verschiedene Organe, bevorzugt Leber, Milz und Nieren, aber auch den Herzmuskel sowie andere glatte und quergestreifte Muskulatur. Der Nachweis kann histologisch durch Biopsie des betroffenen Organs geführt werden. Die Kausaliät kann bei lang bestehender Osteitis leicht hergestellt werden. Für die Einschätzung der Organschädigung und der daraus erwachsenden MdE ist ein internisti-sches Fachgutachten notwendig (5).

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

PlattenepithelkarzinomPlattenepithelkarzinome (seltener Basalzellkarzinome) treten in Form eines Fistel- oder Narbenkarzinoms im Verlauf einer chronischen Osteitis mit einer Häufigkeit von 0,2 -1,5% der Fälle auf. Das Intervall seit dem Unfallereignis ist in der Regel extrem lang und kann bis zu 30 Jahre betragen (7,11). Die Kausalität ist leicht herzustellen, es ist jedoch zu fordern, dass das Karzinom unmittelbar im Bereich einer chronischen Fistel, eines chro-nischen Ulkus oder einer Narbe entsteht. Für fernab, wenn auch an der gleichen Extremität auftretende Karzinome ist kein Zusammenhang herzustellen. Da die Behandlung meist in der Amputation der befallenen Extremität bestehen muss ist die Beurteilung der MdE im Rahmen des unfallchirurgischen Gutachtens leicht, ist es jedoch bereits zu einer Metastasie-rung gekommen, müssen eventuell andere Fachgebiete hinzugezogen werden.

Fallbeispiel Ein 53-jähriger Patient hatte 21 Jahre zuvor eine Zerquetschung des linken Vorfußes

erlitten. Es wurde eine atypische Vorfußamputation durchgeführt. In mehrjährigen Abstän-den kam es zu sezernierenden Fistelbildungen im Narbenbereich, seit 2 Jahren besteht hier eine therapieresistente, sich stetig vergrößernde Exulceration. Radiologisch liegen keine Osteolysen, vor (Abb. 2a). Klinisch besteht ein fast 8 cm durchmessendes Ulcus (Abb. 2b) aus dem durch Biopsie histologisch ein Plattenepithelkarzinom gesichert werden konnte. Die Therapie der Wahl besteht in der Unterschenkelamputation, die Prognose ist abhängig von einer etwaig schon stattgefundenen lymphogenen Metastasierung.

Abb. 2aAbb. 2b

Abb. 2a:

Röntgen-Darstellung des atypischen Mittelfußstumpfes 21 Jahre nach Quetschverletzung und primärer

Amputationsbehandlung.

Abb. 2b:

Makroskopischer Aspekt eines exulzieriernden Plattenepithelkarzionoms am lateralen Vorfußstumpf.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

SchlussfolgerungenBei der Begutachtung einer Osteitis muss zunächst zum Unfallzusammenhang Stellung genommen werden. Danach sind die Folgen der Osteitis in Abhängigkeit von deren Aktivi-tätsgrad zu bewerten und der Beurteilung der Funktionseinschränkung hinzu zu fügen. Ein genereller Osteitis-Zuschlag soll nicht gewährt werden. Bei einer langjährig bestehenden, chronischen Osteitis müssen gegebenenfalls schwerwiegende Folgeerkrankungen auch unter Hinzuziehung von Zusatzgutachten mit begutachtet werden.

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Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?

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Kontakt:Kraus, Rolf, Dr. med.Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für UnfallchirurgieStandort GießenKlinikum der Justus-Liebig-UniversitätRudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

IV. SitzungWundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Vorsitz: G. O. Hofmann, Halle/R. Schnettler, Gießen

G. O. Hofmann, C. Röhm, A. Tiemann

Weichgewebsmanagement

Zusammenfassung:Ein korrektes primäres und sekundäres Weichgewebsmanagment bei entsprechenden Verletzungen und Erkrankungen in Traumatologie und Orthopädie hat wesentlichen Ein-fluss auf das rekonstruktive und funktionelle Gesamtergebnis bei der Wiederherstellung einer Extremität. Während das primäre Weichgewebsmanagement unter notfallmäßigen Bedingungen vom behandelnden Unfallchirurgen eine richtige und schnelle Entscheidungs-findung bei Amputationsverletzungen, offenen Frakturen sowie Decollementverletzungen erfordert, findet sekundäres Weichgewebsmanagement in erster Linie bei hoch elektiven Eingriffen in der Wiederherstellungschirurgie statt. Hierbei ist das sekundäre Weichge-websmanagement bei bereits eingetretenen, manifesten Komplikationen ein wesentlicher Bestandteil eines ganzheitlichen Therapiekonzeptes bei der Behandlung chronischer Osteitiden, endo- oder periprothetischen Infektionen sowie in der muskuloskelettalen Tumorchirurgie.

Schlüsselwörter:Weichteilschaden, Weichgewebsmanagement, primär, sekundär

Summary:Correct primary and secondary soft tissue management of corresponding injuries and diseases in traumatology and orthopaedics has a major influence on the reconstructive and functional overall outcome when reconstructing an extremity. Primary soft tissue management under emergency conditions requires rapid and correct decision-making from the attending traumatologist in cases of amputation injuries, open fractures, and degloving injuries. Secondary soft tissue management in reconstructive surgery mostly takes place as highly elective procedures. In such cases, secondary soft tissue management for existing manifest complications is a major element of a holistic treatment concept in the treatment of chronic osteitis, endo- and periprosthetic infections and in surgery for musculoskeletal tumours.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Keywords:Soft tissue injury, soft tissue management, primary, secondary

Der sorgfältige und problemspezifische Umgang mit den Weichgewebsstrukturen Haut, Subkutangewebe, Faszien, Muskulatur, Gefäßen und Nerven in Traumatologie und Ortho-pädie orientiert sich an der zugrundeliegenden Verletzung oder Erkrankung. Dement- sprechend wird unterschieden zwischen einem primären und einem sekundären Weich-gewebsmanagement (Tab. 1).

Das primäre Weichgewebsmanagement findet in einer Notfallsituation bei Amputations-verletzungen, offenen Frakturen und Decollement-Verletzungen seine Anwendung. Nicht zu unterschätzen ist das Gefahrenpotenzial in der Beurteilung des primären Weichgewebs-schadens bei geschlossenen Frakturen. Demgegenüber steht das sekundäre Weichgewebs-management im Rahmen der elektiven Behandlung von chronischen Osteitiden, endo- bzw. periprothetischen Infektionen, Weichgewebsinfektionen und in der Tumorchirurgie.

Primäres Sekundäres Weichgewebsmanagement Weichgewebsmanagement

• Notfallsituation • Elektiver Eingriff • Offene Frakturen • Chronische Osteitis • Decollementverletzungen • Endo-/Periprothetische Infektionen • Amputationsverletzungen • Weichgewebsinfektionen • Geschlossene Frakturen! • Tumorchirurgie • Voraussetzung für erfolgreiches

Weichgewebsmanagement: Sanierung der Grunderkrankung!

Tabelle 1:

Primäres WeichgewebsmanagementDas primäre Weichgewebsmanagement im Rahmen von Amputationsverletzungen, offenen und geschlossenen Frakturen sowie von Decollement-Verletzungen stellt an den Behandler deshalb ein hohes Maß an Anforderungen, weil es sich durchweg um Notfallsituationen handelt, die ein schnelles Entscheiden notwendig machen. Die Indikation zur primären Amputation einer Extremität kann als technische Indikation oder als vitale Indikation ge-stellt werden (4, 11). Bei einer technischen Indikation zur primären Amputation liegt ein Gewebeschaden mit vollständigem oder subtotalem Verlust der Extremität vor, der aufgrund des Ausmaßes der Zerstörung und der Verschmutzung unabhängig vom Gesamtzustand des Patienten keine Rekonstruktion mehr ermöglicht (z. B. Amputationsverletzungen im Rahmen von Eisenbahnunfällen, von landwirtschaftlichen Verletzungen etc.) (Abb. 1). Eine vitale Indikation zur primären Amputation ergibt sich in erster Linie im Rahmen der Poly-

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

traumaversorgung. Begleitende Körperhöhlenverletzungen (Schädelhirntrauma, Thorax-, Abdominalverletzungen, Beckenfrakturen) limitieren ganz entscheidend die generellen operativen Versorgungsmöglichkeiten des Patienten in den ersten 6 – 12 Stunden. Diesem Umstand muss vielfach durch eine „life bevor limb“ Rechnung getragen werden. Bei beiden Indikationen bedeutet das adäquate Weichgewebsmanagement, dass die Amputation viel-fach offen durchgeführt werden muss und erst nach einer 2., 3. oder x. Revision bei stabili-sierter Gesamtsituation des Patienten eine zeitversetzte sekundäre myoplastische Deckung des Stumpfes erfolgen kann. Die Entscheidung für einen Gliedmaßenerhalt oder eine primäre Amputation unter vitaler Indikation kann durch verschiedene Entscheidungsalgo-rithmen unterstützt werden (Tab. 2). Der Vorteil dieser Algorithmen besteht ganz entschei-dend darin, dass sie den Behandler zum Abarbeiten verschiedener Beurteilungsparameter und damit zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Verletzung und des Verletzten zwingen und damit die medicolegale Sicherheit in der Behandlung erhöhen. Die Anwendung eines solchen Scores nimmt dem Operateur jedoch niemals die Entscheidung für oder gegen den Gliedmaßenerhalt ab. Die ausschließliche und ungeteilte Verantwortung hierfür verbleibt

Prädikative Entscheidungsscores für/gegen Gliedmaßenerhalt

• Mangeled Extremity Syndrome Index (MES) • Nach Gregory et al (6), 1985

• Predictive Salvage Index (PSI): • nach Howe et al. (13), 1987

• Hannover Fracture Scale (HFS): • nach Südkamp et al. (27), 1989

• Mangled Extremity Severety Score (MESS): • nach Helfet et al (9), 1990

• Limb Salvage Index (LSI) • nach Russel et al (24), 1991

• Modifizierter “MESS” (NISSSA): • nach Mc Namara et al (16), 1994

Tabelle 2:

Abb. 1:

Technische Indikation zur primären

Amputation.

Eisenbahnunfall: beidseitige trau-

matische Unterschenkelabtrennung

durch Überrollen.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

immer nach der Beurteilung des klinischen Gesamtzustandes des Verletzten beim Opera-teur. Entschließt man sich zur Durchführung einer primären Amputation oder Exartiku-lation, sollte im Sinne des Weichgewebsmanagements an die Verwendung des Amputats als Gewebeersatzlager für autologe Transplantationen (Haut, Knochen, Nerven) gedacht werden.

Bei offenen Frakturen findet das Ausmaß der Weichgewebsschädigung Eingang in die ent-sprechenden Klassifikationen (7, 8, 17, 29) (Tab. 3). Offene Frakturen sind je nach Schwere-grad mit Infektionsraten zwischen 14 und 33 % behaftet. Es gilt als gesichert, dass im Sinne der Infektionsprophylaxe bereits in der präklinischen Erstversorgung eine Antibiotikum-prophylaxe durchgeführt werden soll. Boxmer et al (3) konnten 1996 zeigen, dass sich damit die Infektionsrate nach offenen Frakturen von 8,3 % auf 3,6 % senken ließ. Auch die Wirk-samkeit einer lokalen Antibiose als adjuvante Maßnahme bei offenen Frakturen ist bewie-sen. Ostermann et al (19) konnten zeigen, dass sich damit die Infektionsrate von 12 auf 3,7 % senken lässt. Keinesfalls ersetzt die Antibiotikumprophylaxe aber ein adäquates chirurgisches Vorgehen bei offenen Frakturen. Alle chirurgischen Maßnahmen sind unter notfallmäßiger Indikation zur OP durchzuführen. Das umfangreiche Debridement zerstörter Weichgewebsstrukturen und aus dem Gewebeverband herausgelöster Knochenfragmente dient der Prophylaxe von Infektionen. Eine gründliche Nekrektomie unterstützt die phago-zytotische Aktivität des körpereigenen Abwehrsystems und reduziert die sekundäre Hista-min- und Prostaglandin-Belastung. Dies wiederum hilft, die Aufrechterhaltung der Mikro-zirkulation im verletzten Gewebe sicherzustellen. Wann immer möglich, sollte auf den Einsatz einer Blutsperre verzichtet werden, um nicht zusätzlich zum traumatischen Gewe-beschaden einen sekundären Ischämie- und Reperfusionsschaden zu setzen. Der Eingriff wird in der überwiegenden Zahl der Fälle mit externer Stabilisation und temporärem Wundverschluss abgeschlossen.

Die Beurteilung des Weichgewebsschadens bei geschlossenen Frakturen ist ungleich schwieriger als bei offenen (17, 29). Auch hier unterstützen Beurteilungsalgorithmen die

Klassifikation des Gewebeschadens bei offenen Frakturen. Nach Tscherne und Oestern (29)

Grad I Durchspießung der Haut, unbedeutende Kontamination, einfache Frakturformen

Grad II Durchtrennung der Haut, umschriebene Haut- und Weichteilkontusion, mittelschwere Kontamination, alle Frakturformen

Grad III Ausgedehnte Weichteildestruktion, häufig Gefäß- und Nervenverletzungen, starke Wundkontamination, ausgedehnte Knochenzertrümmerung (z. B. Schuß-bruch, offene Frakturen mit Gefäßverletzungen der großen Extremitätenarterien)

Grad IV Totale und subtotale Amputation, Durchtrennung der wichtigsten anatomischen Strukturen, vollständige Ischämie

Tabelle 3:

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Entscheidungsfindung (Tab. 4). Zusätzliche Schnitt- und Schürfwunden an einer Extremität, ausgedehnte Hämatome und kontusionierte Hautweichteilbezirke müssen Zweifel an einer „einfachen geschlossenen Fraktur“ aufkommen lassen. Die Wahl des richtigen Operations-zeitpunktes ist von entscheidender Bedeutung, weil ein sekundär fortschreitender Gewebe-untergang bei zu früh vollzogener definitiver osteosynthetischer Versorgung zu einem aus-gedehnten Haut- und Weichgewebsuntergang führen kann. Erscheint der Haut-/Weichge-websschaden bei geschlossenen Frakturen als suspekt, sollte einer externen Stabilisation der Fraktur der Vorrang gegeben werden. Der Stellenwert einer zusätzlich antibiotischen

Klassifikation des Gewebeschadens bei geschlossenen Frakturen. Nach Tscherne und Oestern (29)

Grad 0 Fehlende oder unbedeutende Weichteilverletzung, indirekter Verletzungs- mechanismus, einfache Frakturformen (z. B. Unterschenkelfraktur des Skifahrers)

Grad I Oberflächliche Schürfung oder Kontusion durch Fragmentdruck von innen, einfache bis mittelschwere Frakturform (z. B. OSG-Luxationsfraktur)

Grad II Tiefe kontaminierte Schürfung sowie Haut- oder Muskelkontusion durch direkte Krafteinwirkung, drohendes Kompartmentsyndrom mit mittelschweren bis schwere Frakturformen (z. B. Zweitetagenfraktur der Tibia bei Stoßstangenanprall)

Grad III Ausgedehnte Hautkontusion, -quetsch und/oder Zerstörung der Muskulatur, subkutanes Décollement, manifestes Kompartment, Verletzung eines Haupt-gefäßes, schwere Frakturformen (z. B. Trümmerfraktur)

Tabelle 4:

Abschirmung in diesen Situationen ist nicht gesichert. Eine PTT-wirksame Heparinisierung und eine zusätzliche rheologische Therapie können, sofern keine Kontraindikationen (Schä-delhirntrauma!) vorliegen, die lokale Rekonvaleszenz und Stabilisation des Weichgewebes fördern. Der Vorteil einer verzögerten definitiven Frakturversorgung gegenüber der primä-ren bei geschlossenen Frakturen mit höhergradigem Weichgewebsschaden ist in der Litera-tur (1, 2 ,5, 14, 18, 20-23) vielfach gesichert.

Zu einem adäquaten Weichgewebsmanagement bei geschlossenen Verletzungen gehört auch die Erkennung und adäquate Therapie des Kompartmentsyndroms. Physiologischer-weise liegt der Gewebedruck in einem intakten muskulären Kompartment unter 10 mm Hg. Steigt er auf Werte zwischen 30 bis 40 mm Hg liegt ein drohendes, bei Werten über 40 mm Hg ein manifestes Kompartmentsyndrom (25, 26) vor. Die genaue Bestimmung des Kompart-mentdruckes mittels direkter Messung sollte aber niemals alleinige Entscheidungsgrund-lage für oder gegen eine operative Intervention sein. Die Indikation zur Durchführung einer

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

vollständigen Dermatofasciotomie bleibt letztendlich immer eine klinische. Das Leitsyndrom des Kompartmentsyndroms ist der akut einsetzende heftige Schmerz und die Schwellung über der betroffenen Muskelloge. Dem Muskeldehnungsschmerz (M. flexor hallucis) kommt dabei gleichsam indikatorischer Charakter zu. Die periphere arterielle Strombahn verbleibt ebenso wie die Kapillarzirkulation im Frühstadium intakt, was zu Fehlinterpretationen führen kann. Nach 40 bis 60 Minuten tritt eine Muskelschwäche und im weiter fortgeschrit-tenen Stadium ein Sensibilitätsverlust über der betroffenen Region auf. Der Pulsverlust stellt das fortgeschrittene Stadium eines irreversiblen Kompartmentsyndroms dar. Notfall-mäßig sollten sämtliche konstringierenden Verbände entfernt werden. Die absolute Indika-tion zur sofortigen vollständigen Dermatofasciotomie wurde bereits erwähnt. Postoperativ stellen leichte Hochlagerung, kontrollierte Volumentherapie und lokale Kryotherapie adju-vante Maßnahmen dar. Bei Decollementverletzungen kommt es zu einer Dissektion zwischen dem Subkutangewebe und der darunter liegenden Faszie, was zum sofortigen Ausfall der Blutversorgung der betreffenden Haut- und Subkutanareale führt. Offene Decollementverletzungen sind in ihrem Ausmaß leicht zu erkennen. Eine Schwierigkeit ergibt oft die richtige Beurteilung des Ausmaßes bei geschlossenen Decollementverletzungen. In 30 % der Fälle wird das Vor-liegen bzw. das Ausmaß einer solchen geschlossenen Decollementverletzung übersehen. Die Demaskierung des von der Zirkulation abgetrennten Haut-/Weichgewebsareals stellt sich vielfach erst nach Tagen oder Wochen ein. Je länger diese Verletzungen mit ihren ausgedehnten subkutanen Hämatombildungen und der zunehmenden Nekrotisierung des nicht mehr perfundierten Weichgewebes unentdeckt bleiben, desto größer wird das Risiko weitergehender, teilweise letal verlaufender Komplikationen (nekrotisierende Fasciitis!). Der Wundverschluss beim primären Weichgewebsmanagement gelingt in einem erhebli-chen Anteil der Fälle über die primäre Naht. Allerdings erhöht ein in unnötiger Weise zu früh erzwungener Wundverschluss das Nekrose- und Infektionsrisiko. Der Zeitpunkt der biologischen Wundabdeckung richtet sich ganz wesentlich nach den im Haut-/Weichge-websdefekt frei liegenden Strukturen. Offene Gelenke und freiliegende Nerven müssen möglichst schnell, ggf. sogar mit plastisch-chirurgischen Maßnahmen gedeckt werden. Bei freiliegenden Gefäßen ist der tolerable Zeitraum etwas länger anzusetzen (binnen 3 Tagen), bei freiliegendem, nicht deperiostiertem Knochen sollte die Deckung binnen einer Woche angestrebt werden. Befindet sich im Defekt nur gut durchblutete Muskulatur, lässt sich durch eine temporäre Abdeckung mit Kunsthaut unter Umständen noch ein längerer Zeit-raum überbrücken. Ist aufgrund des zeitlichen Verlaufes und der Retraktion der Hautränder ein primärer Wundverschluss nicht mehr möglich, haben sich die verschiedenen Techniken der Dermatotraktion bewährt. Nach Fasciotomie und Vorlegen s. g. Lager- oder Ankernähte lässt sich eine sukzessive Wundrandadaptation, oftmals bis zum kompletten Wundverschluss durchführen. Verbleibende Restdefekte lassen sich ohne Mühe mittels Spalthautplastik decken (Abb. 2). Auch eine primäre Verkürzung einer Extremität, insbesondere bei gleichzeitig vorliegendem diaphysärem Knochendefekt sollte im Sinne eines primären Weichgewebsmanagement in Betracht gezogen werden (Abb. 3). Durch eine Verkürzung lässt sich vielfach die Spannung

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

aus dem Gewebe nehmen, was einen primären oder verzögert primären Wundverschluss erleichtert. Die Entscheidung zu einer primären Verkürzung sollte insbesondere vor dem Hintergrund der heute zur Verfügung stehenden technischen Verfahren zur sekundären Knochenverlängerung erleichtert werden. Nach Abschluss der Wundheilung, Konsolidie-rung der Weichgewebe und Ausheilung der Fraktur lässt sich verlorengegangene dia-physäre Knochenstrecke mit den verschiedenen Verfahren der Kallusdistraktion wieder gewinnen.

Sekundäres Weichgewebsmanagement

Sekundäres Weichgewebsmanagement ist bei bereits eingetretenen, manifesten Komplika-tionen wesentlicher Bestandteil des Therapiekonzeptes. Bei chronischer Osteitis, endo- oder

Abb. 2:

Sukzessive Wundverkleinerung durch Dermatotraktion

a) zu Beginn der Wundverkleinerung

b) Lagernähte über der temporären Wundabdeckung.

Defekt bereits verkleinert.

c) Erreichter Wundverschluss.

Abb. 2bAbb. 2a

Abb. 2c

Abb. 3a Abb. 3b

Abb. 3: Primäre Verkürzung eines Oberschenkels bei gleichzeitig vorliegendem Femur- und Weichgewebsdefekt

a) OP-Situs

b) Durchleuchtung vor Verkürzung bei bereits einliegendem retrogradem Femurnagel

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

periprothetischen Infektionen sowie in der muskuloskelettalen Tumorchirurgie handelt es sich um elektive Eingriffe, deren Durchführung eine subtile Operationsplanung zugrunde liegen sollte. Die absolute Voraussetzung für ein erfolgreiches Weichgewebsmanagement bei diesen Komplikationen ist die Sanierung der Grunderkrankung.

In der Therapie der chronischen Osteitis ist das 3-phasige Behandlungskonzept, welches wir erstmals 2000 vorgeschlagen haben (10, 12, 15), mittlerweile allgemein akzeptierter Standard: • Phase 1: Infektsanierung• Phase 2: Weichgewebsrekonstruktion• Phase 3: Rekonstruktion des knöchernen und/oder Gelenkdefektes

Dem Bemühen Rechnung tragend, eine weitgehende Sanierung der Infektion zu erreichen, muss das notwendige Resektionsausmaß für Knochen und Weichgewebe präoperativ geplant werden. Den verschiedenen bildgebenden Untersuchungsverfahren kommt aber eine höchst unterschiedliche Wertigkeit zu. Gemeinsam ist allen Verfahren (konventionelle Projektionsradiographie, Computertomographie, Kernspintomographie, alle Formen der Szintigrafie, Positronenemissionstomographie), dass sie dem Operateur zur Festlegung des notwendigen und ausreichenden Resektionsausmaßes nur bedingt Hilfestellung bieten. Auch die an unseren Kliniken eingeführten „bakteriologischen Schichtuntersuchungen“ (Abb. 4), bei denen zur Planung des späteren Resektionsausmaßes zunächst aus verdäch-tigen Knochenarealen mit Diamanthohlfräsen Gewebeproben gewonnen werden, die dann bakteriologisch untersucht werden, lässt keine Festlegung der Resektionsgrenzen mit dem Anspruch auf absolute Sicherheit zu. Bei der chronischen Osteitis verbleibt stets das Restrisiko sowohl der über das Notwendige hinausgehende „Überresektion“ als das Zurück-lassen von Infektnestern im Knochen durch ein zu geringes Resektionsausmaß.

Wir führen in der Phase der Infektsanierung das radikale Knochen- und Weichgewebs-debridement in völliger Analogie zu den Grundsätzen der Tumorchirurgie am Skelett durch. Der Einsatz des Fixateur externe dient der temporären Stabilisation der Extremität (Abb. 5).

Abb. 4:

„Bakteriologische Schichtuntersuchung“ nach Lokalisation der „verdächtigen Bezirke“ (4b)

unter Durchleuchtung (4a) mittels Bohrkerngewinnung durch Hohlbohrer (4c)

Abb. 4bAbb. 4c

Abb. 4a

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

In 2- bis 3-tägigen Abständen erfolgen programmierte Revisionen mit Lavage, Einsatz loka-ler Wirkstoffträger und temporärem Wundverschluss mittels Okklusionsverbänden bis zur nachgewiesenen Infektfreiheit (12). Das Erreichen einer infektfreien Infektsituation stellt die Ziellinie der Phase 1 und den Übergang zur Phase 2, zur Rekonstruktion des Weichgewebs-mantels dar.

Je nach Umfang des Haut-/Weichgewebsdefektes können hier lokale Lappenplastiken (Tab. 5) oder freie vaskularisierte Lappentransplantationen (Tab. 6) zum Einsatz kommen. Daraus ergibt sich zwangsläufig für die Planung und Durchführung solcher Eingriffe eine institutio-nalisierte Zusammenarbeit mit einer plastisch-chirurgischen Abteilung oder Klinik. Für die Phase 3, die Rekonstruktion des knöchernen und Gelenkdefektes stehen die in Tab. 7 auf-geführten Verfahren zur Verfügung, welche aber hier nicht weiter erörtert werden sollen.

5a

5b

5c

5d

5e

Abb. 5:

Chronische Osteitis am Unterschenkel mit Weichgewebsdefekt (5a), im dazugehörigen Röntgenbild (5b).

Resektat (5c), Defekt (5d) und zugehöriges Röntgenbild (5e).

Eine steigende Anzahl von primärendoprothetischen Eingriffen an den großen Körpergelen-ken in Verbindung mit demographischen Faktoren und einer zunehmenden Komorbidität der betroffenen Patienten lässt der Problematik der endo- und periprothetischen Infektio-nen in Zukunft einen derzeit schwer einzuschätzenden Stellenwert erlangen. Auch hierbei stellt ein adäquates Haut- und Weichgewebsmanagement eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg rekonstruktiv endoprothetischer Verfahren dar. Die Hierarchie der Therapieziele bei diesen Infektionen gliedert sich nach absteigender Wichtigkeit wie folgt:

Phase 1: Weichteildeckung, lokale Lappenplastiken

• Lokale Schwenklappen • M. gastrocnemius • M. soleus • M. gracilis • VY-Plastik

Tabelle 5:

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

1. Infektfreiheit2. Erhaltung einer stabilen Extremität3. Erhaltung eines mobilen Gelenkes 4. Schmerzfreiheit

Die Sanierung des Haut-/Weichgewebsmantels über einer geplanten Revisionsendopro-these ist neben der stabilen Verankerung der Endoprothesenkomponenten eine Conditio sine qua non. Oftmals beinhaltet dieses operative Weichgewebsmanagement nicht nur die Wiederherstellung des Hautweichgewebsmantels, sondern auch die operativ-technische Implementierung der erforderlichen aktiven Bewegungsumsetzung, insbesondere bei der Kniegelenksendoprothetik (Rekonstruktion des Streckapparates). Auch bei der Behandlung dieser Krankheitsbilder ist in den meisten Fällen eine Kooperation mit der plastischen Chirurgie unumgänglich. Nicht unerwähnt bleiben sollen aus ganzheitlicher Sicht dieser meist schwer betroffenen Patienten alle adjuvanten Therapieformen. Der Stellenwert von Physio- und Ergotherapie steht außer Diskussion. Die Wirksamkeit der hyperbaren Sauerstoffbehandlung ist nach wie vor nicht gesichert (28). Allgemein roborierende Maßnahmen, wie Stärkung des Immun-systems durch adjuvante, mitunter auch alternativ-medizinische Ansätze sind zwar nicht durch Studien belegt, sollten aber auch im Sinne der notwendigen Patientenmotivation großzügig miteinbezogen werden. Die lange Krankheitsdauer dieser Erkrankungen mit den

Phase 2: Weichteildeckung, freie, vaskulasierte Lappen

• M. latissimus dorsi • M. parascapularis • M. rectus abdominis • M. gastrocnemius • M. radialis • M. abductor hallucis • Inguinal-Lappen

Tabelle 6:

Phase 3: Ersatz des Knochen-/Gelenkdefektes

• Autologe Spongiosaplastik • Kallusdistraktion • Umkehrplastiken • Alloplastischer Ersatz • Mikrovaskuläre, autologe Knochentransplantation (Fibula, Rippe, Beckenkamm,

Scapula) • Allogene, vaskularisierte Transplantationen (Femurdiaphysen, Kniegelenke)

Tabelle 7:

103

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

notwendigerweise ausgedehnten Hospitalisierungsphasen erfordert vielfach eine intensive psychische Betreuung der Patienten. Auch bleibt es ärztliche Aufgabe, die Patienten bezüg-lich ihrer möglicherweise vorhandenen Risikofaktoren (Übergewicht, Nikotinabusus) ent-sprechend zu beeinflussen. Ein solches ganzheitliches Gesamtkonzept für Patienten mit chronischen Osteitiden oder mehrfach septischen revisionsendoprothetischen Eingriffen sollte allein schon unter dem Gesichtspunkt der Personalintensivität aller genannten Maß-nahmen entsprechend ausgestatteten Zentren vorbehalten bleiben.

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Kontakt:Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kliniken BergmannstrostMerseburger Straße 165, 06112 HalleDirektor der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum der Friedrich-Schiller-Universität, Erlanger Allee 101, 07747 Jena

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

V. Heppert, P. Herrmann, P. Thoele

Gelenkinfekt und infizierte Endoprothese

ZusammenfassungGelenksinfektionen sind relativ seltene Komplikationen. Allerdings nimmt die Rate infizier-ter Endoprothesen deutlich zu. Dies liegt begründet in der Tatsache, dass die Anzahl von Neuimplantationen drastisch ansteigt. Im septischen Krankengut einer Unfallklinik ist das Problem völlig anders gelagert. Dort erhält man durch die Zuweisungen eine eindeutige Negativselektion (32,33,9,1,34) mehrfach voroperierter Patienten mit erheblichen funktionellen Defiziten zur Aufnahme. Zudem sind die Ursachen der Infektionen zu mannigfaltig. Dennoch können, gerade wegen großer Fall-zahlen, sinnvolle Daten über Behandlungserfolge mit Funktionsangaben erstellt werden (32,33,9,1,34).

• Der Zeitpunkt der Diagnosestellung und umgehend eingeleiteter aggressiver Therapie ist entscheidend für das Spätergebnis. Jeder akute Gelenkinfekt ist ein Notfall, der umgehend revidiert werden muß.

• Die alleinige Punktion und Spülung ist keine ausreichende Therapie („medical-drainage“• Sorgfältige postoperative Kontrolle, klinisch und laborchemisch, ist daher unverzichtbar.

Das CRP nimmt hierbei bisher eine Schlüsselstellung ein (1,2)• Alleinige Antibiotikagabe ohne operative Revision ergibt keinen Sinn.• Beim chronischen Infekt wird jedes Implantat entfernt• Desinfizierende Spüllösungen oder Zusetzung von Antibiotika haben das Risiko der

Knorpelschädigung und sollte nach heutigem Kenntnisstand nicht durchgeführt werden (1,17,34).

• Der negative Keimnachweis schließt den Infekt nicht aus.• Infektbehandlung am Gelenk bedeutet Schadensbegrenzung. Im individuellen Fall muss

zwischen Arthrodese, Resektionsarthroplastik bzw. Endoprothese das für den speziellen Patienten optimale Behandlungsverfahren gewählt werden.

Die persönliche Erfahrung des Behandlers im Umgang mit Gelenkinfektionen ist entschei-dend für das Outcome des Patienten

Schlüsselworte: Gelenkinfektion, Infizierte Endoprothese, Radikales Debridement, Prothesenwechsel, Arthrodese, Knorpelschäden

SummaryJoint infections are rare complications, but the rate of infected arthroplasty raises signi-ficantly due to the fact that more and more arthroplasties are made. We can see in our Trauma level 1 center a negative selection of these patients (32,33,9,1,34) having suffered multiple revisions and are presenting functinal deficits.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

What is fact?• Diagnosis of infection should be finished as early as possible. Acute infection is an

emergency case and should be operated as soon as possible.• Medical-drainage alone is no therapy• Clinical supervision after operation is mandatory. CRP control is efficient (1,2)• Administration of antibiotics without operation is a fault.• In chronic infection the implant should be removed.• Disinfectant fluids provoke cartilage damage (1,17,34).• Even without growing germs it can be an infection.• Infection therapy means damage control. Following possible operations should be

discussed critically with the patient.• The septic experience of the surgeon is most important for patients outcome.

Key words:Joint infection, infected arthroplasty, radical debridement, septic arthroplasty exchange, arthrodesis, cartilage damage.

Jede Infektion eines Gelenkes ist ein multifaktorielles Geschehen und stellt nach wie vor große Anforderungen an den behandelnden Arzt (1,2). Dabei muss bedacht werden, dass Infektionen eines Gelenkes eine unterschiedliche Wertigkeit haben, wenn ein Kunstgelenk einliegt. Die Frühdiagnostik einer solchen Infektion ist zusammen mit einem daraus resul-tierenden aggressiven chirurgischen Vorgehen das entscheidende Kriterium für das spätere Endergebnis des Patienten. Sorgfältige Überwachung eines Patienten insbesondere nach Punktion oder Operation sind unverzichtbar Es mangelt häufig an der persönlichen indivi-duellen Erfahrung im Umgang mit dieser Komplikation. Unwidersprochen ist aber die Beobachtung, dass nur die sofortige kompetente Behandlung gute Langzeitergebnisse sichert (3,4,5) und jede Verzögerung nachteilige Folgen für den Patienten mit sich bringt (5,6). Für den Patienten, den diese Komplikation persönlich betrifft, ist es unverständlich, wie es dazu hat kommen können. Neben der persönlichen Verunsicherung spielen sozialmedizini-sche Aspekte eine wesentliche Rolle (1,7) in der Gesamtproblematik.Funktionelle Folgeschäden (8,9,10), persistierende Schmerzen und längere stationäre Be-handlungszeiten, in seltenen Einzelfällen sogar der Tod des Patienten sind die Folge zu spät erkannter Infektionen und führen oft zu erheblichen Haftpflichtforderungen (9,4,11).Die klinische Erfahrung zeigt, dass die beginnende Infektion oft zu spät erkannt wird, um diese Folgeschäden minimieren zu können (12). Dem Faktor „Zeit“ kommt somit höchste Priorität zu.Der Infekt nach Punktion ist extrem selten. Anders berichtet bei Gelenkpunktionen von einer Empyeminzidenz von nur 0,034‰ (13). Dennoch darf man dies nicht unterschätzen, da sich der Ablauf nicht von dem nach Fraktur unterscheidet. Die Auswirkungen auf den Knorpel sind gleich. Der zeitliche Ablauf ist auch hier der entscheidende Faktor. Die Realität zeigt, dass insbesondere nach Punktion nach wie vor zu spät – eben wegen der niedrigen Inzidenz – an

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

einen beginnenden Infekt gedacht wird. Die Behandlung beginnt erst dann, wenn sich bereits irreversible Knorpelschädigungen bzw. ein chronischer Infekt manifestiert haben.

Akute Infektion• Ohne einliegende Endoprothese:

Hier geht es um den Erhalt des Knorpels und dem Faktor Zeit kommt eine immens wich-tige Bedeutung bei. Die grundlegenden Arbeiten gehen auf Riegels und Nielsen zurück (14). Bereits 24 Stunden nach Infektionsbeginn werden lysosomale Enzyme in den Gelenk-raum freigesetzt. Erst nach weiteren 2–3 Tagen finden sich beginnende klinische Infektzei-chen. Freigesetzte vermehrt produzierte Glycosamine führen rasch zur Knorpelerweichung und zur Auffaserung der Knorpeloberfläche. Einwandernde polymorphkernige Leukozyten zerfallen nach Aufnahme der Bakterien. Lysosomale Enzyme werden hierdurch freige-setzt. Zusätzlich wirkt die Leukozytenproteinase mit ihrer enzymatischen Wirkung syner-gistisch (14) auf die Knorpelzerstörung. Durch proteolytische Enzyme aus Leukozyten und Synovia werden aus der Knorpelmatrix Proteoglycane herausgelöst. Die entzündungsbe-dingten Fibrinbeläge blockieren Absorptionen und behindern zusätzlich die Knorpeler-nährung (7). All diese Mechanismen laufen innerhalb von 7 Tagen ab (1). Danach beginnt der chronische Infekt. Bei 10-tägiger Einwirkung muss bereits mit einer Arthroserate von 25% gerechnet werden (15)

Gächter teilt die Infekte in 4 Stadien (16,17):• Stadium 1

trübe Synovia, Rötung der Synovia, mögliche Petechien, negative Radiologie• Stadium 2

Schwere Entzündung mit Fibrinablagerung, Pus, negative Radiologie • Stadium 3

Syoviaverdickung, Bildung von Kompartimenten, noch negative Radiologie• Stadium 4

Aggressive Infiltration des Pannus, Unterminierung des Knorpels, radiologische sub- chondrale Osteolysen, knöcherne Erosionen und Zystenbildungen

Auch die Synovia nimmt teil am Prozess der Gelenkdestruktion. Auf das auslösende Agens reagiert die Synovia ab Tag 3 mit einer unspezifischen Hypertrophie unabhängig vom aus-lösenden Erreger (14). Bereits nach 11 Tagen kann eine bis zu 5 fache Hypertrophie der Synovia vorliegen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt sie, den Knorpel als sogenannter Pannus zu überwuchern. Die Ernährung der Knorpelzellen wird hierdurch zusätzlich empfindlich gestört, da diese überwiegend durch Perfusion aus der Gelenkflüssigkeit erfolgt. Ab Tag 17 der Gelenkinfektion findet man einen Durchbruch der Gelenkkapsel, die die Ankylose nach 5 Wochen irreversibel einleitet (1,14).

Allein eine Spülung des Gelenkes in der Frühphase mit Entfernung der im Gelenk vor- handenen Leukozyten führt zu einer Verminderung des Gesamtschadens, da die Leuko-zytenproteinase somit nicht ihre schädlichen Auswirkungen auf den Knorpel ausüben konnte (1,18).

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Akute Infektion• Endoprothese

Hier wird die Definition Frühinfekt mittlerweile auf einen Zeitraum von 3–4 Wochen limitiert (5). Gerade eine einliegende Endoprothese bedeutet hierbei den wesentlichen pathogenetischen Faktor. Darüber hinausgehend konnte eindrucksvoll nachgewiesen werden, daß Bakterien, die adhärent auf Oberflächen von Endoprothesen haften, eine Resistenz gegen die bakterizide Wirkung von Antibiotika entwickeln können und dieses veränderte Resistenzmuster sogar beibehalten, wenn sie sich von der Oberfläche des Implantates wieder entfernt haben (19). Liegt die Verdoppelungszeit von Bakterien üblicherweise bei ca. 35 min, so reduziert sie sich bei liegendem Implantat auf bis zu 4 Stunden, je nach Erreger.

Die Fähigkeit vieler Erreger, einen sogenannten Biofilm zu produzieren, schützt diese dann zusätzlich vor dem Angriff von Antibiotika (20,21). Dieser Biofilm besteht vorwiegend aus extrazellulären Zuckern. Ein stabiles mikrobiologisches System kann unterhalb dieses Biofilms entstehen und dort jahrelang klinisch unauffällig bleiben. Zu einem späteren Zeit-punkt – aus bisher ungeklärter Ursache – können die Bakterien dann jederzeit wieder aktiv werden (21). Und dies muss Eingang finden in unsere therapeutischen Überlegungen, da dieser Biofilm wesentlich verantwortlich ist für die Problematik des Infektes. bei einliegen-der Endoprothese.

Diagnostik der akuten GelenkinfektionDer oben geschilderte Verlauf des Infektgeschehens verdeutlicht die zeitliche Dringlich- keit der Diagnosestellung dieser Komplikation, da nur die frühzeitige aggressive operative Therapie ein gutes funktionelles Outcome für den Patienten bietet (1). Unser diagnostischer Algorythmus:

1. Klinik – Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Gelenkes – Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes – Überwärmung – Fieber (oft subfebril)

2. Gelenkpunktion Diese dient der Gewinnung des optischen Aspektes und zur Bestimmung der Zellzahl des Punktates. Leukozytenzahl > 30000 Zellen / ccm spricht für ein Infektgeschehen. Da die Anzüchtung mikrobiologischer Kulturen aus dem Punktat bis zu 14 Tage dauern kann, darf dieser Befund nie abgewartet werden bis zum Therapiebeginn.

3. Labordiagnostik Das CRP (C-reaktives Protein) hat sich als sinnvollster Marker erwiesen (1).

4. Bildgebende Diagnostik Ein normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes in 2 Ebenen ist sinnvoll MRT, CT

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

oder Szintigraphie sind ebenso wie spezielle serologische Tests nur bei spezifischer Indikationsstellung erforderlich (22).

Therapie akute InfektionInitiale „blinde“Antibiotikagaben führen zur zunehmenden Verschleierung der Befunde (17).Beim Frühinfekt eines Gelenkes taucht immer die Frage auf, ob man arthroskopisch oder offen revidiert. Diese immer wiederholte Diskussion vernachlässigt die Tatsache, dass nur die wenigsten Gelenke des menschlichen Körpers überhaupt arthroskopierbar sind. Zwar berichtet die Literatur davon, dass sich 95% aller Infektionen in den großen Gelenken abspielen (4,7). Aber die Frage muss erlaubt sein, ob all die Infektionen der kleinen Gelenke in Studien wirklich erfasst werden (1). Schauen wir auf die arthroskopierbaren Gelenke, so ist durch die enorme Ausweitung arthroskopischer Behandlungverfahren ein eindeutiger Trend hin zum minimalinvasiven Verfahren zu verzeichnen (12,7,17). Verkürzte Behandlungszeiten und frühzeitigere Mobili-sation der Gelenke wurden beschrieben. Die Rate der Infektberuhigung wurde in der aktuel-len Literatur von 80% (23) bis 92% (16,17) angegeben.Auch bei arthroskopisch extrem spezialisierten Zentren wird der Erfolg im Stadium III nach Gächter nur mit 67% bei mehrfachen Spülungen dokumentiert (24). Andere Autoren sehen daher die Indikation zur offenen Revision abhängig von der Dauer der Infektion (24), um auch die tieferen infizierten Synovialschichten zu erreichen und der Arthroseentwicklung entgegenzuwirken (15,25). Sogar bei primär völlig offener Behandlung des Gelenkes mit Einlage von PMMA-Ketten wurden Erfolgsraten von bis zu 96,4% beschrieben (25).Als Spülflüssigkeit sollte man nur Ringerlösung verwenden. Der hyaline Gelenkknorpel ist äußerst vulnerabel. Bereits geringfügige ph-Verschiebungen können verheerende Folge-schäden nach sich ziehen. Infektbedingte Knorpelläsionen werden dann u.U. iatrogen wei-ter verschlimmert (1). Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass Ringerlösung als ein-zige Lösung kein Risiko in sich birgt (26,8,27,28,10,29). Obwohl der gedankliche Ansatz, mit Antibiotika bzw. Desinfektionslösungen zu spülen, nachvollziehbar sein mag, ist dies nicht zu empfehlen. Antibiotikazusätze sind nicht indiziert (17,30), da sie zu ph-Verschiebungen bis hinab zu pH 5 bei Gentamycin führen können (30).Nach sorgfältigem Debridement der Synovia legen wir einen lokalen Antibiotikumträger (resorbierbar) ein und verordnen ein systemisches Antibiotikum für 10 Tage.

Kommt es nicht zur Infektberuhigung (Klinik, CRP Verlauf) wird umgehend erneut revidiert. • Beim Frühinfekt einer Endoprothese sollte nur bei ganz kurzem Zeitintervall nach Einbau

die Arthroskopie als Therapie angedacht werden. Ein Erhaltungsversuch der Endoprothese ist immer gerechtfertigt. Hierzu wird offen revidiert und die Synovia debridiert. Alle be-weglichen Teile werden gewechselt und gegen neue ausgetauscht. Das Kunstgelenk wird mechanisch gereinigt, die Jet Lavage unterstützend verwendet. Das gesamte Gelenk wird mit einer Desinfektionslösung gefüllt (ist ja kein Knorpel mehr vorhanden) und danach noch einmal gespült. Lokale Antibiotikumträger werden im Gelenk platziert. Ein sorgfälti-ger Wundverschluss ist obligat. Beim Erhaltungsversuch eines Kunstgelenkes verwenden wir eine 6 wöchige adjuvante Antibiotikumtherapie.

110

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Kommt es nicht zur Infektberuhigung, insbesondere bei Vorliegen multiresistenter Erreger wird die Endoprothese ausgebaut.

In jedem Fall erfolgt eine frühfunktionelle Nachbehandlung, um Einsteifungen durch Ver-klebungen der Gelenke zu minimieren.

Chronische Infektion:Bei der chronischen Infektion ist der Faktor Zeit in seiner Dringlichkeit nicht mehr gegeben, da sich einerseits Knorpelschäden bereits manifestiert haben andererseits die Biofilmbil-dung bei einliegender Prothese abgeschlossen ist. Von einer chronischen Infektion sprechen wir, wenn die Dauer des Infektes länger als 3 Wochen dauert. Bekannt ist, dass ein einmal bakteriell besiedeltes Metallimplantat z.B. ein Kunstgelenk, nicht mehr steril wird (31), sodass der Ausbau stattfinden muss.

Diagnostik der chronischen Infektion1. Klinik

– Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Gelenkes – Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes – Überwärmung – Fieber nur selten vorliegend

2. Gelenkpunktion Beim chronischen Infekt sollte vor OP der Erreger bekannt sein, um gezielt antibiotisch eingreifen zu können. Um die Sicherheit zu erhöhen sollte 14 Tage zuvor kein Antibiotikum gegeben werden. Die Punktion erfolgt unter sterilsten Kriterien ohne Lokalanästhesie.

3. Labordiagnostik Das CRP (C-reaktives Protein) hat sich auch hier als sinnvollster Marker erwiesen (1).

4. Bildgebende Diagnostik Ein normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes in 2 Ebenen ist sinnvoll. Die Szintigraphie ist als Screening Methode bei low-grade Infektion hilfreich (22). MRT bzw. CT sind speziellen Fragestellungen vorbehalten

Therapie chronische Infektion Initiale „blinde“Antibiotikagaben führen auch hier zur zunehmenden Verschleierung der Befunde (17). Abgesehen von septischen Notsituationen, bei denen oft nur eine initiale Entlastung anzu-raten ist, sollte vor Operation der Erreger bekannt sein. In jedem Fall wird offen revidiert. Dem radikalen Debridement kommt die Schlüsselstellung zu. Alles nekrotische Gewebe und Implantate werden entfernt, das Gelenk mit der Jet Lavage gespült und drainiert.

Lokale Antibiose:• Kollagen Vlies jetzt auch mit verschiedenen Antibiotika erhältlich

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

• PMMA Ketten zeigen die höchste Freisetzungskinetik wegen der größten Gesamtober-fläche, müssen aber wieder entfernt werden (25).

• Spacer werden kontrovers diskutiert. Sie erhalten die Länge nach Prothesenausbau und eine gewisse Restbeweglichkeit. Nachteilig sind die geringen Antibiotikumkonzentratio-nen, eine Luxationstendenz >30 Prozent und Zirconiumabrieb.

Folgeeingriffe:• Die Arthrodese wird am Hüftgelenk de facto nicht mehr durchgeführt, für das Kniegelenk

ist dies eine gute Option wobei die Ergebnisse besser sind, wenn sie frühzeitig angedacht wird und nicht erst nach mehreren gescheiterten Wechseloperationen.

• Die Resektionsarthroplastik wird an der oberen Extremität als ein Verfahren gesehen, Funktion zu erhalten. Die Girdlestonesituation am Hüftgelenk ist nach wie vor eine Rück-zugsmöglichkeit.

• Der erneute Einbau eines Kunstgelenkes nach Infektion muss in jedem Fall abhängig gemacht werden vom Gesamtzustand des Patienten und der knöchernen Situation nach Debridement. Diese Operationen sollten in darauf spezialisierten Zentren erfolgen. Ob dies einzeitig oder zweizeitig erfolgen soll, ist nach wie vor umstritten. Auch die Frage zementiert versus zementfrei wird nie gelöst werden.

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KontaktHeppert, Volkmar, Dr.Chefarzt der Abtlg. für Septische Chirurgie Knochen- Gelenk- und Protheseninfektionen BG Unfallklinik LudwigshafenLudwig Guttmannstr. 1367071 Ludwigshafen

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

G. Walter

Osteitis – Frühinfekt

ZusammenfassungDie akute posttraumatischen Osteitis stellt eine seltene, aber sehr ernste Komplikation dar. Sie ist bis heute nicht einheitlich definiert, insbesondere wird die Grenze zwischen Früh- und Spätinfektion unterschiedlich gezogen. In Abhängigkeit von lokalen und systemischen Risikofaktoren ist mit einem Auftreten bei zwei bis über 40% der Patienten zu rechnen. Eine Kostensteigerung um den Faktor 5 bis 7,5% im Vergleich zu einem unkomplizierten Verlauf ist zu erwarten. Pathophysiologisch führen sowohl das Trauma, als auch therapeu-tische Maßnahmen zu einer lokalen und systemischen Schädigung der körpereigenen Ab-wehr, Einzelheiten werden erläutert.Die Diagnose wird in erster Linie aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt.Zur Therapie wird ein Algorithmus erläutert, der sich in der Abteilung für septische Chirur-gie seit Jahren bewährt hat: Erhaltungsversuche bei stabilem Implantat, Verfahrenswechsel und Etappenrevisionen bei ausbleibender Infektberuhigung. Eine spezifische antibiotische Behandlung wird begleitend systemisch und fakultativ lokal durchgeführt. Die Nachbehandlung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für Rehabilitation.

SchlüsselwörterAkute posttraumatische osteitis, Frühinfektion, Implantat-assoziierte osteitis, klassische Entzündungszeichen, Verfahrenswechsel, Behandlungsalgorithmus.

SummaryThe early posttraumatic osteomyelitis is a rare but serious complication. Until now, there is no consensus on the definition; especially the differentiation to the late or chronic form is in dispute. Depending on the patient´s risk factors, in 1 to over 40% early infection may occur. It has been calculated that treatment costs rise 5 to 7,5-fold compared to an uncom-plicated course. Trauma and therapeutical procedures cause local and systemic depression of immunity, thus facilitating bacterial growth and infection, details are outlined.The early detection of clinical signs is most important to diagnose acute exogenous osteo-myelitis. A treatment algorithm is presented, which is practiced in our department with good results since several years: retention of stable implants, change and revision procedures as long as the infection is not cured. Antibiotics are administrated via intravenous or oral and, case-by-case, local methods.The postoperative treatment is well coordinated with physiotherapists to regain function as soon as possible.

KeywordsAcute posttraumatic osteomyelitis, early infection, implant-associated osteomyelitis, cardinal signs of inflammation, change of procedure, treatment algorithm.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

EinleitungDie akute Osteitis wird gemäß ihrer Entstehung in eine hämatogene und eine posttrauma-tische Form eingeteilt. Während Erstere in den Industrieländern heute keine Rolle mehr spielt, bezeichnet Letztere eine zwar seltene, aber sehr ernste Komplikation. So behandelte die Abteilung für Septische Chirurgie im Jahr 2007 etwa 900 Patienten stationär, die an den Folgen einer posttraumatischen oder postoperativen Knocheninfektion litten, jedoch nur fünf mit einer Osteomyelitis, die durch eine Infektion über die Blutbahn ausgelöst wurde. Im Folgenden soll deshalb ausschließlich auf die verletzungsbedingte Knochenentzündung eingegangen werden.Definitionsgemäß handelt es sich um eine „bakterielle Infektion der Weichgewebe, des Implantatlagers und der heilenden Fraktur innerhalb von acht Wochen nach dem Trauma oder postoperativ“ (Hofmann GO, Inf. d. Knochen u Gelenke, U&F, 2004).Der zeitliche Abstand zum Unfallereignis, welcher die Grenze zwischen Früh- und Spät-infektion markiert, ist nicht einheitlich festgelegt, sodass sich ein Methoden- und Ergebnis-Vergleich zwischen verschiedenen Kliniken schwierig gestaltet. Legt man die Biofilmetheo-rie und Erfahrungen aus der Endoprothetik zu Grunde, so sind die Resultate von Erhaltungs-versuchen nach der vierten postoperativen Woche deutlich schlechter. Es bietet sich als so auch bei der akuten Osteitis an, nach dem 28. Tag von einem Spätinfekt mit der Tendenz zur Chronifizierung zu sprechen.

EpidemiologieGenerell muss nach operativen Eingriffen in Orthopädie und Unfallchirurgie mit einer Infek-tionsrate von 2 bis 3% gerechnet werden. Bei offenen Frakturen steigt sie mit dem Grad der Weichteilverletzung stark an. Liegen zusätzlich lokale und systemische Risikofaktoren vor, z.B. bei Diabetikern mit Mikro- und Makro-Angiopathie, so treten bei bis zu 50% der Patien-ten septische Komplikationen auf.Mehrkosten für die akute posttraumatische Osteitis werden in der Literatur mit 17.000 Euro beziffert, die stationäre Behandlung verlängert sich durchschnittlich um 15 Tage. Berück-sichtigt man die Aufwendungen für Arznei, Heil und Hilfsmittel sowie Rentenzahlungen, steigen die Kosten um das fünf bis 7,5 fache gegenüber einem unkomplizierten Verlauf. In 10 bis 30% geht die akute in eine chronische Osteitis über, wofür dann bereits vor zehn Jahren Fallkosten in Höhe von einer Million DM errechnet wurden.

PathophysiologieDas Infektionsrisiko wird durch das Ausmaß des lokalen Schadens und der Anzahl sowie Virulenz der Erreger bestimmt. Der lokale Schaden setzt sich aus dem Unfall, dem Opera-tionstrauma und dem eingebrachten Implantat zusammen. Er trifft auf eine individuell unterschiedliche Abwehrsituation, die durch lokale und systemische Risikofaktoren bedingt ist. Je größer der Schaden, je schlechter die Immunkompetenz, umso geringer ist die erfor-derliche Keimzahl, der es bedarf, eine Infektion auszulösen. Pathophysiologisch verursacht das Trauma zunächst ein Gewebe Ödem, welches zu einer umschriebenen Minderdurchblutung führt. Der Zellstoffwechsel wird katabol, es entstehen eine Gewebe Hypoxie und Azidose. Dadurch erhöht sich die Gefäßpermeabilität weiter, sodass sich das Ödem verstärkt. Diese Prozesse führen direkt zu einer Suppression der

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

T-Zellen mit verminderter Bildung von Interleukin 2 und Interferon Gamma, somit zu einer Reduktion der körpereigenen Abwehrkraft.Das Einbringen von Implantaten bewirkt eine Einschränkung der Phagozytosefähigkeit von Makrophagen, bedingt durch eine direkte toxische Wirkung von Chrom aber auch von Titan. Die Entstehung von Totraum steigert das lokale Immundefizit, die Anwesenheit von Fremd-körpern reduziert die infektauslösende Mindest-Keimmenge um den Faktor 10 hoch fünf. Bakterien wechseln von der planktonischen in die sessile Phase und werden durch stark verlangsamte Stoffwechselvorgänge und Reproduktionszyklen sowie die Bildung einer schützenden Schleimschicht gegenüber gängigen Antibiotika unempfindlich. Nach heutigen Vorstellungen ist die Biofilmbildung spätestens nach vier Wochen abgeschlossen, eine Infektberuhigung ist dann nur noch durch eine vollständige Metallentfernung zu er-reichen.Das Schadensereignis und die Keim-Inokulation können wir nicht beeinflussen. Auch die lokalen und systemischen Risikofaktoren sind vorgegeben und können allenfalls postopera-tiv gebessert werden. Das Operationstrauma kann jedoch durch die Wahl des geeigneten Zeitpunktes und Implantates sowie durch ein gewebeschonendes, atraumatisches und dennoch zügiges Vorgehen von uns bestimmt werden. Nicht zuletzt deshalb hat sich eine mehrzeitige Versorgung von offenen Frakturen bewährt.Viele Risikofaktoren, welche die Entstehung einer posttraumatischen Infektion begünsti-gen, sind bekannt, sie werden von verschiedenen Autoren jedoch unterschiedlich gewichtet. Diabetiker erweisen sich nicht in allen Studien als vermehrt gefährdet. Offensichtlich ist das Ausmaß der bereits zum Schadenseintritt manifesten, sekundären Organkomplikationen wesentlich. Nicht beziffert sind die Risiken infolge einer aggressiven Antikoagulations-therapie bei Rhythmusstörungen oder alten, tiefen Beinvenenthrombosen. Diese Patienten neigen zu postoperativen Hämatomen, die sich oft im weiteren Verlauf infizieren. Dass der Einfluss von übermäßigem Nikotin- und Alkoholkonsum der Wundheilung abträglich ist, kann nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

Diagnose Die Diagnose der akuten posttraumati-schen osteitis wird in erster Linie klinisch gestellt. Beim Vorliegen der klassischen Entzündungszeichen gelingt dies prob-lemlos, führend sind meistens der wieder auftretende Schmerz und eine Verschlech-terung der Funktion. Diese beiden Symp-tome sind so lange suspekt, bis eine Früh-infektion ausgeschlossen ist. Treten eine Schwellung, Rötung, Überwärmung oder trübe Sezernation hinzu, so gibt es an der Diagnose einer Frühinfektion keine Zwei-fel mehr (Abbildung 1).Die wichtigsten Laborparameter sind das CRP und die BSG. Zu beachten ist ein Wiederein-stieg nach dem dritten postoperativen Tag, wichtig ist also die Verlaufsbeurteilung. Neuere

Abb. 1:

Akute posttraumatische

Osteitis nach Platten-

osteosynthese einer

proximalen Humerus-

fraktur links. Achter

postoperativer Tag.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Laborparameter wie Interleukin-6 oder Tumornekrosefaktor-α bieten aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit Vorteile, haben sich aber in der Praxis bisher noch nicht durchgesetzt. Rönt-genaufnahmen sind in der Regel wenig ergiebig, aber unverzichtbar um eine Implantatdis-lokation auszuschließen.Vor allem im Frühstadium oder bei voluminösen Weichteilen kann die Sonographie zum Nachweis von pathologischen Flüssigkeitsansammlungen hilfreich sein. Suspekte Forma-tionen werden punktiert und auf Keime und Granulozyten untersucht. Leukozytenzahlen größer 1700/ml und mehr als 65% Granulozyten sind infektverdächtig.

TherapieZiel unserer Maßnahmen muss es sein, Infekte anhaltend zu beruhigen und eine knöcherne Konsolidierung zu erreichen. Die Funktion der Gliedmaße muss wiederhergestellt werden, doch gilt in der septischen Chirurgie unverändert der therapeutische Grundsatz „Infektion vor Funktion“. Also muss mit höchster Priorität zunächst der Infekt saniert werden. Falls erforderlich ist dazu eine temporäre Immobilisation der anteiligen Gelenke in Kauf zu nehmen, denn bei ausbleibender Infektberuhigung ist ein massiver Funktions- oder sogar Gliedmaßenverlust zu befürchten. Deshalb ist die vorübergehende Ruhigstellung der an-grenzenden Gelenke einer infizierten Gliedmaße auch heute noch eine therapeutische Option. In jedem Falle muss der Übergang von der akuten in die chronische Verlaufsform verhindert werden.Bei einer stabilen Osteosynthese wird zunächst ein Erhaltungsversuch unternommen. Sen-sible Erreger vorausgesetzt, ist auch bei strenger Indikation die Implantation von PMMA Ketten indiziert. Etappenrevisionen werden fakultativ durchgeführt, nach knöcherner Kon-solidierung erfolgt die vorzeitige Metallentfernung.Scheitert der Erhaltungsversuch sind in der Regel eine Implantatentfernung und Sequest-rektomie oder sogar eine Segmentresektion erforderlich. Die dabei notwendigerweise ent-stehenden Knochendefekte werden nach Infektberuhigung mittels Segmenttransport oder autologer Spongiosaplastik aufgefüllt.Ist die Osteosynthese instabil, so wird das Implantat entfernt und ein Fixateur extern ange-legt. Die Verletzung kann damit ausbehandelt werden, bei erhaltener Immun Kompetenz und guten Weichteilverhältnissen ist auch ein Verfahrenswechsel möglich.Für ausgedehnte ossäre Defekte stehen der Segmenttransport metaphysär, Endoprothesen oder Arthrodesen bei gelenknahen Verletzungen zur Verfügung.Zum Wechsel und zur Reosteosynthese kann nahezu die gesamte Palette der unfallchirur-gischen Verfahren in Betracht gezogen werden. Das Arbeitspferd der septischen Chirurgie ist nach wie vor der Fixateur externe, der auch heute noch den Großteil der Implantate ausmacht. Bei gegebener Indikation sind aber winkelstabile Platten und Kompressions-marknägel bedenkenswerte Alternativen, die erhebliche Vorteile bieten. Auch Endopro-thesen können bei der postinfektiösen Gelenkdestruktion erfolgreich eingesetzt werden (Abbildung 2).

NachbehandlungPostoperativ erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Rehabilitationsabteilung eine Frühmobilisation mit Teil- oder Vollbelastung der verletzten Extremität nach Maßgabe

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

des Operateurs. Aktive Bewegungsübungen und Lymphdrainagen werden mit dem Ziel einer raschen Abschwellung so früh wie möglich verordnet.Die antibiotische Behandlung erfolgt gemäß Austestung der zuletzt gewonnen Gewebepro-ben über fünf bis zehn Tage. Nach dieser Zeit sollte klinisch und laborchemisch eine Infekt-beruhigung eingetreten sein, andernfalls ist eine operative Reintervention erforderlich, wenn nicht ohnehin planmäßige Etappenrevisionen, beispielsweise bei einem Gelenkinfekt, vorgesehen waren.Im weiteren Verlauf streben wir eine vollständige Metallentfernung an, sobald eine knö-cherne Konsolidierung eingetreten ist.

KontaktWalter, Gerhard, Dr. med.Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie– Chefarzt der Abteilung Septische Chirurgie –Friedberger Landstr. 430D-60389 Frankfurt am Main

Abb. 2:

Algorithmus zur Therapie der akuten posttraumatischen Osteitis. Behandlungskonzept der Abteilung für septische

Chirurgie der BG Unfallklinik Frankfurt am Main.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

U.-J. Gerlach, C. Grimme, R. Schoop

Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose

Zusammenfassung: Die Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist eine schwerwiegende Komplikation der Unfallchirurgie und Orthopädie. Es handelt sich um eine Kombination von chronischer Knocheninfektion, Instabilität und knöchernen Defekt. Die Diagnose ist zu stellen durch Anamnese, klinischen Befund, bildgebende Verfahren und die Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit Bestimmung derer Resistenz.

Die Therapie hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Entscheidend ist der erste Schritt. Um eine dauerhafte Infektberuhigung zu erreichen ist ein radikales Enffernen aller avitalen und entzündeten Knochen- und Weichteilgewebes notwendig. Einliegendes Osteosynthese-material ist zu entfernen, die Restabilisierung erfolgt über einen Fixateur externe. Es wer-den lokale AntIbiotikumträger eingelegt. Bei Infektberuhigung hat im nächsten Schritt der Verschluss möglicherweise bestehender Hautweichteil-Defekte zu erfolgen. Im dritten Schritt ist der Knochendefektaufbau durchzuführen, bei zirkulären knöchernen Defekten bis 3,0 cm über Spongiosaplastik, bei zirkulären defekten über 3,0 cm durch Segmenttrans-port.

Schlüsselwörter: Infekt-Defekt-Pseudarthrose – Instabilität – chronische Knocheninfektion – Knochen- defekt – lokale Antibiotikumträger – Sequestrektomie

Abstract: The non-unlon due to infection (osteomyelitis) and instability, often combined with a bone defect, is a severe complication in traumatic and orthopaedic surgery. The diagnosis is based on the medical history, the examination and radiology (X-ray, CT-scan, MRI). Is is necessary to know preoperatively the kind of bacteria and the resistance versus antibiotics. The therapy has to be performed in several steps. The first step is the decisive step. A radical removal of all infected and dead bone and soft tissues is important. Foreign material has to be removed, a new stabilization is done with an external fixator. Local antibiotic therapy happens by implantation of antibiotic beads. The next step is the ciosure of soft tissue defects, the third step the reconstruction of the bone defects. Circular bone defects smaller than 3,0 cm are reconstructed with cancelous bone graft, bone defects larger than 3,0 cm with segmental transport with the 11izarov fixator.

Key words: infect non-union – instability – chronic osteomyelitis – bone defectlocal antibiotic carrier – sequestrectomy

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Bei einer erworbenen Pseudarthrose ist es 6 oder mehr Monate nach einer Fraktur zu keiner ausreichenden knöchernen Durchbauung gekommen. Pseudarthrosen sind bedingt durch unzureichende Ruhigstellung der Fraktur, durch Defekte, durch Infekte, durch schlechte lokale Vaskularisation oder durch Medikamente (Cortison, Zytostatika). Die Pseudarthrosen müssen unterschieden werden in aseptische und septische Pseud-arthrosen, da ein deutlicher Unterschied in der Therapie und Prognose vorliegt.

Die infizierte Pseudarthrose ist die Kombination von zwei schwerwiegenden lokalen Kom-plikationen – Instabilität und Infektion. Es handelt sich um eine komplizierte Sonderform der chronischen Osteitis. Bei der Infekt-Defekt-Pseudarthrose liegt neben Instabilität und Infektion noch ein Knochenfekt größer als 1,0 cm vor. Häufig vergesellschaftet mit der Infekt-Defekt-Pseudarthrose sind Haut- Weichteildefekte, Durchblutungs- und oder Nervenschä-den sowie Inaktivitäts-und Bewegungsmangelschäden wie Gelenkkontrakturen und Mus-kelminderung.

Knocheninfektionen werden durch Bakterien, Pilze, eventuell auch durch spezielle weitere Mikroorganismen ausgelöst. Der häufigste Erreger von Knocheninfektionen ist Staphyio-coccus aureus, bei Einliegen von Fremdmaterial – interne Osteosynthesen oder Endoprothe-sen – gewinnt zunehmend Staphylococcus epidermidis (Hautkeim) Bedeutung, weil speziell dieser Keim in der Lage ist, sich auf Fremdmaterial zu vermehren und durch eine Schleim-kapsel vor der körpereigenen Infektabwehr zu schützen. Aus therapeutischer Sicht gewin-nen zunehmend resistente und multiresistente Bakterien an Bedeutung, wie z.B. MRSA, ORSA oder ESBL.

Das Erscheinungsbild der Knocheninfektion ist außerordentlich „bunt“, weil die Infektions-entwicklung einerseits von der speziellen individuellen Situation und von der Potenz der körpereigenen Abwehr, anderseits von den Fähigkeiten der auslösenden Infektionserreger abhängig ist. Daneben spielen für das klinische Erscheinungsbild das Alter und eventuell bestehende Zweiterkrankungen des Patienten eine erhebliche Rolle.

Die Infektionen werden durch viele Faktoren gebahnt, insbesondere sind Diabetes mellitus, arterielle Durchblutungsstörungen, venöse Stasen, spezielle Hauterkrankungen, Medika-menteneinnahmen, Alkohol- und Nikotinabusus, Erkrankungen aus dem rheumatoiden Formenkreis und viele weitere Faktoren zu nennen, so dass Klinik und individueller Verlauf der Knocheninfektion außerordentlich unterschiedlich sein können. Für das Auftreten einer Knocheninfektion ist neben der Art und Virulenz der auslösenden Erreger und der lokalen Situation insbesondere die Qualität der individuellen Infektionsab-wehr von entscheidender Bedeutung.

Die Behandlung der Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist grundsätzlich aufwändig, teuer und erfordert neben spezieller chirurgischer Therapie stets parallel das gesamte Spektrum der Frührehabilitation, denn das Ziel der Infektionsbehandlung ist die Wiederherstellung einer belastungsfähigen und funktionsfähigen Extremität oder des betreffenden Körper-abschnittes.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Aufgrund vieler unterschiedlicher Probleme ist die Rezidivquote bei Knocheninfektionen relativ hoch. Die Problematik der Knocheninfektionsbehandlung wird häufig und vielerorts erheblich unterschätzt. Die Knocheninfektionsbehandlung gehört in Spezialabteilungen, speziell dann, wenn erste Behandlungsversuche erfolglos gewesen waren.

Bei der Diagnostik der Infektpseudarthrose steht die Anamneseerhebung und der klini- sche Befund im Vordergrund. Klinische für eine Infektion typische Leitsymptome wie die klassischen Infektzeichen (Rubor, Dolor, Functio laesa) können vorliegen, sind häufig aber nicht sehr ausgeprägt. Bei lange bestehenden Infektionen, speziell mit einliegendem Fremd-material, sind Fistelungen durch die Haut nicht selten. Diese allein sind allerdings kein Beweis für das Vorliegen einer Knocheninfektion, denn Fistelungen gibt es ebenso bei infiziertem Hämatom, einliegendem infiziertem Fremdkörper oder Sehnen- und Weichteil-infektionen.

Zur Sicherung der Diagnose einer Infekt-Pseudarthrose können Laboruntersuchungen hilfreich sein (Leukozyten, BSG, C-reaktives Protein). Zur Diagnostik der Infekt-Pseudarth-rosen gehört insbesondere die Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit Bestimmung derer Resistenz. Zum Nachweis der bakteriellen Erreger hat die Entnahme von Material zur bakteriologischen Untersuchung korrekt zu erfolgen, Abwisch- oder Abtupfpräparate erbringen seltener eine Keimnachweis als Gewebsproben. Es ist eine Gewebsprobe oder ein Abradat einzusenden. Es sollten keine bakteriologischen Abstriche aus Eiter genommen werden, da Eiter häufig steril ist. Ein fehlender Keimnachweis bei möglicherweise vorlie-gendem Defekt oder Sekretion aus einer Wunde schließt eine Infektion nicht aus. Aufgrund von vorausgehender Antibiotikatherapie kann trotz fehlenden Keimnachweises eine Infek-tion vorliegen.

Bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT, die 3-Phasen- Skelettszintigraphie bringen weitere Information und sind bei der Diagnosestellung der InfektPseudarthrose indiziert. An erster Stelle steht die konventionelle Rö-Aufnahme, man erkennt im Falle einer Infek-tion periostale Reaktionen, Osteolysen, Resorptionszonen oder Sequester. Darüber hinaus muss die präoperative Diagnostik folgende Punkte klären: Keimart und Resistenz, Infektausdehnung, speziell Gelenkbeteiligung, Ausdehnung der Sequestrierung, Begleiterkrankungen.

Die Therapie der Infektpseudarthrose gliedert sich grundsätzlich in mehrere Schritte. Dabei kommt dem ersten Schritt, der Infektionsberuhigung, die entscheidende Bedeutung zu. Die Therapie gliedert sich in aller Regel in mindestens drei operative Schritte, wobei der erste Schritt die Infektionsberuhigung, der zweite Schritt den Weichteildefektverschluss, der dritte Schritt schließlich den Knochendefektaufbau darstellt. Parallel zu diesen opera-tiven Schritten muss während der gesamten Behandlung das umfassende Rehabilitations-programm mit Physiotherapie, Hydro-, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie stattfinden, weil in aller Regel zumindest bei den chronischen Knocheninfektionen weit-reichende Funktionsminderungen der infizierten Extremität oder des Körperabschnittes bestehen.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Entscheidend für den ersten Schritt ist das radikale chirurgische Vorgehen. Das einliegende Osteosynthesematerial muss entfernt werden, die Stabilisierung hat dann durch einen Fixateur externe zu erfolgen. Lokal ist eine radikale Sequestrektomie notwendig, wobei alle avitalen bzw. entzündlich veränderten Knochen- und Weichteilanteile radikal ent- fernt werden müssen. Anschließend erfolgt die Einlage eines lokalen Antibiotikumträgers (Septopal®, Gentacoll®, Septocoll®). Besteht neben der Knocheninfektion gleichzeitig eine Geienkinfektion, ist unbedingt

in dem Eingriff der Knocheninfektberuhigung gleichzeitig die Gelenkinfektionsbehandlung vorzunehmen. Postoperativ sollte eine kurzzeitige systemische Antibiose (7–10 Tage) durch-geführt werden.

Bestehen bei Infekt-Defekt-Pseudarthrosen größere Hautweichteildefekte, sind diese in einem zweiten operativen Schritt zu decken, entweder durch lokale plastische MaBnahmen oder durch freie Lappenplastiken. Die endgültige Weichteildeckung hat frühzeitig und stabil zu erfolgen. Bei größeren Defekten ist die Zusammenarbeit mit den plastischen Chirurgen sehr hilfreich.

Ein resultierender Knochendefekt nach radikaler Sequestrektomie wird nach Infektberuhi-gung und nach Deckung eines möglicherweise bestehenden Hautweichteildefektes wieder aufgebaut. Zirkuläre Knochendefekte bis zu 3,0 cm werden durch Sponglosaplastik wieder aufgefüllt. Die Sponglosa wird in aller Regel aus dem hinteren beckenkamm entnommen. Bei zirkulären knöchernen Defekten über 3,0 cm cm erfolgt der Defektaufbau durch Seg-menttransport über den Ringfixateur externe nach llizarov.

Parallel zu den oben genannten Maßnahmen ist das umfassende Rehabilitationsprogramm mit Physiotherapie, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie durchzuführen.

Nach Aufbau des Knochendefektes, der nach Spongiosaplastik frühestens in drei oder vier Monaten durch Einbau der transplantierten Sponglosa gegeben ist, nach Segmenttransport nach der entsprechenden Transport- und Konsolidierungszeit, erfolgt der Abbau der Fixa-teure, wobei radiologisch ein Knochendurchbau vorliegen sollte. Die Knochenstabilität ist zum Zeitpunkt der Enffernung der Fixateure bei uns häufig nur mäßig hoch, deshalb ver-wenden wir nach Enffernen der Fixateure sogenannte teilentiastende Gehapparate, die am Unterschenkel sich an den Kondylen und am Tiblakopf abstützen, am Oberschenkel am Tuber ischiadicum, und die eine Teilbelastung des Beines gestatten. Nach Enffernen des Fixateurs und Anfertigen des Gehapparates wird anfangs immer mit 10 kg teilbelastet. Ent-sprechend der weiteren knöchernen Konsolidierung, die durch im Verlauf angefertigte Rö-Aufnahmen kontrolliert wird, kann die Tellbelastung sukzessive zur Vollbelastung ge-steigert werden. Nach erreichen der Vollbelastung kann der Gehapparat dann abtrainiert werden, ggf. ist die Versorgung mit orthopädischen Schuhwerk erforderlich.

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Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte

Kontakt:Dr. Ulf-Joachim Gerlach Septische Knochen- und GelenkchirurgieBerufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg,Bergedorfer Str. 10, D-21033 Hamburg

1a: AP-Ansicht 1b: Seitansicht

Abb. 1: Röntgenbild einer Infekt-Pseudarthrose nach

Osteosynthese einer distalen Tibiafraktur

3a: AP-Ansicht 3b: Seitansicht

Abb. 1: Rö-Befund nach Spongiosaplastik

4a: Ansicht ap 4b: Seitansicht

Abb. 1: Röntgenbefund nach Einbau der Spongiosa

und Abnahme des Ringfixateures

2a: Ansicht ap 2b: Seitansicht

Abb. 2: Rö-Aufnahme nach Sequestrektomie,

Einlage lokaler Antibiotikumträger und Stabilisierung

im Ilizarov-Ringfixateur

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

V. SitzungEllenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Vorsitz: A. Wentzensen, Ludwigshafen/R. Hoffmann, Frankfurt

K. J. Burkhart, P. M. Rommens, L. P. Müller

Ligamentäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens

Zusammenfassung:Die Ellenbogenluxation ist die zweithäufigste Luxation des menschlichen Körpers. Die Luxationsrichtung ist in 80–90% dorsoradial. Ligamentäre Begleitverletzungen sind obligat. Aufgrund des Luxationsmechanismus von lateral nach medial, ist das LCL in 100% der Fälle rupturiert, gefolgt von der ventralen und dorsalen Kapsel. Das MCL rupturiert zuletzt und kann auch bei der vollständigen Luxation durchaus intakt bleiben. Einfache Luxationen werden nach einer Ruhigstellung von wenigen Tagen in der Schlinge oder im Oberarmgips in 90°-Beugung frühfunktionell therapiert. Die Prognose ist gut, die Reluxationsrate mit ca. 2% niedrig. Luxationsfrakturen dagegen müssen meist operativ versorgt werden. Die Prognose ist deutlich schlechter und abhängig von den knöchernen Begleitverletzungen, wobei Radiuskopf und Processus coronoideus von besonderer Bedeutung sind.

Schlüsselwörter: Ellenbogenluxation, Luxationsfraktur, Instabilität, Radiuskopf und Processus coronoideus

Summary:The elbow dislocation is the second most dislocation of the human body. In 80–90% the elbow dislocates posteroradial. Injuries of the ligaments are obligatory. Due to the disloca-tion mechanism from lateral to medial, the LCL is ruptured in 100% of the cases, followed by the dorsal and ventral capsule. The MCL tears at last and may stay intact even in cases of complete dislocations. Simple dislocations are treated conservatively with immobilisation in a cast or sling for few days and adjacent physiotherapy. The prognosis is good and redis-location rate is low with approximately 2%. Dislocation fractures on the other hand have to be treated operatively in most of the cases. The prognosis is clearly worse and depends on the concomitant injuries, whereas the radial head and coronoid process are of particular importance.

Keywords: elbow dislocation, fracture dislocation, instability, radial head, coronoid process

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Anatomie und BiomechanikDie Stabilität des Ellenbogengelenkes wird durch dynamische und statische Faktoren ge-währleistet. Zu den statischen zählen die Gelenkführung und der Kapselbandapparat, wo-bei dem medialen Kollateralband (MCL) die wohl bedeutendste Rolle anzurechnen ist. Die dynamischen Faktoren werden durch die Muskulatur repräsentiert. Tabelle 1 gibt eine Über-sicht über den Anteil der einzelnen Faktoren an der Gesamtstabilität unter verschiedenen Belastungsmodalitäten.Unter Valgusstress ist der Kapselbandapparat von entscheidender Bedeutung für die Sta-bilität. Das MCL wirkt hier als primärer Stabilisator, während die Gelenkführung – also der Radiuskopf, der bei Valgusstress als knöchernes Widerlager dient – nur eine sekundäre Rolle spielt. Unter Varusstress hingegen kommt der knöchernen Gelenkführung die Funk-tion des primären Stabilisators zu. Das laterale Kollateralband (LCL) ist von untergeordneter Rolle. Stabilisator gegen Distraktion ist der Kapselbandapparat, während Radiuskopf und Processus coronoideus Kompressionskräften entgegenwirken.

Epidemiologie, Unfallmechanismus und BegleitverletzungenDie Luxation des Ellenbogens ist nach der Schulterluxation die zweithäufigste und macht etwa 20% aller Luxationen aus. Während isolierte Luxationen eher beim jüngeren Patien-ten im Rahmen von sportlichen Aktivitäten auftreten, findet man Luxationsfrakturen eher bei Patienten zwischen 50 und 60 Jahren. Der Unfallmechanismus ist meist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm kombiniert mit Valgusstress und einer Supinationskomponente.Folgende Luxationsrichtungen werden unterschieden:1. dorsal2. ventral3. dorsomedial4. dorsoradial5. divergierend

Wie von O‘Driscoll beschrieben kommt es aufgrund des geringeren Widerstandes des late-ralen Kompartimentes zunächst zu einer Zerreissung des Lateralen Kollateralbandes, die sich über die dorsale und ventrale Kapsel nach medial fortsetzt. Hierdurch lässt sich erklä-

Valgusstress Varusstress

Extension 90° Flexion Extension 90° Flexion

MCL 31% 54% - -

LCL - - 14% 9%

Kapsel 38% 10% 32% 13%

Gelenkführung 31% 33% 55% 75%

Tabelle 1:

Anteile der Ligamente, Weichteile und knöchernen Strukturen an der Gesamtstabilität unter verschiedenen

Gelenkstellung und Belastungen.

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

ren, dass 80–90% aller Luxation nach dorsoradial erfolgen. Unterschieden wird die ein-fache Luxation, bei der „nur“ ligamentäre Verletzungen vorliegen, von der Luxationsfraktur. In ca. 20–50% aller Fälle kommt es zu knöchernen Begleitverletzungen. Betroffen sind in absteigender Reihenfolge der Radiuskopf, gefolgt von Processus coronoideus und distalem Humerus. Von einer „terrible triad of the elbow“ spricht man, wenn neben der MCL-Ruptur Frakturen des Radiuskopf und Processus coronoideus vorliegen.

Einteilung und klinische UntersuchungVon essentieller Bedeutung ist die Stabilitätsprüfung nach Reposition, um eine verbliebene Instabilität auszuschließen, die folgendermaßen eingeteilt werden kann:I°: objektiv (Untersucher) instabil, subjektiv (Patient) stabilII°: objektiv und subjektiv instabil

Das Gelenk wird von der Extension in die (volle) Flexion durchbewegt. Varus- und Valgus-stress müssen jeweils in Streck- und 30°-Beugestellung ausgeübt werden. Hierbei muss besonders auf Schmerzen und eine vermehrte Aufklappbarkeit geachtet werden. Weitere Tests zur Detektion von Instabilitäten sind der Chair-Rise-Test, Liegestütze sowie der Pivot-Shift-Test. Mit dem Pivot-Shift-Test kann die sogenannte posterolaterale Rotationsinstabi-lität diagnostiziert werden. Der Patient liegt mit im Schultergelenk extendiertem und addu-ziertem Arm auf dem Rücken, während der Ellenbogen 20–30° flektiert ist. Unter Ausübung von Supination und Valgusstress mit zunehmender axialer Kompression kann eine Sub-luxation des Radiuskopfes provoziert werden. Durch Flexion und Pronation wird wieder reponiert.

TherapieBei Eintreffen des Patienten muss zunächst der neurovaskuläre Status erhoben verhoben werden. Röntgenbilder in 2 Ebenen sollten vor der Reposition erhoben werden, um Stel-lungsverhältnisse und knöcherne Begleitverletzungen beurteilen zu können. Unter Analgo-sedierung kann dann versucht werden, den Ellenbogen geschlossen zu reponieren. Dabei liegt der Patient auf dem Rücken, der verletzte Arm befindet sich vor seiner Brust. Die Repo-sition erfolgt unter Zug am proximalen Unterarm entlang der Humeruslängsachse und an der Hand entlang der Unterarmachse, während ein Assistent den Oberarm fixiert und ge-genzieht. Nach erfolgreicher Reposition wird unter Bildwandlerkontrolle die Stabilität überprüft wie oben beschrieben. Varus- und Valgusinstabilitäten können häufig festgestellt werden. Der neurovaskuläre Status muss unbedingt erneut erhoben und das Repositions-ergebnis mit Röntgenbildern in 2 Ebenen dokumentiert werden.

Im Falle einer einfachen Luxation ohne Reluxationsneigung reicht die Ruhigstellung des Ellenbogens in einer dorsalen Gipsschiene oder Armschlinge in 90°-Beugestellung für maximal eine Woche (Case 1). Mit der stabilisierenden Physiotherapie unter Vermeidung von Varus- und Valgusstress kann sofort begonnen werden, sofern es die Schmerzsympto-matik des Patienten zulässt. Die Prognose ist im Allgemeinen als gut zu bezeichnen, da die ligamentären Verletzungen unter frühfunktioneller Therapie meist folgenlos ausheilen, wenn keine knöchernen Begleitverletzungen vorliegen. Josefsson et al. verglichen 1987 in

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

einer prospektiv randomisierten Studie die operative Naht des MCL und LCL (n=15) mit der konservativen Therapie (n=15) mittels Gipsruhigstellung. In allen Fällen konnte nach der Reposition eine mediale Instabilität nachgewiesen werden. Nach einem Follow-up von 5 Jahren lag kein signifikanter Unterschied vor. Maripuri et al. berichteten 2007 über signi-fikant bessere Ergebnisse nach Ruhigstellung mittels Armschlinge und frühfunktioneller Therapie gegenüber der Gipsruhigstellung für 2 Wochen. Reluxationen traten nicht auf. Fazit: einfache Luxation – einfache Therapie. Chronische Instabilitäten entwickeln sich lediglich in 2%.

Die Luxationsfrakturen gehen jedoch noch immer mit einer deutlich schlechteren Prognose einher – abhängig von den Begleitverletzungen. McKee et al. berichteten 2005 über 8 Kom-plikationen bei 34 Patienten mit einer terrible triad of the elbow: 1 Infekt, 1 rezidivierende Luxation, 2 radioulnare Synostosen und Ankylosen, die eine Arthrolyse erforderlich mach- ten. Entscheidend für das Outcome nach Luxationsfrakturen ist das frühzeitige Erkennen und Versorgen der Begleitverletzungen – insbesondere der Radiuskopf- und Coronoid-frakturen.

1. Radiuskopffrakturen:Radiuskopffrakturen, die im Rahmen einer Luxation auftreten, werden als Mason IV-Frak-turen klassifiziert. Wenn es sich um ein kleineres oder nicht-disloziertes Fragment ohne funktionelle Relevanz handelt, ist keine Osteosynthese erforderlich. Es handelt sich jedoch meist um Trümmerfrakturen nach hochenergetischem Trauma, die in einem hohen Prozent-satz der Fälle mit einer Ruptur des MCL einhergehen. Dann ist eine Osteosynthese unum-gänglich. Falls die Fraktur nicht rekonstruierbar ist, muss ein endoprothetischer Ersatz erfol-gen (Case 2). Die alleinige Resektion sollte in der akuten Fraktursituation nicht durchgeführt werden, da sie die Entstehung von Instabilitäten begünstigt.

2. Processus coronoideus-Frakturen:Der Processus coronoideus ist aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung für die Ellenbogenstabilität: Zum einen wirkt er bei Axialkräften als knöchernes Widerlager, zum anderen dient er als Ansatz für das anteriore Bündel des MCL, das für die Stabilität besonders wichtig ist. Außerdem dient er als Ansatz für die ventrale Kapsel und den

Case 1:

Einfache Ellenbogenluxation (1 A+B) mit gutem radiologischem Ergebnis nach 5 Monaten (1 C+D).

A B C D

131

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

M. brachialis. Er frakturiert in ca. 2 – 15% aller Ellenbogenluxationen. Nach Regan und Morrey werden 3 Typen unterschieden:Typ I: kleines SpitzenfragmentTyp II: Fragmentgröße kleiner als 50% des CoronoidsTyp III: Fragmentgröße größer als 50% des Coronoids

Typ I-Frakturen können konservativ therapiert werden, solange sicher ausgeschlossen ist, dass das anteriore Bündel des MCL nicht knöchern ausgerissen ist. Dies ist im konven-tionellen Röngenbild aufgrund von Überlagerungen oftmals schwer zu beurteilen und muss notfalls mittels CT überprüft werden. Nicht selten verbirgt sich hinter einem konventionell-radiologischen Spitzenfragment eine instabile Typ II-Fraktur. Dann liegt eine Instabilität vor, und es muss eine osteosynthetische Stabilisierung erfolgen. Es muss auch im a.p.-Bild auf das Tuberculum sublime – den knöchernen Ansatz des MCL am Coronoid – geachtet werden. Diese können sich in der seitlichen Projektion ebenfalls als „harmloses“ Spitzen-fragment darstellen (Case 3). Eine OP-Indikation besteht auch, wenn das Spitzenfragment als freier Gelenkkörper Beschwerden bereitet.

Typ II-Frakturen müssen ebenfalls auf ihre Stabilität überprüft werden. Bei nach ventro-radial verlaufenden Schrägfrakturen und Horizontalfrakturen ist das anteriore Bündel meist nicht betroffen. Hier kann ein konservatives Vorgehen erwogen werden. Eine Instabilität liegt - wie bereits beschrieben – vor, wenn bei schrägem mediodorsalem Frakturverlauf der Ansatz des anterioren MCL-Bündels betroffen ist (Case 3). Zur sicheren Beurteilung des Frakturverlaufes sollte ein CT durchgeführt werden. Weiterhin führen begleitende Radius-

Case 2:

Ellenbogenluxationsfraktur (2 A+B) mit nicht rekonstruierbarer Fraktur des Radiuskopfes (2 C+D), versorgt mit

geschlossener Reposition und postprimärer Implantation einer Radiuskopfprothese nach Judet (2 E+F).

A B C

E

FD

132

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

kopffrakturen oftmals zur Instabilität – terrible triade of the elbow. Instabile Typ II-Fraktu-ren müssen unbedingt operativ stabilisiert werden.

Typ III-Frakturen sind generell instabil: Das knöcherne Widerlager gegen Axialkräfte fehlt, MCL, ventrale Kapsel und ggf. der M. brachialis sind knöchern ausgerissen. Diese Frakturen führen damit quasi zwangsläufig zur Instabilität und sind daher „ausnahmslos“ operativ zu versorgen.

Literatur: 1. An K, Morrey BF. Biomechanics of the elbow. In: Morrey BF: The elbow and ist disorders,

3rd edition, Saunders, Philadelphia, 2000: 74-83. 2. Josefsson PO, Gentz CF, Johnell O, Wendeberg B. Surgical versus nonsurgical treatment

of ligamentous injuries following dislocations of the elbow joint. Clin Orthop Relat Res, 1987, 214(1): 165-169.

3. Maripuri SN, Debnath UK, Rao P, Mohanty K. Simple elbow dislocation among adults: a comparative study of two different methods of treatment. Injury, 2007, 38(11): 1254-1258.

4. Korner J, Lill H, Hepp P. Funktionelle Anatomie und Biomechanik. In: Josten, Lill: Ellenbogenverletzungen, Steinkopf, Darmstadt, 2002: 1-13.

Case 3:

Coronoidfraktur mit konventionell radiologischem Spitzenfragment und leicht zu übersehender Abrissfraktur des

Tuberculum sublime (Pfeil) (3 A+B). In den CT-Schnitten zeigt sich sehr schön der mediodorsale Frakturverlauf (3 C)

und das Tuberculum sublime-Fragment (3 D). Versorgung mittels Plattenosteosynthese, freier Schraube und

Fadenanker (3 E+F).

A B C

D E F

133

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

5. Lill H, Korner J, Josten C. Luxationen und Instabilitäten. In: Josten, Lill: Ellenbogenver-letzungen, Steinkopf, Darmstadt, 2002: 99-123.

6. McKee MD, Pugh DM, Wild LM, Schemitsch EH, King GJ. Standard surgical protocol to treat elbow dislocation with radial head and coronoid fractures. Surgical technique. J Bone Joint Surg, 2005, 87(suppl.1): 22-31.

7. Morrey BF, Ann KN. Articular and ligamentous contributions to the stability of the elbow joint. Am J Sports Med, 1983, 11(5): 315-319.

8. O‘Driscoll SW, Morrey BF, Korinek S, An KN. Elbow subluxation and dislocation. A spectrum of instability-Clin Orthop Relat Res, 1992, 280(7): 186-197

9. Saati AZ, McKee MD. Fracture-dislocation of the elbow: diagnosis, treatment and prognosis. Hand Clin, 2004, 20(4):405-415.

10. Sotereanos D, Hotchkiss RN. Complex Traumatic Elbow Dislocations. In: Green, Hotchkiss, Pederson, Wolfe: Green‘s Operative Hand Surgery, 5th edition, Elsevier, Curchill Livingstgon, 2005: 907-918.

Kontakt:Burkhart, Klaus J., Dr. med. Rommens, M., Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Pol Müller, Lars P., PD Dr. med. Zentrum für Unfallchirurgie und OrthopädieUniversitätsmedizin derJohannes Gutenberg-Universität MainzLangenbeckstraße 155131 Mainz

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

A. Wentzensen, Ludwigshafen

Distale Humerusfrakturen

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

K. Wenda

Olecranon- und Monteggiafrakturen

Zusammenfassung:Olecranonfrakturen werden operativ versorgt, einfache Frakturen mit einer Zuggurtung, komplexe Frakturen mit einer Plattenosteosynthese. Entscheidend ist die routinemäßige Suche nach den vielfältigen Zusatzverletzungen und deren adaequate Behandlung.Monteggiafrakturen sind im Erwachsenenalter selten und im Kindesalter häufig. Entschei-dend ist die exakte Stellung des Humeroradialgelenkes nach Reposition der Ulna.

Schlüsselwörter: Olecranonfraktur, Monteggialäsion

Summary: Internal fixation is the treatment of choice for olecranon fractures. Simple fractures are stabilized with tension band wiring, complex fracture with plates. Routinely typical additional lesions should be searched and adaequately treated.

Key words: Olecranon fracture, Monteggia lesion

Das Olecranon- der sogenannte Ellenhaken – ist der proximalste gelenkbildende Teil der Ulna. Olecrononfrakturen treten isoliert und als Kombinationsverletzung auf. Zu unter-scheiden sind:• Einfache Olecranonfrakturen• Olecranonfrakturen mit Keil und komplexe Olecranonfrakturen• Olecranonfrakturen mit Ellenbogenluxation• Kombination mit Radiusköpfchenfrakturen• Kombination mit Frakturen des Processus coronoideus• Kombination mit distalen Humerusfrakturen• Kombination mit ligamentärer Instabilität

Für die klinische Praxis ergibt sich die Notwendigkeit, bei jeder Olecranonfraktur auf den Röntgenbildern genau nach den typischen Zusatzverletzungen zu suchen. Ergibt die Analyse eine einfache Olecranonfraktur muss wie bei jeder Fraktur die Weichteilsituation genau evaluiert werden. In der Regel bietet sich bei einfachen Olecranonfrakturen die primäre Osteosynthese an. Die Operation kann sowohl in Rücken als auch in Bauchlage durchgeführt werden. Bei einfachen Frakturen kann man in der Regel auf den Aufwand der Bauchlage verzichten.

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Bei komplexen Frakturen sind jedoch Reposition und Bildwandlerkontrolle in Bauchlage wesentlich einfacher, so daß komplexe Frakturen in Bauchlage operiert werden sollten. Bei einfachen Frakturen ist die Zuggurtungsosteosynthese Standard, einige Regeln sind jedoch unbedingt zu beachten: Nach der Reposition und dem Einbringen der Drähte muss eine Bildwandlerkontrolle erfolgen, weil sich immer mal doch Fehllagen ergeben. Die Drähte sollten knapp über die Gegencorticalis plaziert werden. Intramedulläre Drähte bieten keinen ausreichenden Halt. Weites überstehen der Drähte kann Ossifikationen bis hin zu Synostosen verursachen.Die Drähte sollten parallel eingebracht werden, weil der Zuggurtungseffekt der Cerclage bei funktioneller Bewegung sonst nicht eintritt. Im Frakturspalt sich kreuzende Drähte sperren und behindern die Knochenheilung.Die Drähte müssen nach legen der Cerclage um 180° umgebogen und sicher über den Cerclagedraht plaziert werden. Nach vollendeter Osteosynthese müssen Pro- und Supination intraoperativ frei durchführ-bar sein, gelegentlich zeigt sich eine, auf einen in den Radius gebohrten Draht zurückzufüh-rende Bewegungstörung. Eine regelrechte Zuggurtungsosteosynthese kann gipsfrei funktionell nachbehandelt werden.Bei Osteoporose kommen Fehlschläge der Zuggurtungsosteosynthese auch bei einfachen Olecranonfrakturen vor. Plattenosteosynthesen mit winkelstabilen Schrauben befinden sich derzeit in der klinischen Erprobung. Inwieweit damit bessere Ergebnisse erzielt werden können, bleibt abzuwarten. Olecranonfrakturen mit Biegungskeil sind instabiler als einfache Frakturen. Zusammen mit einer Zugschraubenfixation des Biegungskeiles kann mit einer Zuggurtung gelegentlich noch ausreichende Stabilität erzielt werden, Dreifragmentfrakturen sind der Grenzbereich zwischen Zuggurtunsosteosynthese und Platte, ab vier Fragmenten sollte eine Plattenosteo-synthese durchgeführt werden, entweder mit einer um den Ellenhaken umgebogenen Rekonstruktionsplatte oder vorzugsweise mit einer der neuen speziellen Formplatten mit winkelstabilen Schrauben. Verriegelungsnägel für die proximale Ulna befinden sich in der klinischen Erprobung, Vor-teile können bei langstreckigen Frakturen der Ulna erwartet werden.Bei Zusatzverletzungen erfolgt die Osteosynthese des Olecranon wie oben für die einfachen Frakturen dargelegt.Frakturen des Capitulum Humeri und des Epicondylus– meist des Epicondylus radialis – müssen mit Schrauben refixiert werden. Im Bereich des Processus coronoideus wird zwischen stabilen und instabilen Verletzungen unterschieden. Frakturen der Spitze des Processus coronoideus sind stabil, bei größeren Fragmenten, die refixiert werden müssen, birgt ein ventraler Zugang immer die Gefahr ausgeprägter postoperativer Ossifikationen mit Bewegungseinschränkung und sollte nur dann durchgeführt werden, wenn ohne eine Schraubenfixation von ventral keine aus- reichende Stabilität erzielt werden kann. In Kombination mit Olecranonfrakturen werden große Fragmente des Processus coronoideus besser von dorsal mit Schrauben neben oder durch die Platte fixiert.

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Hinsichtlich der Stabilität besonders in den ersten Wochen nach der Verletzung sind Kom-binationen von Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpfchens natürlich kritischer als isolierte Frakturen, die sogenannte Terrible Triade ist eine Kombination von ligamentäreren Verletzungen mit Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpf-chen und stellt die instabilste Verletzungsform dar. Für die Versorgung von begleitenden Radiusköpfchenfrakturen besteht eine Vielzahl von therapeutischen Optionen. Einfache Radiusköpfchenfrakturen können oft durch den dorsa-len Zugang mittels Schraubenostosynthese mitversorgt werden. Bei komplexen Radiusköpf-chenfrakturen gelten die Regeln der Versorgung dieser Fraktur zumeist über einen zusätz-lichen radialen Zugang. Bei jungen Patienten sollte die Rekonstruktion des Radiusköpf-chens immer angestrebt werden. Bei nicht rekonstruierbaren Radiusköpfchenfrakturen kommt eine Radiusköpfchenprothese in Betracht, die Indikation hierzu sollte jedoch bei jungen Patienten wegen Folgeproblemen im Langzeitverlauf nur mit großer Zurückhaltung gestellt werden. Einige Autoren empfehlen bei sehr jungen Patienten sogar, eine Radius-köpfchenprothese nur zeitweilig bis zur sicheren Ausheilung der Bänder zu belassen und dann zu entfernen. Dies kann auch eine Option bei einer Essex-Lopresti Läsion mit Zerrei-ßung der membrana interossea sein. Bei älteren Patienten wird die Indikation zur Radiusköpfchenresektion (Abb.1) bei komple-xen Frakturen im eigenen Krankengut grosszügig gestellt, weil Bewegungseinschränkungen nach aufwendigen Osteosynthesen häufig sind und dauerhafte klinisch relevante Instabili-täten bei der Kombination von Olecranonfrakturen mit Radiusköpfchenfrakturen zumindest in der eigenen klinischen Erfahrung niemals vorkommen. Die transolecranische Ellenbogenluxationsfraktur stellt die proximalste Form einer Mon-teggia-Verletzung dar (Abb.2). Bei der klassischen Monteggia-Fraktur handelt es sich um eine proximale Ulnafraktur mit Radiusköpfchenluxation, mitverletzt sind immer die Bänder des proximalen Radioulnargelenkes, des Humeroradialgelenkes und die Membrana inter-ossea.Unter Monteggia-Äquivalenten (Monteggia like lesions) versteht man alle proximalen Ulnaschaftfrakturen mit über die Luxation hinausgehenden Schädigungen des proximalen Radioulnargelenkes und des Humeroradialgelenkes, z.B. mit Radiusköpfchenfrakturen und Frakturen des Processus Coronoideus.

Abb. 1:

Monteggiaäquivalent beim älteren Patienten mit nicht sinnvoll rekonstruierbarer Radiuskopffraktur:

Der erhaltene Processus coronoideus ist wichtig für die Stabilität

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Monteggiafrakturen sind bei Erwachsenen selten und im Kindesalter häufig. Im Krankengut der Freiburger Universitätsklinik fanden Konrad et. al. in zehn Jahren 63 Erwachsene mit Monteggiafrakturen oder ihren Äquivalenten. 73% hatten ein gutes Ergebnis, allerdings mussten immerhin 26% nach der Erstoperation noch einmal revidiert werden. Luxationen des Radiuskopfes nach dorsal und zusätzliche Frakturen des Radiuskopfes und des Proces-sus coronoideus waren erwartungsgemäß prognostisch ungünstig. Bei Ulnaschaftfrakturen muss immer das Ellenbogengelenk im seitlichen Strahlengang hinsichtlich möglicher Luxations- oder Subluxationsstellungen des Radiusköpfchens über-prüft werden. Wichtig ist bei Ulnafrakturen die röntgenologische Darstellung des gesamten Unterarmes einschließlich Handgelenk, um Fehlstellungen im distalen Radiulnargelenk und Essex-Lopresti-Läsionen zu erkennen, die zwar selten aber von erheblicher Konsequenz sind, weil übersehene Läsionen später nur sehr schwer zu rekonstruieren sind.Bei Erwachsenen ist die Plattenosteosynthese der Ulna die Standardversorgung, kindliche Ulnafrakturen werden heute meist mit elastisch stabilisierenden intramedullären Nägeln versorgt. Bei kindlichen Verletzungen ist es wichtig zu wissen, dass Radiusköpfchenluxationen ohne Fraktur der Ulna vorkommen können.Man kann versuchen die „bowing ulna“ zurückzubie-gen, wenn dies nicht gelingt ist eine Osteotomie der Ulna und Stabilisierung mit einer Platte oder einem Fixateur externe erforderlich. Die Repostion des Radiusköpchen mit Zwang und temporärer Bohrdrahtfixation ist obsolet, weil es nach Entfenung des Bohrdrahtes regelhaft erneut zur Luxation kommt.

Kontakt:Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Orthopädische ChirurgieHSK Dr. Horst Schmidt KlinikLudwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden

Abb. 2:

Transolecranische Luxationsfraktur (proximalste Montegiafraktur).

Versorgung mit Rekonstruktionsplatte und Verschraubung des Processus Coronoideus durch die Platte

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

H. Winkler

Kindliche Ellenbogenfrakturen

ZusammenfassungKindliche Frakturen unterscheiden sich erheblich von Frakturen im Erwachsenenalter. Unfallmechanismen oder Fragmentzahl spielen im Gegensatz zu Frakturen des Erwachse-nen eine untergeordnete Rolle; wesentlich entscheidender sind Frakturlokalisation und Fragmentmorphologie. Bei noch offenen Wachstumsfugen weichen Frakturmorphologie, Therapiealgorithmus und Outcome erheblich von denen der Erwachsenen ab. Die beein-flussenden Faktoren der Heilung und Behandlung sind determiniert vom biologischen Alter und der Wachstumspotenz der Fuge. Der Prozess der Spontankorrektur und des Remodeling muss prospektiv in die Behandlungsüberlegungen einfließen. Hierbei sind schon bei Be-handlungsbeginn die Grenzen und Möglichkeiten des Remodeling abzuschätzen.Bei extraartikulären Frakturen kann man in gewissen Grenzen Spontankorrekturen erwar-ten. So ist in vielen Fällen eine anatomisch exakte Reposition nicht erforderlich, anderer-seits aber können zu große Fehlstellungen nicht belassen werden. Grundsätzlich gilt, je jünger das verletze Kind ist, umso größere Fehlstellungen können im Hinblick auf eine Spontankorrektur akzeptiert werden. Bei allen intraartikulären Frakturen darf keine Spontankorrektur erwartet werden. Tendenziell geht auch die Behandlung von kindlichen Frakturen mehr zu operativen Stabilisierungen. In jedem Einzelfall muss der behandelnde Arzt sich fragen, ob invasive Maßnahmen erforderlich sind.

SchlüsselwörterKindliche Frakturen, Ellenbogen, Rotationsfehler, Spontankorrektur

SummaryChildhood fractures differ considerably from fractures in the adulthood. The mechanism and the number of fragments are far less essential than in fracture of the adult. Of vital importance however are fracture localization and morphology of the fragment. While the epiphysis is still open fracture morphology, therapy logarithm and outcome deviate con-siderably in comparison to adults. The main influencing factor of the cure and treatment is determent from biological age and growth power of the epiphysis. The process of spon-taneous correction and re- modelling has to be prospectively integrated into the treatment thoughts. Therefore possibilities and limits of the re-modelling have to be evaluated already at the beginning of treatment.In extraarticular fractures it can be expected that spontaneous corrections will take place in certain limits. Therefore in many cases an exact anatomically reposition is obsolete, on the other hand too distinct malpositions can not be tolerated. Basically it applies; the younger the injured child is, much greater malposition can be tolerated in expectation of spontaneous correction. In all intraarticular fractures no spontaneous correction is to be

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

expected. There is a tendency that treatment of childhood fractures is carried out by surgical procedure. It is a single case decision that has to be made by the surgeon in charge of the treatment whether there are surgical procedures necessary or not.

Key wordsChildhood fractures, Elbow-joint, Malrotation, spontaneous correction

Die Behandlung kindlicher Ellenbogenfrakturen ist eine komplexe Aufgabe, da man anato-misch und funktionell mit 3 Gelenken und 6 Knochenkernen konfrontiert wird. Je jünger das Kind ist, umso schwieriger ist die Beurteilung von Röntgenaufnahmen zur Diagnosestellung einer knöchernen Verletzung, da die Knochenkernentwicklung nicht zeitgleich abläuft (Abb.1). Nach anatomisch morphologischen Kriterien teilen wir die Frakturen im Bereich des Ellen-bogengelenks in die Abschnitte distaler Humerus, Olecranon und Radiusköpfchen ein. Am distalen Humerus muß zwischen suprakondylären, transkondylären und epikondylären Frakturen unterschieden werden.

Diagnostisch ist im allgemeinen eine konventionelle Röntgenuntersuchung ausreichend. Nur in seltenen Fällen wird man zusätzlich auf eine MRT- oder CT-Untersuchung angewie-sen sein. Die Röntgendiagnostik ermöglicht auch beim wachsenden Skelett die Überprüfung bestimmter anatomischer Landmarken und Winkelstellungen. In allen Projektionsebenen muß der proximalen Radius auf das Capitulum humeri ausgerichtet sein. In der ap-Projek-tion ermöglicht der Baumann-Winkel und in der Seitaufnahme der Diaphysen-Epiphysen-winkel bzw. die Rogers-Hilfslinien eine Stellungsbeurteilung (Abb. 2, 3 ).

Abb. 1:

Entwicklung der Knochenkerne am kindlichen

Ellenbogengelenk

Abb. 2:

Baumann-Winkel α(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturen-

behandlung bei Kindern und Jugendlichen Springer-Verlag)

143

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Distaler HumerusSuprakondyläre Frakturen (6,5 %)

Suprakondyläre Frakturen sind die typischen Frakturen des Kindesalters; sie kommen beim Erwachsenen selten vor. Häufigkeitsgipfel ist das 5. bis 7. Lebensjahr. Es handelt sich meist um die Folgen eines Sturzes auf den ausgestreckten oder gebeugten Arm. Ziel der Behand-lung ist die funktionelle Wiederherstellung mit vollem Bewegungsumfang und der Vermei-dung von Achsfehlstellungen des Armes.

Die AO Klassifikation kindlicher Frakturen unterscheidet nach dem Ausmaß der Dislokation 4 Typen. (Tab. 1) Bei unverschobenen Frakturen ist eine konservative Behandlung möglich, wobei die Problematik einer Ausheilung in Varusfehlstellung zu beachten ist. Die operative

Abb. 3:

Rogers-Hilfslinien zur Stellungsbeurteilung am distalen Humerus, (a) anatomisch, (b) Extension, (c) Flexion

Typ I undisloziert (stabil)

Typ II disloziert in einer Ebene (Ante- oder Rekurvation) (drohend instabil)

Typ III disloziert in 2 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation oder Seitverschiebung (instabil)

Typ IV disloziert in 3 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation, Seitverschiebung) (instabil)

Tabelle 1:

Klassifikation suprakondylärer Humerusfrakturen nach der AO pediatric classification

144

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Behandlung stellt eine erhebliche Herausforderung an den Traumatologen dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass verbliebene Ante- oder Rekurvationsfehlstellungen zu Funk-tionsdefiziten in Beugung oder Streckung führen können. Das Problem der Vermeidung von Rotationsfehlstellungen stellt sich sowohl bei der konservativen wie bei der operativen Behandlung. Da die distale Wachstumsfuge nur etwa 20% zum Längenwachstum des Ober-armes beiträgt, ist die Korrekturpotenz reduziert. (Tab. 2) Bis zum 6.–7. Lebensjahr sind Fehlstellungen kompensierbar. Eine Spontankorrektur einer Rotationsfehlstellung oder eine Korrektur einer Varus- und Valgusdeformität ist nicht möglich.

Eine absolute Notfallindikation stellt die Pulslosigkeit des Unterarmes bei dislozierter, suprakondylärer Fraktur dar. Hier hat unmittelbar eine Reposition zu erfolgen; eine Duplex-sonographie, gelegentlich auch eine Gefäßdarstellung sind obligat, um die Durchblutung des Armes zu gewährleisten. Therapieziel ist ein kompletter Bewegungsumfang des Ellen-bogengelenkes und die Vermeidung eines Cubitus varus. Eine konservative Behandlung, beispielsweise in einem Blount’schen Verband, ist denkbar, wenn eine Rotation des distalen Gelenkblocks sicher ausgeschlossen werden kann. Rönt-genologisch ist die Fehlstellung an dem sogenannten Rotationssporn erkennbar. Regel-mäßige Röntgenkontrollen sind obligat. Die Einstellung des distalen Oberarmes kann mit Hilfe der Rogers-Hilfslinien kontrolliert werden, da eine exakte Winkelmessung in den meisten Fällen nicht suffizient möglich ist (Abb. 4a,b). Aufgrund der verstärkten Beugung im Ellenbogengelenk besteht die Gefahr eines Kompartmentsyndromes im Bereich des Unter-armes.

Tabelle 2:

Toleranzgrenzen bei suprakondylären Humerusfrakturen

– keine Varus- oder Valgusfehlstellung

– <6 Jahre maximale Antekurvation von 20 Grad

– >6 Jahre keine Ante- oder Rekurvation; kein Remodeling möglich

– keine Rotationsfehler

Abb. 4a:

Dislokation des distalen Humerus in

Innenrotation und Varusfehlstellung

(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F.

Die Frakturenbehandlung bei Kindern und

Jugendlichen Springer-Verlag)

Abb. 4b:

Röntgenologisch ist die Rotationsfehl-

stellung an dem ventralen Knochen-

sporn erkennbar

Abb. 4a Abb. 4a

145

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Die operative Behandlung wird immer bei Typ-III und Typ-IV-Fraktur zur Anwendung kommen. Zu überlegen ist, ob auch eine prophylaktische Stabilisierung bereits bei einer Typ-II-Fraktur sinnvoll ist. Üblicherweise wird die Stabilisierung mit Kirschner-Drähten gekreuzt von radial und ulnar oder nur vor radial vorgenommen. Die Reposition ist meistens geschlossen möglich; offene Repositionen sind in der Regel bei einem Repositionshindernis oder bei extrem hoher Instabilität erforderlich (Abb. 5). Als Komplikationen müssen Schä-

Abb. 5a–d:

Dislozierte supracondyläre Humerusfraktur, Stabilisierung

mit gekreuzten Kirschner-Drähten von radial und ulnar

Abb. 5a

Abb. 5d

Abb. 5b Abb. 5c

Abb. 6:

Nach knöcherner Ausheilung verbliebener

Rotationssporn mit klinisch vermehrter

Varusfehlstellung

146

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

digungen des Nervus ulnaris durch Kirschner-Drähte oder gegebenenfalls bei externer Fixateurbehandlung auch Schädigungen im Bereich des Nervus radialis genannt werden. Der Cubitus varus stellt eine wesentliche Komplikation dar, die in der Regel erst nach Aus-heilung erkennbar wird. Allerdings ist diese Komplikation bereits röntgenologisch an dem sogenannten Rotationssporn des distalen Humerus erkennbar. Dieser entsteht durch eine Rotation des distalen Humerus gegenüber dem Humersschaft. (Abb. 6).

Bei röntgenologischem Nachweis eines Rotationssporns ist eine zeitnahe Korrektur erforderlich; eine Spontankorrektur ist nicht möglich

Transkondyläre Frakturen (1,8 %)

Bei den transkondylären Frakturen handelt sich ausschließlich um intraartikuläre Frakturen Sie betreffen den Kondylus ulnaris, den Kondylus radialis oder betreffen beide Kondylen in Form von Y-Frakturen. Bei einer Dislokation mit einer Gelenkstufe > 2 mm besteht eine Operationsindikation. Die Diagnostik kann schwierig sein. In konventionellen Röntgenauf-nahmen sind sie gelegentlich schwer zu erkennen. Im Einzelfall kann eine MRT-Diagnostik sinnvoll sein. Die relativ schwierig erkennbaren Frakturen des Kondylus radialis können primär eine nur geringfügige Dislokation aufweisen, neigen aber zu einer sekundären Dislokation, sodass zu deren Ausschluss 3–5 Tage nach Behandlungsbeginn eine gipsfreie Röntgenkontrolle erforderlich ist. Bei einer Dislokation sollte wenn möglich eine stabile Schraubenosteosynthese vorgenommen werden. Kirschner-Drähte bieten keine ausrei-chende Stabilität und können aufgrund der persistierenden Instabilität zu einem Mehr-wachstum im Bereich des Kondylus radialis führen, mit der Folge eines Cubitus varus. Nur bei Kleinkindern und sehr kleinem metaphysärem Fragment kann eine Osteosynthese mit Kirschner-Drähten erforderlich werden. Bei konservativer Behandlung und sekundärer Dislokation im Gips ist auch ein Cubitus valgus möglich (Abb. 7a,b).

A B Abb. 7a,b:

Condylus radialis-Fraktur (a),

Versorgung mit stabiler

Schraubenosteosynthese (b)

147

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Epikondyläre Frakturen (1,3 %)

Frakturen der Epikondylen sind häufig Folge einer stattgehabten Ellenbogenluxation. Be-sonders häufig sind derartige Frakturen im Bereich des Epikondylus ulnaris, die sich gele-gentlich sogar in das Gelenk einschlagen können. Es handelt sich um Apophysenfrakturen, welche keinen Einfluss auf das Längenwachstum haben und lediglich an der Formgebung des distalen Humerus beteiligt sind. Die Grenze der Dislokation wird im Allgemeinen bei einem Ausmaß von 5 mm gesehen. Bis zu dieser Dislokation ist eine konservative Behand-lung möglich; darüber hinausgehende Verschiebungen der Epikondylen sollten operativ durch Kirschner-Drähte oder kanülierte Schrauben fixiert werden (Abb. 8a,b).

In das Gelenk eingeschlagene Fragmente des Epikondylus ulnaris stellen in jedem Fall eine OP-Indikation dar

Olecranonfrakturen (0,8 %)

Frakturen des Olecranons sind bei Kindern extrem selten. Sie sind im Sinne von Monteggia-Verletzungen oft in Kombination mit Frakturen des Radius bzw. des Radiusköpfchen zu finden. Wir finden intra- und extraartikuläre Frakturen, diese können undisloziert sein und bedürfen dann lediglich einer konservativen Behandlung. Achsfehler in der Frontalebene sollten nicht toleriert werden, da diese bestehen bleiben und nicht spontan korrigiert wer-den. Das geringe Ausmaß der Dislokation erklärt sich durch das sehr kräftige Periost, wel-ches einen zuggurtenden Effekt ausübt. Abkippungen nach ventral können im Bereich der proximalen Ulna sekundär zu einem Streckdefizit führen. Bei Frakturspalten die in das Gelenk hineinreichen und ein Ausmaß von 2–3 mm erreichen, sollte eine operative Versor-gung mit Zuggurtung oder Platte durchgeführt werden.

Dislokationen und Gelenkstufen >2 mm stellen eine OP-Indikation dar

Abb. 8a,b:

Abbruch des Epikondylus ulnaris

nach Ellenbogenluxation

A B

148

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Radiusköpfchenfrakturen (1,3 %)

Frakturen des Radiusköpfchens sind seltene Frakturen. Die Besonderheit besteht darin, dass seine Durchblutung als eine Endstrombahnversorgung ausgelegt ist. Jede Fraktur und jeder Repositionsversuch kann eine Störung der periostalen Durchblutung mit einer avasku-lären Nekrose einer Verplumpung des Radiusköpfchenseintreten zur Folge haben. Fehlstel-lungen bis 50° können nach von Laer bis zum 10. Lebensjahr spontan korrigiert werden. (Tab. 3 )

Bei den subkapitalen Frakturen unterscheiden wir zwischen Stauchungs-, Grünholz- und vollständigen Frakturen sowie Frakturen mit Epiphysenbeteiligung. Immer besteht eine Rotationseinschränkung. Bei der konventionellen Röntgenuntersuchung kann gelegent- lich die Angulation des Radiushalses zu einer Fehlinterpretation im Hinblick auf eine Fehlstellung führen. Die Therapie sollte möglichst atraumatisch durchgeführt werden. Die konser-vative Therapie muss altersabhängig am Ausmaß der Abkippung des Radiusköpf-chens orientiert werden. Während bis zum 10. Lebensjahr im Allgemeinen Fehlstellungen und Abkippungen bis 50–60% toleriert werden, sollten Fehlstellungen von 10–20% über dem 10. Lebensjahr nicht akzeptiert werden. In der Regel ist eine geschlossene Reposi- tion möglich; gelegentlich kann perkutan die Reposition mit Hilfe von Kirschner-Drähten, bzw. einem intramedullär eingeführten, elastisch stabilen Nagel vorgenommen werden (Abb.9).

Die transartikuläre Fixation mit Kirschner-Drähten ist obsolet, da mit Nekrosen des Radiusköpfchens zu rechnen ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Behandlung kindlicher Ellenbogenfraktu- ren sehr viel Wissen um die Ausbildung der Knochenkerne, die Durchblutungssituation und die Möglichkeiten der Spontankorrektur des kindlichen Knochens erfordert. Die Therapieentscheidung wird immer durch die spontane Korrekturpotenz des Knochens beeinflusst. Insbesondere belassene Fehlstellungen, bei denen man eine Spontankorrektur im Laufe des Wachstums erwartet, stellen den behandelnden Arzt vor schwierige Aufga-ben, wobei diese Fehlstellungen insbesondere gegenüber den Eltern des Kindes vertreten werden müssen und dies einen wesentlichen Teil der Behandlungsanstrengungen aus-macht.

Grad 1 Abkippung < 20°

Grad 2 Abkippung 20–45°

Grad 3 Abkippung 25–80°

Grad 4 Abkippung >80°

Tabelle 3:

Frakturklassifikation nach Metaizeau

149

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Literatur

Weinberg, A-M; Fischerauer, E; Castellani, C. Frakturen der oberen Extremität beim Kind Teil I, Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 1-20

Weinberg, A-M; Amerstorfer, F; Fischerauer, E. Frakturen der oberen Extremität beim Kind Teil II, Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 21-40

von Laer, L; Kraus, R; Linhart, WE. Frakturen und Luxationen im Kindesalter 5. Aufl. Thieme Stuttgart New York 2007

Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturenbehandlung bei Kindern und Jugendlichen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1979

Kontakt

Winkler, Hartmut, Priv.-Doz. Dr.Klinik für Unfall- und WiederherstellungschirurgieWestpfalz-Klinikum Standort IHellmut-Hartert-Str. 167655 Kaiserslautern

Abb. 9a–d:

Dislozierte Radiushals-

fraktur (a), perkutane

Reposition mit einem

Kirschner-Draht (b), intra-

medulläre Stabilisierung

mit ESIN (c,d)

A B

D

C

151

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

R. Hoffmann, L. Becker

Ellenbogenprothese nach Trauma

Zusammenfassung:Im Rahmen der operativen Versorgung schwerer Verletzungen des älteren Patienten stellt sich häufig das Problem schlechter Knochenqualität und den damit verbundenen schwie-rigen Vorraussetzungen für eine stabile Osteosynthese. Auch Revisionseingriffe und bereits vorbestehende degenerative Gelenkveränderungen schränken die Therapieoptionen deut-lich ein. Eine zusätzliche Versorgungsmöglichkeit stellt hier die primäre oder sekundäre Implantation einer Totalendoprothese des Ellenbogens dar. Hierfür stehen gekoppelte Prothesenmodelle zur Verfügung, die auch eine gewisse Varus-/Valgusbeweglichkeit zur Minderung der Lockerungsraten erlauben. Im Vergleich erreichen ältere Patienten mit einer Trümmerfraktur und einer Prothese bessere funktionelle Ergebnisse und eine niedrigere Komplikationsrate als Patienten mit einer osteosynthetischen Versorgung. Auf Grund der guten Ergebnisse im Rahmen der Versorgung von Unfallverletzungen des älteren Patienten stellt die Ellenbogenprothese eine wichtige Behandlungsmöglichkeit dar und sollte bei der Therapieplanung mit berücksichtigt werden.

Schlüsselwörter:Distale Humerusfraktur, Ellenbogenprothese, Alterstraumatologie, Ellenbogen, Osteoporose, Arthroplastik

Summary:Poor bone quality is a major problem for the surgical treatment of severe elbow injuries of the older patient. The chance to achieve a stable osteosynthesis is usually limited. The options for revision surgery after failed ostesynthesis or patients with pseudarthrosis or pre-existing degenerative joint alteration are even more limited. In such cases the primary or secondary total arthroplasty of the elbow can be an additional alternative. There are different types of sloppy hinged prosthetic designs available allowing a small range of varus and valgus movement to prevent loosening. Studies showed that older patients who received a total arthroplasty for treatment of a severe fracture of the distal humerus had a significant better functional outcome and a lower rate of complications compared to patients with an osteosynthesis. These encouraging results prove, that total arthroplasty of the elbow is a reasonable treatment option for severe elbow trauma of the older patient.

Keywords:Distal fracture of the humerus, prosthesis, geriatric trauma, elbow, osteoporosis, arthroplasty

Epidemiologie:Altersschwerpunkt für das Auftreten von Frakturen des distalen Humerus sind weibliche Patienten über 80 Jahre. Altersadaptiert ist hier mit einer Häufigkeit von ca. 28/100.000/Jahr zu rechnen. Auf Grund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wird es bis zum

152

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

Jahre 2030 insgesamt zu einer deutlichen Zunahme der Alterstraumatologie und einer Ver-dreifachung der Patienten mit distalen Humerusfrakturen kommen. In diesem Patienten-kollektiv zeigt sich eine hohe Rate an begleitenden Komorbiditäten, häufig eine vorbeste-hende Osteoporose sowie eine mangelnde Compliance. Auch zeigen sich vermehrt schwere Abscher- oder Trümmerfrakturen. Es stellt sich bei diesen Patienten im Rahmen der Primärversorgung und bei Komplikatio-nen bzw. Versagen der osteosynthetischen Versorgung die Frage, ob die Implantation einer Ellenbogentotalendoprothese als Behandlungsoption in Frage kommt. (Athwal et al. 2008, Morrey 2000)

Literatur:In der Literatur finden sich praktisch nur retrospektive Untersuchungen (Level IV) zur Ver-sorgung distaler Humerusfrakturen mit einer Endoprothese. Es konnte jedoch z.B. bei der Untersuchung von Charissoux et al. gezeigt werden, daß ältere Patienten bei endoprothe-tischer Versorgung einer distalen Humerustrümmerfraktur weniger Komplikationen, eine geringere Rate an operativen Revisionen sowie eine bessere Funktion bzw. Patientenzufrie-denheit aufwiesen, als Patienten mit einer osteosynthetischen Versorgung. Auch McKee et al. empfehlen nach einer multicenter Studie zum Vergleich Prothese vs. Osteosynthese bei Trümmerfrakturen des distalen Humerus älterer Patienten die Versorgung mit einer Prothese bei nicht zu erwartender stabiler Versorgung durch eine konventionelle Osteo-synthese. Der Anteil dieser Patienten lag in dem untersuchten Patientengut bei immerhin 25%. (Charissoux et al. 2008, McKee et al. 2009)

Prothesendesign:Seit Verwendung der Ellenbogenprothesen haben sich teilgekoppelte („sloppy hinged“) Modelle mit einer zusätzlichen Varus-/Valgusbeweglichkeit von ca. 6–8° durchgesetzt (s. Abb. 1). Die früher verwendeten starr gekoppelten Prothesen führten über eine hohe mechanische Belastung, vor allem im Bereich des Humerus, zu hohen Lockerungsraten. Um die humerale Prothesenkomponente weiter zu entlasten verfügen einige Prothesenmodelle zusätzlich über einen sogenannten humeralen Flansch (z.B. Coonrad-Morrey) an der ventra-len Prothesenseite, um die Zug- und Druckbelastung sowie Torsionskräfte zu vermindern. Ungekoppelte Prothesenmodelle mit reinem Oberflächenersatz spielen bei der Frakturver-sorgung keine Rolle.

Indikationen:Die Indikationen für eine primäre Implantation besteht bei schweren C-Frakturen (nach AO Klassifikation) des distalen Humerus oder komplexen Luxationsfrakturen, die mit kon-ventionellen Operationstechniken nicht zufriedenstellend rekonstruiert werden können. Liegt eine schlechte Knochenqualität bei einer Osteoporose vor, so ist ebenfalls eine Prothe-senimplantation zu erwägen, da eine ausreichende Stabilisierung durch eine Osteosynthese oft nicht möglich ist. Bei Fehlen oder keiner Möglichkeit der Rekonstuktion der Kondylen ist die Verwendung einer gekoppelten Prothese mit langen Schäften durch die alleinige Verankerung im Markraum ebenfalls möglich. Bei ausgeprägten und oder schmerzhaften vorbestehenden Gelenkdestruktionen z.B. im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis ist

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

gegebenenfalls auch bei A oder B-Frakturen nach AO-Klassifikation eine Indikation für eine Prothese zu diskutieren. Sekundäre Implantationen sind im Rahmen der Versorgung von posttraumatischen Arthrosen, gelenknahen Pseudarthrosen sowie als „salvage procedure“ bei gescheiterten Osteosynthesen oder Implantatversagen möglich (s. Abb 2). Ziel der pri-mären Ellenbogenprothese bei Unfallverletzten ist die Erhaltung der Beweglichkeit sowie eine Verkürzung der Rekonvaleszenz. (Müller et al. 2005, Morrey 2000, Loehr et al. 2003)

OP-Technik:Auf die im Vortrag beschriebene Operationstechnik wird hier bewusst verzichtet. Es sei hier auf die einschlägige Literatur und die Operationsanleitungen der einzelnen Prothesen-hersteller verwiesen (s. Abb. 1).

Nachbehandlung:Entfernung der Wunddrainagen nach ca. 48 h sowie Durchführung von physikalischer Therapie (Kryotherapie, Lymphdrainage). Eine einmalige Antibiotikagabe, z.B eines Cepha-losporin der 2. oder 3. Generation, ist als perioperative Prophylaxe in der Regel ausreichend. Präoperativ sollte eine Schmerzkatheteranlage erfolgen, um die Schmerztherapie sowie die physiotherapeutische Beübung zu vereinfachen. Direkt nach der Implantation kann mit passiven Bewegungsübungen unter Anleitung begonnen werden, gegebenenfalls auch unter Verwendung einer Motorschiene. Um den intraoperativ abpräparierten Streckapparat zu schonen und eine feste Einheilung zu ermöglichen sollte in den ersten Wochen keine Belas-tung über 1–2 kg erfolgen. Um das Risiko einer Auslockerung der Prothese zu vermindern, ist langfristig eine Gewichtslimitierung für Heben und Tragen von 4–5 kg sowie das Vermeiden repetitiver Bewegungen mit mehr als 1 kg notwendig. Auch alle Schlag- und Wurfsportarten und Betätigungen mit hoher Beanspruchung des Ellenbogens in Sport und Beruf sollten vermieden werden. Durchführung von postoperativen Röntgenkontrollen in 2 Ebenen sowie Verlaufskontrollen nach 6 Wochen sowie dann einmal jährlich. (Chochole und Wlk 2008, Morrey 2000)

Ergebnisse:In der größten vorliegenden Studie bezüglich der Standzeiten von Ellenbogenprothesen zeigten sich an Hand der Conrad/Morrey Prothese mit einem Nachsorgeuntersuchungszeit-raum von bis zu 31 Jahren sehr gute Werte. Nach 10 Jahren waren noch ca. 80% und nach

Abb. 1:

Beispiele für gängige Prothesenmodelle: Coonrad-Morrey (a), GSB III (b), Discovery (c) und die ungekoppelte IBP (d)

a b c d

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

20 Jahren ca. 60% der Prothesen ohne Anzeichen eines Implantatversagens oder einer Prothesenlockerung. Insgesamt zeigten sich gute bis sehr gute funktionelle Ergebnisse.Auch bei der Nachuntersuchung von 20 Patienten im eigenen Patientengut zeigten sich sehr gute funktionelle Ergebnisse. Es wurden im Mayo-Elbow-Performance-Score durchschnitt-lich 96 von 100 möglichen Punkten erreicht. Im Schnitt wiesen die Patienten eine ROM für Extension/Flexion von etwa 95° bei weitgehend uneingeschränkten Umwendbewegungen auf. In der Regel verbleibt bei den Patienten nach einer Ellenbogenprothese ein Streck-defizit von ca. 20°, die Flexion ist jedoch bis ca. 115°–120° gut möglich. Der überwiegende Anteil der Patienten ist im Alltag beschwerdefrei und nicht wesentlich eingeschränkt, jedoch bei in der Regel vermindertem Funktionsanspruch auf Grund des mittleren Patientenalters von über 70 Jahren. (Aldridge et al. 2006, Prasad und Dent 2008, eigene Daten)

Fazit:Im Rahmen der Alterstraumatologie ist die Ellenbogentotalendoprothese aus unserer Sicht eine wichtige zusätzliche Behandlungsoption sowohl für die primäre aus auch für die sekundäre Versorgung schwerer Verletzungen des Ellenbogens. Ihr Einsatz sollte vor

Abb. 2:

Indikationen für eine Ellenbogenprothese. Implantatversagen (a), chronische Luxation (b), C3-Fraktur des

Ellenbogens (c)

▲ Abb. 2a

► Abb. 2b1 ►► Abb. 2b2

◄◄ Abb. 2c1 ◄ Abb. 2c2

▼ Abb. 2c3

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

allem bei älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität und/oder Trümmerfrakturen sowie bei Vorschäden im Rahmen der Therapieplanung mit erwogen werden.

Literatur:

Aldridge III JM, Lightdale NR, Mallon WJ, Coonrad RW. 2006. Total elbow arthroplasty with the Coonrad/Coonrad-Morrey prosthesis. A 10- to 31-year survival analysis. J Bone Joint Surg Br. 2006 Apr; 88(4):509-14.

Athwal GS, Goetz TJ, Pollock JW, Faber KJ. 2008. Prosthetic replacement for distal humerus fractures. Orthop Clin North Am 39(2): 201-212

Charissoux JL, Mabit C, Fourastier J, Beccari R, Emily S, Capelli M, Malingue E, Mansat P, Hubert L, Proust J, Bratu D, Veillard D, Grandmaison FL, Apard T, Martinel V, Bonnevialle N. 2008. Comminuted intra-articular fractures of the distal humerus in elderly patients. Rev Chir Orthop Reparatrice Appar Mot. 94(4 Suppl): 36-62.

Chochole M, Wlk MV. 2008. Ellenbogen- und Handgelenksendoprothetik beim Rheuma- tiker – Richtlinien der Rehabilitation. J Miner Stoffwechs, 15 (Sonderheft 1):17-20.

Loehr JF, Gschwend N, Simmen BR, Katzer A. 2003. Endoprothetik des Ellenbogens. Orthopäde, 32:717-722.

McKee M, Veillette C, Hall J, Schemitsch E, Wild L, McCormack R, Perey B, Goetz T, Zomar M, Moon K. 2009. A multicenter, prospective, randomized, controlled trial of open reduction-

Abb. 3:

postoperative

Röntgenkontrolle

nach Implantation

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Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends

internal fixation versus total elbow arthroplasty for displaced intra-articular distal humeral fractures in elderly patients. J Shoulder Elbow Surg, 18(1):3-12

Morrey BF. 2000. The elbow and its disorders. Dritte Aufl. Saunders, Philadelphia.

Müller LP, Kamineni S, Rommens PM, Morrey BF. 2005. Primäre totale Ellenbogenprothese zur Versorgung distaler Humerusfrakturen - Primary Total Elbow Replacement for Fractures of the Distal Humerus. Operat Orthop Traumatol, 17:119-142.

Prasad N, Dent C. 2008. Outcome of total elbow replacement for distal humeral fractures in the elderly: a comparison of primary surgery and surgery after failed internal fixation or conservative treatment. J Bone Joint Surg Br.2008; 90-B: 343-348.

Kontakt:Hoffmann, Reinhard, Prof. Dr. med.Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik FrankfurtFriedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische ChirurgieKlinikum Offenbach GmbHStarkenburgring 66, 63069 Offenbach

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

VI. Sitzung

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

Vorsitz: R. Hoffmann, Frankfurt/A. R. Platz, Mainz

A. Rauch, MainzChr. Wendler, Rüsselsheim

Typische Fallstricke im Rehamanagement – in der niedergelassenen Praxis

Zusammenfassung:Die Unfallversicherungsträger praktizieren inzwischen fast alle ein gutes Reha-Management das hilft, den Reha-Prozess zielgerichtet und planend zu steuern, so dass im Prinzip die Rehabilitation von Unfallverletzten optimal laufen sollte. Dennoch wäre es vermessen zu behaupten, dass es nicht trotzdem Fälle gibt, die einen suboptimalen Verlauf nehmen. An-hand eines solchen Falles werden typische Fallstricke im Heilverfahren aufgezeigt, sowohl auf Seiten der BG, als auch aus der Sicht des niedergelassenen D-Arztes. Vorgestellt wird eine Schnittverletzung am Kleinfinger mit Beugesehnenverletzung. Nach anfänglich optima-ler Behandlung, entgleist das Heilverfahren zunehmend. Der Verletzte entgleitet der eng-maschigen Durchgangsärztlichen Betreuung und der Steuerung des Heilverfahrens durch die BG, mit der Folge einer 14-monatigen Behandlungsdauer. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden analysiert und vorgestellt.

Schlüsselwörter:Reha-Management, Reha-Steuerung, Probleme im Heilverfahren, Heilverfahrenssteuerung, Rehabilitation, Beratungsfacharzt.

Summary:Today, almost all accident insurers practice good rehabilitation management. Since this helps in planning and guiding the rehabilitation process to the desired outcome, reha- bilitation for the victims of injuries should, in principle, be ideal. Nevertheless, it would be presumptuous to claim that there are no cases that follow a “suboptimum” course. Just one such case is used to illustrate the typical stumbling blocks in the treatment process, for both mutual indemnity associations [BG] and from the point of view of office-based accident insurance consultants [D-Arzt]. The paper presents a laceration of a little finger with injury of the flexor tendons. Although initial treatment could not be faulted, the treatment process became increasingly derailed. The patient slipped through the closely woven net of accident

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

insurance consultant treatment and supervision of the treatment process by the BG. This resulted in treatment lasting 14 months. The resulting consequences are presented and analysed.

Key words:Rehabilitation management, rehabilitation supervision, problems in the treatment process, supervising the treatment process, rehabilitation, consultant

Trotz bestehender Verfahrensrichtlinien im Reha-Management der Berufsgenossenschaf-ten und Vorgaben in der bg-lichen Heilbehandlung durch D-Ärzte und Kliniken kommt es immer wieder zur Entgleisung von Heilverfahren. Die Folge sind nicht selten überlange Behandlungszeiten und ausufernde Behandlungskosten, ebenso wie unbefriedigende Behandlungsergebnisse. Am Beispiel einer Schnittverletzung am Kleinfinger mit Sehnenverletzung (Fleischerver-letzung) wird ein solcher Behandlungsverlauf dargestellt und analysiert. Es handelt sich um einen 27-jährigen Verletzten, beschäftigt als Zerleger im Akkord in einem Schlachthof. Nach Erstversorgung durch einen H-Arzt erfolgen die umgehende Vorstellung des Verletz-ten in einer Klinik der Maximalversorgung und die dortige operative Versorgung noch am Unfalltag unter stationären Bedingungen. Nach Entlassung aus der Klinik erfolgt die Vor-stellung beim niedergelassenen D-Arzt. Danach beginnt das Heilverfahren zunehmend zu entgleisen. Nach einmaliger Vorstellung beim D-Arzt am Entlassungstag aus der stationären Behandlung, stellt sich der UV erst wieder nach 3 Wochen in der Klinik vor. Eine Behand-lung oder Nachschau hatte in dieser Zeit nicht stattgefunden. Nach Kontrolle, Feststellung der unbefriedigenden Funktion und nochmaliger Anleitung des Unfallverletzten wird dieser wieder zum D-Arzt verwiesen, wo er wiederum nicht vorstellig wird. Im Verlauf entwickelt sich eine zunehmende Kontraktur des Fingers, die zunächst physiotherapeutisch und dann operativ durch eine Arthrolyse und Tenolyse therapiert wird. Auch der weitere Verlauf ist unbefriedigend, es entwickelt sich erneut eine Kontraktur, die schließlich eine Arthrodese erforderlich macht. Ungeachtet der durchaus problematischen Verletzung, hätte sich an mehreren Punkten des Heilverfahrens die Möglichkeit zur Intervention ergeben, sowohl durch die Klinik und den D-Arzt, als auch durch die BG. Die Behandlung hätte hierdurch sicherlich abgekürzt werden können.

Nach Analyse des Falles können folgende Anregungen gegeben werden:

Für den D-Arzt:• Besondere Berücksichtigung von patientenspezifischen Besonderheiten bzw. Auffällig-

keiten (Compliance, Motivation, Sprachprobleme)• Frühzeitige, ggf. engmaschige Berichterstattung an die BG• Die Verletzten nicht sich selbst überlassen • Ggf. telefonische Kontaktaufnahme mit BG und mitbehandelnder Klinik• Tätigkeitsprofil von der BG einfordern zur Sicherstellung einer zielgerichteten, arbeits-

platzorientierten Rehabilitation

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

• Enge Führung des UV, unter Umständen auch mit Einbestellung auf Initiative des D-Arztes und engmaschiger Terminvergabe

Für die BG:• Alarmzeichen (wie z.B. Motivationslage des Verletzten, Sprachprobleme, Komplikationen,

sonstige Faktoren, die Einfluss auf die Reha haben könnten) müssen erkannt und ernst genommen werden, der Fall ist ggf. frühzeitig in die intensive Betreuung durch das Reha-Management zu übernehmen

• Der Beratungsfacharzt ist frühzeitig einzubinden – im Sinne einer Zweitmeinung zur fallbezogenen Reha-Planung, zur Prognose bzgl. des Reha-Verlaufs und ggf. auch zur Diagnosesicherung

• Die Verletzten dürfen nicht sich selbst überlassen werden, sie müssen für ihre eigenen Reha-Ziele begeistert werden

• Es bedarf einer frühzeitigen telefonischen bzw. persönlichen Kontaktaufnahme mit allen Beteiligten, insbesondere mit den Verletzten, den Ärzten und dem Arbeitgeber

• Es muss ein aussagekräftiges Tätigkeitsprofil erhoben und an die Behandler gegeben werden, wobei praktikable Lösungen in Form einer kurzen verbalen Beschreibung in Verbindung mit einer Fotodokumentation schwer nachvollziehbaren und bürokratischen Ankreuzbögen vorzuziehen sind

• Gefragt ist eine kreative Bearbeitung – kein „Schema-F“-Vorgehen• Die BG muss ihre Lotsenfunktion wahrnehmen – nach der Devise „Agieren statt reagieren“

Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Rehabilitation ist eine schnelle und unbürokratische Kommunikation zwischen allen am Reha-Prozess Beteiligten. Insbeson-dere die behandelnden Ärzte und die BG – einschließlich ihrer beratenden Ärzte – sollten sich als Partner im Reha-Verfahren verstehen, wobei die Verletzten bzw. deren berufliche und soziale Wiedereingliederung im Mittelpunkt allen Handelns stehen. Die BG muss in ihrer Lotsenfunktion die richtigen Weichen stellen, hierzu ist sie wiederum auf Informa-tionen durch die Behandler angewiesen - angefangen von einer exakten Erstdiagnose bis hin zu eventuellen Hemmnissen im Reha-Prozess. Wenn diese Zusammenarbeit funktio-niert, können wir auch in Zukunft zum Wohl unserer Versicherten dem besonderen BG-lichen Auftrag – der uns von den Krankenkassen unterscheidet – gerecht werden.

Kontakt:Rauch, ArminStv. Leiter der Abteilung RehabilitationFleischerei-BerufsgenossenschaftLortzingstraße 2, 55127 Mainz

Wendler, Christian, Dr. med.Arzt für Chirurgie/UnfallchirurgieEmil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

P. Hochstein/K. Schumacher

Typische Fallstricke im Rehabilitations-Management in der Akutklinik

ZusammenfassungRehabilitations-Management durch die Unfallversicherungsträger bedeutet begleiten, planen, überwachen und ggf. intervenieren, um ein möglichst optimales Ergebnis für die Versicherten zu erzielen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) sieht dies als ihre Verpflichtung gegenüber Versicherten und Mitgliedern an. Voraussetzung für Reha-Management ist eine schnelle und offene Kommunikation mit allen am Prozess Beteiligten. Probleme oder Mängel in der Kommunikation können in allen Phasen der Rehabilitation Fallstricke darstellen, die eine gute und zügige Rehabilitation verhindern. Einen Beitrag zu ihrer Überwindung zu leisten, ist Ziel dieses Beitrags.

SchlüsselwörterRehamanagement, offene Komunikaton, Fallstricke, Kontextfaktoren, Lotsenfunktion.

SummaryRehabilitation management by accident insurance companies means providing continuous support, arranging, supervising and – if necessary – intervening, in order to achieve the best possible outcome for the insured. The Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) regards this as their duty towards insured persons and their members. Rapid and open communication between all those involved in the process is an essential requirement for Reha management. Problems or deficiencies in communication can cause pitfalls in all phases of rehabilitation and prevent effective and speedy rehabilitation. This purpose of this paper is to suggest ways by which they may be overcome.

Key wordsReha management, open communication, pitfalls, context factors, guiding function.

Warum Rehamanagement?

Die Beschäftigung mit typischen Fallstricken im Reha-Management bedeutet in ihrer Kon-sequenz nichts anderes als Qualitätssicherung. Wir wollen unserer Verpflichtung und unse-rem Anspruch nachkommen, die Rehabilitation unserer Versicherten mit allen geeigneten Mitteln sicher zu stellen. Diese Haltung der Berufsgenossenschaften führte schon früher zu den bekannten und überaus bewährten Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren. Wir

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

haben ein großes Interesse daran, die Qualität der in unserem Auftrag erfolgten medizini-schen Behandlung zu sichern. Dabei agieren wir in dem qualitativ guten System der berufs-genossenschaftlichen Heilverfahren und haben es daher nur mit einer geringen Zahl von problematischen Heilverläufen zu tun.

Die Folgen einer qualitativ schlechten Rehabilitation sind gravierend: Menschliches Leid bis hin zur Invalidität, sozialer Abstieg und hohe Folgekosten für das soziale Sicherungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung.

Sie sollen exemplarisch am Beispiel eines 22-jährigen Handwerkers mit einer schlecht versorgten Sprunggelenksfraktur dargestellt werden.

Die Versorgung der bimalleolären Luxationsfraktur (Fallbeispiel 1) erfolgte in einem Haus der Maximalversorgung. Das Ausmaß der Verletzung wurde verkannt, die operative Stabi-lisierung war unzureichend. Es resultierte ein Versagen der Osteosynthese mit Zerstörung des Sprunggelenkes. Somit musste eine, bei sachgerechter primärer operativer Versorgung wahrscheinlich vermeidbare, Sprunggelenksversteifung erfolgen. Dies hat gravierende Folgen:• Verlust eines sicheren und bewusst gewählten Berufes• Vermeidbare erhebliche Einschränkungen der Gesundheit

Fallbeispiel 1:

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

• Umschulung in einen nicht geliebten Beruf• Zusätzliche Behandlungskosten: 20.000,– Euro• Umschulungskosten: bis zu 100.000,– Euro• MdE 20% auf Dauer: ca. 100.000,– Euro• Eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer

Derart gravierende Auswirkungen mangelnder Qualität sind allerdings sehr selten. Es wäre auch vermessen zu behaupten, dass unerwünschte Unfallfolgen in allen Fällen vermeidbar sind. Es gibt schicksalhafte Verläufe, die auch unter optimalen Bedingungen nicht verhin-dert werden können. Es gibt allerdings, wie retrospektive Analysen der Unfallversicherungs-träger gezeigt haben, eine nicht geringe Zahl von Behandlungs-abläufen, bei denen man davon ausgehen muss, dass die Chance für ein besseres Outcome versäumt wurde. Auf diese Erkenntnisse hat die VBG vor etwa 8 Jahren mit der Entwicklung und Implementierung von Rehabilitations-Management reagiert.

Der Reha-Manager als Steuermann, besser Lotse, soll für seine Versicherten den besten Weg zur Wiederherstellung sicherstellen. Erkennbare Probleme aufdecken, soweit wie möglich beseitigen und damit Fallstricke im Rehabilitationsprozess eliminieren.

Die Methode „Reha-Management“ hat sich mittlerweile am Markt durchgesetzt. Ihre posi-tiven Effekte sind wissenschaftlich belegt. Es gibt keine ernst zu nehmenden Stimmen, die ihre Sinnhaftigkeit bestreiten.

Fallauswahl

Bei der Vielzahl der gemeldeten Unfälle ist es nicht notwendig sie dem Reha-Management zuzuführen. In der Regel sind es die mittelschweren und schweren Verletzungen, die eines Reha-Managements bedürfen.

Die primäre Auswahl der Fälle für das Reha-Management kann, mangels anderweitiger Informationen nur über die Diagnose erfolgen! Bei der VBG erfolgt – wie bei den meisten anderen Berufsgenossenschaften auch – die Kategorisierung der Fälle diagnosebezogen. Über die im System hinterlegten ICD 10 Schlüssel werden die Fälle nach Steuerungstabel-len, in drei Bearbeitungskategorien selektiert. Leichtfälle, mittelschwere Fälle des Fall-Managements und Fälle das Reha-Managments. Dem entsprechen die prognostizierten Behandlungs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten, aber auch die erwarteten Kostenrahmen und die Bearbeitungsintensität.

Ein wesentlicher Grund für die Einführung des Reha-Managements war die mangelhafte Verzahnung der verschiedenen Rehabilitationsphasen. Verschiedentlich wurde von soge-nannten Reha-Löchern gesprochen. Der Grund für diese Problematik war und ist mangelnde Kommunikation zwischen den am Reha-Prozess Beteiligten. Folgerichtig wurde die VBG-Methode dialogisches Reha-Management genannt. Die mangelnde Kommunikation ist auch

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

aus heutiger Sicht immer noch der Fallstrick Nummer 1 für das Reha-Management. Wir wollen dies im Folgenden anhand von Fällen aus der Praxis verdeutlichen.

Fallstricke in der Akutphase

Die ersten potenziellen Fallstricke lauern in der Phase der Primärdiagnostik und Akutbe-handlung. Hier beginnt meist schon das Dilemma, weil Basisdaten verspätet, unzureichend, fehlerhaft oder gar nicht übermittelt werden. Wenn keine valide Diagnose gestellt und übermittelt wird, setzt sich dieser Fehler in der weiteren Fallsteuerung unweigerlich fort. Der zum Reha-Management als Leitfaden für den „Lotsen“ unterlegte Behandlungskorridor sowie alle Prognoseparameter sind von diesem Basisfehler behaftet.

Dies würde keine Bedeutung haben, wenn das Heilverfahren optimal laufen würde, was jedoch leider nicht immer der Fall ist. Zum Abschluss der Akutbehandlung finden wir häufig eine Lücke in der Einleitung sinnvoller und notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen Re-zepte werden ausgestellt, Beginn und Intensität der Behandlung jedoch nicht durch Abspra-che mit den Partnern sichergestellt. Auch im Bereich begleitender Maßnahmen erfolgt eine unzureichende Kommunikation, so werden erkannte Probleme im sozialen Bereich häufig nicht zeitgerecht mitgeteilt, der Unfallversicherungsträger kann nicht eingreifen, wie es seine Aufgabe wäre.

Wir wollen dies an folgendem Beispielsfall verdeutlichen.

Der Versicherte ist Leiharbeitnehmer, 42 Jahre alt. Er erlitt am 05.03.2008 einen Arbeits-unfall. Hierbei zog er sich eine Tibiakopftrümmerfraktur zu. Er wurde in einem zum Ver-letzungsartenverfahren (VAV) -zugelassenen Haus versorgt. Die erste Kenntnis über das Ereignis erhielten wir am 09.04.2008 durch einen H-Arztbericht aus der ambulanten Weiter-behandlung. Am 15.04.08 erhielten wir vom erstbehandelnden Haus sowohl die Aufnahme-mitteilung und den Kostenübernahmeantrag vom 05.03.08, als auch die Entlassungsmittei-lung vom 11.04.08. Bis zu diesem Zeitpunkt lag kein D-Bericht vor.

Ein hier sicherlich sinnvolles Reha-Management als Unterstützung der ärztlichen Behand-lung konnte daher aufgrund fehlender Informationen nicht zeitnah durchgeführt werden. Erst am 25.04.08 erhielten wir einen Zwischenbericht datiert vom 21.04.08, dieser bezog sich aber auf die zwischenzeitlich erfolgte erneute stationäre Aufnahme vom 17.04.08, nicht aber auf die Entlassung vom 03.04.08. Es wurde von einer Wundheilungsstörung nach Tibiakopf-trümmerfraktur berichtet. Als Nebendiagnose wurde im Wortlaut „C2H5OH-Abusus“ ange-geben: „Der Patient weise Verwahrlosungstendenzen auf“.

Der Versicherte wurde von der VBG nach Überprüfung der problematischen häuslichen Voraussetzungen (alleinstehend, keine Betreuung) am 09.05. zur Vermeidung weiterer Komplikationen in einer stationären Rehabilitationseinrichtung untergebracht. Wobei klar ist, dass die stationäre Maßnahme nur den negativen Begleitumständen geschuldet ist.

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

Bei rechtzeitiger und vollständiger Kenntnis der besonderen Umstände dieses Falles wäre viel schneller auf die bereits bei der ersten stationären Behandlung im Akutkrankenhaus bekannten, negativen sozialen Begleitumstände reagiert worden. Diese Kontextfaktoren sind im Rahmen eines Reha-Managements von enormer Bedeutung und müssen kommuni-ziert werden.

Unsere Reha-Manager entwickeln erfahrungsbasiert ein Gespür für solche und ähnliche Fallstricke. Wenn in Berichten Nebenbemerkungen, wie im o.g. Fall auftauchen, werden sie umgehend tätig. Dies betrifft allerdings durchaus auch medizinische Aspekte. Erfolgt keine exakte Beschreibung des Frakturstandes, sondern Umschreibungen wie befriedigende Bruchstellung oder reizlos einliegendes Osteosynthesematerial, so führt dies in vielen Fällen zur Anforderung von Röntgenbildern.

Drei Beispiele (Bilder 1, 2 und 3) sicherlich höchst problematischer Verletzungsfolgen wur-den in der Berichterstattung mit den o.g. Beschreibungen verniedlicht.

In diesem Zusammenhang ist es auch äußerst interessant, wenn man Beschreibung und Bewertung von Röntgenbildern während der Behandlung mit denen am Ende im Renten-feststellungsverfahren gutachterlich erhobenen Beschreibungen und Bewertungen ver-gleicht. Eine korrekte Berichterstattung ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit unerlässli-che Voraussetzung.

Hauptgrund für scheinbar verzögerte Rehabilitationsverläufe ist die tatsächliche – nicht kommunizierte – Schwere der Verletzung gefolgt von Komplikationen. Die Kenntnis dieser beiden Faktoren führt zu einer zutreffenden Bewertung der Möglichkeiten unseres Reha-Managements und nicht zu Konflikten mit den behandelnden Ärzten. Die Unkenntnis über Verletzungsschwere oder Komplikationen hingegen erzeugt Zweifel, verursacht überflüs-sige Nachfragen und damit sowohl bei der VBG als auch bei den Ärzten vermeidbare Auf-wände.

Bild 1: pertrochantäre Oberschenkelfraktur – in erheblicher Fehlstellung fixiert

Bild 2: Fraktur der Hüftpfanne: Osteosynthese hält Fraktur auf Distanz

Bild 3: Tabiakopffrakrur: Die Fraktur wird in erheblicher Impression der Gelenkfläche fixiert

Bild 1 Bild 2 Bild 3

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

Reha-Management soll Defizite bei Behandlungen und Therapie ausgleichen, wenn sie auszugleichen sind. Hierbei handelt es sich ganz überwiegend nicht um ärztliches Versagen, sondern um Verkettungen vielschichtiger Faktoren. Reha-Management muss die für den Rehabilitationserfolg oftmals entscheidenden, nicht-medizinischen Kontextfaktoren und berücksichtigen. Unsere Reha-Manager wissen, dass Arbeitsplatzverlust, Probleme im familiären Bereich oder am Arbeitsplatz, fehlende Motivation, Suchtproblematiken und zahlreiche andere Faktoren zur Verlängerung der medizinischen Behandlung führen können. Weitere Faktoren können regional sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Begleit- und Nachbehandlung sein. Nachvollziehbar und steuerbar werden diese Prozesse jedoch erst, wenn man die hindernden Faktoren kennt und gezielt an ihnen arbeiten kann. Auch das ist integraler Bestandteil unseres Reha-Managements.

Fallstrickzone zwei

Die zweite potentiell problematische Phase entwickelt sich aus unserer Sicht im Verlauf des ambulanten Heilverfahrens.

Problemlos sind Fälle, in denen die medizinische Rehabilitation „zeitgerecht“ in die Arbeits-fähigkeit mündet. Sie weisen in der Aufarbeitung der Verläufe fast immer einen konsequen-ten Einsatz notwendiger Behandlungsmaßnahmen, eine gute Motivation der Betroffenen und die Abwesenheit von „Störfaktoren“ auf.

Andererseits belegen Analysen von Fehlverläufen, dass in diesen Fällen die medizinische Rehabilitation teilweise ohne Konzept erfolgte oder durch die Betroffenen selbst nicht konsequent betrieben wurde. Verläufe mit ein bis zweimal wöchentlicher Krankengymnas-tik oder immer wieder auftretenden Lücken sind permanent Gründe für eine verzögerte Wiedereingliederung.

Ein weiteres Problem zeigt sich in dieser Phase auch in der fehlenden Begrenzung des eigentlichen medizinischen Heilverfahrens. Es kommt, zeitlich häufig mit dem Auftreten sozialer Co-Faktoren verknüpft, zum Fortbestehen erheblicher Beschwerden, obwohl diese mit dem objektivierbaren medizinischen Befund nicht sicher korreliert werden können.

Dieser Fallstrick lässt sich sehr anschaulich an einem weiteren Beispiel (Fallbeispiel 2) verdeutlichen.

Eine 23 Jahre alte Bankangestellte erleidet bei einem Verkehrsunfall ein Thoraxtrauma sowie eine Becken- und Tibiafraktur. Operativ konnte ein optimales Ergebnis erreicht wer-den. Auch in der anschließenden BGSW Behandlung gab es die erwarteten Fortschritte. Trotz zeitgerechter anatomischer Knochenbruchheilung kam es zu Beginn der Arbeits- und Belas-tungserprobung zu erheblichen Beschwerden mit Abbruch der Belastungserprobung. Auf die sicherlich auch von dem Behandler wahrgenommene Divergenz zwischen Befund und

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

Beschwerdebild wurde nicht hingewiesen. Statt dessen wurden weitere Heilbehandlungs-maßnahnen eingeleitet, die jedoch sämtlich erfolglos waren. Die sicherlich relevanten Kontextfaktoren einer sozialen Umfeldproblematik fanden so erst zu einem recht späten Zeitpunkt die erforderliche Beachtung.

Fallstrickzone drei

Probleme durch schlechte Kommunikation drohen auch am Ende des medizinischen Heil-verfahrens.

Hier zeigt die Erfahrung, dass nicht selten soziale Umfeldprobleme medizinisch abgefedert werden, obwohl medizinisch ein Endzustand bereits längerfristig vorliegt. Ging im Laufe der Behandlung der Arbeitsplatz verloren, so dauert die Behandlung ebenso wie die Arbeits-unfähigkeit erfahrungsgemäß erheblich länger, als in Fällen, in denen die Berufstätigkeit wieder aufgenommen werden konnte.

In vielen Fällen besteht bei den behandelnden Ärzten Unklarheit über die Arbeitsbean-spruchung. Dies gilt sowohl für die konkreten Umstände der meist körperlichen Arbeits-beanspruchung als auch hinsichtlich der täglichen Arbeitsdauer. Wir erleben es regel-mäßig, dass bei geringfügig Beschäftigten (Tätigkeiten im 400,– Euro-Bereich), mit einer täglichen Arbeitszeit von oftmals nur zwei bis drei Stunden, von Seiten der behan-delnden Ärzte eine Arbeits- und Belastungs-erprobung zur Wiedereingliederung vorge-schlagen wird.

Ergeben sich aus medizinischer Sicht Probleme, die eine Arbeitsintegration be-

Fallbeispiel 2:

Fallbeispiel 2:

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

einträchtigen können, so ist die Kommunikation mit dem Reha-Manager und ein gemein- sames abgestimmtes Vorgehen wichtig. Es ist aber keineswegs so, dass die fehlende Kenn- tnis der Arbeitsbeanspruchung immer zu einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit führen würde, auch Gegenteiliges ist möglich, wie dies ein weiteres Beispiel veranschaulicht (Fall-beispiel 3).

Als Beispiel für diese Problematik kann die Verletzung eines ausgebildeten Hufschmiedes gelten, der im Metallbau als Leiharbeitsnehmer tätig ist.

Er zieht sich eine komplexe Zeigefingerverletzung zu, die im Sinne einer Grenzzonen- amputation im Grundglied behandelt wurde. Nach 3 Monaten wird von Seiten des behan-delnden Arztes Arbeitsfähigkeit festgestellt. Der Versicherte sieht sich jedoch noch nicht in der Lage dazu, die Tätigkeit wieder aufzunehmen und wendet sich an seine Berufsgenos-senschaft. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich eine Amputation im Grundglied des Zeigefingers mit einer sehr knappen Hautbedeckung. Die Einsatzfähigkeit der Hand ist reduziert. Wäre der Versicherte außerhalb des Handwerksbereiches tätig, so wäre eine Arbeitsfähigkeit plausibel und nachvollziehbar. Im konkreten Fall ist jedoch ein Wiederein-satz in einer Tätigkeit, in der der Betroffene mit Hammer und Schlaggeräten arbeiten muss, nicht möglich. Eine Analyse des bisherigen Heilverfahrens ergab, dass lediglich Kranken-gymnastik verordnet wurde, aber keine hier sicherlich sinnvolle Ergotherapie.

Im Rahmen des Reha-Managements wurde eine ergotherapeutische Behandlung einge-leitet, nach 3 Wochen erreichte der Verletzte eine deutliche Besserung der Handfunktion bei anhaltender Stumpfempfindlichkeit. Mit dem Versicherten wurde eine auf 3 Wochen terminierte Arbeits- und Belastungserprobung zur Klärung der Belastbarkeit vereinbart. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass wegen der problematischen Stumpfdeckung eine kraftvolle Handarbeit nicht möglich wurde. Der Betroffene entschloss sich nach Beratung zu einer Nachamputation im Sinne einer Handverschmälerung.

Notwendige Veränderungen in der Kommunikation

Die Notwendigkeit einer veränderten Kommunikation folgt aus der eingangs beschriebenen Veränderung im berufsgenossenschaftlichen Umfeld.

Hatten wir früher das Modell des bg-lichen Heilverfahrens, mit dem D-Arzt im Zentrum und dem Sachbearbeiter eher im Hintergrund, so bringen sich viele Berufsgenossenschaften nunmehr stärker als früher in das Heilverfahren ein. Der Reha-Manager wird als Partner und Vermittler tätig und steht dem Versicherten und dem D-Arzt zur Seite. Das Reha-Ma-nagement kann nur auf gegenseitige Akzeptanz und Verständnis für die jeweiligen Kom-petenzen und Aufgaben basieren. Wir halten es für erforderlich um das gemeinsame Ziel einer bestmöglichen Rehabilitation für unsere Versicherten zu erreichen. Das moderne Reha-Management benötigt eine schnelle und offene Kommunikation als Grundvoraus-setzung effektiver Zusammenarbeit im Interesse unserer Versicherten.

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UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management

Wagt man einen Ausblick, so rückt das Reha-Management durch die Konzentrierung der Berufsgenossenschaften auf wenige große Träger mit flächendeckenden Bezirksverwaltun-gen räumlich stärker in die Nähe des Versicherten und somit auch näher an die Leistungs-erbringer heran. Es wird sich in Zukunft weiterentwickeln zu einem Rehabilitations-Netz-werk mit der Zielsetzung einer bestmöglichen Wiederherstellung als Ergebnis eines effekti-ven Teamworks.

Kontakt

Hochstein, Paul, Dr. med.Beratender Arzt der Verwaltungs-BerufsgenossenschaftIsaac-Fulda-Allee 3, 55124 Mainz

Schumacher, Kay, Ass. jur.Leiter der BezirksverwaltungVerwaltungs-BerufsgenossenschaftIsaac-Fulda-Allee 3, 55124 Mainz

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Schlusswort

Schlusswort

Prof. Dr. Reinhard Hoffmann

Ich möchte für Sie die Tagung nochmal ganz kurz Revue passieren lassen und schlagwort-artig zusammenfassen.

Zunächst die Sitzung gestern zum Thoraxtrauma. Was nehmen wir mit? Nicht erst warten bis sich Probleme einstellen, sondern sehr früh bei Polytrauma und Lungenkontusion das RotoRest-Bett® direkt initial einsetzen. Rippenosteosynthesen sind out, es sei denn, sie sind extrem verschoben. Die Thorakoskopie hat einen zunehmenden Stellenwert beim schweren Thoraxtrauma insbesondere zur Hämatomentlastung. Die großen Gefäßverletzun-gen können heute sehr gut mit Stents minimal invasiv versorgt werden. Bei der Bildgebung ist das konventionelle Röntgenbild immer noch das A und O. Wir haben ja leider immer mehr Patienten, die gar nicht mehr geröntgt wurden, sondern bei denen direkt ein Kernspin gemacht wurde. Das ist nicht akzeptabel. Die Sonographie hat ihren Stellenwert in der Praxis, aber auch in der Klinik und vor allen Dingen zunehmend in der Notfallmedizin. CTs sind wichtig für die Rekonstruktion und für die präoperative Planung, zunehmend gerade im Gelenkbereich. Beim MRT muss man noch sehen, welchen Stellenwert die drei Teslaspulen haben. Das offene MRT ist auch auf dem Vormarsch. Bei den Gutachten haben wir gesehen, dass Entscheidungskriterien für die Kausalität wichtig sind. Wir haben auch gelernt, dass isolierte, traumatische Meniskusverletzungen offensichtlich doch vorkommen können, wenn auch sehr, sehr selten. Bei der Wundsitzung haben wir gesehen, dass die Klinik nach wie vor führend ist. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, wird aber leider oft vernachläs-sigt. Ein rasches, kompromissloses und konsequentes Handeln ist erforderlich. Wir haben über den Biofilm gehört, wir haben gesehen, dass man bereits nach drei oder spätestens vier Wochen von einem Spätinfekt spricht und dass diese schwierigen und komplizierten Verläufe dann möglichst in einem septischen Zentrum behandelt werden sollen. Heute in der Ellenbogengelenksitzung haben wir gesehen, dass der Bewegungsfixateur durchaus bei einigen Indikationen eine Rolle spielt, die meisten Luxationen aber konservativ funktionell gut zur Ausheilung kommen. Wir haben gesehen, dass die winkelstabilen Platten für Im-plantate auf dem Vormarsch sind und viele Probleme lösen können, aber dass wir durchaus mit der Endoprothese noch eine Alternative haben. Die letzte Sitzung war am heftigsten diskutiert. Im Reha-Management hat die Kommunikation große Bedeutung. Alle Beteiligten müssen sich um den Patienten kümmern. Kosten müssen reduziert werden. Es handelt sich nicht nur um einen Fall, sondern immer auch um ein persönliches Schicksal.

Ich darf mich bei allen recht herzlich bedanken, insbesondere auch im Namen von Prof. Kirschner beim Landesverband und Herrn Wirthl und die ganze Organisation. Alles hat aus meiner Sicht perfekt gepasst, auch das neue Bühnenbild. Ich glaube das ist mal einen Son-derapplaus wert. Dann natürlich Dank an alle Referenten und Vorsitzenden, an die Ausstel-ler, die eine solche Veranstaltungen ja immer erst möglich machen, und natürlich an Sie als Auditorium für die guten und kritischen Beiträge.

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Die gesetzliche Unfallversicherung – wer wir sind.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen, spätestens in zwei Jahren oder bei anderen Veranstal-tungen natürlich auch sehr gerne, und würde Sie nochmal bitten, die Formulare auszufüllen und entsprechend abzugeben. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt.

Vielen Dank.

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Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden

Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden

Blum, Jochen, Prof. Dr. med.Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieChirurgische Klinik II, Klinikum Worms gGmbH Gabriel-von-Seidl-Straße 81, 67550 Worms

Braunschweig, Rainer, Dr. med.Direktor der Klinik für bildgebende Diagnostik und InterventionsradiologieBerufsgenossenschaftliche Kliniken BergmannstrostMerseburger Straße 165, 06112 Halle/Saale

Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.Ärztlicher Direktor MediClin Herzzentrum Lahr/BadenChefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und GefäßchirurgieHohbergweg 2, 77933 Lahr

Erlinghagen, Norbert, Ass. jur.Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaftund der Steinbruchs-BerufsgenossenschaftPeter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn

Gerlach, Ulf Joachim, Dr. med.Leitender Arzt Septische Knochen- und Weichteilchirurgie,Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus, Bergedorfer Straße 10, 21033 Hamburg

Hedtmann, Achim, Priv. Doz. Dr. med.Klinik Fleetinsel Hamburg GmbH & Co KGAdmiralitätsstraße 4, 20459 Hamburg

Heppert, Volkmar, Dr. med.Chefarzt der Abteilung für Septische Chirurgie - Knochen-, Gelenk-und ProtheseninfektionenBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik LudwigshafenLudwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen

Hermichen, Honke Georg, Dr. med.Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie/Orthopädische ChirurgieStädtische Kliniken Neuss, Lukaskrankenhaus GmbHPreußenstraße 84, 41464 NeussStv. Geschäftsführendes Mitglied bei der Gutachterkommissionfür ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer NordrheinTersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf

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Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden

Hochstein, Paul, Dr. med.Beratender Arzt der Verwaltungs-BerufsgenossenschaftIsaac-Fulda-Allee 3, 55124 Mainz

Hoffmann, Reinhard, Prof. Dr. med.Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik FrankfurtFriedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische ChirurgieKlinikum Offenbach GmbHStarkenburgring 66, 63069 Offenbach

Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. Dr. med.Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kliniken BergmannstrostMerseburger Straße 165, 06112 HalleDirektor der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum der Friedrich-Schiller-UniversitätErlanger Allee 101, 07747 Jena

Jäger, Alwin, Dr. med.Chefarzt der Abteilung für Sportorthopädie, Knie- und SchulterchirurgieBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik FrankfurtFriedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.

Kirschner, Peter, Prof. Dr. med.Beratender ArztLandesverband Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Mainz

Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieKlinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.

Müller, Lars Peter, Priv. Doz. Dr. med.Oberarzt der Klinik und Poliklinik für UnfallchirurgieKlinikum der Johannes Gutenberg-UniversitätLangenbeckstraße 1, 55131 Mainz

Platz, Albert R., Dr. jur.LandesdirektorLandesverband Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Mainz

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Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden

Rauch, ArminStv. Leiter der Abteilung RehabilitationFleischerei-BerufsgenossenschaftLortzingstraße 2, 55127 Mainz

Rilinger, Norbert, Prof. Dr. med.Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle RadiologieBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik FrankfurtFriedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.Ärztlicher Direktor der Klinikum Offenbach GmbHChefarzt des Zentralinstituts für RadiologieStarkenburgring 66, 63069 Offenbach am Main

Rommens, Pol M. Prof. Dr. med. Dr. h.c.Direktor der Klinik und Poliklinik für UnfallchirurgieKlinikum der Johannes Gutenberg-UniversitätLangenbeckstraße 1, 55131 Mainz

Ruchholtz, Steffen, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungs- chirurgieUniversitätsklinikum Gießen und Marburg GmbHBaldinger Straße, 35043 Marburg

Schirren, Carl Joachim, Priv.-Doz. Dr. med.Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie der Kerckhoff-KlinikBenekestraße 2 bis 8, 61231 Bad Nauheim

Schnettler, Reinhard, Prof. Dr. Dr. med.Direktor der Klinik und Poliklinik für UnfallchirurgieUniversitätsklinikum Gießen und Marburg GmbHKlinikum der Justus-Liebig-UniversitätRudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen

Schumacher, Kay, Ass. jur.Leiter der BezirksverwaltungVerwaltungs-BerufsgenossenschaftIsaac-Fulda-Allee 3, 55124 Mainz

Studier-Fischer, Stefan, Dr. med.Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und OrthopädieBerufsgenossenschaftlichen Unfallklinik LudwigshafenLudwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen

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Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden

Vogl, Thomas J., Prof. Dr. med.Zentrum der RadiologieDirektor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle RadiologieKlinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt

Walter, Gerhard, Dr. med.Chefarzt der Abteilung Septische ChirurgieBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik FrankfurtFriedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.

Weise, Kuno, Prof. Dr. med.Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik TübingenSchnarrenbergstraße 95, 72076 Tübingen

Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Orthopädische ChirurgieHSK Dr. Horst Schmidt KlinikLudwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden

Wendler, Christian, Dr. med.Arzt für Chirurgie/UnfallchirurgieEmil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim

Wentzensen, Andreas, Prof. Dr. med.Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik LudwigshafenLudwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen

Winker, Karl Heinrich, Prof. Dr. med.Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieHELIOS Klinikum Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt

Winkler, Hartmut, Priv. Doz. Dr. med.Chefarzt der Klinik für Unfall- und WiederherstellungschirurgieWestpfalz-Klinikum GmbHHellmut-Hartert-Straße 1, 67655 Kaiserslautern