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Jörg Ramseger · Christa Preissing · Ludger Pesch Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule Gestaltungsprinzipien, Aufgabenfelder und Entwicklungsziele verlag das netz

Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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Page 1: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Jörg Ramseger · Christa Preissing · Ludger Pesch

Berliner Bildungsprogramm für die

offene Ganztagsgrundschule

Gestaltungsprinzipien, Aufgabenfelder

und Entwicklungsziele

verlag das netz

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Jörg Ramseger · Christa Preissing · Ludger PeschBerliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Gestaltungsprinzipien, Aufgabenfelder und Entwicklungsziele

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Jörg Ramseger · Christa Preissing · Ludger Pesch

Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Gestaltungsprinzipien, Aufgabenfelder und Entwicklungsziele

mit Reportagen von Barbara Leitner

Herausgegeben von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin, der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin und

dem Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS)

verlag das netzWeimar · Berlin

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Autoren:Jörg Ramseger, Christa Preissing, Ludger Pesch

Reportagen:Barbara Leitner

Auftraggeber:Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung BerlinLIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtsplege BerlinDachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS)

Mitglieder des Beirates:Dagmar Wilde, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung BerlinRainer Maikowski, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung BerlinMichaela Neuse-Pohl, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und For schung Berlin, Außenstelle Charlotten-burg-WilmersdorfChristiane Dietrich, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin, Außenstelle Spandau Mascha Kleinschmidt-Bräutigam, Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)Mechthild Pieler, Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)Elvira Kriebel, Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Landesverband Berlin e.V.Maria Lingens, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin e.V.Norbert Bender, Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V.Roland Kern, Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V.Annette Hautumm, Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg Doris Lerner, Maria-Montessori-GrundschuleKarin Babbe, Erika-Mann-Grundschule Roland Hagelstange, Sonnenblumen-GrundschuleBrigitte Gerhold, Pestalozzi-Fröbel-HausBarbara Tennstedt, FIPP e.V.Uwe Moldenhauer, Kooperationsverbund Hortbetreuung Halensee e.V.

ISBN 978-3-86892-027-7

Alle Rechte vorbehalten© 2009 verlag das netz, Weimar, Berlin Das Werk und alle seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheber-rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Gestaltung: Jens Klennert, Tania MiguezTitelbild: Gerhard MedochFotos: Erika-Mann-Grundschule Berlin, Wilhelm Holthus, Karin BabbeDruck und Bindung: Druckhaus Gera GmbHPrinted in Germany

Weitere Informationen finden Sie unter www.verlagdasnetz.de

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Vorwort der Auftraggeber

Teil A: Bildungsprogramm

Einleitung

Bildungsauftrag und Bildungsverständnis der offenen GanztagsgrundschuleGesellschaftliche GrundannahmenPädagogische GrundannahmenZum Bildungsverständnis der offenen GanztagsgrundschuleBildungsbereiche und Bildungsziele

Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen in der offenen GanztagsgrundschuleDen Schulalltag gemeinsam mit Kindern und Eltern gestaltenFormelle, informelle und halbformelle Bildungssituationen aufeinander abstimmenRelevante Themen in Projekten interdisziplinär bearbeitenSchulaufgaben als Beitrag zur Selbstständigkeitsförderung der Kinder organisierenKinder mit besonderem Förderbedarf integrierenRäume gestalten und Material bereitstellenDie offene Ganztagsgrundschule als gesunde Schule gestaltenDen Umgang mit der Zeit gestalten – Schule und Unterricht rhythmisierenAufsicht als Erziehung zur Selbstständigkeit praktizieren

Kooperationen gestaltenWidersprüche und Stolpersteine der ZusammenarbeitBedingungen für eine gelingende KooperationKonkretisierungen für die Entwicklung von KooperationKooperationsverträge mit Freien Trägern der Jugendhilfe

Zusammenarbeit mit ElternAufgaben für eine gelingende Zusammenarbeit mit ElternÜbergänge und Verbindungen zwischen Familie und offener Ganztagsschule schaffenEltern als Experten der Lebenssituation ihrer Kinder ernstnehmenDen Blick auf die Situation der Familie erweiternInteressensvertretung ermöglichen und fördernKompetenzen der Eltern erkennen und nutzenEhrenamtliche und institutionelle Angebote kombinieren

Qualitätsentwicklung planen, Schulkultur gestalten, Schulqualität sichernAufgabenfelderLeitideenInstrumente der QualitätsentwicklungEvaluation und QualitätssicherungEntwicklungsziele

Literatur

Inhaltsverzeichnis

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Teil B: Dokumente und Reportagen

Dokument 1 (zum Kapitel »Bildungsbereiche und Bildungsziele«): Gemeinsame Bildungsziele von Kindergarten und Grundschule in Form von Kompetenzbeschreibungen

Dokument 2 (zu den Kapiteln »Bildungsbereiche und Bildungsziele« und »Relevante Themen in Projekten interdisziplinär bearbeiten«): Den Ganztag sinnvoll nutzen – zum Beispiel für Medienprojekte

Dokument 3 (zum Kapitel »Kinder mit besonderem Förderbedarf integrieren«): Auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel

Dokument 4 (zum Kapitel »Räume gestalten und Material bereitstellen«): Lernwerkstätten an Ganztagsschulen – neue Impulse auf solidem Fundament

Dokument 5 (zum Kapitel »Den Umgang mit der Zeit gestalten«): Stichwort Rhythmisierung: die »90-Minuten-Freiheit«

Dokument 6 (zum Kapitel »Den Umgang mit der Zeit gestalten«): Ein Beispiel für Rhythmisierung

Dokument 7 (zum Kapitel »Den Umgang mit der Zeit gestalten«): Rhythmisierte Tagesplanung der Peter-Petersen-Schule, Neukölln

Dokument 8 (zum Kapitel »Den Umgang mit der Zeit gestalten«): Zeit für Teambesprechungen – ganz einfach organisiert

Dokument 9 (zum Kapitel »Interessensvertretung ermöglichen und fördern«): Elternfragebogen

Dokument 10 (zum Kapitel »Instrumente der Qualitätsentwicklung«): Zielvereinbarung

Dokument 11 (zum Kapitel »Evaluation und Qualitätssicherung«): Beispiel für eine interne Evaluation zu Entwicklungszielen mit Bezug auf das physische und psychische Wohl der Kinder

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Die offene Ganztagsgrundschule als GestaltungsaufgabeReportagen aus der Schulwirklichkeit von Barbara LeitnerDie Schule als Baustelle. Oder: Die Vision vom Mädchen mit dem Hula-Hoop-ReifenDie Zeit selbst einteilen. Oder: Schüler reden mitEine Sache – zwei InstitutionenKooperation zwischen Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und ErziehernNicht ohne die Eltern! Oder: Wie ein spendabler Verein und eine kreative Aushandlungsgruppe die Schule bereichernKlare Steuerung und Raum fur kreative Ideen

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INHALTSVERZEICHNIS

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Alle Kinder haben das Recht auf eine gute Schule. Diesgilt umso mehr, wenn sich, einem internationalen Trendfolgend, Berliner Schulen zu Ganztagsschulen umgestal-ten. Denn je länger Kinder Zeit in der Schule verbringen,desto besser muss sie sein. Schule muss zum ganztägigenLebens- und Lernort werden, in dem alle Kinder ihreFähigkeiten auch außerhalb des Unterrichts entdecken,erproben und entfalten können.

Dieses Ziel zu unterstützen war Intention der Auftrag-geber des Berliner Bildungsprogramms für die offeneGanztagsgrundschule. Auf Anregung der Verbände derFreien Jugendhilfeträger wurde erstmalig gemeinsam mitder Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft undForschung ein Bildungsprogramm für die offene Ganz-tagsgrundschule in Auftrag gegeben. Erarbeitet wurdees von der Internationalen Akademie für innovativePädagogik, Psychologie und Ökonomie (INA) an derFU Berlin, die auch schon das Berliner Bildungsprogrammfür Kindertagesstätten vorgelegt hat.

Als Auftraggeber freuen wir uns sehr, das »Berliner Bil-dungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule«jetzt präsentieren zu können. Auf dieser Grundlage undden aufgezeigten Perspektiven können sich die pädago-gischen Fachkräfte vor Ort über die gemeinsame Arbeitverständigen. Die öffentliche Diskussion der Entwurfs-fassung zeigte bereits im Vorfeld eine hohe Überein-stimmung mit den im Programm benannten fachlichenAnforderungen und Herausforderungen, die von allenam Bildungsprozess Beteiligten zu bewältigen sind.

Die Ganztagsschule bietet nicht nur neue Chancen, siebedeutet auch mehr Verantwortung. Mit einem Mehran Zeit kann sie nicht allein mehr, sondern auch indivi-duellere Bildungsangebote gestalten. Die Ganztagsgrund-schule kann gerade in Berlin an langjährige und vielfältigeErfahrungen und Kompetenzen von Schule und Jugend-hilfe anknüpfen. Erst eine konzeptionell abgestimmteZusammenarbeit verschiedener Professionen ermöglichteine ganzheitliche Förderung von Grundschulkindern.

Der Auf- und Ausbau der offenen Ganztagsgrundschulenist Teil umfangreicher Reformen in Berliner Kitas undGrundschulen. Im Leitbild für die offene Ganztagsgrund-schule wurden bereits 2005 zentrale Eckpunkte derWeiterentwicklung der Grundschulen zu Ganztagsgrund-

schulen entfaltet. Damit die Reformen gelingen können,bedarf es auch einer fachlich-pädagogischen Orientie-rung. Das Bildungsprogramm zeigt hier ambitioniertumfassende Rahmenbedingungen mit weitreichendenEntwicklungszielen und Visionen auf, wie auch die Aus-führungen in der Einleitung deutlich machen. Diesewerden nicht alle sofort in die Praxis umgesetzt werdenkönnen. Sie sind aber deutliche Wegweiser, deren Rich-tung sich alle Verantwortlichen verpflichtet sehen.

Das Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrund-schule setzt die Philosophie des Berliner Bildungspro-gramms für die Kindertagesstätten fort. Seine Umsetzungerleichtert deshalb die Kooperation von Kitas und Grund-schulen und ermöglicht den Kindern die Fortsetzungder Bildungserfahrungen aus ihrer Kitazeit.

Die gemeinsame Auftraggeberschaft von Senatsverwal-tung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der LIGAder Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege unddes Dachverbands der Berliner Kinder- und Schülerläden(DaKS) ist ein gutes Signal für die Kooperation vonFreien Trägern und öffentlicher Verwaltung in Berlin.Wir bedanken uns bei allen, die bei den Überlegungenzum Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrund-schule zur Verfügung gestanden haben – insbesonderebei den Autoren, dem aus Praktikern von Schulen, Hort,Fortbildungsinstitutionen und Schulaufsicht besetztenBeirat und den Beteiligten an der öffentlichen Diskussionder Entwurfsfassung.

Der Öffentlichkeit wird hiermit das »Berliner Bildungs-programm für die offene Ganztagsgrundschule« vorge-legt. Damit es in der Praxis lebendig werden und Wir-kung entfalten kann, laden wir Pädagoginnen, Eltern,Kinder und die Fachöffentlichkeit ein, den Weg ge-meinsam zu gehen.

Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin;

LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin;

Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS)

Vorwort der Auftraggeber

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Teil A:Bildungsprogramm

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Seit dem Schuljahr 2005/06 sind alle Berliner Grundschu-len Ganztags grundschulen. Die Mehrheit der Schülerin-nen und Schüler besucht nun mehr eine offene Ganztags-grundschule und nimmt deren Angebote vor und nachdem Unterricht in der verlässlichen Halbtagsgrundschulewahr. Die Weiterentwicklung der altvertrauten Halbtags-grundschule zu einem ganztä gigen Lebens- und Lernort– zumindest für einen Teil der Schülerinnen und Schüler– ist damit zu einer Gestaltungsaufgabe von hoher Priori-tät gewor den. Es geht um nicht weniger als die optimaleAusgestaltung pädagogi scher Einrichtungen für einezeitgemäße Bildung und Erziehung der nach folgendenGeneration auf höchstem Niveau. Das Bildungsprogrammbe schreibt insofern eine Vision – die Vision einer neuenGrundschule als einer Kinder-Tagesstätte im besten Wort-sinne, einer Ganztagseinrichtung, die die Schülerinnenund Schüler jeden Tag mit Freude und mit spürbaremGewinn besuchen.

So, wie ein Städteplaner bei seiner Arbeit die Vision einerneuen Stadt vor Augen haben muss, auch wenn derenRealisierung Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, sindalle mit der Gestaltung der offenen Ganztagsgrund schulebefassten Menschen und Institutionen auf einen in sichstimmigen Entwurf einer guten Ganztagseinrichtung an-gewiesen – die Pädagoginnen und Pädagogen ebenso wiedie Eltern, die Verwaltung und die Politik. Da bei unter-scheidet sich die Vision von einer Utopie durch ihre prinzi-pielle Realisierbarkeit. Tatsächlich findet sich im folgendenBildungsprogramm kein einziger Handlungsvorschlag, dernicht an dem einen oder anderen Ort bereits realisiert wä-re. Das Wissen, dass Visionen immer nur schrittweise undauch immer nur näherungsweise erreicht werden können,entkräftet nicht ihre Bedeutung als Orientierungsmarkenfür konkretes pädagogi sches, politisches oder administra-tives Handeln. Wer keine Visionen hat, kann Zukunftnicht gestalten, sondern immer nur die Gegenwart ver-walten.

Diese Entwicklungsaufgabe birgt spezifische Chancen, dieaufgegriffen, aber auch Stolpersteine, die aus dem Weggeräumt werden wollen. Manche Verbesserungen sindvon zusätzlichen Ressourcen abhängig, viele erfor dern nurein Überdenken der eigenen Haltungen und Routinen.Dabei sind auch Enttäuschungen nicht immer auszuschlie-ßen: Es gelingt nicht immer Alles auf Anhieb, wenn soVieles neu gedacht und neu gemacht werden muss.

Das Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrund-schule fügt sich in eine Reihe anderer Rahmenvorgabenfür die Bildungsarbeit in der Berliner Grundschule ein,ohne diese zu paraphrasieren oder gar überflüssig zumachen: Die strukturellen Rahmenbedingungen für dieoffene Ganztags grundschule sind mit dem Schulgesetzund der Grundschulverordnung ge geben. Die Rahmen-lehrpläne weisen die zentralen Paradigmen schulischerLernkultur und die Inhalte und Ziele des Unterrichts aus.Der Handlungs rahmen Schulqualität bietet mit seinensechs Qualitätsbereichen Orientie rung für die Qualitäts-sicherungs- und -entwicklungsprozesse in den Schu len.Das Leitbild für die offene Ganztagsgrundschule schließ-lich beschreibt pädagogische Rahmenvorgaben für dieUmsetzung der ganztägigen Bil dungs- und Betreuungs-angebote.

Das »Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztags-grundschule« schreibt auf der Grundlage der anderengenannten Rahmenvorgaben die Philosophie des Berli-ner Bildungsprogramms für die Bildung, Erziehung undBetreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zumSchuleintritt fort und geleitet die Kinder von den Bil-dungserfahrungen im Elementarbereich in die neuenLern- und Erfahrungswelten der Grundschule.

Das Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrund-schule konkretisiert den allgemeinen Bildungsauftrag desSchulgesetzes auf einem mittleren Abstraktionsniveau.Es greift die Schlüsselthemen des Leitbilds für die of feneGanztagsgrundschule auf, um sie weiter zu entfaltenund zu begrün den sowie mit praxisnahen Vorschlägenfür ihre Realisierung zu unterlegen. Es zeigt auf, wohinsich die offene Ganztagsgrundschule entwickeln soll undwie dies gelingen kann, damit sie für alle ihre Akteure –Schülerinnen und Schüler, Erzieherinnen und Erzieher,Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und außerschulische Part-ner – zu einem Lebens- und Lernort wird, der mit demMehr an Zeit ein Mehr an Bildungschancen eröffnet.

Im »Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztags-grundschule« werden schulpädagogische und sozial-pädagogische Denkansätze und Traditionen zusammen-geführt. Es stellt ein inhaltliches und organisatorischesGesamt konzept bereit, das die ganztägige Förderung vonKindern als Verknüpfung von formellen, halb-formellenund informellen Bildungssituationen versteht.1

Einleitung

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Es entfaltet insbesondere konzeptionelle Aspekte undspezifische Chancen ganzheitlicher Förderung, die dieGanztagsschule birgt. Dabei helfen ganz konkrete Ent-wicklungsziele am Ende des Textes, sich auf Erfolg ver-spre chende Einzelschritte zu konzentrieren, die nach undnach die Wirklichkeit einer neuen Grundschule hervor-bringen werden. So gesehen bietet das Bil dungspro-gramm auch nützliche Orientierungshilfen für die Ent-wicklung der gebundenen Ganztagsgrundschulen.

Das »Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganz-tagsgrundschule« wen det sich an die Pädagoginnen undPädagogen im Praxisfeld und an die El tern, die die neueGrundschule nur gemeinsam erschaffen können.2

Es setzt zugleich Signale für Politik und Verwaltung. Eshandelt sich schließlich um eine gemeinsame Willenser-klärung der staatlichen Bildungsverwaltung einerseitsund der Verbände der Freien Jugendhilfe andererseits,an der notwendigen Weiterentwicklung der BerlinerGrundschulen mit Entschieden heit weiterzuarbeiten.

Alle Beteiligten wissen, dass die genannten Ziele nichtvon heute auf mor gen, sondern nur Schritt für Schrittund im Rahmen der jeweils gegebenen personellen Kom-petenzen und finanziellen Möglichkeiten erreicht werdenkönnen. Für viele der im Folgenden empfohlenen Ent-wicklungsziele sind die Rahmenbedingungen in der Pra-xis derzeit noch nicht gegeben. Allerdings lässt sich nachAuffassung der Herausgeber über die notwendigen Prio-ri täten zur Verbesserung der konkreten Bedingungen aufder Basis eines ge meinsamen Entwurfs für die offeneGanztagsgrundschule besser disku tieren, als wenn alleBeteiligten nur auf der Basis ihrer jeweils eigenen Vor-stellungen der gewünschten Schulrealität argumentieren.

Zu den erforderlichen Ressourcen gehören im Übrigenauch die Phantasie der Pädagoginnen und Pädagogen

und ihre Bereitschaft, die eigene Posi tion im Bildungs-gefüge immer wieder in Frage zu stellen, Schule immerwieder neu zu denken und neu zu gestalten. Initiativeund ständige Verän derungsbereitschaft, wichtige Voraus-setzungen für beruflichen Erfolg und persönliches Glückin einer dynamischen Wettbewerbsgesellschaft, könnensich bei unseren Schülerinnen und Schülern nur ausbil-den, wenn sie ihnen von den Erwachsenen im Alltagvorgelebt werden. Die Leserinnen und Le ser sind einge-laden, dieses Bildungsprogramm als Landkarte zu nut-zen, um ihre Reiseroute zu einer kind- und lerngerech-ten Ganztagsschule gemein sam mit allen an der SchuleBeteiligten neu zu planen und sich auf den Stationenihrer Reise von Zeit zu Zeit über das Reiseziel, die Rei-seroute und die erforderlichen Zwischenstopps neu zuverständigen. Es bietet so wohl denen, die schon langeunterwegs sind, als auch jenen, die sich noch auf dieReise machen müssen, Wegweisung und Orientierungs-hilfen. Aber es nimmt niemandem die Entscheidungüber den konkreten Weg oder gar die Reise selbst ab.

1 Das Bildungsprogramm folgt darin einem Vorschlag des Bundesjugendkuratoriums. Vergleiche http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=5198.html

2 Wir benutzen in dieser Programmschrift die Bezeichnung Pädagoginnen und Pädago gen als Sammelbegriff für alle in der Schule und in denkooperierenden pädagogischen Einrichtungen mit Unterricht und Erziehung der Kinder befassten Personen, insbeson dere die Lehrerinnen undLehrer, Erzieherinnen und Erzieher sowie die sozialpädagogi schen Fachkräfte. Wenn wir zum Zweck der besseren Lesbarkeit hin und wiedernur die weibliche Form (Grundschullehrerinnen) oder nur die männliche Form (Schulräte) ei ner Berufsbezeichnung verwenden, sind die Ange-hörigen des jeweils anderen Ge schlechtes natürlich immer mit gemeint.

Die Herausforderung

DasSchulgesetz

und die

GrundschulverordnungDie rechtlichen Rahmen-

bedingungen für Pädagogik, Politik und

Verwaltung

Das Bildungspro-

gramm für die offene Ganztagsgrundschule

Gestaltungsprinzipien, Auf-gabenfelder und Entwick-lungsziele für Pädago-

gik, Politik und Ver-waltung

Das Leitbild für die offene

GantagsgrundschulePädagogische

Rahmenvorgaben für dieganztägigen Bildungs-

angebote

Der Handlungsrahmen

SchulqualitätRichtlinien und Hinweisefür Qualitätsentwicklungund Qualitätssicherung

Der Rahmenlehrplan

Die Unterrichtsinhalte und Unterrichtsziele

für die Schülerinnen und

Schüler

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EINLEITUNG

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Mit der Einführung der verlässlichen Halbtagsgrundschuleund ihrer Erwei terung zur offenen Ganztagsgrundschuleim Jahr 2005 hat die Berliner Grundschule einen bedeut-samen Systemwandel vollzogen. Die traditionelle Halb-tagsgrundschule konnte sich seit ihrer Entstehung imfrühen 19. Jahr hundert fast 200 Jahre lang primär alseine Unterrichtseinrichtung ver stehen. Sie bezog – beialler durchaus schon immer von ihr wahrgenom menenerzieherischen Sorge um einzelne Kinder – ihre Haupt-legitimation aus der Erfüllung von Lehr-, Rahmen- oder(neuerdings) Rahmenlehr plä nen. Wenn die Kinder in dervorgesehenen Zeit Lesen, Rechnen, Schrei ben, Singen,Schwimmen, Beten und ein angemessenes soziales Ver-halten erlernten sowie einige nützliche heimatkundlicheBasiskenntnisse erwar ben, war die Öffentlichkeit in derRegel mit der Grundschule zufrieden. Es ist weniger dasVerdienst des Staates als das der Grundschullehre rinnenund -lehrer seit der reformpädagogischen Bewegung um1900, dass die Grundschule diesen unterrichtlichen Basis-auftrag in der Vergangenheit in aller Regel recht erfolg-reich erledigt hat.

Mit den beträchtlichen sozialen und ökonomischen Ver-änderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hat sich derBildungsauftrag der öffentlichen Schule, insbesondereaber der Grundschule spürbar verändert. Staat und Ge-sellschaft erwarten, dass die Grundschule von heute dieKinder auf eine sich in permanentem Wandel befindlicheRealität vorbereitet und ihnen Kompetenzen vermittelt,die zum Überleben in einer postindustriellen Dienstleis-tungsgesellschaft unverzichtbar sind. Die Grundschulesoll zu gleich Erziehungs- und Betreuungsaufgaben über-nehmen, die früher in erster Linie der Familie und denfamilienergänzenden Horten zukamen.

In dem Maße, in dem die Grundschule solche Aufgabenübernimmt, muss nicht nur ihr Selbstverständnis, sondernmüssen auch ihre Zielfor meln, ihre Arbeitsroutinen, derUmgang mit Raum, Zeit und Personal und – vor allem –ihr Verhältnis zum Kind neu bestimmt werden.

Für einige dieser Bestimmungen gibt es bereits verbindli-che Formulierun gen und für das pädagogische Geschehenin der Schule insgesamt eine Reihe von verbindlichen

Zielmarken, die im Schulgesetz, in den Rahmen lehrplä-nen, in der Grundschulverordnung und im Leitbild fürdie offene Ganztagsgrundschule dokumentiert sind. Doches verbleiben eine Reihe von Entscheidungsfeldern, de-ren Klärung unveräußerliches Recht und un abwendbarePflicht der in der Praxis tätigen Pädagoginnen und Päd-ago gen ist. Nur sie kennen die realen Voraussetzungenam jeweiligen Hand lungsort und vor allem die realenKinder und ihre Biographien, um die es am Ende jeweilsgeht. Pädagogik ist eben nicht eine Anwendung von Re -zepten und Technologien auf Menschen, sondern immereine Interpreta tion der Biogra phien und der konkretenMöglichkeiten von höchst unter schied lichen Sub jektenin Bezug auf die jeweils aktuellen Erwartungen vonFami lien, Gesell schaft und Staat.

Das hier vorgelegte Bildungsprogramm für die offeneGanztagsgrundschule will die Pädagoginnen und Päd-agogen bei dieser Interpretationsaufgabe unterstützen,ohne die Ergebnisse im Einzelfall normieren zu wollen.

Gesellschaftliche Grundannahmen

Das »Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganz-tagsgrundschule« unterstellt wie das »Berliner Bildungs-programm für die Bildung, Erziehung und Betreuungvon Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schul-eintritt«3, dass unserer Gesellschaft auf absehbare Zeiteine Reihe von Entwicklungsdynamiken zugrunde liegen,auf die die Schulen ebenso wie die Einrichtungen desEle mentarbereichs reagieren müssen. In einer Streitschriftdes Bundesjugend kuratoriums wird davon ausgegan-gen, dass die Gesellschaft der Zukunft• »eine Wissensgesellschaft sein wird, in der Intelligenz,

Neugier, lernen wollen und können, Problemlösen undKreativität eine wichtige Rolle spielen;

• eine Risikogesellschaft sein wird, in der die Biografieflexibel gehalten und trotzdem Identität gewahrt werden muss, in der der Umgang mit Unge wissheitertragen werden muss und in der Menschen ohnekollektive Selbstorganisation und individuelle Verant-wortlichkeit scheitern können;

• eine Arbeitsgesellschaft bleiben wird, der die Arbeit

Bildungsauftrag und Bildungsverständnis der offenen Ganztagsgrundschule

3 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin (Hrsg.) (2004): Berliner Bildungsprogramm für die Bildung, Erziehung und Betreuungvon Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt. Weimar, Berlin: Verlag das netz.

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nicht ausgegangen ist, in der aber immer höhere An-forderungen an die Menschen gestellt werden, dabeizu sein;

• eine demokratische Gesellschaft bleiben muss, in derdie Menschen an politischen Diskussionen teilnehmenund frei ihre Meinung vertreten können, öffentlicheBelange zu ihren Angelegenheiten machen, der Ver-suchung von Fundamentalismen und Extremen wider-stehen und bei allen MeinungsverschiedenheitenMehrheitsentscheidungen respektie ren;

• als Zivilgesellschaft gestärkt werden soll, mit vielfälti-gen Formen der Partizipation, Solidarität, sozialenNetzen und Kooperation der Bürger, egal welchenGeschlechts, welcher Herkunft, welchen Berufs undwel chen Alters;

• eine Einwanderungsgesellschaft bleiben wird, in derMenschen ver schie dener Herkunft, Religion, Kulturund Tradition integriert werden müssen, vorhandeneKonflikte und Vorurteile überwunden und Formendes Miteinander-Lebens und -Arbeitens entwickeltwerden müssen ...«4

Die offene Ganztagsgrundschule ist ein Organisations-modell, mit dem die staatliche Schule ihre Bildungs- undErziehungsarbeit im Primarbereich auf diese Entwicklungs-dynamiken einzustellen versucht.

Pädagogische Grundannahmen

Die offene Ganztagsgrundschule unterscheidet sich vonder traditionellen Halbtagsschule vor allem durch• ihr erweitertes Aufgabenfeld,• einen erweiterten Verantwortungsumfang,• die multiprofessionelle Teamzusammensetzung,• andere Raumstrukturen und Raumnutzungen• und völlig andere Zeitstrukturen als die herkömmliche

Halbtagsschule.

Von der gebundenen Ganztagsschule unterscheidet sichdie offene Ganz tags grundschule im Wesentlichen durchdie variable Aufenthaltsdauer der Kinder in der Schule:Manche Kinder kommen nur zur Kernzeit mit dem ob li-gatorischen Unterrichtsangebot der »verlässlichen Halb-tagsgrundschule«. Andere bleiben über Mittag, um aucham Mittagessen teilzunehmen, wieder andere kommenschon vor Unterrichtsbeginn oder bleiben bis zum frü-hen Abend, je nach Bedarf und Bedürftigkeit des einzel-nen Kindes bzw. seiner familialen Lebenssituation. Dasbedeutet auch: Aus der Sicht der Kinder und ihrer Elternstellt sich ein und die selbe Schule völlig unterschiedlich

dar: Für die einen ist sie eine klassische Halbtagsschulewie bisher, für andere eine erweiterte Halbtagsschule undfür wieder andere ist sie der Hauptlebensort des Kindes,an dem es fast den ganzen Tag verbringt.

Damit ändert sich grundlegend der Charakter der Institu-tion Grundschule: Sie kann jetzt weniger als je zuvor alseine reine Unterrichtsschule gedacht werden. Sie muss –wie die gebun dene Ganztagsschule – prinzipiell als Lern-und Lebensort verstanden und so kon zipiert werden, dasssich die Kinder und die Erwachsenen dort den ganzen Taglang wohl fühlen und produktiv miteinander leben, ar-beiten und lernen kön nen. Und: Auch die Unterrichtsdidak-tik, die für die Halbtagsschule ent wickelt wurde, reichtfür die Ganztagsschule nicht mehr aus; sie muss ebenfallsüberdacht und weiterentwickelt werden. Es sei gleich hiergesagt: Angesichts der langen Auf ent haltsdauer der Kin-der in der Schule macht die herkömmliche Unterschei dungin »Unterricht« einerseits und »Frei zeit« andererseits kei-nen Sinn mehr: Die Kinder benötigen Bildungs angebote,Spiel- und Entspannungs phasen über den ganzen Taghinweg und erhalten diese in der offenen Ganztags-grundschule von ganz unter schiedlichen Anbietern.

Selbstverständlich bedeutet die Multiprofessionalität desKollegiums eine weitere gravierende Veränderung tradi-tioneller Verhältnisse: Wurde die Grundschule früher fastausschließlich von Grund schullehrerinnen und -lehrerngestaltet, sind diese jetzt für die Kinder nur noch eineBezugs gruppe unter diversen ande ren: In der offenenGanztagsgrund schule ar beiten Lehrerinnen und Lehrer(ein schließlich Fachlehrern und Sonderpäd agogen), Er-zieherinnen und Er zieher, Praktikanten, Eltern, Biblio the-ka rin nen, Jugendleiter, Musik pädago ginnen, außerschu-lische Fach kräfte, Hilfs kräfte aller Art und immer mehrauch ehrenamt liche Helfer (zum Beispiel Lesepa ten) mitden Kindern. Diese müs sen ih rerseits vom Tag der Ein-schulung an mit vielen Erwachse nen an ei nem Tag lebenund auskommen lernen.

Aus dieser neuen Vielfalt der Verhält nisse resultieren eineReihe von Orga nisations aufgaben und -problemen, aberauch vielfältige Chancen, ins be sondere auf pädagogi-schem Gebiet. In der Berli ner Grundschule – ob ver läss-liche Halb tags grundschule, ob offene oder gebun deneGanztagsschule – ist eben gerade kein staatliches Ein-heits konzept mehr für alle Einrichtun gen verbindlich. DasSchul gesetz, die aktu ellen Rahmenlehr pläne und die viel-fältigen Formen von eigenver antwort licher Schule gebenvielmehr zahlreiche Interpretations- und Ge staltungs frei-räume vor, die durchaus pädagogisch genutzt werden

4 Bundesjugendkuratorium (2001): Streitschrift Zukunftsfähigkeit. A. a. O., S. 17f.

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

können und sol len. Sie ermöglichen auch eine Vielfaltvon Kooperationsbe ziehungen in nerhalb des Kollegiumssowie mit unterschiedlichsten Trägern von unter richtser-gänzenden Bil dungsangebo ten.

Welche Formen am jeweiligen Ort am Ende am bestenpassen, muss die Schulgemeinde einer konkreten Schule– also die Pädagoginnen und Päd ago gen gemeinsammit den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern –weit gehend selber entscheiden; sie muss ihre Entschei-dung auch selber verant worten. Gleichwohl lassen sichüber greifende Leitziele bestimmen und auch päd agogi-sche Prinzipien benennen. Sie gelten für alle Ein richtun-gen gemeinsam, weil sie auf universa len Voraussetzun-gen und universalen Ideen beruhen, die für den Um-gang mit allen Kindern Gel tung bean spru chen. Einigesol cher Annahmen und Prinzipien zählen wir im Folgen-den auf.

Die Grundschule kann nur dann eine für das Lernen derKinder hilf reiche Ein richtung sein, wenn sie auch eine fürihre Persönlich keitsentwicklung gewinnbringende undihr Leben in der Schule be kömmliche Einrichtung ist.

Schulerfolg misst sich nicht nur nach Fehlerquotientenund Zeugniszen suren. Jede Schule – nicht nur die Grund-schule – hat generell den Auf trag, die ganze Personeines jeden ihr anvertrauten Menschen zu för dern undseine Teilhabe an Kultur und Gesellschaft zu ermöglichen.Dazu gehören vor allem die Stärkung des Selbstbe-wusstseins, der Lernfreude und Lern erfolgszuversichtsowie die Fähigkeit und die Nei gung, Verant wortungfür das eigene Wohlbefinden und das der Mit men schenzu über nehmen.

Die pädagogische Erfahrung zeigt seit Jahrhunderten, dieMotivations psy chologie lehrt es seit Jahrzehnten und diemoderne Hirnforschung unserer Tage belegt es jetzt auchmit naturwissenschaftlichen Nachwei sen: Nach haltigesLernen setzt Wohlbefinden voraus. Man kann zwar un-ter Angst und Stress lernen. Aber damit das Lernen nach-haltig wirk sam wird, muss der Lernprozess selbst mit po-sitiven Empfindungen ver bunden sein. Besonders wich-tig ist dabei die Erfahrung, sich etwas selbst aneignen zukönnen, sel ber etwas Neues schaffen zu können, kurzum:das bewusste Erfolgserleb nis im Lernprozess. Genausobe deutsam ist aber auch das Gefühl, als Individuum inder Schulgemein schaft akzeptiert zu sein. Schließlich istdie Erfahrung bedeutsam, an einem sicheren Ort zu sein,wo das wachsende Ich Spuren hinterlassen kann, dieaus schöpferischer Eigentätigkeit resultie ren. Schon die-ser erste Grundsatz macht deutlich, welche erweiterte

Ge staltungsaufgabe auf die Pädagoginnen und Päda-gogen der offenen Ganztagsgrund schule zukommt.

Die Kultur des Umgangs mit den Kindern in der Schulesollte keine Kultur für Kinder, sondern eine Kultur desMiteinanders sein, aus der sich eine Kultur der Kinderentwickeln kann.

Ganztagsschulen laufen ebenso wie die früheren Schule-Hort-Kombina tionen Gefahr, das Leben der Kinder in derEinrichtung möglichst voll stän dig pädagogisch zu gestal-ten, was dann oft mit erhöhter Kontrolle über die Schü-lerinnen und Schüler einhergeht. Aber was Kinder »spä-ter im Leben« brauchen ist, dass sie sich schon in derKindheit selbst als handelnde Sub jekte erfahren und alssolche von den Erwachsenen ernst genommen wer den.Dazu benötigen sie Freiräume für eigene Ent scheidungenund Bewäh rungsfelder für eigen verantwortetes Handeln.Pädagoginnen und Pädago gen geben den Kindern dabeieinen Orientie rungsrahmen und sind bedeut same Vor-bilder für das konstruktive Aus handeln von Interessens-unter schieden und Meinungsverschiedenheiten.

Das wichtigste Bewährungsfeld ist hier die Schule selbst.Pädagoginnen und Pädagogen, die ihre Klassenzimmermit den Schülern gestalten und dabei den Vorstellungen,der Phantasie und Kreativität der Kinder auch Raumgeben, handeln weitsichtiger als solche, die alles selberregeln und der Perfektion der Handlungsvollzüge imKlassenzimmer mehr Be achtung schenken als den Träu-men der Kinder.

Hier müssen auch die Hausverwaltungen und die Bezirks-ämter umler nen: Wenn jedes Regal, das irgendwo aneine Wand gedübelt werden soll, von der Bauaufsichthierfür erst freigegeben werden muss, wird eine kreati-ve Raumnutzung durch die Kinder und ihre Pädagogin-nen und Pädagogen von vornherein erstickt. Bei einemüberzogenen Kon troll- und Verwaltungsden ken werdennicht nur die Kinder, sondern auch die Pädagoginnenund Päd agogen entmündigt und damit in ihrer Eigen-schaft als Rollenvorbilder für vernünftig und demokra-tisch handelnde Menschen beschädigt.

Die Kinder haben ein »Recht auf den heutigen Tag«. (Janusz Korczak)

Die Gegenwart der Kinder darf nicht zukünftigen schuli-schen Anforderungen oder elterlichen Karriere-Erwartun-gen geopfert werden. Die Kinder haben ein Recht undeinen Anspruch auf freudvolle Momente im Schulalltag,auf informelles Lernen, auf freies Spiel, auf Zeiten von

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Muße und selbstvergessener Entspannung sowie auf Rück-zugsorte, die von den Erwachsenen nicht einsehbar sind.Auch diesbezüglich müssen Pädago ginnen und Päd-agogen in Ganztagsschulen vor allem lernen, sich selbstimmer wieder einmal zurückzunehmen und den Tag derih nen anvertrauten Kinder nicht vollständig durchzupla-nen.

Alle Kinder haben ein Recht auf ihr So-Sein. Die of-fene Ganztags grundschule soll ihre Sozialität fördern,ohne ihre Individualität zu beschädigen.

Das Leben in der Familie unterscheidet sich vom Lebenin der Institution vor allem dadurch, dass die Menschenin der Familie um ihrer selbst willen geliebt und gemein-hin in ihrer Individualität akzeptiert und geachtet werden,während sie als Mitglieder einer Institution immer wie-der Anpassungsleis tungen erbringen müssen, die anstren-gend und für Kinder bisweilen schwer einsehbar sind.Dass die Kinder solche Anpassungsleistungen lernen müs-sen, um in der Gemeinschaft mitreden und mitwirkenzu können, ist un strit tig. Diese Gemeinschaftsfähigkeit,aufbauend auf den Erfahrungen, die die Kinder bereitsim Kindergarten gemacht haben, zu erzeugen und zupfle gen ist daher ein bedeutsamer Bildungsauftrag derGrundschule.

Wenn die Kinder aber immer länger in Institutionen le-ben und immer weni ger Zeit in der Familie verbringen,könnten ihre Individualität und ihre Of fenheit auch zu-nehmend verkümmern. Aus dem lernfreudigen undüber aus lebhaften Kindergartenkind wird dann im Durch-gang durch die Schule leicht der kühl berechnende Ober-schüler, der nur noch für den nächsten Test ar beitet. Wie-der finden wir ein Spannungsfeld vor, für das es keinepauscha len Lösungsvorschläge gibt und das dennochnicht bloß abstrakt bedacht werden kann, sondern durchgezieltes Handeln im pädagogischen Alltag sehr konkretausgestaltet werden muss. Es geht um die Gewährungvon Entscheidungsfreiräumen, um Akzeptanz von Ab-weichungen und Sonder wegen für einzelne Kinder, so-lange sie nicht das ganze Regelwerk in Frage stellen, umdie gezielte Förderung von individuellen Vorlieben undInteres sen – und immer zugleich um die systematischePflege von Gemeinsamkeit und Zugehörigkeitsgefühl inder Lerngruppe.

Da die Kinder in der offenen Ganztagsgrundschule mehr-fach am Tag die Bezugsgruppe wechseln, ist auf die Ge-

staltung der Übergänge und die Übergabe der Kinder andie jeweils nachfolgenden Teammitglieder be sonders zuachten. Gleitende Übergänge von der einen in die nächstePhase und von einem Team zum nächsten sind bei klei-nen Kindern ange messener als abrupte Wechsel vonRäumen, Bezugspersonen und in den verschiedenenGruppen jeweils herrschenden Regeln und Ritu alen.

Die offene Ganztagsgrundschule ist eine Schule füralle Kinder.

Die Berliner Grundschule ist ihrem Selbstverständnis undden gesetzlichen Vorgaben zufolge eine gemeinsameSchule für alle Kinder, die in dieser Stadt leben. Wie imSchulgesetz (§ 2) festgehalten, hat jedes Kind ein Rechtauf zukunftsfähige schulische Bildung und Erziehung un-geachtet seines Geschlechts, seiner Abstammung, seinerSprache, seiner Herkunft, einer Behinderung, seiner reli-giösen oder politischen Anschauungen, seiner sexuellenIdentität und der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichenStellung seiner Erziehungsberechtigten.

Für Kinder mit besonderen Fähigkeiten und Begabungenebenso wie für solche mit besonderen Beeinträchtigun-gen oder Behinderungen gilt auch die Feststellung desSchulgesetzes (§ 4.3): »Schülerinnen und Schüler mitbesonderen Begabungen, hohen kognitiven Fähigkeitenoder mit erheb lichen Lernschwierigkeiten sind besonderszu fördern. Drohendem Leis tungsversagen und anderenBeeinträchtigungen des Lernens, der sprach lichen, kör-perlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung soll mitMaß nahmen der Prävention, der Früherkennung undder rechtzeitigen Einlei tung von zusätzlicher Förderungbegegnet werden. Die Förderung von Schülerinnen undSchülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollvorrangig im gemeinsamen Unterricht erfolgen.«5

Sofern Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarfvon der Grund schule aufgenommen wurden, haben sieeinen Anspruch auf eine ange messene Zuwendung so-wie – im Bedarfsfall – professionelle Pflege und Versor-gung über den ganzen Tag hinweg.

Nach modernen Klassifikationen bezieht sich der Begriffdes sonderpäd agogischen Förderbedarfs dabei nicht alleinauf körperliche oder Verhal tenskategorien, sondern wirdmehr und mehr auch gesellschaftlich begriffen undschließt Kontextfaktoren mit ein. »Behinderung« meintheute jede Form der nachhaltigen Beeinträchtigung des

5 Das schließt nicht aus, dass ein Kind eine Sonderschule besucht, wenn dies im Einzelfall für das Kind besser zu sein scheint. Vergleiche hierzudie Regelungen in der je weils aktuellen »Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (VO Sonderpäd agogik)« im Internet.

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

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Individuums bei der Teilhabe am gesellschaftlichen, po-litischen und kulturellen Leben.6

Dem entspricht in der pädagogischen Diskussion derÜbergang von einer bloß integrativen zur inklusivenPädagogik, die alle Individuen gleichermaßen umfasstund ihre Teilhabe sichern will.

Dieses geschieht vor allem in einer »Pädagogik der Viel-falt« (Prengel), die die Besonderheiten der verschiedenenin einer Lerngruppe zusammen kommenden Individuennicht primär als störend, sondern zunächst einmal alsBereicherung begreift – ganz im Sinne des Wortes vonRichard von Weizsäcker: »Es ist normal, verschieden zusein«. Es ist die Aufgabe der Pädagoginnen und Pädago-gen, diese Vielfalt zu schützen, sie pädagogisch zu nut-zen, im Dialog begreifen und im gemeinsamen Handelnwertschätzen zu lernen. Eine Pädagogik der Inklusionsignalisiert den Schülerinnen und Schülern, dass sie allein der gemeinsamen Grundschule willkommen sind undsich alle Erwachsenen dort bemühen werden, jede undjeden einzelnen zu respektieren, zu unterstützen undmaximal zu fördern.

Alle Kinder haben ein Recht auf Herausforderungenund relevante Inhalte.

Schulunterricht ist oftmals anstrengend, er verlangt Wie-derholung und Übungen, um Kenntnisse und Kompe-tenzen zu festigen. Er kann nicht im mer aufregend seinwie ein Fernsehfilm und verlangt schon von den kleinenKindern Geduld und die Anstrengung des Begriffs.

Im Gegenzug zu diesen Erwartungen der Schule an dieKinder haben die Kinder einen Anspruch auf relevanteInhalte und ernsthafte Herausfor derungen: Wenngleichwir sie nicht mit allen Problemen der großen Welt belas-ten und schon gar nicht von ihnen erwarten sollten, dasssie Probleme bewältigen, die die Erwachsenen selbernoch nicht gelöst haben, sollten wir die Kinder doch früh-zeitig am Zeitgeschehen teilhaben lassen und immer wie-der auch mit offenen Fragen und wirklichen Problemenkonfrontieren. Dazu passen Aufgaben, die ihre Neugierund ihre Intelligenz hinreichend herausfordern und nichtbloß den Nachvollzug vorgegebener Lösungswege erfor-derlich machen. Die gemeinsame Lektüre von Beiträgenaus der Ta geszeitung schon im ersten Schuljahr, Begeg-nungen mit Menschen aus dem engeren und weiterenSchulumfeld, die im wirklichen Leben stehen und davon

berichten können, wie es außerhalb des Schulzaunes zu-geht, der Besuch originaler Schauplätze politischen,gesellschaftlichen oder be ruflichen Wirkens sind dabeibesonders lehrreich. Das Arbeiten an selbst gewähltenThemen motiviert zusätzlich und lässt auf besondersnachhaltige Lerneffekte hoffen.

Tendenziell gilt es, nicht nur im Unterricht, sondern auchim offenen Ganz tag das dem aktuellen Rahmenlehrplanfür die Grundschule zugrunde lie gende Wechselverhält-nis von Lernlust und Eigensinn zu realisieren, aus demallein selbstwirksames Lernen resultiert. Hierzu eignensich problem- und vor allem produktionsorientierte Bil-dungsangebote besonders gut, wie sie die Reformpäd-agogik seit hundert Jahren vormacht, – am Vormittagüb rigens genauso wie am Nachmittag. Im Fachunterricht,in fächerüber grei fenden Projekten und in den Vorhabenim Ganztagsbetrieb kann jeder zeit selbstwirksames Ler-nen provoziert werden. Dazu muss allerdings der Le bens-bezug deutlich genug erkennbar sein. Beispielsweisekönnten alle Schüler auf einem Ausflug angehalten wer-den, Mathematik in der Umwelt zu entdecken oder Reim-wörter in der Werbung, die Anwendung des Hebel ge-setzes im Alltag oder fünf alltägliche Gelegenheiten,Englisch zu spre chen.

Besonders anschlussfähig wird ein lebensweltorientiertesAngebot dort, wo es sich auf Ausdrucksformen der Kin-derkultur selbst positiv bezieht. Aus geprägte und denErwachsenen oft nicht unmittelbar zugängliche Bereicheeiner solchen Kinderkultur bietet vor allem die auf ana-loge und digitale Medien bezogene Kommunikation derKinder. Die Objekte der Peer-Kommunikation stammenzu großen Teilen aus den Medien. Hier zeigen sich Kinderzugleich als medienkompetent wie auch als Adressateneines aggressiven Marktes. Die Schule darf die modernenMedien nicht tabui sieren. Sie sind alltäglicher Bestandteilihrer Lebenswelt. Medien sind zugleich Inhalte des päd-agogischen Angebots wie auch Lern- und Arbeits mittel.Der vielfältigen Mediennutzung der Kinder ist im Ganz-tagsschulalltag Rechnung zu tragen, ihren Medienerfah-rungen Raum zu geben. Nur so können Kinder in deroffenen Ganztagsschule tatsächlich auch die Erfah rungen,Fragen und Herausforderungen bearbeiten, die ihnen inihrem Leben wichtig sind. Sie dabei zu beobachten, zuverstehen und zu fördern ist Aufgabe von Pädagogik.

6 Vergleiche ICF (2005): Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesund heit. Herausgegeben vom DeutschenInstitut für Medizinische Dokumentation und Infor mation. Genf: World Health Organization, S. 16f.

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

Alle Kinder haben ein Recht auf Schulerfolg.

Der Schwerpunkt liegt auf alle: In dem Maß, in dem dieSchule Verant wortung für die Kinder übernimmt, steigtauch ihre Verantwortung für den Erfolg der Bemühungen– für jedes einzelne Kind und für alle zusammen. WennKinder, die keine manifeste Behinderung aufweisen, amEnde der ersten Klasse noch nicht eine Zeit lang alleinoder in kleinen Gruppen ar beiten können, wenn sie amEnde der zweiten Klasse noch nicht lesen können, wennsie am Ende der vierten noch nicht gelernt haben, denKlas senrat zu leiten und ein Sitzungsprotokoll zu schrei-ben, ist irgendetwas gründlich schief gelaufen.

Nun wissen wir aus der Sozialisationsforschung und ausder Schulleis tungsforschung, dass die vor- und außer-schulischen Lebensumstände die Lernchancen der Kinderso elementar vorbestimmen und die Einfluss mög lichkei-ten der Schule im Vergleich zu den Wirkungen dieserLebens um stände so gering sind, dass manche Pädago-ginnen und Pädagogen glau ben, immer schon zu spätzu kommen. Dann entwickeln sich leicht Schwarze-Peter-Spiele: Die Eltern beklagen die mangelnden Anstren gun-gen der Lehrerinnen und Lehrer und die Pädagogen be-klagen sich über die mangelnde Mitwirkung der Elternam Erziehungsgeschehen. In Wahr heit wissen beideSeiten meistens nur zu wenig voneinander.

Auch wenn man niemals alle Eltern erreicht, ist doch of-fenkundig, dass Schulerfolg nur dort zu erwarten ist, wosich die familialen und die schu lischen Erziehungsbemü-hungen ergänzen. Wo sie in Gegensatz oder gar Konfron-tation zu einander treten, ist Misserfolg vorprogrammiert.Wenn gleich es anmaßend wäre, auch die Eltern nocherziehen zu wollen, wäre es fahrlässig, nicht permanentden Dialog mit ihnen zu suchen. Sie sollten, so weit eseben geht, aktiv in die Bildungsarbeit der Schule einbe-zogen werden – als Partner bei der Wahrnehmung einergemeinsamen Aufgabe. Hierzu können Bildungsverein-barungen zwischen Pädagogen und Eltern geschlossenwerden.

Weil die offene Ganztagsschule diese erhöhte Verantwor-tung hat, muss für sie stärker als für die alte Halbtags-schule der Selbstanspruch gelten, dass kein Kind in seinerLernfreude und Lernfähigkeit geschwächt und hinterden anderen zurückgelassen werden darf. Jedes Kind sollin der Grundschulzeit bestärkt und befähigt werden, ineiner weiterführenden Schule erfolgreich weiter lernenzu können. Wie weiter unten noch gezeigt werden wird,hat die offene Ganztagsgrundschule auch vermehrtePotenziale, dieser Verant wortung eher gerecht zu wer-den als die ehemalige Vierteltagsschule.

Die offene Ganztagsgrundschule ist eine Schule derDemokratie.

Weil die Kinder so viele Stunden in der Schule verbringenund weil die Ganztagsschule von so vielen Personen ge-staltet wird, ist es besonders wichtig, die Schule sehr be-wusst als Lernort der Demokratie zu organi sie ren. Allewesentlichen Entscheidungen sollten von der nunmehrerheb lich erweiterten Schulgemeinde gemeinsam gefälltwerden. Neben die im Schulgesetz vorgesehenen Bera-tungs- und Entscheidungsgremien, deren Kompetenzenin keiner Weise verändert werden sollen, treten Übungs-for men der Demokratie wie der Klassenrat, die Schüler-vertretung und das Schulparlament.

Mehrere Modellschulen in Projekten zum demokratischenHandeln haben den Nachweis erbracht, dass schonGrundschüler ihre Wünsche und Inte ressen in gemein-samen Gremien mit Erwachsenen offen vortragen undaushandeln können, wenn diese sich für die ernsthafteMitwirkung der Kin der öffnen und deren Interessenauch ernsthaft zu realisieren bemüht sind. Schon Dritt-klässler können ohne weiteres eine Sitzung des Schul-parla mentes leiten, den Mitschülern und den Erwachse-nen, die sich auch mel den müssen, das Wort erteilenund ein Protokoll anfertigen, das alle Be schlüsse undVerantwortlichkeiten festhält. Indem sie die Schule mitgestal ten und verändern, lernen sie auch, dass dieseSchule ihre Schule ist, die zu pflegen sich lohnt und diezu besuchen Freude und Genugtuung be rei ten kann.

Zum Bildungsverständnis der offenen Ganztagsgrund schuleBildung ist, einem Wort Wilhelm von Humboldts zufolge,die »Verknüpfung des Ich mit der Welt«. Das ist einegute, knappe Definition, denn sie macht klar, dass imBildungsprozess nicht die Pädagogin oder der Pädagogeim Vordergrund steht, sondern der sich selbst bildendeMensch. Pädagogin nen und Pädagogen können Bildungnicht produzieren. Ihre Rolle besteht darin, die Kinder inihren Aneignungsprozessen aufmerksam zu begleiten, siezu ermutigen, sie herauszufordern und ihnen kompe-tente Hilfestellung dann zu geben, wenn sie selbst nichtweiter kommen.

Die Auseinandersetzung mit der Welt bedarf natürlichimmer eines Objek tes, eines konkreten Gegenstandes, indem die Welt manifest wird. Die Lerngegenstände sindin der Schule traditionell in Fächer, Disziplinen und Lek-tionen zergliedert. Diese werden im Prozess der Unter-richtsplanung und Unterrichtsgestaltung bis auf kleineAufgaben heruntergebrochen, an de nen sich die Schü-

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lerinnen und Schüler häufig »abarbeiten«, ohne jedochdabei in jedem Fall schon den großen bildenden Kon-text vor Augen zu ha ben.

So nötig die trockene Übung zur Mitlautverdoppelungfür die angestrebte Teilhabe des Individuums an derSchriftkultur auch sein mag: Sie macht nur Sinn, wenndas Kind schon im Erstleseunterricht auch selber aktivSchriftkultur produziert – zum Beispiele in Freien Texten.Nur über die Erfahrung der Eigenaktivität kann das Kindnämlich in der Auseinanderset zung mit der Literatur an-derer Autoren jenen »Begriff der Menschheit in un sererPerson«7 entwickeln, der Humboldt zufolge das gebildeteIndivi duum vom ungebildeten unterscheidet. Im übrigenlassen sich viele Regeln der Sprache – so simple Sachenwie die Mitlautverdoppelung, aber auch kom plexeregrammatische Strukturen – bei einem solchen produkt-und produk tionsorientierten Unterricht von und mitden Schülerinnen und Schülern sel ber entdecken underforschen, wenn sie beispielsweise in Re daktionskonfe-renzen über die korrekten sprachlichen Ausdrücke mit-einan der beraten, bevor ein Text publiziert wird.

Das Beispiel macht deutlich, dass Bildung immer vieler-lei voraussetzt:

• die Unterstellung der Selbstbildungsfähigkeit des Indi-viduums seitens der Erwachsenen,

• die Gelegenheit zur Eigenaktivität im Bildungsprozess,• die Bewusstwerdung des lernenden Subjektes in Bezug

auf sein eige nes Lernen,• die Förderung und Unterstützung jener Schülerinnen

und Schüler, deren Selbstbildungsfähigkeit in der vor-und außerschulischen Sozialisation bereits eingeschüch-tert wurde und die wenig Gelegenheit zu ei genakti vemLernen hatten

• und die Gelegenheit zur Teilhabe der Kinder an wich-tigen Entschei dungen sowie am gesellschaftlichen undkulturellen Leben der Erwach senen.

Nur wenn wir jedem Schüler, jeder Schülerin jederzeitzutrauen, dass er oder sie selbstbildungsfähig ist, werdenwir uns als Pädagoginnen und Päd agogen davor hüten,jeden Entwicklungsschritt der Kinder detailliert vorzu pla-nen und vorzuschreiben. Nur wenn wir in der Schule wieim Elternhaus ausreichend Gelegenheiten und Bewäh-rungsfelder für Eigenaktivitäten der Kinder bereitstellen,können sie eine Beziehung zur Welt aufbauen, die wirk-lich mit dem eigenen Ich verknüpft ist. Aber alle dieseEigenaktivitäten entfalten nur dann und nur insoweit

bildende Kraft, wie sie von eigenen Fragen der Kinderan die Welt und von der ständigen Erfahrung getragenwerden, Fragen und Probleme selber lösen zu können.

Die zentrale Aufgabe der Pädagoginnen und Pädagogenin der offenen Ganztagsgrundschule ist es daher, die Weltfragwürdig zu machen, den Kindern zu helfen, Fragen andie Welt zu entwickeln, diese Fragen sinnvoll zu gliedernund ihnen im forschend-entdeckenden Lernen sowie imDialog mit den Mitschülern nachzugehen. Erziehung zuLeistung und Leistungs fähigkeit, die in unserer Gesell-schaft unerlässlich sind, erfolgt nach diesem Bildungsver-ständnis in erster Linie durch die Sicherung von Könnens-erfah rungen in der Auseinandersetzung mit bedeutsamenFragen an die Welt. Der erweiterte Zeitrahmen und dieMöglichkeit unterrichtsergänzender Bil dungsangebote inder offenen Ganztagsgrundschule bieten besondere Chan-cen, solche Könnenserfahrungen auch Kindern aus be-nachteiligten Lebensverhältnissen vermehrt zu ermögli-chen.

Dabei ist unstrittig, dass die Schule die Kinder nicht mitihren eigenen Theo rien und Weltdeutungen allein lassenkann, beispielsweise im Bereich der Medienkommuni-kation. Selbstverständlich kann, soll und muss sie denKindern immer wieder jene Weltinterpretationen, Sinn-deutungen und Tech niken anbieten, die die Menschheitim Laufe der Kul turgeschichte bereits erarbeitet hat, diesich als allgemein hilfreich und nütz lich bewährt habenoder die unsere Gesellschaft schlicht für allgemein ver-bindlich erklärt hat. Das ist der Zweck des Unterrichts.

Didaktik heißt zeigen, Pädagogik heißt in der Traditionder Aufklärung ermutigen, Erziehung heißt, das Kindauffordern, in der Auseinanderset zung mit eigenen Wert-vorstellungen und denen der anderen Kinder und Er-wachsenen eigene Überzeugungen zu entwickeln unddas als richtig Er kannte zu tun. Pädagoginnen und Päd-agogen sind hier wiederum Vorbild, wenn sie ihre Werteüberzeugend in diese Auseinandersetzung einbringenund selbst danach handeln. Als Schule der Demokratiebleibt es in der Verantwortung der Pädagoginnen undPädagogen, immer dann einzu grei fen und Grenzen zusetzen, wenn die Rechte von anderen verletzt, wenn ein-zelne Personen diskriminiert oder ausgegrenzt werden.

In diesem Sinn soll die offene Ganztagsgrundschule einedidaktische, eine pädagogische und eine erzieherischeEinrichtung zugleich sein, eine Ein richtung, die die Ent-wicklung aller Schülerinnen und Schüler fördert, indem

7 Wilhelm von Humboldt: Theorie der Bildung des Menschen. In: W. v. Humboldt (1980): Studi en ausgabe. Bd. 1. Herausgegeben von A. Flitnerund K. Giel; Stuttgart, S. 235.

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

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die Erwachsenen an der Entwicklung jedes einzelnen An-teil nehmen und Unterstützung anbieten, wo die Kinderauf Rat und Hilfe – sei es durch an dere Kinder oderdurch die Erwachsenen – angewiesen sind.

Bildungsbereiche und Bildungsziele

Die Bildungsziele der Berliner Grundschule sind im Schul-gesetz (dort ins besondere in §§ 1 und 3) sowie in denRahmenlehrplänen für die einzel nen Unterrichtsfächerdefiniert und stimmen auf einem sehr hohen Abstrak tions-niveau zunächst mit den allgemeinen Zielen aller übrigenSchulen in der Bundesrepublik überein: Es geht in allenSchulen immer und überall um die Stärkung der Urteils-kraft, die Stärkung der Ausdruckskräfte und die Stärkungder sozialen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler.

Der zeitlich erweiterte Handlungsrahmen der offenenGanztagsschule bietet Möglichkeiten zusätzlicher päd-agogischer Aktivitäten, die zusätzliche Bil dungserfahrun-gen auch jenseits des eigentlichen Unterrichts eröffnen.So kann beispielsweise im Rahmen einer ganztägigenBildung das Interesse der Kinder für Medien aller Art –nicht nur Computer – aufgegriffen und zur Förderungihrer Medienkompetenz genutzt werden.8 Wie der Unter-richt bedürfen diese zusätzlichen Bildungsangebote, dievon allen in der Grundschule tätigen Pädagoginnen undPädagogen und von exter nen Partnern unterbreitet wer-den können, sorgfältiger Vor- und Nachberei tung. Siebieten vielfältige Chancen, die Entwicklung der Kinderdifferenziert zu beobachten, zu fördern und zu unter-stützen.

Alle Bildungsangebote der offenen Ganztagsgrundschu-le lassen sich einem oder mehreren Bildungsbereichenzuordnen, die schon im »Berliner Bil dungsprogramm fürdie Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern inTageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt«9 ausge-führt wurden und in ähnlichen Formulierungen auchallen neueren Grundschulrichtlinien der verschiedenstenBundesländer und ebenso dem aktuellen Berliner Rah-menlehrplan für die Grundschule zugrunde liegen.Hierzu zählen im Allgemeinen• der Bildungsbereich Sprache: Deutsch, die Pflege der

Erstsprache und eine erste oder weitere Fremdsprachen,die Einführung in die Schrift kultur und der kompetenteUmgang mit Medien;

• der Bildungsbereich Mathematik: algebraische undgeometrische Grund erfahrungen, Probleme analysieren,mathematisch erfassen und lösen können;

• die Erschließung und Erweiterung der sozialen undkulturellen Umwelt;

• naturwissenschaftliche und technische Grunderfahrun-gen;

• musisch-ästhetische Bildung: Kunst, Musik und Bewe-gung;

• Ethik, Philosophie und Religion10.

Die Bildungsziele in diesen Bildungsbereichen werdenhier nicht im Einzel nen aufgeführt, weil sie in den obengenannten amtlichen Dokumenten ausführlich darge-stellt und den Pädagoginnen und Pädagogen in denEin richtungen bekannt sind.

Darüber hinaus hat jede Grundschule aber noch weiterreichende Bildungs erfahrungen sicherzustellen. Sie lassensich als lernbereichsübergreifende Basiskompetenzenformulieren und betreffen weniger einzelne Gegen stands-felder des Unterrichts als vielmehr die personale Ent-wicklung der Kinder (Personagenese). Sie beziehen sichinsbesondere auf die Ausbil dung der sozialen, der per-sonalen und der methodischen Kompetenzen der Kin-der, wie sie im Eingangsteil der aktuellen Rahmenlehr-pläne11 für die Grund schule in Berlin beschrieben sind.Die Kontinuität der Aufgaben von Elementarbereichund Grundschule wird deutlich, wenn man diese Be -schreibungen mit den Formulierungen des Bildungspro-gramms für die Ki tas vergleicht.12

Alle diese Kompetenzen lassen sich in anspruchsvollenProjekten und im Schulalltag gleichzeitig erwerben undüben: wenn Kinder bemüht sind und ihnen zugemutetwird, ein reales Problem zu lösen (»Wie soll der Schul-gar ten/der Pausenhof/das Spielzimmer neu gestaltetwerden?« »Wie kann die beabsichtigte Schließung derStadtteilbibliothek abgewendet werden?«) oder ein be-deutsames Produkt zu gestalten (zum Beispiel ein Buch,eine Internet seite, ein Kunstwerk, ein Theaterstück).Diese Kompetenzen können und müssen aber immer

8 Siehe hierzu Teil B, Dokument 2.9 Berliner Bildungsprogramm, a .a. O. S. 45-107.10 In Berlin wird religiöse Bildung in der Schule durch die jeweiligen Glaubensge mein schaften angeboten.11 Vergleiche »Rahmenlehrplan Grundschule – Sachunterricht«, herausgegeben von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport

Berlin (2004): Wissenschaft & Technik Verlag, S. 9.12 Siehe »Berliner Bildungsprogramm«, a. a. O., S. 26. Eine Gegenüberstellung der Kompetenzdefinitionen beider Texte findet sich im Teil B,

Dokument 1.

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

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DER BILDUNGSAUFTRAG DER OFFENEN GANZTAGSGRUND SCHULE

wieder auch in gezielten Übungssituationen gefestigtwerden – im Unterricht und in außer-unterrichtlichenÜbungssituationen.

Die Aufzählung der genannten Bildungsbereiche machtdeutlich: Die Bil dungsangebote der Schule und die Lern-erfahrungen, die die Kinder in die sen Angeboten machenkönnen, berühren immer die ganze Person und lassensich nicht sinnvoll in vormittägliche und nachmittäglicheBildungspro zesse aufspalten. Denn dies würde bedeuten,die Kinder selbst in vormit tägliche Unterrichts- und nach-mittägliche Betreuungskinder aufzuspalten. Weil dasnicht geht und auch nicht wünschenswert wäre, folgtaber zwin gend: Die vormittäglichen und nachmittägli-chen Bildungsangebote müssen immer aufeinander bezo-gen werden und die mit den Kindern arbeitenden Berufs-gruppen immer zusammen arbeiten – und zwar auchdort, wo die nachmittägliche Bildung und Betreuungder Kinder von externen Koope rationspartnern, zumBeispiel Schülerläden, durchgeführt wird. Wenn sie ihrenei gentlichen Zweck nicht verfehlen will, ist die Bildungs-arbeit in der offenen Ganztagsgrundschule immerTeamarbeit.

In einem solchen, unterrichtliche und unterrichtsergän-zende Bildungsange bote immer gemeinsam in den Blicknehmenden Verständnis des Auftrags der offenen Ganz-tagsgrundschule wird zugleich die populäre Zuweisungunterschiedlicher Verantwortungsfelder für die Angehö-rigen der verschie denen mit den Kindern arbeitendenBerufsgruppen in gewissem Maße hin fällig. Die pädago-gische Verantwortung für die optimale Entwicklungjedes einzelnen Kindes ist nämlich grundsätzlich unteil-bar: Alle in pädagogischen Einrichtungen arbeitendenFachkräfte sind in gleichem Maße für die Bildung unddas Wohlergehen der Kinder verantwortlich, und diese

Verantwortung ist nicht von der Besoldungsgruppe ab-hängig, der die einzelnen Pädago ginnen und Pädago-gen ausbildungs- und tarifrechtlich bedingt angehören.

Wenn es gleichwohl – bei gleicher Verantwortung! –unterschiedliche Zu ständigkeitsbereiche für Angehörigeunterschiedlicher Berufsgruppen gibt, sind letztere den-noch jederzeit zur produktiven und konstruktiven Zusam-menarbeit verpflichtet. Dies gilt für Pädagoginnen undPädagogen in Ganztagsschulen in gleicher Weise wiefür Besatzungen von Schiffen oder Flugzeugen, Projekt-entwicklungsteams in Wissenschaft und Industrie oderdie Mitglieder eines Orchesters. Hierauf wird weiter un-ten noch ausführli cher eingegangen (vergleiche KapitelKooperationen gestalten).

Die in den Rahmenlehrplänen für die Schulen wie imBildungsprogramm für die Kitas beschriebenen Ziele ha-ben einen Doppelcharakter: Sie definieren zum einen,welche Kompetenzen sich die Kinder im Verlauf ihrerBildungs biographie aneignen sollten. Sie definieren zu-gleich, in welcher Weise das pädagogische Handeln ge-plant und gestaltet sein muss, damit Kinder über hauptdie Möglichkeiten erhalten, sich diese Kompetenzen an-zueignen. Damit sind die definierten Ziele immer auchRichtziele für das pädago gi sche Handeln.

Dieser Doppelcharakter der Ziele hat erhebliche Auswir-kungen auf das Ver ständnis von Evaluation. Evaluationkann sich nicht auf Feststellungsver fahren beschränken,die den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler do ku-mentieren. Evaluation muss immer auch die Qualität despädago gischen Handelns in den Blick nehmen und dieWechselwirkung zwischen Aneig nungsprozessen derKinder und dem Handeln der Erwachsenen reflektie ren(vergleiche Kapitel Evaluation und Qualitätssicherung).

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Den Schulalltag gemeinsam mit Kindern und Eltern ge stalten

Die Erfahrungen der Kinder in den täglich wiederkehren-den kleinen und scheinbar nebensächlichen Situationenim Schulalltag haben erheblichen Einfluss auf die Bildungs-erfahrungen der Kinder. Sie entscheiden – viel leicht mehrals der Unterricht und außerunterrichtlich geplanteAktivitäten – darüber, ob und wie sich ein Mädchen,ein Junge als selbstwirksames und verantwortliches Mit-glied einer Gemeinschaft erleben kann, ob sie oder erSolidarität durch die Gemeinschaft erleben kann. Dersogenannte heim liche Lehrplan einer Schule, der mehrimplizit als explizit das Leben in der Schule bestimmt,entscheidet, wer oder was zählt. Bildungsbedeutsamsind darüber hinaus alle alltäglichen Vorgänge, zudenen unter anderem die persönliche Begrüßung undVerabschiedung der Kinder (und Eltern) zäh len. In sol-chen respektvollen Verhaltensformen üben die Pädago-ginnen und Pädagogen eine Vorbildfunktion aus.

Der Übergang vom Kindergarten in die Schule

Wie immer in biographischen Umbruchsituationen sinddie subjektiven Erfahrungen im Übergang entscheidend:Welche ersten Erfahrungen ma chen die Kinder, wenn siein die Schule kommen? Was wird in dieser Über gangs-phase von Kindern, von Pädagogen wie wahrgenom-men, welche Themen werden von wem in dieser Phasebestimmt und bearbeitet?

Die Qualität der Kommunikation und Kooperation zwi-schen Pädagoginnen, Kindern, Eltern und den Kinder-gartenErzieherinnen in der Phase des Über gangs vomKindergarten in die Grundschule legt die Basis für dasweitere Alltagsgeschehen in der Schule.

Werden die vorangegangenen Erfahrungen, die Wün-sche, die Befürch tun gen von Kindern, Eltern und den bis-herigen Erzieherinnen aktiv nachge fragt, dann werdenKinder, Eltern und Erzieherinnen erleben, dass die Kin derim Mittelpunkt stehen. Werden in der Schule Formengefunden, wie diese Kommunikation so geschehen kann,dass jedes Mädchen und jeder Junge mit ihren bzw. sei-nen bisherigen Erfahrungen, den aktuellen Wün schenund Befürchtungen zum Zuge kommt, dann wird jedes

Kind erleben, dass seine Person für die Schule wichtig ist.

Wird die Kommunikation so gestaltet, dass es mehr da-rum geht, dass die Grundschulpädagoginnen und -päd-agogen den Kindern, den Eltern und den Erzieherinnenin den Kindergärten erklären und vermitteln, was, wieund warum in der Schule erwartet wird, dann werdendie Kinder erfahren, dass Schule wichtig ist.

Beide Perspektiven sind wichtig. Sie müssen miteinanderausgehandelt und in Verbindung gebracht werden.

Konkretionen:• In jeder Kita und in jeder Schule gibt es eine Ansprech-

partnerin für die wechselseitige Kooperation. Dieseplanen gemeinsam einen jährlichen und verbindlichenKooperationskalender für die Zusammenarbeit mitden Eltern und Kindern, die im kommenden Schuljahreingeschult wer den.

• Die Grundschulpädagoginnen und -pädagogen (Leh-rerinnen und Erzie herinnen der Grundschule) erkun-den im letzten Jahr vor der Einschu lung mit den neuaufzunehmenden Kindern, den Kindergarten-Erziehe -rinnen und Eltern deren Erwartungen, Wünsche undBefürchtungen für die Grundschulzeit.

• Die Grundschulpädagoginnen und -pädagogen (Leh-rerinnen und Erzie herinnen der Grundschule) besuchendazu die Kindergärten des Schul einzugsgebietes, hos-pitieren dort und machen sich ein Bild von den Kom-petenzen, die die Kinder im Kindergarten schonerworben haben.

• Sie fragen aktiv nach, welche Interessen, Kompeten-zen und Aneig nungs weisen die verschiedenen Kindermitbringen.

• Sie verfügen über Methoden, wie sie die unterschied-lichen Erfahrungen, Vorlieben und Interessen der Kin-der ihrer Lerngemeinschaft erfassen und in der Lern-gemeinschaft kommunizieren können.

• Sie berücksichtigen bei der Analyse der Ausgangslagein ihrer Lernge meinschaft die unterschiedlichen Lebens-lagen der Kinder und ihrer Fa milien. Sie achten dabeiauf die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Hoch-begabung, mit sozialer Benachteiligung oder mit Be-hinderung.

• Sie erläutern Kindern und Eltern, worauf sie im Schul-alltag Wert legen und warum das so ist.

• Sie finden mit Kindern (und evtl. Eltern) Formen und

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Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen in der offenen Ganztagsgrundschule

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Symbole, wie diese Prinzipien und Regeln sichtbargemacht werden können.

• Sie entwickeln in Abstimmung mit den Kindern Ritua-le bzw. Methoden zur Auswertung der ersten Schul-wochen aus Sicht der Kinder und der Pädagoginnenund planen hierfür ausreichende Zeiten ein.

• Sie tauschen sich mit Eltern – wenn möglich in indivi-duellen Gesprächen und im Beisein des Kindes – überdie Schulerfahrungen der ersten Wo chen aus undbeachten dabei systematisch die verschiedenen Pers -pek tiven: die der Kinder, die der Pädagoginnen unddie der Eltern.

Der tägliche Übergang von der Familienkultur in die Schulkultur

Die Pluralisierung von Lebensformen, die möglichenschnellen Wechsel innerhalb von Familienbiographien,die Flexibilität, die die Arbeitswelt heute von Mütternund Vätern junger Kinder fordert, kollidieren oft mit Vor-stel lun gen von Schule, die auf ein Bild von einer stabilenund geordneten Familie aufbauen. Das Konzept derGanztagsschule gibt zunächst eine strukturelle Antwortauf diese neuen Herausforderungen. Dieses Konzept istjedoch unzureichend, wenn es nicht inhaltlich gefülltwird. Jede Schule sollte daher im Rahmen der Schulpro-grammentwicklung gemeinsam mit Kindern, Eltern,Lehrern und Lehrerinnen, Erzieherinnen und Erziehernsowie den sozial pädagogischen Fachkräften klären, wiedie Konzeption ihrer Schule im Rahmen ihres Leitbildesund mit Blick auf ihren konkreten Kontext ausse hen soll.

Die Pädagoginnen und Pädagogen können dabei mitMüttern und Vätern einen Diskurs darüber eröffnen,welche Bildungs- und Erziehungsleistungen von deröffentlichen Bildungsinstitution Schule erbracht werdensollen und können und was Erziehungs- und Bildungs-leistung der jeweiligen Familie sein soll und kann. Dabeigilt es, die möglichen unterschiedlichen sozialen, kultu-rellen, weltanschaulichen und religiösen Perspektivenzu bedenken und zu berücksichtigen.

Bei sprachlichen Verständigungsproblemen können dieKita-Erzieherinnen oft behilflich sein. Sie haben zum Teilbereits mehrjährige Kontakte zu den El tern und kennenevtl. Personen, die bereit und in der Lage sind, Überset-zungshilfen zu leisten. Auch Erzieherinnen und Lehre-rinnen nichtdeutscher Herkunftssprachen können in derAnfangsphase Sprachbrücken bauen. Es bietet sich dannan, ein Gespräch mit Eltern, Kindern, Kindergarten-Er zie -herinnen und den Pädagoginnen der Grundschule in derKita zu führen.

Aus der Perspektive der Kinder ist wichtig, dass die rea-len Lebenswelten der Kinder im Schulalltag sichtbar wer-den und Raum haben. Wenn die Schule zu ihrer Schulewerden soll, dann muss das, was für sie in ihrem Lebenwichtig ist, in der Schule sichtbar sein und Raum haben.

Für den täglichen Übergang von der Familie in die Schuleund von der Schule in die Familie sollte immer wiederZeit und Raum sein, so dass die Kinder in der Schuleihre Erfahrungen, ihre Fragen und Herausforderungenbearbeiten können.

Konkretionen:• Die Pädagoginnen und Pädagogen nutzen die ersten

Wochen in der Schule, um mit den Kindern ihre Lebens-welt zu erkunden.

• Sie geben den Kindern Gelegenheit, von ihrem Alltagzu berichten.

• Sie geben Zeit und Raum für den Aufbau von Bezie-hungen.

• Sie bieten den Kindern dazu vielfältige sprachlicheund nicht-sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten an.

• Sie dokumentieren mit den Kindern deren Alltagser-fahrungen in der außer schulischen Welt.

• Sie machen diese Dokumentationen in der Schulesichtbar, sofern Kin der und Eltern dies wünschen.

• Sie planen mit den Kindern, welche Aktivitäten zuwelchen Zeiten des Tages an welchen Orten in derSchule möglich sind.

• Sie achten darauf, dass die Bedürfnisse nach Bewe-gung und Entspan nung Raum und Zeit finden.

• Sie wissen dabei um mögliche Probleme von Näheund Distanz und ge hen mit privaten Informationenprofessionell um.

• Sie schaffen für jedes Kind in der Schule einen Ort,an dem private Dinge geschützt und sicher aufbe-wahrt werden können.

Der tägliche Übergang von der Schule zur Familieund die Zwischen zeiten

Nach der Schule – zumindest auf dem Schulweg – erlebenGrundschul kinder einen Teil des Tages in ihrer Nachbar-schaft – außerhalb von Schule und Familie. Die Erfahrun-gen, die sie hier mit ihrer jeweiligen Peergroup machen,sind oft weitaus entscheidender für die Herausbildungihres Selbstkonzepts und ihrer Persönlichkeit als es Schuleund Familie wahrha ben wollen.

Diese nicht pädagogisch gestaltbare und doch so ent-scheidende Soziali sationssphäre zu berücksichtigen, istwohl die größte Herausforderung für Pädagogen. Die

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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unkontrollierten und unkontrollierbaren Zeiten der Kinder:Können und sollen sie zum Thema einer offenen Ganz-tagsschule werden?

Sie können besonders dann zum Thema werden, wennsie von den Kindern selbst eingebracht werden. Wenndie Pädagoginnen und Pädagogen das Einzugsgebietihrer Schule mit den Kindern erkunden und diese Erkun-dun gen und ihre Analysen zum Gegenstand des Bildungs-geschehens in der Schule machen, gilt es, sich dabei aufdie individuell und kulturell ver schie denen Deutungender Realität einzulassen und mit den Kindern darüberzu reden, was ihnen wichtig ist.

Andere Angebote werden von Kindern häufig im Be-reich des Medien konsums gemacht. Wenn sich die Er-wachsenen darauf positiv beziehen und sie zum Gegen-stand von kleineren und größeren Medienprojektenmachen, ist dies ein Beitrag zur Verbindung bisher oftgetrennter Welten.

Konkretionen:• Die Pädagoginnen und Pädagogen erkunden mit den

Kindern deren Le benswelt, insbesondere die Streifräumeim Einzugsbereich der Schule bzw. des Wohngebiets.

• Diese Erkundungen sind Bestandteil des Sachunterrichtsebenso wie von außerunterrichtlichen Aktivitäten.

• Die Pädagoginnen und Pädagogen lassen sich vonKindern zeigen, was die einzelnen Kinder in diesemStreifraum interessant finden, welche Fragen sichihnen stellen, welche Befürchtungen sie evtl. hegen,wel chen Herausforderungen und Risiken die Kinderdort begegnen.

• Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erziehertauschen ihre Er fahrungen aus diesen Erkundungenuntereinander und mit den Kindern aus.

• Sie besprechen im Team, welche Erfahrungen, lebens-praktischen und medialen Kompetenzen welche Kin-der in die Schule mitbringen.

• Sie setzen sich im Team über Ressourcen und Risikenin der Lebens welt der Kinder auseinander.

• Sie überlegen und planen, wie Ressourcen und dieBearbeitung von Risi ken für das Schulgeschehen unddie Bildungsziele genutzt werden können.

• Sie beachten dabei die unterschiedlichen Bewertun-gen von Kindern und Erwachsenen, von Pädagogenund Nicht-Pädagogen und machen sich möglicheeigene Vorurteile bewusst.

Der Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule

In unserem mehrgliedrigen Schulsystem, bestehend ausSekundarschule, Gymnasium und Schulen mit sonder-pädagogischem Förderschwerpunkt, hat die Grund-schule zwangsläufig eine selektive Funktion. Am Endeder Grundschulzeit steht die Entscheidung an, in wel-che der aufbauenden Schulformen ein Kind wechselnsoll. Die Vielgliedrigkeit unse res Schulsystems ist klarhierarchisch. Die besten Chancen hat, wer auf einGymnasium wechselt. Der Besuch einer Förderschulekommt in unserer Gesellschaft schon fast einem Aus-schluss aus der Mehrheitsgesellschaft gleich.

Die in Berlin sechsjährige Grundschulzeit mindert – imVergleich zu einer nur vierjährigen Grundschulzeit – denDruck für Kinder, Pädagoginnen und Eltern, bereits inder Schulanfangsphase auf die Empfehlung für die wei-ter führende Schule zu schauen. Die sechsjährige Grund-schule lässt den Kin dern im Prinzip Zeit, ihre individu-ellen Bildungswege zu gehen. Sie lässt Eltern und Päd-agoginnen Zeit, diese Wege der Kinder gründlich zubeob achten und ihnen genau die Bildungsanregungenzu geben, die sie in ihrer jeweiligen Bildungs- und Ent-wicklungsphase benötigen.

Dennoch sind bei vielen Eltern von Anfang an – und dasbeginnt bereits in der Kindergartenzeit – Erwartungenund Befürchtungen vorhanden, die sich auf die Entschei-dungen über den weiteren Bildungsweg ihres Kindes inder Oberschule beziehen.

Da in der Regel alle Eltern – aus guten Gründen – fürihre Kinder den best möglichen Bildungsabschluss erhof-fen, entsteht hier ein Spannungsfeld, das dem im Über-gang vom Kindergarten zur Grundschule ähnlich ist.Eltern erwarten von den Pädagoginnen und Pädagogender Grundschule, dass ihr Kind die bestmögliche Emp-fehlung für die weiterführende Schule erhält und diehierfür erforderlichen Kompetenzen in der Grundschuleerwirbt. Kinder geraten unter Druck – manchmal früher als es ihrem Entwicklungstempo entspricht. Werden die Bildungsprozesse des einzelnen Kindes mitdem Kind und seinen Eltern regelmäßig ausgewertet,dann wissen Kinder und Eltern bei jeder Etappe derSchulzeit, wo das Kind steht. Im Vergleich zur Halb-tagsschule bietet die offene Ganztagsschule mehr Möglichkeiten, dass jedem Kind individuelle Unterstüt-zung angeboten wird, um die Ziele der nächsten Etappe zu erreichen.

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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Aufgabe der Pädagoginnen und Pädagogen in der Grund-schule ist es, in diesem Spannungsfeld zu allererst dieKinder zu stärken, ihre Potenziale zu erkennen, ihr Ver-trauen in die eigenen Fähigkeiten herauszufordern undzu bestätigen. Gleichzeitig gilt es, die Kinder dazu auf-zufordern, sich selbst in ihren Entwicklungsmöglichkei-ten und ihrer Entwicklungsbereitschaft einzu schätzen.Es wird immer wichtiger, dass Kinder selbst Verantwor-tung für ihren Bildungsweg übernehmen.

Konkretionen:• Die Pädagoginnen und Pädagogen ermutigen und

bestärken jedes Mäd chen und jeden Jungen, seineFähigkeiten und Wissensbestände weiter auszubauen.

• Sie wirken darauf hin, dass die Kinder an einer Auf-gabe hartnäckig dran bleiben und bei Widerständenund anfänglichen Misserfolgen nicht gleich aufgeben.

• Sie entwickeln hierzu eine Kultur des Lernens, in derFehler als natür liche Zwischenschritte auf dem Wegzur vollen Kompetenz begriffen und daher zunächstbesprochen und geklärt und nicht sofort und in jedemFall sanktioniert werden.

• Sie wissen um die gesellschaftlichen und schulischenUrsachen, die eine soziale Benachteiligung in Bildungs-benachteiligung umschlagen lassen.

• Sie wissen ebenfalls um die Zusammenhänge, durchdie für Kinder mit besonderen Begabungen oder fürsolche mit einer Behinderung Bildungsbenachteiligungentsteht.

• Sie geben Kindern aus sozial benachteiligten Lebens-verhältnissen und Kindern mit besonderen Begabun-gen besondere und gezielte Unter stüt zung zur Aus-schöpfung ihrer Bildungs-Potenziale.

• Sie nutzen hierzu gezielt die Möglichkeiten, die dieoffene Ganztags schule durch eine Differenzierungihres Bildungsangebotes insbeson dere am Nachmittagbietet.

• Sie eröffnen den Kindern durch dieses differenzierteAngebot unter schied liche Zugänge zum Erwerb vonKompetenzen und zur Erschlie ßung von Bildungsin-halten.

• Sie erläutern Kindern und ihren Eltern frühzeitig – nichterst im letzten Grundschuljahr – die Voraussetzungenund Möglichkeiten für ihren weiteren Bildungsweg.

• Sie machen transparent, welche Indikatoren sie derBeurteilung der Bil dungsprozesse zu Grunde legen,und nutzen die Möglichkeit der schrift lichen Beurtei-lung, um Kind und Eltern klare Hinweise zu geben,worauf in der nächsten Etappe besonders geachtetwerden sollte.

• Sie besprechen mit dem einzelnen Kind und seinen

Eltern die indivi duel len Bildungsfortschritte und orien-tieren auf die nächste anzu strebende »Etappe« desLernens.

• Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erziehersowie die Eltern be sprechen mit dem Kind, wer wiemit dem Kind arbeiten kann, damit es seine Zieleerreichen kann.

• Sie kooperieren mit Kolleginnen und Kollegen ausweiterführenden Schu len.

• Sie eröffnen so Kindern und Eltern die Möglichkeit,weiterführende Schu len rechtzeitig kennen zu lernen.

• Sie beachten bei der Auswahl besondere Profile wei-terführender Schu len und weisen auf spezielle Bil-dungs- und Unterstützungsange bote an diesen Schu-len hin.

Formelle, informelle und halbformelle Bildungssitua tionen aufeinander abstimmen

Der entscheidende Vorteil der Ganztagsschule – gleichob sie als offene oder gebundene Ganztagsschule orga-nisiert ist – liegt darin, dass Kindern vielfältigere Bil-dungsmöglichkeiten eröffnet werden. Wie im Kapitel 1ausge führt, ist Ganztagsschule nicht einfach mehr vondemselben, was die bis herige Halbtagsschule bietet. DieGanztagsschule ermöglicht qualitativ neue Zugänge zugemeinsamen Bildungsprozessen von Kindern, Pädago-gen, Eltern und anderen Akteuren im Gemeinwesen.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Kinder nicht nur durchUnterricht lernen. Es ist eine weitere Binsenweisheit, dassKinder im Unterricht Anderes ler nen als das, was sie sichin ihren lebensweltlichen Zusammenhängen er schließen.Und es ist klar, dass die Lernwege und die Lernpartnerim Unter richt andere sind, als die in den anderen Lebens-welten der Kinder. Oft blei ben die verschiedenen Weltender Kinder getrennt. Die offene Ganz tags schule bietetMöglichkeiten, formelle und informelle Bildungsprozessemit einander zu verbinden und die Erfahrungen, die Kin-der an verschie denen Orten machen, zu verknüpfen.13

Formelle Bildungssituationen

Formelle Bildungssituationen sind die für alle Kinder einerLerngemein schaft obligatorischen und von Pädagogen ge-planten und organisierten Lernsituationen. Der klassischeFrontalunterricht zählt in erster Linie zu die ser Kategorie.Aber auch andere Formen des Unterrichts – wie zeitweiseGruppenarbeit, Freiarbeit, Wochenplan-Arbeit … – gehö-

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13 Vergleiche Bundesjugendkuratorium (2001), a .a. O.

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ren dazu. Denn Inhalte, Ziele und Zeiten sind hier vonden Pädagogen vorgegeben und werden in der einenoder anderen Weise auf ihre Erfüllung hin kontrolliert.

Im Unterricht begegnen Kinder einem durch die Rahmen-lehrpläne abge steckten Spektrum von Bildungsinhalten,sie begegnen auch – immer ver mittelt über die Lehrerin-nen und Lehrer – Erwartungen an ihre Kompeten zen, diein Bildungsstandards definiert sind und deren Erreichungvon den Pädagogen geprüft wird.

Informelle Bildungssituationen

Informelles Lernen ist selbstbestimmtes, ungeplantesLernen in den viel schichtigen Alltagssituationen, denenKinder begegnen. Kinder eignen sich im Alltag vielfältigesWissen und ein breites Spektrum von Fähigkeiten an.

Meist ist den Kindern in diesen Situationen nicht bewusst,dass sie lernen und wie sie lernen. Sie handeln, um einealltägliche Situation eigenständig und/oder gemeinsammit Anderen zu bewältigen. Das Lernen geschieht ne-benbei und immer aus eigenem Interesse. Je anregen-der und heraus fordernder ihr Alltag ist, umso vielfälti-ger werden die Kompetenzen sein, die sie erwerben.

Informelle Bildungssituationen sind somit von Kindernselbst gewählte und selbst initiierte Vorhaben, in denendie Kinder frei entscheiden, was sie mit wem tun wollen.Zu diesen informellen Bildungssituationen gehört vorallem das Spielen. Im Spiel setzen sich die Kinder alleinund in selbstgewählten Gruppen mit ihrer Lebensrealitätauseinander. Besonders im Rollenspiel probieren sie sichin wechselnden Perspektiven, sie genießen die Möglich-keit, im Spiel ihre Welt neu zu zu erfinden. Das Spielsetzt in herausragender Weise die schöpferischen Kräfteder Kinder frei; es erlaubt ihnen, ihre Welt auf Probe nacheigenen Vorstellungen zu gestalten und sich mit mög li-chen Konsequenzen ihres Handelns auseinanderzuset-zen. In der offenen Ganztagsgrundschule benötigen dieKinder ausreichend Zeit und Raum für freies Spiel, fürungestörtes Zusammensein mit Freundinnen und Freun-den, für die Verständigung darüber, wie sie ihre Zeit inder Schule mit den ande ren gestalten wollen.

Informelles Lernen ist dadurch gekennzeichnet, dass dasErgebnis des Lernprozesses wenig vorhersehbar unddeshalb kaum planbar und auch nicht kontrollierbar ist.In der offenen Ganztagsschule finden informelle Bil-dungsprozesse mehr als in der bisherigen Halbtags-schule innerhalb der Schule statt. Darin liegen Chancenund Risiken.

Die Chancen liegen darin, dass die Erwachsenen regel-mäßig die Möglich keit haben, Kinder in unterschiedlichenKontexten zu erleben. Die Erfahrung vieler Lehrerinnenund Lehrer von Klassenreisen: »Ich habe dieses Kind voneiner ganz anderen Seite kennen gelernt als im Unter-richt« oder »Ich habe dieses Kind ganz neu entdeckt«wird alltäglicher. Die Sichtweise auf die ein zelnen Kinderwird so kontinuierlich erweitert. Es ergeben sich mehrMög lichkeiten einer von Leistungserwartungen freienKommunikation zwischen Kindern und erwachsenenBezugspersonen. Lehrerinnen und Lehrer kön nen sichzeitweise von ihrer Rolle als Unterrichtende lösen unddem Kind als Interessierte und als Beteiligte begegnen.

Die Kinder erhalten die Möglichkeit, Lehrerinnen undLehrer nicht nur als Vermittlerinnen und Vermittler vonUnterrichtsinhalten zu erleben. Sie erfah ren Lehrerinnenund Lehrer ebenso wie die Erzieherinnen und Er zieherals Vertraute, mit denen sie über die sie bewegendenFragen sprechen kön nen.

Die Risiken bestehen darin, dass die Erfahrungen der Kin-der immer mehr in von Erwachsenen kontrollierten Räu-men stattfinden. Der Begriff Raum ist hier sowohl ineinem physischen Sinn wie in einem mentalen Sinn zuse hen. In der Ganztagsschule leben die Mädchen undJungen einen länge ren Teil ihres Tages in (mehr oder we-niger gut) pädagogisch gestalteten Räu men, sie stehenunter Aufsicht von pädagogisch qualifizierten Erwach se-nen. Was in diesen Räumen stattfinden kann – und wasnicht – ist damit pädagogisch kontrolliert. Damit einhergeht immer eine von Erwachsenen vorgenommene Be-grenzung der Themen für informelles Lernen.

Halbformelle Bildungssituationen – PädagogischeAngebote, zwi schen denen die Kinder wählen können

Die offene Ganztagsschule bietet in besonderem Maßedie Möglichkeit, for melles und informelles Lernen in Ver-bindung zu bringen. In halbformellen Bildungssituationenwerden die Themen der Kinder zum Gegenstand derpädagogischen Arbeit. Durch verschiedene thematischeAngebote, zwi schen denen die Kinder wählen können,haben die Mädchen und Jungen Gelegenheit, den sieinteressierenden Themen nachzugehen und sie mit pro-fessioneller Hilfe zu vertiefen.

Im Unterricht ebenso wie im offenen Ganztagsbetriebkann allen möglichen Sachfragen nachgegangen werden,die für die Kinder von herausragendem Interesse sind,zum Beispiel »Warum haben die Menschen unterschied-liche Haut farben, unterschiedliche Religionen, unter-

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schiedliche Sprachen …?«, »Wa rum wird es bei uns imWinter so früh dunkel und warum ist das in anderenLändern anders?«, »Warum können Vögel fliegen unddie Menschen nicht (obwohl Menschen und VögelZweibeiner sind)?«.

Besonders wichtig wird es hier, dass die in der Schulearbeitenden Pädago ginnen und Pädagogen gemeinsammit Kindern und Eltern analysieren, welches die bedeut-samen Themen für die unterschiedlichen Gruppen vonKindern sind: für Jungen und Mädchen, für Kinder unter-schiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, für Kinderverschiedener Altersgruppen, für Kinder mit verschiede-nen Begabungen …

Wenn Lehrerinnen und sozialpädagogische Fachkräftegemeinsam planen und ihre Aktivitäten aufeinander ab-stimmen, können sich formelle und infor melle Bildungs-prozesse der Kinder wechselseitig ergänzen. Die Themenund Interessen der Kinder, die die Pädagoginnen und Päd-agogen in den informellen und halbformellen Situationenin Erfahrung bringen, können wertvolle Hinweise für denUnterricht geben. Welche Fragen bewegen die Kinder, waskann der Unterricht zur Klärung der Fragen beitragen?Und im Gegenzug: Welche Fragen sind im Unterricht ent-standen und wie können sie in einem Nachmittagsange-bot – mit anderen Methoden – weiter verfolgt werden?

Relevante Themen in Projekten interdisziplinärbe arbei ten

Projektarbeit in der offenen Ganztagsgrundschule

Die offene Ganztagsgrundschule eignet sich besonders,um die Arbeit in Projekten zu einem festen Bestandteildes Bildungsgeschehens in der Schule werden zu lassen.Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass Men schen mitden unterschiedlichsten Erfahrungen und Kompetenzen,Kinder aus unterschiedlichen Alters- und Entwicklungs-gruppen, Erwach sene aus verschiedenen Berufsspartengemeinsam an einer Frage und ihrer Prob lemlösung oderan einem gemeinsamen für alle Beteiligten wich tigenVor haben oder Produkt arbeiten. Das Mehr an Zeit, dasKinder und Pädago ginnen und Pädagogen gemeinsamin der Schule verbringen und die damit gegebenen Mög-lichkeiten einer flexibleren Nutzung der Zeit, bieten guteVoraussetzungen für Projektarbeit. In Projekten arbeitenkleine Gruppen, bestehend aus Kindern und Erwachse-nen, arbeitsteilig an diesem Vorha ben, so dass Kinder undErwachsene, die länger bzw. kürzer und zu ver schiedenenZeiten in der Schule anwesend sind, diese unterschiedli-chen Zeiten für ihre Teilvorhaben nutzen können.

Projektvorhaben mit Kindern entwickeln

In Projekten setzen sich Kinder und Erwachsene zielge-richtet und mit viel fältigen Methoden über einen länge-ren Zeitraum mit einem Vorhaben aus einander, das ausder Lebensrealität der Kinder stammt oder zukünftig zuihrer Realität gehören könnte. Projektarbeit unterstütztKinder darin, diesen Teil ihrer Welt eigenständig und so-zial verantwortlich zu gestalten. Die Wahl der konkretenVorhaben für ein Projekt geschieht mit den Kindern. The-men können aus konkreten Anlässen entwickelt werden,bei denen die Kinder ihre Interessen, Fragen, Wünscheoder Befürchtungen äußern, zum Beispiel »Was machtFreundschaft aus?«, »Wie kann ich Diskriminierung undAusgrenzung vermeiden und verhindern?«, »Was brau-che ich, um mich in der Schule und auf dem Schulwegwohl zu fühlen?«, »Wie kann ich mich wehren, wenn ichbeleidigt oder angegriffen werde?«, »Wie können wirzu Geld für eine Tisch tennisplatte, für unsere Wunsch-klassenreise … kommen?«.

Themen oder Problemstellungen können auch von denPädagoginnen und Pädagogen an die Kinder herange-tragen werden, weil sie für das Auf wach sen der Kinderin dieser Gesellschaft und für die Erweiterung ihrer Welt-sicht wichtig sind. Fragen und Probleme, die bisher viel-leicht noch nicht im Erfah rungsfeld aller Kinder sind, eszukünftig aber vermutlich sein werden oder werden könn-ten, können präventiv bearbeitet werden, zum Beispiel»Was können wir in unserer Schule/zu Hause dazu bei-tragen, dass die Umwelt nicht weiter zerstört wird –und wer sonst muss dabei mitmachen?«, »Wie könnenwir unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sichern?«,»Welche Lebens entwürfe zeigt uns die Werbung undwas halten wir davon?«

Ein Projektvorhaben kann auch darin bestehen, dassKinder und Erwach sene ein gemeinsames Produkt erar-beiten, das ihnen wichtig ist, zum Beispiel ei nen Teil ihrerSchule oder des Schulhofs umgestalten, ein eigenes Buchproduzieren, einen Schülertreff oder eine Schülerzeitunggründen, einen ausgeschriebenen Wettbewerb mitma-chen oder selbst einen Wettbewerb initiieren.

Projekte thematisieren Schlüsselsituationen undsichern exemplari sches Lernen

Immer haben Projektvorhaben einen direkten Bezug zurLebenswelt. Sie beziehen sich auf sogenannte Schlüssel-situationen im Leben der Kinder. Schlüs selsituationensind Ausschnitte der sozialen und medialen Wirklichkeitder erfahrbaren Welt, in der die Kinder mit den Erwachse-

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nen leben. In ihrer Bearbeitung können Kinder und diemit ihnen arbeitenden Erwachsenen Kompetenzen er-werben, die sachbezogenes Lernen mit der Veränderungund Gestaltung sozialer Lebenswirklichkeit verbinden.Das Lernen an Schlüsselsituationen ist exemplarischesLernen. Die in einem Projekt erworbenen Kompetenzenkönnen zur Lösung neu auftauchender Prob leme ge-nutzt werden. Der Transfer der in einem Projekt erworbe-nen Wis sens- und Erfahrungs be stände in einen neuenund anderen Kontext ist wesentliche Grundlage für denErwerb lernmethodischer Kompetenzen.

Projektarbeit ist Lernen in der Wirklichkeit

Lernen in Projekten ist forschendes und entdeckendesLernen in realen Lebenssituationen. Das Ergebnis stehtnicht schon im Vorhinein fest, son dern entwickelt sichim Prozess. Die Lernarrangements befördern das Ler nenmit allen Sinnen und lassen Raum und Zeit für spontaneIdeen der Kin der. Eigensinnige – bisweilen auch skurrilerscheinende – Ideen oder Theo riebildungen von Kin-dern haben in einem Projekt Raum und Zeit. Kinder kön-nen ihre Ideen und Theorien selbst weiterentwickeln,überprüfen, bestä tigen oder verwerfen. Die am Projektbeteiligten Erwachsenen sollten sich dabei einer vor-schnellen Bewertung nach richtig oder falsch ent haltenund sich zunächst auf die Theoriebildungen von Kin-dern einlassen. Kinder sollen Raum, Zeit und Gelegen-heiten haben, ihre Theorien selbst empirisch zu über-prüfen.

Im Projekt sind Kinder und Erwachsene Lehrendeund Lernende zugleich

In einem Projekt stoßen Kinder oder Erwachsene manch-mal auf Phäno mene, die auch die beteiligten Erwachse-nen nicht erklären können. Oder sie entwickeln Fragen,auf die Erwachsene keine Antwort parat haben. Wenndie Erwachsenen ihre Unkenntnis nicht vertuschen, son-dern ihre vor handenen Erfahrungen und ihr erworbenesWissen zur Verfügung stellen, damit gemeinsam mit denKindern nach Antworten gesucht werden kann, zeigensie den Kindern, dass Lernen im Austausch von gewon-nener Erfah rung und im gemeinsamen Suchen nachAntworten auf neue Fragen ge schehen kann.

Projektarbeit bietet so besondere Gelegenheiten, dassKinder erfahren können, dass sie selbst mit ihren Fragenund ihrer Suche nach Antworten etwas auslösen undbewirken können.

Stadt als Schule

In Projekten werden vielfältige Lernorte innerhalb undaußerhalb der Schule genutzt und Personen aus demGemeinwesen oder Experten aus anderen Bereichen desgesellschaftlichen Lebens einbezogen. Eltern oder andereFamilienmitglieder können mit ihren spezifischen Kennt-nissen und Erfah rungen das Projekt erweitern. Das unmit-telbare soziale, kulturelle und wirt schaftliche Umfeld derSchule, kulturelle, wirtschaftliche, wissenschaftliche undsoziale Institutionen und Experten aus der Stadt könnenim Rahmen eines Projekts besucht oder in die Schule ein-geladen werden. Projekte nut zen die Stadt als Schule.

Projektarbeit als integraler Bestandteil der Bildungs- und Erziehungs arbeit in der offenen Ganztagsgrundschule

Für Projektarbeit können die üblichen Klassenverbändezeitweise zu Gunsten von thematischen Arbeitsgruppenaufgelöst werden. Projekte kön nen aber auch im Rahmender Arbeit innerhalb eines Klassenverbandes stattfinden.

Charakteristisch für Projektarbeit ist, dass die Bearbei-tung des Vorhabens entlang der Fragen und der Bildungs-und Erkenntnisprozesse der Kinder erfolgt. Ihre Logik undnicht die Logik der Fächer oder Lernbereiche ist der ersteWegweiser. Projektarbeit fordert von den Pädagogen undPädago ginnen, dass sie ihre Kenntnisse und Erfahrungenkonsequent in den Dienst der kindlichen Fragen undTheoriebildungen stellen. In einem Projekt wird Fach-wissen nicht einfach vermittelt, sondern im konkretenAnwen dungsfall von und mit den Kindern erarbeitet undsofort daraufhin überprüft, ob und wie es zur Lösungrealer Probleme hilfreich ist.

Projektplanung

Bei der Planung eines Projekts ist es wichtig, dass die Leh-rerinnen und Lehrer zusammen mit den Erzieherinnenund Erziehern beraten, welche Lerninhalte aus welchenFächern bei der Bearbeitung des Projekts heran gezogenund welche Erfahrungen und Kompetenzen der Kinderaus infor mellen und nichtformellen Bildungssituationenhinzugenommen werden kön nen. Sie beraten mit denKindern, welche Aktivitäten zum Thema passen undnehmen die Ideen und Vorschläge der Kinder auf. Sieverab reden, wer zu welcher Zeit an welchem Ort wel-che Aktivitäten anbietet.

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Projekt-Dokumentation

Damit in dem vielschichtigen und für verschiedene Kinderdurchaus un gleichzeitigen Verlauf eines Projektes alleBeteiligten jederzeit einen Über blick haben, was wann,wo, mit wem stattfindet, müssen die Pädagoginnen undPädagogen die Planung fortlaufend mit den Kinderndokumentieren und diese Planung auch sichtbar machen.

Bei der Dokumentation der einzelnen Projektschritte bie-tet sich die Ge le genheit, mit den Kindern auszuwerten,welche Kenntnisse und Erfah rungen sie erworben haben,was ihnen wichtig war und welche Fragen, Ideen undWünsche sie für den weiteren Verlauf des Projekts haben.

Die Projektergebnisse können einem größeren Publikumpräsentiert wer den, zum Beispiel der gesamten Schüler-schaft und dem Kollegium, den Eltern. Auch öf fentlichePräsentationen, zum Beispiel im Rathaus, bieten sich an.

Konkretionen:• Wahl des Themas und Analyse• Die Pädagoginnen und Pädagogen wählen mit den

Kindern Vorhaben aus, die in einem Projekt erarbeitetwerden sollen.

• Dazu erfassen sie durch Beobachtungen und Gesprä-che mit den Kindern, welche Fragen, Interessen undBedürfnisse die Kinder haben, welches Le bensthemasie aktuell beschäftigt.

• Sie setzen sich mit aktuellen wissenschaftlichenErkenntnissen zum Thema auseinander.

• Ziele konkretisieren• Die Pädagoginnen und Pädagogen analysieren, wel-

che Kompetenzen Kin der in der Bearbeitung des Vor-habens erwerben können. Dazu übertragen sie sowohldie Ziele der Rahmenlehrpläne wie die Ziele der erzie-herischen Tätigkeiten auf das Projektvorhaben.

• Sie differenzieren die Ziele entsprechend des Lern-und Entwicklungs stan des der einzelnen Kinder.

• Handlungsschritte planen• Die Pädagoginnen und Pädagogen führen mit den

Kindern und nach Mög lichkeit mit den Eltern eineAufgabensammlung zum Projektvorhaben durch.

• Sie überlegen, welche Aktivitäten zum Projekt passenund wer was beitragen kann.

• Sie planen mit den Kindern differenzierte Tätigkeitenfür Klein- und Groß gruppen.

• Sie strukturieren Räume und Material so, dass dieKinder vielfältige Mög lichkeiten zum selbstbestimmten

Bearbeiten des Projektvorhabens vor finden. • Sie machen sichtbar, welche Aktionsmöglichkeiten

wann, wo, mit wem vor handen sind.

• Dokumentation und Auswertung• Die Pädagoginnen und Pädagogen dokumentieren

die einzelnen Projekt schritte mit den Kindern.• Dabei werten sie mit den Kindern aus, welche Kennt-

nisse sie erworben ha ben und welche Erfahrungenihnen wichtig waren.

• Sie besprechen mit den Kindern, welche Fragen undIdeen sie im weiteren Verlauf des Projekts bearbeitenwollen.

Schulaufgaben als Beitrag zur Selbstständig-keitsförde rung der Kinder organisieren

In einer Schule, in der viele Kinder täglich bis 16.00 odergar 18.00 Uhr ver weilen, kann es keine Hausaufgabenin einem sehr traditionellen (und zu gleich beschränkten)Sinn mehr geben, zum Beispiel mechanische Übungs-auf ga ben, die zu Hause erledigt werden, um Wissen zufestigen oder einzelne Fertigkeiten zu perfektionieren.Andererseits zeigt die Erfahrung, dass – al ler Kritik anden Hausaufgaben zum Trotz14 – die Schule ohne solcheÜbungsformen nicht auszukommen scheint. Vokabelnim Fremdsprachen unterricht beispielsweise müssen eben-so individuell trainiert werden wie bestimmte Rechen-verfahren oder die eigenständige Produktion von Texten.Auch anspruchsvollere Aufgaben wie die eigenständigeunterrichtsvor- oder -nachbereitende Sachrecherchesowie das Besorgen von Informationen und Materialienaller Art für den Unterricht durch die Kinder gehörenzum schulischen Lernen. Sie wurden früher häufig denKindern als Hausauf gaben aufgegeben, müssten aber inder offenen Ganztagsschule richtiger weise eher Schul-aufgaben heißen.

In der offenen Ganztagsschule entsteht hier leicht einKonfliktfeld, wenn Lehrerinnen und Lehrer im Vormittags-unterricht an überkommenen, lehrer zentrierten Unter-richtskonzepten festhalten und davon ausgehen, dass dieSchülerinnen und Schüler das Üben oder andere Formenselbständigen Arbeitens vorwiegend am Nachmittagerledigen sollten. Noch heikler wird die Situation, wenndie Kinder als Hausaufgabe aufgetragen bekommen,Dinge nachmittags (und das unterstellt dann meistens:daheim) fertig zu machen, die man im gemeinsamenUnterricht am Vormittag nicht ganz ge schafft hat. Insolchen Fällen wird allzu oft ungeprüft vorausgesetzt,

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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14 Zur Diskussion über den Sinn und Unsinn von Hausaufgaben siehe Lipowsky (2004) sowie Hausaufgaben – Kindersache (2004).

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dass die Kinder diese Aufgaben entweder ohne jede Hilfebewältigen können oder aber im Elternhaus über dienötige Unterstützung verfügen würden bzw. müssten.Die Forschung zur Bildungsbenachteiligung von Kindernaus den unteren Sozialschichten belegt, dass diese Voraus-setzung für viele Kinder nicht zutrifft. Sie brauchen dieUnterstützung von professionellen Pädagoginnen undPädagogen auch bei der Anfertigung von Übungsauf-gaben oder selbständigen Produktionen.

Nun ist in der offenen Ganztagsgrundschule auch amNachmittag profes sionelles pädagogisches Personal ver-fügbar. Es sieht sich allerdings häufig mit äußerst wider-sprüchlichen Erwartungen seitens der Eltern konfrontiert:Manche Eltern wollen sehr gerne noch nach der SchuleHausaufgaben mit ihren Kindern machen, um so einenständigen Einblick in deren schulische Entwicklung zuerhalten. Andere Eltern erwarten von den Erzieherinnenim Ganztagsbetrieb, dass diese für die komplette Erledi-gung der Hausauf gaben Sorge tragen, nachdem dieEltern ja für die Nachmittagsmodule be zahlen müssen.In der Praxis fühlen sich die Erzieherinnen dann häufigzu pädagogischen Ausputzern der Vormittagsschuledegradiert, die haupt sächlich mit der Überwachung derHausaufgaben befasst sind. Dies gilt insbesondere, wenndie Lehrerinnen und Lehrer den Kindern am Vormittagohne jede Rücksprache mit den Erzieherinnen und ohnejede Rücksicht auf das Nachmittagsprogramm der SchuleAufgaben erteilen, so dass den Er zieherinnen am Nach-mittag für die Durchführung anspruchsvoller unter richts-ergänzender Bildungsangebote gar keine Zeit mehr bleibt.

Wiederum zeigt sich, dass die Einführung der offenenGanztagsgrund schule nur Erfolg verspricht, wenn sie miteiner pädagogischen Runder neuerung der Grundschuleeinhergeht und jene Organisationsformen mo dernenGrundschulunterrichts jetzt überall eingeführt werden,die reform orientierte Grundschulen schon seit Mitte der1970er Jahre praktizieren. Sie greifen auf Jahrzehntealte Erfahrungen eines individualisierten Lernens zurückbeispielsweise nach Maria Montessori, Célestin Freinet,Peter Pe tersen oder anderen. In der rhythmisierten Grund-schule können all die indi viduellen Übungs-, Recherche-und Produktionsaufgaben, die die Kinder einzeln undmöglichst selbständig leisten sollen, problemlos in dieFreiarbeit integriert werden. Dies setzt lediglich voraus,dass es in jeder Schulklasse jeden Tag hinreichend langeFreiarbeitszeiten gibt. Diese Zeiten müssen auch nichtauf den Nachmittag beschränkt bleiben, sondern solltensich vielmehr mit Zeiten gemeinsamen Arbeitens im ge-schlossenen Klassen verband rhythmisch abwechseln.15

Schülerinnen und Schüler lernen so von Anfang an Bei-des als gleichrangige und gleich wichtige Lernform ken-nen: das Lernen im Dialog als gemeinsames Nachden-ken über die Welt im Klas senverband und das eigenver-antwortliche Lernen in der Einzel- oder Klein gruppenar-beit im Rahmen der freien Phasen.

Wenn – wie in diesem Bildungsprogramm durchgängigempfohlen – Lehrer und Erzieher Klassenteams bilden, diedie ganztägige Bildungsarbeit »ihrer« Klasse oder Lern-gruppe gemeinsam planen und verantworten, kann zu -gleich die besondere Kompetenz der Erzieherin auf spe-ziellen Gebieten auch voll ausgenutzt werden: Währenddie Erzieherin beispielsweise mit einer Schülergruppe dieSchulzeitung produziert, ein Theaterstück einübt oder amBiotop auf dem Schulgelände mit den Kindern natur-wissenschaft liche Forschung betreibt, kann die Lehrerinden anderen Kindern in der Freiarbeit bei ihren Übungs-aufgaben helfen oder mit einzelnen von ihnen eine ver-säumte Lektion in irgendeinem Unterrichtsfach nachho-len (vergleiche auch Kapitel Formelle, informelle und halb-formelle Bildungssituationen aufeinander abstimmen).

Man sieht erneut, dass die Einführung der offenen Ganz-tagsgrundschule eine andere Unterrichtskultur als die dertraditionellen Halbtagsschule nahe legt: Hausaufgabengibt es in dieser Schule nicht mehr, wohl aber indivi duelleAufträge aus Projektkontexten und Übungsaufgaben, diedie Schü lerinnen und Schüler weitgehend selbständig undvorwiegend in eigener Zeiteinteilung erledigen müssen.Dafür müssen natürlich entsprechende Freiarbeitszeiteneingerichtet werden – am Vormittag wie am Nachmittag.Auftrag der Pädagoginnen und Pädagogen in der offenenGanztagsgrund schule ist hier nicht mehr die »Überwa-chung« der Schülerinnen und Schüler bei ihrer Arbeit,sondern die Anleitung und Unterstützung der Kinderbei der möglichst selbständigen Bewältigung differen-zierter Aufgaben im Rahmen der Freiarbeitszeiten (sieheauch Kapitel Übergänge und Verbindungen zwischenFamilie und offener Ganztagsschule schaffen).

Kinder mit besonderem Förderbedarf integrie-ren

Die Grundschule ist in Deutschland seit der WeimarerReichsverfassung von 1919 eine gemeinsame Schule füralle Kinder des Volkes. Allerdings waren Kinder mit gra-vierenden Behinderungen zunächst von der gemein samenGrundschule ausgenommen. Das Berliner Schulgesetz hatdiesen Zustand erst 1990 korrigiert. Inzwischen ist die

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15 Siehe Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten.

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gemeinsame Bildung und Erziehung von Kindern mit undohne Behinderungen in Berlin der Regelfall; Kinder mitBehinderungen können allerdings auch in einer Schulemit einem sonderpädagogischen Förderschwerpunktaufgenommen werden, wenn das Kind an einer solchenSchule besser gefördert werden kann oder die Elterndies wünschen.

Kinder mit besonderen Lernpotenzialen und Begabungenhaben ebenfalls ein Recht auf ihren Fähigkeiten ange-passte Lernangebote – und zwar ebenfalls nicht nur inder Kernzeit des gemeinsamen Unterrichts, sondern überden ganzen Schultag hinweg.

Der Anspruch der gemeinsamen Bildung von Kindern mitund ohne Behin derung sowie solcher mit besonderenFähigkeiten ist eindeutig: Es geht darum, die Selbstbe-stimmung und gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder amLeben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligun-gen zu vermei den oder ihnen entgegenzuwirken. Inso-fern reicht es nicht aus, die Kinder mit und ohne sonder-pädagogischen Förderbedarf nur räumlich zusammen-zu fassen. Eine Pädagogik der Inklusion strebt primär undso weit wie eben möglich an, die Kinder auch auf derSinnebene der im Unterricht verhan delten Inhalte inlernfördernden Diskursen zusammenzuführen und mitund von einander lernen zu lassen, um ihre Teilhabe anallen gesellschaftlichen Errungenschaften so gut wieeben möglich sicherzustellen.

Pädagogische Einrichtungen, die sich auf den Weg zurinklusiven Pädago gik begeben möchten, finden zahlrei-che Anregungen in dem Ende der 1990er Jahre in Groß-britannien entwickelten »Index für Inklusion« der inzwi-schen weltweit verwendet wird und von dem es aucheine für deutsche Verhältnisse adaptierte Version gibt.Hier erhalten sie Anleitung und Er folgskriterien, uminklusive Kulturen zu schaffen, inklusive Strukturen zuetablieren und inklusive Praktiken zu entwickeln.16

So, wie für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mitund ohne Behin derungen vorgesehen ist, dass dieser – inAbhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall – zielgleich oderzieldifferent erfolgen kann, ist eine solche Diffe renzierungauch für die unterrichtsergänzenden Bildungsangebotein der offenen Ganztagsgrundschule sinnvoll. Es ist nichtzu rechtfertigen, wenn die unterrichtsergänzenden An-gebote auf die besonderen Lernpotenziale der schnell

lernenden Kinder oder die besonderen Förderbedarfevon Kin dern mit Behinderung überhaupt nicht eingehenund diese dann im schlimmsten Fall irgendwo »abgestellt«oder »irgendwie« beschäftigt werden. Schnell lernendeKinder und solche mit Behinderungen haben – wie alleanderen Kinder – über die gesamte Verweildauer in derSchule hinweg ei nen Anspruch auf hochwertige Bildungs-angebote und eine auf ihre jeweilige Lebens- und Lern-situation abgestimmte professionelle Versorgung. So wirdes zumindest im Schulgesetz und in der »Verordnungüber die sonderpäd agogische Förderung« verlangt.17

Erneut wird erkennbar, dass diese Angebote nur im Teamgeplant werden können. Denn für die Kinder mit Behin-derungen haben viele Menschen zugleich Verantwortung:Lehrerinnen, Sonderpädagogen, Erzieherinnen, Schul-helfer, Facherzieherinnen und -erzieher für Integration,Heilpädago gen, Therapeuten, die Eltern und andere Men-schen mehr. Wenn diese sich nicht regelmäßig sorgfältigmiteinander absprechen, droht das Kind zwi schen unter-schiedlichen Bezugspersonen mit unterschiedlichstenNormen, Erwartungen und Erziehungsvorstellungen hin-und hergerissen zu werden, ohne je ein in sich konsisten-tes Bildungsangebot zu erfahren. Damit würden sie zu-sätzlich benachteiligt und in ihrer Entwicklung behindert.18

Die individuellen Förderpläne für die einzelnen Kindermüssen mithin den Vor- und den Nachmittag umfassen– was schlechterdings nur im Team planbar ist (verglei-che hierzu im Einzelnen Kapitel Kooperationen gestalten).Wie die Erfahrungen von Schulen, die schon so handeln,zeigen, wirkt sich der Mehraufwand an Planungszeit, derhierfür benötigt wird, in der konkreten Arbeit mit denSchülerinnen und Schülern meist spürbar entlastend aus.Dabei kann die Aufteilung des Kollegiums in weitgehendselbst verant wortliche Kleinteams nach dem sogenann-ten »Team-Kleingruppenmodell«, wie Erfahrungen ausder Sekundarstufe zeigen, eine solche Zusammen arbeiterheblich vereinfachen (vergleiche auch Kapitel Koope-rationen gestalten). Im Team-Kleingruppenmodell ist esauch leichter sicherzu stel len, dass sich im VertretungsfallKolleginnen oder Kollegen zur Verfügung stellen, die mitden besonderen Bedürfnissen der Kinder mit Behinderun-gen sowie der besonders begabten Kinder jeweils bereitsvertraut und im Um gang mit ihnen geschult sind.19

Immer wenn die Schülerinnen und Schüler im Laufe desTages die Be zugsgruppen oder Bezugspersonen wechseln,

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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16 Vergleiche: http://www.eenet.org.uk/index_inclusion/Index%20German.pdf.17 Vergleiche § 2 (2) SopädVO vom 19.1.2005 sowie § 4 Abs. 3 Satz 1 im Schulgesetz für Berlin.18 Siehe als Beispiel einer gelingenden Kooperation den Erfahrungsbericht Auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel im Teil B, Dokument 3.19 Zum Team-Kleingruppenmodell siehe Liebau (1981), Ratzki (1990), Schlömerkemper (1995) und Uflerbäumer (1985).

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ist es wichtig, Überschnei dungszeiten für die verschiede-nen Mitarbeiter vorzusehen, so dass diese sich über dieAktivitäten und Bildungsprozesse der vorangegangenenStun den kurz austauschen können und die Kinder nichteinfach »weitergereicht«, sondern in Ruhe »übergeben«werden. Mancher kleine Hinweis über die Freuden undSorgen, die Erkenntnisse und offen gebliebenen Fragen,den aktuellen Zustand und das Wohlbefinden oderUnwohlsein einzelner Kinder von der scheidenden Päd-agogin an die Fachkraft der nächsten Phase hel fen dieser,die Kinder besser zu verstehen und auf ihre aktuellenBedürf nisse besser eingehen zu können. Ohne solcheGespräche ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, Bil-dung als ein Kontinuum von zielgerichteten Lern erfah-rungen möglich zu machen.

Für manche Kinder mit Behinderungen ist der nach wievor verbreitete Zeittakt – morgens kontinuierlich obli-gatorischer Unterricht durch die Lehre rinnen und Lehrer,nachmittags unterrichtsergänzende Bildungsangebotedurch Erzieherinnen und sonstige pädagogische Fach-kräfte – sehr anstren gend. Für diese Kinder gilt mehr nochals für alle übrigen, dass nur ein rhythmisierter Ganztagjene Balance zwischen Anstrengung im Unterricht undin den unterrichtsergänzenden Bildungsangeboten, frei-em Spiel und Erholungsphasen leisten kann, die einenganztägigen Aufenthalt in der Schule erst erträglich ma-chen. Kinder, die mehr Ruhe brauchen als andere, müs-sen auch in der Schule mehr Ruhe bekommen können;solche, die be sonders viel Bewegung brauchen, müssengenügend Gelegenheiten zur Bewegung erhalten. Hier-zu wird weiter unten Näheres ausgeführt (vergleicheKapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten).

Häufig benötigen die Kinder mit besonderem Förderbe-darf in der Praxis Unterstützung durch zusätzliches son-derpädagogisches Fachpersonal. Dieses muss derzeit nochin getrennten Antragsverfahren für die schuli schen Zeiten(durch Sonderpädagoginnen und Lehrerinnen) einerseitssowie für die ergänzende Förderung und Betreuung vorund nach der Schule (durch Facherzieherinnen für Inte-gration) andererseits bewilligt werden. Die for male Fest-stellung einer Behinderung zum Zwecke der Ressourcen-siche rung kann die Eltern und das betroffene Kind aberstark belasten und führt im Einzelfall sogar dazu, dassEltern manifeste Behinderungen ihrer Kinder bisweilenkaschieren. Denn die Verfahren zur Feststellung einessonder pädagogischen Förderbedarfs bergen immer dieGefahr einer Etikettierung des Kindes. Etikettierung istaber, wenn sie statisch zuschreibend verstanden wird,mit Pädagogik prinzipiell nicht vereinbar, sondern stehtin einem diametralen Gegensatz zu dieser. Eine zügigeund nutzerfreundliche Bearbeitung der beiden Antrags-

verfahren unterstützt mit hin Kinder und Eltern, trägt zurMinimierung möglicher emotionaler Belas tungen beiund reduziert den Verwaltungsaufwand.

Für all die Kinder, die bereits in der Kindertagesstättezusätzliches Fach personal erhalten haben, empfiehlt sichdaher, eine entsprechende Fest stellung automatisch mitder Schulanmeldung vorzunehmen. In der Regel solltehier keine zusätzliche Prüfung mehr notwendig sein. Da-bei ist ein festgestellter zusätzlicher Personalbedarf, unab-hängig ob im Rahmen von ergänzender Förderung undBetreuung oder im Rahmen von Schulzeiten, grundsätz-lich als Indiz für einen Personalmehrbedarf im jeweilsanderen Bereich zu werten – und entsprechend auto-matisch zu prüfen.

Besonders im Hinblick auf die sensiblen Belange der Kin-der mit Behinde rungen, muss sichergestellt sein, dassdas ihnen zustehende sonderpäd agogische Fachperso-nal bereits mit Eintritt des Kindes in die Schule auch realzur Verfügung steht. Das erfordert eine abschließendePrüfung und Bewertung der Antragsverfahren rechtzei-tig vor Schulbeginn. Nur so kön nen sich die Fachkräftehinreichend auf das jeweilige Kind vorbereiten.

Selbstverständlich erfordert die besondere Lebenssitua-tion von schnell ler nenden Kindern und von solchen mitsonderpädagogischem Förderbedarf, dass sich die Pädago-ginnen und Pädagogen aller beteiligten Professionenhinreichend auf die spezifischen Bedürfnisse des jeweili-gen Kindes vorbe reiten können. Da die Lehrerfortbildunginzwischen auf Bezirksebene be reitgestellt wird, sind kurz-fristige Angebote im schulnahen Raum durchaus organi-sierbar. Die Schulen müssen sie nur beizeiten anfordernund den zu künftigen Erstklassenlehrerinnen und -erzie-herinnen die gemeinsame Teil nahme an den entspre-chenden Veranstaltungen auch ermöglichen. Da im merwieder neue Kinder auf die Schulen zukommen, solltendie regionalen Fortbildungen fortlaufend angebotenwerden und flexibel abrufbar sein. Diese Angebote soll-ten auch die Teamarbeit besonders unterstützen.

Besondere Vorkehrungen sind auch für die Betreuungder Kinder mit Be hinderungen in den Schulferien vorzu-sehen. Sofern hier andere Erzieherin nen oder ErzieherFerienangebote übernehmen, die die Kinder noch nichtkennen und mit ihrer Behinderung nicht vertraut sind,müssen diese natür lich über die besonderen Bedarfeund Bedürfnisse der Kinder mit Behinde rung informiertund ggf. entsprechend qualifiziert werden.

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Konkretionen:• Die in der Schule für das Kind zuständige Pädagogin

(Bezugserzieherin, Klassenlehrerin) führt bereits vor derEinschulung Gespräche mit den El tern, um die indivi-duellen Entwicklungsbesonderheiten des Kindes ken-nenzulernen. Der hier festgestellte Förderbedarf wirdfestgehalten. Die Fach erzieherin für Integration fungiertals »Brückenbauerin« zwischen den Ein richtungen unddem Elternhaus.

• Besucht das Kind vor der Schule eine Kita, finden Hos-pitationen und Ge spräche in der Kita statt. Das Kindschaut sich in Begleitung vertrauter Er wachsener dieSchule an und lernt das Gebäude, den Klassen- undGrup penraum sowie dort arbeitende Personen kennen.

• Alle zukünftig mit dem Kind arbeitenden Pädagogin-nen und Pädagogen informieren sich über die beson-dere Situation des Kindes und nehmen ggf. einschlä-gige Fortbildungsangebote wahr, bevor das Kind aufdie Schule kommt.

• Alle in der Schule mit dem Kind arbeitenden Pädago-ginnen und Pädagogen – Lehrerinnen, sonderpädago-gische Fachkräfte und Erzieherinnen – werten die ver-fügbaren Informationen in gemeinsamen Gesprächenaus und ent wickeln gemeinsam ein Unterstützungs-konzept für die Kinder mit besonde rem Förderbedarfebenso wie für die Kinder mit besonderen Begabungen.

• Lernmittel werden so ausgewählt, dass sie von allenKindern möglichst ei genständig verwendet werdenkönnen.

• Die Räume werden so ausgestattet, dass Kinder mitbesonderem Förder bedarf individuell gefördert wer-den können, sei es durch Ruhezonen, sei es durchMöglichkeiten für spezielle Therapieangebote, sei esdurch eine an regende Lernumgebung, die den Kin-dern selbstständige Gestaltungsmög lichkeiten bietet.

• Beim Übergang von der Unterrichtszeit in den Ganz-tagsbereich tauschen sich die Pädagoginnen undPädagogen über die aktuelle Be findlichkeit des Kindeskurz aus, sofern sich dies nicht schon während derge meinsamen Kooperationsstunden ergab.

• Die Pädagoginnen und Pädagogen achten darauf, dasssich die Lebens welten von Kindern mit und ohne Be-hinderung nicht trennen. Sie unterstützen integrativeSpielprozesse. Einzelangebote für Kinder mit Behinde-rung gibt es nur, wenn sie auch für nicht behinderteKinder passen.

• Bei Klassenfahrten werden Reiseziele gewählt, die esermöglichen, alle Kinder der Klasse mitzunehmen undkeines zurückzulassen.

• In regelmäßigen Abständen finden Entwicklungsge-spräche zwischen den Eltern und den Pädagoginnenund Pädagogen statt. Dabei werden neben der Klas-senlehrerin auch die sonderpädagogischen Fachkräfteund die Er zieherinnen bzw. Erzieher einbezogen.

• Ein spezieller Integrationsbrief informiert die übrigenEltern über die inte grative Arbeit im Hort und überdie Zusammenarbeit von Lehrerinnen und Erzieherin-nen am Vormittag im Unterricht und in der VHG.

• Zweimal im Jahr wird ein »Integrationsgipfel« veran-staltet: Hier werden die konkrete Zusammenarbeitund die Zielrichtung der Zusammenarbeit fest gelegt.Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind die Schulleitung,die Sonderpädagoginnen der Schule, ein Mitarbeiterdes schulpsychologischen Dienstes, die leitende Hort-erzieherin, die Fachleitung Integration der ErgänzendenBetreuung und die Geschäftsführung der beteiligtenFreien Träger.

• Therapeuten kommen für ihre Therapieangebote indie Schule und können die Räume und Materialiender Schule mit nutzen.

• Die Lehrerinnen und Erzieherinnen nehmen – wenn dieErziehungsberech tigten und das Kind einverstandensind – wenigstens einmal an der Thera piestunde teil,um einen Eindruck von der dort stattfindenden Arbeitzu er halten. Zu demselben Zweck hospitieren auchdie Therapeuten von Zeit zu Zeit im Unterricht undbei den unterrichtsergänzenden Bildungsangeboten.

• Kindern mit besonderen Begabungen wird die Nutzungaußerschulischer Lernmöglichkeiten (zum BeispielRegionale Begabtengruppen, Mathematik-Olympiade,Kinder-Universität u. ä.) im Sinne von Enrichment-Strategien ermöglicht.20

Räume gestalten und Material bereitstellen

Räume gestalten

Wenn Kinder sich sechs, acht, zehn oder gar zwölf Stun-den pro Tag über wiegend in der Schule aufhalten, dannmüssen die Räume sehr unter schiedliche Funktionen er-füllen. Die Altersspanne an Berliner Grundschulen reichtvon Fünfjährigen bis Kindern, die zwölf oder 13 Jahre altsind. Die jüngeren Kinder haben andere Raumbedürf-nisse als die älteren, Mädchen oft andere als Jungen.Alle Kinder haben ein Recht darauf, dass die Räume, indenen sie die meiste Zeit ihres Kinderlebens verbringen,ihren Interessen und Bedürf nissen entsprechen und ihnen

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20 Vergleiche im Einzelnen die Hinweise zur Begabungsförderung sowie insbesondere die »Über sicht über Angebote und Maßnahmen zurFörderung besonders begabter und kognitiv hochbegabter Schülerinnen und Schüler in der Berliner Schule« des Schulsenators vomDezember 2004, die im Internet unter http://www.berlin.de/sen/bildung/foerderung/begabungsfoerderung/ zu finden ist.

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gute Bedingungen für gelingende Bildungs prozesse bie-ten. Dazu gehören neben geeigneten »Lernräumen« –Unter richtsräume, Lernwerkstätten, Ateliers, Bibliothek,Mediothek – ausrei chende Räume für Bewegung, fürRückzug, Ruhe und Entspannung.21

Wenn Kinder sich ganztägig in der Schule aufhalten, dannmuss in erhöh tem Maße dem Zustand und der Reinlich-keit der Sanitärräume, denen Kin der dann nicht mehrausweichen können, Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Auch die Pädagoginnen und Pädagogen sind in der offe-nen Ganztags grundschule vielfach bis zu acht oder mehrStunden pro Tag in der Schule anwesend. Ihr Tätigkeits-spektrum in der Schule wächst, und damit wachsen auchihre Ansprüche an Räume und Raumgestaltung.

Das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule legt Wertauf eine mög lichst enge Zusammenarbeit mit den Eltern.Dies schließt ein, dass auch Eltern Raum in der Schulehaben, Raum für Einzelgespräche mit den Päd agoginnenund Pädagogen ihres Kindes, Raum für die Kommuni-kation mit anderen Eltern, mit Kolleginnen und Kollegendes Schulpersonals und für Aktivitäten mit den Kindern.

Jede Schule muss in Abhängigkeit von der baulichenAusstattung und den Umbaumöglichkeiten ihr eigenesRaumkonzept entwickeln. Das Kollegium aus Lehrerinnenund Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern und sonstigenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte sich für dieGestaltung der Räume auf gemeinsame Ziele verständi-gen. Als Diskussionsgrundlage kann die nachfolgendeAuflistung von Konkretionen genutzt werden.

Durchgängige Prinzipien sind: • Die Beteiligung der Kinder an der Gestaltung der Räu-

me, in denen sie sich über einen längeren Teil desTages oder regelmäßig aufhalten, hat Priorität.

• Wenn Kinder neu in die Schule kommen oder ineinen neuen Bereich innerhalb der Schule wechseln,haben sie einen Anspruch darauf, Räume nach ihrenVorstellungen im Rahmen der bestehenden Möglich-keiten neu zu gestalten.

• Die Gestaltung der Räume spiegelt die kulturelle Viel-falt der Schüler und ihrer Familien und lädt zur Identi-fikation mit der Schule ein.

• Regeln für die Nutzung der Räume werden mit denKindern ausge han delt.

Konkretionen: • Dezentrale Raumeinheiten für die verschiedenen

Altersgruppen unter stützen die Zusammengehörigkeitvon Schülergruppen und Personal und fördern dieÜbernahme von Verantwortung für die Räume.

• Die Individualität der Kinder wird geachtet, indemjedes Kind einen Platz hat, an dem es seine persönli-chen Dinge sicher aufbewahren kann.

• Besondere Interessen von Jungen und Mädchen ander Raumge stal tung werden mit ihnen analysiert undbei der Gestaltung der Räume be rücksichtigt.

• Arbeits- und Spielräume fordern zu eigeninitiativemExperimentieren und forschendem Lernen heraus.

• Es gibt Rückzugsräume für die Kinder, wo diese eineZeitlang ungestört unter sich sein können: Höhlen,Galerien oder Ähnliches im Innern; Schuppen, Plätzehinter Hecken, Baumhäuser oder Ähnliches im Freien.

• Lernwerkstätten oder »Lerninseln« unterstützen dieHerausbildung spe zifischer Interessen und regenselbstbestimmtes Lernen an.

• Küche, Fahrrad-, Holz- und Elektrowerkstatt undandere Werkstätten ermöglichen Kindern, Dinge ihresAlltagslebens in Schule oder Hort nach ihren Vorstel-lungen zu produzieren oder wieder herzurichten.

• Medienräume mit Bibliothek, Computerarbeitsplätzenund anderen techni schen Medien sind Informationsortund Werkstatt für alle an der Schule Be teiligten undkönnen von Kindern, Pädagoginnen, anderen Mitar-beitern der Schule und Eltern jederzeit genutzt werden.

• Bewegungsbaustellen in Innen- und Außenräumenfordern zu vielfälti gen Bewegungserfahrungen heraus.

• Es existieren wohnlich gestaltete und kommunikations-fördernde Räume, in denen Kinder und Erwachseneihre Mahlzeiten gemeinsam einnehmen können.

• Es gibt vorbildliche Sanitärräume auch für die Versor-gung von Kindern mit schweren Behinderungen anjeder Schule.

• Kommunikations- und Planungsräume für die ver-schiedenen Profes sionen im Kollegium und die Elternunterstützen die gemeinsame Ent wicklungsarbeit.

• Arbeitsplätze für Pädagoginnen und Pädagogenermöglichen Vorbe reitungs- und Planungsarbeitensowie administrative Tätigkeiten in der Schule.

• Wohnlich gestaltete Rückzugsräume für Erwachseneund Kinder si chern ungestörte Erholungspausen.

• Gemütliche Ecken, Treffs oder ein kleines Cafe stehenden Pädago ginnen, den Eltern und Besuchern für dieKommunikation zur Ver fü gung.

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21 Vgl. Teil B, Dokument 4.

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Material bereitstellen

Lern- und Spielmaterialien unterstützen die Bildungspro-zesse der Kinder, indem sie zu tätiger Auseinandersetzunganregen. Um den individuell unter schiedlichen Lernstra-tegien der Kinder gerecht zu werden, sollen die Mate ria-lien die unterschiedlichen Sinneserfahrungen stimulieren.Die Lern- und Spielmaterialien repräsentieren zudem diekulturelle Vielfalt der Gesell schaften in dieser Welt. Ineiner multikulturell zusammengesetzten Schule solltendie Pädagoginnen und Pädagogen darauf achten, dassKinder un terschiedlicher Herkunft die Möglichkeit haben,ihre Lebenserfahrungen in das Bildungsgeschehen derSchule einzubringen.

Neben den pädagogisch ausgewählten Materialien findenin der Schule Materialien und Dinge aus dem pädagogischunkontrollierten Leben der Kinder Platz, um die Ausein-andersetzung der Kinder mit diesen Materialien auch inder Schule zu ermöglichen. Prinzipiell sollte es jedem Mäd-chen und jedem Jungen möglich sein, die Dinge, die ihroder ihm wichtig sind, in die Schule mitzubringen. Nur sokönnen die Kinder untereinander und mit den Erwachse-nen darüber kommunizieren, was ihnen warum wichtig ist.

Kinderkultur manifestiert sich in Gegenständen und Ritua-len im Umgang mit diesen Gegenständen, deren Sinnund Bedeutung sich den Erwachsenen oftmals verschließt.Hier gilt es sensibel und neugierig zu sein und die Be -deutung, die diese Dinge und Rituale für die Kinder ha-ben, von ihnen zu erfragen oder sich zeigen zu lassen.Schnelle Bedeutungszuweisungen allein aus der eigenenPerspektive führen oft in die Irre.

Gleichzeitig gilt es, die Geheimsphäre der Kinder zu res-pektieren. Nicht alles, was ein Mädchen oder einen Jun-gen beschäftigt, darf zum Gegen stand pädagogischerAuseinandersetzung werden. Jeder Mensch, egal ob Kindoder Erwachsener, hat ein Recht auf Geheimnisse.

Achtung der Kinderkultur ist die eine Seite, eigene Stand-punkte beziehen die andere. Bringen Kinder zum Beispielgewaltverherrlichende, sexistische, rassis tische Spiele,Materialien oder Symbole mit, dann muss dies Gegen-stand der pädagogischen Arbeit im Unterricht und inder außerunterrichtlichen Arbeit werden.

Konkretionen:• Sprechen und Hören, Sehen, Tasten und bewegungs-

betonte Aneig nungs strategien finden in der Auswahlder Materialien Berücksichtigung.

• Vielfältige Medien sind den Kindern auch für eigen-ständige Erkun dun gen zugänglich.

• Die Lern- und Spielmaterialien sind in den Räumensichtbar und für die Kinder frei zugänglich.

• Die Lern- und Spielmaterialien berücksichtigengeschlechtsspezifische Interessen der Mädchen undJungen.

• Die Lern- und Spielmaterialien repräsentieren die kul-turelle und mediale Vielfalt.

• Notwendige Regeln zur Nutzung des Materials wer-den mit den Kindern ausgehandelt.

Die offene Ganztagsgrundschule als gesunde Schule gestalten

Die aktive und bewusste Förderung der Gesundheit unddes Wohlseins von Kindern und Erwachsenen ist zentraleAufgabe, wenn Kinder und Erwach sene viele Stundenihres Tages in der Schule verbringen. Im Sinne der De fi-nition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wirdGesundheit hier nicht nur als Abwesenheit von Krankheit,sondern als umfassendes körperliches und seelischesWohlsein verstanden. Die beste Gesundheitsfürsorge –so die WHO – sei es, Menschen zu ermutigen, für ihreigenes Wohlergehen zu sorgen und sich für gesundeLebensbedingungen einzusetzen. Gesund heitserziehungerschöpft sich danach nicht in der Vermittlung und Ein-hal tung elementarer hygienischer Grundsätze bei derKörperpflege – wie Zäh neputzen und Händewaschen –sie betrifft vielmehr die gesamte Tages gestaltung in deroffenen Ganztagsschule wie auch das Curriculum. Ge -sundheitsförderung wird damit einerseits zu einem durch-gängigen Prinzip für das Zusammenleben in der Schuleund andererseits zu einem zentralen Inhalt der Bildungs-prozesse – sowohl im Unterricht wie in den außerunter-richtlichen Bildungsangeboten.

Ausreichende und vielfältige Bewegung sowie eine aus-gewogene Ernäh rung sind zentrale Faktoren für dieGesundheitsförderung. Kindern hier eine breite Palettean gesundheitsfördernden Aktivitäten anzubieten undihre Selbstregulation in der Auswahl zu stützen, ist Zieleiner so verstandenen Gesundheitsförderung.

Bewegung

Als Ausgleich zu den Schule nach wie vor prägenden sit-zenden Tätigkei ten benötigen Kinder und Erwachsenenicht nur vielfältige Bewegungsmög lichkeiten in denInnen- und Außenräumen, sondern aktive Bewegungs-aufforderungen und -anreize. Die im Lehrplan vorgese-henen Sportstunden reichen bei weitem nicht aus, umden objektiven Bewegungsbedarf und die subjektiv unter-

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schiedlichen Bewegungsbedürfnisse zu befriedigen. So-wohl das Raumkonzept (siehe Kapitel Räume gestaltenund Material bereitstellen) als auch die Zeiteinteilung(siehe Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten) müs-sen diesem Grundgedanken Rechnung tragen. Die He-rausforderung sinnlicher Erkenntnistätigkeit, zum Beispieldurch bewegungsbetonte Methoden der Aneignung vonUnterrichtsinhalten in Mathematik, Sprachen, Naturwis-sen schaften, bietet vielfältige Möglichkeiten, Bildung alsganzheitlichen und damit gesundheitsfördernden Pro-zess erlebbar zu machen.

Im außerunterrichtlichen Angebot sollten die Mädchenund Jungen vielfäl tige und auf ihre jeweiligen Interessenzugeschnittene Bewegungsmöglich keiten vorfinden.Neben den üblichen Sportangeboten, können in derGanztagsgrundschule Anreize geboten werden, die den»Mutproben« frühe rer Kindheiten entlehnt werden unddie Kinder ermutigen, Grenzerfahrun gen zu machen.Hier gilt es das Umfeld zu erkunden und herausfordern-de Bewegungsanreize zu finden: Ein Graben, den es zuüberspringen gilt, ein Sprung in die Tiefe, der gewagtwerden will, eine Höhe, die erklommen wer den kann …

Ernährung

Das Essen ist sozusagen der »Bauch der Schule« und dieFrauen und Män ner aus der Küche sind oft diejenigen,bei denen Kinder ihre Seele entlas ten. Die Qualität desEssens und die Atmosphäre bei den gemeinsamen Mahl-zeiten sind wesentliche Elemente einer nachhaltigen Ge-sundheits förderung. Kindern (und damit ihren Eltern) wirdoft unterstellt, dass sie ge sunde Ernährung zu wenig be-achten. Experimente mit Kindern im Kinder gartenalter zei-gen, dass sie in Selbstregulation zu einer ausgewogenenund gesunden Ernährung greifen, wenn sie ein entspre-chendes Angebot zur Verfügung haben. Viele Kinder be-vorzugen dabei – in Übereinstimmung mit den Empfeh-lungen von Ernährungswissenschaftlern – Rohkost vor ge-kochtem Gemüse. Kinder an der Erstellung des Speisepla-nes zu beteiligen, ist eine erfolgversprechende Methode.

Die Kinder sind sehr wohl daran interessiert, mehr darü-ber zu erfahren, wie sich ihre Ernährung auf ihre körperli-che Entwicklung auswirkt. Dieses Interesse der Kinder anihrem eigenen Körper gilt es zu erhalten und auszubauen.Der Zusammenhang von Ernährung und körperlicherEntwicklung ist so wohl Gegenstand von Unterricht wievon Alltagslernen in der Ganztags grundschule.

Lehrerinnen und Erzieherinnen haben hier ein sehr ge-eignetes gemein sames Feld in der Arbeit mit den Kindern.

Gemeinsame Mahlzeiten von Pädagoginnen und Kindernsind in diesem Sinne weit mehr als »Beaufsich tigung undBetreuung« – sie sind wesentliche Bildungsgelegenhei-ten und müssten als solche auch in der Bewertung derArbeitszeiten von Lehrerin nen anerkannt werden. DasEssen in der Schule darf nicht länger als »not wendigesÜbel« gesehen werden, sondern muss als eine zentraleBildungs situation Anerkennung finden. Bei den gemein-samen Mahlzeiten ergeben sich auch vielfältige Gelegen-heiten, mit einzelnen Kindern ins Gespräch zu kommenund etwas darüber zu erfahren, was sie bewegt. Die ge-mein samen Mahlzeiten sind also nicht nur unter ernäh-rungswissenschaftlichen Gesichtspunkten wertvoll – siesind exzellente Möglichkeiten der Begeg nung zwischenKindern und Lehrerinnen und Lehrern und bieten auchMöglichkeiten der gezielten Sprachförderung.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Küche –so es eine eigene Küche gibt – sind vollwertige Mitglie-der im Team einer Schule. Ihre Wahr nehmung der Schü-lerinnen und Schüler sind wichtig für die Diskussionenüber die Weiterentwicklung der Qualität der Schule.Auch dann, wenn das Essen extern bereitgestellt wird,muss eine Kommunikation zwischen den Pädagoginnenund Pädagogen der Schule und den Anbietern sichergestellt werden.

Die Vorstellungen der Erziehungsberechtigten über dieErnährung ihrer Kinder sind in unserer Gesellschaft höchstunterschiedlich und kaum auf einen Nenner zu bringen.Natürlich können Kinder nicht gezwungen werden, amSchulessen teilzunehmen. Es gibt aber auch das Problem,dass in vielen Ganztagsschulen Kinder nur deshalb nichtam Essen teilnehmen, weil ihre Eltern die dafür zu zahlen-den Kostenbeiträge nicht bezahlen oder nicht bezahlenkönnen. Hier sind Politik und Verwaltung gefordert,sicherzustellen, dass kein Kind in der Schule ohne gesun-des Mit tagessen bleibt.

Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass religiösoder weltan schaulich begründete Speisevorschriften durcheine entsprechende Menü-Auswahl berücksichtigt wer-den. Auch dies ist für professionelle Caterer in der Regelkein Problem.

Konkretionen:• Die Gestaltung von Innen- und Außenräumen erlaubt

vielfältige Bewe gungsmöglichkeiten und bietet Kin-dern ausreichende Bewegungs anreize.

• Die Zeiten für die Einnahme von Mahlzeiten sind sobemessen, dass alle Kinder in Ruhe und ohne Zeit-druck frühstücken, zu Mittag essen und ihren Nach-mittagsimbiss einnehmen können.

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• Die Räume, in denen die Mahlzeiten eingenommenwerden, sind behag lich und so eingerichtet, dass eineentspannte Kommunikation bei Tisch gepflegt wer-den kann.

• Das Mittagessen muss nicht unbedingt in großen undoft sehr lauten Men sen oder Cafeterien eingenommenwerden. Es gibt auch die Mög lichkeit, den Kindernvertraute Gruppen- oder Klassenräume hierfür zunutzen. Dies ermöglicht auch, Kindern, die nicht mit-essen – zum Beispiel weil sie später mit ihren Familienessen – an dieser Situation teilnehmen zu lassen.

• Schulleiterinnen und Schulleiter sorgen dafür, dassausschließlich frische und vollwertige Lebensmittel fürdie Zubereitung der von der Schule an gebotenenMahlzeiten verwendet werden. Es gibt Caterer, dievollwertige Mahlzeiten zu den in Berlin üblichenEssenspreisen anbieten.

• Die Pädagoginnen und Pädagogen vereinbaren mit denEltern Grund sätze für die von zu Hause mitzubringen-den Zwischenmahlzeiten. Sie erläutern dabei die Bedeu-tung einer gesunden Ernährung für die Ent wicklungder Kinder und geben konkrete Hinweise für die Zu-sammen stellung von Frühstück und Nachmittagsimbiss.

• Eltern können auch gebeten werden, ein gemeinsa-mes Frühstück für die Kinder ihrer Klassengemeinschaftzuzubereiten.

• Gesundheitsfragen werden immer wieder – im Unter-richt wie in den auße runterrichtlichen Bildungsange-boten – zum expliziten Thema ge macht.

Den Umgang mit der Zeit gestalten – Schuleund Unterricht rhythmisieren

Der Umgang mit der jeweils verfügbaren Zeit ist ein we-sentliches Merkmal bewusst gestalteter Pädagogik. Wie-derum ergeben sich aus der besonde ren Konstruktionder offenen Ganztagsgrundschule mit ihrem modulari-sier ten Aufbau besondere Herausforderungen und neueAufgaben für die Päd agoginnen und Pädagogen.

Was damit gemeint ist, wird vielleicht deutlich, wennman sich zunächst die Zeitstrukturen der traditionellenHalbtagsgrundschule vergegenwärtigt. Nor malerweisesollte die Zeitplanung offen und flexibel an die jeweiligenErfor dernisse der Sachen, die gerade angeboten werden,angepasst werden können. Aber da in Deutschland dieLehrerarbeitszeit in »Pflichtstunden« bemessen wird, hatsich über Jahrhunderte hinweg der »Stundenplan« alszentrales Organisationsinstrument schulischer Arbeit sosehr im Bewusst sein der Menschen verankert, dass sichviele eine Schule ohne Stunden plan gar nicht mehr vor-stellen können.

Dabei kann sich im schlimmsten Fall das Verhältnis vonpädagogischer Zwecksetzung und einer dieser Zweck-setzung dienenden Zeitgestaltung sogar umkehren:Unterricht findet dann nicht mehr in dem Zeitmaß statt,das von der jeweiligen Sache her geboten ist, sondernwird künstlich in ein vorgegebenes Zeitraster eingepasst– egal, ob die Schülerinnen und Schü ler die Sache schonverstanden haben oder auch nicht.

Pädagoginnen und Pädagogen, die unter einem solchen,für Schule man cherorts immer noch üblichen »Zeitdiktat«arbeiten, fühlen sich oft gestresst und frühzeitig »aus-gebrannt«. Die Situation verschlimmert sich für die Päd -agoginnen und Pädagogen noch, wenn sie im Laufeeines voll gedrängten Schultages keine wirklichen Pau-sen haben, die der Regeneration dienen, sondern vier,fünf oder gar mehr Stunden »am Stück« unterrichtenmüssen, weil die traditionelle Schule mittags schon zuEnde sein muss oder Lehre rinnen und Lehrer selberschon mittags nach Hause wollen.

Im Unterschied zur traditionellen Halbtagsschule bietetdie offene Ganz tagsgrundschule Bildungs- und Betreu-ungsaufgaben über den ganzen Tag hinweg. Hier kannder traditionelle Stundenplan nicht einfach nach vorneund hinten verlängert werden. Vielmehr fordert die unter-schiedliche tägliche Verweildauer der Kinder in der Schulevöllig neue Zeitkonzepte – auch für den Vormittagsbe-trieb. Denn einige Kinder kommen schon vor der Kern-unterrichtszeit, andere kommen später an, einige bleibennur bis zum Ende der Kernzeit, andere verweilen bis nachdem Mittagessen in der Schule, wieder andere bis in denfrühen Abend hinein.

Für die Pädagoginnen und Pädagogen stellt sich dieseSituation bisweilen als unübersichtlich dar, die unter-schiedliche Anwesenheitsdauer der Kinder erschwerteine kontinuierliche Angebotsplanung.

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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Unterschiedliche Präsenzzeiten der Schülerinnen und Schülerin der offenen Ganztagsgrundschule

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Für das einzelne Kind entsteht jedoch in jedem Fall einganz spezielles Zeitmuster, das sein Bild von »Schule«prägt. Je nachdem, ob dieses Zeit muster primär an denBedürfnissen der Kinder ausgerichtet ist oder eher vonäußeren Zwängen, zum Beispiel Vorgaben eines einfa-chen Personaleinsatzes, fremdbestimmt wird, entstehtein gutes oder ein eher bedenkliches Zeit muster. Lässtman die Schlafzeiten in der Nacht einmal außer Acht,verbrin gen einige Kinder schließlich mehr Stunden inder Schule als in der Familie. Es muss daher sorgfältigbedacht werden, welche Elemente besonders in sozialerHinsicht eine Ganztagsschule haben muss, um der Funk-tion ge recht zu werden, ein wichtiger Lebensmittelpunktdes Kindes neben der Familie zu sein.

Für die Pädagoginnen und Pädagogen stellt sich die He-rausforderung, trotz der unterschiedlichen Verweildauerder Kinder in der Schule für alle einen guten Tagesrhyth-mus zu finden. Fast alle bekannten Reformschulen habendazu den traditionellen 45-Minuten-Takt der Schule des19. und 20. Jahr hunderts abgeschafft und in vielen Fällenauch die Schulklingel abgestellt. An die Stelle des vonPeter Petersen einst abschätzig »Fetzenstundenplan« ge-nannten 45-Minuten-Taktes treten in solchen Schulen»rhythmisierte« Ta ges- und Wochenpläne.

Für die Berliner Grundschule war eine solche Rhythmisie-rung schon seit langem möglich; mit dem Rahmenlehr-plan von 2004 wurde sie für alle Grundschulen verbind-lich.22 Die gemeinsame Verabredung und Erprobung einesfür die jeweilige Schule speziellen Zeitrasters wird im üb-rigen von den Pädagoginnen und Pädagogen erfahrungs-gemäß durchaus als ein Stück Autonomie-Erweiterung

empfunden und trägt somit auch zur Professionali sierungdes Kollegiums bei. Die mit solchen Umstellungen ver-bundene phasenweise Mehrbelastung wird in der Regeldurch eine größere Arbeits zufriedenheit kompensiert.

Die zeitliche Grundstruktur der offenen Ganztagsgrund-schule mit ihren ver schiedenen »Modulen« ist in § 26der Grundschulverordnung geregelt.23 Dort findet sichauch der obligatorische »Jahresstundenrahmen für dieGrund schule« (Anlage 2 zur Grundschulverordnung). ImRahmen dieser allge meinen Vorgaben muss jede Schulein Abhängigkeit von den örtlichen Be sonderheiten ihreigenes Zeitstrukturmodell entwickeln. Dabei gibt es keinüberall gleich sinnvolles Zeitraster. Eine etwaige »Rhyth-misierung« ist immer eine spezielle Konsequenz aus denallgemeinen Überlegungen der kon kreten Schule zurdidaktischen Strukturierung des ganzen Tages, wie sieim Schulprogramm von der Schulgemeinde, das heißtden Pädagoginnen und Päd agogen gemeinsam mit denEltern und den außerschulischen Koopera tionspartnernentwickelt wurde und dokumentiert ist.

Die Kernidee von rhythmisierten Zeitplänen ist dabeiimmer ähnlich: Statt nach Fächern und Gegenständenwird der Tag hier entweder nach Phasen der Anspannungund Entspannung oder aber nach typisierten Arbeits for-men gegliedert, die ein produktiveres Arbeiten durchsystematischen Wechsel der Arbeitsformen ermöglichenund der Ermüdung entgegen wir ken sollen. Zugleich er-halten die einzelnen Klassenteams dabei mehr Frei raumin der Zeitgestaltung, die nun nicht mehr dem Minuten-zeiger der Schuluhr folgen muss.

Hier wird keineswegs ein für alle Kinder an allen Tagengleich günstiger Lernrhythmus im Sinne vermeintlich»natürlicher« Biorhythmen unterstellt.24 Die Forschunghat gezeigt, dass es solche für alle Menschen identischenoptimalen Zeitrhythmen nicht gibt. Der Vorteil solcherrhythmisierter Ta gespläne liegt vielmehr darin, dass dieeinzelnen Phasen von den Päd ago ginnen und Pädago-gen in Abhängigkeit von den Erfordernissen des Tagesund der aktuellen Befindlichkeit der Kinder durchaus un-terschiedlich lang sein können: Wenn die Kinder »gutdrauf« sind und produktiv arbeiten, kann die jeweiligePhase durchaus verlängert werden; fühlen sie sich weni-ger wohl und ist die Atmosphäre unproduktiv, könnendie Pädagoginnen und Pädagogen nach eigener Entschei-dung spontan zur nächsten Phase über gehen, ohne aufein Klingelzeichen warten zu müssen. Dies gilt insbe son-

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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22 Vergleiche Rahmenlehrplan Grundschule, 1. Teil, Kapitel 1.4., S. 11.23 Vergleiche Grundschulverordnung vom 19. Januar 2005, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 11. Dezember 2007.24 Zur Kritik an einem biologistischen Verständnis von »Rhythmisierung« vergleiche Kolbe u. a. (2006), S. 7f. und 38.

Grundmodell einer Rhythmisierung des Schultages

Mo Di Mi Do Fr

offene Eingangsphase

gemeinsamer Morgenkreis

gemeinsamer Unterricht

offene Phase (Freiarbeit)

Projektzeit

M i t t a g s p a u s e

offene Phase (Freiarbeit)

strukturierte Angebote

Tagesabschluss

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dere dann, wenn auch die Pausenregelung individuellvorgenommen wer den kann und jede Klasse oder Lern-gruppe dann Pause macht, wenn sie eine Pause braucht.

Es wird allerdings – bei aller Freiheit der Klassenteams inder Tagesge s taltung – doch einige Fixpunkte im Tages-ablauf geben müssen, damit Schule organisierbar bleibt.Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass in mehrfachgenutzten Räumen (zum Beispiel Werkstätten, Fachräu-men für Musik und Tanz, Sporthalle) die vorgesehenenMehrfachnutzungen möglich bleiben, dass Pädagogin-nen und Pädagogen, die zeitweise für verschiedeneKlas sen Verantwortung übernehmen müssen, terminlichvereinbarte Wechsel einhalten können und auch andereorganisatorische Zeitfestlegungen (zum Beispiel die Aus-gabe des Mittagessens, Abfahrt des Busses zur Schwimm-halle u. ä. m.) eingehalten werden müssen. Kinder mitBehinderungen brauchen bisweilen besonders dringlicheine ausreichende Ruhephase in der Mittagszeit. Auchdies muss bedacht werden.25

Zeitstrukturen haben immer auch Auswirkungen auf diedidaktischen Mög lichkeiten. Ein flexiblerer Umgang mitder Zeit ermöglicht nicht nur eine fle xiblere didaktischeStrukturierung der Bildungsangebote, er ist geradezueine Voraussetzung dafür: Große Blöcke mit Freiarbeitermöglichen erst die Arbeit nach individuellen Wochen-arbeitsplänen sowie die Durchführung von individuellenEinzel- und Gruppenarbeiten im Rahmen größerer Pro-jekte. Sie bieten zugleich vermehrte Gelegenheiten füreine individuelle Förde rung im gemeinsamen Klassen-verband – mithin für Binnendifferenzierung.

Wichtig ist, dass die Pädagoginnen und Pädagogen im-mer zweierlei im Blick haben: Zum einen bedeutet dasAbstellen der Schulglocke nicht, dass jetzt ganz beliebigeZeitmuster Raum greifen könnten. Vielmehr ist es fürdas Wohlbefinden der Kinder und der Erwachsenendurchaus wichtig, dass sich ein »verlässliches« Zeitrastereinprägt – eben ein »Rhythmus« – und nicht jeden Tagneue Pläne erfunden werden müssen. Ritualisierte Zeit-raster, wie sie die Kinder aus dem Kindergarten kennen,erleichtern auch die Orientierung in der Schule.26

Wenn für einen größeren Teil der Schülerinnen und Schü-ler die Schule mit der Kernzeit vor dem Mittagessen nochlange nicht vorbei ist, sondern der Schultag und damitdie Bildungsangebote für die Kinder in der offenen Ganz-tagsgrundschule nach der Essenszeit weiter gehen, istes für die Qua lität dieser Angebote entscheidend, dass

die vormittäglichen und nachmit täglichen Aktivitätenaufeinander abgestimmt werden und auch zeitlich be -wusst geplant werden.

Das hat bedeutsame Konsequenzen für die Unterrichts-vorbereitung: Hier können die Lehrerinnen und Lehrernicht mehr allein »am heimischen Schreibtisch« einzelneFachstunden für den kommenden Tag vorbereiten; viel-mehr findet ein Teil der Unterrichtsvorbereitung jetzt imTeam in der wö chentlichen Team- oder Klassenkonferenzstatt, wobei Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen undErzieher und bisweilen auch die Elternvertreter sich ge-meinsam überlegen und absprechen müssen: WelcheBildungsan gebote stehen in der kommenden Woche an,was ist am Vormittag geplant, was am Nachmittag, wel-che Aktivitäten eignen sich für die Freiarbeits zei ten, wel-che empfehlen sich eher für die gelenkte Arbeit im ge-schlos senen Klassenverband, was geht alle Kinder an,was trifft nur für einzelne zu und welche Pädagogin,welcher Pädagoge ist für die jeweilige Phase verant wort-lich? Auch hier zeigt sich wieder: Die offene Ganztags-grund schule ist nur als Teamschule denkbar.

Bei solchen Umstellungen der zeitlichen Grundmuster,nach denen die Schule operiert, muss durchaus mit Ängs-ten von Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern gerechnetwerden, von denen einige die über Jahre bewährtenRoutinen ungern aufgeben, andere vielleicht unendlichenSitzungsaufwand befürchten und Dritte die Notwendig-keit solcher Absprachen gar nicht ein sehen, weil sie sel-ber – im Gegensatz zu den Kindern – niemals den gan-zen Tag in der Schule verbringen.

Ebenso könnten Eltern bei einer für sie nicht durchschau-baren Zeitregelung befürchten, dass ihr Kind zu wenig»richtigen« Unterricht erhält. Hier helfen nur die Einbe-ziehung der Eltern in die Gesamtplanung, konsequenteAuf klärung und das Angebot, jederzeit einen Tag mit denKindern in der Schule verbringen zu dürfen, um den Ta-gesrhythmus selber erleben und mitvoll ziehen zu können.

Mit Rücksicht auf die genannten Ängste, kann es aneinzelnen Standorten sinnvoll sein, sich den neuen Zeit-strukturen schrittweise zu nähern und erst einmal eine»kleine Rhythmisierung« im Vormittagsbereich zu reali-sieren und die Nachmittagsangebote den Erzieherinnenund Erziehern zu über lassen.

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25 Authentische Zeitpläne von rhythmisierten Grundschulen finden Sie im Teil B, Dokumente 5, 6 und 7.26 Aus diesem Grund halten wir trotz der berechtigten Kritik von Kolbe u. a. an dem Begriff Rhythmisierung fest.

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Zwischenschritte auf dem Weg zur rhythmisiertenGanztags grund schule

Als Zwischenschritt auf dem Weg zum »integriertenGanztag« haben einige Grundschulen vormittags die»90-Minuten-Freiheit« eingeführt. Hier wird zu nächstnoch an den traditionellen gemeinsamen Pausenzeitenfür die ganze Schule festgehalten, und zwischen dem»Vormittagsbetrieb« und dem »Nachmittagsbetrieb«wird eine deutliche Zäsur gewahrt. Die verlässliche Halb-tagsgrundschule und die unterrichtsergänzenden Bildungs-angebote des Nachmittags sind an der »Trennlinie« um13.30 Uhr deutlich voneinan der zu unterscheiden. Beidiesem Modell erhalten die Klassenteams aller dings dieFreiheit, die Bildungsangebote nach eigener Entschei-dung auf 90-Minuten-Blöcke aufzuteilen. Die Zeitblöckewerden von den Lehrerinnen und Lehrern gemeinsammit den Erzieherinnen und Erziehern über den ganzenTag hinweg geplant, wobei durchaus Erzieherinnen maleinzelne Vormittagsblöcke übernehmen, wie auch Lehre-rinnen und Lehrer einzelne Nachmittagsblöcke abdeckenkönnen.27

Die Grafiken im Teil B (Dokumente 5 und 7) zeigen, wieim rhythmisierten Tagesplan Unterricht und unterrichts-ergänzende Bildungsan gebote über den ganzen Tag ge-staffelt werden, wobei der »modulare« Auf bau der offe-nen Ganztagsgrundschule durch die verstärkten Linienzwischen den Modulen angezeigt wird. Dabei könnensowohl Erzieherinnen und Erzieher im Vormittagsbetriebals auch Lehrerinnen und Lehrer im Nachmittagsbetriebeingesetzt werden. Diverse »Einzelstunden«, zum Beispielfür Sport oder Religion, die in diesen Zeitrhythmus ein-gefügt werden müssen, weil äußere Faktoren (beschränkteHallenbelegungszeiten, Religionslehrer, die nur stunden-weise an der Schule tätig sind u. a. m.) dies erforderlichmachen, stören das Grundraster in der Wahrnehmungder Betroffenen er fahrungsgemäß weniger als Außen-stehende zunächst befürchten. Zahl reiche Konkretisie-rungen der Möglichkeiten, die einzelnen Zeitblöckeaus zufüllen, finden sich im übrigen sowohl im »Leitbildfür die offenen Ganz tagsgrundschule«28 als auch in derpädagogischen Fachliteratur.29

Konkretionen:• Viele Pädagoginnen und Pädagogen beklagen, dass

die nachmit tägli chen Bildungsangebote häufig durchsich verabschiedende Kinder unter brochen werden, diezu jeder beliebigen Zeit die Schule verlassen. Eine kon-tinuierliche Arbeit am Nachmittag ist dann kaum mehrmöglich. Hier empfiehlt es sich, mit den Eltern klardefinierte Zeiten auszuhandeln, zu denen die Kinderdie Schule verlassen bzw. abgeholt werden können.

• Manche Schulen trennen den Tagesplan noch nach»Kernzeit« und »Frei zeit«. In der Sonnenblumen-Grundschule wird dabei zwischen verschie denenArten von »Freizeit« unterschieden: • der klassengebundenen Freizeit, welche die jeweili-

gen Schü ler in ih rer auch aus dem Unterricht ge-

wohnten Gruppen struktur gemeinsam mit der Erzie-

herin oder auch der Klassen lehrerin verbringen,

• der kursgebundenen Freizeit, in der sie sich für einendefinier ten Zeit raum (beispielsweise ein Jahresquar-tal) für einen in haltlich fest gelegten klassen- undjahrgangsübergreifenden Kurs (zum Beispiel Thea-ter spielen, Radfahrtraining, Keramik) ent scheiden,

• und der ungebundenen Freizeit, die die Schülerin-nen und Schüler spontan an verschiedenen Orten(zum Beispiel Bibliothek, PC-Werkstatt, Entspan-nungsraum) selbstbestimmt gestalten kön nen.

• Mehrere Teams aus Einrichtungen berichten, dass dieKinder von der verlässlichen Halbtagsschule gleitendin den Nachmittagsbetrieb wechseln, allerdings spä-testens um 13.00 Uhr, damit eine angemessene Mit-tagspause zur Verfügung steht. Dies ist insbesonderedort notwendig, wo wegen Platzmangels im Speisesaalin mehreren Schichten gegessen werden muss. In die-sen Fällen müssten dann allerdings die Verträge mitexternen Anbietern der Nachmittagsbetreuung auchschon um 13.00 Uhr beginnen und nicht erst – wiemeistens üblich – um 13.30 Uhr.

• Es hat sich in der Praxis bewährt, einen Wochenab-schluss explizit aus zuweisen, da diese Zusammenkunftfür das Gemeinschaftserleben wich tig ist und sich auchgünstig mit einer »Bilanz« verbinden lässt. Aller dingssollten hier nicht primär Leistungen abgefragt werden,sondern vor allem das Wohlbefinden der Kinder. Einmusisch gestalteter Wochen abschluss am Freitag, eineGeschichte oder ein anderes, von Zeit zu Zeit wech-selndes Abschiedsritual bieten sich an.

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27 Ein Muster eines solchen Zeitplanes mit 90-Minutenblöcken finden Sie im Teil B, Dokumente 5 und 6.28 Ein Leitbild für die offene Ganztagsgrundschule. Abgeordnetenhaus Berlin, 15. Wahl peri ode, Drucksache 15/4125 vom 6.7.2005. Berlin:

Kulturbuch-Verlag, S. 49-53. Im Internet finden Sie das Leitbild unter: http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/berlin_macht_ganztags_schule/leitbild_offene_ganztagsgrundschule.pdf

29 Vergleiche vor allem Appel (2004), S. 140-160. Ferner Burk(1998); Burk, Mangelsdorf, Schoeller (1998); Hanke (2002); Christiani (2004);Ramseger et al. (2004).

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Allemal zeigt es sich, dass eine pädagogisch begründeteZeitgestaltung immer wieder dort an Grenzen stößt, woLehrerinnen und Lehrer aus Tra dition oder Gewohnheitan einem überwiegend vormittäglichen Personalein satzfesthalten wollen und nachmittägliche Bildungsangebotestrikt ab leh nen. Hierdurch wird auch ein sinnvoller Perso-naleinsatz der Erziehe rinnen und anderen pädagogischenFachkräfte sehr erschwert, deren Ar beitszeit (bei vollerStelle) nicht auf den Nachmittag beschränkt werden kannund deren Zahl an den Schulen meist auch nicht aus-reicht, um die Nachmit tagsangebote alleine sicherstellenzu können. Die Einführung der verläss lichen Halbtags-grundschule und der offenen Ganztagsgrundschule machtoffenkundig, dass Lehrerarbeit prinzipiell eine Ganztags-tätigkeit ist. Wo sich Lehrer und Erzieher wechselseitighelfen und im Krankheitsfall nicht nur ErzieherinnenLehrer vertreten, sondern auch umgekehrt Lehrer ein-sprin gen, wenn mal bei den Erzieherinnen Personal er-setzt werden muss, ist nicht nur das Betriebsklima in derRegel besser, sondern es lernen auch beide Berufsgrup-pen die Schülerinnen und Schüler in vielfältigeren Akti-vitäten kennen. Sie können ihnen dann spezifischereAngebote machen, die auf die individuellen Bedürfnisseund Interessen der Kinder noch besser abge stimmt sind.

Teamzeiten

Eine besondere Herausforderung besteht in der offenenGanztags grund schule darin, gemeinsame Zeiten für dieregelmäßig erforderlichen Team besprechungen zu finden.Diese Teamzeiten können nicht stattfinden, so lange nochKinder vom Stammpersonal betreut werden müssen. Diemeis ten gebundenen Ganztagsschulen in Deutschlandhaben daher an einem Nachmittag pro Woche geschlos-sen. Das heißt, Nachmittagsan gebote finden dort nuran vier Wochentagen statt30, damit alle Pädago ginnenund Pädagogen sich an einem gemeinsamen obligatori-schen Kon ferenznach mittag zusammenfinden können.Viele Eltern schaffen es, für einen Nach mittag pro Wocheeine individuelle Betreuungslösung für ihre Kinder zufin den. Für die wenigen Kinder, die wirklich jeden Tagauf eine organisierte Betreuung angewiesen sind, kanneine solche dann ggf. mit Honorarkräften oder außer-schulischen Dienstleistern gesichert werden.

Einer solche Regelung steht jedoch in Berlin die vomLand mit der offenen Ganztagsgrundschule angeboteneVollzeitversorgung der Kinder durch hauptamtliche Be-treuer an fünf Wochentagen im Wege. Solange an die-

ser Vollzeitversorgung festgehalten werden soll, bietensich Selbsthilfeverfah ren zwischen den Einrichtungen an.

Konkretionen:• Einige Berliner Grundschulen haben mit benachbarten

Schulen einen »Tauschhandel« eröffnet: An einemNachmittag in der Woche werden mög lichst vieleKinder in außerschulischen Kursangeboten »unterge-bracht«. So dann übernimmt die Schule A die verblei-benden »Betreu ungskinder« der Schule B, damit dieSchule B an diesem Tag ihren Teamtag haben kann;an einem anderen Wochentag wird dann umge kehrtverfahren. Die Grund schulverordnung lässt eine sol-che Vorge hensweise ausdrücklich zu (vergleiche § 26(4) GsVO vom 19.1.2005, geän dert am 11.12.2007).

• Einige Schulen nehmen auch einen Personaltauschzwischen benach bar ten Klassenteams vor: Montagshat Team A von 16.00 bis 18.00 Uhr Klas senteambe-sprechung. In dieser Zeit übernimmt das Team derKlasse B auch die Kinder der Klasse A. Am folgendenTag wird dann genau anders rum verfahren.31

• Einige Schulen nutzen den Freitagnachmittag, wennerfahrungsgemäß we niger Kinder auf eine nachmit-tägliche Betreuung angewiesen sind, als Konferenztagund übergeben die Aufsicht über die verbleibendenKinder in dieser Zeit Honorarkräften. Wie aus diesenSchulen berichtet wird, verlau fen diese Konferenzen amEnde der Woche besonders ent spannt und pro duktiv.

• Wo Schulen mit Freien Trägern der Jugendhilfe oderanderen Orga ni sa tio nen zusammenarbeiten, habendiese oftmals auch die Mög lichkeit, stun denweisepädagogisches Fachpersonal zwischen verschie denenEin rich tungen auszutauschen, damit regelmäßigewöchentliche Team zeiten mög lich werden.

Neue Arbeitszeitmodelle

Die Bemühungen von reformorientierten Grundschulen,ein intensiviertes, über den ganzen Tag verteiltes Bil-dungsangebot in multiprofessionellen Pädagogenteamszu organisieren, stoßen immer wieder an Grenzen, diedurch die herkömmlichen Berechnungsstandards für dieLehrerarbeitszeit gesetzt werden. Solange die Lehrerar-beitszeit nicht – wie bei den Erziehe rinnen und in jedemanderen Beruf – über Präsenzzeiten am Arbeitsplatz be-rechnet wird, sondern nur die Unterrichtszeit als Zeitmaßfür die gesamte Lehrerarbeit herangezogen wird, läuftdas ganze System Gefahr, die Leh rerrolle auch auf dasErteilen von Unterricht zu verkürzen und an Zeit ras tern

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

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30 Dies entspricht auch der Definition von Ganztagsschulen der Kultusministerkonferenz.31 Vergleiche auch den Bericht der Grundschule im Panketal im Teil B, Dokument 8.

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festzuhalten, die aus pädagogisch-didaktischer Sichtvöllig überholt sind.

Die »Stundenschule«, in der Lehrerinnen und Lehrer vonStunde zu Stunde und Klasse zu Klasse hetzen, möglichstkeine »Springstunden« haben und diese somit selbstgeschaffene Stresssituation dann so früh wie möglichdurch Flucht an den heimischen Arbeitsplatz verlassenwollen, ist nicht nur pädagogisch unsinnig, sondern fürdie Lehrerinnen und Lehrer auch ge sundheitsgefährdend.Wesentliche, für die Weiterentwicklung der Schule un-erlässliche Arbeitsbereiche wie zum Beispiel Planungs-zeiten, Teambe sprechungen, Kontaktpflege zu außer-schulischen Unterstützungssystemen und vieles anderemehr, was für eine nachhaltige Erziehung der Kinder ineiner Ganztagseinrichtung unerlässlich ist, wird dann bis-weilen von Lehre rinnen und Lehrer nur noch als »Mehr-arbeit« begriffen, die sie auf der Basis des traditionellen»Stundendenkens« weder hinreichend geachtet nochan gemessen entlohnt sehen.

Rhythmisierte Tagespläne machen es aber unabdingbar,die vorhandenen Personalkapazitäten in Eigenverantwor-tung der Schule über den ganzen Tag hinweg verteilenzu können und bei Bedarf auch Angehörigen dersel benStatusgruppe unterschiedliche Zeitanteile für die Arbeitmit den Kindern zuzuweisen: Wer sich drei Stunden proWoche in der zentralen Schulent wicklungsgruppe enga-giert, muss dafür eine angemessene Entlastung bei derUnterrichtsverpflichtung erhalten können, wer wenigeran der Weiter entwicklung der Schule mitwirkt, kanndafür mehr unterrichten. Wiederum kann die Verteilungder realen Aufgaben und Belastungen vermutlich kaumüberregional verordnet, sondern pädagogisch vernünftignur im Schullei tungsteam vor Ort festgelegt werden.Hierzu fehlt es derzeit jedoch in den meisten Fällen anden entsprechenden Kompetenzen für die Einzelschulen.Das Korsett der amtlichen Vorschriften für den Personal-einsatz einschließ lich des dahinter stehenden Personal-rechtes im öffentlichen Dienst ist im Schulbereich beson-ders eng gezurrt.

Für Schulen, die die pädagogischen Beschränkungenüberwinden wollen, die mit den bislang üblichen Arbeits-zeitmodellen verbunden sind, bietet es sich zunächst an,

Präsenzzeitregelungen auf der Basis kollegiumsinternerVereinbarungen einfach selber zu erproben. Keine Schulewird daran ge hindert, solche Verabredungen zu treffen.Hierbei kann auf die langjährigen Erfahrungen im inter-nationalen Raum ebenso zurückgegriffen werden wieauf viel versprechende Versuche in anderen Bundeslän-dern.32 Langfristig wären Schulversuche mit und danachder Übergang zu völlig neuen Ar beitszeitberechnungs-modellen wünschenswert. Diese neuen Modelle ge henin der Regel alle davon aus, dass die Tätigkeit von Päd-agoginnen und Pädagogen immer wenigstens drei Auf-gabenfelder umfasst, die auch trans parent gemacht undfair bewertet werden müssen:• die Arbeit mit den Kindern,• angemessene Vor- und Nachbereitungszeiten• und »Systemzeit« für Planungsaufgaben, Schulent-

wicklung, Kooperatio nen, Teambesprechungen,Elternkontakte u. a. m.

Gerade das zuletzt genannte Aufgabenfeld wird von dentraditionellen Ver fahren der Lehrerarbeitszeitberechnungroutinemäßig ignoriert.

Aufsicht als Erziehung zur Selbstständigkeitpraktizie ren

Grundsätze der Aufsichtsführung

Aufsichtsführung ist gemäß den amtlichen Ausführungs-vorschriften über die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht(AV Aufsicht)33 Bestandteil des Bildungs- und Erziehungs-auftrags der Schule und soll dazu beitragen, die Selbst-stän digkeit und Verantwortung der Schülerinnen undSchüler altersange messen zu fördern.34

Art und Umfang der Aufsicht richten sich demgemäßnach Alter und Ent wicklungsstand, nach der Anzahl derSchülerinnen und Schüler, nach der Gruppenzusammen-setzung und nach dem jeweiligen Kontext, in dem diezu beaufsichtigenden Kinder handeln.35

Aufsicht soll der Gefahrenabwehr für die Schülerinnenund Schüler und für andere Personen dienen. Sie sollkontinuierlich, aktiv und präventiv ausge führt werden.»Die Schülerinnen und Schüler müssen sich jederzeit be-

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32 Vergleiche auch das »Leitbild für die offenen Ganztagsgrundschule«, a. a. O., S. 36f.33 Vergleiche Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport: Ausführungsvorschriften über die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht im schu-

lischen Bereich und die Verkehrssicherungs pflicht sowie die Haftung (AV Aufsicht) vom 25. April 2006. Die AV Aufsicht gilt nicht für Pri-vatschulen und sie gilt auch nicht automatisch für die Freien Träger. Die Freien Träger der Jugendhilfe werden aber gemäß Abschnitt 2,Abs. 1 AV Aufsicht bei Kooperation mit einer Schule, die der AV Aufsicht unterliegt, mit der Aufsichtspflicht in der Schule ent sprechendder AV Aufsicht betraut.

34 Vergleiche AV Aufsicht 3 (1).35 Vergleiche AV Aufsicht 3 (3).

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auf sichtigt fühlen, auch wenn die Aufsichtsperson nichtjede einzelne Schülerin oder jeden einzelnen Schülerunmittelbar im Blickfeld haben muss«36.

Diese Grundsätze enthalten wichtige Implikationen fürdie Wahl der ange messenen Methoden der Aufsichts-führung. Der Gesetzgeber kann ange sichts der Vielge-staltigkeit möglicher Sachverhalte keine allgemeinver-bind lichen detaillierten Vorgaben über die Art der Auf-sichtsführung machen. Es bleibt also in der Freiheit undVerantwortung der jeweiligen Schule und der jeweiligenPädagoginnen und Pädagogen, wie sie im Rahmen derVor ga ben der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen dieAufsichtsführung im kon kreten Fall ausfüllen.

Oberster Grundsatz ist die Erziehung zu Selbstständigkeitund Verant wor tung. Das heißt, jede Maßnahme derAufsichtsführung wird sich auch daran messen lassenmüssen, dass sie diesem Ziel dient. Anders ausge drückt:Alles was die Schülerinnen und Schüler selbständig tunund verant wortlich für sich und andere entscheidenkönnen, sollen sie selbständig tun und verantworten.Diese Lesart wird auch gefordert durch die Anforderung,die Aufsicht solle präventiv wirken. Präventiv heißt indiesem Sinne auch: Schülerinnen und Schüler sollen aufmögliche Gefahren hingewiesen werden und es sollenmit ihnen Verhaltensnormen und Regeln vereinbart wer-den, die sie selbst und andere in ihrem Recht auf körper-liche und seelische Unversehrtheit und in ihren Eigen-tumsrechten schützen. Aktive Aufsichtsführung beinhal-tet dabei, dass die Kinder sukzessive mit im Alltag vor-handenen Gefahren ver traut gemacht werden, möglicheGefahren von den Erwachsenen als Bil dungs- und Erzie-hungssituationen begriffen und mit den Kindern be spro-chen werden.

Die Aussage der AV Aufsicht, dass die Kinder sich jeder-zeit beaufsichtigt fühlen müssen, kann für sich allein ge-nommen sehr verschieden ausgelegt werden. Je nachpädagogischer Grundhaltung kann daraus geschlossenwerden, dass die Kinder sich kontrolliert fühlen sollen –es kann, egal, wo ich bin und egal, was ich tue, jederzeitein Erwachsener kommen, der mich »erwischt«. Eineandere Auslegung wäre: Jedes Kind soll sich sicher fühlen,dass ein Erwachsener zur Stelle ist, wenn es ihn braucht.

Stellen wir die Aussage in den Gesamtzusammenhangder bereits be schriebenen Grundsätze der AV Aufsicht,dann wird klar, dass die Sicher heit der Kinder und nichtdie Kontrollgewalt der Erwachsenen Priorität ha ben soll.

Hier gilt es, zwischen allen am Schulgeschehen Beteilig-ten eine Verstän digung herbeizuführen, die im Einzelfallschwierig werden kann, weil ver schiedene Interessenzusammen kommen.

Pädagoginnen und Pädagogen haben mindestens dreiPerspektiven in Ein klang zu bringen:

• Die Perspektive der Kinder: Wie sichert die Schule ihrRecht auf Eigen ständigkeit und Selbstbestimmungeinerseits, Sicherheit und Unversehrtheit andererseits?

• Die eigene Perspektive als Pädagogin: Wie schützeich mich vor mög lichen Vorwürfen oder gar Klagenvon Eltern, wenn etwas passiert? Und: Wie schützeich mich vor eventuellen Disziplinarstrafen oderRegress forde rungen des Staates?

• Die Perspektive der Eltern: Wie gewährleistet dieSchule, dass ihrem Kind nichts Gravierendes passiert?

Häufig werden diese Perspektiven bei Entscheidungenum die ange mes sene Art der Aufsichtsführung nichtsorgfältig genug voneinander ge trennt. Aus nachvollzieh-baren Gründen gerät die Perspektive »Wie schütze ichmich am besten vor unangenehmen Folgen?« dann un-bewusst vor die Per spektive »Wie schütze ich die Kinderam besten vor Gefahren?«.

Diskussionen um die Aufsichtspflicht sind deshalb immerauch Diskus sio nen um pädagogische Kernfragen, nichtnur um Rechtsfragen, sie sind Kernfragen zur Zusammen-arbeit im Team und zur Zusammenarbeit mit El tern. Bei intensiverem Nachdenken entpuppen sie sich fastimmer als Dis kussion um die Frage: Was traue ich denKindern zu? Das betrifft die Ver trauensfrage und dieFrage nach dem angemessenen Verhältnis von Ver trau-en und Kontrolle. In einem Schulentwicklungsprozesssollten deshalb Fragen der Aufsichtsführung ausrei-chend Raum haben.

Geteilte Aufsichtspflicht

In offenen Ganztagsschulen gelten die gleichen Prinzipienfür alle am Schulgeschehen Beteiligten, wie sie in denoben diskutierten Grundsätzen beschrieben sind.37 FürLehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher gibtes in der Art der Aufsichtsführung keinen Unterschied.Beide Berufs gruppen teilen sich den Erziehungs- undBildungsauftrag zur Förderung von Selbstständigkeitund Verantwortung, beide Berufsgruppen müssen aktiv,

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36 AV Aufsicht 3 (4).37 Vergleiche AV Aufsicht 2.

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kontinuierlich und präventiv für die Rechte der Kinderauf körperliche und seelische Unversehrtheit eintreten.

Auch andere geeignete Personen, insbesondere etwaErziehungs berech tigte, können mit der Wahrnehmungder Aufsichtspflicht beauftragt werden. Die Beauftra-gung erfolgt in der Regel schriftlich durch die Schule.38

Hierbei ist zu prüfen, ob die betreffenden Personen auchin der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben ge-mäß den Grundsätzen der AV Aufsicht zu über nehmen.In Ausnahmefällen kann die verantwortliche Lehrkraftauch geeig nete Schülerinnen und Schüler weiterführen-der Schulen mit der Wahr neh mung der Aufsichtspflichtbeauftragen, wenn deren Erziehungsbe rechtigte demvorher schriftlich zugestimmt haben.39

Eine klare Absage gibt die AV Aufsicht allen Konzepten,die eine Trennung von Bildungs- und Erziehungsauftrageinerseits und Aufsicht andererseits versuchen. Die Auf-sichtsfunktion kann nicht vom Bildungs- und Erziehungs-auftrag abgekoppelt werden. Es verbietet sich deshalb,die Aufsichts füh rung innerhalb der Schule einer Berufs-gruppe allein zu übertragen.

Haftung bei Verletzung der Aufsichtspflicht

Für alle im Schuldienst stehenden Mitarbeiterinnen giltdie Amtshaftung laut § 839 BGB. Prinzipiell haftet derStaat bzw. die gesetzliche Unfallver sicherung. Nur beiVorsatz und grober Fahrlässigkeit kann der Staat bzw.die Versicherung Regress bei dem betreffenden Mitar-beiter bzw. der Mitar beite rin nehmen.

Es wird im Einzelfall geprüft, ob die Aufsichtsführungangemessen war oder ob die Mitarbeiterin bzw. derMitarbeiter grob fahrlässig oder mit Vorsatz gehan delthat. Dabei werden die oben diskutierten Grundsätze alsRichtlinie ge wertet. Umfangreiche Informationen lieferthierzu das »Rechtshandbuch für Erzieherinnen«.40

Aufsichtspflicht bei Aktivitäten außerhalb des Schulgeländes

Die AV Aufsicht gibt sehr detaillierte Anweisungen, wasbei den Wegen von der Familie zur Schule, zu Aktivitä-ten außerhalb des Schulgeländes bzw. des Geländes derkooperierenden Horte zu beachten ist. Hier wird vielWert gelegt auf die Information der Eltern und auf ihrEinverständnis zu außer schulischen Aktivitäten. Die Ein-zelheiten können der AV Aufsicht entnom men werden.

Konkretionen:• Zu beachten ist zunächst, dass im jeweiligen Einzelfall

zu prüfen ist, wel chen Kindern bzw. Kindergruppenunter welchen Bedingungen welche Freiräume zuge-standen werden können.

• Kinder können Räume innen und außen zeitweiseauch ohne unmit tel bare Anwesenheit eines Pädago-gen oder einer Pädagogin nutzen, wenn zuvor Ver-haltensregeln vereinbart wurden und die Pädagogensich da von überzeugt haben, dass diese Kinder bereitund in der Lage sind, sich an die Regeln zu halten.

• Kinder können auch geeignete Materialien, Werkzeu-ge und Sport ge räte bzw. Bewegungsmöglichkeiten imAußengelände der Schule selbständig nutzen, wennsie zuvor mit möglichen Gefahrenquellen ausreichendver traut gemacht wurden und nach ihrem Entwick-lungs stand in der Lage sind, mögliche Gefahren ein-zuschätzen. Voraus setzung in beiden Fällen ist, dasseine Aufsichtsperson bereitsteht, um etwaig eintre-tende Gefah rensituationen abzuwenden.

• Kindern ab Jahrgangsstufe 5 kann das Verlassen desSchulgeländes unter Beachtung der Grundsätze derAufsichtsführung auch ohne Be gleitung eines Päd-agogen bzw. einer Pädagogin zu einem verein bartenZweck und für einen vereinbarten Zeitraum (Freistun-den, Pausen) ge stattet werden, wenn zuvor Verhal-tensregeln vereinbart wurden und die Pädagogen sichdavon überzeugt haben, dass diese Kinder bereit undin der Lage sind, sich an die Regeln zu halten. Vor -aussetzung ist, dass die Schulkonferenz einen ent-sprechenden Grundsatz-Beschluss herbeige führt hatund das schriftliche Einver ständnis der Erziehungsbe-rechtigten vorliegt.

AUFGABEN DER PÄDAGOGINNEN UND PÄDAGOGEN IN DER OFFENEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

47

38 Vergleiche AV Aufsicht 2 (3). Für Exkursionen und Wandertage siehe auch die Ausführungs vorschriften zu Veranstaltungen der Schulevom 25.10.2007.

39 Vergleiche AV Aufsicht 2 (4).40 Prott, Roger (2002): Rechtshandbuch für Erzieherinnen. Berlin: Cornelsen skriptor.

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Wenn sich offene Ganztagsschulen als Häuser des Lebensund Lernens verstehen, dann braucht es zur Erfüllung die-ses Anspruchs neben guten materiellen Rahmenbedingun-gen insbesondere die Leistung der hier tätigen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter sowie die institutionelle Absiche-rung dieser Arbeit. Mehr noch als bei einer traditionellenHalbtagsschule hängt der Er folg einer Ganztagseinrich-tung unmittelbar von der Identifikation, der Quali fikationund dem Engagement der beteiligten Erwachsenen ab.Dabei ver langt die Komplexität der Gesamtaufgabe dieÜberwindung des üblichen »Einzelkämpfertums« aufpersonaler und institutioneller Ebene und die Ent wick-lung von Teamgeist, Kooperation und Vernetzung.

Für diesen Prozess braucht es nicht nur die Einsicht in Not-wendigkeiten der Weiterentwicklung. Es braucht viel-mehr eine überzeugende Aussicht auf Gewinn, die Visioneiner besseren Schule und möglichst bald den Genusserster (kleiner) Erfolge. Die Erfahrung zeigt, dass in derRegel die Pädago ginnen und Pädagogen reformierterSchulen trotz der Komplexitätsstei ge rung ihres berufli-chen Alltags die Entwicklung auf keinen Fall zurück dre-hen wollen. Dabei werden zwei Faktoren oft genannt:Die Erstellung von indivi duellen Curricula eröffnet eineSicht auf die Schüler als Individuen, die ei nen intensive-ren Kontakt entstehen lässt. Und die Nutzung der Kom -peten zen von sozialpädagogischen Fachkräften unter-stützt die Lehrkräfte in ihrer Aufgabe, ein reichhaltige-res Lernarrangement zu schaffen.

Eine gute Ganztagsgrundschule ist angewiesen auf eineVielzahl kooperati ver Beziehungen:

• innerhalb der offenen Ganztagsschule:• zwischen Lehrerinnen und Lehrern,• zwischen den sozialpädagogischen und sonderpäd-

agogischen Fach kräften, • zwischen Lehrerinnen und sozialpädagogischen

sowie sonderpäd ago gischen Fachkräften,• zwischen pädagogischem und nicht-pädagogischem

Personal (Ver waltungskräften, technischen Mitar-beiterinnen etc.),

• zwischen dem professionellen Personal und denEltern,

• zwischen dem professionellen Personal und weite-ren Mitwirkenden wie zum Beispiel Ehrenamtlichenoder Honorarkräften (siehe dazu Kapitel Zusam-menarbeit mit Eltern)

• und in den Außenbeziehungen:• zwischen Schule und Kindergarten,• zwischen Schule und Trägern anderer Angebote

(zum Beispiel sozialpädago gische, medienpädagogi-sche, sozial-kulturelle, Beratungs-Angebote),

• zwischen Schule und psycho-sozialen Einrichtungen,• zwischen Schule und anderen öffentlichen Diensten.

Der Bedarf an Kooperation resultiert dabei nicht nur auspragmatischen Er wägungen. Er entspricht auch demLeitbild eines offenen und vernetzten Lernortes, wie ihndas »Forum Bildung«41 in der Empfehlung XI skizziert:»Bildungseinrichtungen müssen zu ›Häusern des Lernens‹werden, in denen nicht nur die Lernenden, sondern auchdie Lehrenden lernen ... Eltern ... sind stärker bei derVerwirklichung einer neuen Lern- und Lehrkultur ... zubeteili gen. Lernprozesse in der Lebens- und Arbeitsweltsind stärker einzubezie hen ... Das Wahrnehmen von Ver-antwortung über das eigene Fach, die Klasse, die Vorle-sung oder den Kurs hinaus ist eine wichtige Vorausset-zung für die Entwicklung der Bildungseinrichtung zurlernenden Organisa tion. Dafür ist es erforderlich, dassdas Team der Lehrenden gemeinsam lernt und gemein-sam Inhalte und Lernverfahren definiert ...«42

Widersprüche und Stolpersteine der Zusammenarbeit

Gerade dort, wo mit Engagement gearbeitet wird unddem Willen, etwas Neues zu schaffen, sollten möglicheWidersprüche und Stolpersteine be rücksichtigt werden,um demotivierende Enttäuschungen zu vermeiden. Ineinem offenen Ganztagsangebot wird es darauf ankom-men, die im Folgen den benannten Probleme auszuhal-ten und produktiv zu wenden.

Grundschule und Jugendhilfe stehen vor der Aufgabe,gemeinsam ein sinn volles und verlässliches Halbtagsan-

Kooperationen gestalten

41 Arbeitsstab Forum Bildung (2001).42 A. a. O., S. 35.

49

Page 51: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

gebot für alle Schülerinnen und Schüler und für einenTeil der Schülerschaft ein Ganztagsangebot zu schaffen.Gleichzeitig müssen Aufbau und Entwicklung der Schul-anfangsphase ge leistet werden – und dies alles unter demDach und der Verantwortung der Schule. Den meistenGrundschulen wächst damit eine Fülle neuer Auf ga benzu, die sie nur in Kooperation mit erfahrenen Kräften ausder Ju gend hilfe bewältigen können. Es wird entscheidenddarauf ankommen, dass die Handlungs- und Entschei-dungsträger der Schule unter Wahrung und Wahr neh-mung ihrer Gesamt-Verantwortung zu einer guten Zu-sammen arbeit mit den Akteuren der Jugendhilfe undEltern finden.

Zwischen Jugendhilfe und Schule besteht dabei ein un-aufhebbarer Unter schied: Während der Lehrer für denLehr-Lernprozess Verantwortung über nehmen muss (u. a.durch die Bewertung), steht die sozialpädagogischeTätigkeit dazu in einer freieren Beziehung. Lehrerinnenund Erzieherinnen haben bisher in getrennten Institu-tionen sehr unterschiedliche pädagogi sche Berufsprofileherausgebildet. In der offenen Ganztagsschule wirkennun beide Berufsgruppen zusammen – sie stehen vor derAufgabe, aufein ander zuzugehen und ihre Zuständig-keiten und Aktivitäten aufeinander ab zustimmen. Hier-für müssen sie eine gemeinsame Sprache entwickeln unddie Bereitschaft, möglicherweise vorhandene wechsel-seitige Vorurteile kri tisch zu hinterfragen. Für mancheBeteiligte ergibt sich zum ersten Mal eine Situation, in dersie ihre Ziele, Arbeitsweisen und Ergebnisse öffentlichma chen müssen. Der damit verbundene Legitimations-druck kann Unsicher heit zur Folge haben.

Der für viele auffälligste Widerspruch besteht in der der-zeitigen ersten Ent wicklungsphase vieler offener Ganz-tagsgrundschulen in dem traditio nellen Umgang mit denHausaufgaben (vergleiche Kapitel Schulaufgaben als Bei-trag zur Selbstständigkeitsförderung der Kinder organi-sieren). Mit einer mangel haften Abstimmung zwischenVormittagsunterricht und Nachmittagspro gramm drohtdie sozialpädagogische Kompetenz der Erzieherinnen undEr zieher zu verpuffen, wenn diese sich auf eine Funktionreduziert sehen, die im Kern »Aufsicht bei der Hausauf-gabenerledigung« bedeutet. Dies steht dem sozialpäd-agogischen Anspruch und Auftrag diametral entgegenund ver schleudert fachliche Kompetenz, was der Moti-vation der Erzieherinnen und Erzieher abträglich ist.

Stolpersteine, aber zugleich auch Anknüpfungspunkte fürdie Zusammen arbeit ergeben sich aus dem neuen, deut-lich ausgeweiteten Aufgabenprofil der Lehrerinnen und

Lehrer, auf die die Ausbildung bisher kaum vorbereitethat. Zu einem Katalog erforderlicher Fähigkeiten für denGanztagsbetrieb, die nach Meinung von Pädagoginnenund Pädagogen in der Praxis oft noch nicht überall ge-nügend ausgebildet seien, gehören u. a.• die Fähigkeit, anregende und anspruchsvolle Angebote

in Projekt- und AG-Form zu realisieren;• die Kompetenz für die Gestaltung schicht- und alters-

übergreifender Kon takte;• die Flexibilität hinsichtlich von Ideen und Umset-

zungsschritten zur qualita tiven Erweiterung derInhaltsdimensionen (zum Beispiel musische Ele mente,offene Aktivitäten etc.);

• die Methodenvielfalt bezüglich der eigenständigenErarbeitung von Lern in halten mit der Zielrichtung desAbbaus von Hausaufgaben;

• das Wissen um ganztagsschulspezifische Grundlagen,um andere Kon zeptionsformen und Praxismodelle;

• eine Unbeschwertheit, um im Freizeitbereich gelassenmitzuwirken und die Lehrerautorität zu überwinden.43

Aber auch die Erzieherinnen und Erzieher stehen in einerneuen Arbeits situation und deshalb vor der Aufgabe,ihr bisheriges Aufgabenprofil zu überdenken. Mit Blickauf die tendenziell längere Verweildauer der Kinder inder offenen Ganztagsgrundschule wird es zunehmendwichtiger, die Schü lerinnen und Schüler individuell zubegleiten und in ihrer geistigen, körperli chen und emo-tionalen Entwicklung zu unterstützen.

Als unabdingbare Voraussetzung, die bisher freilich kaumgewährleistet ist, benötigen die Pädagoginnen und Päd-agogen ausreichende Kooperations zeiten. Im Klartext:In der Arbeitszeitplanung aller Pädagoginnen und Päd a-gogen müssen solche Zeitkontingente für gemeinsamePlanung und wechselseitige Beratung der pädagogischenAngebote vorgesehen werden.

Bedingungen für eine gelingende Kooperation

Im Folgenden werden sechs allgemeine Bedingungenbenannt, die uns für eine gelingende Kooperation not-wendig erscheinen. Wenn auch jede Ein richtung bzw.jedes offene Ganztagsangebot (verstanden als Koope-rations leistung mehrerer Beteiligter) einen eigenen Ent-wicklungsweg finden wird, so sind positive Antwortenauf die genannten Aspekte doch Voraussetzung füreine gute Zusammenarbeit. An der Zusammenarbeitder Erwachsenen ist für die Kinder dann erlebbar, unterwelchen Bedingungen sich Zusam menarbeit als gelebte

43 Vergleiche Appel, Stefan; Rutz, Georg (2003), S. 174 f.

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KOOPERATIONEN GESTALTEN

Page 52: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

soziale Kompetenz entwickelt und wohin sie führenkann.

Respekt und Achtung entwickeln

Respekt und Achtung sind in zwei Richtungen gefordert,zum einen als un aufgeregtes Selbstbewusstsein für dieeigene Bedeutung und Leistung, zum anderen als wert-schätzende Haltung dem Kooperationspartner gegen-über. Sozialpädagogische Einrichtungen definieren sichoft als Anti-Schule, und das ist eine schlechte Ausgangs-basis für Kooperation. Schule blickt manchmal auf sozial-pädagogische Einrichtungen als Betreuungseinrichtun genherunter, die in Deutschland allgemein in ihrer Bedeutungund ihrer Leistung unterschätzt werden. Bei allen Betei-ligten ist ein Selbstbewusst sein der eigenen Einrichtungund Aufgabe gegenüber notwendig. Es gibt Lehrer, dieihre Schule für unreformierbar halten; es gibt Erzieherin-nen, die schon bei der Frage »Warum machen Sie das?«nervös werden. Es tut der gemeinsamen Schulentwick-lung gut, wenn selbstbewusste Akteure freund lich mit-einander umgehen.

Sich wechselseitig informieren und miteinander kommunizieren

Die Schule hat sich über lange Zeit als relativ abgeschlos-sener Lernort ver standen; Schule und Sozialpädagogikhaben sich in Deutschland als ge trennte Bildungsbereicheentwickelt. Die gegenseitige Anerkennung des Ex perten-tums kann deshalb nur über verstärkte Information ge-lingen. – Ge genseitige Hospitationen (innerhalb undaußerhalb der offenen Ganz tags grundschule) sind eineMöglichkeit, mehr voneinander zu erfahren. An dereMöglichkeiten sind regelmäßige Kooperationssitzungenoder ein »Runder Tisch«, beispielsweise zur Präventi-onsarbeit. Oft kann eine einfache Frage erkenntnislei-tend sein: »Was wissen wir übereinander?«

Gemeinsame Ziele verfolgen

Manche Projekte scheitern, weil man nur vermeintlichdas gleiche Ziel hat, in Wirklichkeit aber ganz unterschied-liche Prioritäten setzt oder sogar wider sprüchliche Ziele

verfolgt. – Deshalb ist es wichtig, gemeinsam eine Situa-tionsanalyse vorzunehmen, weil sich Zielentscheidungendarauf beziehen. Rahmenvereinbarungen und die koope-rative Entwicklung eines Leitbildes sind weitere Elemen-te einer gemeinsamen Zielsetzung. Gemeinsamer Fo kussollten die Fragen sein: »Was braucht das Kind – wasbrauchen die Kinder?« und »Wer von uns kann dafür wastun?« Geeignete Orte für solche Entwicklungen sind ge-meinsame Studientage und gemeinsame Fortbildun gen.

Gemeinsame Handlungsfelder schaffen

Geteilte Ziele allein begründen noch keine stabile Ko-operation; sie konkreti sieren sich erst im gemeinsamenHandeln, das ein gemeinsames Hand lungsfeld heraus-fordert. Dies wird durch den detaillierten Katalog derAuf gaben für die Arbeit der Erzieherinnen in der offenenGanztagsgrundschule, der mit dem »Leitbild für die of-fene Ganztagsgrundschule« veröffentlicht wurde, bereitsnahegelegt.44 Das offene Ganztagsangebot bietet dieMöglich keit der Zusammenarbeit unterschiedlicher Pro-fessionen, zum Beispiel durch die gemeinsame Entwick-lung eines Beobachtungsbogens zur Beschreibung indi-vidueller Kompetenzen des Kindes. Es sollte vermiedenwerden, die Verantwortung der einzelnen Gruppen auf-zuspalten und trennscharf von einander abzudichten, ob-wohl die Tradition dies bisher nahelegte. Lebenswelt-orientierung ist nicht durch eine Trennung in ein Vor-mittags- und Nachmittagsleben zu erreichen. Zusammen-arbeit kann entlasten!

Gemeinsames Handeln kann sich sowohl im Alltag (zumBeispiel in der Beteiligung von Lehrerinnen und Lehrernam Mittagstisch-Angebot) als auch in beson deren Pro-jekten entwickeln. Grundsätzlich sollte wechselseitigeUnterstüt zung möglich sein. Wenn außergewöhnlicherVertretungsbedarf entsteht, sollten alle Pädagoginnenund Pädagogen bereit sein, füreinander einzu springen.

Geeignete Strukturen und Ressourcen sichern

Hohe Qualität in der offenen Ganztagsgrundschule gibtes nicht zum Null tarif. Die größte Motivation erschöpftsich auf die Dauer, wenn keine geeig neten Strukturenund Ressourcen für die Kooperation geschaffen werden.

44 Vergleiche »Leitbild für die offene Ganztagsgrundschule«, Drucksache 15/4125 des Abgeord netenhauses Berlin vom 26.7.2005, Kapitel6.1.3, S. 26-28. Eine vergleichbar datail lierte, auf Ko operation zwischen den Berufsgruppen abzielende, offizielle Arbeitsplatz beschrei-bung für die Lehrerinnen und Lehrer in der Ganztagsgrundschule gibt es bisher nicht. Sie könnte und müsste im Kontext eines neuenArbeitszeitsmodells für die Lehre rinnen und Lehrer definiert werden, das für die Arbeit in der Ganztagsgrundschule oh nedies erfor derlichist. Das »Leitbild für die offene Ganztagsgrundschule« verpflichtet im Übrigen schon heute alle Berufsgruppen zur engen Kooperation –auch die Lehrerinnen und Lehrer.

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KOOPERATIONEN GESTALTEN

Page 53: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Zu den fundamentalen Voraussetzungen einer gelingen-den Kooperation gehört ein angemessenes Zeitbudgetfür gemeinsame Handlungen, Pla nungen und Reflexio-nen. Dazu ist zu klären, wie ein »grenzüberschreiten des«Engagement (von Lehrkräften am Nachmittag, von sozial-pädagogi schen Fachkräften am Unterricht) zu ermögli-chen ist, wie es bereits das Berliner »Leitbild für dieoffene Ganztagsgrundschule« beschreibt.45 Eine Be din-gung dafür ist eine Bestimmung von Arbeits- und An-wesenheitszeiten für Lehrerinnen und Lehrer, die überdie Pflichtstundenzahl hinausgeht. In der Personalbemes-sung aller Berufsgruppen müssen Zeiten für Kooperations-bedarf berücksichtigt werden; auch ist die oft großflä-chige Verteilung der unterschiedlichen Spiel- und Lern-orte zu berücksichtigen.

Da ein gelingendes Ganztagsangebot ganz wesentlichvom Engagement der Be teiligten abhängt, ist es tenden-ziell notwendig, die Situation der »Zufalls gemeinschaft«eines Schulkollegiums durch eine höhere Verant wortungin der Personalauswahl zu verändern.

Für bestimmte Projekte, zum Beispiel im medienpädago-gischen Bereich, werden die internen Ressourcen (per-sonell, finanziell, räumlich, technisch) nicht immer aus-reichen. Hier wird es darauf ankommen, verlässlicheKooperations beziehungen zu Partnern herzustellen, dieüber die entsprechenden Mög lichkeiten verfügen.

Gewinn für alle Seiten anstreben

Altruismus allein ist keine tragfähige Grundlage für einelangfristige Zusammen arbeit. Der Gewinn einer gutenKooperation in der offenen Ganztagsschule besteht darin,dass Geben und Nehmen in einem ausgewogenen Ver-hältnis zueinander stehen können. Die Schule kann ge-winnen durch mehr Lebens nähe, durch die Strukturie-rung von Lernprozessen in Unsicherheit statt in Para-metern vermeintlicher Lebenssicherheit. Sozialpädagogikkann gewin nen durch die Notwendigkeit, auch außer-halb der »Szene« zu agieren und damit andere Erwach-sene einzubeziehen. Außerschulische Beteiligte wie El-tern können gewinnen durch mehr Einsicht in schulischeProzesse und ein Handlungsfeld für ihre Kompetenzen.

Alle Beteiligten gewinnen da durch, dass andere ihreLeistung, die nun nicht mehr in der »Black Box« ver-schwindet, zur Kenntnis nehmen können.

Konkretisierungen für die Entwicklung vonKoope ra tion

Sich als Organisation verstehen

Organisationen sind Systeme, die einerseits geprägt sinddurch die Men schen, die sie tragen. Andererseits sindsie bestimmt durch Strukturmerk male und Leitideen, diein einer bestimmten Phase der Entwicklung ent standensind, die aber der ständigen Weiterentwicklung bedür-fen. In der Wirklichkeit solcher Systeme verpuffen jedochviele Reformbemühungen, die zum Beispiel von einzel-nen Personen ausgehen, aber nicht die Teamebene er -reichen.46 Wenn Widerstände gegen Weiterentwicklun-gen überwunden wer den müssen, ist eine systemischeSichtweise notwendig.

Systemisches Denken sieht die unterschiedlichen Verknüp-fungen innerhalb von Organisationen, aber auch zwi-schen ihnen und ihrer Umwelt. Für diese Verknüpfungenhat die Systemtheorie zahlreiche Gesetze, oft in Bildernfor muliert, die hilfreich sein können. Eines dieser Bilderist das von der Selbst ähnlichkeit: Danach sind Organi-sationen Netzwerke, die ihre Komponenten, aus denensie bestehen, selbst produzieren. Diese Komponentenähneln also immer der Gesamtstruktur. Eine Schule funk-tioniert – als Teil der Ver waltung – oft auch in wichtigenTeilbereichen nach der Logik des Verwal tungshandelns,was zu vielen Frustrationen führen kann. So erscheintim manent logisch, was von außen betrachtet völlig un-logisch erscheinen mag.

Ein anderes Gesetz, die Verbindung mit der Außenweltbetreffend, sagt aus, dass Systeme Einiges sehen undAnderes nicht sehen; dass sie aber nicht sehen können,dass sie etwas nicht sehen. Das Unvermögen, das eige-ne Handeln in Frage zu stellen, behindert Entwicklungund bringt Orga nisationen und ihre Mitglieder in Gefahr,sich entweder immer wieder selbst zu bestätigen oderaber sich zu erschöpfen. Eine Außenperspektive führt

45 Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin Nr. 15/2905, S. 36.46 In Georg Orwells Fabel »Farm der Tiere« reagiert das Pferd Boxer, einst einer der An führer der Revolution, auf die zunehmend auftreten-

den Probleme mit dem einen, immer gleichen Satz: »Ich will und werde noch härter arbeiten«. Am Anfang scheint diese Stra tegie auchaufzugehen: Boxers Leistungswille und seine Stärke spornen (fast) alle an deren Tiere an, mit ihm für das Wohl der Farm zu ackern. Dochallmählich kehrt sich dieser Einsatz gegen seine Träger. Je mehr sie leisten, desto mehr wird ihnen abver langt. Und am Ende ist Boxer aus-gezehrt ... Die Fabel erzählt von Versuchen, Probleme zu lösen. Die Beteiligten können sich nicht vorwerfen lassen, zu wenig Ausdauerund Energie zu zeigen. Ganz im Gegenteil. Es fehlt ihnen jedoch eine Betrachtungsweise und entsprechende Handlungen, die mit demBegriff »systemisches Denken« benannt werden. So entgehen ihnen die Machenschaften der Schweine.

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KOOPERATIONEN GESTALTEN

Page 54: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

dagegen neue, ungewohnte Beobachtungs- und Diag-noseformen ein und ermöglicht damit einen neuen Blickauf die Situation sowie die Beschrei bung neuer Mög-lichkeiten als Voraussetzung für neue Entscheidungen.

Organisationen neigen von sich aus eher zu konservati-ven Lösungen nach dem Muster »Mehr desselben«. Werlängere Zeit im Beruf ist, hat das meist am eigenen Leiberfahren. Mit der einzelnen Kollegin kann man nochganz gut reden. Aber spätestens jenseits der Teamgrenzefunktioniert die Institu tion nach scheinbar irrationalenRegeln.

Die Entwicklung zur Ganztagsgrundschule erfordertSchritte systemisch verstandener Organisationsentwick-lung. Dazu gehören u. a. • die Analyse von Stärken und Entwicklungsbedarfen, • eine Etablierung interner Transparenz, • die Verbesserung der Kommunikation und • die Ausbalancierung von steuernden und inhaltlichen

Arbeiten.

Verbindliche Strukturen schaffen

Einer miteinander geteilten Verantwortung für die Gestal-tung eines stimmi gen Ganztagsangebotes entspricht

eine transparente und verlässliche Or ganisations- undKooperationskultur. Auf allen Ebenen bilden verbindlichvereinbarte und regelmäßige Teambesprechungen undStudientage einen Rahmen für die Entwicklung der ge-meinsamen Aufgabenwahrnehmung. Nach überschauba-ren Zeiträumen wird geprüft, ob die gewählte Planungs-Infrastruktur noch geeignet ist. Damit Kooperationsleis-tungen und be stimmte Zuständigkeiten (beispielweisedie Beauftragung zur Kooperation mit Jugendhilfeein-richtungen in der Nachbarschaft) nicht abhän gen vonder Zusatzmotivation der Beteiligten, werden sie in derDienstpla nung und damit in der Aufgabenbeschreibung(Unterrichtsverpflichtung) berück sich tigt. Gegenwärtigist dies noch sehr unzureichend möglich. Auch aus die-sem Grund haben wir in Kapitel Räume gestalten undMaterial bereitstellen auf die Notwendigkeit neuer Ar-beits zeitmodelle hingewiesen.

Das Schulprogramm weiterentwickeln

Ein Schulprogramm formuliert die zentralen Leitlinienund Entwicklungsrich tungen des Ganztagsangebots. Esmacht die gemeinsame Bildungsarbeit transparent undgibt Orientierung nach innen und außen. Bei der Ent-wick lung des Schulprogramms werden alle Beteiligteneinbezogen. Bei aller Verbindlichkeit ist es grundsätzlich

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KOOPERATIONEN GESTALTEN

Page 55: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

offen für Weiterentwicklung und die Bei träge neuerKooperationspartner.47

Interdisziplinäre Teams bilden

Um eine Aufspaltung in Lehr- und Freizeitaktivitäten zuverhindern und eine gemeinsame Verantwortung zu er-möglichen, werden interdisziplinäre Teams gebildet, dieden (ganzen) Tag als pädagogisch zu gestaltende Lern-situation begreifen und deshalb konzeptionell und pro-grammatisch für eine bestimmte Schülerinnen-Gruppezusammenarbeiten.48 Dies ist auch ein Beitrag zur Ver-meidung von Bezugspersonenwechseln im Tagesablauf.

Zu bestimmten Zeiten werden die unterschiedlichen Mit-glieder dieser Teams auch gemeinsam tätig (»Doppel-besetzung«), um sich im Umgang mit den Kindern wech-selseitig zu erleben, zu helfen und für die Schüler alsMen schen sichtbar zu sein, die gut miteinander koope-rieren. Es gibt deshalb auch gemeinsam verantwortetebzw. begleitete Elternversammlungen. Lei tendes Prinzipfür die Zusammenarbeit ist dabei die Verpflichtung zurun teilbaren pädago gischen Verantwortung, da der Bil-dungsauftrag der offenen Ganztagsgrundschule überihren Unterrichtsauftrag hinausreicht. Das be deutet auch,dass die unterschiedlichen Gruppen nicht gegenseitigihre je eigene Verantwortung in Zweifel ziehen.49

KOOPERATIONEN GESTALTEN

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47 Die Senatsverwaltung hat Ausführungsvorschriften zur Erstellung der Schulprogramme erlassen; sie sind im Internet einzusehen unterhttp://www.berlin.de/sen/bildung/schulqualitaet/.

48 Siehe hierzu auch die Dokumente 3 und 8 sowie die Reportage Eine Sache – zwei Institutionen im Teil B.49 Zu den Chancen gelingender Kooperation siehe auch die Reportage Kooperation zwischen Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und Erziehern

im Teil B.

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Der Erfolg von interdisziplinären Teams bemisst sich u. a.daran, • was die Beteiligten über das Lernen am Vor- und am

Nachmittag wissen (vergleiche Kapitel Formelle, infor-melle und halbformelle Bildungssituationen aufeinan-der abstimmen),

• ob es eine gemeinsame Auffassung über den Stellen-wert und den Um gang mit Haus- und Schulaufgabengibt (vergleiche Kapitel Schulaufgaben als Beitrag zurSelbstständigkeitsförderung der Kinder organisieren),

• ob es Zeiten für gemeinsame Teamsitzungen gibt, sodass alle beteilig ten Gruppen ohne Vernachlässigungihrer Aufgaben teilnehmen können (vergleiche Kapi-tel Räume gestalten und Material bereitstellen),

• ob auch sozialpädagogische Fachkräfte durch Lehr-kräfte vertreten wer den und nicht nur Lehrkräfte durchsozialpädagogische Fachkräfte,

• wer mit den Eltern über die Entwicklung der Kinderspricht.

Partizipation sichern

Ein Ganztagsangebot »lebt« von der Mitwirkung mög-lichst aller Beteiligten und versucht, Rückzüge aufgrunddes Erlebens passiver Anpassung zu vermeiden. Auchund gerade in der Berliner Situation, die das offene Ganz-tagsangebot in die Verantwortung der Schule stellt (imGegensatz zu Bun desländern, die ein Kooperationsmo-dell vorsehen), ist die Sicherung von Partizipation zurErreichung einer hohen Qualität des Ganztagsangebotsnotwendig: Ohne Partizipation gehen Kompetenzen ver-loren, die ein Ganz tagsangebot dringend braucht. DasPartizipationsgebot gilt dabei für Kinder, Eltern, die Zu-sammenarbeit der Pädagoginnen und Pädagogen sowiefür die Zusammenarbeit mit Freien Trägern. Eine wichti-ge Bedingung dafür ist, dass die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter der Freien Träger in den Gremien der Schu-le und der Schulleitung verantwortlich vertreten sind.

Kooperationsverträge mit Freien Trägern der Jugend hilfe

Längerfristige Kooperationen zwischen eigenständigenTrägern benötigen neben dem Willen zum gemeinsamenErfolg eine formale Basis. Der Wert einer entsprechen-den, schriftlich fixierten Vereinbarung liegt zum einen inder Planungs- und Handlungssicherheit der Beteiligten.Zum anderen unter stützt die Formulierung eines Koope-rationsvertrages die Entwicklung einer verbindlichen

Haltung und eines gemeinsamen Verständnisses überZiele, Voraussetzungen und die jeweiligen Kompetenzen,die in die Zusammen arbeit eingebracht werden. Da esinzwischen eine Reihe von Erfahrungen mit solchenVerträgen gibt, empfiehlt sich die prüfende Übernahmesolcher Vereinbarungen.

Konkretionen:• Einen Mustervertrag hat die Berliner Bildungsverwal-

tung unter http://www.berlin.de/imperia/md/con-tent/bacharlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/jugend/schulen/kooperationsvereinbarung_1.pdfoder kurz: http://tinyurl.com/kooperationsvereinba-rung veröffentlicht. Weitere Materialien findet manauch unter der Brandenburger Adresse http://www.kobranet.de. Eine konkrete Kooperationsvereinbarungzwischen der Kreuzberger Jens-Nydahl-Grundschulesowie der Wilhelm-Liebknecht-Bücherei findet sichauf der Website der Jens-Nydahl-Grundschule:http://www.jng.cidsnet.de/archiv/bibliotheksver-trag/Kooperationsvereinbarung.pdf oder kurz:http://tinyurl.com/kooperationsvereinbarung2 .

• Eine allgemein verwendbare Vorlage für Kooperati-onsverträge zwischen Grundschulen und außerschuli-schen Trägern findet sich unter http://www.bjsinfo.verwalt-berlin.de/DokLoader.aspx?DokID=1008

• Hilfestellung bei der Vermittlung von medienpädago-gischen Kontakten können die »Landesarbeitsge-meinschaft Medien«50 sowie die bezirklichen Medien-kompetenzzentren leisten.

KOOPERATIONEN GESTALTEN

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50 Kontaktadresse: Günter Thiele, GMK-Projektbüro, Hohenzollerndamm 2, 10717 Berlin, E-Mail: [email protected].

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Die Eltern51 einer Schule repräsentieren die Gesellschaftim Einzugsbereich und damit eine Spanne der gesell-schaftlichen Erziehungs- und Bildungs praxis, eine Span-ne der Erwartungen an die institutionelle Förderung derKinder sowie eine Spanne von beruflichen und außer-beruflichen Kompe tenzen. Damit sind sie die nächstenKooperationspartner für ein Ganztags angebot, das sichals offener Lernort versteht und das sich für sozial-kultu -relle Belange des Umfeldes interessiert. Eltern haben einRecht auf Partizi pation, denn ohne die Mitwirkung vonEltern kann Schule ihre Ziele nicht für alle Kinder errei-chen. In der Zusammenarbeit liegen demgegenüberChan cen, die aus einer gemeinsamen Verantwortungerwachsen und entschei dend zu dem Reichtum guterSchulen beitragen.52

Diese Nähe hat einen durchaus ambivalenten Charak-ter; zu den Risiken gehört sowohl die lautstarke Vertre-tung eines phantasie- und kritiklosen »Weiter so!« alsauch die Durchsetzung von Partikularinteressen durchein flussreiche Minderheiten. Es gehört deshalb zur stän-digen Aufgabe einer Schule, die Risiken in Chancen um-zuwandeln. Eltern sind Kooperations partner der Schule!Daran ist festzuhalten trotz der speziellen Situation vonoffenen Ganztagsschulen: Diese ist gekennzeichnet durchdie unterschied liche Betroffenheit der Familien, denn nurein Teil der Kinder wird für den Ganztag angemeldet.Es gibt nun Ganztags- und Halbtagseltern – ihre In ter-essen, Bedürfnisse und Ansprüche sind nicht identisch.

Von Seiten der Bildungspolitik wird ein verstärktes En-gagement der päd agogischen Mitarbeiter und Mitarbei-terinnen sowie der Eltern gefordert: »Eltern sollen sichihrer Verantwortung im Erziehungs- und Lernprozessbewusst sein und sind stärker bei der Verwirklichungeiner neuen Lern- und Lehrkultur in Kindertageseinrich-tungen und Schulen zu beteiligen«53. Dass dies alsEmpfehlung formuliert ist, weist darauf hin, dass es zuden Zu kunftsaufgaben der Schulgestaltung gehört.

Mehr noch als im Bereich der Elementarerziehung lagbisher in der Schule die Verantwortung ganz über wie-gend bei den Lehrkräften. Einen deutlichen Fortschritthin zu mehr Parti zipation markiert das aktuelle Schulge-setz Berlins. Einerseits sind Eltern Adressaten der Schul-pflicht; zu ihren grundgesetzlichen Aufgaben gehört dieSicherstellung des Schulbesuchs ihrer Kinder. Andererseitssind sie Träger eigener Rechte, die in Gesetzen (Grund-gesetz, BGB, Berliner Schulgesetz) verankert sind.54 Eswird in der Praxis der einzelnen Einrich tung entscheidenddarauf ankommen, die oben zitierten Forderungen alsEinladungen zu formulieren.

Mit der Ganztagsgrundschule stellt sich die Frage nachder pädagogischen Verantwortung in verstärktem Maße,halten sich doch hier viele Kinder über einen wesentlichlängeren Teil des Tages auf als in der Halbtagsschule.Dass die Pädagoginnen und Pädagogen mit dieser Ver-antwortung nicht alleingelassen werden dürfen, markie-ren – freilich in einem negativen Zu sammenhang – dieKlagen von Lehrkräften, dass sie sich mit der Erziehungüberfordert und von manchen Eltern alleingelassen sehen.So sehr dies im einzelnen Fall gerechtfertigt erscheint,so leistet es doch aus systemischer Sichtweise einem Er-ziehungsmodell Vorschub, das die Wechselseitigkeitdieses Zusammenhangs ausblendet. »Denn die erziehe-rische Verantwor tung lässt sich nicht zwischen Familieund Staat aufteilen ... Die Schule muss sich angesichtsder schwierigen Lebensbedingungen heutiger Kinder undJugendlicher eher zu einer Einrichtung weiterentwickeln,die die Erzie hungskraft der (Rest-)Familie stärkt, indemsie vermehrte Kontakte zwi schen Schule und Elternhausstiftet«55. Diese Haltung und die entsprechen den Hand-lungen könnte man mit dem Begriff eines Empowermentsfür El tern belegen.

Ganztagsschulen werden, wie der Bundeselternrat es inseiner Resolution von 2002 feststellt, »von Familien imInteresse ihrer Kinder mehr und mehr nachgefragt«56.

Zusammenarbeit mit Eltern

51 Der Begriff Eltern umfasst hier sowohl die leiblichen Eltern als auch andere Sorgebe rechtigte. Familie meint jede Lebensgemeinschaft, inder mindestens ein Erwachsener mit einem Kind zusammenlebt; vergleiche dazu das »Berliner Bildungsprogramm für Kinderta geseinrich-tungen«. – Darüber hinaus sind mit diesem Kapitel alle dem Kind naheste henden interessierten Personen angesprochen.

52 Siehe hierzu auch die Reportage Nicht ohne die Eltern! Oder: Wie ein spendabler Verein undeine kreative Aushandlungsgruppe die Schulebereichern im Teil B.

53 Forum Bildung, a. a. O., S. 35.54 Vergleiche im Berliner Schulgesetz vor allem §§ 88 ff.55 Neumann, Ursula; Ramseger, Jörg (1991), S. 23.56 Bundeselternrat (2002), S. 249.

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Analog zu der entsprechenden Empfehlung des ForumsBil dung fordert der Bundeselternrat, dass die einzelneGanztagsschule ihr An gebot unter Beteiligung aller Be-teiligten entwickeln solle.

Dies wird manchen zu der Einlassung provozieren, dassschon in der Halbtagsschule eine angemessene Eltern-beteiligung schwer zu erreichen sei, wobei sich geradegut entwickelte Schulen zumeist auch einem starkenElternengagement verdanken. Doch Eltern konnten inder Geschichte der Schule bis heute selten lernen, wieund wo man sich nachhaltig, respektvoll und zugleichkritisch einbringen kann. Viele Eltern empfinden Angstvor dem System und dem Personal der Schule und fürch-ten im Widerspruchs fall negative Konsequenzen für ihrKind und sich selbst. Aufgabe der Schule ist es demge-genüber, Eltern diese Angst zu nehmen. Auch machenEltern nicht selten die Erfahrung, dass Aspekte ihrerFamilienwelt (wie zum Beispiel ihre Mediengewohnhei-ten) von der Schule kritisiert und abgewertet werden.

Umgekehrt ist es möglich, dass auch Lehrkräfte Angstvor Eltern haben, vor ihren vielfältigen und manchmalauch sich widersprechenden Erwartungen und Anforde-rungen, vor ihrer Überzahl und evtl. drohenden An-schuldigun gen.

Das bisherige Defizit im Aushandeln solch unterschiedli-cher Perspektiven fällt in die Verantwortung des Systemsund damit auch in die der Pädago ginnen und Pädago-gen. Demgegenüber kann darauf verwiesen werden, dassdie gemeinsame Gestaltung des Lern- und Lebensrau-mes Schule die Verbundenheit von Schülern, Eltern undLehrern stärkt und zu einer höhe ren Zufriedenheit allerBeteiligten führen kann, wie es die Re portage Nicht ohnedie Eltern! Oder: Wie ein spendabler Verein und einekreative Aushandlungsgruppe die Schule bereichern imTeil B beschreibt.

Aufgaben für eine gelingende Zusammen-arbeit mit El tern

Auch für die Zusammenarbeit mit Eltern gelten die imvorangegangenen Kapitel beschriebenen Bedingungenfür gute Kooperationen:• Respekt und Achtung voreinander entwickeln,• voneinander informieren und miteinander kommuni-

zieren,• gemeinsame Ziele verfolgen,• gemeinsame Handlungsfelder schaffen,• geeignete Strukturen und Ressourcen suchen,• Gewinn für alle Seiten anstreben.

Mit Blick auf die Situation von Eltern und Familien sinddabei mehrere Auf gaben besonders zu beachten, die sichin den Erscheinungsformen teil weise überschneiden.

Übergänge und Verbindungen zwischen Fami-lie und offener Ganztagsschule schaffen

Die offene Ganztagsgrundschule schafft vielfältige Über-gangsmöglichkeiten und Verbindungen. Diese unter-stützen nicht nur den Eintritt des Kindes in das formaleBildungssystem, sondern schaffen auch im weiteren Ver-lauf der Bildungsbiographie Räume für Kommunikationund Kooperation. Die Bewältigung von Übergängen istnicht die Aufgabe der Kinder alleine, son dern auch die-jenige von Familie, Schule und Jugendhilfe. Befragungenzei gen, dass es zu den größten Bedenken von Eltern ge-hört, ob ihr Kind in der Schule »zurechtkommt«. Über-gänge sollten deshalb so gestaltet werden, dass sie vorallem den praktischen und emotionalen Bedürfnissendes Kin des gerecht zu werden versuchen und damit zueiner Kindfähigkeit der In stitutionen (statt der Institu-tionenfähigkeit des Kindes) beitragen.

Ein in der traditionellen Schule nahezu tägliches Diskus-sionsthema ist das der Hausaufgaben. In der Ganztags-grundschule, in der sich viele Kinder bis zum spätenNachmittag aufhalten, kann es – wie oben ausgeführt –keine Hausaufgaben im üblichen Sinn mehr geben (ver-gleiche Kapitel Schulauf gaben als Beitrag zur Selbststän-digkeitsförderung der Kinder organisie ren). Der bisherigeUmgang mit Hausaufgaben in den Familien zeigt einambivalentes Bild: Einerseits werden solche Pflichtauf-gaben von nicht we nigen Familien als Belastung desfamilialen Alltags wahrgenommen, insbe sondere dann,wenn sich die Kinder auf Unterstützung durch die Er-wach senen angewiesen zeigen. Andererseits sind Schul-aufgaben ein »Fenster«, durch das Eltern Einblick in dasschulische Geschehen erhalten. Für Eltern sind Schul-aufgaben Informationen über Themen und Anforderun-gen, mit denen ihr Kind konfrontiert ist. (Für Horterzie-herinnen gilt dies im übertra genen Sinn). Manche Elternfordern deshalb mangels Alternativen die Er teilung vonHausaufgaben.

Wenn die Erledigung von Schulaufgaben aber überwie-gend im Zeitraum der offenen Ganztagsgrundschule ge-schieht, brauchen Eltern andere An gebote, die Einblickin das schulische Geschehen und die Lernfortschritte derKinder vermitteln und sich zeitnah zu den laufendenProzessen verhal ten. Auf allgemeiner Informationsebenekönnten dies regelmäßige Mittei lungen sein (»Ranzen-post«). Die individuelle Lerngeschichte ihres Kindes

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könnten Eltern über Medien wie ein Lerntagebuch oderein Portfolio verfolg en; dies sind Dokumente, die zugleicheinen intensiven Dialog zwischen Kindern, Eltern undpädagogischen Fachkräften stiften können.

Konkretionen:• Vor Schuljahresanfang stellen sich alle Pädagoginnen

und Pädagogen in einem Brief an jedes Kind vor undermuntern die Kinder, ihnen ihrer seits zu schreiben.Dazu kann ein kleiner Vordruck angefertigt werden,der die Kinder orientiert (zum Beispiel: Was ist DeinLieblingsspiel? Welche Freunde oder Freundinnen vonDir kommen auch in unsere Klasse?) und der ei nenPlatzhalter für ein Foto des Kindes enthält.

• Kennenlerntage ermöglichen Kindern (und Eltern),schon vor der Einschu lung die Atmosphäre derGrundschule kennenzulernen.

• Die Kinder werden zum Schuljahresanfang eingela-den, ein Lieblingsspiel zeug mitzubringen.

• An einer Pinwand oder in einem speziellen Kastenwerden Displays mit Familienfotos der Kinder gesam-melt; die Herkunftsfamilien sind da durch in der Schu-le optisch immer präsent.

• Die Eltern können jederzeit Kontakt mit der Schuleaufnehmen. Das Schultelefon ist jederzeit besetzt. DieEltern erhalten eine Telefonnum mer und die E-Mail-Adresse der Pädagoginnen und Pädagogen ihrer Kin-der; die Pädagoginnen und Pädagogen haben Anruf-beantworter, um auf Gesprächswünsche der Elternjederzeit reagieren zu können, ohne sich durch Anru-fe daheim gestört fühlen zu müssen.57

• Hospitationen verschaffen Eltern Möglichkeiten, amschulischen Leben ihrer Kinder teilzuhaben.

• Über das Geschehen in der Lerngruppe, Klasse und/oder Schule wird regelmäßig schriftlich informiert(»Ranzenpost«). Mitteilungen und Kom munikationkönnen auch über das Internet geleistet werden, sofernda mit nicht einzelne Familien ausgegrenzt werden.

Eltern als Experten der Lebenssituation ihrerKinder ernstnehmen

Eltern sind die ersten Experten für die Lebenssituationdes Kindes. Sie sind zumeist die wichtigsten Bindungs-personen für das Kind und damit in einer kaum zuüberschätzenden Verantwortung und Bedeutung fürdie Entwick lung des Selbst- und Weltbildes des Kindes.Aufgrund dieser Überzeugung werden in englischen

Childhood Centres auch bildungsferne Eltern in einenintensiven Bildungs- und Erziehungsdialog mit denPädagoginnen und Päd agogen einbezogen. Sie erfah-ren dort nicht nur eine Anerkennung, sondern aucheine Stärkung ihrer Persönlichkeit – als Vater, Mutterebenso wie als menschliches Wesen mit einer individu-ellen Biographie.• Das Kind erlebt in der gegenseitigen Respektierung

eine positive Spiege lung seiner Welt(en). Wenn diePädagoginnen und Pädagogen im Einfüh rungsge-spräch einen wertschätzenden Blick auf die Lebens-welt des Kindes vor und außerhalb der Schule rich-ten, kann die Bereit schaft auf Seiten der Eltern unddes Kindes steigen, sich ihrerseits dem institutionellenAngebot erwartungsfroh zu nähern.

• Experten sind Eltern jedoch auch dort, wo sie hilfe-und ratbedürftig sind. Auch die Aspekte eines wenigergelungenen Familienlebens soll ten in einer Schuleangstfrei thematisiert werden können. Mit Angabenaus dem familialen Alltag muss dabei natürlich sensi-bel und unter Wah rung des Datenschutzes umgegan-gen werden.

Konkretionen:• In den (ersten) Elterngesprächen fragen die Pädago-

ginnen und Pädago gen nach den Vorlieben des Kin-des und häuslichen Gewohn heiten.

• Die Eltern werden gefragt, was sie sich für ihr Kindwünschen und woran sie merken könnten, wenn ihrKind gerne zur Schule geht.

• Die Pädagoginnen und Pädagogen schaffen durcheine wertschätzende Haltung einen Raum für denAustausch über Bedingungen und Formen familialenLebens.

Den Blick auf die Situation der Familie erweitern

Die offene Ganztagsgrundschule ist ein Beitrag zur Ver-einbarkeit von Fami lie und Beruf, (dem freilich ein ent-sprechendes Angebot für die ersten Le bensjahre voraus-gehen muss). Damit hat die Schule über ihre bildungs-poli tische eine große sozialpolitische Funktion hinzuge-wonnen. Zur Familien situation gehören noch andereFaktoren, zum Beispiel der konkrete Umfang und Cha-rakter der Arbeitstätigkeit der Eltern, der Grad der Ein-gebundenheit in größere Zusammenhänge wie Verwandt-schaft oder Nachbarschaft, die Ge schwisteranzahl unddie Situation des Schulkindes in der Geschwisterfolge,

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57 Um den berechtigten Schutz der Privatsphäre und privater Zeiten der Pädagoginnen und Pädagogen zu gewährleisten, sind viele von ihnenbereits dazu übergegangen, sich daheim eine zusätzliche Telefonnummer mit Anrufbeantworter für dienstliche Belange zu beschaffen sowieein dienstliches E-Mail-Konto, das von dem privaten getrennt ge führt und dennoch jeden Tag abgefragt werden kann.

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die Wohnsituation der Familie und ihr verfügbares Ein-kommen. Grundle gende wie einzelne Entscheidungen inder Schule sollten diese Faktoren berücksichtigen undeinbeziehen. Grundlegend ist dabei eine spürbare An er-kennung und Akzeptanz der Familien.

Konkretionen:• Entscheidungsprozesse über Klassenfahrten oder an-

dere Vorhaben, die einen zusätzlichen finanziellenBeitrag der Eltern erfordern, werden mit Fingerspitzen-gefühl für die unterschiedliche Belastungsfähigkeit derFamilien geführt.

• Besprechungstermine werden nach Rücksprache undmit Rücksicht auf die Lebenssituation festgelegt.

• Schule und Eltern überprüfen beständig, auf welchenWegen Kommuni kation ermöglicht bzw. erleichtertwird, zum Beispiel durch das Angebot einer Kinderbe-treuung während der Besprechungen oder gemeinsa-mer Akti vitäten.

Interessensvertretung ermöglichen und fördern

Mit dem aktuellen Berliner Schulgesetz ist ein erweiter-ter Rahmen der Inter essenvertretung der Eltern gestecktworden (zum Beispiel über die Stärkung der Mitverant-wortung in der Schulkonferenz), der noch ausgefüllt wer-den muss. Die Schule hat bis heute keine »Kultur derMitverantwortung« flächende ckend entwickelt, die ent-sprechenden »Leuchttürme« stehen unverbunden in derLandschaft. Allzu oft beschränkt sich die Einbindungder Eltern auf die formalen Mitwirkungspflichten in dendafür vorgesehenen Gremien. Dabei zeigen alle Erfah-rungen, dass sich Menschen stärker für das einsetzen,woran sie aktiv beteiligt sind.

Zu den Grundvoraussetzungen einer wirklichen Interes-senvertretung zählt die Klärung des schulpolitischenSelbstverständnisses der zu wählenden bzw. gewähltenElternvertreterinnen. Zu den internen Entwicklungsnot-wendigkeiten einer Elternvertretung gehört die Rückbin-dung an einen er klärten Elternwillen, der wiederum eineengagierte Darstellung und Kennt nisnahme von (exter-nen) Alternativen, Weiterentwicklungen und Erfahrun genvoraussetzt. Als hilfreich dafür hat sich die Moderationvon Entschei dungsprozessen gezeigt, wie sie u. a. imBLK-Projekt »Demokratie leben und lernen« unterstütztsowie von der »Werkstatt ›Schule wird Lebenswelt‹«angeboten wird (siehe die Reportage Nicht ohne dieEltern! Oder: Wie ein spendabler Verein undeine kreati-ve Aushandlungsgruppe die Schule bereichern im Teil B).

Konkretionen:• Zusammen mit den Eltern wird ein Fragebogen ent-

wickelt, mit dem jähr lich die Zufriedenheit der Elternerhoben wird. Die Ergebnisse werden gemeinsamausgewertet; Ergebnisse und Stellungnahmen werdenschulintern veröffentlicht.58

• Neben der von den Eltern durchgeführten Elternver-sammlung als Möglich keit der Meinungsbildung undBasis der Interessensvertretung durch die Elternspreche-rinnen und Elternsprecher regen die Pädagogin nenund Pädagogen informelle Treffen an (zum Beispielein Familienpicknick oder einen Elternstammtisch).

• Die Schule schafft räumlich und inhaltlich Plätze fürdie Bildung einer Elternöffentlichkeit, zum Beispieldurch ein Elterncafe, eine Schulzeitung, eine Internet-Webseite mit Diskussionsforum.

• Entscheidungen durch Schul-, Schulaufsichts- undSchulträgerseite wer den auf ihre Begründung undmögliche Alternativen hin transparent kommuniziert.

Kompetenzen der Eltern erkennen und nutzen

Eltern repräsentieren je nach dem Standort der Schuleein bestimmtes Spektrum an beruflichen und außerbe-ruflichen Kompetenzen, das mit den üblichen Beteiligungs-bzw. Unterstützungsangeboten wie der Gestaltung vonBuffets oder der Renovierung von Innenräumen in qualita-tiver Hinsicht bei weitem nicht hinreichend ausgeschöpftwird. Dabei legen einschlägige Befragungen nahe, dassviel mehr Eltern – auch Väter – zu einem Engage mentbereit wären, wenn sie in ihren wirklichen Kompetenzenangefragt würden. Ein Beispiel ist die alleinerziehendeMutter aus der IT-Branche, die an kaum einer abendlichenElternversammlung teilnehmen kann, aber vom PC auseine wichtige Zuarbeit zur Schulzeitung leisten kann undmöchte. Voraussetzung für ein verstärktes bürgerschaft-liches Engagement ist in den meisten Fällen jedoch eineechte Beteiligungskultur (s. o.); ohne sie wird ein nach-haltiges Engagement der Eltern nicht zu bekommen sein.Die Einforde rung von Mitarbeit ohne Beteiligung wirdvon kritischen Eltern als Ausbeu tung verstanden.

Konkretionen:• Eltern werden regelmäßig gefragt, welche speziellen

Kenntnisse und Fer tigkeiten sie in der Schule einbrin-gen können und wollen.

• Im Zusammenhang mit Unterrichts- oder Projektthe-men werden Eltern eingeladen, ihre beruflichen undaußerberuflichen Kompetenzen einzu bringen (zumBeispiel Polizist, Feuerwehrmann, Apothekerin, Tier-

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58 Ein Beispiel für einen Elternfragebogen finden Sie im Teil B, Dokument 9.

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ärztin, Kauf mann/-frau, Schreiner; Hobbyimkerin,ehrenamtliche Sporttrainer, »Lesemütter«, Computer-experten ...).

• Lesepatenschaften u. ä. Angebote unterstreichen dieKompetenz der Eltern für Bildungsprozesse.

Ehrenamtliche und institutionelle Angebotekombinie ren

Die offene Ganztagsgrundschule ist aufgerufen, ein brei-tes Spektrum an Möglichkeiten des Lernens, Spielensund der Erholung anzubieten. Die Ba sis dafür wird vonden Lehrkräften, den sozialpädagogischen Fachkräftenund den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ge-legt und ver antwortet. Über das ganze Jahr betrachtet,wird es jedoch viele Gelegen heiten geben, an denenEltern und andere Erwachsene ehrenamtliche bzw. frei-willige Beiträge leisten können und wollen, die sich aufdas professio nelle Angebot als Basis stützen. Sie sindAusdruck des individuellen wie kollektiven bür gerschaft-lichen Interesses an einem reichhaltigen Ganztags ange-bot und damit guter Entwicklungsmöglichkeiten dernachfolgenden Generation. Es wird in dieser Hinsichtdarauf ankommen, die richtige Mi schung aus hilfrei chenund deshalb motivierenden Vorarbeiten einerseits undden Mitgestal tungsmöglichkeiten der ehrenamtlichenHelfer anderer seits zu finden.

Konkretionen:• Elemente einer erweiterten Schulkultur (zum Beispiel

Schulchor oder -combo) wer den von den Pädagogin-nen und Pädagogen initiiert, die Eltern wer den zurTeilnahme eingeladen.

• Jährlich findet ein Fest für alle Mitarbeiter und Eltern-vertreter statt, das diese nicht selbst organisierenmüssen.

• Eltern werden gefragt, welchen Gewinn sie sich vonder Zusammen arbeit versprechen bzw. unter welchenBedingungen sie gerne mitwir ken würden.

• In einem »Mensa-Beirat« wirken die Eltern an einemqualitätsvollen Schulessen mit.

• Eltern werden in Medienprojekte aller Art eingebun-den (zum Beispiel Internetauf tritt der Schule, Video-projekte mit Künstlern, Zeitungs- und Radiopro duk-tionen).

• Fördervereine entwickeln ein eigenständiges Aufga-ben- und Leistungspro fil und entscheiden über dieVerwendung der Gelder (vergleiche Reportage Nichtohne die Eltern! Oder: Wie ein spendabler Verein undeine kreative Aushandlungsgruppe die Schule berei-chern in Teil B ).

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Die Berliner Grundschule ist seit der Veröffentlichung derersten PISA-Stu die im Jahr 2001 und der IGLU-Studie2003 einem extremen Innova tionsdruck ausgesetzt. VieleVorhaben wurden in den vergangenen Jahren in kurzerZeit neu eingeführt, und von den Päd agoginnen undPädagogen wurden enorme Veränderungen erwartet,ohne dass in jedem Einzelfall zu sätzliche Unterstützungbereitgestellt werden konnte. Manche Pädagogin, man-cher Pädagoge mag bisweilen gedacht haben: »Jetzt istes genug!«

Aber es wäre unrealistisch, zu unterstellen, dass die Er-wartungen an die Qualität der öffentlichen Erziehung inden kommenden Jahren zurückgehen werden. Es gibtkeinen gesellschaftlichen Bereich mehr, der sich demstän digen Innovationsdruck in der globalisierten Weltentziehen kann. Innova tion und Mitwirkung bei der per-manenten Neugestaltung des eigenen Arbeitsfeldes istzu einer Daueraufgabe jedes Arbeitnehmers in jedemBe ruf geworden. Man kann das bedauern, aber mankann es vermutlich nicht ändern.

Auch für die Zukunft wird weiter gelten: Alle BerlinerSchulen müssen ihre Grundsätze für den Unterricht, dieErziehung und das Schulleben im Rah men der staatli-chen Verantwortung und der geltenden Rechts- undVer waltungsvorschriften selber bestimmen und immerwieder neu mit Leben erfüllen.59 Sie sind daher aufgrunddes Schulgesetzes (§ 8) gehalten, ein Standort-spezifi-sches Schulprogramm zu entwerfen und die eigene Ar -beit ständig zu evaluieren. Jede Schule muss dazu »Leit-ideen« definieren, »Ent wicklungsziele« beschließen und»Evaluationsbeauftragte« benennen. Auch sind die of-fenen Ganztagsgrundschulen – wie alle anderen BerlinerSchulen – in ein staatliches Qualitätssicherungssystemeingebunden, das die Ein haltung der Bildungsstandardsim Unterricht gewährleisten soll. Die dafür vorgesehenenRegelungen und Verfahren sind bekannt und werdendaher hier nicht wiederholt.60 Die Schulentwicklungsfor-schung hat vielfach nachgewiesen, dass der Schullei-

tung im Innovationsprozess eine zentrale Rolle zukommt:Starke Schulen haben starke Schulleitungen. Schullei-tungen können Innovations bemühungen im Kollegiumermutigen, unterstützen und mit zusätzlichen Ressour-cen versehen; sie können aber die Reformbemühungeneinzelner Pädagoginnen und Pädagogen auch schon imKeime ersticken. Die konti nuierliche und professionelleEntwicklung der Schulqualität gehört aber zu den Kern-aufgaben von Schulleitung. In der offenen Ganztags-schule muss diese Funktion gemeinsam mit den leiten-den Erzieherinnen wahrge nom men werden.

Aufgabenfelder

Wie schon in den vorherigen Abschnitten ausgeführt,ergeben sich für die offene Ganztagsgrundschule beson-dere Gestaltungsaufgaben, die aus der sehr unterschiedli-chen und für die meisten Kinder längeren Verweildaueram Schultag, aus dem erweiterten Auftrag der Schuleund aus der multi professionellen Zusammensetzung desKollegiums resultieren:

Anregungsreichtum und Rückzugsmöglichkeitensicherstellen

Wenn einzelne Schülerinnen und Schüler acht, zehn odergar zwölf Stunden am Tag in der Schule verbringen, istdiese nicht mehr bloß eine Unterrichtseinrichtung. Sie istein primärer Lebensort des Kindes, der mit der gleichenSorgfalt gestaltet werden muss wie die familiale Le bens-welt eines Kindes – nur in diesem Fall für viele Dutzendoder gar mehrere Hundert Kinder. Eine bedeutsameEntwicklungsaufgabe be steht mithin darin, eine sozialund intellektuell hinreichend anregende Lernumweltbereitzustellen, in der über das übliche Unterrichtsange-bot hinaus vielfältige Interessen geweckt und gepflegtwerden können. Ge nauso wichtig ist es aber auch, Rück-zugsmöglichkeiten sicherzustellen, wo die Kinder dem

Qualitätsentwicklung planen, Schulkultur gestal ten, Schulqualität sichern

59 Vergleiche Schulgesetz für das Land Berlin vom 26. Januar 2004, § 7 (2). Ein Konkretisie rungsbeispiel finden Sie in der Reportage KlareSteuerung und Raum für kreative Ideen im Teil B.

60 Vergleiche die Ausführungsvorschriften zur Erstellung des Schulprogramms – AV Schulprogramm – vom 11. Juni 2008, im Internet unter http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/schulqualitaet/av_schulprogramm_01._juli_2008.pdf sowie die Erläuterungen zurAV Schulprogramm, im Internet unter http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/schulqualitaet/av_schulprogramm_erlaeu-terung.pdf. Ferner die weiteren Ankündigungen und Programmschriften der Senatsbildungsverwaltung unterhttp://www.berlin.de/sen/bildung/schulqualitaet/index.html

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ständigen Einblick der Erwachsenen entzogen sind undauch mal »unter sich« sein können. Nur wenn Kinderüber einen er heblichen Teil ihrer Zeit selbst verfügenkönnen, können sie jene Selbst ständigkeit, jene Kreati-vität und jenen Unternehmergeist entwickeln, über diesie später als Erwachsene in einer konkurrenz- und leis-tungs orientierten Gesellschaftsordnung werden verfü-gen müssen, um erfolg reich zu sein. Die richtige Kom-bination aus Verbindlichkeit und Freiheit, individuellemund gemeinsamem Handeln herzustellen ist somit einetägliche Gestaltungsaufgabe aller Pädagoginnen undPädagogen in der offenen Ganztagsgrundschule.

Schule als Lebensort gestalten

Wenn die Schule aufgrund der längeren Verweildauer derKinder mehr und mehr Verantwortung für die physischeund psychische Entwicklung sowie den Schulerfolg derKinder erhält, muss sie dieser Verantwortung auch durchentsprechende Überlegungen und Routinen Rechnungtra gen. Hierbei geht es primär nicht um irgendwelche»Maßnahmen« und »Bildungsangebote«, sondern zuallererst um die Beheimatung der Kin der, insbesondereder kleinen Kinder, in der Schule: um die Sicherstel lungvon Geborgenheit in überschaubaren Gruppen mit ver-trauten Per sonen in eigenen Räumen. Jeder Form von»Verwahranstalt« und »päd agogischem Verschiebebahn-hof« ist konsequent vorzubeugen.

Die Kinder beteiligen

Zu diesem Zweck müssen die einzelnen Lerngemeinschaf-ten, also die Kinder und die ihnen zugewiesenen Pädago-ginnen und Pädagogen ggf. zusammen mit den jeweilsbenachbarten Lerngruppen in erster Linie ihre Umgangs-formen im gemeinsamen Dialog miteinander aushan-deln, einige unerlässliche Regeln verabreden, erprobenund ggf. revidieren und das Miteinanderleben in dergroßen »Familie« der verschiedenen schulischen Lern-gruppen sozial verträglich gestalten lernen. Bei der Re -gelung der gemeinsamen Angelegenheiten im wöchent-lichen Klassenrat sowie im Schulparlament, das idealer-weise von den gewählten Schüler vertretern geleitet wird,können schon die kleinen Kinder Demokratie als Formder gesitteten und auch die Bedürfnisse von Minderhei-ten berück sichtigenden Interessendurchsetzung authen-tisch erfahren und leben lernen. So können auch dieKinder – ganz im Sinne der Kinder rechtskonvention der

Vereinten Nationen – schon an der Gestaltung derSchule mitwirken.61

Die Teamstrukturen gestalten

Wenn Menschen unterschiedlichster Ausbildung und Pro-fession diese Aufgaben gemeinsam wahrnehmen, müs-sen sie ihre Beziehungen zu einander sehr bewusst ge-stalten: in systematisierten Formen der Ko operation, imwechselseitigen Respekt vor der speziellen Fachkenntnisdes jeweils Anderen und im Vertrauen auf das Wohl-wollen und die un abdingbare Verlässlichkeit aller Team-partner (vergleiche Kapitel Ko operationen gestalten).

Eltern beteiligen

Ganztagsschulen haben nicht die Aufgabe, die Eltern vonihren Erzie hungspflichten zu entlasten. Vielmehr sollenund können sie gerade be rufstätigen Eltern vermehrteMitwirkungsmöglichkeiten an der Entwick lung der Schuleihrer Kinder bieten und die spezifischen Kompetenzender Eltern in besonderem Maße für die Qualitätsentwick-lung nutzen (vergleiche Kapitel Zusammenarbeit mitEltern).

Keines dieser Aufgabenfelder erledigt sich von alleine, alleerfordern eine systematische Bearbeitung, schulöffentli-che Debatte und Abstimmung in den zuständigen Gre-mien sowie die konsequente Umsetzung in der päd ago-gischen Praxis. Qualitätsentwicklung wird damit zurpermanenten Aufgabe aller an Schule beteiligten Grup-pen und Personen – einschließlich der El tern und außer-schulischen Kooperationspartner.

Leitideen

Für alle Schulen in unserem Land gilt die allgemeine Ziel-formel, dass sie die Persönlichkeitsentwicklung der Schü-lerinnen und Schüler optimal unter stützen, alle guten An-lagen fördern, Schulerfolg sicherstellen und die Kinderund Jugendlichen im Geiste der Demokratie erziehensollen. In der offenen wie in der gebundenen Ganztags-grundschule muss jedoch verschiedenen Punkten beson-dere Aufmerksamkeit geschenkt werden:• der Beheimatung der Kinder in der Schule und ihrem

Wohlbefinden als Voraussetzung erfolgreichen Ler-nens und gesunder Entwicklung,

61 Gelungene Beispiele finden sich in »Demokratie macht Schule – Schule macht Demo kratie«. Bezugsadressen: Stiftung SPI, Voltairestr. 3,10179 Berlin, E-Mail: [email protected].

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QUALITÄTSENTWICKLUNG PLANEN, SCHULKULTUR GESTAL TEN, SCHULQUALITÄT SICHERN

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• der gelingenden Rhythmisierung mit Phasen von An-spannung und Ent spannung,

• der Bereitstellung anspruchsvoller unterrichtsergänzen-der Bildungsan ge bote über den ganzen Tag hinweg

• sowie der fruchtbaren Kooperation der verschiedenen»Bildungsarbeiter« in der Schule – Erzieherinnen undErzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und ehren-amtliche Mitwirkende.

Diese Zielstellungen sollten sich auch im Leitbild derSchule in angemesse nen Formulierungen wiederfinden.»Musterformulierungen« werden hier ab sichtlich nichtgegeben, weil es wichtig ist, dass sich jede Schulgemein-de selbst über die ihr besonders wichtigen Ideen Klarheitverschafft und diese auch selber einmal ausformuliert,damit sie Überzeugungskraft und Glaub würdigkeit ge-winnen können. Natürlich findet man tausend Anregun-gen in den Schulprogrammen von entwickelten Schulen,die ja im Internet leicht aufzufinden sind.62 Der entschei-dende Prozess ihrer Wirksamwerdung liegt jedoch in denDiskursen, in denen in der jeweiligen Einzelschule überdie gerade für diese Schule Geltung beanspruchendenFormulierungen gerun gen und gestritten wird. Von daherbeginnt jede systematische Qualitätsentwicklung mitStärken-Schwächen-Analysen, Zielfindungs debat ten undder Formulierung von Leitideen für die jeweilige päd-agogische Insti tution.

Instrumente der Qualitätsentwicklung

Systematische Qualitätsentwicklung als alltäglicher Pro-zess in einer ständig weiterlernenden Institution kann aufeine Vielzahl bewährter Instrumente zurückgreifen. Zuihnen gehören Zielfindungsdebatten, runde Tische,Steu ergruppen, Schulentwicklungsgruppen, Zielverein-barungen, Befragungen, Bilanzrunden und Ähnlichesmehr. Auch die Instrumente der externen Schulevalua-tion wie Vergleichsarbeiten und die Berichte der Schul-inspek tion liefern wichtige Daten für die schulinterneDiskussion.

Das Instrumentarium ist im Rahmen der diversen Pro-jekte zur erhöhten Selbstständigkeit von Schulen und

Kindergärten in Deutschland erprobt und steht jeder-mann zur Verfügung.63

Schulentwicklungsgruppen

Wichtig scheint uns, dass alle Pädagoginnen und Pädago-gen der Schule in die Schulentwicklungsarbeit einbezogensind. Dies erfolgt am besten da durch, dass die vielfälti-gen Aufgaben, die bei der Einrichtung und beim Be triebeiner (offenen) Ganztagsschule anfallen, in kleine über-schaubare »Pa kete« unterteilt und von ziel- und termin-orientiert arbeitenden Kleingruppen bearbeitet werden.

Solche Schulentwicklungsgruppen können unterschied-lich lang bestehen, manche arbeiten nur einige Wochenund haben dann ihr Ziel erreicht (zum Beispiel wenn dieEntrümpelung und Neugestaltung eines Fachraumes an-steht), andere werden vielleicht dauerhaft über Jahre hin-weg geführt und organi sieren oder begleiten systemati-sche Prozesse (zum Beispiel die Selbstevaluation derSchule) über längere Zeitspannen. Viele Gruppen beste-hen für die Dauer eines Schuljahres.

Alle diese Gruppen treffen keine eigenen Entscheidungen,sondern dienen dazu, den gesetzlich vorgesehenen Ent-scheidungsgremien der Schule, ins besondere der Schul-konferenz und der Konferenz der Lehrkräfte zuzuar beiten.In all diesen Gruppen sollten Lehrerinnen und Erziehe-rinnen zu sammen arbeiten und möglichst auch Elternmitwirken. Damit die Qualitätsentwicklung als gemein-same Aufgabe aller begriffen wird, sollte jeder Päd agogeund jede Pädagogin einer Schule in wenigstens einerSchulentwick lungsgruppe mitwirken. Je nach behandel-tem Gegenstand bietet es sich an, außerschulische Ko-operationspartner ebenfalls in die jeweilige Schulent-wicklungsgruppe einzubeziehen.

Die Steuergruppe

Damit die Vielzahl der an der Qualitätsentwicklungarbeitenden Gruppen immer weiß, was die anderen tun,und Doppelungen vermieden werden, empfiehlt es sich,

62 Vergleiche u. a. die Schulprofile der Berliner Grundschulen im Schulenverzeichnis der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und For-schung Berlin: http://www.berlin.de/sen/bildung/schulverzeichnis_und_portraets/, beispielhaft auch: http://www.cidsnet,http://www.ganztaegig-lernen.org, http://www.muenster.org/Wartburg-Grundschule/ u. v. a. m.

63 Vergleiche in erster Linie die Internetseiten der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin zum Menüpunkt »Schul-qualität«. Hilfreiche Handreichungen in Buchform finden sich bei Altrichter, Herbert; Schley, Wilfried; Schratz, Michael (1998); Klippert,Heinz (2000); Rolff, Hans-Günter; Buhren, Claus G. (2000). Siehe ferner die Veröffentlichungen der Projekte »QuiGS – Qualitätssicherungin Grund- und Sonderschulen«, »Schulprogrammentwicklung und Evaluation« und »MES – Modellvorhaben eigenverantwortliche Schule«sowie die Materialien zur Schulentwicklung: »Schulqualität in Berlin. Themenheft 1: Schulprogramm und Evaluation«, Berlin 2000, jeweilsherausgegeben von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin. Speziell auf die Situation von Ganztagseinrichtungen zuge-schnitten ist der sehr gute »Methodenkoffer« von Gabriele Nordt (2005).

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QUALITÄTSENTWICKLUNG PLANEN, SCHULKULTUR GESTAL TEN, SCHULQUALITÄT SICHERN

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eine Gruppe für die Steuerung des Gesamtprozesseseinzusetzen. Die Aufgaben dieser Steuergruppe sind:• den Informationsstrom zu organisieren,• die Schulentwicklungsgruppen zu betreuen,• die Arbeitsgruppen zeitlich zu koordinieren,• die abgegebenen Ergebnisse der Schul entwicklungs-

gruppen zu sammeln, zu bearbeiten und die Vorschlä-ge in die zu ständigen Entscheidungsgremien einzu-speisen

• sowie Mitarbeitertreffen und Auswertungstreffen zuorganisieren.

Die Steuergruppe, die in der Regel vierzehntägig odereinmal monatlich tagt, sollte sich aus je ein bis zweigewählten Repräsentanten der Lehre rinnen und Lehrer,der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Eltern derSchule zusammensetzen; daneben sind die Schulleitungund stellvertretende Schulleitung sowie die leitendeErzieherin »geborene Mitglieder« der Steuergruppe.

Um die Mitwirkungsmotivation und die Autorität desGremiums gegenüber dem restlichen Kollegium zu er-höhen und zugleich Rollenkonfusionen zu vermeiden,sollte die Leitung der Steuergruppe nicht bei der Schul-leitung, sondern bei einem der gewählten Mitgliederliegen: einer Erzieherin, einer Lehrerin oder einer Mut-ter, einem Vater.

Zielvereinbarungen

Wo so viele Menschen in so komplexe Prozesse mit-einander verwoben sind, sind gewisse Formalismen hilf-reich, die die Komplexität reduzieren oder zumindestüberschaubar machen. Hierzu gehört vor allem dasInstru ment der Zielvereinbarung.

In einer Zielvereinbarung fassen die Mitglieder einer Ar-beitsgruppe, zum Beispiel einer Schulentwicklungsgruppe,schriftlich in Stichworten zusammen, was sie vorhaben,was sie bis wann erreichen wollen und woran sie erken-nen können, dass sie ihr Ziel erreicht haben. Danebenwerden gleich Termine und Verantwortlichkeiten fest-gelegt, so dass die gemeinsame Arbeit ein hohes Maßan Verbindlichkeit erhält und auch für Außenstehende,zum Beispiel die Steuergruppe transparent wird, was diejeweilige Gruppe eigentlich tut.

Zielvereinbarungen enthalten in der Regel möglichstpräzise Aussagen zu folgenden Stichpunkten:

• Worum geht es?• Wer macht mit?• Was ist das Ziel?• Welche Teilschritte sind erforderlich?• Was ist das erwartete Produkt?• Wann soll das Ziel erreicht sein?• Wer ist wofür verantwortlich und macht wann was?• Wann und wo trifft sich die Gruppe?

Die Schulleitung und die Steuergruppe erhalten je eineKopie der Zielfor mulierungen; sie können zusätzlich auchan einer Infowand im Schulhaus ausgehängt werden,so dass Transparenz entsteht und jeder – auch Eltern! –Ideen einbringen und die Mitglieder der einzelnen Schul-entwick lungsgruppen mit Wünschen oder Vorschlägenansprechen kann.

Die Zielformulierungen sollten den sogenannten»SMART«-Kriterien ent sprechen. SMART steht für »spe-zifisch – messbar – aktiv beeinflussbar – realistisch – ter-miniert«.64 Die Kooperationsverträge mit Freien Trägernent halten nicht nur formale Vereinbarungen, sondernvorgängig auch eine Be schreibung der gemeinsamenZiele und Interessen im Sinne von Zielver einbarungen.Das bedeutet, dass die Zielformulierungen operationali-siert werden sollten: Man muss an irgendeinem objekti-ven Kriterium sehen kön nen, ob und wann das Ziel er-reicht wurde oder nicht.65

Zielvereinbarungen machen aber nur Sinn, wenn sieregelmäßig auf ihre Umsetzung hin überprüft werden.Das ist eine genuine Aufgabe der Steuer gruppe.

Evaluation und Qualitätssicherung

Evaluation ist ein Mittel zur kontinuierlichen und syste-matischen Weiterent wicklung und Sicherung der Quali-tät in der offenen Ganztagsschule und schließt die ihrangeschlossenen Kooperationseinrichtungen der Jugend-hilfe ein. Die im nachfolgenden Kapitel benannten Ent-wicklungsziele kennzeichnen die spezifische Qualität deroffenen Ganztagsschule. Sie sind damit Grundlage fürdie interne wie die externe Evaluation.

Interne Evaluation – Selbsteinschätzung durch alle inder Schule wirkenden Personengruppen – und externeEvaluation – Fremdeinschätzung durch unabhängigeExperten – ergänzen sich wechselseitig.

64 Vergleiche Nordt, Gabriele (2005).65 Ein Beispiel für eine Zielvereinbarung finden Sie in Teil B, Dokument 10.

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In einem ersten Schritt dient interne Evaluation dazu,sich der erreichten Qualität zu vergewissern und sich dieeigenen Stärken und Ressourcen in einem gemeinsamenProzess aller Beteiligten bewusst zu machen. In ei nemzweiten Schritt geht es darum, entlang der gemeinsamenZiele Ent wicklungsnotwendigkeiten zu identifizieren, umim dritten Schritt zu verein baren, welche konkreten Ent-wicklungsvorhaben unter den je gegebenen Rahmen-bedingungen umgesetzt werden können. Hierzu wirdein Hand lungsplan erarbeitet, der bestimmt, wer mitwem bis wann welche konkreten Schritte der Weiter-entwicklung der Qualität einleitet und durchführt.

Die Maßstäbe, mit denen sich die Pädagoginnen undPädagogen der er reichten Qualität vergewissern und dieEntwicklungsnotwendigkeiten identi fizieren, sind die indiesem Programm benannten Entwicklungsziele (verglei-che Kapitel Entwicklungsziele). Sie müssen aber noch imKontext der jewei ligen Einrichtung konkretisiert werden.

Externe Evaluation geschieht zum einen durch regelmä-ßige Schulinspek tionen, die sich auf das gesamte Schul-geschehen einschließlich ihrer Ko operationsbezüge be-ziehen, und zum anderen durch die im Berliner Schul-gesetz geregelten Vergleichsarbeiten, die die erzieltenUnterrichtsleistun gen der Schülerinnen und Schüler er-heben. Die Ergebnisse der externen Evaluation könnenwichtige Orientierung für die interne Evaluation geben.Umgekehrt geben Ergebnisse der internen Evaluationden externen Evalu atoren wichtige Informationen undHinweise zum Prozess der Qualitätsent wicklung an derjeweiligen Schule.

Evaluation als kontinuierliches und systematisches Ver-fahren der Qualitäts entwicklung und -sicherung benö-tigt – neben der systematischen Verwen dung geeigne-ter Evaluationsinstrumente (zum Beispiel offene oderstandardisierte Fragebögen) – gemeinsame Reflexions-zeiten in Kleinteams und im Ge samtteam einer Schulesowie Reflexionszeiten mit den Schülerinnen und Schü-lern, mit deren Eltern und mit den außerschulischenKooperationspart nern. Diese Zeiten müssen bei der Per-sonalbemessung und der Dienst plangestaltung berück-sichtigt werden.

Bei den internen Evaluationen zum Berliner Bildungs-programm für die Kin dertageseinrichtungen66 hat sichherausgestellt ist, dass es günstig ist, für diesen ProzessTeamtage zu reservieren. An einem schulinternen Fort-bil dungstag (Studientag) können sich Lehrer und Lehre-

rinnen, Erzieherinnen und Erzieher mit einem der in Ka-pitel Entwicklungsziele benannten Zielkomplexe intensivauseinandersetzen und zu Entwicklungsvereinbarungenkommen. Vorar beiten der Schulentwicklungsgruppen undder Steuergruppe und evtl. be reits erarbeitete Zielverein-barungen werden hier mit Blick auf den ausgewähltenZielkomplex miteinander verbunden. Die Ergebnisse desjeweiligen Abschnitts einer internen Evaluation sollten inder Steuergruppe dann wie der auf Konsequenzen für dieFortschreibung des Schulprogramms geprüft werden.

Angesichts der Fülle und der Komplexität der Entwick-lungsziele ist es not wendig, sich bei der Planung desEvaluationsprozesses darauf zu verstän digen, wie bei denje vorhandenen Zeitressourcen eine Balance zwischenTiefe und Breite hergestellt werden kann. Es wird zu-mindest zu Beginn ei nes Evaluationsprozesses nicht mög-lich sein, mehr als einen Zielkomplex an einem Studien-tag mit der angemessenen Gründlichkeit zu bearbeiten.Im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung kannsich der Prozess be schleunigen, weil sich das Team aufbereits gemeinsam erarbeitete Ergeb nisse beziehen kann.

Damit sich alle Beteiligten gleichermaßen auf den Pro-zess der Selbstein schätzung einlassen können, ist es sinn-voll, diesen Prozess von einem Evaluationsberater odereiner Evaluationsberaterin begleiten zu lassen. Aufgabeder Evaluationsberater ist es, den Evaluationsprozessmethodisch anzuleiten und zu moderieren. Er oder sieschlägt die Verwendung geeig neter Instrumente vor(Interviews, Diskussion, Reflexion, Vergleichsarbei ten,Fragebögen usw.). Ferner muss er oder sie darauf ach-ten, dass die Perspektiven aller Beteiligten angemessenberücksichtigt werden, und si cherzustellen, dass die in-terne Evaluation auch in konkrete Vorhaben der Quali-tätsüberprüfung und in entsprechende Zielvereinbarun-gen und Hand lungspläne mündet.

Evaluationen – sowohl die interne wie die externe – ma-chen auch deutlich, zu welchen Themen bzw. Prozess-fragen Fortbildungsbedarf besteht. Eva luation ist soauch ein Mittel zur Entwicklung einer schulinternenFortbil dungskonzeption.

Im Teil B (Dokument 11) wird beispielhaft ausgeführt,wie die Übersetzungsprozesse und -prozeduren von derEbene der Entwicklungs ziele bis zum konkreten innova-torischen Handeln in der Praxis aussehen könnten. Dabeiwerden die Entwicklungsziele in Leitziele, Mittlerziele undHandlungsziele im Sinne einer fortschreitenden Konkre-

66 Für die interne Evaluation zum Berliner Bildungsprogramm in den Kinder tages ein rich tun gen liegen Instrumente und Verfahren vor, dieeinen systemati schen Evaluations pro zess unterstützen: http://www.ina-fu.org/.

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Page 69: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

tisierung auf geteilt. Selbstverständlich kann die Zuord-nung von Handlungs- zu Mittler zielen an anderen Ortenund unter anderen Umständen ganz anders aus sehen.Es kommt gerade darauf an, diesen Übersetzungsprozessim spezi fischen Kontext der jeweiligen Schule gemein-sam zu gestalten.

Entwicklungsziele

Leitideen sind Orientierungshilfen im Alltag, die die Philo-sophie einer Ein richtung widerspiegeln und ihr speziellesEthos charakterisieren. Sie dienen der Selbstvergewisse-rung in Zeiten der Reflexion auf das eigene Handeln undsind notwendigerweise allgemein gehalten und nicht

unmittelbar hand lungsleitend gemeint. Für das konkreteHandeln im Alltag werden spezifi schere Zielsetzungenbenötigt, eindeutige Wegmarken, die das große Leit zielkonkretisieren und auf einen speziellen Anwendungsfallhin durchden ken und beschreiben. In der Organisations-entwicklung werden dazu häufig Zielhierarchien oderEntwicklungsschritte unterschiedlicher Reichweite be -nannt (zum Beispiel »Leitziele � Mittlerziele � Hand-lungsziele« nach Gabriele Nordt)67, die die großen Idealebis auf die Ebene des Alltagshandelns »herunterbre chen«,was im Anschluss an dieses Kapitel einmal exemplarischausgeführt wird. Wir fassen Mittlerziele und Hand-lungsziele zusammen, wenn wir im Folgenden typischeEntwicklungsziele von offenen Ganztagsgrundschulenzusammenstellen.

67 Vergleiche Gabriele Nordt (2005).

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68 Mager, Robert F. (1971).

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Listen wie die nachfolgenden lösen bei Pädagoginnenund Pädagogen in der Praxis oft Gefühle der Überfor-derung aus, die bisweilen in Abwehr um schlagen: »Wiesollen wir das denn auch noch alles schaffen? Haben wirnicht genug damit zu tun, den Unterricht ordentlich vor-und nachzuberei ten? Woher sollen wir eigentlich die Zeitnehmen, all diese Ansprüche Wirk lichkeit werden zulassen? Und wer hilft uns denn dabei? Und müsste nichtzuerst die Schulverwaltung die erforderlichen Voraus-setzungen schaffen und vor allem mehr Geld und Per-sonal bereitstellen?«

So verständlich solche Einwände auf den ersten Blick er-scheinen mögen, halten sie doch in der Regel einer ge-naueren Nachfrage nicht stand: Denn einerseits realisie-ren viele Schulen ja viele der genannten Ziele längst,zei gen also, dass sie im Prinzip alle realisierbar sind.Andererseits weist schon der Terminus »Entwicklungs-ziele« darauf hin, dass sie nicht alle sofort und nicht allegleichzeitig realisiert werden müssen. Sie sollten als Ziel-marken für das Ende eines Entwicklungsprozesses be-griffen werden, der allerdings systematisch betriebenwerden muss und realistischerweise niemals auf hört. Wiefür jede einzelne Unterrichtsstunde gilt auch für dieSchule als Ganze der bekannte Satz von Robert Mager:»Wer nicht weiß, wohin er will, braucht sich nicht zuwundern, wenn er ganz woanders ankommt.«68 Undwie für jede andere Institution gilt auch für die Schule,dass eine Einrich tung, die sich nicht kontinuierlich wei-ter entwickelt, eine sterbende Einrich tung ist.

Dabei lassen sich alle nachfolgenden Entwicklungszielezugleich als Qualitätskriterien für die Selbstevaluationder Schule lesen. Allerdings gilt es, die einzelnen Zielefür die Qualitätssicherung zuvor zu gewichten. Es istoffenkundig, dass nicht alle aufgezählten Ziele gleich-wertig sind. Selbstver ständlich sind Ziele, die sich auf dasphysische und psychische Wohl der Kinder oder auf ihreSelbstständigkeitsförderung beziehen, bedeutsamer alssolche, die sich mit Raum- oder Zeitgestaltung befassen.

Im Übrigen nimmt sich die Senatsverwaltung für Bildung,Wissenschaft und Forschung als Mitherausgeber diesesBildungsprogramms mit seiner Veröffentlichung genausoselbst in die Pflicht wie die übrigen Mitherausgeber: Sieweiß, dass auch strukturelle Veränderungen im Schulwe-sen immer wieder gefordert sind, um die angestrebtenZiele langfristig erreichen zu können, und ist permanentbemüht, solche Veränderungen auf den Weg zu bringen.Natürlich ist sie dabei aber immer an die gesetzlichenVorgaben und die Möglichkeiten der jeweils aktuellenHaushaltslage gebunden, die der Souverän, also dasAbgeordnetenhaus von Berlin, vorgibt. Die Tatsache,dass es für manche der genannten Entwicklungszielederzeit noch keine Haushaltsmittel gibt, bedeutet abernicht, dass die Ziele irrelevant oder gar illegitim sind,sondern dass für die Bereitstellung der erforderlichenMittel im politischen Raum noch gestritten und Unter-stützung gesucht werden muss.

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1 Jedes Kind hat in der Schule eine Anlaufstelle, wo es in besonde-ren Belastungssituationen Rat und Hilfe bekommt und jederzeiteinen verlässlichen, ihm persönlich vertrauten erwachsenenAnsprechpartner findet.

2 Für die Kommunikation mit Migranteneltern und Migrantenkin-dern, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind,stehen Helfer bereit, die übersetzen können.

● ● ● ● ●

3 Jedes Kind hat jeden Tag Zeit und Raum für selbstbestimmtes Tunund ungestörte Aktivitäten. ●

4 Jedes Kind hat die Möglichkeit, sich seine Spielpartner selbst aus-zuwählen. ● ●

5 Es gibt eine entwickelte Praxis der Konfliktregulierung unter denSchülerinnen und Schülern. ●

6 Es gibt tägliche Bewegungszeiten in der Schule. ●

7 Jedes Kind hat jederzeit Zugang zu frischem Obst und kostenlosenGetränken (Wasser, Saftschorle, Tee). ● ● ● ● ●

8 Kinder, die die Frühbetreuung vor Unterrichtsbeginn wahrnehmen,bekommen dort ein gesundes Frühstück. Für das Pausenfrühstückam späteren Vormittag wird eine spezielle Frühstückszeit reserviert,damit alle Kinder in Ruhe essen können.

● ● ● ● ●

9 Das Mittagessen wird gemeinsam mit den Lehrerinnen und Leh-rern und/oder Erzieherinnen und Erziehern in einer besondersgepflegten Atmosphäre eingenommen. Jede Form der Massenspei-sung ist zu vermeiden.

● ● ● ●

10 Es gibt auch am Nachmittag einen Imbiss für den »kleinen Hungerzwischendurch«. ● ● ● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf das physische und psychische Wohl der Kinder

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1 Kinder planen mit, welche Aktivitäten zu welchen Zeiten des Tagesan welchen Orten in der Schule möglich sind.

2 Die Schülerinnen und Schüler wirken an der Ausgestaltung ihresindividuellen Wochenarbeitsplans mit.

3 Kinder handeln mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherin-nen und Erziehern Prinzipien für ein gelingendes Zusammenwirkenin der Schule aus und leiten daraus gemeinsam für alle geltendeRegeln ab.

4 Die Schule überprüft ihre Grundsätze der Aufsichtsführung im Hinblick auf die Förderung der Selbständigkeitsentwicklung derKinder. ● ●

5 Es gibt in jeder Klasse einen Klassenrat zur Beratung der gemein-samen Fragen und Alltagsprobleme in der Lerngemeinschaft. DerKlassenrat wird von den Schülerinnen und Schülern geleitet. ●

6 Es gibt ein Schulparlament, in dem Kinder, Eltern, Pädagoginnenund Pädagogen und die außerschulischen Kooperationspartnerzusammenwirken und den Schulalltag gemeinsam beraten. DasSchulparlament wird von den Kindern geleitet.69

● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf die Förderung der Selbstständigkeit und Mitwirkungskompetenzen der Kinder

69 Klassenrat und Schulparlament sind in erster Linie pädagogische Beratungsgremien, in denen die Kinder ihre Interessen vertreten und an derRegelung eines friedfertigen Zusammenlebens in der Schule mitwirken lernen sollen. Sie können und sollen die gesetzlich definierten Kompe-tenzen der diversen Mitwirkungsgremien in der Schule natürlich nicht in Frage stellen oder diese gar außer Kraft setzen. Wohl aber könnensie diesen Gremien zuarbeiten.

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1 Alle Kinder, die in die Schule aufgenommen wurden, werden inihrer Einzigartigkeit anerkannt, erfahren Wertschätzung undZuwendung und werden, so weit es jeweils geht, in möglichst alleBildungsangebote einbezogen.

● ● ● ● ●

2 Für Kinder, die besonders leicht oder besonders schnell lernen,werden anspruchsvolle Bildungsangebote vorgesehen, die ihrenbesonderen Fähigkeiten angemessen sind.

● ● ● ●

3 Für Kinder mit Behinderungen oder solche, die einer besonderenPflege oder Versorgung bedürfen, stehen ganztägig Pädagoginnenund Pädagogen bereit, die im Umgang mit diesen Kinderngeschult sind.

● ● ● ●

4 Für Kinder mit Behinderungen, die eine längere Ruhephase in derMittagszeit benötigen, wird eine solche sichergestellt. Kinder, diebesonders viel Bewegung brauchen, erhalten hierzu hinreichendMöglichkeiten.

● ●

5 Wenn ein Kind mit einer Behinderung neu in die Schule aufge-nommen wird, erhält das gesamte Pädagogenteam, das mit diesem Kind zu tun haben wird, eine spezielle Fortbildung und Einweisung in den richtigen Umgang mit diesem Kind.

● ● ● ●

6 Die Erzieherinnen und die Anbieter von unterrichtsergänzendenBildungsangeboten werden in die Aufstellung der Förderpläne einbezogen. Die Förderpläne beziehen sich nicht nur auf die vormittäglichen, sondern auch auf die unterrichtsergänzendenAngebote am Nachmittag.

● ● ● ●

7 In den Personaleinsatzplänen werden Überschneidungszeiten eingesetzt, die eine ruhige »Übergabe« der Kinder von einerBezugsperson an die nächste und eine Kurzbesprechung zwischenden Pädagoginnen und Pädagogen ermöglichen.

● ●

8 Die beiden Antragsverfahren für die Zuweisung von sonderpäd-agogischem Zusatzpersonal für den Unterricht (Sonderpädagogen)und für die unterrichtsergänzenden Angebote vor und nach demUnterricht (Facherzieher für Integration) werden gemeinsam undso frühzeitig durchgeführt, dass das erforderliche Fachpersonalzum Datum der Einschulung des Kindes auch in den Einrichtungenverfügbar ist.

● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf die Integration von Kindern mit besonderen Begabungen und mit besonderem Förderbedarf

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1 Die Kinder planen mit, wie die Räume in der Schule gestaltet bzw.verändert werden können, so dass jedes Mädchen und jeder Jungeeinen Ort findet, an dem sie oder er sich wohl fühlt.

2 Es gibt Räume für informelles Tun, die von den Kindern permanentverändert und umgestaltet werden können. ● ● ●

3 Es gibt Rückzugs- und Ruheräume, in die sich Kinder jederzeitzurückziehen und »für sich sein« können. ● ● ●

4 Es gibt ausreichend Innen- und Außenräume für Sport und Bewegung. ● ● ●

5 Es gibt unterschiedliche Werkstätten, in denen formelle, halb-formelle und informelle Produktionen möglich sind. ● ● ●

6 Alle Räume der Schule bzw. der externen Träger sind ansprechend,behaglich und von hoher ästhetischer Qualität. ● ● ●

7 Gepflegte und saubere Waschräume und Toiletten regen zur täglichen Körperpflege an. Es gibt auch warmes Wasser zum Händewaschen. Toiletten und Hygieneräume werden mindestenszweimal täglich gereinigt.

● ● ●

8 Alle Räume sind frei von Giften aller Art, insbesondere von Baugiften. ● ●

9 Alle Räume verfügen über hochwertige Schallschluckvorkehrungen,so dass der Lärmpegel in der Schule gering bleibt. ● ●

10 Für Kinder mit schweren Behinderungen gibt es Treppenlifte oderAufzüge sowie hochwertig ausgestattete Hygieneräume, die diehygienische Versorgung dieser Kinder in einem würdigen Rahmenerlaubt.

● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf die Raumgestaltung70

70 Es ist unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen räumlichen Bedingungen zu prüfen, wie diese Entwicklungsziele umgesetzt werdenkönnen.

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1 Der Tag in der Schule beginnt und endet mit gemeinsamen Aktivitäten (zum Beispiel Morgenkreis und Tagesschlussritual).

2 Der Schultag ist rhythmisiert. Es gibt keine 45-Minuten-Stundenmehr.

3 Für das Mittagessen wird genügend Zeit eingeplant.● ●

4 Der Tagesplan sieht Zeiten von Anspannung und Entspannung inangemessenem Wechsel vor. ● ●

5 Alle an der pädagogischen Arbeit beteiligten pädagogischen Fach-kräfte strukturieren den Wochenplan gemeinsam und beteiligendabei die Kinder. ● ●

6 Die Kinder verfügen über angemessene Zeiträume, die sie in eigener Entscheidung ausfüllen können.

7 Kinder, die im Laufe des Tages die Bezugsgruppe wechseln müssen, werden nach Möglichkeit persönlich an das nächste Team »übergeben«. ● ●

8 Es gibt verbindliche Präsenzzeiten in der Schule für die Lehrerinnenund Lehrer genauso wie für die Erzieherinnen und Erzieher.

● ● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf den Umgang mit der Zeit

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1 An jeder Grundschule gibt es eine »Übergangsbeauftragte«, alsoeine verantwortliche Ansprechpartnerin oder einen Ansprech-partner für den Übergang vom Kindergarten zur Schule und dieKooperation mit den Kindergärten.

2 Die Erzieherinnen und Erzieher, die in der offenen Ganztagsgrund-schule tätig sind, sind speziellen Klassen zugeordnet, so dass siemit den Lehrerinnen und Lehrern Klassenteams bilden können, diesich die Bildungsarbeit teilen und die Schülerinnen und Schüler»ihrer« Klasse intensiv kennenlernen können.71 Die Mitglieder desKlassenteams stehen den Kindern und den Eltern gleichberechtigtals Kontaktpartner zur Verfügung.

● ●

3 Das Kollegium ist in Kleinteams unterteilt (»Team-Kleingruppen-Modell«), die als räumliche und personelle Einheiten nur für einebegrenzte Zahl von Lerngruppen und Kindern zuständig sind undihre Arbeitszeit möglichst ausschließlich in und mit diesen Einheitenverbringen. Diese Kleinteams regeln alle Belange der Unterrichts-und Bildungsorganisation autonom, die nicht die Schule als ganzetangieren. Zu diesen Teams zählen nicht nur die Lehrerinnen undLehrer, sondern auch die Erzieherinnen, Sonderpädagoginnen, Fach-erzieherinnen, Schulhelfer und sonstiges pädagogisches Personal.

● ●

4 Es gibt wöchentliche Besprechungszeiten für diese Kleinteams, dieim Wochenarbeitsplan der Lehrerinnen und Lehrer ebenso verbind-lich verankert sind wie bei den Erzieherinnen und Erziehern.

5 Lehrerinnen, Sonderpädagoginnen und Erzieherinnen besuchenFortbildungsveranstaltungen gemeinsam. ● ● ● ●

6 Die individuellen Zeiten für die Herstellung und Pflege von Koope-rationsbeziehungen sind im Dienstplan berücksichtigt. ● ●

7 Es gibt regelmäßige gemeinsame Planungssitzungen mit denaußerschulischen Kooperationspartnern. ● ● ●

8 Es gibt Kooperationsverträge mit außerschulischen Partnern. ● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf die Kooperation im Team und mit den außerschulischen Partnern

71 Die Bildungsarbeit teilen bedeutet, dass Lehrer und Erzieher die Bildungsangebote der ganzen Woche gemeinsam planen und absprechenund sich wechselseitig mit ihren je spezifischen Kompetenzen aushelfen. Damit wird die spezielle Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrerfür die Unterrichtsgestaltung und den Unterrichtserfolg nicht angetastet.

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1 Es gibt ein »Einführungskonzept« für neue Familien und Kinder,das Aussagen macht zum Übergang in die Ganztagsgrundschule. ● ●

2 Es gibt ein Konzept, das die Eltern zur Teilnahme am Schulalltag, anProjekten, Arbeitsgemeinschaften und anderen Angeboten einlädt. ● ●

3 Über Portfolios, Lerntagebücher oder Ähnliches erhalten Eltern dieMöglichkeit, regelmäßig und zeitnah an der Entwicklung ihres Kin-des teilzuhaben. Sie werden zu Hospitationen und Entwicklungs-gesprächen eingeladen.

● ●

4 Die Mitwirkung der Eltern in Gremien und darüber hinaus wirdaktiv gefördert. ● ● ●

5 Eltern werden regelmäßig als Kooperationspartner angesprochen. Hier-bei werden kulturelle und Bildungsunterschiede berücksichtigt, ummöglichst allen Eltern eine angemessene Beteiligung zu ermöglichen.

● ●

6 Es wird darauf geachtet, dass alle kulturellen Milieus in der Elternschaftdurch geeignete Methoden der Mitwirkung angesprochen werden. ● ●

7 Es gibt einladende und der Situation angepasste Aufenthalts- undTreffmöglichkeiten für die Eltern. ● ● ● ●

8 Es gibt regelmäßige und systematische schriftliche Befragungen zurelterlichen Zufriedenheit sowie deren Motivation und Möglichkeitenfür Engagement und aktive Beiträge zum Schulleben. Die Frage-bögen werden auch in den Herkunftssprachen der Eltern zur Ver-fügung gestellt.

● ● ●

9 Die Schule und der externe Träger sind während der gesamten Öff-nungszeit der Einrichtung am Vor- und Nachmittag durchgehendtelefonisch erreichbar (zum Beispiel durch Einführung schnurloserTelefone).

● ● ●

10 Die Pädagoginnen und Pädagogen geben den Eltern bekannt, wannund unter welcher Nummer sie für pädagogische Gesprächeerreichbar sind.

11 Es gibt ein Beschwerdemanagement-System, so dass Reklamatio-nen in einem sicheren Rahmen geäußert und bearbeitet werdenkönnen.

● ●

12 Die Pädagoginnen und Pädagogen planen wöchentliche Zeiten zurKontaktpflege mit den Eltern ein und nehmen dabei auch Rücksichtauf die Lebenssituation und die Möglichkeiten der Eltern.

13 Eltern, die Unterstützung und Beratung in Bildungs- und Erziehungsfra-gen benötigen, finden in der Schule Ansprechpartner und Angebote. ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Eltern

72 Siehe Beispiel Elternfragebogen im Teil B, Dokument 9. Die Beteiligung der Eltern an solchen Befragungen muss natürlich freiwillig bleiben.

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1 Die Schule betreibt eine systematische und organisierte Qualitäts-entwicklung. ● ● ●

2 Es gibt fest etablierte Schulentwicklungsgruppen und eine Steuer-gruppe für die Schulprogrammarbeit und den Qualitätsentwick-lungsprozess. Alle Pädagoginnen und Pädagogen arbeiten regel-mäßig in wenigstens einer Schulentwicklungsgruppe mit.

● ● ●

3 Die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die außerschulischenKooperationspartner sind in die Qualitätsentwicklung eingebunden. ● ● ●

4 Die Schule evaluiert wenigstens einmal jährlich ihre pädagogischeArbeit gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern der Jugendhilfe. ● ● ● ●

5 Die Schule nutzt die Ergebnisse von externen Evaluationen für ihreinternen Evaluationsprozesse. Sie stellt externen Evaluatoren Infor-mationen zum internen Evaluationsprozess zur Verfügung.

● ● ● ●

6 Die Schule schreibt ihr Schulprogramm auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse kontinuierlich fort. ● ● ●

7 Es gibt ausgebildete Evaluationsberater an der Schule. Die Erziehe-rinnen und Erzieher werden ebenso in den Techniken der internenEvaluation geschult wie die Lehrerinnen und Lehrer.

● ● ● ●

8 Es gibt regelmäßige und systematische schriftliche Befragungen zurelterlichen Zufriedenheit sowie deren Motivation und Möglichkeitenfür Engagement und aktive Beiträge zum Schulleben. Die Frage-bögen werden auch in den Herkunftssprachen der Eltern zur Ver-fügung gestellt.

● ● ●

9 Es gibt Supervisionsmöglichkeiten für die Klassenteams und/oder ein»Coaching« des Qualitätsentwicklungsprozesses durch externeExperten oder »kritische Freunde« der Schule.

● ● ●

Entwicklungsziele mit Bezug auf Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung

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Literatur

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Page 80: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule
Page 81: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule
Page 82: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Teil B:Dokumente und Reportagen

Page 83: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Berliner Bildungsprogramm für dieBildung, Erziehung und Betreuungvon Kindern in Tageseinrichtungenbis zu ihrem Schuleintritt

Rahmenlehrplan Grundschule, Berlin 2004

Ich-Kompetenzmeint, sich seiner selbst bewusst sein;den eigenen Kräften vertrauen; für sichselbst verantwortlich handeln; Unab-hängigkeit und Eigeninitiative entwickelthaben.

Personale Kompetenzgründet auf Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, auf wachsende emo-tionale Unabhängigkeit und Zutrauen in die eigenen Stärken. Zunehmendkönnen Schülerinnen und Schüler eigene Stärken und Schwächen erken-nen, eigene Erfolge wahrnehmen und genießen, aber auch Misserfolgeverkraften und mit Ängsten umgehen. Es gelingt ihnen immer besser,einen Perspektivwechsel vorzunehmen und je nach Situation der Jüngereoder der Ältere, der Stärkere oder der Schwächere zu sein. Die Schülerin-nen und Schüler arbeiten selbstständig, planen eigene Handlungen undprüfen sie kritisch. Sie fällen Entscheidungen, begründen und verantwor-ten sie und übernehmen Verantwortung für die eigene Gesundheit.

Soziale Kompetenzmeint, soziale Beziehungen aufnehmenund so zu gestalten, dass sie von gegen-seitiger Anerkennung und Wertschätzunggeprägt sind; soziale und gesellschaftli-che Sachverhalte erfassen; im Umgangmit anderen verantwortlich handeln;unterschiedliche Interessen aushandeln.

Soziale Kompetenzzeigt sich in der Fähigkeit des Einzelnen, in wechselnden sozialen Situa-tionen Ziele erfolgreich im Einklang mit sich und anderen zu verfolgen.Zunehmend können sich Schülerinnen und Schüler in andere einfühlen,auf Argumente eingehen und Konflikte lösen. Sie vereinbaren Regeln,halten sich daran und tragen so Verantwortung für die gemeinsameSache.

Sachkompetenzmeint, sich die Welt aneignen, die sach-lichen Lebensbereiche erschließen, sichtheoretisches und praktisches Wissenund Können (Fähigkeiten und Fertigkei-ten) aneignen und dabei urteils- undhandlungsfähig werden, Wahrnehmungs-und Ausdrucksfähigkeit entwickeln.

Sachkompetenzentwickeln die Schülerinnen und Schüler in der Auseinandersetzung mitInhalten, Aufgaben und Problemen. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig-keiten werden systematisch aufgebaut und in vielfältigen Handlungszu-sammenhängen erweitert. Schülerinnen und Schüler verstehen zuneh-mend Inhalte und erkennen Ordnungen bzw. Strukturen in den verschie-denen Wissensbereichen. Dabei lernen sie, sich Informationen zu erschlie-ßen und Wichtiges von Nebensächlichem zu unterscheiden. Sie beschrei-ben Sachverhalte und Phänomene mit fachlichen Begriffen, nehmen siezur Grundlage weiterer Auseinandersetzung und stellen Zusammenhängeher. Dazu gehört auch, dass sie Fragen stellen und eigene Lösungsansätzefinden, Kritik an der Sache formulieren und vortragen.

Lernmethodische Kompetenzmeint ein Grundverständnis davon, dassman lernt, was man lernt und wie manlernt; die Fähigkeit, sich selbst Wissenund Können anzueignen, Wichtiges vonUnwichtigem unterscheiden; die Bereit-schaft, von anderen zu lernen.

Methodenkompetenzschließt ein, fachbezogene und fachübergreifende Lernstrategien, Verfahrens-weisen und Arbeitstechniken anwenden zu können. Die Schülerinnen undSchüler lernen, Zusammenhänge herauszufinden und herzustellen. Sie kön-nen zunehmend mit verschiedenen Medien umgehen, sich selbstständigInformationen aus Medien beschaffen, sammeln, sachbezogen aufbereitenund ordnen. Dabei wenden sie Lernstrategien an und setzen fachspezifischeArbeitsweisen zielorientiert ein. Sie können Annahmen begründen und über-prüfen, Argumente erkennen, formulieren und beurteilen. Die Schülerinnenund Schüler lernen, die Zeit einzuteilen und dabei planvoll und zielgerichtetzu arbeiten. Sie nutzen Lesestrategien als Basis für das gesamte Lernen.

Dokument 1: (zu Kapitel: Bildungsbereiche und Bildungsziele)

Gemeinsame Bildungsziele von Kindergarten und Grundschulein Form von Kompetenzbeschreibungen

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1. Beispiel: Hörclubs an Grundschulen

Seit einigen Jahren existieren an gut einem Dutzend Berli-ner Grundschulen sogenannte Hörclubs. Einmal in derWoche kommen Kinder, Lehrkräfte und Eltern nach demUnterricht zusammen, um Hör-Übungen zu machen,Klänge zu entdecken, mit dem Hören zu spielen, Inte-ressantes bei Hörspaziergängen wahrzunehmen, Ge-räuschgeschichten aufzunehmen oder einem spannen-den Hörspiel zu lauschen.

Lehrkräfte betreuen die Hörclubs wie Arbeitsgemein-schaften oder Förderstunden im Rahmen eines freiwilli-gen Angebots der Schule. Sie arbeiten mit einem Mate-rialpaket, das von der »Stiftung Zuhören«73 mit Lehr-kräften entwickelt und von den beteiligten Schulen fürdie Hörclub-Arbeit erworben wurde. Das Materialpaketenthält circa 40 CDs und Kassetten mit Hörspielen, Er-zählungen, Krimis, Hörgeschichten und vertonter Litera-tur. Sowohl Höranfänger und Kinder der Klassen 1 und2 als auch ältere und hörerfahrenere Schülerinnen undSchüler finden in der Auswahl etwas, das sie interessiert.Zusätzlich liegt das Buch »Hörspaß« bei, das zu jedemHörspiel didaktische Anregungen gibt, wie man mit dengehörten Informationen umgehen kann. Der Hörpaket-Koffer der »Stiftung Zuhören« wird in Berlin im AV-Me-dienverleih unter der Signatur 5050003 zur Ansicht fürGrundschulen vorgehalten, die einen Hörclub einrichtenwollen.

Was sind die Ziele eines Hörclubs?

Der Hörclub ist ein Ort, an dem aktives Zuhören geübtwerden kann, an dem Kinder erfahren können, wie einLauschen nach den Dingen, die man sonst überhört,faszinieren kann.

Der Hörclub ist ein Ort, an dem Zeit ist für das Hörenund Verstehen, aber keine Zeit, sich berieseln zu lassen.Hier werden gehörte Informationen interpretiert undverarbeitet. Es gibt vielfältige und spielerische Anlässezum Sprechen. Kinder erweitern ihr Ausdrucksvermögenund ihren Wortschatz.

Der Hörclub ist ein Ort, an dem man (hör-)ästhetischeErfahrungen machen kann. Hier werden der souveräneund kompetente Umgang mit den Hörmedien und derSinn für dramaturgische Gestaltung gefördert. Urteils-und Entscheidungsfähigkeit werden in praktischer Medien-arbeit erprobt.

Der Hörclub ist ein Ort, an dem ein Ausgleich zwischenden vielen Reizen der akustischen Umwelt entstehenkann. Kinder können sensibler werden für Zwischentöne,für laute und leise Impulse, für die Buntheit und Vielfaltvon Klängen.

Der Hörclub ist ein Ort, an dem verständnisvolles Zu-hören stattfinden und eine Zuhörkultur entstehen kann,in dem soziale und Teamfähigkeiten ausprobiert und er-lernt werden. Das Zuhörklima wirkt sich positiv auf denUnterricht aus.

Der Hörclub ist ein Ort, an dem Ziele und Inhalte desDeutsch-, Sach-, Kunst- und Musikunterrichts aufge-nommen werden können.

Literatur

Bernius, V. u. M. Gilles (2004): Hörspaß – Hörclubs anGrundschulen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht,incl. 2 CDs).

Bernius, V.: Anstiften zum Hören – Hörclubs an Grund-schulen. In: W. Schill, J. Linke u. D. Wiedemann(Hrsg.) (2004): Kinder & Radio. München: kopaedVerlag.

2. Beispiel: Fakedokus produzieren

Der Begriff »Fakedoku«74 bezeichnet eine filmische Do-kumentation, in der Schauspieler und Filmemacher – indiesem Fall Grundschulkinder – Wirklichkeiten simulierenund dem Zuschauer das Gefühl vermitteln, eine authenti-sche Dokumentation zu sehen.

Dokument 2: (zu Kapitel: Bildungsbereiche/Bildungsziele/Relevante Themen in Projekten interdisziplinär bearbeiten)

Den Ganztag sinnvoll nutzen – zum Beispiel für Medienprojekte

73 Siehe http://www.stiftung-zuhoeren.de.74 Fake (engl.): Täuschung.

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Page 85: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Mit welchen Zielen werden Fakedokus produziert?

Das spielerisch-experimentelle Umgehen mit verschie-denen Wirklichkeiten bereitet Kindern nicht nur großesVergnügen, sondern es fordert sie auch dazu heraus, sichkritisch mit ihrer Realität auseinanderzusetzen, sich selbst-ständig Sach- und Fachwissen anzueignen und die Me-diensprachen so gekonnt anzuwenden, dass die Zuschauersich vom Gezeigten gleichsam überwältigen lassen.

Die Produktion von Fakedokus ermöglicht den Kindernsoziales Lernen im Rahmen von Teamarbeit und lässtsie durch die Veröffentlichung ihrer Produkte erfahren,wie ihre Manipulationen der Wirklichkeit wirken undvom Publikum »bewertet« werden.

Die Produktion von Fakedokus eignet sich für das sinn-volle Zusammenwirken der Fächer Deutsch, Sachunter-richt, Geografie, Geschichte, Politische Bildung, Kunstund Musik.

Die Produktion von Fakedokus legt die Zusammenarbeitmit außerschulischen Partnern oder Einrichtungen nahe,zum Beispiel mit Film- und Medienkünstlern, Medien-pädagogen, Medienwerkstätten, Museen oder demOffenen Kanal Berlin.

Ein Beispiel für eine Fakedoku: Römer in Berlin75

Internetseiten zu faken bietet die Möglichkeit, den Glau-ben an den Wahrheitsgehalt von Informationen im Netzzu reflektieren und aufzuweichen. Eine Schulklasse ausBerlin-Kreuzberg probierte es aus: Kann man Internet-seiten selbst fälschen? Und darf man das tun?

Der Inhalt: Yonca und Paul wollen in den Görlitzer Parkgehen, denn da gäbe es Mauerreste, die wie Ruinenaussähen. Sie nehmen die Digitalkamera mit. Eine vielbefahrene Hauptstraße müssen sie überqueren. Paulhat sein Handy dabei. Sie bringen ein Foto mit undfügen folgenden Text hinzu: »Was Sie hier sehen, ist das Forum. Das Forum war der Marktplatz derRömer.«

Inhaltlich fächerbezogene Lernziele:• gefakte Beiträge für eine Website zum Thema »Römer

in Berlin« in Gruppen- oder Partnerarbeit produzieren;

• historische »Fakten« aus Büchern sammeln und fürdie Beiträge umarbeiten;

• einfache Methoden der Beweisführung – Fotos, Ver-gleiche, Tabellen, Augenzeugenberichte – in einemgefakten Zusammenhang verwenden.

Lernziele im Bereich der Medienkompetenz:• den Wahrheitsgehalt von Informationen aus dem

Internet kritisch hinterfragen;• erfahren, wie leicht es ist, falsche Informationen im

Internet zu veröffentlichen;• gemeinsame Reflexion über die Ethik von Wahrheit

und Lüge: Darf man faken? Welche Folgen hat das?• den Umgang mit Word – Text-Bild-Kombinationen –

üben, die Digitalkamera und den Scanner sachge-recht bedienen;

• die Arbeitsergebnisse einem Publikum mit medialerUnterstützung – Beamer, Laptop, Mikrofon – ange-messen präsentieren.

3. Beispiel: Unsere Klasse spricht viele Spra-chen76

Das Projektkonzept wurde von der Zürcher Radioschule»Klipp & Klang« entwickelt. Bei der gemeinsamen Pro-duktion von Podcasts lernen Schulkinder im Alter vonneun bis 13 Jahren Zungenbrecher und Witze aus ver-schiedenen Kulturen kennen.

»Unter Anleitung von Lehrpersonen üben die Kinderzunächst bereitgestellte Beispiele von Zungenbrechern,sammeln dann in ihren Familien und bei Freunden wei-tere Zungenbrecher und Witze, präsentieren diese deut-schen und fremdsprachigen Ausdrücke in der Schulklas-se und erklären ihren Mitschülerinnen und Mitschülernden jeweiligen kulturellen Hintergrund. Auf humorvolleArt erfahren Kinder sprachliche Unterschiede, werdenfür kulturelle Besonderheiten sensibilisiert und zu einemGespräch über interkulturelle Verständigung angeregt.Alle neuen Zungenbrecher und Witze werden auf eineWebseite geladen.«77

Im Rahmen des Projekts werden Sprachkompetenz,Medienkompetenz, interkulturelle und soziale Kompe-tenz gefördert. Bei der Förderung von Medienkompe-tenz sind hervorzuheben:• Medienwissen im Bereich Audio, Podcasting und

75 Quelle und weitere Informationen: http://www.lehrer-online.de/url/roemer-in-berlin.php – 10.12.2007. Autor: Markus Schega.76 Holzwarth, P.: Unsere Klasse spricht viele Sprachen. Interkulturelle Audioarbeit im Kontext von Medienkompetenz, Sprachkompetenz und

interkultureller Kompetenz. Quelle: http://www.ph-ludwigsburg.de/fileadmin/subsites/1b-mpxx-t-01/user_files/Online-Magazin/Ausga-be10/AktuelleThemen10.pdf – 10.12.2007.

77 http://www.klippklang.ch/projekte/PR_Orange_Award_061122_de.pdf – 4.6.2008.

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DEN GANZTAG SINNVOLL NUTZEN – ZUM BEISPIEL FÜR MEDIENPROJEKTE

Page 86: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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DEN GANZTAG SINNVOLL NUTZEN – ZUM BEISPIEL FÜR MEDIENPROJEKTE

Web 2.0;• Anwendungswissen für die Rezeption und Produktion

von Audiobeiträgen, zum Beispiel: Podcasts abonnie-ren, Audiobeiträge gestalten;

• Manipulationsmöglichkeiten im Kontext von Audio

kennen lernen, zum Beispiel: verschiedene Aussagenkombinieren und damit neue Bedeutungen produzie-ren, einzelne Wörter ausschneiden und den Sinn ent-stellen.

Wolfgang Schill, Günter Thiele

Page 87: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

TÄKS e.V. ist ein anerkannter Jugendhilfeträger, der Be-treuung für Krippen-, Elementar- und Schulkinder in denBerliner Bezirken anbietet. Die seit fast vier Jahren be-stehende Kooperation des TÄKS e.V. mit der dreizügigenHavelland-Grundschule in der Berliner Kolonnenstraße,die mehr als 300 Kinder besuchen, beruhte zunächst aufder örtlichen Nähe beider Einrichtungen und den ge-meinsamen Ziele in der integrativen Arbeit. Sie wurdedurch einen Kooperationsvertrag abgesichert.

Integration bedeutet für uns:• voneinander lernen;• Erfahrungen im Zusammenleben ermöglichen;• wechselseitiger Respekt;• gegenseitige Akzeptanz;• Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln;• Vertrauensbildung;• Neugier auf den anderen Menschen wecken;• fragen, was ist; ergründen, warum etwas ist; suchen,

was geht;• mit den Stärken der Kinder arbeiten;• die Bedürfnisse des einzelnen Menschen zu respektie-

ren und das Anderssein des anderen Menschen zutolerieren.

Gemeinsames Handeln

Die höhere Kontakt- und Kommunikationsdichte zwischenden unterschiedlichen Institutionen und Berufsgruppenim Bereich Integration hilft uns bei der Vernetzung, dieimmer mehr in gemeinsames Handeln übergeht.

In unseren Hort integrieren wir Kinder, die besonderenpädagogischen Förderbedarf haben. Ausgebildete Fach-kräfte wie Facherzieherinnen für Integration und Heil-pädagoginnen begleiten die Kinder in ihrem Alltag undunterstützen sie bei der Erfüllung der täglichen Anfor-derungen – vom Naseputzen bis zu den Hausaufgaben,vom Schulweg bis zur Beschäftigung mit Hobbys.

Die Vermittlung von Gemeinschaftserlebnissen in einerAtmosphäre, in der Geborgenheit und Halt eine wesent-liche Rolle spielen, ist uns wichtig. Hier setzen wir unsereFörderschwerpunkte – Bewegung, Wahrnehmung, Spra-che und Sozialverhalten – gezielt um. Darüber hinausnutzen wir Materialien aus der Montessoripädagogik

und aus dem Bereich Psychomotorik. Während der wö-chentlich stattfindenden Arbeitsgemeinschaften begleiteteine Facherzieherin einzelne Kinder mit Förderbedarf. InEntwicklungsberichten und Förderplänen dokumentierenwir die Entwicklung der Kinder und vereinbaren neueEntwicklungsziele.

Wir sind nicht nur am Nachmittag, sondern auch amVormittag im Unterricht begleitend tätig. Dies bewirkt,dass wir den Blick gezielter auf das einzelne Kind richten,dass ein ganzheitliches Bild entsteht. Darüber hinaus istder Austausch zwischen den Lehrern und uns Facherzie-herinnen oder Heilpädagoginnen eine gute Möglichkeit,auf die Entwicklung eines Kindes zu schauen. Gemein-sam gelingt es uns immer besser, Handlungsimpulsennachzugehen, Elterngespräche zu führen und Methoden,die im Bereich der Förderung wirksam für ein Kind sind,wechselseitig kennenzulernen.

Wir nehmen im Rahmen der Schule an Helferkonferen-zen teil, um die Entwicklung und die Möglichkeiteneines Kindes aus unserer Sicht aufzuzeigen. Dabei brin-gen wir Informationen aus dem Freizeitbereich ein, diedas Bild des Kindes vervollständigen.

Vernetzung im Umfeld

Die Bereitschaft, einen gemeinsamen Weg zu beschrei-ten, verlangt Offenheit und Transparenz, denn das Netz-werk umfasst mehr als die Verbindung zwischen derSchule und uns. Wenn unsere Handlungskompetenzenan Grenzen stoßen, nutzen wir um uns herum beste-hende Hilfeangebote.

Die Vernetzung mit den sozialen Diensten ist zu einemwichtigen Bestandteil unserer Arbeit geworden. UnserNetzplan enthält für uns relevante Anlaufpunkte, und wirentwickeln das Netzwerk stetig weiter. So kooperierenwir unter anderem eng mit dem SchulpsychologischenBeratungszentrum. Einmal wöchentlich ist eine Mitar-beiterin dieses Zentrums in unserem Schulhaus auf derSchuliNSEL präsent. Die SchuliNSEL ist ein therapeuti-scher Stützpunkt, den Kinder mit Konzentrationsproble-men, Ängsten und Hemmungen, Bewegungsunruhe undschulischen Leistungsproblemen besuchen. Auch Kinderin akuten Krisensituationen erhalten hier Hilfe. Darüber

Dokument 3 (zu Kapitel Kinder mit besonderem Förderbedarf integrieren):

Auf dem Weg zum gemeinsamen ZielIntegration von Kindern mit besonderem Förderbedarf in Zusammenarbeit eines Freien Trägers derJugendhilfe mit einer offenen Ganztagsgrundschule

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Page 88: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

hinaus können sich Eltern mit pädagogischen Problemenan die SchuliNSEL wenden und Termine für Beratungs-gespräche vereinbaren. Gleichzeitig besteht für Lehrerund Erzieherinnen die Möglichkeit, persönliche Gesprä-che zu führen. Um Erstgespräche vorzubereiten, wurdefür die Mitarbeiterin des Schulpsychologischen Beratungs-zentrums ein Fragebogen entwickelt.

Auch in diesem Bereich ist der regelmäßige Austauschüber einzelne Kinder ein Merkmal unserer Zusammen-arbeit. Zum Beispiel ermöglichte die enge Vernetzung,Elterngespräche gemeinsam zu führen, um Ziele effekti-ver verfolgen zu können. Der allwöchentlich stattfindendeAustausch schafft außerdem die Möglichkeit, den eige-nen Blick auf ein Kind zu weiten und neue Sichtweisen zuentwickeln.

Darüber hinaus pflegen wir Kontakte zum SozialverbandVdK Berlin-Brandenburg. In einem Fall fanden wir unsmit Eltern, einer Mitarbeiterin des VdK und einer Facher-zieherin zusammen, um bestmögliche Hilfe für ein Kindzu mobilisieren. Außerdem schätzen wir die Fachbera-tung einzelner Mitarbeiter des VdK.

Wichtig ist uns auch der Austausch mit Therapeuten,zum Beispiel aus den Bereichen Ergotherapie und Logo-pädie, die die Kinder zusätzlich in ihrer Entwicklung un-terstützen. Um den Eltern lange Wege zu den Praxen zuersparen, bieten wir Therapeuten die Möglichkeit, in un-seren Räumen wohnortnah mit den Kindern zu arbeiten.

Vernetzung von Kindergarten und Schule – ein Beispiel

In der Vernetzung von Kindergarten und Schule sehenwir die Chance, sanfte Übergänge zu schaffen, denn fürKinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist dieZusammenarbeit aller Beteiligten besonders notwendig.Selbstverständlich werden die Eltern einbezogen.

Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie unverzichtbar die Koope-ration zwischen Schule, Hort und Kindergarten ist: Wirwerden an unserer Schule ein Kind mit einer sehr schwe-ren Behinderung aufnehmen. Durch sorgfältige gemein-same Vorbereitung haben wir dem Kind die bestmögli-chen Voraussetzungen geschaffen, nach der Sommerzeitgut bei uns starten zu können.

Folgendes haben wir unternommen: Als wir erfuhren,

dass ein Kind im Rollstuhl und mit hohem pflegerischenBedarf zu uns kommen wird, nahm eine Facherzieherinbereits im Vorfeld Kontakt zu dem Kind, den Eltern undden Erzieherinnen im Kindergarten auf. Unser Träger stell-te Arbeitszeit zur Verfügung und ermöglichte es unsererMitarbeiterin, ein Mal wöchentlich in die Kita zu gehen,um das Kind und seinen Kita-Alltag kennenzulernen. DieErzieherinnen aus der Kita gaben ihre mit dem Kind ge-sammelten Erfahrungen – mit Zustimmung der Eltern –an unsere Mitarbeiterin weiter78 und zeigten ihr beson-dere pflegerische Handgriffe und Techniken. Nachdem siedas Kind kennen gelernt hatte, durfte sie – in Absprachemit den Eltern – solche Techniken anwenden. Momen-tan begleitet sie das Kind auf der Kindergartenreise, umdie Beziehung mit ihm schon vor der Einschulung zu in-tensivieren. Es zeigt sich: Komplizierte Übergänge wie die-ser können in direkter Zusammenarbeit so bewältigt wer-den, dass die Kinder und ihre Eltern der Einschulung mitFreude und dem Gefühl von Sicherheit entgegensehen.

Schließlich veranstalteten wir mit den Eltern und demSonderpädagogen der Schule einen Runden Tisch für dasKind. Wir fanden uns zusammen, um Fragen und Anre-gungen, Freude und Aufregung, aber auch Bedenkenund Ängste äußern zu können. Fazit des Gespräch amRunden Tisch: Bei der Zusammensetzung der Klassenund bei der Hortgruppenkonstellation ist darauf zu ach-ten, dass das Kind mit seinen wichtigsten Bezugskindernaus der Kindergartenzeit zusammenbleiben kann. Im An-schluss besichtigten wir die Schule und die Horträume,um zu prüfen, wo sich Barrieren im Alltag versteckenkönnten und welche barrierefreien Räume bereits vor-handen sind.

Inzwischen besuchte uns die Vorklasse im Unterricht undim Hort, und wir möchten auch in Zukunft gern Kita-Vor-klassen in unseren Räumen begrüßen. Dazu beriefen wireinen Kitaleiter-Abend ein, stellten unsere integrativeArbeit vor und zeigten die Chancen für Kinder und Elternauf, die entstehen, wenn wir miteinander in Kontakttreten und kooperieren.

Die Zusammenarbeit mit Eltern und der Integrations-Gipfel

Unser Netzwerk erstreckt sich bis zu verschiedenen Äm-tern, zum Beispiel dem Gesundheitsamt und den Bezirks-ämtern. Zudem sind wir in verschiedenen Gremien ver-treten: in der internen Steuerungsrunde, in der Integra-

78 An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass wir im Netzwerk nie den Blick auf den Datenschutz verlieren. Nur mit Einverständnis der Elterndürfen Informationen zwischen den Einrichtungen weitergegeben werden.

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AUF DEM WEG ZUM GEMEINSAMEN ZIEL

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AUF DEM WEG ZUM GEMEINSAMEN ZIEL

tions-AG des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsver-bands und bei der Sitzung für Facherzieherinnen in derAußenstelle der Senatsverwaltung für Bildung, Wissen-schaft und Forschung. Außerdem verfügen wir über eineinterne Integrations-AG auf Trägerebene. Alle Sitzungendienen dem Austausch und der Vernetzung.

Die wichtigste Zusammenarbeit ist natürlich die mit denEltern. Wir verstehen uns als verlässliche Bezugspersonenund Ansprechpartner nicht nur für die Kinder, sondernvor allem für die Eltern. Es ist unser Interesse, sie bei derFörderung und Weiterentwicklung ihrer Kinder zu unter-stützen. Dazu bieten wir regelmäßig Elterngespräche an.Bei Bedarf begleiten wir die Eltern zu den Ämtern odervermitteln Kontakte zu Beratungsstellen. Stellt sich beieinem Kind ein besonderer Förderbedarf heraus, infor-mieren wir die Eltern über die Verfahrensweise zur Bean-tragung besonderer Förderung und begleiten sie aufWunsch durch das Verfahren. Um Eltern und andere

Interessierte über unsere integrative Arbeit zu informie-ren, geben wir einen Elternbrief und einen Flyer heraus.

Zwei Mal im Jahr wollen wir an unserer Schule einenIntegrations-Gipfel einberufen. Einen ersten Versuch un-ternehmen wir bereits. Als Fachleiterin für Integration ludich die Schulleitung, den Sonderpädagogen der Schule,die Mitarbeiterin des Schulpsychologischen Beratungs-zentrums, die Hortkoordinatorin und die Geschäftsführe-rin des TÄKS e.V. ein, um über unsere Integrationsarbeitzu sprechen. Fazit: Diese Runde ist sinnvoll, denn unsereZiele erreichen wir nur, wenn wir alle an einem Tischsitzen.

Unser nächstes Ziel ist es, für unsere Kinder Heilpädago-gisches Reiten anzubieten. Wir haben erste Kontakte zueinem Reittherapiezentrum aufgenommen und hoffen,dass wir unser Vorhaben erfolgreich umsetzen können.

Yvonne Bellin, TÄKS e.V.

Page 90: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Wie viel besser lernt es sich, wenn wir etwas sehen, an-fassen, damit experimentieren können und dadurch mehrund mehr begreifen, worum es geht. Genau das ist dasGrundprinzip von Lernwerkstätten in der Pädagogik. Siesind Orte, an denen die Menschen im Tätigsein lernen,was sie interessiert und wofür sie im Prozess des Lernensimmer mehr Interesse entwickeln.

Wie entsteht eine Lernwerkstatt?

An einer Ganztagsschule kann eine Lernwerkstatt aufganz verschiedene Weise entstehen. Zum Beispiel: DiePädagoginnen und Pädagogen waren unzufrieden mitder Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen.Jede und jeder plante und arbeitete für sich allein. Nichtzuletzt an den Kindern war zu merken, dass das anderswerden muss. Eine Projektgruppe aus Lehrerinnen undSozialpädagogen hospitierte deshalb in einer bestehen-den Lernwerkstatt, konnte bei der Werkstattarbeit zu-schauen, fotografieren, welche Materialien eingesetztwerden, und im Gespräch erfahren, wie die besuchteSchule zu ihrer Lernwerkstatt kam.

Die gesammelten Eindrücke vermittelte die Projektgruppein der Schulkonferenz und lud dazu eine Vertreterin derLernwerkstatt-Schule ein. Dies erleichterte es, auf Vor-behalte und Bedenken angemessen einzugehen, so dassdie Konferenz schließlich den Beschluss fasste, im Laufedes nächsten Jahres eine Lernwerkstatt einzurichten.Einige Pädagoginnen nahmen im Rahmen einer Fortbil-dung an einer Lernwerkstatt teil und erfuhren, was »Ent-deckendes Lernen« ist. Schließlich wurde ein Raum fürdie Lernwerkstatt gefunden – zwar nicht groß, aber einAnfang.

Nun traf die Projektgruppe sich regelmäßig und beschloss,mit Unterstützung eines Moderators eine Zukunftswerk-statt mit Kindern durchzuführen, um deren Ideen einzu-fangen. Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt – Zeichnun-gen und Modelle, jeweils mit Erklärungen – wurden denKolleginnen und Kollegen, den Eltern und den anderenKindern vorgestellt. Ergänzungen und Konkretisierungenkamen zustande und machten deutlich: Die Kinder wol-len einen anregenden Raum haben, in dem sie sich wohlfühlen und der durch seine Vielgestaltigkeit zum Ver-weilen einlädt.

Eine Anschaffungsliste wurde geschrieben und mit derBitte verbreitet, dass alle Beteiligten bei der Suche nachMaterialien helfen. Dabei wurden die Erfahrungen ausder Lernwerkstatt-Schule genutzt, so dass nach und nachalles Nötige zusammenkam. Erstaunlich war, wie vielMaterial gar nichts oder nur sehr wenig Geld kostete,weil jemand aus der Schulgemeinschaft die richtigenKontakte hatte.

Schließlich diskutierte die Projektgruppe, nach welchemSystem in der Lernwerkstatt gearbeitet werden sollte. Eswar klar, dass sie für Unterricht und Hort, also vormittagsund nachmittags gleichermaßen gebraucht wurde. Maneinigte sich darauf, dass es eine Probephase geben wird,in der die Mitglieder der Projektgruppe mit dem Arran-gieren des Werkstattlernens erste eigene Erfahrungenmachen können.

Die Probephase

Und dann ist es soweit: Die Lernwerkstatt wird feierlicheröffnet, und alle Gäste werden gleich in das erste Themaeinbezogen: »Unser Wetter«. Die aufgebaute Lernland-schaft lädt Erwachsene und Kinder ein, Fragen zu stellen:über die Entstehung von Regen, Schnee und Hagel, überFarbphänomene am Himmel, über Wetterfühligkeit,Pflanzenwachstum und Erderwärmung. Alle Fragen wer-den aufgeschrieben, als Anregungen für die Kinder derKlassen und Arbeitsgemeinschaften, die die Lernwerk-statt als erste ausprobieren dürfen.

Während der Werkstattzeit arbeiten die Kinder jeweilsallein, zu zweit oder in kleinen Gruppen an ihren eigenenFragen und Themen. Sie dokumentieren ihre Bearbei-tungswege und Ergebnisse und stellen sie den anderenKindern regelmäßig vor – Prozesse, in denen neue Fra-gen entstehen. Dabei ergründen die Kinder nicht nur dasThema »Wetter«, sondern üben sich im Sprechen undAufschreiben eigener Texte, im Darstellen und Präsen-tieren ihrer Fragestellungen, Lernwege und Lernergeb-nisse.

Die Pädagoginnen und Pädagogen begleiten die Kinderbei ihren Forschungen. Zurückhaltend helfen sie beimPräzisieren und Formulieren von Fragen, Hypothesenund Lösungsschritten. Sie überlegen mit den Kindern,

Dokument 4 (zu Kapitel Räume gestalten und Material bereitstellen):

Lernwerkstätten an Ganztagsschulen – neue Impulse auf solidem Fundament

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Page 91: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

wer etwas zu einer bestimmten Frage wissen könnteund welche Hilfsmittel es gibt. Keineswegs haben sieauf alle Fragen Antworten parat. Vielmehr lernen sieselbst ständig Neues. Miteinander besprechen sie, worandie Kinder im Unterricht arbeiten und welche Vorhabenbesser in die Lernzeit am Nachmittag oder in die Ferien-zeit passen. Dazu bieten sich neben längeren Vorhabender Kinder – zum Beispiel Beobachtungen und größereExperimente – vor allem Exkursionen und Besuche vonFachleuten an, die ausgefragt werden können.

Die Ergebnisse der Probephase werden den entsprechen-den Gremien an der Schule vorgestellt. Weiterentwick-lungsmöglichkeiten werden besprochen, so dass die Lern-werkstatt mehr und mehr in den Schulalltag integriertwerden kann.

Inzwischen hat sich an der Schule ein neuer Raum ge-funden, der sich generell für eigenständige Vorhabeneignet, weil er anregend und wohnlich ist. Hier könnenkleine Gruppen eigenständig zum Arbeiten oder zumGespräch zusammenkommen, Schachturniere ausrich-ten oder andere Pläne verwirklichen.

Befragt, was das Wesentliche sei, das zu diesem Erfolgverholfen habe, meint eine Initiatorin der Lernwerkstatt:»Wir haben unsere Lernwerkstatt geschaffen, indem wirein Klassenzimmer völlig umräumten. Dabei haben wirbegriffen, dass auch wir uns ändern müssen. Damit ha-ben wir begonnen und üben jetzt täglich, den Kindernund den von ihnen gefundenen Lernwegen zu vertrau-en, sie beim Lernen zu begleiten.«

Wo kommen Lernwerkstätten her?

Die Geschichte der Lernwerkstätten reicht in die Reform-pädagogik der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu-rück. Freies, selbstständiges und an den eigenen Interes-sen ausgerichtetes Lernen spielt in vielen reformpäd-agogischen Ansätzen eine große Rolle, zum Beispiel beiPeter Petersen, in der Montessori-Pädagogik und bei derKindergartenpädagogik in Reggio Emilia.

Den stärksten Einfluss auf die Entwicklung der Lernwerk-stätten in Deutschland übte vermutlich Celestin Freinetaus. Seine pädagogische Praxis wurde in den 70er und80er Jahren von jungen Lehrerinnen und Lehrern in derBundesrepublik Deutschland aufgenommen und weiter-

entwickelt. Impulse aus der »Open Education«-Bewegungin Großbritannien und aus dem Ansatz »EntdeckendesLernen« in den USA kamen hinzu, und es bildeten sichNetzwerke engagierter Pädagoginnen und Pädagogen anverschiedenen Orten. Lernwerkstätten wurden in diepädagogische Aus- und Weiterbildung integriert und ent-standen damals an den Westberliner Hochschulen ebensowie bei mehreren bezirklichen Kitaberatungsstellen. Seit-her gibt es in Berlin ein Netzwerk von Menschen undInstitutionen, die sich mit Lernwerkstätten befassen.

Die Wende gab der Lernwerkstättenbewegung insbeson-dere in Berlin und Brandenburg neue Impulse. Unter derLeitung von Dr. Hartmut Wedekind wurde die Lernwerk-statt im Bereich Grundschuldidaktik der Humboldt-Uni-versität aufgebaut, die heute eine wichtige Säule derWeiterentwicklung der Lernwerkstätten in Berlin ist.

Im Bereich der Kindertagesstätten wurde die Arbeit inLernwerkstätten ein Baustein vieler ESF-Weiterbildungs-kurse für Erzieherinnen im Ostteil der Stadt. Daraus her-vorgegangen ist die Lernwerkstatt in Hohenschönhausen,die nun im Kita-Eigenbetrieb Nord-Ost verankert ist.

Zunächst waren Lernwerkstätten weitgehend Einrichtun-gen der Ausbildung und Weiterbildung. Erzieherinnenund Lehrer sollten sich gegenseitig unterstützen und ge-meinsam wieder lernen, wie Kinder an Aufgaben heran-zugehen, um dies später in der eigenen pädagogischenPraxis anzuwenden. Doch in den letzten Jahren findensich in Berlin – unterstützt durch verschiedene Förder-programme – immer mehr Ansätze, Lernwerkstättendirekt in Schulen, Kindertagesstätten und Horten zu ver-ankern, sie für naturwissenschaftliches und soziales Ler-nen, aber auch zur Sprachförderung zu nutzen.

Mit dem Verbund europäischer Lernwerkstätten (VeLW)e.V. gibt es seit 2007 ein Dach für Lernwerkstätten inmehreren europäischen Ländern. 2009 wurde im VeLWerstmalig ein Positionspapier verabschiedet, das wichtigeQualitätsmerkmale für Lernwerkstätten und Lernwerk-stättenarbeit enthält.

»Neue Lern- und Lebensräume innerhalb der Schule zudefinieren und gemeinsam einzurichten kann ein Erfolgversprechender Anfang sein. Denn nicht nur das Umräu-men eines Raumes, sondern vielmehr das Umräumen inden Köpfen der daran Beteiligten stellt eine wesentlicheVoraussetzung für ein gleichberechtigtes Miteinander un-

79 Aus: Wedekind, H./Tennstedt, B.: Das Berliner Modell – neue Lern- und Lebensräume in der Ganztagsschule. In: Groß werden mit derGanztagsschule. Dokumentation der Auftaktveranstaltung der Werkstatt »Schule wird Lebenswelt« und der Initiative für Große Kinder.Hunsrück-Grundschule Berlin Kreuzberg, 22. Juni 2005. Im Internet: http://www.ganztaegig-lernen.org/media/web/download/dk-01.pdf.

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LERNWERKSTÄTTEN AN GANZTAGSSCHULEN – NEUE IMPULSE AUF SOLIDEM FUNDAMENT

Page 92: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Das Netzwerk Berliner Lernwerkstätten bietet Unter-stützung beim Aufbau von Lernwerkstätten an Schu-len, insbesondere:• Beratung (Aufbau, Prozess, Fundraising);• Workshops zum »Entdeckenden Lernen«;• Zukunftswerkstatt mit Schülerinnen und Schülern

zum Start einer Lernwerkstatt;• kollegiale Fortbildungen zu allen Fragen, die Lern-

werkstätten betreffen.

Kontakt zum Netzwerk Berliner Lernwerkstätten erhal-ten Sie über:

Dr. Hartmut WedekindGrundschulwerkstatt der HUGeschwister-Scholl-Straße 7 10099 Berlin Tel.: 030/209 34 1 47E-Mail: [email protected]

Barbara TennstedtFiPP e.V. – Fortbildungsinstitut für die pädagogischePraxisGroßbeerenstraße 7110963 BerlinTel.: 030/259 289 90E-Mail: [email protected]

Sabine HüsemanServiceagentur »Ganztägig lernen« Berlinc/o RAA BerlinChausseestraße 2910115 BerlinTel.: 030/24 04 5 - 160E-Mail: [email protected] zum Verbund europäischerLernwerkstätten(VeLW) e.V. bekommt man über diewebsite: http://www.velw.org. Dort ist auch das Posi-tionspapier abgelegt.

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LERNWERKSTÄTTEN AN GANZTAGSSCHULEN – NEUE IMPULSE AUF SOLIDEM FUNDAMENT

terschiedlicher Professionen dar. Darüber hinaus bietetein solches Umräumen auch die Möglichkeit, gemeinsa-me lerntheoretische und sozialpädagogische Essentials

abzustimmen und dabei die unterschiedlichen Sichtenabzugleichen.«79

Barbara Tennstedt

Page 93: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Zeit Mo Di Mi Do Fr

6.00 Frühbetreuung mit Freiarbeitszeit und Frühstück

7.30 offene Eingangsphase und/oder Förderkurse

8.00Morgenkreis anschließend gelenkte Arbeit im geschlossenen Klassenverband

9.30 Pause

10.00 Freiarbeitszeit

11.30 Pause

11.45Projekt-unterricht

Neigungs kurseundDifferen zie rung

Projekt-unterricht

Neigungs kurseundDifferen zie rung

Projekt-unterricht

13.00 Schulabschluss für die Vormittags kinderMittagessen für die Nachmit tagskinder Tobezeit/Spielzeit

13.30 Freiarbeitszeit/Ruhezeit/

14.00 Schulaufgabenzeit/Projektzeit/Kurse/Arbeitsgemeinschaften

15.45 kleiner Imbiss und Abschied der 16.00-Uhr-Kinder

16.00 Projektzeit/Kurse/Arbeitsgemeinschaften/außerschulische Angebote

17.45 gemeinsamer Tagesabschluss

18.00 Schulschluss

Dokument 5 (zu Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten – Schule und Unterricht rhythmisieren):

Stichwort Rhythmisierung: die »90-Minuten-Freiheit«

92

Page 94: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Dokument 6 (zu Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten – Schule und Unterricht rhythmisieren):

Ein Beispiel für Rhythmisierung

80 Aus Garpow, Lothar (2006), S. 13 ff.

Rhythmisierter Tagesplan der Grundschule Brück (Brandenburg)80

93

Page 95: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Zeit Mo Di Mi Do Fr verantwortlich

Ab 7.30»Betreuung« durch – Erzieherinnen/Vorklassenleiterin im Rahmen von VHG und ggf. Lehre-rinnen im Rahmen des Frühförderunterrichts

8.20 - 9.501. Block (1./2. Stunde)Stammgruppenunterricht

meist Klassenlehrer/innen, auch KOOPggf. diff. Gruppen in Zusammen-arbeit mit VHG Erzieherin

9.50 - 10.00 Gemeinsames Frühstück im Klassenver band Lehrer/in

10.00 - 10.25 Aktive Hofpause mit Spielzeugausgabe Lehrer/innen und Erzieher/innen

10.25 - 10.35 Entspannungs- und Ruhepause Lehrer/innen

10.35 - 11.552. Block (3./4. Stunde)Stammgruppenunterricht

Klassenlehrerin od. Fachleh rer/inggf. differenzierte Gruppen inZusammenarbeit mit VHG Er zieherin

11.55 - 12.15 Aktive Hofpause Erzieher/in und Lehrer/in

12.15 - 12.30 2. Essenspause im Klassenraum

12.30 - 13.303. Block (5./6. Stunde)offene Arbeit/FachunterrichtSonnen- und Mondkinder werden abgeholt!

Erzieher/innen

13.30 - 14.00 Tagesabschluss mit Sternenkindern Lehrer/innen

14.00 - 14.15 Pause bei Nachmittagsunterricht

14.15 - 15.454. Block (7. + 8. Stunde) 1x wöchentlich für Fünft- und Sechstklässler

Lehrer/innen

14.00 - 15.45ggf. Teilnahme an den variabel angebotenen AGs oderSchularbeitszirkeln

Lehrer/innen und andere

13.30 - 16.00bzw. 18.00

Betreuung bei nachgewiesenem Bedarf durch eine derdrei kooperierenden Einrichtungen

Erzieher/innen der drei Einrich tungen

Dokument 7 (zu Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten – Schule und Unterricht rhythmisieren):

Rhythmisierte Tagesplanung der Peter-Petersen-Schule, Neukölln

94

Page 96: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Dokument 8 (zu Kapitel Den Umgang mit der Zeit gestalten – Schule und Unterricht rhythmisieren):

Zeit für Teambesprechungen – ganz einfach organisiert

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Ein Praxisbeispiel aus der Grundschule im Panketal

Jede Lerngruppe hat eine feste Lehrerin und Erzieherin. Diese bilden ein Team. An unserer Schule gibtes sieben Lerngruppen, in denen Kinder der ersten und zweiten Jahrgangsstufe gemeinsam lernen.

Die Lerngruppen 1 bis 4 befinden sich auf einer Flurseite der Schule, die Lern gruppen 5 bis 7 auf dergegenüberliegenden Seite. Deshalb arbeiten beson ders die Lehrerinnen und Erzieherinnen der Lern-gruppen 1 bis 4 so wie 5 bis 7 eng zusammen.

Um eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen, gibt es wöchentliche Teambesprechungen.

Für die Pädagogen der Lerngruppen 1 bis 4 finden diese montags in der vierten Stunde statt, die derLerngruppen 5 bis 7 dienstags in der fünften Stunde. Diese Teamsitzungen sind verbindlich und festim Dienstplan verankert.

Die Betreuung der Kinder wird wie folgt geregelt:Die Kinder der ersten Klasse haben Religion bzw. Lebenskunde, Kinder die nicht daran teilnehmen,werden von einer Erzieherin (aus der dritten Klasse) be treut. Die Kinder der zweiten Klasse gehen mitErzieherinnen (aus den dritten und vierten Klassen) Mittagessen und haben eine Spielzeit.

Dadurch ist gewährleistet, dass alle Lehrerinnen und Erzieherinnen aus der Anfangsphase an denTeamsitzungen teilnehmen können.

Page 97: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Dokument 9 (zu Kapitel Interessensvertretung ermöglichen und fördern):

Elternfragebogen

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Elternbefragung zur Schulqualität

Liebe Eltern,wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, sind Erziehung und Unterricht von Kindern in unserer Zeit bis-weilen eine schwierige Aufgabe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Grundschule Am Maisfeldbemühen sich nach Kräf ten, dieser Aufgabe gerecht zu werden und die Entwicklung Ihres Kindes sogut es geht zu fördern. So, wie jedes Kind mit den Zeugnissen eine Rückmeldung über seinen Lerner-folg erhält, benötigen auch wir regelmäßig eine Rückmeldung über die Qualität unserer Arbeit. Wirbitten Sie freundlich, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen und die nachfolgenden Fragen zu beant-worten. Die Befragung wird von unserer Evaluationsberaterin, Frau Han sen, ausgewertet. Selbstver-ständlich stehen Ihnen die Schulleitung und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule auchjederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Sie müssen weder Ihren Namen noch den Ihres Kindes angeben, wenn Sie das nicht wollen. Bitte gebenSie uns den Fragebogen in den nächsten Tagen in einem verschlossenen Umschlag über die Klassen-lehrerin bzw. den Klassenlehrer Ihres Kindes zurück oder werfen Sie ihn einfach in den Sammelkartonim Schulsekretariat. Vielen Dank!Mit besten GrüßenIhre H. Mackensen(Schulleiterin)

In welche Klasse geht Ihr Kind? In die Klasse: ..........................................An welchen Zusatzangeboten nimmt Ihr Kind teil?� Frühbetreuung (6.00-8.00 Uhr) � Nachmittagsmodul (14.00-16.00 Uhr) � Spätbetreuung (16.00-18.00 Uhr)

Bitte kreuzen Sie in den folgenden Zeilen die jeweils zutreffende Antwort an:

Geht Ihr Kind gerne in die Schule?� immer � meistens � eher selten � fast nieWenn nicht: Woran könnte das liegen?.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Hat Ihr Kind in diesem Schuljahr soviel gelernt, wie man vermutlich von ihm erwarten durfte?� eindeutig ja � überwiegend � eher weniger � nein

Hat Ihr Kind genügend Unterstützung durch die Pädagoginnen und Päd agogen bekommen?� ja � meistens � eher selten � nein

Sind die Anforderungen Ihrem Kind hinreichend klar gewesen?� ja � meistens � eher selten � nein

Ist Ihr Kind freundlich behandelt worden?� ja � meistens � eher selten � nein

Page 98: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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ELTERNFRAGEBOGEN

Sofern Ihr Kind an den Nachmittagsangeboten teilnimmt: Strengt der Schultag Ihr Kind sehr an?� ja � meistens � eher selten � neinWenn ja: Woran könnte das liegen?..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Arbeitet Ihr Kind zusätzlich zu den Übungszeiten in der Schule auch daheim noch für die Schule?� nein � ja � Wenn ja: Wie viele Minuten täglich? Etwa ......... Minuten.

Wurden Sie ausreichend über die schulischen Belange informiert?� ja � meistens � eher selten � nein

Können Sie als Eltern in dem Maß an der Schulentwicklung mitwirken, wie Sie es wünschen?� ja � meistens � eher selten � nein

Begegnet Ihnen das Schulpersonal freundlich und hilfsbereit?� ja � meistens � eher selten � nein

Sind Sie im Großen und Ganzen mit der Schule zufrieden?� ja � meistens � eher selten � nein

Wenn Sie meistens zufrieden sind: Was schätzen Sie an unserer Schule besonders?Wenn Sie nicht zufrieden sind: Was ist der Grund Ihrer Unzufriedenheit?..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Haben Sie Anregungen für Verbesserungen?..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Gibt es einzelne Pädagoginnen oder Pädagogen, mit denen Sie nicht zufrieden sind?� nein � jaWenn ja: Möchten Sie diesen etwas mitteilen? Bitte nennen Sie dann hier nicht nur den Namen derbetroffenen Mitarbeiter, sondern auch Ihren eigenen Namen!..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Wünschen Sie einen Gesprächstermin in der Schule?� nein � ja � Wenn ja: bei wem? Ihr Name: ..............................................................

Wünschen Sie einen Anruf?� nein � ja � Wenn ja: bei wem? Ihr Name: ..............................................................

Wann können wir Sie am besten für eine Terminvereinbarung zurückrufen? Unter welcher Nummer? .......................................................................................................................

Vielen Dank für Ihre Mitwirkung!

Page 99: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Dokument 10 (zu Kapitel Instrumente der Qualitätsentwicklung):

Zielvereinbarung

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Zielvereinbarung

Schulentwicklungsgruppe: (Kurztitel) Bibliotheksgruppe

Mitwirkende: (Name, Telefon, E-Mail)Lehrerin Erzieher Bibliothekarin

Zielbeschreibung: Was wollen wir erreichen?Wir wollen ein Klassenzimmer zur Schulbibliothek umgestalten und dort eine Präsenz- und Ausleihbibliothek für die Kinder einrichten.

Teilschritte: Was müssen wir tun?Klassenraum auswählen. Zustimmung des Kollegiums einholen.Bezirksamt einbinden. Sponsoren suchen.Bibliothekskonzept und Nutzungsplan mit den Kindern entwickeln.Renovierung beantragen. Möbel bestellen.Bücher aussuchen und beschaffen. Bibliothek einrichten (Eltern um Hilfe bitten).Bibliothekarin einstellen (ggf. Eltern) und schulen.Einweihungsfest mit den Kindern vorbereiten und durchführen.

Produktbeschreibung: Was wollen wir vorlegen?/Woran kann man erkennen, dass wir unser Zielerreicht haben?

Das Ziel ist erreicht, wenn die Bibliothek eingerichtet ist und täglich von den Schülerinnen und Schülern benutzt wird.

Terminvereinbarung: Wann wollen wir unser Produkt vorlegen?Nach den nächsten Sommerferien.

Teilschritte und Verantwortlichkeiten:S.: Vorgespräche mit Schulleiter, Steuergruppe und Bezirksamt bis 30. 9.M.: Renovierung klären und Sponsoren suchen bis 15. Nov.P. + Schülersprecher: Bibliothekskonzept entwerfen + Nutzungskonzept und An schaffungsvorschläge für die Bücher bis 16. Februar.S. + M. mit Elterngruppe: Raum einrichten in den PfingstferienP.: die neue Bibliothekarin anlernen in den SommerferienAlle + Schülersprecher: Einweihungsfest mit Festausschuss planen im Juni.

Gemeinsame Arbeitstermine: Wann und wo trifft sich die Gruppe?Jeden zweiten Donnerstag 18.00 Uhr in Raum 132. Erster Treff: 9. September.

Datum und Unterschriften der Mitwirkenden:

Page 100: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

1. Schritt: Zieldefinition – Übersetzung der Entwick-lungsziele in Leit ziele, Mittlerziele und Hand-lungsziele

Leitziel: Die Schule fördert das physische und psychische Wohl-sein aller Kinder.

Mittlerziel 1:Jedes Kind findet jederzeit einen verlässlichen, ihmpersönlich ver trau ten erwachsenen Ansprechpartnerin der Schule.

Handlungsziele:

• Jedes Kind hat in der Schule eine Anlaufstelle, wo es

in be sonderen Belastungssituationen Rat und Hilfe

be kommt.

• Für die Kommunikation mit Migranteneltern und

Migranten kindern, die der deutschen Sprache nicht

hin reichend mächtig sind, stehen Helfer bereit, die

überset zen können.

Mittlerziel 2: Jedes Kind hat jeden Tag Zeit und Raum für selbstbe-stimmtes Tun und unbeobachtete Aktivitäten.

Handlungsziele:

• Jedes Kind hat die Möglichkeit, sich seine Spielpart-ner selbst auszu wählen.

• Es gibt eine tägliche Bewegungszeit in der Schule.• Es gibt Rückzugsmöglichkeiten für unbeobachtetes

Tun al lein oder in kleinen Gruppen.

Mittlerziel 3:Jedes Kind erhält täglich gesunde Nahrung sowie aus-reichend fri sche Getränke.

Handlungsziele:

• Jedes Kind hat jederzeit Zugang zu frischem Obst und

kostenlosen Getränken (Wasser, Saftschorle, Tee).

• Kinder, die die Frühbetreuung vor Unterrichtsbeginn

wahr nehmen, be kommen dort ein gesundes Frühstück.

• Für das Pausenfrühstück am späteren Vormittag wird

eine spezielle Frühstückszeit reserviert, damit alle

Kinder in Ruhe essen können.

• Das Mittagessen wird gemeinsam mit den Lehrerin-

nen und Lehrern und/oder den Erzieherinnen und

Erziehern in einer besonders ge pflegten Atmosphäre

eingenommen.

• Es gibt auch am Nachmittag einen Imbiss für den

»kleinen Hunger zwi schendurch«.

Mittlerziel 4: Kinder mit Beeinträchtigungen erhalten auf ihre spe-zifischen Be dürf nisse abgestimmte individuelle Unter-stützung und Förderung.

Handlungsziele:

• Alle Pädagoginnen und Pädagogen eines Kleinteams

wis sen, welche Kinder welchen spezifischen Unter-

stüt zungsbedarf haben. Es gibt explizite Förderpläne

für diese Kinder.

• Alle Pädagoginnen und Pädagogen eines Kleinteams

tref fen Abspra chen, wer diese Kinder wann entspre-

chend unterstützt und fördert.

• Für Kinder mit schweren Behinderungen stehen

ganztä gig Pädagogin nen und Pädagogen bereit, die

im Umgang mit diesen Kindern geschult sind.

2. Schritt: Reflexion über den IST-Stand der Schule

Im Kleinteam verständigen sich Lehrerinnen und Erzie-herinnen entlang der Mittlerziele über die Bedeutung,die dieses Leitziel für ihre tägliche Ar beit hat.

Sie überprüfen mit Hilfe der Handlungsziele, ob und wiesie das Leitziel be reits in ihrer täglichen Praxis realisieren.Sie erarbeiten eigene Handlungs ziele für den Kontextihrer Schule und überprüfen diese ebenfalls. Sie do ku-mentieren durch praktische Beispiele zu den Handlungs-zielen, wie sie das Leitziel umsetzen.

Zum Handlungsziel: »Jedes Kind hat in der Schule eineAnlaufstelle, wo es in besonderen BelastungssituationenRat und Hilfe bekommt« könnte die praktische Umset-zung zum Beispiel so aussehen und dokumentiert werden:

Jedem Kind ist mindestens eine feste Bezugspersonzugeordnet. Die Bezugspersonen haben mindestenseinmal pro Woche eine feste Beratungszeit, in dersich die Kinder allein oder in selbstge wählten Klein-gruppen vertraulich an die Bezugsperson wendenkönnen. Die Inhalte der Beratungsgespräche werdenvertraulich behandelt. Für die Beratungsgesprächesteht ein geeigneter Raum zur Verfügung.

Dokument 11 (zu Kapitel Evaluation und Qualitätssicherung):

Beispiel für eine interne Evaluation zu Entwicklungszielen mitBezug auf das physische und psychische Wohl der Kinder

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Page 101: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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BEISPIEL FÜR EINE INTERNE EVALUATION ZU ENTWICKLUNGSZIELEN MIT BEZUG AUF DAS PHYSISCHE UND PSYCHISCHE WOHL DER KINDER

3. Schritt: Verbesserungsnotwendigkeiten identifizierenund Hand lungsschritte vereinbaren

Die Pädagoginnen und Pädagogen identifizieren Verbes-serungsnotwendig keiten und vereinbaren konkreteSchritte für die Weiterentwicklung ihrer Arbeit mit Blickauf das Leitziel: Wer macht was, mit wem, bis wannund wer fragt nach, ob die Vereinbarungen auch einge-halten werden? Sie doku mentieren die Vereinbarungenin einem Evaluationsprotokoll und treffen entsprechen-de Zielvereinbarungen.

Verbesserungsmöglichkeiten könnten sein:• Lena benötigt derzeit eine tägliche persönliche An-

sprache am Schultagesbeginn, um ihre familiärenBelastungen loswerden zu können. Das Kleinteamverabredet, wer an welchem Tag auf Lena zugeht.

• Der Beratungsraum sollte ansprechender gestaltet wer-den. Herr H. kümmert sich um ein Bild; die Steuer-gruppe wird gefragt, ob die Anschaffung eines Sofasmöglich ist.

4. Schritt:Unterstützung einholen

Die Pädagoginnen und Pädagogen kommunizieren ihreEvaluationsergeb nisse mit der Steuergruppe und ggf.mit der entsprechenden Schulentwicklungsgruppe undholen sich, falls erforderlich, externe Unter stützung fürdie Realisierung ihrer Vorhaben.

5. Schritt: Erfolg überprüfen

Am Ende des Entwicklungsprozesses kommen die Betei-ligten zu einer Bi lanzsitzung zusammen und überprüfengemeinsam, ob die Handlungsziele erreicht und die Leit-ziele damit angesteuert wurden.

Page 102: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

»Wie wird der offene Ganztag Ihre Schule verändern?«Diese Frage stand schon eine Weile im Raum, und es warvon einer neuen Sitzungskultur, der Zusammenarbeitder Erzieherinnen mit den Lehrerinnen und verändertenLernmethoden am Vor- und Nachmittag die Rede. Daerzählt eine Lehrerin eine Geschichte: Sie war mit einerdritten Klasse auf Klassenreise. Am Zielort der Reise be-teiligten sich die Kinder an einem Zirkusprojekt. Mit da-bei ein Mädchen, das sie bis dahin nur als schwierig er-lebt hatte, schwierig im Lernen und Verhalten. Ausge-rechnet dieses Kind trat in einem zauberhaften Kostümin die Manege und zeigte eine imponierende Nummermit einem Hula-Hoop-Reifen. Am Gesicht der Neunjäh-rigen konnte die Lehrerin ablesen: Das ist meins. Ich weiß,ich bin besonders.

»Solche Mädchen und Jungen haben wir vor Augen,wenn wir überlegen, wie wir Schule und Unterricht or-ganisieren wollen, um jedes Kind seinen Möglichkeitenentsprechend zu fördern«, darüber sind sich die Lehrerin-nen und die Sonderschulpädagogin, die koordinierendeErzieherin und der Schulleiter in der Runde einig. Stückfür Stück bewegt sich das Kollegium der Annedore-Leber-Grundschule in diese Richtung.

Die Schultern der Erzieherinnen

Der Anfang liegt gut ein Jahrzehnt zurück. Im kinderrei-chen Stadtbezirk Lichtenrade stöhnten die Anwohner überdie nach der Schule herumstreunenden Fünft- und Sechst-klässler. Einige von ihnen versammelten sich in Cliquenund machten Blödsinn. In den Gremien des Bezirks wurdeüber die Situation diskutiert. Doch die Kitas und Hortehatten keinen Platz für diese Schüler.

»Damals kam es zu der für Westverhältnisse ungewöhn-lichen Zusammenarbeit einer Schule mit einer Kita«, er-klärt Schulleiter Ulf Redwanz. Für die Lehrerinnen undLehrer waren damit etliche Entdeckungen verbunden.Bisweilen hatten sie schon resigniert: Mit den Eltern könneman nicht reden, schon gar nicht, wenn es Probleme mitihren Kindern gibt. »Plötzlich merkten sie: Die Erziehe-

rinnen sahen nicht nur andere Facetten eines Störenfrieds.Sie wussten auch viel mehr von den Familien. Manchmaldolmetschten sie zwischen den Lehrerinnen und den El-tern – nicht nur der Sprache wegen, sondern auch mitihrem Wissen um den Alltag mit Kindern«, erinnert sichder Schulleiter.

In dieser Zeit begann die Schule bereits, die andere Be-rufsgruppe auf dem Schulgelände als Bereicherung zuempfinden, als eine zusätzliche Schulter, die die schwereLast der Bildung und Erziehung tragen hilft oder – posi-tiv gesehen – als ein weiterer Zugang zu den Kindern.Doch wie sie den Alltag miteinander organisieren, daslernen Lehrerinnen und Erzieherinnen bis heute. Dennstatt einst für 40 Kinder, sorgen sie jetzt gemeinsam für250 und bald für 310 Kinder.

Das Problem mit den Hausaufgaben

Konferenzdienstag. Es tagen die Stufenkonferenzen. Aufdie Tagesordnung in allen Klassenstufen setzen die Erzie-herinnen die Frage nach den Hausaufgaben als aktuelldrängendes Problem. Ihre Meinung ist deutlich: Zu vieleHausaufgaben schränken die Ausgestaltung des offenenGanztags ein. Für die Kinder bleibt nach dem Mittages-sen kaum Zeit zum Spiel und für die Erzieherinnen kaumRaum, eigene Ideen zu verwirklichen, wenn zu vieleAufgaben zu lösen sind.

»Darüber habe ich nie zuvor nachgedacht«, gestehtLehrerin Christine Zwick ein. Ihr Jahrgangsteam in derKlassenstufe zwei fand schnell eine neue Lösung: An demTag, an dem die Kinder nachmittags zum Schwimmengehen, soll es in den zweiten Klassen nun gar keine Haus-aufgaben mehr geben. An allen anderen Tagen wirdeine halbe Stunde Hausaufgabenzeit eingeplant. Zuvorsollen die Kinder sich auf dem neu gestalteten Schulhofaustoben oder in ihrem Freizeitraum spielen können.

Andere Jahrgangsteams fanden nicht so schnell einenKompromiss. Die Lehrerinnen brachten aus ihrer Sicht

Die offene Ganztagsgrundschule als Gestaltungsaufgabe:Reportagen aus der Schulwirklichkeit81

von Barbara Leitner

Die Schule als Baustelle. Oder: Die Vision vom Mädchen mit dem Hula-Hoop-Reifen

81 Die Reportagen stammen aus dem Schuljahr2006/07.

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Page 103: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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DIE OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE ALS GESTALTUNGSAUFGABE: REPORTAGEN AUS DER SCHULWIRKLICHKEIT

berechtigte Argumente hervor: Wie sollen die Kinder imLernen voranschreiten, wenn sie nicht wiederholen? Undwie sollen die Rahmenpläne erfüllt werden, wenn dieseLernzeit fehlt? Im Klartext: Es muss geklärt werden, wasdie Hausaufgaben für den Unterricht und den Nachmit-tag bedeuten. Darüber werden die Stufenkonferenzenweiter diskutieren.

Konferenzen von Sommerende bis Sommeranfang

Genau um diese Fragen zu klären, vernetzte man dievorhandenen Strukturen neu. Ulf Redwanz holt einenmetergroßen Kalender aus seinem Schulleiterzimmer, umsein »hausgestricktes Modell« der Konferenzkultur zuerläutern: »Als Überschrift könnte darüber stehen: Washaben wir für Bedingungen, und wo wollen wir hin?«

Von Sommerende bis Sommeranfang ist über das Schul-jahr verteilt ablesbar, wann welche Konferenzen tagen:Treffen sich an einem Dienstag die Kolleginnen und Kol-legen in ihrer Jahrgangsstufe, sind am Dienstag daraufdie Fächerkonferenzen an der Reihe. In der nächstenWoche wiederum arbeiten die verschiedenen Programm-gruppen, in denen es um die Ausgestaltung der offenenGanztagsschule, die Integration von behinderten Kindern,die pädagogische Schulentwicklung mittels der Klippert-Methode und die Leistungskurse für die Klassen fünfund sechs geht.

»Am vierten Dienstag wird meist koordiniert«, so UlfRedwanz. Dann trifft sich die erweiterte Schulleitung mitden Leiterinnen und Leitern der Gruppen, um den Über-blick zu behalten. »Das Besondere ist: Diejenigen, dieetwas miteinander weiterentwickeln wollen, treffen indiesen Gruppen zusammen«, erklärt Christine Zwick, dieselbst in drei Gruppen mitarbeitet. »Es geht nicht mehrdarum, sich pflichtgemäß in Sitzungen zu versammeln,die kaum jemand ernst nimmt. Vielmehr werden dieFragen erörtert, die drängen. Beispielsweise: Wie wirddie Schulanfangsphase gestaltet?«

In machen Gruppen gibt es dafür einen Arbeitsplan. An-dere sammeln die Themen in ihren Sitzungsprotokollen.Auf jeden Fall hat jede Gruppe eine Leitung, die daraufachtet, dass nichts unter den Tisch fällt. »Heute kriege ichein paar Tage vor der Konferenz per E-Mail die Tagesord-nung geschickt und werde gefragt, was ich besprechenwill«, sagt Lehrerin Susanne Sprafke. Dadurch hat sie Zeit,sich zu überlegen, was sie einbringen will und was ihrwichtig ist. Vor allem in den Stufenteams und in der Pro-grammgruppe geht es immer wieder um die Ausgestal-tung des offenen Ganztags.

Lehrerinnen und Erzieherinnen ziehen an einemStrang

Als das Kollegium darüber abstimmte, eine offene Ganz-tagsschule zu werden, votierten alle dafür; es gab nureine Stimmenthaltung. Bei der Planung über die Räumeund einen Neubau entschied man sich bewusst dafür, dieUnterrichts- und Betreuungsräume für die ersten undzweiten Klassen dicht nebeneinander zu platzieren, sodass die Kompetenzen der Lehrerinnen und Erzieherinnenleichter zusammenfließen, als das an der verlässlichenHalbtagschule möglich war, berichtet die koordinierendeErzieherin Mirella Wimmer. Mit dem Hort an der Schule»übte« man in den Jahren zuvor für die offene Ganztag-schule. Aufgefallen sei ihr dabei vor allem, wie gefangenbeide Berufsgruppen in ihrer Sicht waren. Obwohl dieErwachsenen die Kinder ähnlich erlebten, hieß das inihren jeweiligen Kontexten oft etwas anderes. »Doch wirfragten uns immer wieder: Worin besteht der Sinn, wennder Hort nicht mehr als getrennter Bereich neben derSchule steht? Was ist positiv daran?«

Einige Antworten auf diese Fragen findet die Erzieherinin ihrem Alltag, wenn sie beispielsweise am Nachmittagmit den Kindern baut und spielt, dabei Rechnen undräumliche Wahrnehmung trainiert und gleichzeitig dasvertieft, was am Vormittag Unterrichtsstoff war. »Das istMathematikförderunterricht pur!« Oder wenn MirellaWimmer erlebt, dass Lehrerinnen und Lehrer auf die Er-zieherinnen zugehen und fragen: »Wie war das Kind amNachmittag? Konnte es sich konzentrieren? Hat es alleinoder mit anderen gespielt?« Oft haben die Antwortenauf solche Fragen Konsequenzen für den Vormittag.

Die Lehrerin Susanne Sprafke aber bedauert, dass Erzie-herinnen bisher nur selten in ihrem Integrationsunterrichthospitierten und zuschauten, wie sie die Kinder spiele-risch fördert. »Davon könnten die Erzieherinnen profitie-ren«, ist sie überzeugt. Doch das ist von der Anzahl derHortverträge abhängig und damit nicht von der Schulezu beeinflussen. »Es müsste gerade in der Eingangsstufefür viele Stunden Norm sein, und die Besprechungszeitmüsste für die Teams verbindlich sein«, meint Ulf Red-wanz und fordert, die Bedingungen für die offeneGanztagschule von Senatsseite zu verbessern.

Die Erzieherinnen unterbreiten den Kindern der unterenKlassen mitunter zwischen zwei Unterrichtsstunden einspielerisches Angebot. Sie sind es auch, die mit den Kin-dern zum Mittagessen gehen. »Es ist leider kaum mög-lich, dass die Lehrerinnen das übernehmen«, bedauertdie koordinierende Erzieherin Mirella Wimmer. Dieserwichtige soziale Kontakt zwischen den Lehrern und Schü-

Page 104: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Annedore-Leber-GrundschuleHalker Zeile 147 12305 BerlinInternet: http://www.algs.de

Zwischen Hochhaussiedlung und Einfamilienhäusernliegt die Annedore-Leber-Grundschule mit ca. 650Schülerinnen und Schülern. In unmittelbarer Nachbar-schaft zweier Oberschulen finden sich auf dem weit-läufigen Schulgelände neben dem in den 50er Jahrengebauten »alten« Schulhaus ein neues Gebäude fürdie Schuleingangsstufe und der Turm für die fünftenund sechsten Klassen. In der Schule sind etwa dieHälfte der Mädchen und Jungen für die offene Ganz-tagsschule angemeldet.

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DIE OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE ALS GESTALTUNGSAUFGABE: REPORTAGEN AUS DER SCHULWIRKLICHKEIT

lern ist im Stundenpool der Lehrer nicht vorgesehen. Da-bei ist den Lehrerinnen und Lehrern durchaus bewusst,wie viele Möglichkeiten ihnen entgehen, Zugang zuneuen Kindern zu finden. »Längerfristig sollten wir zuanderen Pausen- und Essensregelungen kommen«,wünscht sich Mirella Wimmer.

Das Zeit-Problem

Solche Wünsche nach Veränderungen im Alltag müssenmiteinander diskutiert werden: Welche Vorstellungenhaben wir über den Tagesrhythmus an einer Ganztags-schule? Wie erleben wir die Mädchen und Jungen inden verschiedenen Phasen des Tages? Was sehen wirähnlich, was anders?

»Es gibt riesigen Gesprächsbedarf und zu wenig Zeitfüreinander. Das macht es schwierig«, meint die Inte-grationspädagogin Christine Zwick. Eine ist immer mitden Kindern beschäftigt – entweder die Lehrerin oderdie Erzieherin.

»Unsere Arbeitszeiten passen nicht zusammen«, erklärtMirella Wimmer das Dilemma. Der Unterricht dauert bis13.30 oder 14.00 Uhr. Danach übernehmen auch Lehre-rinnen Arbeitsgemeinschaften, beraten miteinander, mitEltern, bereiten den Unterricht vor. Das Erzieherinnen-team hat parallel zwölf Stunden abzusichern. Dazwischengibt es keine gemeinsam frei verfügbaren Zeiten. »UndUnzufriedenheit kommt auf«, sagt Mirella Wimmer.

Ein Teil des Problems wurde an der Annedore-Leber-Grundschule gelöst, seit jene Stufen- und Fachkonferen-zen, denen Erzieherinnen angehören, erst um 16.00 Uhrund die Gesamtkonferenzen erst um 17.30 Uhr beginnen.Im neuen Schuljahr werden darüber hinaus feste Be-sprechungszeiten der Erzieherinnen mit ihren Jahrgangs-leiterinnen eingeplant. Gegenwärtig wird noch geprüft,welcher Kooperationspartner im Haus die Kinder in denanderthalb Stunden betreuen könnte.

In den Klassen eins und zwei ist es mitunter noch mög-lich, etwas zwischen Tür und Angel zu klären, weil dieBeteiligten einander wenigstens begegnen. »Schwierigwird es ab Klasse drei, wenn nicht mehr so viele Kindernachmittags betreut werden«, stellt die koordinierendeErzieherin fest. Doch sie will nicht abwarten, bis die Er-fahrungen mit dem offenen Ganztag aus den erstenund zweiten Klassen vorliegen: »Die Großen sollenauch jetzt schon etwas von der engeren Zusammenar-beit haben.«

Vier ihrer Kolleginnen sind für die elf dritten bis sechstenKlassen zuständig. Sie wollen einbezogen werden, wennüber die Kinder gesprochen wird, wenn Projekte vorbe-reitet oder Klassenfahrten geplant werden. Auch die Leh-rerinnen wollen das. Allerdings fehlt ihnen die Zeit, mit-einander zu besprechen, welche Vorhaben es in welcherKlasse gibt. Auf ihrem Studientag entschieden die Erzie-herinnen deshalb, zunächst die monatlichen Stufenkon-ferenzen als Kontaktmöglichkeiten zu nutzen. Eine Kol-legin ist nun jeweils für eine Jahrgangsstufe zuständig,wird an deren Konferenzen teilnehmen und Ansprech-partnerin für die Lehrerinnen und Lehrer sein.

Die »Insel« als Lernwerkstatt

»Wir sind dabei, die Übergänge besser zu gestalten«,unterstreicht Schulleiter Redwanz. Man beteiligt sich andem BLK-Projekt TransKiGs, um zu lernen, wie bereitsKita und Schule enger zusammenwachsen können, sodass die Kinder den Schulstart nicht als Bruch in ihrerLernbiografie erfahren. Ein Treffpunkt, um Trennungenzu überwinden, soll die »Insel« der Annedore-Leber-Grundschule sein, ein Art Lernwerkstatt, die Lehrerinnenund Erzieherinnen gegenwärtig gemeinsam einrichten.Dort soll Mathematik sinnlich erfahrbar werden – durchSpiele und Modelle. Am Vor- und Nachmittag sollen so-wohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Kinderaus der Kita nebenan mit Zahlen und Winkeln, Mengenund Brüchen spielen und experimentieren können. Die»Insel« – so die Hoffnung des gesamten Kollegiums –wird ein Ort sein, an dem viele Kinder beglückende Lern-erfahrungen machen können. Wie das Mädchen mitdem Hula-Hoop-Reifen im Zirkus.

Page 105: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Es ist Pause in der Stammgruppe 2.1 der NeuköllnerPeter-Petersen-Grundschule. Die Viert- bis Sechstklässlersitzen in ihren Tischgruppen und lesen, manche vertieft,andere mit dem Kopf auf dem Tisch, kurz vor dem Ein-schlafen. »Das ist die Lesepause«, erklärt Jonas, undMelanie ergänzt: »Das hilft uns, runterzukommen, undzugleich werden wir zum Lesen angeregt.«

Auf jedem Tisch stehen Bücherkisten, und zu den beidenaktuellen, fächerübergreifenden Projekten der Stamm-gruppe – Märchen und Ägypten – finden die KinderLektüre in den Regalen. »Als wir jünger waren, hattenwir nach der Hofpause unsere Ruhepause«, erinnert sichMelanie. »Da lief leise Musik, und wir legten unsereKöpfe auf Kissen.« Im Rahmen eines ökologischen Schul-versuchs hatten die Kinder und ihre Lehrerinnen und Leh-rer den Umgang mit sich selbst thematisiert und dieseEntspannungsphase eingeführt, als erste Zäsur am Tag.

»Nach dem ersten Unterrichtsblock haben wir 45 Minu-ten Pause«, erklärt Jonas. »Das Gute ist, dass wir unsdie Zeit einteilen können. Zuerst frühstückt die Stamm-gruppe gemeinsam mit der Lehrerin. Danach könnenwir uns überlegen, was wir machen wollen«, so Jonasweiter. »Dienstags und donnerstags öffnen Eltern in derPausenzeit die Bibliothek. Ich lese zwar gern, aber nachzwei Stunden Sitzen muss ich mich bewegen. Meistspiele ich auf dem Hof Fangen mit meinen Freundenoder Fußball. »

Arbeit und Pause, Gespräch und Spiel

Für das freie Spiel auf dem Hof hat das Schülerparlamentklare Regeln ausgearbeitet. Jeweils eine der sechs Stamm-gruppen der Großen wacht darüber, dass sie eingehaltenwerden. Am Freitag tragen sich die Schüler für den Hof-dienst der nächsten Woche ebenso freiwillig ein wie fürden Tafeldienst oder die Pflege der Blumen in den Räu-men, im Hausflur und auf den kleinen Beeten vor derSchule. Jeweils vier Schüler sind für die Hofaufsicht zu-ständig und an ihren orangefarbenen Westen zu erken-nen. Ihr Wort gilt wie das der Lehrerinnen und Lehrer,von denen zwei immer in der Nähe sind.

»Nach den langen Hofpausen und der kurzen Lesephasefällt es den Kindern leichter, wieder etwas aufzunehmen«,findet Anne Albrecht, eine der Klassenlehrerinnen der 2.1.Als sie vor zwei Jahren an die Peter-Petersen-Schule kam,gab es diesen Stundenplan bereits. Er war für die ver-

lässliche Halbtagsschule entwickelt worden und ergänzteinen anderen Wechsel: den von Arbeiten und Feiern,Gespräch und Spiel, wie er für die Jenaplanschule nachPeter Petersen typisch ist.

Anne Albrecht genießt es, dass die Stunden nicht dichtgedrängt aufeinanderfolgen und sie nicht durch den Taghetzen muss. Die Pausen geben ihr Gelegenheit, allerleiKleinigkeiten zu erledigen und kurz auszuspannen.

Zwei von diesen längeren »aktiven Hofpausen« – dieerste 25, die zweite 20 Minuten lang – gibt es am Vor-mittag. Nach der zweiten Hofpause ist um 12.15 UhrLunchtime in den Stammgruppen. Die Kinder packenihre von zu Hause mitgebrachten Brote aus. Platz füreine Küche gibt es in dem Ende des 19. Jahrhundertsgebauten Ziegelbau und auch auf dem Gelände nicht.

Den Schulhof und die Turnhalle teilt sich die Peter-Peter-sen-Schule mit der benachbarten Konrad-Aghad-Schule,die Zeiten werden miteinander abgestimmt. Deshalb istan der Peter-Petersen-Schule Unterrichtsbeginn um8.20 Uhr. Bereits ab 7.30 Uhr betreut eine Erzieherin im»Mäuseklub«, wie der gemütlich eingerichtete Freizeit-und Spielraum in der ersten Etage heißt, die Frühstarter.In dieser Zeit finden auch die ersten Fördereinheitenstatt.

Altersgemischte Stammgruppen

Melanie und Jonas kommen kurz nach 8.00 Uhr undholen sich den Schlüssel für ihren Klassenraum selbst.»Montags treffen wir uns früh zuerst im Morgenkreis.Dort bereden wir, was im Wochenplan steht und Themadieser Woche ist«, berichtet Jonas. Danach startet derStammgruppenunterricht.

Für die Großen – die Jahrgangsstufen vier, fünf und sechs– stehen drei Blöcke von je anderthalb Stunden auf demPlan. Eine Klingel ertönt nicht. Dafür gibt es in jedemKlassenraum eine Funkuhr. »Außerdem kriegt man all-mählich ein Zeitgefühl«, sagt Melanie und meint denRhythmus des Tages und der Projektarbeit.

In Deutsch, Musik und Kunst beschäftigen sich die Neun-bis Zwölfjährigen gerade mit Märchen. Zum Beginn desUnterrichtsblocks berichten alle Tischgruppen, wie weitsie mit ihren Aufträgen gekommen sind. Sie sind es ge-wohnt, kurz Auskunft zu geben, wo sie stehen, und ihre

Die Zeit selbst einteilen. Oder: Schüler reden mit

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nächsten Schritte zu benennen, ehe sie selbstständigweiterarbeiten.

Die Tischgruppe von Melanie und Jonas überlegt, nachwelcher Episode man die Mitschüler fragen könnte, damitsie erraten, welches Märchen analysiert wurde: »Wie hießdas Männchen, das der Königin ihr Kind stahl?« Nach-dem das gemeinsam erledigt ist, kümmert sich jeder stillfür sich um die nächste Aufgabe.

»Wir liegen gut in der Zeit«, schätzt Jonas ein. Er undsein Nachbar sind im sechsten Schuljahr, Melanie im fünf-ten. Es ist für sie selbstverständlich, einander zu unter-stützen. Wenn die Älteren von den Jüngeren etwas ge-fragt werden, wiederholen auch sie den Stoff.

Diese Altersmischung bringt eine zusätzliche Dimensionin den Raum – die der Relativität der Klassenstufe. Dieleistungsstarken Fünftklässler dürfen sich an den Aufga-ben des sechsten Schuljahrs versuchen, leistungsschwä-chere Mitschüler bekommen vereinfachte Aufgaben,damit auch sie sich an Erfolgen freuen können.

»Die Stammgruppenarbeit bringt es mit sich, dass ich An-gebote für drei Stufen vorbereiten muss«, erklärt AnneAlbrecht, die Deutsch, Musik und Naturwissenschaftenunterrichtet. »Natürlich muss ich genau beobachten, werwie lange an welchen Aufgaben sitzt und wer wo welcheHilfe braucht, damit niemand Leerzeit hat.« Dazu gibtihr auch die Wochenplanarbeit Gelegenheit, die meist imdritten Zeitblock stattfindet.

Eigene Lernrhythmen

Zu den sechs Stammgruppen der Großen gehört einehalbtags tätige Erzieherin. Sie wandert vormittags voneiner Gruppe zur anderen und weiß: Für dieses oderjenes Kind ist es gut, wenn ich eine Zeitlang an seinerSeite sitze.

Nach ihrem eigenen Lernrhythmus entscheiden sich dieKinder, in ihrer Tischgruppe zu arbeiten, sich zu einerFreundin oder einem Freund zu setzen oder sich an einenTisch im Treppenhaus zurückzuziehen. Ein Junge, demes schwer fällt, sich länger zu konzentrieren, weiß, dasser während der Unterrichtsblöcke aus dem Raum gehenund sich Bewegung verschaffen darf. Solche Lernverein-barungen werden mit den Schülern, ihren Eltern, den Klas-senlehrern und der Schulleitung gemeinsam getroffen.

Während des Unterrichts ertönt ab und zu eine Klang-schale. Das heißt, jeder muss sein Tun unterbrechen und

nach vorn schauen. Nicht nur die Lehrerin nutzt den Ton,um einen nächsten Schritt zu erklären. In der fünftenoder sechsten Stunde steht immer mal wieder ein Mäd-chen oder ein Junge auf, lässt die Klangschale ertönenund sagt: »Bitte, mir ist es zu laut zum Arbeiten.«

Die Erst- und Zweitklässer werden zwischen den Unter-richtsblöcken zu Verschnaufpausen in den »Mäuseklub«geschickt. »Das übernahmen wir von einer gebundenenGanztagsschule«, erklärt Hildegard Greif-Gross, die Kon-rektorin der Schule. »Die Lehrerinnen erzählten uns, dassdie Kleineren später wieder gut arbeiten, wenn sie zwi-schendurch Entspannungsphasen haben.«

Je nach Klassenstufe gehen die Sechs- und Siebenjähri-gen zwei oder vier Mal in der Woche im Laufe des Vor-mittags mit ihrer Erzieherin für anderthalb Stunden aufeinem Spielplatz, basteln oder beenden eine Arbeit imFreizeitraum. »Seitdem haben auch wir einen festenStundenplan«, sagt Erzieherin Catrin Schade.

Orientierung und Struktur

Am Freitag beenden die Kinder die Schulwoche mit derKlassenlehrerstunde. »Ich finde das gut, dass wir zusam-men im Kreis sitzen und uns Zeit für Beschwerden undFragen nehmen«, sagt Melanie.

Ein Mal im Monat feiern die Stammgruppen miteinander.»Wozu lernt man sonst ein Gedicht oder spielt ein Instru-ment?« begründet Konrektorin Greif-Gross dieses Prinzipder Jenaplanschule. Diesmal sind die Kleinen eingeladen.Melanie und Jonas stellen in der geschmückten TurnhalleFragen aus ihrem Märchen-Quiz und spielen kleine Thea-terszenen. Solche Rituale geben den Kindern Orientierungin ihrem ansonsten überraschend offenen Tageslauf.

Gegenwärtig berät das Kollegium der Schule mit denFreien Trägern, um einen angemessenen Rhythmus fürden offenen Ganztag zu finden. »Die Kinder sofort nachdem Mittagessen an die Hausaufgaben zu setzen ist nichtsinnvoll«, vertritt Hildegard Greif-Gross die Haltung derSchulleitung. Das sagte sie auch den Eltern, die glaubten,Kinder mit erledigten Hausaufgaben abholen zu können.»Es fällt ihnen leichter, sich nach dem Spiel am Nachmit-tag auf eine kurze Übungseinheit daheim zu konzentrie-ren.« Deshalb hat man sich mit den Freien Trägern aufeine halbe Stunde Übungszeit von 15.30 bis 16.00 Uhrgeeinigt. Doch das verändert den bisherigen Takt. DieKinder vor 16.00 Uhr abzuholen, das hieße nun, sie zuunterbrechen – ob beim Üben oder bei anderen Vorha-ben.

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Durch den offenen Ganztag kommt auch in die Nach-mittagsangebote Bewegung. Melanie und Jonas aus derfünften und sechsten Klasse berührt das jedoch nicht.Beide besuchen an einem Tag in der Woche die Theater-Arbeitsgemeinschaft der Schule und den Naturwissen-schaftlichen Unterricht für die Großen. Darüber hinauslernt Jonas Cello spielen und singt im Chor. Melanie hin-gegen sagt, sie sei nach der Schule erschöpft und froh,wenn sie die Hausaufgaben erledigt hat und sich zu Hausemit Freunden treffen kann. Vielleicht wäre sie doch neu-gierig auf den offenen Ganztag, wenn ihre Klassenka-meraden von spannenden Unternehmungen erzählen?

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Peter- Petersen-GrundschuleJonasstr. 1512053 BerlinInternet: http://www.pps.cidsnet.de

Gut gemischt lernen 340 hochbegabte und sozial be-nachteiligte, deutsche und nichtdeutsche Schülerinnenund Schüler an einer Lebensgemeinschaftschule, wiesie der Namenspatron Peter Petersen beschrieb. Imoffenen Ganztagsbereich kooperiert die Schule mitdrei Freien Trägern: dem Bermuda Dreieck, Peters Oaseund dem Magdalenen Hort. Etwa ein Drittel der Kindersind für die offene Ganztagsschule angemeldet. Alle Schüler der Schule können zusätzlich zwischenetwa 15 Arbeitsgemeinschaften wählen.

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Ein Gespräch über gelingende Kooperation, geführt mitKlaus-Martin Lütke, Leiter der Grundschule am Schäfer-see, und Dr. Josef Kohorst, Geschäftsführer des Jugend-hilfeträgers Aufwind gGmbH.

Wie kam es zur Kooperation der Schule am Schäferseemit der Aufwind gGmbH?

Lütke: Als es hieß, die Horte kommen an die Schule, lu-den wir die Erzieherinnen der umliegenden Horte zu Ge-sprächen ein. Schnell hatten wir das Gefühl, dass wir mitihnen nicht weiterkommen. Wir wollten mit der offenenGanztagsschule etwas erreichen, nicht den alten Stiefelweiterfahren, und suchten Leute, die innovativ denken.Also Leute, die auch mal in der Lage sind, irgendwoherMittel herbeizuzaubern, und tun, was wir gemeinsamfür nötig halten. Solche Leute hatten wir in der Auf-wind gGmbH bereits kennen gelernt.

Kohorst: Seit 2002 unterhalten wir die regelfinanzierteSchulstation hier auf dem Gelände.

Lütke: Dafür hatten wir gekämpft, und als wir die Stationhatten, sprangen wir vor Freude in die Luft. Natürlichnicht alle Kollegen…

Kohorst: Wir als Träger der Freien Jugendhilfe hattendas Bedürfnis, Prozesse direkt in der Schule stärker zubeeinflussen, also dort, wo die Kinder sind. Wenn wirFamilienhilfe leisten, bearbeiten wir oft Konflikte, die inder Schule zum Tragen kommen. Dort wollen wir auchLösungen finden…

Sie beschreiben die Schulstation als eine der drei Säulender offenen Ganztagsschule. Weshalb?

Lütke: Die Schulstation ist eine wichtige Vermittlungs-stelle. Am Anfang dachten manche Lehrer vielleicht:Wenn ein Schüler oder eine Schülerin im Unterricht auf-fällt, drücke ich ihm oder ihr einen Laufzettel in die Handund stecke sie in die Schulstation. Aber die Schulstationist keine Strafkolonie. Die Schüler gehen gern hin, weilsie liebevoll und bestimmt behandelt werden.

Inzwischen gibt es Vereinbarungen zwischen den beidenMitarbeiterinnen der Station und den Lehrern, dass be-stimmte Schüler zu bestimmten Zeiten grundsätzlich indie Schulstation gehen, um ihnen das schulische Lebenzu erleichtern. Viele Kinder gehen schon morgens hin,

um sich familiäre Probleme von der Seele zu reden. Undwir Lehrer kriegen von den beiden Kolleginnen jedeMenge Hilfe, weil sie Hausbesuche machen und Eltern-gespräche führen, Kontakte zu Familienhelfern undzum Jugendamt knüpfen…

Seit zwei Jahren haben wir regelmäßig einen Jour fixe.Da geht es um Kinder, die in der Schulstation oder imUnterricht auffallen. Die Klassenlehrer werden eingela-den, oft kommt ein Schulpsychologe dazu, und neuer-dings, nachdem das Jugendamt sich regionalisiert hat,ist auch ein Mitarbeiter des Amtes dabei.

Kohorst: Sind die Kinder im Hort, kommen auch diedortigen Erzieherinnen.

Lütke: Diese Runden waren der Beginn unserer Koope-ration. Gemeinsam wird beraten, was ein Kind brauchtund wer es ihm wie gibt.

Kohorst: Das hat zur besseren Zusammenarbeit zwischenLehrern und Jugendhilfe geführt. Die Lehrer und die bei-den Frauen der Schulstation besuchen einander, redenmiteinander und tun vor allem eines: Sie vermittelneinander Wertschätzung.

Lütke: Gerade dadurch wurden Ängste abgebaut. Dawill mir jemand in die Karten gucken – das denkt nunniemand mehr.

Kohorst: Beide Seiten sagen: Lasst uns zusammen über-legen, wie wir das Problem, das jetzt in der Schule auf-getaucht ist, lösen können. Schule, Schulstation, ergän-zender Nachmittag – das ist ein gemeinsames Projekt.Wir denken nicht mehr: Der ist bei uns und die ist daangestellt.

Der Schäfersee liegt zwischen der Schule und dem Ortfür die ergänzende Bildung, Erziehung und Betreuung.Das bedeutet lange Wege und kostet Zeit. Wie sorgenSie dennoch dafür, dass sich Lehrer und Erzieherinnendurch die jeweils andere Seite bereichert fühlen?

Kohorst: Wir arbeiten weiter an unserem Konzept für dieAusgestaltung der offenen Ganztagsschule. Vor allemmachen wir uns Gedanken, wodurch sich Erzieherinnenund Lehrer mit ihren unterschiedlichen Kompetenzenweiterentwickeln können, zugunsten der Kinder.

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Eine Sache – zwei Institutionen

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Als Unterstützungsinstrument haben wir gemeinsameinen Beobachtungsbogen entworfen, der die Kommu-nikation zwischen beiden Seiten anregen soll. Da wirdzum Beispiel nach der sozialen Kompetenz der Kindergefragt: Kann ein Kind seine Wünsche zum Ausdruckbringen, sich einfühlen, Regeln akzeptieren? Zur Sach-kompetenz und zum Leistungsverhalten wird gefragt:Wie lernt ein Kind in den einzelnen Fächern? Was kannes? Es gibt aber auch solche Fragen: Ist das Kind mor-gens pünktlich, ist es ausgeschlafen? Was wissen wirüber das kindliche Netzwerk? Erzählt das Kind von sei-ner Familie? Ist es stolz auf seine Eltern? Kennt es sichin der Umgebung aus?

Die Antworten bringen sehr verschiedenes Wissen zumAusdruck. Möglicherweise hat eine Lehrerin oder ein Leh-rer nie darauf geachtet, ob ein Kind allein mit dem Busfährt oder nicht, ob es stolz auf seine Eltern ist. Die Er-zieherinnen hingegen bewegen sich in einem anderenRahmen. Da geht es stärker um Selbstständigkeit, umden Kontakt zu den Eltern. Andererseits weiß die Erzie-herin vielleicht wenig über das Leistungsverhalten einesKindes.

Lütke: Wir haben diesen Beobachtungsbogen in einerersten und einer zweiten Klasse ausprobiert. Das warspannend. Es stellte sich heraus: Meist ist es noch so,dass wir die Kinder im Blick haben, die negativ auffallen.Über sie reden Lehrer und Erzieherinnen, wenn sie sichkurz sehen oder zu unserem Jour fix kommen. Die Stil-len aber fallen unter den Tisch. Und die Auffälligen habenSeiten, die wir bisher nicht genügend beachteten.

Das war der Ausgangspunkt: Wir wollen allen Kinderngerecht werden.

Was fangen Sie mit dem neu gewonnen Wissen an?

Kohorst: Unser Ziel ist es, jedes Kind gut durch den Tagzu begleiten. Wir haben Kinder, die kommen früh um8.00 Uhr und gehen abends um 18.00 Uhr. Für sie undfür alle anderen Kinder muss die offene Ganztagsschulevielfältige Angebote bereithalten: Sie müssen sich zurück-ziehen können und Anregung finden; und die Anregun-gen müssen verschiedener Art sein. Doch welches Kindbraucht was?

Wir wollen die Kinder am Nachmittag nicht einfach be-schäftigen. Wenn ein Kind Bewegungsförderung, musi-kalische Anregung oder Sprachförderung braucht, solles in einer Gruppe landen, die ihm das bietet.

Der Beobachtungsbogen hilft uns zu erkennen, welcheKompetenzen ein Kind hat und wo es Unterstützungbraucht. Aus diesen Informationen muss eine sinnvolleHandlungsplanung entwickelt werden. Wir haben dafürdrei Bedarfsgruppen eingeteilt.

Die Kinder in der ersten Bedarfsgruppe brauchen zusätz-liche Anregung, sind aber in der Lage, anderen Kindernzu helfen. Das kann man von ihnen auch fordern. In Be-darfsgruppe zwei sehen wir die Kinder, die überall durchsRaster fallen. Wir wollen sie befähigen, Angebote wahr-zunehmen, und sollten wenigstens ein Mal im Halbjahrmit ihren Eltern sprechen. Bei Kindern in der Bedarfs-gruppe drei geht es nicht ohne intensiven monatlichenKontakt mit den Eltern, in den die Schulstation einbezo-gen werden muss.

Lütke: Oder wir brauchen Hilfe von außen.

Welche Auswirkungen hat das auf den Unterricht?

Lütke: Es kann sein, dass Lehrer und Erzieherinnen imGespräch merken: Es wäre gut, einen Schüler am Vor-mittag ab und zu eine Runde um den Block laufen zulassen, damit er sich wieder konzentrieren kann.

Kohorst: Solche individuellen Lernvereinbarungen gibt esbereits, und es sollen weitere Vereinbarungen geschlos-sen werden. Sind Schüler überlastet, sollen sie in dieSchulstation oder in die verlässliche Ganztagsschule ge-hen, um Entlastung finden – natürlich mit dem Ziel, inden Unterricht zurückkehren zu können.

Inzwischen wissen Kinder und Lehrer, dass die Angebotevon Aufwind ihnen helfen, besser miteinander in Kon-takt zu kommen. Außerdem haben wir uns groß auf dieFahnen geschrieben: Elternzusammenarbeit.

In welchen Runden besprechen Sie die Zusammenarbeitvon Lehrern und Erzieherinnen?

Kohorst: Jede Woche haben wir ein Schule-Hort-Treffenin der Schule.

Lütke: Dabei geht es vor allem um aktuelle Fragen. Diekoordinierende Erzieherin ist dabei, ein Erzieher, ein Leh-rervertreter. Von Zeit zu Zeit nehmen die Erzieherinnender verlässlichen Halbtagschule teil.

Die konzeptionelle Runde findet bei Aufwind statt. Diepädagogische Leiterin von Aufwind ist dabei, eine Erzie-

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herin, eine Lehrervertreterin, ein Mitglied der erweiter-ten Schulleitung, wir beide...

Kohorst: … der Coach und ein Elternvertreter. DieSchulstation ist nicht dabei.

Wir haben einen Coach, der moderiert und uns unter-stützt. Den bezahlt »Aufwind«. Ein Mal im Monat tref-fen wir uns in dieser Konzeptrunde.

Bereits bevor wir Träger der ergänzenden Bildung, Erzie-hung und Betreuung wurden, entwickelten wir das Hort-konzept gemeinsam. Jetzt schreiben wir es fort.

Die Schule entwickelt sich in Richtung Klippert-Modell-Schule. Das hat Auswirkung auf die Pädagogik der Leh-rer und soll die Pädagogik der Erzieherinnen und Erzie-her beeinflussen, die gern an diesen Fortbildungen teil-genommen hätten.

Wir wollen uns vernetzen. Also müssen wir zusehen, wowir miteinander reden, neue Ideen aufnehmen und alleeinbinden können.

Ein Knackpunkt ist: Das kostet Zeit. Wir bewegen uns ineinem dynamischen Feld, in dem viele Veränderungengleichzeitig passieren. Doch für solche Prozesse müssteman sich mal zurücklehnen und Atem holen können...

Lütke: Das ist nicht drin. Wenn man die Terminkalenderder Leute sieht, die in den Runden sitzen – die sindübervoll.

Welche Voraussetzungen braucht gelingende Koope-ration?

Lütke: Offenheit und Lust auf etwas Neues. Als ich einemSchulleiter aus der Nachbarschaft sagte, dass wir miteinem Freien Träger kooperieren werden, meinte der:»Du bist dir aber im Klaren, dass du nicht das Sagenüber die Erzieherinnen hast.« Ich war sprachlos. Soredet ein Machtmensch, einer, der seinen Laden unterKontrolle haben will.

Kohorst: Man braucht Ziele, die man gemeinsam errei-chen will. Und man muss bereit sein, dem Partner dieeigenen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ohne gleichzu rechnen.

Und: Natürlich müssen alle die Zusammenarbeit wollen.Sonst müsste man ständig um diese Verbindung kämp-fen.

Durch die enge Zusammenarbeit fallen aber auch dieSchwachstellen der jeweils anderen Seite schnellerauf…

Kohorst: Das sind dann unsere gemeinsamen Schwach-stellen. Wenn Herr Lütke findet, dass im Hort etwasverändert werden müsste, überlegen wir gemeinsam.

Lütke: Arbeiten mehrere Leute daran, wird es in der Regelauch besser, als wenn nur einer sich den Kopf zerbricht.

Kohorst: Gegenwärtig möchten wir erreichen, dass alleGruppen Kinderkonferenzen durchführen. Wir startetenmit einem vollkommen neuen Erzieherteam. Daruntergibt es einige Leute, die sich dafür stark machen, dieKinder zu ihren Angelegenheiten selbst zu befragen, an-dere tun das nicht. Wir aber wollen verbindliche Stan-dards für alle.

Lütke: Wenn wir über Kooperation sprechen, müssenwir übrigens noch eine Runde erwähnen: die Kiezrunde.Daran sollen sich alle Grundschulen der Umgebung be-teiligen, auch die Oberschulen und alle Freien und öffent-lichen Träger, die sich um Kinder und Jugendliche küm-mern. Gerade planen wir das zweite Kiezfest.

Kohorst: Wir wollen den Kiez beleben – mit der Schuleund mit solchen Aktivitäten.

Lütke: Alle zwei Monate treffen wir uns und veranstal-ten auch gemeinsame Fachtage.

Kohorst: Im Moment haben wir Druck, weil es auf derU-Bahn-Strecke 8 und um den Schäfersee Drogenpro-bleme gibt. Wir überlegen, wie wir unterschiedlichenAkteure gemeinsam handeln können, in Abstimmungmit der Straßensozialarbeit und der Polizei.

Sogenannte Happy-Slapping-Aufnahmen von Gewalt-szenen mit dem Handy gibt es bei uns auch. Aber anunserer Schule können wir das noch auffangen, weil dieKinder Vertrauen haben. Sie gehen in die Schulstationund reden mit den Erzieherinnen darüber. Dadurch wirdes öffentlich, und die Polizei kann benachrichtigt werden.

Wir hatten auch eine Bandenverabredung zwischenzwei Gruppen zweier Schulen…

Lütke: Die Kolleginnen aus den beiden Schulstationentelefonierten sich die Finger wund, informierten die Eltern,und die wiederum haben ihren Kindern gesagt: »Haltdich aus der Schlägerei raus!« In der Schule haben wirmit den Schülern gesprochen…

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Kohorst: Alle kümmerten sich gemeinsam – Polizei,Schulstation, Schule, Eltern – und reagierten sofort. Eskam nicht zu der Schlägerei. Wenn man so nah dran istwie wir, funktioniert das.

Auch das ist ein Erfolg: eine Atmosphäre zu schaffen, inder diejenigen, die Opfer solcher Verabredungen werdensollten, merken, dass ihnen geholfen wird, dass sie nichtallein sind.

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Grundschule am SchäferseeHolländerstr. 25-3013407 Berlin Internet: http://www.schaefersee-grundschule.de

Aufwind Kita-Verbund gGmbHVierwaldstätter Weg 713407 Berlin

460 Kinder werden in der »problematischen Idylle«um den Schäfersee begleitet. Etwa die Hälfte der Kin-der entstammen Familien mit Migrationshintergrund,viele obendrein Familien, die von staatlichen Transfer-leistungen leben. Die damit verbundenen Problemeversucht die Schule bereits seit 2002 auch durch eineregelfinanzierte Schulstation des JugendhilfeträgersAufwind e.V. aufzufangen. Der gleiche Träger über-nahm 2005 die ergänzenden Bildungs-, Erziehungs-und Betreuungsangebote, für die mehr als ein Drittelder Mädchen und Jungen angemeldet sind.

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Paul Herklotz, 26 Jahre, Erzieher im offenen Ganztag:

Die vier Lehrerinnen und Lehrer »meiner« 25 Kinderlernte ich kennen, weil wir zu Beginn des Schuljahresverabredeten, die Kinder nach Unterrichtsschluss ausihren Klassenräumen abzuholen. Bis heute schaue ichjeden Tag kurz vorbei, um mitzukriegen, welche Launein der Klasse herrschte.

Eine Weile nutzten wir »Verbindungshefte« zwischenSchule und offenem Bereich. Darin stand, was am Tagpassiert ist, Schönes und Ärgerliches, wer fehlt und vorallem, welche Hausaufgaben zu erledigen sind. Das warzumindest eine Orientierung. Die Frage war nur: Wiekommen die Hefte in den Hort zurück?

Zu mehr als einem Gespräch zwischen Tür und Angeltraf ich mich mit einer der Lehrerinnen, als wir den Be-obachtungsbogen für unsere neun »gemeinsamen« Kin-der ausprobierten. Ich kenne die Kinder erst seit einemhalben Jahr, und beim Ausfüllen wurde mir bewusst,welches von ihnen ich bisher erlebt hatte, ohne es wirk-lich beobachtet zu haben. Mit diesen Kindern sprecheich jetzt zum Beispiel auf dem Weg von der Schule inden Hort. Zugleich hat der Fragebogen auch den Kon-takt mit der Lehrerin verändert.

Wirklich Zeit für die Kooperation haben wir nicht. Den-noch verabreden wir uns hin und wieder, um zu überle-gen: Wo steht ein Kind, und wo stehen wir in unsererBeziehung zu diesem Kind? Wir sind dabei nicht immereiner Meinung und lassen das zu. So glaube ich, dasseiner der Jungen, der gegenwärtig ab und zu über dieStränge schlägt, nicht mehr Druck, sondern mehr Aner-kennung für das braucht, was er gut gemacht hat, undein kurzes, aber deutliches Signal für das, was wir nichtmögen. Ob sich dadurch etwas verändert, beobachtenwir gemeinsam – jeder an seinem Ort. Dann reden wirweiter...

Christiane Uhlhorn, 49 Jahre, Grundschullehrerin:

Mein Aha-Erlebnis hatte ich, als ich die Beobachtungs-bogen der neun Kinder, die für den offenen Ganztagangemeldet sind, parallel zum Erzieher ausfüllte. Da gabes die Frage, ob die Kinder sich in ihrem Kiez auskennenund den Weg zur Schule allein bewältigen. Es war mirnicht bewusst, dass das etwas über die Reife, die Selbst-ständigkeit und Kompetenz der Kinder aussagt.

Stolz bin ich allerdings, dass ich alle in dem mehrseitigenPapier enthaltenen Fragen beantworten konnte – bis aufzwei Fragen bei zwei Kindern. Ich kenne die Kinder seitzwei Jahren, habe sie alle zu Hause besucht und mitihnen intensiv die Umgebung der Schule erkundet.

Der Fragebogen hilft uns, den Überblick zu behalten. Esgibt nämlich Kinder, die viel Aufmerksamkeit fordern,und andere, die sie brauchen, aber nicht kriegen, weil siesich angepasst und freundlich verhalten. Nun werdender Erzieher und ich ein Mädchen stärker unterstützen,das erst seit kurzem in Deutschland ist. Auch wenn essie nicht fordert, es braucht mehr Hilfe, um hier anzu-kommen und die Sprache zu lernen.

Wenn ich erlebe, wie viel Zeit die Erzieher haben, um mitden Kindern zu reden und sich auseinanderzusetzen, binich neidisch. Allerdings profitiere ich auch davon. Wiewar es noch vor einem Jahr? Rief ich bei einem Kind zuHause an, weil es Probleme gab, hatte ich es oft selbstam Telefon, und im Hintergrund lief der Fernseher. Jetzthabe ich nicht nur einen kompetenten Gesprächspartner,mit dem ich mich austauschen kann. Der Erzieher sprichtauch mit den Kindern und ihren Eltern, vermittelt imKonfliktfall.

Übrigens merke ich im Unterricht deutlich, welche Kinderim offenen Ganztag sind. Sie halten zusammen, stehenfüreinander ein und sagen: »Du weißt doch, dass du beiihm lauter sprechen musst…« oder »Der mag nicht, wenndu ihn in die Seite kneifst.«

Früher dachte ich immer: Arme Kinder, die in den Hortmüssen, weil ihre Eltern arbeiten. Heute denke ich:Schade für all jene, die nicht in diesem pädagogischenRahmen von engagierten Leuten am Nachmittag betreutwerden.

Ulla Wieja, 50 Jahre, Sozialarbeiterin und Familien-therapeutin in der Schulstation:

In den vier Jahren, die ich an der Schule arbeite, erlebeich eine große Bereitschaft der Lehrerinnen, im Team zuschauen, warum ein Kind stört oder jemanden beschimpftund was es braucht, um lernen zu können. Diese offeneHaltung unterstützt die Kooperation.

Als wir hier anfingen, gab es schon Standesdünkel. Aller-dings war schnell klar, dass sich das soziale Klima und

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Kooperation zwischen Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und ErziehernErfahrungen der Pädagogen und Pädagoginnen der Grundschule am Schäfersee und des Schulhorts Stargardtstraße

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das Lernklima an der Schule nicht entwickeln werden,wenn jede Gruppe nur in den Grenzen ihrer Professiondenkt. Aufgeweicht wurden diese Grenzen immer dann,wenn wir einander für das anerkannten, was jeder leistet.

Seit 2002 gibt es regelmäßig Kooperationstreffen zwi-schen Lehrerinnen, Jugendamt, Elternvertretern, Schul-leitung und uns. Nach und nach hat sich eine Vertrauens-basis entwickelt. Auf dieser Grundlage gelingt es uns, dasSchulleben zu gestalten und Problemen nicht nur hinter-her zu rennen. Ein Bereich, in dem wir dazulernen müs-sen – Lehrerinnen wie Sozialarbeiterinnen –, ist die inter-kulturelle Elternarbeit. Es braucht Wissen, um Müttern

und Vätern angemessen begegnen zu können, die inihrer Herkunftskultur andere Werte vertreten.

Für uns Mitarbeiterinnen der Schulstation sind jedes Jahr14 Tage Fortbildung als reguläre Arbeitszeit eingeplant.Bei den Lehrerinnen beruht vieles nur auf Engagement– sowohl die Zeit, die sie für Kooperation aufwenden,als auch das, was sie lernen, um in Konfliktsituationendeeskalierend auftreten zu können. Ich finde, das darfnicht so bleiben. Auch sie brauchen Kooperations- undFortbildungszeit, um den aktuellen Herausforderungendes Schulalltags gewachsen zu sein.

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Sonnabendmorgen im Speiseraum der Grundschule imGrünen. Vier Dutzend klebrige Erwachsenenhände kne-ten eine zähe Masse in zwei Dutzend bunten Schüsseln.Dazwischen quirlen Kinder, die Mehl mahlen oder vomTeig naschen wollen. Über den Tisch fliegen Gesprächs-fetzen: »Ich möchte, dass mein Kind hier eingeschultwird.« »Was erzählt Ihr Kind denn von der Schule?«»Ach, Sie sind hier Erzieherin?«

Es ist Brotbacktag an der Schule in Berlin-Hohenschön-hausen – eine Gelegenheit für die Eltern, etwas mit ihrenKindern gemeinsam zu unternehmen, und für die künf-tigen Schulanfänger eine Chance, die Schule von innenzu sehen.

Eingeladen hat der Verein »Malchower Grashüpfer e.V.«,der Förderverein der Schule. 1991 wurde er von einigenEnthusiasten gegründet. Sie wollten, dass die Kinder denverantwortungsvollen Umgang mit der Natur an derSchule kennen lernen, ganz praktisch.

Freiwillige Helfer für die »Knirpsenfarm«

Heute unterhält der Schulverein die »Knirpsenfarm« mit160 großen und kleinen Tieren, beschäftigt zwei Tierpfle-ger und hat einen »Knipsengarten« gepachtet. Außer-dem organisiert er vor allem sportliche Arbeitsgemein-schaften und Aktionen wie den Brotbacktag. Darüberhinaus unterstützt er die weitere Ausgestaltung deroffenen Ganztagsschule.

»Im vergangenen Jahr haben wir insgesamt 100.000 Euroausgegeben – für die Farm und für Aktivitäten der Schu-le«, berichtet Kerstin Zimmer, die dem Verein als stellver-tretende Vorsitzende vorsteht. Der Bezirk Hohenschön-hausen fördert den Freien Träger mit derzeit 150.000Euro jährlich. Um Sponsoren wird geworben, doch vorallem um interessierte Eltern. 405 Mitglieder zählt derFörderverein der Schule. 24 Euro beträgt der Mitglieds-beitrag.

Leider sind längst nicht alle Eltern bereit, diesen Beitragzu leisten, um das breite Angebot der Schule zu erhal-ten. »Manche Eltern denken, dass muss hier alles so sein,und kommen nicht auf die Idee, dafür etwas zu tun«,sagt die Erzieherin Kathrin Kormannshaus. Sie hatte des-halb auf der Sitzung des Fördervereins vorgeschlagen,einen Vertrag mit den Eltern zu schließen, der sie ver-pflichtet, in jedem der sechs Schuljahre vier oder fünf

Stunden lang für die Schule tätig zu sein. Aber: »Das hatsich der Vorstand nur mit Räuspern angehört.«

Also baut der Verein auf Freiwilligkeit. In einer Karteiwird erfasst, wer der Schule welche Leistungen anbie-ten könnte, zum Beispiel Fliesen legen oder eine Bastel-gruppe leiten. Nach jedem Einsatz und für jede Spendegibt es ein Dankeschön auf der Webseite und in den»Grashüpfer-Infos«, dem Rundbrief des Vereins.

Dieses Feedback motiviert Heike Platen. »Wir müssenstärker signalisieren, dass wir offen für neue Ideen sind«,sagt die 42jährige Mutter. »Nur dadurch kann die Leben-digkeit der Schule erhalten und weiterentwickelt werden.«

Für das, woran sie beteiligt sind, setzen Kinder und Elternsich ein. Das ist die Erfahrung von Kerstin Beyer, Lehre-rin in der grünen Gruppe der Grundschule. So, wie siedas Lernen der Jüngsten heute begeleitet, ist sie nichtnur darauf angewiesen, dass die Eltern ihre Arbeit ver-stehen. Sie braucht auch deren Unterstützung. Geradefehlen »Lesemütter« in der Anfängerklasse. Für die Le-senacht im Sommer, den Wandertag oder andere lang-fristig geplante Projekte aber melden sich immer Eltern,denn sie sind neugierig, ihre Kinder in der Klasse zuerleben. »Voraussetzung ist natürlich, dass ich mit denEltern im Gespräch bin«, betont die Lehrerin.

Aushandlungsrunden, Wünsche und Vorschläge

Ortswechsel: die Fichtelgebirge-Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Hier kann die Elternschaft keine 100.000Euro im Jahr für einen Förderverein aufbringen. Dennochsetzen sich Mütter und Väter in diesem Brennpunktkiezfür die Schule ihrer Kinder ein.

Am späten Nachmittag sitzen einige Mütter und Väter,Pädagoginnen und Pädagogen, etliche Schülerinnenund Schüler, dazu die Sozialarbeiterin der Schulstationsowie die Vertreterin des Quartiermanagements in derMensa der Schule zusammen. Seit 2003 treffen sie sichregelmäßig in diesen Aushandlungsrunden. In einemmoderierten Prozess überlegen sie, wie sich die Schuleentwickeln soll. Ihr Thema diesmal: Konflikte auf demSchulhof.

Immer wieder kommt es zu Streit und Rangeleien zwi-schen Schülergruppen. Seit der letzten Aushandlungs-runde sammelte man Ideen, was zu tun sei. Die Kinder

Nicht ohne die Eltern! Oder: Wie ein spendabler Verein und eine kreative Aushandlungsgruppe die Schule bereichern

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schlugen vor, getrennte Hofpausen für die Großen unddie Kleinen zu organisieren und meinten, dass die Gro-ßen auf die Kleinen aufpassen sollen. Sie wünschten sichmehr Spielgeräte auf ihrem Abenteuerschulhof undeinen in den Pausen zugänglichen Computerraum fürdie fünften und sechsten Klassen.

Gemeinsam prüft die Runde nun: Welche Vorschlägelassen sich sofort realisieren? Was muss zwischen undin den Gruppen ausgehandelt werden? Was sind dienächsten Schritte?

Darüber, ob die Idee der getrennten Hofpausen zumWunsch des Kollegiums passt, den Tag in der offenenGanztagsschule neue zu rhythmisieren, entspann sichein Dialog zwischen den Lehrerinnen und Lehrern. Inihren Konferenzen wollen sie diese Frage beantworten,um den Stundenplan für das nächste Schuljahr entspre-chend zu strukturieren.

Die Eltern schlugen vor, dass sie in den Hofpausen prä-sent sein könnten, um bei der Spielzeugausgabe zu hel-fen und den Kindern eigene Spielangebote zu unterbrei-ten. »Zuvor müssen wir aber mit den Lehrern klären, wasals Regelverstoß gilt und wie wir im Konfliktfall ange-messen reagieren können«, sagt Nagihan Algül, derenKind die erste Klasse besucht.

Das Elterncafé und der Verein »Eltern unterstützenEltern«

Im Jahr 2003 beschloss das Kollegium, sich am BLK-Pro-gramm »Demokratie lernen und leben« zu beteiligen.Es wollte sich darauf einlassen, das Schulprogramm mitallen beteiligten Gruppen zu erarbeiten. Der Vorteil fürdie Schule: Es gibt nun ein durch das BLK-Programmbezahltes Moderatorenteam, das die für die Schulent-wicklung notwendige Außensicht einbringt.

Der erste Schritt der Aushandlungsgruppen war eine Be-standsaufnahme. Was schätzen Kinder, Eltern und Päd-agogen an ihrer Schule? Alle notierten: der Schulhof. Erwurde nach den Vorstellungen der Kinder angelegt, undbesonders toll war – so die einheitliche Meinung allerGruppen –, dass er durch ihr Zusammenwirken entstand.

Der nächste Schritt im Aushandlungsprozess war dieFrage: Was wünschen wir uns an und von der Schule?Damals äußerten die türkischen Eltern ihr Bedürfnis nacheinem Ort, an dem sie sich treffen und austauschenkönnen. Niemand in der Runde – so das Prinzip desProzesses – hatte dagegen einen Einwand.

Also wurde das türkische Elterncafé ins Leben gerufen,als erstes Ergebnis der demokratischen Schulentwicklung.20 bis 40 Eltern treffen sich hier aller vierzehn Tage, be-gleitet vom türkisch-deutschen Sozialarbeiter-Team derSchulstation. »Ein Vater sagte mir, er fühle sich erst durchdiesen Austausch wirklich sensibilisiert für sein Kind undhabe verstanden, was er mit seinem unbeherrschtenVerhalten anrichten kann«, berichtet Müslüm Bostanci,der das Gespräch anfangs moderierte.

Aus dem Elterncafé heraus entstand der Verein »Elternunterstützen Eltern«. Die im Verein engagierten türki-schen Mütter springen heute als Vermittlerinnen ein,wenn es zwischen Eltern und Lehrern Sprachproblemeoder Konflikte gibt. »Das hilft mir sehr«, betont EnnoEbbert, der in einer Seiteneinsteigerklasse neu in Deutsch-land angekommene Schüler unterrichtet. »Die Mütterübersetzen den Eltern, was die Lehrer sagen, und ichkann sicher sein, dass bei den Familien ankommt, wasmir wichtig ist. Erst auf dieser Basis können wir schau-en, was die Kinder brauchen – von mir als Lehrer odervon den Eltern.«

Geduld für Veränderungen

»Kinder lernen besser, wenn sie wissen, dass die Elternhinter ihnen stehen«, ist sich Merih Ergün, Erzieher in derSchulstation, sicher. Deshalb ist er froh, dass die ver-schiedenen Elterngruppen an der Schulentwicklung mit-wirken.

Die wenigen deutschen Eltern drängten zu Beginn derAushandlungsrunden vor allem darauf, dass es nicht voneinigen engagierten Lehrern abhängen darf, ob an derSchule neue Lernformen eingeführt werden. Auch ihnenist es zu verdanken, dass die Fichtelgebirge-Grundschuleals erste Schule in Berlin-Kreuzberg eine Lernwerkstatteinrichtete.

»Ohne Eltern wäre der gesamte Schulentwicklungspro-zess nicht besser gelaufen«, blickt Enno Ebbert zurück.Er gesteht ein, dass er in den langwierigen Aushandlungs-runden manchmal ungeduldig wurde. Die Begegnungendehnten sich aus, nicht nur, weil häufig übersetzt wer-den musste. Vor allem kamen immer wieder neue Elterndazu, denen der Prozess erklärt und deren Erwartungenberücksichtigt werden mussten. Doch es lohnte sich. »Wirlernten, einander zuzuhören und nicht nur die aus derSicht der Lehrer drängenden Probleme anzupacken.Heute«, so Enno Ebbert, »sind die Wege zwischen Elternund Lehrern kürzer geworden.«

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Grundschule im GrünenMalchower Chaussee 213051 Berlin sowieFontanegebäude (Nebengebäude)Doberaner Str. 5813051 BerlinInternet: http://www.grundschule-im-gruenen.de

In der am Rande des Dorfes Malchow gelegenenGrundschule im Grünen werden 460 Schülerinnen undSchüler aus den umliegenden Dörfern, aus Buch sowieaus der Hochhaussiedlung Hohenschönhausen unter-richtet. Zu der Schule gehört auch das wenige MinutenFußweg entfernte Fontanegebäude in Hohenschön-hausen, in dem vorwiegend die vierten bis sechstenKlassen lernen und auch die Lernwerkstatt beheimatetist. Für die ergänzenden Angebote der Schule sind bei-nahe drei Viertel der Mädchen und Jungen angemel-det. Der Verein »Malchower Grashüpfer« unterhält dieKnirpsenfarm und den Knirpsengarten, die die Schuleauszeichnen. Dieser Förderverein der Schule hat über450 Mitglieder, vorwiegend Eltern und ehemalige Eltern.

Fichtelgebirge-GrundschuleGörlitzer Ufer 210997 Berlin Internet: http://www.fichtelgebirge-gs.cidsnet.de

An der Fichtelgebirge-Grundschule im KreuzbergerWrangelkiez lernen 320 Kinder, in der Mehrheit nicht-deutscher Herkunft. Der offene Ganztag wird inZusammenarbeit mit Erzieherinnen und Erziehern desPestalozzi-Fröbel-Hauses gestaltet. Für die ergänzen-den Angebote sind etwa ein Viertel der Mädchen undJungen angemeldet. Die Fichtelgebirge-Grundschuleverfügt seit mehreren Jahren über eine vom Jugendamtregelfinanzierte Schulstation, die vom FiPP e.V., denFortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis, betrie-ben wird. Die Eltern der Kinder haben sich im »Förder-verein« zusammengeschlossen und treffen sich im tür-kischen und inzwischen auch im deutsch-türkischenElternforum. Daraus ging die Beratungsinitiative »Elternunterstützen Eltern« hervor.

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Merih Ergün möchte, dass die Aushandlungsgruppenauch dann noch bestehen, wenn das Schulprogramm ge-schrieben und das BLK-Programm beendet ist. Sie könn-ten sich als »Bildungsforum« etablieren, in dem alle Elternmitarbeiten – egal, welche Muttersprache sie sprechen.Der Erzieher will erreichen, dass an der Fichtelgebirge-Grundschule 20 bis 30 Prozent der Kinder nichtdeutscherHerkunft eine Gymnasialempfehlung bekommen, denn:Schon immer erhofften die türkischen Eltern den Bildungs-

aufstieg ihrer Kinder, konnten sie aber nicht ausreichendunterstützen. Das beginnt sich nun zu ändern.

Und noch etwas muss sich nach Merih Ergüns Meinungändern: »In den Lehrplänen sollte die Kultur, die Geschich-te und die Sprache der Herkunftsländer der Kinder einegrößere Rolle spielen, damit die Kinder merken, dass sieanerkannt und etwas wert sind.«

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Ein Gespräch mit der Schulleiterin Inge Hirschmannüber die Entwicklung der Heinrich-Zille-Grundschule,die seit dem Schuljahr 2005/06 eine offene Ganztag-schule ist:

Die Heinrich-Zille-Grundschule beschäftigt sich bereitsseit dem Jahre 2000 systematisch mit Schulentwicklung.Mit dem Schuljahr 2005/06 ist auch sie eine offeneGanztagschule. Wie beeinflusst das die Schulentwick-lung?

Als wir mit der Schulentwicklung begannen, wollten wirzwei eingefahrene Gleise verlassen. Das eine Gleis: Ichund meine Klasse. Das zweite Gleis: Ich und mein Fach. 15 gut geführte Klassen ergeben noch keine gute Schule.Das gilt umso mehr, wenn wir bis 16.00 oder 18.00 Uhreine attraktive Ganztagsschule sein wollen. Für mich alsSchulleiterin stellten sich dabei stets die Fragen: Wieviel steuere ich, und wie viel lasse ich sich entwickeln?Wie gebe ich neuen Ideen Raum, und wie verhindereich die Überforderung der Kolleginnen und Kollegen?

Damals richteten wir über die im Schulverfassungsgesetzvorgesehenen Fachkonferenzen hinaus Facharbeitsgrup-pen für jene Bereiche ein, in denen wir weiterkommenwollten. Zurzeit befasst sich eine der Facharbeitsgrup-pen mit dem Thema »Ganze Tage an der Schule«. Aufandere Fachkonferenzen verzichten wir dafür.

Womit beschäftigt sich die Fachgruppe »Ganze Tage ander Schule«?

Es geht um alle Belange, die sich aus der Verlagerung derHorte an unsere Schule ergeben: die Schulhofumgestal-tung, Fragen der Kooperation zwischen Lehrerinnen undErzieherinnen, aber natürlich auch die Ansprüche vonKindern und Eltern an eine offene Ganztagsschule. Wieviel Rhythmisierung ist möglich? Wie viel Offenheit undGebundenheit brauchen Grundschulkinder im Unterrichtund erst recht in der Freizeit?

Zu Beginn des Schuljahrs 2005/06 kamen 14 Erzieherin-nen neu an unsere Schule. Wir mussten klären, wie dieKommunikation und Zusammenarbeit zwischen Lehre-rinnen und Erzieherinnen ablaufen kann. Unstimmigkei-ten gab es sehr schnell bei den Hausaufgaben, bei denoffenen und gebundenen Angeboten am Nachmittag. Natürlich muss sich das gesamte Kollegium über die Ko-

operation zwischen den beiden Berufsgruppen auszu-tauschen. Die Arbeitsgruppe »Ganze Tage in der Schule«kann keine einsamen Entscheidungen treffen.

Muss es an einer Ganztagsschule Hausaufgaben geben?

Darüber sind wir im Gespräch. Es gab den Vorschlag, anzwei Tagen keine Hausaufgaben aufzugeben. Aber wasist, wenn ein Lehrer nur an einem Tag unterrichtet? Wieerreichen wir, dass die Kinder sich weiter mit den Unter-richtsthemen beschäftigen und üben?

Die in der Arbeitsgruppe beteiligten Eltern plädieren klarfür Hausaufgaben. Sie sollen schon am Nachmittag er-ledigt werden, damit man zu Hause davon entlastet ist.

Viele Kolleginnen unterrichten nach dem Wochenplanund rechnen die Aufgaben für zu Hause in diesen Planmit ein. Doch was ist mit den Kindern, denen die Zeit bis13.30 oder bis 14.00 Uhr nicht genügt? Wie organisie-ren wir, dass Kinder unterschiedlicher Klassenstufen undmit unterschiedlichen Themen bei ihren Hausaufgabengut betreut sind, wenn wir nur wenig Personal haben?Wie können wir uns mit der Hausaufgabenhilfe im Stadt-teil vernetzen?

Wir merken deutlich: Hausaufgaben können an eineroffenen Ganztagschule nicht mehr wie an einer Halbtags-schule behandelt werden. Derzeit stecken wir in der zwei-ten Runde der Schulprogrammentwicklung und werdendas Thema »Hausaufgaben« als einen Entwicklungs-schwerpunkt bearbeiten. Es ist inzwischen nicht mehrnur eine Frage der Kooperation zwischen Erzieherinnenund Lehrerinnen, sondern in den curricularen Zusam-menhang »Selbstständig arbeiten und Verantwortungfür das Lernen übernehmen« eingebettet.

Wann beraten Lehrerinnen und Erzieherinnen miteinander?

Die Kooperation findet in den Stunden statt, in denenErzieherinnen parallel im Unterricht eingesetzt sind. Inder Schulanfangsphase gehört eine Erzieherin zum Klas-senteam. Regelmäßige Teamsitzungen sind aber kaummöglich.

Auf unserem Studientag vereinbarten wir, dass die Erzie-herinnen zu ihren wöchentlichen Dienstbesprechungeneinen Lehrer oder eine Lehrerin einladen – je nach Thema.

Klare Steuerung und Raum für kreative Ideen

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Geht es um das Thema »Integration«, kommt jemandaus der entsprechenden Fachgruppe dazu. So kann vor-handenes Wissen besser ausgetauscht werden, Problemewerden frühzeitig erkannt, und man kann nach gemein-samen Lösungen suchen. Ein Beispiel: Die leitende Erzieherin möchte die Eltern-gespräche stärker vereinheitlichen. Sie ist von guten Ent-wicklungsgesprächen überzeugt. Zu Recht fragen dieLehrerinnen: »Wie kann man in einer offenen Ganztags-schule Entwicklungsgespräche mit Eltern führen, wennman den Unterricht ausklammert?« Schon gibt es einneues gemeinsames Betätigungsfeld für Lehrerinnenund Erzieherinnen: Wie wollen wir künftig Beratungs-gespräche mit Eltern führen?

Als Mangel empfinden die Kolleginnen die fehlendeverbindliche Kooperationszeit zwischen den Mitarbeite-rinnen. Deshalb haben wir uns entschlossen, am Mitt-woch in der ersten Stunde eine Dienstbesprechung festin den Unterrichtsplan einzubauen. Je nach Thema wer-den Lehrerinnen oder Lehrerinnen und Erzieherinnenmiteinander reden können. Wir brauchen diese Gesprä-che, damit Anregungen aufgegriffen und mehr werdenkönnen als die Ideen einzelner Kolleginnen. Wir brau-chen aber auch die Situation, in der wir merken, hierhat ein Kollege etwas nicht mitgekriegt, damit wir wis-sen, wem wir bereits im Boot haben und mit wem wirnoch reden müssen.

Sie erwähnten, dass auch Eltern in der Fachgruppe»Ganze Tage in der Schule« mitwirken. Was ist derenPart?

Wenn wir zur offenen Ganztagsschule werden, fürchtenwir, dass bestimmte Eltern ihre Kinder abmelden. Ande-re Eltern sagen: »Wir akzeptieren die heterogen zusam-mengesetzte Schülerschaft am Vormittag. Doch bislangkonnten wir uns den Schülerladen für den Nachmittagaussuchen. Wenn wir nun darauf verzichten sollen, dannzeigt uns erst mal euer Konzept.«

Wir müssen den Eltern also beweisen, dass die offeneGanztagsschule auch für ihre Kinder gut ist. Es sind dieengagierten Eltern, und wir können ihre Mitarbeit in denGremien nicht hoch genug einschätzen. Wenn sie imStadtteil bleiben, gelingt es uns besser, Kinder mit Migra-tionshintergrund zu integrieren. Inzwischen lassen unsdie Eltern mehr Zeit, weil sie wissen, dass wir an demThema arbeiten.

Man darf nicht vergessen: Wir haben an unserer Schuleeinen großen Anteil von Kindern aus bildungsfernen,

sozial belasteten Migrantenfamilien. Lern- und Verhal-tensauffälligkeiten vieler Kinder – besonders der Jungen– bewogen uns, die Elternarbeit zu intensivieren.

Wie reagieren Sie auf Verhaltensschwierigkeiten derJungen?

Ein Vorfall im letzten Jahr machte uns deutlich, dass wiruns stärker mit dem unterschiedlichen Verhalten vonJungen und Mädchen auseinandersetzen müssen: DreiJungen hatten zwei Mädchen bedrängt.

Bei Konflikten mit den Jungen geht es oft um das Thema»Grenzen setzen und akzeptieren«. Viele Jungen werdeneher von anderen Jugendlichen im Kiez »erzogen« alsvon ihren Eltern. Deshalb organisieren wir themenorien-tierte Elternabende und Elterncafés mit Unterstützungvon Partnern aus dem Umfeld, zum Beispiel dem Arbeits-kreis Neue Erziehung (ANE) oder der Regionalen Arbeits-stelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA).Meine Vision von Schule ist: Sie muss auch ein Ort derBeratung und Unterstützung für Eltern sein – gerade aneinem sozialen Brennpunkt.

Darüber hinaus müssen wir uns mit Verhaltensschwierig-keiten und Problemen der Pubertät auseinandersetzen,bevor sie eskalieren. Das wird sich in unserem schulin-ternen Curriculum für die fünften und sechsten Klassenwiederfinden: mit den Jungen und Mädchen intensiverund sensibler präventiv zu arbeiten.

Gleichzeitig nahmen wir Kontakte zu Experten aus demGesundheitsdienst und zu Freien Trägern auf. Mit denLehrerinnen gestalten sie Präventionsprojekte als Teil desUnterrichts. Künftig sollten auch die Erzieherinnen ein-bezogen werden.

Welche weiteren Ideen haben Sie für den attraktivenoffenen Nachmittag?

Da hakt es leider. Ich bin auf Angebote angewiesen, diefür die Kinder kostenlos sind, denn die Eltern müssenohnehin schon – nach Einkommen gestaffelt – für dieoffenen Angebote bezahlen. Darüber hinaus noch Gel-der einzusammeln, um interessante Angebote auf Ho-norarbasis zu bieten, das geht in unserem Umfeld nicht.

Solange wir noch Stunden im Rahmen des staatlichenWerteausgleichs bekommen, bieten wir neben dem of-fenem Bereich diverse Arbeitsgemeinschaften an: Thea-ter, Musik, Sport, Schülerzeitung. Bedauerlicherweise

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werden diese Stunden jedoch von Jahr zu Jahr weniger.Außerdem fehlt es uns an Räumen, die wir Veranstal-tern von außen anbieten können.

Wie ich weiß, ist das an vielen offenen GanztagsschulenBerlins ein Problem. Deshalb setze ich mich im Grund-schulverband für die sorgfältige Bestandsaufnahme ein.Die Schulverwaltung muss klären: Was geht unter denderzeitigen Bedingungen? Wo brauchen Schulen gezieltUnterstützung und Hilfe, weil sie ihre Probleme nicht auseigener Kraft lösen können?

Welche Rolle spielen Kooperationspartner im Kiez, umneue Lernwelten für die offene Ganztagsschule zuerschließen?

Schulen in sozial belasteten Wohnvierteln brauchen viel-fältige Unterstützung von außen. Seit einiger Zeit arbei-ten wir mit KoKo zusammen, dem Kommunikations- undKompetenzzentrum Mariannenplatz, einem Projekt derSenatsverwaltung für Stadtentwicklung. Gemeinsamwollen wir die Lebenssituation der Kinder und Jugendli-chen im Umfeld verbessern, und die Schulen gehörenunbedingt dazu.

Eine Kollegin vertritt uns in der Sozialraum-AG und beiKoKo. Tagt die Arbeitsgruppe am Vormittag, müssenandere Kolleginnen ihren Unterricht übernehmen. Damitstellt sich die Frage: Wie definieren wir Arbeitszeit?

Wenn wir den ganzen Tag an der Schule gestalten, brau-chen wir einen Pool an Stunden, um Aufgaben, die überden Unterricht hinausgehen, bewältigen zu können. Erstdann finden Lehrerinnen und Erzieherinnen Zeit, Projektezu entwickeln, und können Beziehungen zu Kooperations-partnern im Sozialraum aufnehmen und ausgestalten.

Wie schaffen Sie es als Schulleiterin, die verschiedenenEntwicklungsfäden in der Hand zu behalten?

Wir versuchen, unsere zehn bis zwölf Fachkonferenzenund Arbeitsgruppen von der Zusammensetzung undden Aufgabenstellungen her immer im Zweijahrsrhyth-mus zu denken.

Am Anfang das Jahres lasse ich mir aus den Konferen-zen Rückmeldungen geben: Welche Themen wurdenerschöpfend bearbeitet? Welche Fragen brennen unterden Nägeln? Woran muss weitergearbeitet werden?Dabei ziehe ich Bilanz und merke, was auf der Streckezu bleiben droht.

Außerdem kriege ich die Protokolle der Fachkonferenzenund Arbeitsgruppen, die alle fünf bis sechs Wochen ta-gen, und lese sie sorgfältig. Die Arbeitsgruppen werdenjeweils von einem Tandem geleitet, so dass die Kollegin-nen einander vertreten können. Außerdem arbeitet einevon ihnen in der AG Leiterinnengruppe mit. Darüberhinaus gibt es eine Steuergruppe, die die Fortschreibungdes Schulprogramms befördern soll.

Wenn ich die Termine plane, merke ich mitunter, dassmir ein Thema wegrutscht. Dann bitte ich die Leiterin-nen der Fachgruppe: »Berichtet uns mal, wie ihr die Ideeoder das Konzept weiterentwickelt habt. Was davon istfür die Entwicklung des Schulprogramms wichtig?«

Sie waren gerade in Finnland und schauten sich dortSchulen an. Gab es etwas, das Sie übernehmen wollen?

In Finnland sah ich Arbeitsplätze für Lehrerinnen undSozialarbeiterinnen, die mich beeindruckten. Der Pausen-raum war nicht mit Büchern und Materialien vollgestopft,sondern es gab eine gemütliche Sitzecke mit bequemenSofas und schönen Bildern an der Wand. Dort konnteman sich wohl fühlen und wirklich mal abschalten.

An unserer Schule haben wir ein akutes Raumproblem.Dennoch möchte ich das Lehrerzimmer mit einigen Kol-leginnen und Kollegen möglichst bald umgestalten. Da-bei geht es mir vor allem um die Anerkennung der Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter. Die meisten von ihnensind inzwischen »ganze Tage« in der Schule, die Erzie-herinnen sowieso. Deshalb brauchen sie vernünftigeArbeitsplätze, aber auch einen Raum, der vorzugsweisedazu dient, mal innezuhalten und Kraft zu schöpfen.

Heinrich-Zille-Grundschule Waldemarstr. 11810997 Berlinhttp://www.heinrich-zille-grundschule.de

An der Kreuzberger Schule lernen ca. 395 Schülerinnenund Schüler, die Hälfte deutscher Herkunft, die ande-re Hälfte mit Migrationshintergrund. Fast alle Klassenbesuchen Kinder mit Behinderungen. Im offenen Ganz-tag sind mehr als die Hälfte der Mädchen und Jungenangemeldet. Über den Unterricht hinaus bietet dieSchule viele Arbeitsgemeinschaften an, u. a. mehrereTheatergruppen.

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Page 120: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

Dieses Buch ist ein Sesam-öffne-dich in die Kunst,

Sprache zu bilden, mit Kindern eigene Geschichten zu

erfinden. Es eröffnet Erzieherinnen, Lehrerinnen und

Familien wunderbare spielerische Zugänge in die frühe

ganzheitliche sprachliche Bildung von Kindern, nah

bei ihren Themen und nah bei den Dingen, die sie

berühren und bewegen. Dabei verbindet die Autorin

die Freude junger Kinder am Entdecken und Erfinden

der Welt und ihrer eigenen Geschichten mit einer

»Grammatik der Phantasie«: Sie stellt in Text und Bild

Vorformen und Strukturen des Geschichtenerfindens

mit Kindern vor … zum Beispiel an einer Wäscheleine

entlang … auf einer Drehscheibe … an einem roten

Faden mit seinen Knotenpunkten zum Weiterfabulie-

ren in verschiedene Richtungen … u.v.a.m. Auf diese

Weise ist ein Buch entstanden, das Ihnen methodisch

begründet ein reiches und vielgestaltiges Repertoire

an Formen und Wegen des Erzählens zeigt, an die Sie

in Ihrer Arbeit mit Kindern unterschiedlichen Alters

unmittelbar anknüpfen können.

Marlies Koenen

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Page 121: Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule

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der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zwischen null und zwölf Jahren vor. Dabei

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