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Lite raturbe~ichto. die sich auf die Lebensschieksale des Mannes und auf sein mathematisches Werk beschriinkte, wiirde ein ganz unvollkommenes und unzureichendes Bild seiner PersSnlichkeit ergeben. Diese wird infolge der zentralen Stel]ung der Mathematik im Geistesleben jener Zeit erst dann in ihrer vollen GrSfe sichtbar, wenn sie in dem Zusammenhang der gesammten Geistigkeit der Epoche gezeigt wird. Eulers iiberragender Begabung und Leistung war eine weitausgreifende Wirkung h6- schieden, daher ergibt sich ftir den Biographen eine gewisse innere NStigung zu der gekennzeichneten allgemeineren Fassung seiner Aufgabe. Spiess hat sie i~ meisterlicher Weise gelSst. Er macht den Geist des Jahrhunderts lebendig:und wir sehen die grofen Forscher und Denker jener Zeit, die Bernoullis~ Voltaire; Maupertuis, d'Alembert, Lambert, Albrecht v. Haller and andere bei ihrer Gedankenarbeit, ihrem Handeln, ihren Kiimpfen and Leiden, als w~ren wir mit dem besonderen Vorzug fibersehauenden Verst~tndnisses ausgestattete Zeitgenossen. Neben den grof~en M~nnern jener Zeit erscheinen auch die gekrSnten FSrderer der Wissenschaften, Katharina und Friedrich der Groi3e auf dem Schauplatz. Der letztere, bier in seinem sonst wenig bertihrten und bekannten Verh~ltnis zu~ Mathematik. Das sch(ine Bach wird dem ftir die Geschichte seiner Wissenschaft interes~ sierten.Mathematiker ebenso Freude maehen wie dem der Wissenschaftsgeschieh~e im allgemeinen zugewendeten Leser. Lampa. Bernard Bolzanos Sehriften. Herausgegeben yon der kSniglichen BShmi- schen Gesellsehaft der Wissenschaften in Prag. Band 1, Funktionenlehre. Prag 1930. Die Bedeutung Bolzanos als Philosoph und Mathematiker wurde lunge Zeit hindurch nicht gebtihrend gewfirdigt. Es ist nicht das kleinste u yon O. Stolz, daf er wohl als erster mit Nachdruck auf die auferordentliche Bedeuiung der damals zug~ngliehen mathematischen Schriften Bolzanos hinwies,. and nicht geringer ist das Verdienst yon A. HSfler, daft er, als Vorsitzender der Wiener philosophischen Gesellsehaft, einen Neudruck der ,Paradoxien des Unendlichen" and der ,Wissenschaftslehre" in die Wege leitete, die in dem uns so schmerzlich frtih entrissenen E. Study einen begeisterten Bewunderer fund. Es war in eingeweihten Wiener Kreisen kein Geheimnis, daf sich in dem in der Wiener Nationalbibliothek verwahrten handsehriftlichen Nachlasse Bo]zanos noeh manche ungehobene Schiitze bef~nden; die allgemeine Aufmerksamkeit aber wurde auf diesen Nachlal~ gelenkti als M. Ja~ek darin ein Beispiel einer stetigen, nirgends differenzierbaren Funktion entdeckt% das erheblich einfacher ist, als das betreffende Beispiel yon Weierstrass und viel spi~tere Ans&tze auf diesem Gebiete vorwegnimmt. Diese bedeutungsvolle Entdeckung gab den Anstofi zum Plane einer Gesamtherausgabe yon Bolzanos Naehlaf, und dank dem wobl- wollenden Interesse, das der President der tschechoslowakischen Republik T. G. Masaryk diesem Plane entgegenbrachte, ist er nun zur Wirklichkeit geworden: der erste Band yon Bolzanos Schriften, enthaltend seine ,,Funktionenlehre! ~, liegt nun vor. Diese Funktionenlehre war yon Bo]zano als fiinftes Hauptstiick einer ,GrSfenlehre" gedacht; man entschloB sich aber, die Ausgabe mit der Funktionen- lehre zu beginnen, da fiir diese das meiste Interesse zu erwarten war. Sie ent- hiilt das, was man heute als Elemente der Differential- und Integralreehnung bezeichnen wtirde, und es ist ein hoher Genuf, festzustellen, wie sehr Bolzano seinen Zeitgenossen an kritischer Denkweise voraus war, wieviel yon ihm schon vorweggenommen ist, was erst sparer in die Mathematlk allgemein Eingang fund; andrerseits ist festzustellenl daft auch bei Bolzano noch vieles unklar, ja sogar fehlerhaft ist---im wesentlichen sind dies nile Fragen, in die ein doppelterl Grenziibergang hineinspielt; all das ist sorgfaltig angeftihrt in den wertvoilen Anmerkungen, die der tterausgeber R. Rychlik dem Texte beigegeben hat. Trotz grSfter Sorgfalt seheinen sich doch belm. Lesen der Handschrift einige Fehler eingeschlichen zu baben; so mufes wohl S. 241 Z. 2 ,nut" statt ,nicht" heifen~ S. 45, letzte Zeile and S. 46, Z. 12 ,gilt" statt ,gibt" und S. 811 Z. 5 yon unten sind die Worte ,,tiberhaupt zu enden" offenbar verderbt. Ganz beson- deter Dank geblihrt noch Herrn K. Petr ftir die warmherzige, auf der Warte hoher Mensehlichkeit stehende Wtirdigung der PersSnlichkeit Bolzanos, die den Band einleitet. Hans Hahn.

Bernard Bolzanos Schriften

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Lite raturbe~ichto.

die sich auf die Lebensschieksale des Mannes und auf sein mathematisches Werk beschriinkte, wiirde ein ganz unvollkommenes und unzureichendes Bild seiner PersSnlichkeit ergeben. Diese wird infolge der zentralen Stel]ung der Mathematik im Geistesleben jener Zeit erst dann in ihrer vollen GrSfe sichtbar, wenn sie in dem Zusammenhang der gesammten Geistigkeit der Epoche gezeigt wird. E u l e r s iiberragender Begabung und Leistung war eine weitausgreifende Wirkung h6- schieden, daher ergibt sich ftir den Biographen eine gewisse innere NStigung zu der gekennzeichneten allgemeineren Fassung seiner Aufgabe. Spiess hat sie i~ meisterlicher Weise gelSst. Er macht den Geist des Jahrhunderts lebendig:und wir sehen die grofen Forscher und Denker jener Zeit, die Bernoul l i s~ Vol ta i re ; M a u p e r t u i s , d 'Alember t , Lamber t , Albrecht v. Ha l l e r and andere bei ihrer Gedankenarbeit, ihrem Handeln, ihren Kiimpfen and Leiden, als w~ren wir mit dem besonderen Vorzug fibersehauenden Verst~tndnisses ausgestattete Zeitgenossen. Neben den grof~en M~nnern jener Zeit erscheinen auch die gekrSnten FSrderer der Wissenschaften, Katharina und Friedrich der Groi3e auf dem Schauplatz. Der letztere, bier in seinem sonst wenig bertihrten und bekannten Verh~ltnis zu~ Mathematik.

Das sch(ine Bach wird dem ftir die Geschichte seiner Wissenschaft interes~ sierten.Mathematiker ebenso Freude maehen wie dem der Wissenschaftsgeschieh~e im allgemeinen zugewendeten Leser. Lampa.

Bernard Bolzanos Sehriften. Herausgegeben yon der kSniglichen BShmi- schen Gesellsehaft der Wissenschaften in Prag. Band 1, Funktionenlehre. Prag 1930.

Die Bedeutung Bolzanos als Philosoph und Mathematiker wurde lunge Zeit hindurch nicht gebtihrend gewfirdigt. Es ist nicht das kleinste u yon O. Stolz, daf er wohl als erster mit Nachdruck auf die auferordentliche Bedeuiung der damals zug~ngliehen mathematischen Schriften Bolzanos hinwies,. and nicht geringer ist das Verdienst yon A. HSfler , daft er, als Vorsitzender der Wiener philosophischen Gesellsehaft, einen Neudruck der ,Paradoxien des Unendlichen" and der ,Wissenschaftslehre" in die Wege leitete, die in dem uns so schmerzlich frtih entrissenen E. Study einen begeisterten Bewunderer fund. Es war in eingeweihten Wiener Kreisen kein Geheimnis, daf sich in dem in der Wiener Nationalbibliothek verwahrten handsehriftlichen Nachlasse Bo]zanos noeh manche ungehobene Schiitze bef~nden; die allgemeine Aufmerksamkeit aber wurde auf diesen Nachlal~ gelenkti als M. Ja~ek darin ein Beispiel einer stetigen, nirgends differenzierbaren Funktion entdeckt% das erheblich einfacher ist, als das betreffende Beispiel yon W e i e r s t r a s s und viel spi~tere Ans&tze auf diesem Gebiete vorwegnimmt. Diese bedeutungsvolle Entdeckung gab den Anstofi zum Plane einer Gesamtherausgabe yon Bolzanos Naehlaf, und dank dem wobl- wollenden Interesse, das der President der tschechoslowakischen Republik T. G. M a s a r y k diesem Plane entgegenbrachte, ist er nun zur Wirklichkeit geworden: der erste Band yon Bolzanos Schriften, enthaltend seine ,,Funktionenlehre! ~, liegt nun vor. Diese Funktionenlehre war yon Bo]zano als fiinftes Hauptstiick e iner ,GrSfenlehre" gedacht; man entschloB sich aber, die Ausgabe mit der Funktionen- lehre zu beginnen, da fiir diese das meiste Interesse zu erwarten war. Sie ent- hiilt das, was man heute als Elemente der Differential- und Integralreehnung bezeichnen wtirde, und es ist ein hoher Genuf, festzustellen, wie sehr Bolzano seinen Zeitgenossen an kritischer Denkweise voraus war, wieviel yon ihm schon vorweggenommen ist, was erst sparer in die Mathematlk allgemein Eingang fund; andrerseits ist festzustellenl daft auch bei Bolzano noch vieles unklar, ja sogar fehlerhaft i s t - - - i m wesentlichen sind dies nile Fragen, in die ein doppelterl Grenziibergang hineinspielt; all das ist sorgfaltig angeftihrt in den wertvoilen Anmerkungen, die der tterausgeber R. R y c h l i k dem Texte beigegeben h a t .

Trotz grSfter Sorgfalt seheinen sich doch belm. Lesen der Handschrift einige Fehler eingeschlichen zu baben; so mufe s wohl S. 241 Z. 2 ,nut" statt , n ich t" heifen~ S. 45, letzte Zeile and S. 46, Z. 12 ,gilt" statt ,gibt" und S. 811 Z. 5 yon unten sind die Worte ,,tiberhaupt zu enden" offenbar verderbt. Ganz beson- deter Dank geblihrt noch Herrn K. P e t r ftir die warmherzige, auf der Warte hoher Mensehlichkeit stehende Wtirdigung der PersSnlichkeit Bolzanos, die den Band einleitet. Hans Hahn.