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Besonderheiten der Pharmakotherapie bei Kindern
Prof. Dr. Petra Högger Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie
Kinder?
Neugeborenes 1. - 27. Lebenstag
Säugling / Kleinkind 28 Tage – 23 Monate
Kind 2. - 11. Lebensjahr
de.freepik.com adpic.de
Das Alter von Neugeborenen
Normale Länge der Schwangerschaft: 37-42 Wochen (Gestationswochen) termingeborenes Kind („Term“)
Frühgeburt: Geburt vor Vollendung der 36. Woche („Preterm“)
Übertragenes Kind: Geburt nach der 42. Woche („Postterm“)
untergewichtiges Neugeborenes: <2500 g
• Gestationsalter
• postnatales Alter
• Körpergewicht
Für die Arzneimitteltherapie muss berücksichtigt werden:
Alterstypische Erkrankungen?
Häufigkeit von Anpassungsstörungen in Abhängigkeit vom Gestationsalter
Swiss Society of Neonatology; www.neonet.ch
IRDS ist eine häufige Todesursache von Frühgeborenen
Ursache: fehlende Produktion von Lungen-Surfactant
Atemnotsyndrom Infant respiratory distress syndrome (IRDS)
physproject-2011.wikispaces.com/I.RESPIRATORY+PHYSIOLOGY
Therapie: pränatale Verabreichung von Glucocorticoiden an die Mutter oder Surfactant an das Kind
Apnoen „Nicht-Atmung“, Atemstillstand / lange Atempause
Atempause > 20 s oder Atempause < 20 s und Puls < 80 /min
Ursache: unreife zentrale Steuerungsstrukturen oder symptomatische Apnoen (z.B. bei Sepsis)
Therapie: Methylxanthine (Theophyllin, Coffein)
Neugeborenensepsis
Infektionen durch vorzeitigen Blasensprung, Nabelinfektion, Venenkatheter, Trachealtubus; variierendes Erregerspektrum
Ursache: Neugeborenen, bes. Frühgeborene sind in ihrer Immunabwehr eingeschränkt
Therapie: Therapie mit Antibiotika Sterblichkeitsrate von 15-20 %
Persistierender Ductus arteriosus Botalli
häufigstes kardiovakuläres Problem in der Neonatalperiode Manifestation am 3.-5. Lebenstag Lungenödem, Herzinsuffizienz
Therapie: Prostaglandinhemmer, z.B. Indometacin PGE2
Neugeborenenkrämpfe
abnormale motorische und/oder vegetative Aktivität mit/ohne Beeinträchtigung der Bewusstseinslage
Ursache: metabolische Störung (Glc, Ca2+, Mg2+), ZNS-Infektionen, u.a.
Therapie: Antikonvulsiva (z.B. Phenobarbital)
Arzneimittelreport 2013: Verordnete DDD / Versichertem
Barmer GEK Arzneimittelreport 2013
Klinische Studien
Dosis für Kinder: Skalierung basierend auf Erwachsenendosis?
Science 1962; 138: 1100-1103
Skalierung basierend auf Gewicht
Skalierung basierend auf Gewicht 1960: Wirkung von LSD auf Tiere
de.freepik.com alphadreams.de
+ +
Pharmakokinetik Was macht der Körper mit dem Arzneistoff?
Dosis Konzentration des Arzneistoffs am Wirkort
Kaplan–Meier Analysis of Event-free Survival in 2255 Children with ALL at St. Jude Children's Research Hospital from 1962 to 1997
Verbesserung der Therapieerfolge bei Kindern
NEJM 1998; 339: 605-15
„..it may be possible to improve existing therapeutic regimens further by adjusting dosages on the basis of pharmacokinetic
characteristics in individual patients.“
Verbesserung der Therapieerfolge bei Kindern
NEJM 1998; 339: 605-15
Therapie mit Methotrexat, Dexamethason, Vincristin
Pharmakokinetik
Was macht der Körper mit dem Arzneistoff?
Dosis Konzentration des Arzneistoffs am Wirkort
Intrinsische Faktoren: Genotyp, Erkrankungen
Extrinsische Faktoren: Nahrung, Comedikation
Altersabhängige Änderungen der Körperzusammensetzung
Organentwicklung Funktion von Metabolismus,
Transport, Elimination
NEJM 2003; 349: 1157-67
Entwicklung und Körperfunktionen
Absorption (Resorption)
Verteilung (Distribution)
Metabolismus
Elimination
Pharmakokinetik
Absorption (Resorption)
Verteilung (Distribution)
Metabolismus
Elimination
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik
• Magenentleerungszeit und gastrointestinale Transitzeit
• Magensäureproduktion
• Expression gastrointestinaler Enzyme und Transporter
• Darmflora
• Perkutane Absorption
• Pulmonale Absorption
Clin Pharmacol Ther 2012; 92: 40-49 Apothekenmagazin 2006; 24: 168-75
Enterohepatischer Kreislauf
Bioverfügbarkeit
Pediatr Clin N Am 2012; 59: 1001-16
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Änderung der Serumspiegel von Penicillin
Einzeldosis 22.000 IU/kg p.o.
J Allergy Clin Immunol 2010; 125: 1206-11
Nasopharynx
Epiglottis
Larynx
• Nasenrachenraum weniger rigide
• Kehldeckel enger, flexibler und näher am Gaumen
• Kehlkopf höher und sehr nahe am Zungengrund
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Änderung der Deposition ( Absorption) von inhalierten Arzneistoffen
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Änderung der Deposition und Absorption
von inhalierten Arzneistoffen
dailymail.co.uk J Allergy Clin Immunol 2010; 125: 1206-11
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Änderung der Deposition und Absorption
von inhalierten Arzneistoffen
Arch Dis Child 2012; 97: 497-501
Die Verwendung von Schnullern verschlechtert die
pulmonale Deposition nicht, (1,6 ± 0,5 % vs. 1,7 ± 0,9 %)
verbessert aber die Compliance.
Absorption (Resorption)
Verteilung (Distribution)
Metabolismus
Elimination
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik
• Gesamtkörperwasser
• Körperfettanteil
• Plasmaproteine (Albumin)
• Blut-Hirn-Schranke
Plasmaspiegel
Toxikologie
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12 Apothekenmagazin 2006; 24: 168-75
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Verteilungsvolumen [L/kg] für hydrophile/lipophile Arzneistoffe
Curr Pharm Des 2012; 18: 3119-46
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
preterm latepreterm
term infant child
Vert
eilu
ngsv
olum
en (L
/kg) Vancomycin
Paracetamol
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
term infant child
Vert
eilu
ngsv
olum
en (L
/kg) Thiopental
Absorption (Resorption)
Verteilung (Distribution)
Metabolismus
Elimination
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12
ca. 80 % aller klinisch verwendeten Arzneistoffe werden metabolisiert
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik
• Aktivität der Phase-I-Enzyme (CYP)
• Aktivität der Phase-II-Enzyme
• Lebergewicht in Relation zum Gesamtkörpergewicht
Halbwertszeit
Elimination
nicht simultan
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Änderung der Halbwertszeit von Diazepam
CYP 3A4, 3A5
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Clearance von Theophyllin
CYP 1A2
Absorption (Resorption)
Verteilung (Distribution)
Metabolismus
Elimination
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik
• Glomeruläre Filtrationsrate
• Tubuläre Absorption und Sekretion reifen langsamer als GFR
Halbwertszeit
Elimination
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12
Pediatr Clin N Am 2012; 59: 1001-16
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Glomeruläre Filtrationsrate
J Toxicol Sci 2009; 34 Suppl 2: SP307-12
Einfluss der Entwicklung auf die Pharmakokinetik Dosis und Serumkonzentrationen von Digoxin
missionandculture.org
Zieldosis für Erwachsene und Säuglinge/(Klein-)Kinder
Säuglinge/(Klein-)Kinder: Hohe Variabilität der Pharmakokinetik in einer Altersgruppe und sich ständig ändernde Parameter im Verlauf der Entwicklung
Dosisauswahl für Kinder
Weitere Herausforderungen
Praktische Anwendung
BMC Public Health 2013; 13: 631
Kindgerechte Arzneiformen
Zugelassene Arzneimittel für Kinder
Praktische Anwendung
BMC Public Health 2013; 13: 631
Zugelassene Arzneimittel für Kinder
KiGGS-Studie
German Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents [RKI]
17.450 Kinder 0-17 J.
KiGGS-Studie: Häufigkeit des Off-label-Use
BMC Public Health 2013; 13: 631
• Prävalenz des Off-label-Uses: 40,2 % aller Arzneimittelanwendungen
• … davon 61,2 % Rx und 38,3 % Selbstmedikation (24,7 % OTC)
• am häufigsten bei Kindern 3-6 Jahre
BMC Public Health 2013; 13: 631
KiGGS-Studie: Häufigkeit des Off-label-Use
Antibiotika
Medikationsfehler bei Kindern
Medikationsfehler bei Kindern
Frey, von Brenndorf „Das Kind in der Apotheke“ www.phyto-netzwerk.de
Einem 2-jährigen Kind (12 kg) wurde aufgrund einer Herpes-Encephalitis Aciclovir verordnet.
Die zur Therapie erforderliche Standarddosis beträgt dreimal täglich 500 mg/m2 Körperoberfläche, das bedeutet in diesem Fall dreimal täglich 250 mg Aciclovir.
Das Kind erhielt dreimal täglich 80 mg.
Folgen:
• Unterdosierung
• Anhaltende cerebrale Schäden oder Tod
Medikationsfehler bei Kindern
Pharm Ztg 2013; 158: 20-21
Ein 30 Tage altes Mädchen erhielt aufgrund eines „Säuglingsschnupfens“ eine Behandlung mit abschwellenden Nasentropfen.
Sie erhielt dreimal täglich 0,1 mL einer 0,05 %igen Xylometazolinlösung (z.B. Olynth®, Otriven®).
Folgen
• Überdosierung
• die kumulative Dosis von 300 µg führte zu schweren Nebenwirkungen: Erbrechen, Apnoe, Bewusstlosigkeit
55%
27%
6%
3%2%
2%
5%
9%
Medikationsfehler bei Kindern
Pediatrics 1987; 79: 718-22
Überdosierung
Unterdosierung
Keine Angabe
Interaktion
Applikationsweg
Dosierung
Medikationsfehler bei Kindern
Arch Dis Child 2013; 98: 222-27
Medikationsfehler bei Kindern
• Individuelle Berechnung der Dosis, z.B. nach Körpergewicht, Körperoberfläche etc.
• cave: Tagesdosis vs. Einzeldosis, Dosis in mL vs. mg
• Mangel an Arzneimitteln in geeigneter Dosierung, Konzentration oder Darreichungsform
• Mangel an Studien, die Daten zur sicheren und effektiven Anwendung von Arzneistoffen liefern
Frey, von Brenndorf „Das Kind in der Apotheke“ J Pediatr Pharmacol Ther 2011; 16: 298-307
Der pädiatische Medikationsprozess ist komplex und fehleranfällig, da eine Dosisberechnung und –verifizierung, sowie oft eine
individuelle Zubereitung und Verabreichung des Arzneimittels erforderlich ist.
Vermeidung von Dosierungsfehlern bei Kindern
Dosierung einer Antibiotika-Suspension durch Eltern nach Anweisung
Kinder (< 4 Jahre) mit einer Mittelohrentzündung
Pediatrics 1997, 100: 330-333
Dosierung einer Antibiotika-Suspension durch Eltern nach Anweisung
Kinder (< 4 Jahre) mit einer Mittelohrentzündung
Pediatrics 1997, 100: 330-333
37%
83%
100%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe,
Demonstration
Verbale Instruktionen 32% - 147 %
20% - 152 %
Dosierung einer Antibiotika-Suspension durch Eltern nach Anweisung
Kinder (< 4 Jahre) mit einer Mittelohrentzündung
Pediatrics 1997, 100: 330-333 wikimedia.com
37%
83%
100%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe,
Demonstration
Verbale Instruktionen 32% - 147 %
20% - 152 %
Dosierung einer Antibiotika-Suspension durch Eltern nach Anweisung
Kinder (< 4 Jahre) mit einer Mittelohrentzündung
Pediatrics 1997, 100: 330-333 wikimedia.com
37%
83%
100%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe
Verbale Instruktionen, Dosierhilfe,
Demonstration
Verbale Instruktionen 32% - 147 %
20% - 152 %
Pharmakotherapie bei Kindern
Pharmakotherapie bei Kindern
Pharmakotherapie bei Kindern