31
Bethel zum BTHG Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Letzte Revision: 25. Januar 2019

Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

  • Upload
    others

  • View
    13

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

U1

Bethel zum

BTHGWirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe

Letzte Revision: 25. Januar 2019

Page 2: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 1

Inhalt

Inhalt ................................................................................................................................................. 1

1. Einleitung .................................................................................................................................... 2

2. Rechtsgrundlagen ..................................................................................................................... 3

2.1 Wirkung und Wirkungskontrolle im Kontext der Gesamtplanung .................. 3

2.2 Wirksamkeit im Kontext des Leistungserbringungsrechts ................................... 4

3. Einordnung und Begriffsbestimmungen ............................................................................ 5

3.1 Einordnung Wirkung und Wirkungskontrolle ........................................................ 5

3.2 Einordnung Wirksamkeit ................................................................................................ 6

3.3 Begriffsbestimmungen Wirkung und Wirksamkeit .............................................. 6

3.3.1 Wirkung .............................................................................................................................. 6

3.3.2 Wirksamkeit ....................................................................................................................... 8

3.3.3 Abgrenzung Wirkung und Wirksamkeit .................................................................... 9

3.4 Problem des Wirkungsnachweises im Einzelfall ................................................... 12

3.5 Wirksamkeit der Eingliederungshilfe ........................................................................ 15

4. Anforderungen an die Messung und die Messbarkeit von Wirkung und Wirksamkeit ............................................................ 17

4.1 Anforderungen an die Wirkungskontrolle .............................................................. 17

4.2 Anforderungen des BTHG bzgl. der Wirksamkeitsthematik .............................. 20

5. Positionen ................................................................................................................................. 24

6. Beispiele zu Studien, Instrumenten und Methoden ..................................................... 26

Literatur .......................................................................................................................................... 28

Page 3: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 2

1. Einleitung

Mit dem Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) im Dezember 2016 ist das Eingliede-rungshilferecht grundlegend reformiert worden. Die Stärkung der menschenrechtlichen Dimen-sion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wird ausdrücklich begrüßt. Die Um-setzung des Gesetzes erfolgt in den nächsten Jahren in mehreren Schritten. Mit den neuen Rege-lungen sind erstmalig die Begriffe der Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Ein-gliederungshilfe-Gesetzgebung verankert worden.

Der Gesetzgeber hat sowohl Strukturen und Prozesse als auch Steuerungsmechanismen für das Eingliederungshilferecht festgelegt und die Begriffe Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksam-keit neu in den zweiten Teil des SGB IX2020 und in die übergangsweise von 2018 bis 2020 gelten-den Bestimmungen des SGB XII eingeführt. Die neuen Regelungen sollen sicherstellen, dass die Wünsche und Bedarfe der Leistungsberechtigten gedeckt und die Qualität der Leistungen ge-währleistet werden. Bislang sind diese Begriffe noch weitgehend unbestimmt. Sie sind weder ge-setzlich definiert noch verweisen sie auf eine gelebte Praxis im Kontext der Eingliederungshilfe. Ziel dieses Diskussionspapiers ist es, die Aspekte Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe genauer zu betrachten und hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Praxis zu beleuchten.

Der vorliegende Text soll zu einer Orientierung für die weitere Ausgestaltung des BTHG auf Lan-desebene und der zu gestaltenden Leistungsvereinbarungen beitragen.

Page 4: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 3

2. Rechtsgrundlagen

Die Begriffe Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit treten im BTHG an verschiedenen Stel-len auf.1 Für den Wirkungsbegriff ist das Kapitel 7 („Gesamtplanung“) wesentlich und für den Wirksamkeitsbegriff Kapitel 8 („Vertragsrecht“) des zweiten Teils des SGB IX2020.2

2.1 Wirkung und Wirkungskontrolle im Kontext der Gesamtplanung

In Kapitel 7 des zweiten Teils des SGB IX ist das bundeseinheitliche Gesamtplanverfahren festge-legt. Es kodifiziert das Verfahren vom Antrag über die Ermittlung der Wünsche und Bedarfe der Leistungsberechtigten bis zur Koordination und Gewährung der erforderlichen bedarfsdecken-den Leistungen. Wesentliches Ergebnis der Gesamtplanung ist der Gesamtplan.

§ 121 Gesamtplan

(1) Der Träger der Eingliederungshilfe stellt unverzüglich nach der Feststellung der Leistungen einen Gesamtplan insbesondere zur Durchführung der einzelnen Leistungen oder einer Ein-zelleistung auf.

(2) Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabe-prozesses. Er bedarf der Schriftform und soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren, über-prüft und fortgeschrieben werden.

(3) Bei der Aufstellung des Gesamtplanes wirkt der Träger der Eingliederungshilfe zusammen mit 1. dem Leistungsberechtigten, 2. einer Person seines Vertrauens und 3. dem im Einzelfall Beteiligten […].

(4) Der Gesamtplan enthält neben den Inhalten nach §19 mindestens 1. die im Rahmen der Gesamtplanung eingesetzten Verfahren und Instrumente sowie die

Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts […].

Die Wirkungskontrolle ist fester Bestandteil des revolvierenden Gesamtplanverfahrens. Maß-stäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle werden für die terminierte Überprüfung im Gesamt-plan fixiert. Eine weitere Konkretisierung erfolgt hier zunächst nicht. Auch aus der Begründung des Gesetzes ist nur wenig Ergänzendes zu erfahren: „Die Regelungen normieren die Funktion des Gesamtplans. Er dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabe-prozesses. Er bedarf der Schriftform und soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren überprüft und fortgeschrieben werden. Damit wird sichergestellt, dass auf veränderte Bedarfe, Wünsche und Teilhabeziele der Leistungsberechtigten zeitnah und flexibel reagiert werden kann“ (BtDrs. 18/9522, S. 289).

1 Wirkung und Wirkungskontrolle findet sich im § 121 Abs. 2 und 3 SGB IX. Wirksamkeit in dem hier untersuchten Zusammenhang findet sich in § 8 Abs. 2, § 31, § 38 Abs. 3, § 88, § 94 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Nr. 1, § 128 Abs. 1 und 2, § 131 Abs. 1 Nr. 6 und § 134 Abs. 1. Nr. 1 SGB IX. 2 Auch unter Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“) sind in § 94 Abs. 2 („Aufgaben der Länder) die Begriffe Wirksamkeit und Wirkung eingeführt. Sie beziehen sich u. a. auf einen übergeordneten Erfahrungsaustausch zwischen den Trägern zur Erfüllung ihrer Aufga-ben. Dieser Aspekt findet im Folgenden keine weitere Berücksichtigung.

Page 5: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 4

2.2 Wirksamkeit im Kontext des Leistungserbringungsrechts

In Kapitel 8 des zweiten Teils des SGB IX werden die vertragsrechtlichen Aspekte zwischen Leis-tungsträger und Leistungserbringer erläutert. Der Begriff Wirksamkeit wird als Qualitätseigen-schaft der Leistung an den folgenden zentralen Stellen eingeführt:

§ 125 Inhalt der schriftlichen Vereinbarung

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leis-tungserbringer sind zu regeln:

1. Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliede-rungshilfe (Leistungsvereinbarung) […].

§ 128 Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung

(1) Soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertrag-lichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, prüft der Träger der Eingliederungshilfe oder ein von diesem beauftragter Dritter die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers. […].

(2) Die Prüfung nach Absatz 1 kann ohne vorherige Ankündigung erfolgen und erstreckt sich auf Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der erbrachten Leistungen.

(3) […].

§ 131 Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen

Die Träger der Eingliederungshilfe schließen auf Landesebene mit den Vereinigungen der Leis-tungserbringer gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den schriftlichen Vereinbarungen nach § 125 ab. Die Rahmenverträge bestimmen

[…]

6. die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirk-samkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlich-keits- und Qualitätsprüfungen […].

Die Dimension der Wirksamkeit ist als Aspekt der Qualität in das Gesetz aufgenommen worden, ebenso in das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität nach § 128 SGB IX. Hie-raus folgt, dass es mit Umsetzung der §§ 125, 128 und 131 SGB IX neben den Leistungsvereinba-rungen keine gesonderten Prüfungsvereinbarungen mehr geben wird.

Page 6: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 5

3. Einordnung und Begriffsbestimmungen

Die Begriffe Wirkung und Wirkungskontrolle sowie Wirksamkeit beziehen sich im Kontext des sozi-alrechtlichen Dreiecks (Leistungsberechtigter / Leistungserbringer / Leistungsträger) auf verschie-dene Vertragsparteien.

3.1 Einordnung Wirkung und Wirkungskontrolle

Der Wirkungsbegriff ist in der Beziehung zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungsträger angesiedelt. Systematisch betrifft er den Schenkel Leistungsberechtigter <> Leistungsträger in Be-zug auf die Leistungsansprüche des Leistungsberechtigten.

Abbildung 1: Sozialrechtliches Dreieck

Hier stehen die Person und ihre Ansprüche auf Leistungen im Mittelpunkt. Im Rahmen der Ge-samtplanung wird der Bedarf des Leistungsberechtigten ermittelt und festgestellt, mit welchen Leistungen dieser zu decken ist. Dies erfolgt unter Beteiligung des Leistungsberechtigten und un-ter Berücksichtigung seiner Wünsche. Der Leistungsberechtigte kann hierzu Personen seines Ver-trauens, aber auch Beistände seiner Wahl hinzuziehen. Darüber hinaus sind ggf. gesetzliche Be-treuer/Verfahrensbetreuer, Bevollmächtigte und Rechtsbeistände einzubeziehen (vgl. Bethel 2018).

Die Überprüfung der Wirkung erfolgt ausschließlich im Hinblick auf das Individuum und die ver-einbarten Ziele im Gesamtplan. Ziel der Überprüfung der Wirkung erbrachter Leistungen bzw. der „Wirkungskontrolle“ ist die jederzeitige Sicherstellung bedarfsdeckender Leistungen. Hier soll zeitnah und flexibel auf veränderte Wünsche, Bedarfe und Teilhabeziele der Leistungsberech-tigten reagiert werden. Die für die Wirkungskontrolle erforderlichen Maßstäbe und Kriterien müssen im Gesamtplan aufgeführt werden.

Page 7: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 6

3.2 Einordnung Wirksamkeit

Die Wirksamkeit ist ein Qualitätskriterium und als solches Bestandteil der Verträge zwischen Leis-tungsträger und Leistungserbringer.

Abbildung 2: Sozialrechtliches Dreieck

Dies betrifft die Empfehlungen auf Bundesebene und die Rahmenverträge auf Landesebene nach § 131 SGB IX sowie die Leistungsvereinbarung nach § 125 SGB IX zwischen dem Leistungs-träger und dem Leistungserbringer. Dort ist zu regeln, wie die Wirksamkeit einer Maßnahme be-zogen auf ein konkretes Angebot eines Leistungserbringers – nicht bezogen auf ein Individuum – überprüft werden kann.

Grundsätzlich folgt, dass es für die erfolgreiche Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen not-wendig ist, die Kriterien und Maßstäbe für das Qualitätsmerkmal Wirksamkeit der Leistungen klar zu definieren. Dies erfordert auch, dass die Qualitätsentwicklung durch Aufbau entsprechender Ressourcen gesichert wird.

3.3 Begriffsbestimmungen Wirkung und Wirksamkeit

Im Folgenden werden die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit bestimmt und in Abgrenzung zuei-nander dargestellt.

3.3.1 Wirkung

Der Wirkungsbegriff bezieht sich auf die Individualebene und wird z. B. in der Jugendhilfe defi-niert als „intendierte Zustandsänderungen, die beobachtbar, beschreibbar und kommunizierbar sind und nach plausiblen und hypothesengeleiteten Annahmen über nachvollziehbare Zusam-menhänge bewertet werden können“ (Schneider 2011, S. 16).

Page 8: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 7

Bei Tornow findet sich folgende kurze Definition: „Unter Wirkung (engl.: effect) oder Effekt ver-steht man in der Wirkungsforschung die beabsichtigte Folge eines Tuns“ (Tornow 2005).

Wirkung bedeutet nach Schneider „in der Wissenschaftstheorie das Ergebnis einer Ursache, einer Kausalität“ (Schneider 2011, S. 14). Sie ist allerdings in der Regel „alles andere als eindeutig. Wir-kung hat sowohl subjektive als auch objektive Dimensionen, eine Kausalität ist in der sozialen Arbeit nicht eindeutig nachweisbar und höchstens durch aufwändige Rekonstruktionen annähe-rungsweise zu erkunden“ (ebd., S.19). Wirkung kann als eine „Konstruktion von angenommenen Zusammenhängen“ (ebd., S. 28) betrachtet werden, die in einen professionellen Wertekontext gestellt werden muss.

In der Wirkungsdebatte wird regelmäßig Bezug auf die sog. Wirkungstreppe genommen. Diese steht im Zusammenhang mit der Analyse von überindividuellen Prozessen. wird nicht zur Betrach-tung im Einzelfall genutzt, kann aber z. B. im Hinblick auf das sozialarbeitswissenschaftliche Fach-konzept der Sozialraumorientierung zur Analyse von erweiterten Teilhabeoptionen von Men-schen mit Behinderungen herangezogen werden.

Im „Kursbuch Wirkung“ weist die PHINEO gAG in einer Definition des Wirkungsbegriffs für ziel-gruppenorientierte (Projekt-)Arbeit auf unterschiedliche (Wirkungs-)Stufen hin, die es im Zuge von Wirkungsanalysen zu betrachten gilt. Als zentral wird dabei das Kriterium der Veränderung benannt. Nicht die Überprüfung des „Tuns“ (Output-Ebene; Stufen 1-3), sondern die Analyse des „Bewirkens“ (Outcome/Impact-Ebene; Stufen 4-7) steht im Fokus (vgl. Kubek und Kurz 2013, S. 43 f.).

Abbildung 3: Kubek und Kurz 2013, S. 5

Bei der zukünftigen Evaluation der Auswirkungen des BTHG im Sinne der angestrebten verbes-serten Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen und der Beseitigung von Barrieren erscheint im Kontext der erforderlichen Teilhabeforschung eine Bezugnahme auf die Wirkungs-treppe zur Bewertung kollektiver Entwicklungen möglich.

Page 9: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 8

Das Modell der Wirkungstreppe kann die wirkungslogische Planung und Betrachtung von pro-grammatischen Zielen unterstützen. Die Betrachtungstiefe erweist sich jedoch in Bezug auf die Anliegen der Gesamtplanung – wie nachfolgend aufgezeigt – als nicht ausreichend.

3.3.2 Wirksamkeit

In der Medizin sind wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise über klinische Studien zu erbrin-gen. Das Ergebnis ist die Evidenz (abgeleitet aus dem Englischen von „evidence“: Nachweis, Be-weis), die sich auf die aus diesen klinischen Studien gewonnenen Informationen bezieht, die ei-nen Sachverhalt erhärten oder widerlegen und schließlich das anerkannte Wissen darstellen (vgl. MDS, IGeL-Monitor 2018). Die Behauptung einer Wirksamkeit in diesem Sinn benötigt also kon-trollierte Studien von einem Umfang, der Zufallsergebnisse ausschließbar macht. Es müssen zu-dem konkrete Ausgangsfragen beantwortet und deren Falsifikationsfähigkeit ermöglicht wer-den. Ein intra-individueller Vergleich (die Betrachtung des Zustands eines Patienten vor und nach einer Behandlung) wird zur Prüfung der Wirksamkeit einer Therapie als „weitgehend unbrauch-bar“ (Klemperer 2008, 25) zurückgewiesen. Wendet man dieses Verständnis auf die hier anste-hende Thematik an, kann zwar die Wirksamkeit einer Leistung im Einzelfall nicht geprüft werden, wohl aber, ob die Leistung unter der Nutzung evidenzbasierte Methoden erfolgte.

Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die Erwünschtheit der Wir-kung aus Patient*innensicht zu betrachten (Mühlhauser/Meyer 2011, 486 ff) und den Betroffe-nen größere Entscheidungsfreiheit auf der Grundlage empirisch nachgewiesener Wirksamkeit zu ermöglichen. Im Vordergrund steht nicht das abstraktes Wissen um Wirksamkeit, sondern die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne einzelner Patienten (Baethge 2014, 1636: „Pa-tientenzentrierte Wissenschaftlichkeit“). So zeigen Wirksamkeitsstudien z. B. Wege zur Reduzie-rung zu hoher Cholesterinwerte auf; dies wird in der Medizin im Einzelfall genutzt, um einen Herzinfarkt zu verhindern. Wegen der Verpflichtung der Eingliederungshilfeträger, personen-zentrierte Leistungen für die Leistungsberechtigten sicher zu stellen (§ 95 SGB IX 2020) liegt hier die Suche nach Parallelen nahe.

Auch in der Sozialarbeitswissenschaft wird Wirksamkeit nicht individuell, sondern gruppen- oder maßnahmebezogen diskutiert: Nach Tornow ist Wirksamkeit oder Effektivität der Grad, mit dem eine beabsichtigte Wirkung erreicht wird. Mit Bezug auf die soziale Arbeit sei von Interesse, „ob eine Maßnahme, ein Programm, eine gesetzliche Regelung usw. die politisch gesetzten Ziele er-reicht hat, ohne im Einzelnen die Ursachen zu wissen“ (Tornow 2005).

Im Allgemeinen herrscht die Meinung vor, „dass mit einer wissenschaftlichen Begleitung, Überprü-fung und Bewertung ein höheres Maß an Rationalität, Effektivität und Effizienz sowie eine verbes-serte Qualität im Sinne technischen, kulturellen, sozialen und menschlichen Fortschritts erreichbar sei“ (Kardorff 2006, S. 65).

Page 10: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 9

3.3.3 Abgrenzung Wirkung und Wirksamkeit

Beide Begriffe werden alltagssprachlich häufig synonym gebraucht und lassen sich nicht vollstän-dig trennscharf darstellen. Die evidenzbasierte Medizin kennt die Regel: „Es kann keinen Nutzen ohne Wirksamkeit und den wiederum nicht ohne Wirkung geben. Aber umgekehrt ist etwas, das wirkt, noch lange nicht wirksam und was wirksam ist, noch lange nicht nützlich“ (Weymayr 2013). Weymayr verweist auf die Nicht-Trivialität der o. a. Aussage, dass Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wirkungen sei. Eine Wirkung kann in derselben Dosierung (oder in Form derselben Maßnahme) in Abhängigkeit von der Person, ihrer Erkrankung oder Teilhabeeinschränkung etc. einmal erwünscht, ein andermal unerwünscht sein: Unterdrückt z. B. ein Wirkstoff das Immunsys-tem, ist dies bei Allergikern eine erwünschte, bei immungeschwächten Personen eine nicht er-wünschte Wirkung. Entpflichtet ein Unterstützungssetting in der Eingliederungshilfe einen de-pressiven Menschen vorübergehend, ist dies das Ziel der Maßnahme. Sie kann eine unerwünschte Wirkung – wie Ressourcenverlust oder Hospitalisierung – entfalten, wenn sie im Einzelfall zu lange andauert.

In diesem Sinn erfolgt die Evidenzprüfung in der Medizin, und auch die Expertenstandards in der Pflege als Verfahrensvorschriften unterliegen dieser Art Evidenzprüfung. In der Teilhabewissen-schaft gibt es bislang nur eine gering bis mäßig ausgeprägte Forschung, die die Evidenz metho-denbasierter Leistungen in der Eingliederungshilfe untersucht. Es gibt in der Praxis der Eingliede-rungshilfe Methoden (z. B. visuelle Strukturierung im Rahmen des TEACCH-Ansatzes für Men-schen mit Autismus), für deren überindividuelle Wirksamkeit es wissenschaftlich fundierte Belege gibt. Dies gilt auch für andere, insbesondere manualbasierte Methoden und Programme. Aller-dings ist der verwendete Methodenkanon vielfach theoriegeleitet aus der Praxis entwickelt, aber nicht evidenzbezogen wissenschaftlich überprüft. Hier werden bislang theoriebasierte begrün-dete Expertenmeinungen und nicht durchgängig systematisiertes Erfahrungswissen herangezo-gen. Neben der weiteren Überprüfung der Evidenz der im Leistungsalltag üblichen Methoden und Verfahren bzw. der Entwicklung neuer Ansätze in der Unterstützung von Menschen mit er-heblichen Beeinträchtigungen sind aber auch noch andere Gesichtspunkte zu bedenken.

Behrens und Langer (2016) diskutieren Wirkung und Wirksamkeit im Rahmen eines evidenzba-sierten Pflegekonzepts mit übertragbaren Aussagen für die soziale Arbeit in der Eingliederungs-hilfe. „Die therapeutischen Wissenschaften und die Pflegewissenschaft wie auch die Medizin sind Wissenschaften mit eigenen, von den kontemplativen Wissenschaften der Biologie, Soziologie und anderen trennbaren Gegenständen: Ihr Gegenstand ist die zukunftsunsichere, aber vernünf-tige innovative Einzelfallentscheidung im jeweiligen Feld – unter Handlungsdruck und Begrün-dungszwang gemeinsam mit den je einzigartigen Klienten“ (Behrens und Langer 2016, S. 57). Grundlegend ist der Bezug zu den „[…] derzeit besten wissenschaftlich belegten Erfahrungen Dritter im individuellen Arbeitsbündnis zwischen einzigartigen Pflegebedürftigen oder einzigar-tigem Pflegesystem und professionell Pflegenden“ (ebd., S. 25).

Page 11: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 10

Abbildung 4: Behrens, DVfR-Ausschuss „Umsetzung des BTHG“ am 29.11.2017 zum Thema „Wirkungs- beurteilung/Erfolgsmessung im Bundesteilhabegesetz“ in Kassel (inhaltlich entsprechend zu Behrens und Langer 2016, S. 29)

Behrens und Langer definieren die zentralen Begrifflichkeiten externer und interner Evidenz wie folgt:

„Externe Evidence liegt in Datenbanken über erwiesene Wirksamkeit von Interventionen oder diagnostischen Verfahren vor, also in Aussagen, welche Wirkung eine Intervention auf eine bestimmte Population wahrscheinlich hatte. Extern nennen wir diese Evidence, weil sie unabhängig von der pflegenden Person und ihrer Klientin existiert. Dieses Wis-sen existiert auch außerhalb (= extern) von deren Kommunikation […].“

„Das Gegenteil gilt für die interne Evidence. Sie umfasst die Überzeugungen, die an die kommunizierenden Personen und ihre Kommunikation gebunden sind […]. Das gilt nicht nur für die persönlichen Erfahrungen beider, sondern auch für die individuell-bio-graphische Zielsetzung und die individuelle Diagnose in den Dimensionen des Impair-ments, der Aktivitäten des täglichen Lebens und der individuellen Realisierung der ge-wünschten Partizipation an den individuell bedeutsamen sozialen Zusammenhängen, wie sie die internationale diagnostische Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation („ICF") erfasst“ (ebd., S. 30).

Mit diesem Ansatz grenzen sich Behrens und Langer deutlich von Wirksamkeitsnachweisen ab, die ausschließlich auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen externer Evidenznachweise be-ruhen. Die Autoren führen aus, dass in der Praxis die aus der externen Evidenz (Wissenschaftsba-sierung) gespeisten Erkenntnisse diejenigen der internen Evidenz oft überlagern, weil diese als wissenschaftlich kontrollierte Erfahrungen gelten. Dieser Ansatzpunkt der Wissenschaftszentrie-rung birgt das Risiko einer Abkehr von der Subjektzentrierung und der althergebrachten Kon-zeptionalisierung von Personen als Objekte institutionellen Handelns (wie staatlicher Fürsorge, medizinischer Entmündigung etc.). Behrens und Langer weisen den Klienten daher eine entschei-dende Rolle im Behandlungs- bzw. Pflegeprozess zu, die gleichberechtigt neben dem Wissen über erwiesene Wirksamkeit von Methoden und Verfahren steht.

Page 12: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 11

Fallbeispiel Herr M., 22 Jahre alt, lebt aufgrund seiner Beeinträchtigungen im Rahmen der Diagnosen „Früh-kindlicher Autismus“ und „mittelschwere Intelligenzminderung“ in einer Einrichtung für Men-schen mit Behinderungen. Herr M. kann sich verbal mitteilen und einige bekannte Worte lesen und schreiben (z. B. seinen Namen). Er arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderun-gen (WfbM), in der er Montagearbeiten durchführt. Da er besondere Stärken im visuellen Bereich und der Fehlererkennung hat, übernimmt er häufig die Qualitätskontrolle der Arbeit der anderen Beschäftigten. Er selbst profitiert von den zeitlichen Strukturvorgaben am Arbeitsplatz sowie der eindeutigen Abfolge der jeweiligen Arbeitstätigkeiten. Bei Aktivitäten in seiner Freizeit und im Wohnumfeld zeigen sich seine Schwierigkeiten in der Handlungsplanung: Ihm gelingt es nicht so gut, freie Zeit selbst und eigeninitiativ zu gestalten und zu strukturieren.

Langfristiges Ziel von Herrn M. ist es, selbstständiger zu leben. Mit Unterstützung hat er das kurz-fristige Ziel formuliert, zweimal in der Woche selbstständig einkaufen zu gehen.

Herr M. zieht es vor, in Begleitung eines Mitarbeitenden einkaufen zu gehen, der ihn bei Auswahl, Vollständigkeit und Ablauf des Einkaufs unterstützt. Außerdem genießt Herr M. in diesen Situa-tionen den Kontakt zu den Mitarbeitenden und deren ungeteilte Aufmerksamkeit. Angebotene Hilfestellungen für den selbstständigen Einkauf in Form eines mobilen Einkaufsplanes auf Pikto-grammebene, basierend auf dem TEACCH-Ansatz, lehnt Herr M. ab. Er empfindet es als unange-nehm, wenn in der Öffentlichkeit deutlich werden könnte, dass er autismusspezifische Hilfestel-lungen benötigt.

Erläuterungen zum Fallbeispiel Aus fachlich-methodischer Sicht sind Unterstützungsangebote in Form von visuellen Strukturie-rungshilfen auf Grundlage des TEACCH-Ansatzes für Herrn M. geeignet: Er gehört zur Zielgruppe, weist die entsprechenden Beeinträchtigungen (exekutive Dysfunktion, Schwierigkeiten beim Le-sen und Schreiben), aber auch Stärken (visuell) auf und profitiert von Strukturierungshilfen bei der Arbeit. Ein Aktivitätenplan auf Piktogrammebene wäre also die passende Unterstützung, um ihm mehr Selbstständigkeit beim Einkaufen zu ermöglichen (externe Evidenz).

An diesem Beispiel wird jedoch deutlich, dass ein rein methodisch orientiertes Vorgehen nicht ausreicht. Herrn M.s persönliche Wünsche und Bedürfnisse (soziales Kontaktbedürfnis und der Wunsch, in der Öffentlichkeit weniger aufzufallen) lassen sich nicht damit vereinbaren, auch wenn sein selbst formuliertes Ziel die zunehmende Selbstständigkeit ist (interne Evidenz).

Ein angemessener Kompromiss zwischen dem methodischen Vorgehen und den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Person könnte hier beispielsweise das Angebot sein, einmal in der Woche den Einkauf durch einen Mitarbeitenden persönlich zu begleiten (Kontakt) sowie al-ters- und umfeldangepasste Hilfen (Piktogramm-App auf dem Smartphone) für den selbstständi-gen Einkauf anzubieten.

Auf interne Evidenz können erfahrene Fachkräfte zurückgreifen, die über „[…] eine Mischung aus ins Selbstverständliche abgesunkener externer Evidence, Berufs- und Begegnungserfahrung“ (ebd., S. 74) verfügen. Im Sinne der Höherbewertung der externen Evidenz wird fälschlicher Weise oft von Klientengruppen auf Individuen geschlossen: „Dass eine Maßnahme anderen geholfen hat, heißt nicht notwendiger Weise, dass sie uns oder unseren Klienten hilft“ (ebd., S. 29).

Page 13: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 12

Außerdem weisen die Autoren auf eine mögliche ungünstige Art der Konfrontation mit Exper-tenwissen hin. „Die Versuchung liegt nahe, dass wir [die Experten, Anm. d. Verf.] diejenigen Be-schwerden herausgreifen und diagnostisch als Problem erkennen, die wir beeinflussen können“ (ebd., S. 35).

3.4 Problem des Wirkungsnachweises im Einzelfall

Voraussetzung für die Bestimmung von Wirkung im Kontext des Gesamtplans ist die Festlegung entsprechender Maßstäbe und Kriterien. Dies kann z. B. durch den Einsatz von hierzu geeigneten Instrumenten zur Bedarfsermittlung geschehen, in denen die Formulierung von Maßnahmen auf der Grundlage von Zielen erfolgt.

Ein kurzer Exkurs zum Thema Ziele im Kontext der Eingliederungshilfe soll die Komplexität ver-deutlichen. „Ziele sind Vorstellungen über einen wünschenswerten anzustrebenden, zukünftigen Zustand. Ziele im Hilfeplan sind demnach angestrebte Veränderungen der Lebenssituation, Kom-petenzen und/oder Verhalten“ (Landschaftsverband Rheinland 2017, S. 26). Sie sind erforderlich, um konkrete Wege der Rehabilitation in Form von Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Die Maßnahmen beschreiben die auszuführenden Tätigkeiten und Handlungen, sie dienen als Mittel zur Zielerreichung und sollen den Bezugsrahmen zur Wirkungsbeurteilung darstellen. Schließlich ermöglichen sie die Evaluation und Überprüfung der fachlichen Arbeit (vgl. ebd., S. 33 und 27).3 Ziele sind individuell und auf dem Hintergrund der subjektiven Lebenssituation zu ent-wickeln: Sie beziehen sich sehr konkret auf die jeweilige Person und ihre Ressourcen und Beein-trächtigungen auf der Struktur- und Funktionsebene, ihre Biographie, ihr aktuelles Lebensum-feld, ihre persönlichen Wünsche und Interessen etc. Nach Behrens und Langer (2016, S. 66) müs-sen die individuellen Teilhabeziele selbstbestimmt und selbst gewählt sein, damit die Klienten bereit sind, die unumgänglichen Beschwernisse einer Rehabilitation auf sich zu nehmen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn die individuellen Teilhabeziele nicht mit gängigen gesellschaft-lichen Vorstellungen von „Entwicklung“ übereinstimmen.

Ziele werden häufig auf der Grundlage der SMART-Kriterien4 formuliert; sie müssen vom Leis-tungsberechtigen selbst erreichbar bzw. beeinflussbar sein und sollen die Arbeit der Leistungser-bringer konkret und überprüfbar gestalten (vgl. Landschaftsverband Rheinland 2017, S. 29 f.). SMARTe Ziele bergen aber die Gefahr, dass der Eindruck von Objektivität und Kausalität insbe-sondere für das Hilfesystem lediglich erweckt wird, ohne dass dies im individuellen Einzelfall zwei-felsfrei gewährleistet ist: „Wenn wir unser Augenmerk darauf richten, die Lebenslage eines Men-schen und die von ihm verfolgten Ziele möglichst exakt zu erfassen, dann laufen wir Gefahr, die Dynamik seiner Veränderungsbereitschaft, seine Ängste, Hoffnungen, seine Sinn- und Bedeu-tungsgebung aus dem Blick zu verlieren. SMARTe Ziele können für alle Beteiligten eine hohe Kon-kretion und Verbindlichkeit schaffen. Es kann aber auch dazu führen, dass man die konkreten

3 „Maßnahmen“ sind Verrichtungen und durchzuführende Tätigkeiten, die prinzipiell von jeder Person erbracht oder vollzogen wer-den können, während „Leistungen“ einen sozialrechtlichen Sachverhalt der Sozialgesetzbücher SGB I bis XII darstellen: Sozialleistun-gen sind nach § 11 SGB I „Gegenstand der sozialen Rechte“ der Bürger und werden in Form von Dienst-, Sach- und Geldleistungen gewährt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden (vgl. Landschaftsverband Rheinland 2017, S. 33). 4 SMART = spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert

Page 14: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 13

äußerlichen Ziele für das eigentliche hält, das Arbeiten aber an subjektiven Sichtweisen, Haltun-gen als unwesentlich erachtet“ (Armbruster 2014, S. 5). Dies kann erheblich nachteilige Folgen für die Leistungsberechtigten haben. Im Kontext ko-konstruierter sozialer Dienstleistungen ist es darüber hinaus als fast unmöglich anzusehen, Wirkungen darzustellen, die eindeutig mit den er-brachten Leistungen verknüpft sind. Wenn schon auf forschungspraktischer Ebene nicht jede Wirkung als empirisch nachweisbar gilt (vgl. Schneider 2011, S. 13), ist dies im lebensweltlichen Kontext so gut wie ausgeschlossen.

Zudem sind verschiedene personengebundene Aspekte zwingend zu berücksichtigen: Teilhabe basiert auf subjektiv wahrgenommenen Bedingungen und Qualitäten, die nicht

von allen Leistungsberechtigten kommuniziert werden können. Für verschiedene Zielgruppen der Eingliederungshilfe lassen sich behinderungsbedingt

nicht immer Veränderungsziele formulieren. Insbesondere hier sind Leistungen, die sich an Erhaltungszielen orientieren, für die Leistungsberechtigten unverzichtbar.

Im Zusammenhang mit der Erarbeitung von Zielen sind auch die Aspekte Ethik und struk-turelle Macht vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Stellung der Menschen mit Be-hinderung sensibel zu beachten. Es geht um die Fragestellung, welche (Lebens-)Ziele im Gesamtplanverfahren überhaupt zu vereinbaren und entsprechend einer Überprüfung zu unterziehen sind und bei welchen eine unzulässige Form der Übergriffigkeit und ggf. Ver-letzung der Persönlichkeitsrechte vorliegt.

Stark in ihrer Regiekompetenz eingeschränkte Leistungsberechtigte sind bezogen auf die Wahrnehmung ihrer Rolle als Ver-/Aushandlungspartner auf fachliche Unterstützung an-gewiesen.

In diesem Zusammenhang muss z. B. geklärt werden, wie Ziele, Indikatoren und Maßstäbe für die Wirkung von Leistungen bestimmt werden,

wenn der Leistungsberechtigte sich dazu nicht oder nur schwer äußern kann, welche fachlichen Kriterien hinsichtlich der vertretenden Personen und der erforderlichen

personensensiblen Kenntnis der leistungsberechtigten Person, ihren Bedarfen, Wünschen und Interessen in den verschiedenen Lebensbereichen gemäß ICF greifen,

wie ein angemessener Zeitumfang für eine personenzentrierte Bedarfserhebung und Maßnahmenplanung vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Zielsetzung des Gesetzes (Ausrichtung am Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten, ICF-Orientierung) bei Menschen mit schweren Beeinträchtigungen in einem standardisierten Verwaltungs-verfahren gewährleistet werden kann.

In diesem Sinne ist darauf hinzuweisen, dass auch das Verwaltungshandeln des Leistungsträgers von hinreichender Fachkompetenz geprägt sein muss (vgl. § 97 SGB IX2020).

(Teilhabe-)Leistung ist insgesamt eine Ko-Konstruktion von Leistungserbringer und Leistungsbe-rechtigtem. Deshalb müssen sich die am Prozess Beteiligten auf die Kriterien und Maßstäbe der Wirkungskontrolle verständigen. Mit Blick auf die Erreichung eines vereinbarten Ziels ist zu be-rücksichtigen, dass es unterschiedliche Einflussfaktoren gibt, die im Zeitverlauf auf den Prozess einwirken: Behrens und Langer führen hier die Leistungen empfangende Person und ihre Selbst-heilungskräfte an, ihre Umgebung und ihr soziales Umfeld, die unspezifische Zuwendung und Begleitung der Assistenzkräfte und erst dann die einzelne zu evaluierende Maßnahme (vgl. Beh-

Page 15: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 14

rens u. Langer 2016, S. 78). Erschwerend kommt eine Beobachtung von Malik hinzu: „Die wenigs-ten Menschen, die etwas können, können eben das auch beschreiben. Etwas zu können und et-was zu beschreiben, sind zwei grundverschiedene Dinge“ (Malik 2006, 40 f.).

Vor diesen Hintergründen ist es unabdingbar, die Betrachtung von Wirkung in einen stark quali-tativ ausgerichteten Evaluations- und Aushandlungsprozess einzubetten.

Es stellt sich die Frage, wie die einzelfallbezogene Überprüfung der Wirkung zukünftig struktu-riert durchgeführt wird. Ein beispielhafter Blick nach Nordrhein-Westfalen ermöglicht eine Be-trachtung der aktuellen Vorgehensweisen der dortigen Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) im Hinblick auf die Umsetzung des BTHG: Im Gebiet des LWL wird in einigen Modellregionen die Wirkungskontrolle zurzeit mit der Überprüfung des Erreichens der vereinbarten Ziele gleichgesetzt (vgl. Oliva, Jaschke, Schlanstedt 2017). Der Blick nach NRW lässt auch die Suchbewegung der Leistungsträger im Kontext der Wirksamkeitsdiskussion offenkun-dig werden. So sieht sich auch der LVR mit der Herausforderung konfrontiert, auf die multiper-spektivisch unterschiedlich ausfallende Bewertung der Teilhabezielerreichung und auf die Frage nach dem Wissen, was wirkt, eine Antwort zu finden (vgl. Esch 2017).

Im Kontext der Eingliederungshilfe bedarf es grundsätzlich eines differenzierten Blickes auf die Heterogenität der Zielgruppen der Menschen mit Behinderung und ihre verschiedenen Beein-trächtigungen. Vermutlich wird sich ein größerer Teil der Leistungsberechtigten im Rahmen der vorgesehenen „Beteiligung des Leistungsberechtigten in allen Verfahrensschritten“ des Gesamt-planverfahrens nicht selbst vertreten können, die eigenen Rechte nicht einfordern und die Wün-sche und Bedarfe nicht nachvollziehbar darlegen können. Bei der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses nach § 121 SGB IX ist immer zu überprüfen, ob die ggf. getroffenen Zielvereinbarungen einvernehmlich und überhaupt erreichbar waren.

Als zielführend kann in diesem Kontext eine Gestaltung der Wirkungskontrolle im Gesamtplan-verfahren gelten, wenn auch die analytische und hermeneutische Falldimension berücksichtigt werden. Beim „diagnostischen Fallverstehen“ nach Heiner und Schrapper rückt der Zusammen-hang zwischen dem spezifischen Einzelfall und seinem Bezug zur Allgemeinheit und zur Genera-lisierbarkeit in den Vordergrund. Im Sinne klassischer sozialer Arbeit beschreibt es „das Verstehen subjektiver Sinnzusammenhänge, eine Annäherung an hypothetische Erkenntnisse, bezieht sich auf das Klienten- und Hilfesystem und erfordert eine Perspektivenvielfalt. Es bezieht Lebenslagen, -situationen und -geschichten, Selbstaussagen und die Hilfesysteme und -geschichten mit ein. Die Qualität zeichnet sich durch eine partizipative, sozialökologische, mehrperspektivische und refle-xive Orientierung aus“ (Heiner und Schrapper 2004, zitiert nach Schneider 2011, S. 27). Hier findet sich die Klammer zwischen der konzeptionellen Fachlichkeit der Leistungserbringer und der Pro-fessionalität, die in der individuellen Interaktion zum Tragen kommt und im Gesamtplanprozess durch den fachlichen Austausch der Beteiligten – Leistungsberechtigter, Leistungserbringer und Leistungsträger sowie ggf. weiterer Akteure – sichergestellt wird.

Auf diese neuralgischen Punkte muss hingewiesen werden, damit sowohl die Bedarfsermittlung und Maßnahmenbestimmung als auch die Wirkungskontrolle angemessen erfolgt und sich keine nachteiligen Effekte einstellen.

Page 16: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 15

3.5 Wirksamkeit der Eingliederungshilfe

Die Wirksamkeit von Eingliederungshilfeleistungen muss gemäß Kapitel 8 des zweiten Teils des SGB IX (Vertragsrecht) auf der vertraglichen Ebene zwischen Leistungsträger und Leistungser-bringer bestimmt werden (Leistungsvereinbarung – § 125 SGB IX). Die „Grundsätze und Maß-stäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen […]“ werden auf der Ebene der Bundesempfehlungen bzw. der Rahmenverträge auf Landesebene be-stimmt (Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen – § 131 SGB IX). Welti verweist zur Wir-kungsbeurteilung und Erfolgsmessung im BTHG auf Referenzgebiete in den Sozialgesetzbüchern SGB V und XI: Mit § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V wird ein Bezug zur evidenzbasierten Medizin und mit den §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 69 Satz 1 SGB XI ein Bezug zu den Expertenstandards als allgemein aner-kanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse hergestellt (vgl. Welti 2017).

Im Rahmen der qualitätsbezogenen Vereinbarung ist also zunächst der mit externer Evidenz be-legte Methodenkanon festzulegen. Zur Umsetzung der methodischen Ansätze sind die notwen-digen Ressourcen zu vereinbaren. Aufgrund des ständigen Zusammenspiels von interner und ex-terner Evidenz erwächst – zur Sicherung der Prozess- und nachfolgend der Strukturqualität – die Notwendigkeit, Ressourcen zur Schaffung wirksamer Arbeitsbündnisse vertraglich abzusichern. Die Vorstellung, über die bloße Assimilation von (Qualitäts-)Standards wirkungsvolle Arbeit im Sinne der Erreichung individueller Teilhabeziele erzielen zu können, greift zu kurz. Weil der Leis-tungsprozess von der Ko-Konstruktion der Leistungsberechtigten und den methodischen Impul-sen der Mitarbeitenden geprägt ist, braucht es zwingend die fortlaufende, einzelfallbezogene Evaluation in einem fluiden gemeinsam zwischen Leistungserbringer und Leistungsberechtigtem gestalteten Unterstützungsprozess. Der im Gesamtplanverfahren formulierte gesetzliche An-spruch der Sicherung von angestrebten Wirkungen kann nur gelingen, wenn die Ressourcen für diesen Prozess bereitgestellt werden. Wirksamkeit wird weniger durch deren Prüfung, sondern durch die kluge Gestaltung von Unterstützungsprozessen mit evidenzbasierten Methoden und Verfahren gesichert.

In der konkreten Leistungsvereinbarung zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer müs-sen die Aspekte der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität benannt werden. Mit den oben be-schriebenen Ausführungen u. a. von Behrens und Langer dürfte deutlich geworden sein, dass die Nutzung von Methoden und Verfahren, die dem Stand von Wissenschaft und Fach-

lichkeit entsprechen, unverzichtbar ist, Methoden und Verfahren vorzuziehen sind, die externe Evidenz aufweisen, die Anwendung von anerkannten, geeigneten Qualitätsmanagementsystemen die Um-

setzung fachlich geeigneter Arbeitsweisen (die den erweiterten gesetzlichen Bestimmun-gen Rechnung tragen) sicherstellt,

entsprechende Fort-/Weiterbildungen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Fach-lichkeit erforderlich sind und

der Bereitstellung notwendiger Koordinationskompetenzen zur Integration der Leistun-gen weiterer Rehabilitationsträger in den Lebensalltag von Leistungsempfängern hohes Gewicht zukommt.

Page 17: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 16

Dies alles wird im konkreten Einzelfall relativiert durch das mögliche Arbeitsbündnis zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer. Hier gehen neben den qualitätsgesicherten As-pekten externer Evidenz eben auch die dem Leistungsberechtigten inhärenten Aspekte interner Evidenz ein.

Die im Fachkonzept des Leistungserbringers ausgewiesenen Methoden stellen als fachlich aner-kannte Verfahren im Idealfall wissenschaftlich belegte externe Evidenz dar und bringen den Wirksamkeitsnachweis implizit mit, sofern auf Seiten der Leistungserbringer die fachkompetente Methodenanwendung sichergestellt wird. Daher bieten sie sich zusammen mit Qualitätsmana-gementsystemen als konzeptioneller Vertragsbestand der Leistungs- und Prüfungsvereinbarun-gen an.

Die Stärkung des Wirksamkeitsanspruchs kann nur eingelöst werden, wenn auf Prozess- und Strukturqualitätsebene über die Rahmenverträge (§ 131 SGB IX) entsprechende Vereinbarungen, auch mit Bezug zu Qualitätsmanagementsystemen, getroffen werden und auf leistungsvertrag-licher Seite (§ 125 SGB IX) entsprechende Fachkonzepte aufgenommen werden.

Page 18: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 17

4. Anforderungen an die Messung und die Messbarkeit von Wirkung und Wirksamkeit

Mit der Einführung der Wirkungskontrolle in das Gesamtplanverfahren (Prüfung der Erreichung von Mindestinhalten oder Teilen der Mindestinhalte des Gesamtplans) im Kapitel 7 des zweiten Teils des SGB IX und des Wirksamkeitsaspekts als Qualitätskriterium in das Vertragsrecht im Kapitel 8 des zweiten Teils des SGB IX stellen sich weitreichende Fragen zur Messbarkeit von Wirkung und Wirk-samkeit.

Die Messung von Wirkungen der bewilligten rehabilitativen Leistungen im Rahmen des Gesamt-planverfahrens obliegt dabei dem Leistungsträger.

Eine eventuelle Messung von Wirksamkeit kann im Zusammenhang von Qualitätsprüfungen thema-tisiert werden. Sie muss auf der Grundlage geeigneter Maßstäbe und Kriterien erfolgen, die im je-weiligen Landesrahmenvertrag zu benennen sind (§131 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX) und ggf. in der Verein-barung nach §§123ff SGB IX zwischen Leistungserbringer und Leistungsträger festgestellt werden können.

Bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist die unterschiedliche Ausrichtung der Kapitel 7 und 8 im zweiten Teil des SGB IX zu beachten.

4.1 Anforderungen an die Wirkungskontrolle

Im Kapitel 7 sind die gesetzlichen Grundlagen für die Feststellung bedarfsgerechter Leistungen der Eingliederungshilfe auf Grundlage der ICF-Systematik und Maßgaben zum Verfahren der „Steue-rung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses“ beschrieben (§121 SGB IX „Gesamtplan“). „Der Träger der Eingliederungshilfe kann mit dem Leistungsberechtigten eine Teil-habezielvereinbarung zur Umsetzung der Mindestinhalte des Gesamtplans oder von Teilinhalten der Mindestinhalte des Gesamtplans abschließen. […] Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Ver-einbarungsziele nicht oder nicht mehr erreicht werden, hat der Träger der Eingliederungshilfe die Teilhabezielvereinbarung anzupassen“ (§122 SGB IX „Teilhabezielvereinbarung“). Leistungsträger streben an, dass die im Gesamtplan dokumentierten Ziele die Grundlage für die Bewertung der Zie-lerreichung – und damit wesentlicher Anhaltspunkt für die Wirkung – sein werden. Eine explizite Teilhabezielvereinbarung gemäß §122 SGB IX wird in der Praxis in der Regel wahrscheinlich selten zur Anwendung kommen. Vielmehr wird versucht werden, die Zielstellungen passager zu erfassen und festzuhalten, was besondere Aufmerksamkeit auf Seiten des Leistungsberechtigten und seiner Begleitpersonen erfordert. In jedem Fall ist dringend anzuraten, die dokumentierten Ziele zu über-prüfen (z. B.: Sind es die Ziele des Leistungsberechtigten, sind sie von ihm zu beeinflussen? Sind Er-haltungsziele und SMARTe Entwicklungsziele angemessen berücksichtigt?) Dies gilt umso mehr als die festgestellten Zielstellungen die Grundlage der Leistungsgewährung und der Wirkungskontrolle sein sollen.

Der Begriff der Wirkungskontrolle legt nahe, dass der kausale Zusammenhang zwischen einer ver-einbarten Leistung und der Erreichung eines Teilhabeziels bestimmt werden soll. Da die Bestim-mung dieses Zusammenhangs direkte Auswirkungen auf die Leistungsgewährung hat, muss sie be-stimmten Qualitätskriterien folgen. Sie muss belastbar sein: Die im Rahmen der Gesamtplanung „eingesetzten Verfahren und Instrumente sowie die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle

Page 19: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 18

[…]“ (§121 Abs. 4 Nr.1 SGB IX) müssen im Gesamtplan beschrieben sein. Kritisch zu würdigen ist jeweils die Gültigkeit (Beschreiben die Kontrollkriterien tatsächlich die Wirkung einer bestimmten Maßnahme?), die Zuverlässigkeit (Würde eine wiederholte Bestimmung zum selben Ergebnis kom-men?) und die Objektivität der Wirkungsbestimmung.

Vor diesem Hintergrund muss die Abhängigkeit der Ergebnisse des Gesamtplanprozesses von un-terschiedlichen Kommunikationsbedingungen und der umfassenden Einbeziehung fluider lebens-weltlicher Kontextbedingungen der leistungsberechtigten Person besondere Aufmerksamkeit ge-nießen. Schließlich weist auch der Gesetzgeber auf die unbedingte Berücksichtigung des Willens (-> Wunsch- und Wahlrecht) der leistungsberechtigten Personen hin. Der Qualität des Kommunika-tionsprozesses zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigtem kommt somit ein besonderes Gewicht zu.

In der Literatur finden sich vielfältige Hinweise auf Faktoren, die den Kommunikationsprozess bei unterschiedlichen anspruchsberechtigten Personengruppen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Prozesse der Bedarfsermittlung, der Leistungsfeststellung und der Wirkungskontrolle – stark beeinflussen können. Beispielsweise weist Hagen auf verschiedene Beeinflussungsfaktoren hin, die zu verzerrten Antworten bei ungenügender Berücksichtigung konkreter Lebensbedingungen, un-günstigen Satzkonstruktionen usw. vor allem in Form von stark ausgeprägten Zustimmungstenden-zen führen (Hagen 2002: 294ff). Ebenso zeigen Untersuchungen, dass sich aus Fremd- oder Stellver-treteraussagen keine gültigen Selbstaussagen ableiten lassen (Hagen 2002: 297ff).

Eine grundsätzliche Missachtung entsprechender Ansprüche könnte zu einer nahezu willkürlichen Ergebnisbetrachtung führen. Selbst bei Beachtung der Ansprüche bestehen erhebliche Risiken, die auch in den Spezifika bestimmter Klientelgruppen liegen. Erwähnt seien diesbezüglich:

a. Kommunikationsbarrieren Die Erhebung von Teilhabezielen mit Menschen mit eingeschränkten kommunikativen und kog-nitiven Kompetenzen bringt besondere Herausforderungen für befragende Personen mit sich. Es ist zu erwarten, dass die Strukturierungs- und Deutungsmacht in den vorgesehenen Befra-gungssituationen eindeutig auf Seiten Professioneller liegt. Dobslaw/Pfab zeigen, dass selbst bei guter Ausbildung und bestem Willen der Befragungspersonen erhebliche, z. T. nicht bewusste Beeinflussungen im Erhebungsprozess persönlicher Teilhabeziele und der Bestimmung ange-messener Maßnahmen zu erwarten sind (Dobslaw/Pfab 2015).

b. Abstraktionsbarrieren Kognitive Kompetenzen und lebensweltliche Kontextbedingungen beeinflussen in hohem Maße die Vorstellungskraft und das Antwortverhalten von leistungsberechtigten Personen. Dar-über hinaus ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass Vorstellungen einer alternativen Zukunft und sich darauf entwickelnde Wünsche an kognitive und lebensweltliche Voraussetzungen ge-bunden sind. Sie sind oftmals nicht abstrakt entwickelbar, sondern müssen für bestimmte Grup-pen mit Leistungsansprüchen praktisch erleb- und erfahrbar werden. Somit ist Willensbildung als voraussetzungsvolles Geschehen zu verstehen. Die Ermittlung von Wünschen und relevanten Teilhabezielen ist als voranzustellender und ebenso voraussetzungsvoller Prozess konstruktiv mitzudenken und nicht als Gegenstand einer Abfrage zu begreifen.

Page 20: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 19

c. Instabilität der Willensbildung / Voraussetzungen der Wunschermittlung Die Instabilität erhobener Wünsche muss – neben den bereits beschriebenen Faktoren bei Men-schen mit eingeschränkten kommunikativen und kognitiven Kompetenzen – besonders bei Men-schen in psychischen Krisensituationen als Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Im Prozess der Umsetzung der Teilhabeleistungen ist von den Fachkräften auf die Authentizität der Bedarfs-ermittlung und Maßnahmenplanung zu achten und mit den Leistungsberechtigten zu prüfen. Ggf. ist auf eine vorzeitige erneute Gesamtplanung hinzuwirken.

d. Grundsatz des ko-konstruktiven Charakters der Erbringung sozialer Dienstleistungen Die Ermittlung von Teilhabezielen wie auch deren Erbringung unterliegt multiplen Einflussfak-toren. Es ist zu erwarten, dass sich Ziele und erforderliche Maßnahmen unter veränderten Kon-textbedingungen relativ schnell verändern können. Daher sind zeitlich angepasste Prüfzyklen vorzusehen, die eine unter fachlichen Aspekten optimierte Leistungserbringung ermöglichen, die nicht durch Verwaltungslogiken gefährdet wird und im Idealfall auch keine überbordenden Berichts- und Dokumentationsanforderungen nach sich zieht. Gromann/Brückner zeigen auf, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit der Umsetzung persönlicher Ziele in den ersten Monaten am höchsten ist und nach einem halben Jahr mit Blick auf den Folgezeitraum kaum noch ansteigt (Gromann/Brückner 2014: 61). Hingegen kommen Steinhart/Höptner (2016: 16) in einer Studie zu Teilhabeleistungen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zum Ergebnis, dass ein Bewilligungszeitraum von mindestens 12 Monaten zu besserer Leistungsqualität und höheren Zielerreichungsgraden führt. Diese Erkenntnisse ebenso wie das Wissen um derzeit noch widersprüchlich wirkende Studienergebnisse sind in den operativen Standards und Pro-zessbeschreibungen angemessen zu berücksichtigen. Insoweit werden auch die leistungserbrin-genden Dienste ein begleitendes Wirkungsmonitoring i. S. der Überprüfung von Zielerreichung kleinschrittiger vollziehen müssen. Der im Gesetz im § 121 Abs.2 SGB IX angelegte Minimalstandard einer zweijährigen Überprü-fung erweist sich möglicherweise als Standard für einen Verwaltungsvorgang ausreichend, aus sozialberuflicher Sicht erscheint diese Zeitspanne zur Umsetzung eines angemessen fachlichen Standards bei weitem nicht ausreichend. Der differenzierten Betrachtung unterschiedlicher Ra-tionalitäten sollte an dieser Stelle besonderes Gewicht zukommen.

Grundsätzlich erfordern sowohl die individuelle Bedarfsfeststellung verbunden mit einer Teilhabe-zielermittlung als auch die Leistungserbringung und deren laufende Anpassung eine hohe fachliche Qualifikation und entsprechende Personalressourcen. Standards zur Durchführung, Bewertung und Dokumentation der Wirkung individueller Maßnahmen zur Zielerreichung sind auf Seiten der Leis-tungserbringer in entsprechenden zielgruppenspezifischen Fachkonzepten und einem Qualitäts-managementsystem zu verankern. Dazu gehört auch die Beschreibung angemessener Kommunika-tionssettings. Da die Bedarfsfeststellung und die damit verbundene Teilhabezielermittlung und die Leistungserbringung rechtlich in getrennter Verantwortung liegen (einerseits beim Leistungsträger, andererseits beim Leistungserbringer), zur Umsetzung wirksamer Teilhabe im Sinne der Leistungs-berechtigten jedoch Leistungsträger und Leistungserbringer zwingend eng zusammenwirken müs-sen, müssen Kompetenzen zur Ermittlung von Teilhabezielen und fortlaufender Zielausrichtung von Leistungen auf beiden Seiten verankert sein.

Zwingend erforderlich wird die Abstimmung geeigneter Verfahren und Instrumente sowie der Maß-stäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle (vgl. §121 Abs. 4 SGB IX), die den kommunikativen An-

Page 21: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 20

forderungen des Gesamtplanverfahrens gerecht werden. Das belegt eine Studie des Instituts für So-zialpsychiatrie des Landes Mecklenburg-Vorpommern e. V. (Steinhart/Höptner 2016), die zu dem Ergebnis kommt, dass sich „aus fachlicher Perspektive (…) die Qualität eines Ergebnisses an zuvor definierten Erwartungen und in der individuellen Situation messen lassen“ muss Im Gemeindepsy-chiatrischen Verbund Rostock sollte die Ergebnisqualität der Eingliederungshilfe im Bereich der So-zialpsychiatrie erhoben werden. Es zeichnete sich ab, dass dies nur mit einer Vielzahl von Erhebungs-instrumenten aus der Routinediagnostik und aus der Evaluationsforschung möglich sein würde. Ne-ben soziodemografischen Daten wurden zu zwei Messzeitpunkten klinische Diagnosen, Daten zur Lebensqualität, zur Symptomatik sowie zur Leistungszufriedenheit erhoben. Einen zentralen Wert nahmen zudem Daten zu vereinbarten Zielen und deren Erreichung ein.

Die Studie hatte die Betrachtung der tatsächlichen Ergebnisqualität, aber auch die Erprobung eines Instrumentariums zu deren Erfassung zum Ziel. Die Erhebung macht einen hohen zeitlichen Auf-wand für alle Beteiligten erkennbar. Die Aushandlung und Formulierung konkreter und eindeutiger Ziele stellt aktuell eine Herausforderung für die Mitarbeitenden dar und macht den Bedarf an Schu-lungen und Training im Alltag zur Kompetenzerweiterung sichtbar5. Die Leistungsträger wie die Leistungserbringer bewerten die Erhebungsinstrumente positiv und tauglich, um als Standard zur Qualitätssicherung zu dienen (vgl. Steinhart/Höptner 2016).

Zwischenresümee Die Anforderungen des Gesetzgebers beziehen sich in den Regelungen des Kapitels 7 des zweiten Teils des SGB IX auf die leistungsbezogene Wirkungskontrolle der „Mindestinhalte des Gesamtplans oder von Teilinhalten der Mindestinhalte des Gesamtplans“ (§122 SGB IX „Teilhabezielvereinba-rung“) und damit auf die Einlösung eines am individuellen Wunsch und Willen der Person orientier-ten Leistungsanspruchs. Voraussetzung für eine angemessene Umsetzung der gesetzlichen Anfor-derungen des Kapitels 7 im zweiten Teil des SGB IX sind Aspekte der Kommunikationsqualität, des Fallverstehens, ggf. die Förderung/Entwicklung der Willensbildung. Diese Aspekte müssen ihren Wi-derhall auch in den eingesetzten Verfahren und Instrumenten, Maßstäben und Kriterien der Wir-kungskontrolle (§121 Abs. 4 Nr.1 SGB IX) finden. Angemessene Instrumente und Verfahren, die ICF-konform sind und diesen Ansprüchen gerecht werden, müssen noch entwickelt und wissenschaftlich evaluiert werden. Eine entsprechend belastbare Kompetenzerweiterung der Mitarbeitenden muss sichergestellt werden.

4.2 Anforderungen des BTHG bzgl. der Wirksamkeitsthematik

Auf der Vertragsebene zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer im Kapitel 8 SGB IX er-scheint die Ausrichtung fachlicher Konzepte an evidenzbasierten Ansätzen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, unverzichtbar. Mit der Anwendung evidenzbasierter Verfahren/Methoden ist ein signifikanter Anstieg der Wahrscheinlichkeit gesetzlich geforderter wirksamer Leistungserbringung zu erwarten, wenn die systematische Zusammenführung der Aspekte individuell relevanter interner und externer Evidenz (Behrens/Langer 2016) gelingt.

5 Zugleich tragen die Erkenntnisse aus der Studie dazu bei, dass die Unterstützungsangebote im Gemeindepsychiat-rischen Verbund Rostock genauer betrachtet und entsprechend der entdeckten Lücken angepasst werden.

Page 22: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 21

Abbildung 4: Baumeister/Franke/Gellert-Beckmann: Darstellung zum Zusammenwirken interner und externer Evi-denz in der Eingliederungshilfe in enger Anlehnung an Behrens, DVfR-Ausschuss „Umsetzung des BTHG“ am 29.11.2017 zum Thema „Wirkungsbeurteilung/Erfolgsmessung im Bundesteilhabegesetz“ in Kassel (inhaltlich ent-sprechend zu Behrens und Langer 2016, S. 29)

Mit dem Konstrukt der Unterscheidung interner und externer Evidenz grenzen sich Behrens und Langer deutlich von der alleinigen Fokussierung auf wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise ab. So können klienten- und umweltbezogene Wirkfaktoren betont werden. Der systematischen Einbe-ziehung dieser Faktoren kommt eine entscheidende Rolle in Unterstützungsprozessen zu. Alltags-praktisch lässt sich dieser Bezug schlüssig in der Anwendung von Medikamenten beobachten, wenn die Wirksamkeit eines Wirkstoffs zwar nachweislich besteht, in der Anwendung eines Medikaments jedoch personenbezogene oder Umweltfaktoren wirken, die dessen Wirkung in der Gesamtbetrach-tung infrage stellen. Übertragen auf die Anforderungen des § 122 SGB IX würde eine leistungsbe-zogene Wirkungskontrolle der „Mindestinhalte des Gesamtplans oder von Teilinhalten der Min-destinhalte des Gesamtplans“ trotz vorhandener externer Evidenznachweise ein negatives Ergebnis aufzeigen.

Für die Eingliederungshilfe lassen sich einige fachliche Ansätze identifizieren, deren Evidenz unmit-telbar für bestimmte Zielgruppen der Eingliederungshilfe nachgewiesen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn klienten- und umweltbezogene Faktoren systematisch in die Methodik einbezogen sind; beispielhaft sei hier der TEACCH-Ansatz für Menschen mit Autismus erwähnt.

Anmerkung Sollte im Rahmen der individuellen Teilhabeziel- und Maßnahmenentwicklung von einer Anwen-dung der ICF-Systematik abgewichen werden (Ableitung individueller Ziele aus ICD-Diagnose, Stö-rung der Körperstruktur/-funktion), birgt dies die Gefahr der Loslösung individueller Ziele von be-hinderungsbedingten Barrieren und damit aus der Logik der Personenzentrierung und der strikten Orientierung am Willen der Leistungsberechtigten. Diese Gefahr ist dann gegeben, wenn rechtlich normierte/gesellschaftliche Ziele, wie beispielsweise Verhaltensziele zur Devianzvermeidung, un-verbunden neben individuellen Zielen bestehen. Hier muss unterschieden werden zwischen norma-tiv vorgegebenen Bedingungen gesellschaftlicher Teilhabe (Gesellschaftsziele) und einer im Sinne des BTHG intendierten Teilhabe nach eigenen Wünschen und Bedarfen (individuelle Zielen).

Datenbanken über erwiesene Wirksamkeit und anerkannte fachliche Standards (state ofthe art), z. B. evidenzbasierte Methoden (TEACCH, CRA), S3-Leitlinien, Teilhabestudien (BAESCAP)

Professionelle Zielklärung und (Sozial-)Anamnese:Individuelle wunsch- und bedarfsorientierte Teilhabezielsetzung auf Grundlage der:• Biographie, Lebenswelt, sozial relevanten Handlungs-bereiche• persönlichen Erfahrungen• materiellen, sozialen, persönlichen Ressourcen• eigenen Überzeugungen• Verlaufsdokumentation

Rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen

Gesetzliche Regelungen, leistungsrechtliche Grundlagen, Leitlinien, Richtlinien, Vorschriften

Professionelle Zusammenarbeit zw.

Leistungsempfänger und Leistungserbringer

Entscheidung über Interventionen und

Maßnahmen

Interne Evidenz Externe Evidenz

Gelingt durch: • Professionelle

Kommunikation• Qualifikation der

MA• Zurückgreifen

auf Erfahrungs-wissen

Page 23: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 22

Als grundlegend bedeutsam erweisen sich Evaluationsstudien zur Wirksamkeit von Eingliederungs-hilfeleistungen für unterschiedliche Zielgruppen. Solche Studien liegen aktuell noch nicht in ausrei-chendem Umfang vor. Eine Ausweitung von Studien im Rahmen der Teilhabeforschung in unter-schiedlichen Feldern von der individuellen Wunsch- und Willensermittlung bis hin zur Erforschung förderlicher Kontextfaktoren und struktureller Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Teilhabe unterschiedlicher Zielgruppen ist zwingend erforderlich.

Als Ansatz guter Forschung ist an dieser Stelle die vom Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklen-burg-Vorpommern e. V. durchgeführte BAESCAP-Studie hervorzuheben. Befragt wurden im Rah-men dieser Lebenslagenanalyse Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen unabhän-gig von ihrer Wohnsituation (eigene Wohnung, Wohngemeinschaft oder Wohnheim), die Leistun-gen der Eingliederungshilfe (gemäß § 53 SGB XII) bezogen. Die Studie zielte darauf ab, zu klären, wie diese Personen ihre Teilhabechancen bewerten, welche Teilhabebarrieren und -risiken bestehen und wie sich die Lebens- und Teilhabesituation im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung darstellt (vgl. Speck/Steinhart 2018). Grundlage dieser Studie bildet der von Amartya Sen und Martha Nussbaum entwickelte Capabilities Ansatz, der konkrete individuelle Handlungs- und Gestaltungsspielräume einzelner Personen zur Bewertung von Lebensqualität heranzieht und mit Hilfe der „Central Human Capabilities“ ein Gerüst zur Erfassung von Teilhabe bietet. Teilhabe wird verstanden als „Generie-rung individueller Entscheidungsmöglichkeiten mit Blick auf sozial relevante Handlungsbereiche“ (Speck/Steinhart 2018: 146). Basierend auf dem Capabilities Ansatz wurde zur Erfassung der Teilha-bechancen und der realisierten Teilhabe ein Fragenpool entwickelt, der u. a. die Bereiche Gesund-heit, Bildung, Freizeit, Erwerbssituation, Einkommen, Wohnen, Soziale Beziehungen oder Stigma-erfahrungen umfasst. Um sämtliche Bereiche abzudecken und sowohl die Chancen als auch die rea-lisierte Teilhabe zu messen, wurden neben standardisierten Instrumenten (deutsche Vorversion des Oxford Capabilities Questionnaire – Mental Health) auch weitere Items und Fragen entwickelt.

Die Studie konnte aufzeigen, dass eine qualifizierte und differenzierte Evaluation möglich ist (Rück-lauf von 1897 auswertbaren Fragebögen 31%). Sie deckte auch die vielfältigen Teilhabeeinschrän-kungen für Menschen mit Eingliederungshilfebezug auf, z. B. in den Bereichen soziale Kontakte, Ge-sundheit, Zugang zu Bildung und Arbeit oder Digitale Teilhabe. Somit konnten auch Handlungsfel-der zur Optimierung der Eingliederungshilfe abgeleitet werden (z. B. Verbesserung der Unterstüt-zungssicherheit in der eigenen Wohnung).

Die angestrebten verbesserten Teilhabechancen von Menschen mit Beeinträchtigungen und die Be-seitigung bzw. Reduzierung von Barrieren müssen unter Beteiligung der Betroffenen in den kom-menden Jahren weiter überprüft werden. Die Methode der BAESCAP-Studie liefert dafür eine ge-eignete Vorgehensweise; die deutsche Vorversion des OxCAP-MH weist eine gute bis sehr gute Re-liabilität und Validität auf (vgl. Daum 2018 zitiert nach Speck/Steinhart 2018: 116).

Die BAESCAP-Studie vergleicht die Situation von Menschen in unterschiedlichen Lebenssettings (ei-gene Wohnung / Wohnheim), nicht jedoch die Applikation unterschiedlicher manualisiert beschrie-bener Assistenzmethoden.

Ein nächster Schritt zum Nachweis der Wirksamkeit von Eingliederungshilfeleistungen sollte in der Evaluation von Methoden zum Wirksamkeitsnachweis liegen. Aufgesetzt auf das Vorgehen der BAESCAP-Studie könnten indikatorengesteuerte Messungen der Wirksamkeit von Rahmenbedin-gungen und unterstützenden Leistungen zur Förderung sozialer Teilhabe und zur Befähigung zu selbstbestimmter Lebensführung entwickelt und mit Blick auf ihre Evidenz geprüft werden. Letztlich

Page 24: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 23

müssen „die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen […]“ (§ 131 Abs. 6 SGB IX) dialogisch zwischen Leistungsträgern und Leis-tungserbringern verabredet und weiterentwickelt werden. Der Nachweis des Zusammenhangs zwi-schen individuell ermittelten und festgestellten „Mindestinhalte[n] des Gesamtplans oder von Teil-inhalten der Mindestinhalte des Gesamtplans“ (§122 SGB IX) und den vertraglich vereinbarten er-brachten Leistungen muss zum Gegenstand zukünftiger Teilhabeforschung werden. Die Ergebnisse einer solchen Forschung können Grundlage eines neu bestimmten, auch rechtlich relevanten Quali-tätsdiskurses in der Eingliederungshilfe werden. Bis entsprechende Forschungsergebnisse vorliegen, sollte die Anwendung vorhandener fachlich akzeptierter Methoden in der Eingliederungshilfe als Umsetzung der Forderung nach Wirksamkeit der Leistungen verabredet werden; dabei sind solche mit wissenschaftlich belegtem Evidenznachweis vorrangig einzubeziehen.

Page 25: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 24

5. Positionen

1. Das Ziel des BTHG, die Wirkung durch Wirkungskontrolle mehr in den Blick zu nehmen und durch die Sicherstellung der Wirksamkeit der Leistungen insgesamt die Qualität des Leistungsgeschehens zu verbessern, ist zu teilen. Wir plädieren für ein vertieftes Verständnis des Wirkungsbegriffes, das sich an dem Ansatz des „evidence based nursing“ nach Behrens und Langer orientiert. Um das Kernziel der Eingliederungshilfe gemäß § 90 SGB IX, „die volle, gleichberechtigte und wirkungsvolle Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern“, umzusetzen, müssen Aspekte der Wir-kungsmessung und -kontrolle auf einem Mix aus qualitativen und quantitativen Verfah-ren fußen. Dem Fallverstehen ist im Sinne des Leistungsberechtigten als Individuum mit einem individuellen Teilhabebedarf genügend Raum zu geben. Für die notwendige zu-künftige Entwicklung von Grundsätzen, Maßstäben oder Kriterien zur Bestimmung von Wirkungen bedeutet dies: Standardisierte Verfahren ergänzen Fakten aus Fallanalysen – nicht umgekehrt.

2. Leistungen der Eingliederungshilfe müssen ihre Wirksamkeit nachweisen. Gleichzeitig kann externe Evidenz im Methodischen allein die angestrebten Wirkungen nicht sicher bewirken. Das Arbeitsbündnis wird von externer und interner Evidenz bestimmt. Mögliche Ergebnisse sind immer Ko-Konstruktionen. Sie werden nicht einseitig durch Interventio-nen des Leistungserbringers erzeugt, sondern entfalten Wirkungen nur im Zusammen-spiel mit dem Leistungsberechtigten, der eine konkrete Leistung durch einen bestimmten Leistungserbringer in Anspruch nimmt.

3. Es ist zu gewährleisten, dass Leistungsberechtigte keine Nachteile hinnehmen müssen und jederzeit bedarfsdeckende Leistungen erhalten, selbst wenn sie sich kaum oder gar nicht aktiv im Rahmen der Gesamtplanung einbringen können. Beteiligungsmöglichkeiten fachlich versierter Personen mit umfassender Kenntnis der Lebenssituation, Wünsche und Kommunikationsmöglichkeiten des leistungsberechtigten Menschen sind gegeben und müssen genutzt werden. Ansonsten drohen für Leistungsberechtigte mit komplexen Be-einträchtigungen und/oder höheren Unterstützungsbedarfen erhebliche Nachteile. Die Ermittlung von Wünschen und Bedarfen ist ein grundlegender und fortlaufender Be-standteil des Unterstützungsprozesses, der seine rechtliche Basierung in der UN-BRK fin-det, z. B. in den Artikeln 12 (gleiche Anerkennung vor dem Recht), 19 (unabhängige Le-bensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft), 22 (Achtung der Privatsphäre) und 25 (Gesundheit). Dieser Prozess braucht notwendigerweise Ressourcen, die im Zuge der rechtlichen Stärkung der Partizipationsmöglichkeiten leistungsberechtigter Personen aus-reichend zur Verfügung stehen müssen.

4. Mit Rückgriff auf Behrens und Langer müssen Leistungserbringer organisationsseitig in die Lage versetzt werden, den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Evidenzbasier-ten Konzepten kommt in diesem Zuge eine besondere Bedeutung zu. Sie gelten wegen ihrer überindividuellen wissenschaftlichen Überprüfung als fachliche Referenzmodelle und erfordern einen höheren Ressourceneinsatz. Die allgemeine Kompetenz sicherer An-wendung entsprechender Fachkonzepte wird durch Fort- und Weiterbildung und die An-wendung geeigneter QM-Systeme sichergestellt. Die Grundlagen sollten auf rahmenver-

Page 26: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 25

traglicher Ebene angelegt sein, um auf der Ebene konkreter Leistungs- und Vergütungs-vereinbarungen konzeptgebundene Leistungen für spezifische Personenkreise verhan-deln zu können.

5. Die Auswirkungen des BTHG im Sinne der angestrebten verbesserten Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen und der Beseitigung bzw. Reduzierung von Barrieren werden im Rahmen der erforderlichen Teilhabeforschung unter Beteiligung der Betroffe-nen in den kommenden Jahren überprüft (vgl. Schmachtenberg 2018). Hierbei sind neben den individuellen Teilhabeoptionen und ggf. möglichen Veränderungen in der Lebenssi-tuation der Leistungsberechtigten auch die Neuausrichtung der institutionellen Struktu-ren (sowohl der Leistungsträger wie der Leistungserbringer und bezogen auf übergeord-nete sozialräumliche Kooperationsstrukturen), der Unterstützungssettings und Finanzie-rungsformen strukturiert in den Blick zu nehmen. Auch die Umsetzung des sozialarbeits-wissenschaftlichen Fachkonzeptes der Sozialraumorientierung sollte bei dieser Evaluation von zentraler Bedeutung sein.

6. Die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Qualität und Wirksamkeit werden vom Gesetzgeber in ei-nen Überprüfungszusammenhang gestellt (§ 131 Nr. 6 SGB XI). Mit dem BTHG ist gleich-zeitig eine Stärkung der Position der Menschen mit Behinderungen gegenüber dem Leis-tungsträger und dem Leistungserbringer verbunden. Die Leistungsberechtigten entschei-den u. a. über die konkrete Gestaltung der notwendigen Assistenzleistungen hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme. Hiermit gehen neue und erweiterte or-ganisatorische Anforderungen an die Leistungserbringer einher, die neben aller (Selbst-) Verpflichtung zu Sparsamkeit, Effektivität und Wirksamkeit prognostisch einen erhöhten Mitteleinsatz nach sich ziehen werden, der somit von strukturbedingtem Charakter ist (vgl. Conty 2018).

Page 27: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 26

6. Beispiele zu Studien, Instrumenten und Methoden

Im Folgenden werden beispielhaft Instrumente, Methoden und Studien dargestellt, die im Rahmen von Teilhabeforschung und -messung in unterschiedlichen Feldern verortet sind. Die aufgezeigten Studien und Berichte bieten sich auf der operativen Ebene zur Prüfung für die Entwicklung erster Ansätze von arbeitsfeldspezifischen Prozessen und daraus ableitbaren Standards an, um zeitnah erste Umsetzungsschritte der Gesetzesvorgaben vorzunehmen. Aus ihrer Evaluation werden sich gute und ggf. weniger brauchbare Praxisbeispiele herausschälen.

Darüber hinaus bleiben umfassende Forschungstätigkeiten notwendig.

Studie Beschreibung

BAESCAP (Bewer-tung aktueller Ent-wicklungen der sozi-alpsychiatrischen Versorgung auf Basis des Capabilities-Ap-proachs und der Be-hindertenrechtskon-vention der Verein-ten Nationen) For-schungsprojekt Teil-habe von Menschen mit psychischer Er-krankung, 2015

Ableitung von Teilhabesituation der Zielgruppe (Menschen mit schweren psychischen Erkran-kungen im System der Eingliederungshilfe) mittels:

1. Erfassung der Teilhabechancen als subjektiv bewertete Verwirklichungschancen 2. Erfassung der realisierten Teilhabe im Sinne der tatsächlichen Lebensbedingungen

U. a. Verwendung der Vorversion des deutschen OxCAP-MH (Oxford Capabilities Question-naire – Mental Health). Themenblöcke

- Angaben zur Person - Capabilities und Diskriminierung - Gesundheit - Bildung und Ausbildung - Arbeit und Beschäftigung - Wohnsituation - Freizeit - Soziale Beziehungen - Meinungen und Einstellungen

(vgl. Speck/Steinhart 2018). Tanekenov et al. (2017). Zitiert nach Bartelheimer, Pe-ter/Henke, Jutta (2018)

Empowerment bei Wohnungslosen durch staatliche Programme - Orientierung an den zehn Befähigungsbereichen nach Martha Nussbaum - Abfrage bei Teilnehmenden, ob sich ihre individuelle Lage in vier wesentlichen Em-

powerment-Bereichen veränderte. Teilhabebereiche:

- Bodily domain - Economical and political domain - Social and emotional domain - Creative, intellectual and self-development domain

Peter Degkwitz et al. (2016): Evaluation der Wirksamkeit der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte sucht-kranke Menschen nach SGB XII

Fragestellungen: „Können die vereinbarten Ziele der Eingliederungshilfe für seelisch kranke (suchtkranke) behinderte Menschen mit den vorhandenen Angeboten und Leistungen erreicht werden?

- Welche maßnahmenbezogenen Faktoren begünstigen eine effektive Zielerreichung? - Welche Prädiktoren lassen sich für gelingende Hilfeprozesse auf Seiten der Klientinnen

und Klienten identifizieren?“ (Degwitz et al. 2016). „Indikatoren der Zielerreichung sind in der vorliegenden Studie

- Erreichung der Zielgruppe, - Abschluss von Maßnahmen der Eingliederungshilfe (verlängerte Zeiten ohne Wieder-

eintritt oder dauerhafte Ablösung), - Vermittlung in Maßnahmen vorrangiger Kostenträger, - Personenbezogene Auskünfte wie Feststellungen zur Zielerreichung/ Stabilisie-

rung/Verbesserungen der Teilhabe, - Reduktion von Beeinträchtigungen im Verlauf (darunter auch Symptomminderung der

Abhängigkeit und anderer psychosozialer Belastungen) - sowie bei dauerhaften Beeinträchtigungen Bindung an Maßnahmen, dauerhafte För-

derung von Teilhabe, die Beeinträchtigungen lindert bzw. ein möglichst selbständiges Leben“ sichert.“ (ebd.).

Page 28: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 27

Studie Beschreibung WiEWohnen, Stif-tung Bethel, Stif-tungsbereich Bethel.regional

WiEWohnen – Wirksamkeit der Eingliederungshilfe Wohnen für Menschen mit seelischen Be-hinderungen

- Derzeit laufende prospektive Kohortenstudie (über 24 Monate) mit qualitativen und quantitativen Methoden

- Ziele: o Identifizierung von Prädiktoren für die Ergebnisqualität der „Eingliederungshilfe

Wohnen“, o Identifizierung von Indikatoren der Struktur- und Prozessqualität o Definition von empirisch begründeten Standards für unterschiedliche Wohnunter-

stützungsangebote o Wirksamkeitsvergleich der verschiedenen Wohnunterstützungsangebote (ambu-

lanten, intensiv ambulant und stationär) AK Evaluation 2010, nach Brülle (2016). Zitiert nach Bartel-heimer, Peter/Henke, Jutta (2018)

Participatory Impact Monitoring - Wirkungsdiskurse - Diskussion mit allen Beteiligten - Festlegung von Geschäftsfeldern - Deren Leistungsprozesse und Wirkungen werden für einen begrenzten festgelegten

Zeitraum vertieft beobachtet und überprüft Gromann, Petra, Brü-ckner, Anke (2014): Abschlussbericht Pro-jekt „Wie misst man Teilhabe in der Ein-gliederungshilfe“

Entwicklung der Teilhabekiste (Indikatoren-Set; orientiert an ICF-Logik) als Unterstützungs-instrument zur Messung und Bewertung individueller Teilhabeziele. Erhebungs- und Befragungsinstrument:

- Bereiche Wohnen und Freizeit - Handlungsebenen: Mein Alltag, Meine Hilfen, Mein Recht und Meine Gegend

Auswertung: - Einschätzung und Bewertung des Grades der Teilhabe - Mit unterstützenden Methoden wie z. B. PATH

Dobslaw, Gudrun/ Pfab, Werner (2015): Kommunikative Stra-tegien in Teilhabege-sprächen

Qualitative Studie: - Ermittlung von kommunikativen Strategien bzw. Schwierigkeiten, die sich in Teilha-

begesprächen mit Menschen, die eine kognitive Beeinträchtigung aufweisen, ergeben können.

- Untersuchung von Teilhabegesprächen - Identifizierte kommunikative Strategien:

o Pseudobeteiligung o Reframing o Nachbearbeitung oder Monitoring

Hagen, Jutta (2002): Zur Befragung von Menschen mit einer geistigen oder mehr-fachen Behinderung

Beitragsinhalte: - Darstellung von Kommunikationsbedingungen - Erkenntnisse zum idealen Setting von Befragungen - Darlegung der Beeinflussbarkeit der Kommunikation bzw. der Befragungssituationen

durch z. B. o Wahl der Umgebung o Art der Fragestellungen o Beteiligte Personen

- Eckpunkte für ein Interviewkonzept Evaluationsstudie im Gemeindepsychiatri-schen Verbund der Hansestadt Rostock, 2011

Erhebung zur Ergebnisqualität und Überprüfung der Tauglichkeit des eingesetzten Instru-mentariums Instrumente:

- Integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) - Maßnahmeplanung - Goal Attainment Scale (GAS) - Manchester Short Assessment of Quality of Life (MANSA) - Symptom-Checkliste-Kurzversion-9 (SCL-K 9) - Global Assessment of Functioning Scale (GAF) (DSM-IV) - Züricher Fragebogen zur Patientenzufriedenheit

Auswertung: - Aussagen zur Ergebnisqualität - Anpassung des Angebots - Instrumente sind tauglich - Standard zur Qualitätssicherung

Page 29: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 28

Literatur

Albus, Stefanie et al. (2009): Ergebnisse der Evaluation des Bundesmodellprogramms Wirkungsorientierte Jugendhilfe. Abschlusstagung in Berlin am 13.05.2009

Armbruster, Jürgen (2014): Wie misst man Teilhabe in der Eingliederungshilfe? Wirkungs-orientierte Bestimmung und Messung individuell definierter Teilhabe aus Sicht der Nutze-rInnen – Zur Bedeutung des Projektes in der Behindertenhilfe und Psychiatrie, http://www.bagfw.de/fileadmin/user_upload/Qualitaet/WmmT/Abschlussveranstal-tung/2014-04-30_Bewertung_aus_Sicht_der_Behindertenhilfe_und_Sozialpsychiat-rie.pdf, 28.03.2018

Bartelheimer, Peter/Henke, Jutta (2018): Vom Leitziel zur Kennzahl – Teilhabe messbar machen.

Baethge, Christopher, (2014): Evidenzbasierte Medizin – in der Versorgung angekom-men, aber noch nicht heimisch, in: Deutsches Ärzteblatt, 111 (39), https://www.aerzte-blatt.de/archiv/162409/Evidenzbasierte-Medizin-In-der-Versorgung-angekommen-aber-noch-nicht-heimisch , 2.1.2019

Behrens, Johann/ Langer, Gero (2016): Evidence based Nursing and Caring. Methoden und Ethik der Pflegepraxis und Versorgungsforschung – Vertrauensbildende Entzaube-rung der “Wissenschaft“, 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Hogrefe

Behrens, Johann: Präsentation „Wirkungsbeurteilung/Erfolgsmessung im Bundesteilha-begesetz“, DVfR Ad-hoc-Ausschuss „Umsetzung des BTHG“ am 29.11.2017 in Kassel

Bethel: Bethel zum BTHG, Das Gesamtplanverfahren zum Bundesteilhabegesetz, https://www.bethel.de/fileadmin/Bethel/downloads/Aktuelle_Flyer_Broschue-ren_etc/bthg/2018-03-15_Gesamtplanverfahren_im_BTHG_final__1.0_.pdf

Brülle et al. (2016): ZIELSTEUERUNG IM SGB II. Kritik und Alternativen. Friedrich Ebert Stiftung, 09/2016

Conty, Michael: Teilhabestärkungsgesetz – wird das Bundesteilhabegesetz (BTHG) die Le-benslagen schwer psychisch kranker Menschen verbessern?, in: Speck, Andreas, Steinhart, Ingmar (Hrsg.) (2018): Abgehängt und chancenlos? Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen, Psychiatrie Verlag, S. 133-143

Degkwitz, Peter et al. (2016): Evaluation der Wirksamkeit der Eingliederungshilfe für see-lisch behinderte suchtkranke Menschen nach SGB XII. http://daten.transparenz.ham-burg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRes-source100.svc/cf84812c-581d-4869-b683-386907672151/Akte_G103-36.01_06-10-.pdf, 13.07.2018

Deutscher Bundestag: Drucksache 18/9522 vom 05.09.2016 Dobslaw, Gudrun/ Pfab, Werner (2015): Kommunikative Strategien in Teilhabegesprä-

chen. In: Teilhabe 3/2015, Jg. 54, S. 114 – 119 Esch, Bianca: Präsentation „Wirkungsbeurteilung/Erfolgsmessung im BTHG – Versuch ei-

ner Begriffs-/Problemklärung aus Sicht eines Leistungsträgers“, DVfR Ad-hoc-Ausschuss „Umsetzung des BTHG“ am 29.11.2017 in Kassel

Gromann, Petra/ Brückner, Anke (2014): Abschlussbericht Projekt „Wie misst man Teil-habe in der Eingliederungshilfe“

Hagen, Jutta (2002): Zur Befragung von Menschen mit einer geistigen oder mehrfachen Behinderung. In: Geistige Behinderung, 41 (2002) 4, S. 293-306

Klemperer, David (2008): Evidenzbasierte Medizin – ein Überblick, in: Dr. med. Mabuse, S. 24-27

Kubek, Doreen/ Kurz, Bettina (2013): Kursbuch Wirkung. Das Praxishandbuch für alle, die Gutes noch besser tun wollen, Phineo gAG

Landschaftsverband Rheinland (LVR) (2017): BEI NRW https://www.lvr.de/me-dia/wwwlvrde/soziales/aktuelles_und_service/dokumente/dezernatsmeldun-gen_1/bei_nrw_-_2017-11-30.pdf, 13.07.2018

Page 30: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Wirkung, Wirkungskontrolle und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe Seite 29

Landschaftsverband Rheinland (LVR) (2017): IHP 3.1. Handbuch Individuelle Hilfeplanung 2017

Malik, Fredmund (2006): Führen Leisten Leben. Wirksames Management für eine neue Zeit, 2. Ausgabe, Campus Verlag

Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS): www.mds-ev.de, IGeL-Monitor, 2018, https://www.igel-monitor.de, 28.03.2018

Mühlhauser, Ingrid/ Meyer, Gabriele (2016): Evidenzbasierte medizin-Klarstellung und perspektiven, in: Deutsches Ärzteblatt 11/2016, A 486-8

Oliva, Hans/ Jaschke, Heinz/ Schlanstedt, Günter (2017): Weiterentwicklung der Teilhabe und des Hilfeplanverfahrens in der Eingliederungshilfe, in: Nachrichtendienst des Dt. Ver-eins, Dezember 2017, S. 555-561

Schmachtenberg, Rolf (2018): Politik braucht Informationen: Zahlen, Daten, Fakten und die Sicht Betroffener, in: Speck, Andreas, Steinhart, Ingmar (Hrsg.) (2018): Abgehängt und chancenlos? Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Be-einträchtigungen, Psychiatrie Verlag, S. 33-39

Schneider, Armin (2011): Professionelle Wirkung zwischen Standardisierung und Fallver-stehen: Zum Stand der Wirkungsforschung, in: Eppler, Natali/ Miethe, Ingrid/ Schneider, Armin (Hrsg.) (2011): Qualitative und quantitative Wirkungsforschung, Verlag Barbara Budrich

Speck, Andreas/ Steinhart, Ingmar (2018): Abgehängt und chancenlos? Teilhabechancen und –risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen. Psychiatrie Verlag, Köln 2018, S. 7

Tanekenov, Aslan et al. (2017): Empowerment, Capabilities and Homelessness. The Limi-tations of Employment-focused Social Enterprises in Addressing Complex Needs. In: Housing, Theory and Society 1, S. 1–19

Tornow, Harald (2005): Wirkung und Effizienz. Begriffsdefinitionen, http://els-insti-tut.de/tl_files/Bilder/Qualitaetsmanagement/Begriffe_Wirkung-Effizienz.pdf, 28.03.2018

Welti, Felix (2017): Präsentation zum Thema „Wirkungsbeurteilung/Erfolgsmessung im Bundesteilhabegesetz“, DVfR Ad-hoc-Ausschuss „Umsetzung des BTHG“ am 29.11.2017 in Kassel

Weymayr, Christian (2013): Was nicht wirkt, nützt nimmermehr, in: brand eins (2013): Schwerpunkt Fortschritt wagen, https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirt-schaftsmagazin/2013/fortschritt-wagen/was-nicht-wirkt-nuetzt-nimmermehr, 28.03.2018

Page 31: Bethel zum BTHG · Im Kontext evidenzbasierter Medizin wird unter Wirksamkeit die Summe aller erwünschten Wir-kungen verstanden (Weymayr 2013). Vorrangig geht es hier darum, die

Notizen:

Impressum

Herausgeber v. Bodelschwinghsche Stiftungen BethelStiftung Bethel Projekt »Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes« Grete-Reich-Weg 9 · 33617 Bielefeld

www.bethel.de / bthg · E-Mail: [email protected]