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XI Bemessung von Stahlbeton- und Spannbeton- bauwerken unter Erdbebenbeanspruchung Franz-Hermann Schlu ¨ ter, Karlsruhe Michael Baur, Karlsruhe Hans Cu ¨ ppers, Karlsruhe Andreas Fa ¨ cke, Karlsruhe Slobodan Kasic, Karlsruhe Cornelius Ruckenbrod, Karlsruhe BetonKalender 2008

Beton-Kalender 2008 (Schwerpunkte: Konstruktiver Wasserbau, Erdbebensicheres Bauen) || Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken unter Erdbebenbeanspruchung

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XI Bemessung vonStahlbeton- und Spannbeton-bauwerken unterErdbebenbeanspruchungFranz-Hermann Schluter, Karlsruhe

Michael Baur, Karlsruhe

Hans Cuppers, Karlsruhe

Andreas Facke, Karlsruhe

Slobodan Kasic, Karlsruhe

Cornelius Ruckenbrod, Karlsruhe

BetonKalender 2008

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1 VorbemerkungDas Thema Erdbeben wird in verschiedenen ande-ren Beitragen dieser Publikation bereits behandelt.Sowohl die neue DIN 4149 als auch der Euro-code 8 sind dabei angesprochen. Der vorliegendeBeitrag befasst sich schwerpunktmaßig mit derAuslegung von Stahlbeton- und Spannbetonbau-werken und deren Besonderheiten. Neben demublichen Hochbau wird das Vorgehen bei Inge-nieurbauwerken wie Brucken, Behalter und Silosbeschrieben. Um Wiederholungen zu vermeiden,werden die allgemeinen Grundsatze und Rechen-verfahren und Nachweismethoden als bekanntvorausgesetzt. Jedoch werden einige erganzendeHinweise gegeben, die fur das Verstandnis unddie tagliche Praxis von Bedeutung sind.

1 EinfuhrungErdbeben sind Naturereignisse, die ein sehr hohesSchadenspotenzial in sich bergen. Um Leben undInvestitionsguter vor den Folgen solcher Ein-wirkungen zu schutzen, mussen Bauwerke hier-fur ausgelegt werden. In der BundesrepublikDeutschland und auch anderen Landern Zentral-europas wird der Erdbebengefahrdung sowohlin der Bevolkerung als auch in Fachkreisenallerdings wenig Bedeutung beigemessen. GroßeSchadenbeben sind hier in der letzten Zeit gluck-licherweise nicht aufgetreten, sodass im Er-fahrungsbereich der Bevolkerung das Bewusst-sein hierfur nicht ausgepragt ist. Sicherlich sindLander wie Deutschland oder �sterreich im Ver-gleich zu anderen Landern als Gebiete niedrigerSeismizitat, d. h. als Schwachbebengebiete, zu be-zeichnen, dennoch ist die Gefahr und das damitverbundene Schadenspotenzial auch hier nicht zuvernachlassigen.

Im vorliegenden Beitrag soll ein �berblick uberdie neuen Regelungen und Hintergrunde derDIN 4149 [4] sowie des EC 8 [6] bezuglich derAuslegung von Stahlbeton- und Spannbetonbau-werken sowie prinzipielle Vorgehensweisen ge-geben werden. Auf Probleme bei der Umsetzungin der Praxis wird hingewiesen.

2 Regelwerke undAnwendungsgebiete

Fur den ublichen Hochbau liegt seit April 2005 dieneue Erdbebennorm DIN 4149 „Bauten in deut-schen Erdbebengebieten“ [4] als Weißdruck vorund wurde zwischenzeitlich in einigen Bundes-

landern wie z. B. in Baden-Wurttemberg bauauf-sichtlich eingefuhrt. Sie ist damit sowohl beineuen Bauvorhaben als auch bei Umbau- undErweiterungsmaßnahmen anzuwenden. Gegen-uber der Vorgangernorm aus dem Jahr 1981 [5]haben sich eine Reihe von �nderungen ergeben,wie der gestiegene Umfang von 12 Seiten aufuber 80 Seiten verdeutlicht. Diese Norm gilt furEntwurf, Bemessung und Konstruktion baulicherAnlagen des ublichen Hochbaus aus Stahlbeton,Stahl, Holz oder Mauerwerk. Andere Bauwerkewie z. B. Brucken etc. sind hier nicht geregelt.Fur uber den Anwendungsbereich der DIN 4149hinausgehende Bauwerke liegen – mit Ausnahmevon Silobauwerken in DIN 1055-6 [18] – keinedeutschen Vorschriften vor. Hier muss auf euro-paische Regelwerke, sofern verfugbar und an-wendbar, zuruckgegriffen werden.

Auf europaischer Ebene entstand parallel zurneuen DIN 4149 der Eurocode 8 „Auslegung vonBauwerken gegen Erdbeben“ in verschiedenenTeilen. Der Teil 1 (EN 1998-1:2004) [6] mit 229Seiten beinhaltet die Auslegung ublicher Hoch-bauten einschließlich der Beschreibung der Ein-wirkung und ubergeordneter Regelungen, ver-gleichbar mit DIN 4149. In den anderen Teilendes EC 8 (vgl. z. B. [8, 13, 15]) wird immer wiederhierauf Bezug genommen. Die Anwendung in derPraxis ist derzeit jedoch noch nicht moglich, dadie nationalen Anhange (NA) erst erarbeitet wer-den. Der Eurocode 8 umfasst die folgenden Teile:

Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkung undRegeln fur den Hochbau

Teil 2: BruckenTeil 3: Beurteilung und Ertuchtigung von

GebaudenTeil 4: Silos, Tanks und PipelinesTeil 5: Grundungen, Stutzbauwerke und

geotechnische AspekteTeil 6: Turme, Maste und Schornsteine

Die neue DIN 4149 wurde erstellt, obwohl fastzeitgleich die zweite Generation des EC 8 ent-wickelt wurde. Die grundlegenden Philosophienund Vorgehensweisen in beiden konkurrierendenVorschriften sind zwar ahnlich, jedoch sollten inder DIN 4149 die fur das SchwachbebengebietDeutschland typischen Besonderheiten beruck-sichtigt werden, verbunden mit zahlreichen Ver-einfachungen gegenuber den europaischen Erd-bebenvorschriften, die insbesondere fur Stark-bebengebiete konzipiert sind (siehe z. B. [66]).

311Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Beton-Kalender 2008: Konstruktiver Wasserbau – Erdbebensicheres BauenHerausgegeben von Konrad Bergmeister und Johann-Dietrich WornerCopyright c 2008 Ernst & Sohn, BerlinISBN: 978-3-433-01839-2

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Aus dieser Tatsache ergibt sich die Schwierigkeit,dass viele Grundlagen der DIN 4149 nicht ohneProbleme in die NA des EC 8 Teil 1 ubertragenwerden konnen. Eine Besonderheit besteht z. B.darin, dass im Eurocode 8 als Grundlage derEinwirkungsbeschreibung die sog. Peak GroundAcceleartion (PGA) als die zu erwartende maxi-male Bodenbeschleunigung verwendet wird undsowohl die Spektren als auch die nachfolgendenBemessungen hierauf abgestimmt sind. In derDIN 4149 wird dagegen von einem Bemessungs-wert der Bodenbeschleunigung ag, der nicht mitdem PGA-Wert identisch ist, ausgegangen unddas Bemessungsverfahren und die konstruktivenRegeln hierauf abgestimmt. Im Anwendungs-bereich der DIN 4149 fuhrt der Ansatz dieser inder Regel kleineren ag-Werte zusammen mit denanderen Regeln der Norm zu hinreichend sicherenbaulichen Anlagen. Folglich kann die Beschrei-bung der Einwirkung nicht ohne zusatzliche�berlegungen von DIN 4149 in den NA zumEC 8 Teil 1 ubertragen werden.

Dies verdeutlicht, dass derzeit wichtige Grund-lagen fur die Anwendung des EC 8 fehlen. Bezugelaufen oft ins Leere. In der Praxis ist die Anwen-dung ohne weitere Vorgaben in Abstimmung mitder Bauaufsicht und den Planungsbeteiligten nichtmoglich. So ist z. B. die Anwendung des EC 8Teil 2 fur Brucken nur sehr eingeschrankt mog-lich. Wenn Verweise zum Teil 1 des EC 8 ins Leerelaufen, weil nationale Festlegungen noch fehlen,kann nur sinngemaß auf die DIN 4149 zuruck-gegriffen werden. Dieses Vorgehen ist jedochbauaufsichtlich nicht geregelt. Die gegenseitigenAbhangigkeiten der Regelwerke am Beispiel desBruckenbaus sind in Bild 1 skizziert.

3 Grundlagen3.1 Erdbebensicherung allgemein

Ziel der Erdbebensicherung ist in erster Linieder Personenschutz, d. h. bei starken Beben musslediglich ein katastrophales Versagen (Einsturz)

der Tragkonstruktion vermieden werden. Beibaulichen Anlagen, die fur die Allgemeinheitvon Bedeutung sind, ist auch die Erhaltung derFunktionstuchtigkeit notwendig. Dies gilt z. B.fur Einrichtungen des Katastrophenschutzes undKrankenhauser.

Bei der Erdbebensicherung werden ubliche Bau-werke nicht so stark ausgebildet, dass sie den ma-ximalen Erdbebenkraften ohne großen Schadenwiderstehen konnen, was in der Regel zu unwirt-schaftlichen Konstruktionen fuhren wurde. Viel-mehr wird das Bauwerk oder einzelne Bauteileduktil ausgebildet, sodass es sich durch plastischeVerformungen und Energieverzehr weitgehendden aufgezwungenen Bodenverschiebungen ent-ziehen kann und nur fur reduzierte Erdbeben-einwirkungen, jedoch mit bleibenden Verformun-gen und Schaden, ausgelegt werden muss. Bild 2zeigt dieses Auslegungsprinzip anhand idealisier-ter Kraft-Verformungsdiagramme.

Die Grundaufgabe der Erdbebensicherung bestehtfolglich darin, durch Entwurf, Konstruktion undBemessung die einem Bauwerk durch Boden-bewegungen zugefuhrte Schwingungsenergie sozu lenken, zu verteilen und in andere Energie-formen umzuwandeln, dass große Zerstorungenvermieden werden. Dementsprechend ist auf einklar strukturiertes Tragwerk mit weitgehenden Re-gelmaßigkeiten sowohl im Grundriss als auch uberdie Bauwerkshohe zu achten. Hinsichtlich derraumlichen Tragfahigkeit und Steifigkeit kommtneben den vertikalen Tragelementen der Scheiben-wirkung der Geschossdecken große Bedeutung zu.Durch die konstruktive Ausbildung der Grundungund deren Verbindung zum aufgehenden Bauwerkmuss sichergestellt werden, dass große Relativver-schiebungen der Grundungskorper untereinanderverhindert werden und das gesamte Bauwerk ineinheitlicher Art und Weise durch die Erdbeben-bewegung beansprucht wird. Die einzelnen Bau-teile sind so auszubilden, dass sie auch unter zykli-schen Beanspruchungen eine ausreichende Fahig-keit zur Energiedissipation ohne wesentlichenAbfall ihrer Tragfahigkeit gegenuber horizontalenund vertikalen Lasten besitzen.

Durch die geforderte Regelmaßigkeit des Gebau-des im Grundriss und im Aufriss kann die Erd-bebenbeanspruchung der einzelnen Bauteile ge-nauer erfasst und bei deren Auslegung zielsicherberucksichtigt werden. Nicht zuletzt ist der fureinen Erdbebennachweis erforderliche Modellie-rungs- und Berechnungsaufwand – z. B. ebenesoder raumliches Modell und Berucksichtigungeiner oder mehrerer Schwingungsformen – vonder Regelmaßigkeit des Bauwerks abhangig. Derfruhzeitigen Abstimmung zwischen Architekt undTragwerksplaner im Hinblick auf einen erdbeben-gerechten Entwurf kommt große Bedeutung zu.

312 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 1. Zusammenwirken der aktuellen Regelwerkeam Beispiel Bruckenbau

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Die Aufgabe der Erdbebensicherung ist rechtkomplex. Dies liegt insbesondere daran, dass dieArt und Große der Erdbebeneinwirkung in hohemMaße vom Bemessungsergebnis selbst abhangt –tatsachliches raumliches Schwingungsverhalten,globale und lokale Duktilitat. Folglich ist ein ite-ratives Vorgehen notwendig, sofern nicht aus-reichend Erfahrung vorliegt. Hinzu kommt, dassviele Tragwerksplaner nicht sehr fundiert mit dy-namischen Problemstellungen vertraut sind. Beistatischen Betrachtungen kann man in der Regelleicht erkennen, ob eine konstruktive Maßnah-me auf der sicheren Seite liegt oder nicht. Bei dy-namischen Problemstellungen ist dies sehr vielschwieriger und oft nur mit sehr viel Erfahrungmoglich.

3.2 Beschreibung der Einwirkungen

Wahrend eines Erdbebens bewegt sich die Erd-oberflache innerhalb weniger Sekunden zyklischin horizontaler und vertikaler Richtung. Hierbeikonnen die Verschiebungen mehrere cm betragen.Zur Beschreibung dieses Vorgangs hinsichtlichder Auslegung von baulichen Anlagen wird ub-licherweise ein Antwortspektrum der Boden-beschleunigungen als sog. Freifeldspektrum defi-niert. Dies ist die Schnittstelle zwischen denSeismologen und Bauingenieuren. Mit den Ant-wortspektren werden die maximalen System-

antworten von Einmassensystemen, charakteri-siert durch die Eigenschwingzeit, bei Anregungdurch eine Vielzahl unterschiedlicher Zeitverlaufeder Bodenbewegungen bzw. Beschleunigungenbeschrieben. Die Form des Spektrums ist standort-abhangig und wird bestimmt durch die lokalenund geologischen Untergrundverhaltnisse sowieden Bemessungswert der Bodenbeschleunigungals charakteristischer Wert der lokal wirkendenErdbebenstarke.

In DIN 4149 sind fur den dort definierten An-wendungsbereich Erdbebenzonen auf Basis vonIntensitaten nach EMS-Skala sowie geologischeUntergrundklassen festgelegt. Soll der Eurocode 8angewendet werden, kann momentan unter inge-nieurmaßigen Betrachtungen nur auf die Einwir-kungsbeschreibung (Zone, Untergrund, Beschleu-nigung, Spektrum) der DIN 4149 zuruckgegriffenwerden, solange die NA noch nicht fertiggestelltsind.

3.2.1 Erdbebenzone undUntergrundverhaltnisse

Eine wichtige �nderung der aktuellen DIN 4149gegenuber der Vorgangernorm [5] besteht darin,dass die Erdbebenzonen auf Basis neuer seis-mologischer und geologischer Erkenntnisse neudefiniert wurden und sich in einigen Bereichendeutlich voneinander unterscheiden (vgl. Bild 3).

313Grundlagen

Bild 2. Elastische und duktile Auslegung (Reduktion mit Verhaltensbeiwert q)

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314 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 3. Erdbebenzonen nach alter und neuer DIN 4149; a) 1981, b) 2005

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Mit der Einordnung eines Standortes in eine Erd-bebenzone nach Bild 2 in DIN 4149 [4] wird der„Bemessungswert der Bodenbeschleunigung“ agnach Tabelle 1 als Grundwert der Bodenbeschleu-nigung festgelegt. Gegenuber der alten Norm [5]weist die neue Karte nur noch drei Zonen auf, indenen Erdebeben bei der Auslegung von bau-lichen Anlagen zu beachten sind. Außerdem istnoch eine Zone 0 ausgewiesen, in der zwar nochErdbeben geringer Starke auftreten konnen, je-doch bei der Auslegung nicht explizit beruck-sichtigt werden mussen.

Die am Bauwerksstandort vorliegenden Unter-grundverhaltnisse werden in DIN 4149 durchuntergrundabhangige Antwortspektren beruck-sichtigt (vgl. Bild 5). Die Untergrundeigenschaf-ten ab 20 m Tiefe werden durch die geologischenUntergrundklassen R(ock), S(ediment) und T(ran-sition) nach Bild 3 in [4] und die Eigenschaftender oberflachennahen Bodenschichten durch dieBaugrundklassen A, B und C nach Tabelle 4 in[4] erfasst. Dabei sind nur sechs geologisch sinn-volle Kombinationen moglich – auf einen weichengeologischen Untergrund kann z. B. kein fels-artiger Baugrund folgen. Falls kein Baugrund-gutachten vorliegt, ist die Baugrundklasse C zuwahlen. Der Einordnung eines Standortes in eineErdbebenzone bzw. in eine geologische Unter-grundklasse sind die diesbezuglichen Karten bzw.Festlegungen der einzelnen Bundeslander zu-grunde zu legen.

3.2.2 Bedeutungskategorie eines Bauwerks

Je nach Gefahrdungspotenzial (z. B. Anzahl derPersonen im Gebaude) und Bedeutung eines Ge-baudes fur die Allgemeinheit (z. B. Krankenhaus)werden unterschiedliche Anforderungen an dieErdbebensicherung von Bauwerken gestellt. Da-her ist jedes Bauwerk entsprechend seiner Nut-zung in eine Bedeutungskategorie nach Tabelle 3in [4] einzuordnen. Mit dieser ist der Bedeutungs-beiwert gI verknupft, der die Große der anzu-setzenden Beschleunigung linear beeinflusst.

Unter bestimmten Bedingungen (s. Abschn. 7.1in [4]) durfen rechnerische Standsicherheitsnach-weise fur Bauwerke der Bedeutungskategorien Iund II in allen Erdbebenzonen und fur Bauwerkeder Bedeutungskategorie III in Erdbebenzone Ientfallen. Die Standsicherheit von Bauwerkender hochsten Bedeutungskategorie IV muss injedem Fall rechnerisch nachgewiesen werden.Die Bedeutungskategorien II bis IV korrespon-dieren mit den Bauwerksklassen 1 bis 3 in deralten Normenfassung [5]. Die anzusetzendenEinwirkungen werden nun allerdings nicht mehrabgemindert sondern durch den Bedeutungsbei-wert erhoht.

3.2.3 Duktilitatsklasse und Verhaltensbeiwert q

Wie in Bild 2 dargestellt, wird bei der Erdbeben-sicherung nicht fur die maximal auftretendenKrafte ausgelegt. Vielmehr wird davon Kredit ge-nommen, dass sich einzelne Bauteile plastischverformen und sich so den maximalen Beanspru-chungen entziehen bzw. Energie dissipieren. Diessetzt jedoch voraus, dass sich das Bauwerk bzw.die relevanten Bauteile auch ausreichend plastischverformen konnen, ohne die Tragfahigkeit zu ver-lieren, auch nicht nach mehreren Belastungs-zyklen. Die Fahigkeit zu großen Verformungen(Duktilitat) hangt dabei vom Tragsystem (Rah-men, Wandscheiben, Pendel), vom Werkstoff,vom Querschnitt (Bewehrung von Stahlbeton-querschnitten) und nicht zuletzt von den Verbin-dungen ab (z. B. beim Holzbau).

DIN 4149 erlaubt, dem individuellen duktilenVerhalten eines Bauwerks Rechnung zu tragen.Hierzu ist die Einordnung der lastabtragendenBauteile in eine bauartspezifische Duktilitats-klasse erforderlich. Fur diese ist der Verhaltens-beiwert q zu bestimmen, durch den das elastischeAntwortspektrum in das Bemessungsspektrummit reduzierten Ordinaten uberfuhrt wird. Fur diehiermit ermittelte reduzierte Beanspruchung wirdanschließend die Bemessung durchgefuhrt.

Da die tatsachlich vorhandene Duktilitat einesBauwerks nur sehr grob ermittelt werden kann,werden Duktilitatsklassen eingefuhrt – Stahl undHolz 3 Duktilitatsklassen, Stahlbeton 2 Dukti-litatsklassen. Diesen Klassen sind Verhaltensbei-werte q und konstruktive Maßnahmen zur Sicher-stellung der angenommenen Duktilitat zugeord-net. Niedrige Duktilitatsklassen sind mit geringenVerhaltensbeiwerten (z. B. q w 1,5) verknupft,stellen jedoch auch nur geringe konstruktiveAnforderungen zur Sicherung der Verformungs-fahigkeit. Hohe Duktilitatsklassen weisen großereVerhaltensbeiwerte auf, die zu großeren Lastre-duzierungen fuhren, gleichzeitig aber aufwendigekonstruktive Maßnahmen erfordern.

315Grundlagen

Tabelle 1. Erdbebenzonen, Intensitatsintervalleund zugehorige Bemessungsbeschleunigungennach [4]

Erdbebenzone Intensitatsintervall I ag [m=s2]

0 6,0 J II 6,5 –

1 6,5 J II 7,0 0,4

2 7,0 J II 7,5 0,6

3 Ij 7,5 0,8

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Werden bei einem Bauwerk verschiedene Bau-arten bzw. Baustoffe fur die an der Aufnahmevon Erdbebenbeanspruchungen beteiligten Trag-werksteile verwendet, so wird der Verhaltensbei-wert q des gesamten Bauwerks durch das Trag-werksteil mit dem kleinsten Verhaltensbeiwertbestimmt. Alle anderen Bauteile mussen dann ineine diesem Verhaltensbeiwert entsprechendeDuktilitatsklasse eingeordnet werden.

Auf eine Besonderheit der DIN 4149 soll hin-gewiesen werden. Nach Abschnitt 7.1 (2) darfbauartenunabhangig der Tragfahigkeitsnachweisfur die seismische Lastkombination mit einemVerhaltensbeiwert q w 1,0 gefuhrt werden, ohnedass besondere Anforderungen an die Duktilitatund konstruktive Ausbildung gestellt werden.Hierbei sind die Teilsicherheitsbeiwerte fur Bau-stoffeigenschaften entsprechend der standigenundvorubergehendenBemessungssituation zuver-wenden. Die wechselnden Beanspruchungsrich-tungen sind selbstverstandlich zu beachten. Hier-durch ist es moglich, auch solche Baustoffe undBauarten anzuwenden, fur die in der Norm keineexpliziten Regelungen enthalten sind. BesondereAnforderungen an die Duktilitat werden hier nichtgestellt. Soll z. B. ein Spannbetonbauteil primarfur die Abtragung der Erdbebenbelastungen ge-nutzt werden, ist hier in der Regel ein Wert vonqw 1,0 zu verwenden.

Eine �bersicht uber die Bandbreite fur q inAbhangigkeit der verwendeten Baustoffe bzw.Bauart bietet Tabelle 2. Hieraus wird ersichtlich,dass die Verhaltensbeiwerte im Betonbau im Ver-gleich mit den anderen Baustoffarten vergleichs-weise moderat festgelegt wurden.

3.2.4 Abschatzung wirksamer Massen

Erdbebenkrafte sind als Tragheitskrafte denschwingenden Massen direkt proportional. Furdie Erdbebenuntersuchung von Gebauden sinddaher die sich an den Schwingungen beteiligen-den Massen aus Eigenlasten sowie den wahr-scheinlich vorhandenen Nutzlasten und Schnee-lasten abzuschatzen. Fur die Ermittlung der wirk-

samen Massen ist nach DIN 4149 die Summe allerstandigen Einwirkungen Gki und die Summe allerveranderlichen Einwirkungen Qki multipliziertmit dem jeweiligen Kombinationsbeiwert cEi

anzusetzen.XGki �

XcEi � Qki

mit

cEi wf � c2i (1)

Der Kombinationsbeiwert c2 ist der Tabelle A.2in DIN 1055-100 [1] in Abhangigkeit von Lastartund Bauwerksnutzung zu entnehmen. Mitwir-kende Massen aus Schnee waren nach DIN 4149bzw. DIN 1055-100 erst bei Standorten uber1000 m NN-Hohe mit c2 w 0,2 zu berucksich-tigen. Gemaß Einfuhrungserlass der DIN 4149ist jedoch in Baden-Wurttemberg wie bisher diehalbe Schneelast (c2 w 0,5) zu berucksichtigen.Der Beiwert f ergibt sich aus Tabelle 6 in [4].

Massen aus Wanden werden ublicherweise halftigden Massen der jeweiligen Geschossdecken zu-geordnet. Fur �berschlage und Vorentwurfe istes wegen des geringeren Aufwandes oft sinnvollund ausreichend, mit gleichen Massen in allenGeschossen zu rechnen.

3.2.5 Ermittlung von Grundschwingzeiten

Eine schwingendes System kann durch seineEigenperiode T bzw. Eigenfrequenz f w 1=T cha-rakterisiert werden. Die Erdbebenuntersuchungvon Hochbauten lasst sich oftmals auf die Unter-suchung eines starr in die Grundung einge-spannten Ersatzstabes (Biegestab) mit konstanterSteifigkeit und annahernd konstanten Geschoss-massen zuruckfuhren. Die Grundschwingzeit T1

eines solchen Systems kann fur jede Beanspru-chungsrichtung z. B. mithilfe der nachfolgendenGl. (2) (aus [67]) abgeschatzt werden. Zur Bestim-mung der Gesamtsteifigkeit des Ersatzstabes sinddabei zunachst die Einzelsteifigkeiten der Wand-scheiben fur Erdbeben in X- und Y-Richtung zuermitteln. Die zur jeweiligen Grundschwingzeitkorrespondierende Eigenfrequenz ergibt sich ausf1 w 1=T1.

T1 w2pH2

a21

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffim

h � EI

r(2)

mit

H w Gesamthohe des Bauwerks [m]

h w Geschosshohe [m]

m w Geschossmasse [kg]

EI w Steifigkeit (O konstant) [Nm2]

a1 w Schwingzeitbeiwert (nach Tabelle 3)

316 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Tabelle 2. Bandbreite der Verhaltensbeiwerte q furverschiedene Baustoffarten

Bauart min q max q

Betonbau 1,5 3,0

Stahlbau 1,5 8,0

Holz 1,5 4,0

Mauerwerk 1,5 2,5

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Alternativ konnte auch die in DIN 4149:1981-04[5] angegebene Beziehung zur Ermittlung derEigenschwingzeit T1 verwendet werden; die dortangegebene Formel erlaubt die Berucksichtigungeiner elastischen Einspannung.

T1 w 1,5

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffih

3EIS

1

CkIF

� � Xnjw 1

(GjSPj) z2j

vuut (3)

In der vorstehenden Naherungsformel bezeichneth die Gesamthohe in [m], EI die Gesamtsteifigkeit[MNm2] des Gebaudes fur Erdbeben in derjeweiligen Richtung und der Ausdruck CkIF

den Einfluss einer nachgiebigen Grundung. ImSummenausdruck stehen die der wirksamen Ge-schossmasse mj aquivalenten Gewichtskrafte Gj[MN] und Pj [MN], die in der Hohe zj [m] uberder Einspannung in die Grundung wirken.

Weitere Formeln zur Ermittlung von Grund-schwingzeiten bzw. Eigenfrequenzen finden sichz. B. in [26, 50, 67].

3.2.6 Antwortspektrum und Bemessungswerteder Beschleunigung

Ist die Eigenperiode T eines schwingungsfahigenSystems bekannt, kann die maximale Reaktioninfolge Erdbebenerregung an einem Antwort-spektrum, welches die Einhullende der maximalenReaktionen gedachter Einmassenschwinger dar-stellt, abgelesen werden. Sehr steife Bauwerke(Eigenperiode Tp 0) verhalten sich wie ein Starr-korper und erfahren ahnlich große Beschleuni-gungen wie der Baugrund (Starrkorperbeschleuni-gungen). Sehr weiche Bauwerke (TwT) konnensich aufgrund ihrer Tragheit teilweise den Erd-bebenbeanspruchungen entziehen; sie merkennur zeitversetzt, dass ihr Fußpunkt verschobenwurde und erfahren daher kleinere Beschleuni-gungen als der Baugrund. Im mittleren Bereichdes Antwortspektrums konnen durch Resonanzvon Bauwerk und Baugrund Beschleunigungenbis zur 2,5-fachen Bodenbeschleunigung auf-treten (sog. spektrale �berhohung).

Die Neufassung von DIN 4149 enthalt abschnitts-weise definierte, untergrundabhangige elastischeAntwortspektren. Die vier Kurvenbereiche wer-den durch die Kontrollperioden TA bis TD nachTabelle 4 in [4] begrenzt. Die Breite des Bereichskonstanter Beschleunigungen (Plateaubereich)wird durch TB und TC bestimmt (vgl. Bild 4). DieOrdinaten des Spektrums, d. h. die Große derBeschleunigungen hangen vom Bemessungswertder Bodenbeschleunigung ag in der jeweiligenErdbebenzone, dem Bodenparameter S und demBedeutungsbeiwert gI des Bauwerks ab. Es er-

317Grundlagen

Tabelle 3. Schwingungsbeiwerte a1 in Abhangig-keit der Geschosszahl n fur starr in die Grundungeingespannte Biegestabe (aus [67])

n a1

1 1,32

2 1,53

5 1,71

10 1,78

Bild 4. Elastisches Antwortspektrumnach neuer DIN 4149 (Bild 4 aus [4])

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geben sich je nach Untergrundbedingungen Ant-wortspektren mit unterschiedlich hohen und brei-ten Plateaubereichen (vgl. Bild 5). Fur ublicheMassivbauten sind in der Regel der Plateaubereichund der abfallende Ast des Spektrums relevant.

Zur Ermittlung der anzusetzenden Horizontal-beschleunigungen mussen zunachst die Spektral-werte aus dem elastischen Antwortspektrum – inAbhangigkeit von der jeweiligen Eigenperiodebzw. Grundschwingzeit T des Bauwerks – ent-nommen werden. Um die Bemessungswerte derBeschleunigung zu erhalten, mussen die so er-mittelten elastischen Spektralwerte noch durchdie zugehorigen Verhaltensbeiwerte q dividiertwerden.

Im Antwortspektrum fuhren hohe, weiche Bau-werke gegenuber niedrigeren, steifen Bauwerkenzu großeren Schwingzeiten und damit zu gerin-geren anzusetzenden Beschleunigungen. GroßereVerhaltensbeiwerte fuhren durch starkere Redu-zierungen der elastischen Werte zu geringerenBemessungswerten der Beschleunigung.

3.3 Standsicherheitsnachweise

Die allgemeinen Berechnungskonzepte werdenals bekannt vorausgesetzt. An dieser Stelle solljedoch noch auf die Standsicherheitsnachweiseallgemein eingegangen werden, bevor im Nach-sten Abschnitt die speziellen Regelungen furBetonbauten kurz erlautert werden.

Der Nachweis der Standsicherheit gilt bei ein-fachen Bauwerken als erbracht, wenn bestimmtein der Norm aufgefuhrte Konstruktionsmerkmaleeingehalten werden. Der Nachweis gilt auch alserbracht, wenn die mit qw 1 (elastisches Antwort-spektrum) ermittelte Gesamterdbebenkraft in je-der Richtung kleiner ist als die Gesamthorizon-talkraft einschließlich Teilsicherheitsbeiwert furdie betrachtete Einwirkung (z. B. Windeinwirkun-gen), fur die das Bauwerk bei den ublichenKombinationen auf Basis einer linear-elastischenBerechnung fur die entsprechende Richtung be-messen wird.

Sind genauere Nachweisverfahren erforderlich, istdie Tragfahigkeit und die erforderliche Duktilitatin Abhangigkeit des fur die Schnittgroßenermitt-lung zugrunde gelegten Verhaltensbeiwertes q furdie tragenden Bauteile und das Gesamttragwerknachzuweisen.

3.3.1 Nachweisformat

In der alten DIN 4149 sind die Regelungen bezug-lich der Nachweise zur Standsicherheit relativkurz gehalten. Als Lastfallkombination sind dieSchnittgroßen nach Theorie 1. Ordnung infolgeregelmaßig auftretender Lasten – jedoch ohneWindlasten – mit dem Lastfall Erdbeben zu uber-lagern. Auf Basis des fruher ublichen globalenSicherheitskonzeptes sind fur die so nach derElastizitatstheorie ermittelten Schnittgroßen zu-lassige Sicherheitsbeiwerte bzw. Spannungen ein-

318 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 5. Elastische Antwortspektren fur Erdbebenzone 3 mit ag w 0,8 [m=s2] inAbhangigkeit der Untergrundverhaltnisse A-R, B-R, B-T, C-R, C-T, C-S

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zuhalten, die fur die verschiedenen Baustoffe bzw.-arten angegeben werden. Die gesamten material-spezifischen Regelungen einschließlich der kon-struktiven Maßnahmen zur Gewahrleistung einerausreichenden Zahigkeit sind in der alten Normauf einer einzigen Seite geregelt.

Die Regelungen in der neuen DIN 4149 sind da-gegen wesentlich umfangreicher. Sie lehnen sichsehr stark an den neuen EC 8 Teil 1 an. Gegenuberdem Entwurf der DIN 4149 von 2004 wurden inder aktuellen Fassung noch zahlreiche �nderun-gen und Prazisierungen vorgenommen, die sichteils aus den Anregungen zahlreicher Einsprucheergeben haben, teils aus Anpassungen an denneuen EC 8. Dies betrifft insbesondere auch diematerialspezifischen Regelungen.

In Anpassung an die neue Normengeneration mitTeilsicherheitsbeiwerten und neuen Kombina-tionsregeln ist der Grenzzustand der Tragfahig-keit in der Erdbebenbemessungssituation nach-zuweisen. Forderungen zum Grenzzustand derGebrauchsfahigkeit werden im Hinblick auf dieprimare Zielrichtung der Norm – Vermeidungvon Personenschaden – nicht erhoben und bleibendem Bauherrn uberlassen. Gemaß DIN 1055-100muss in der Bemessungssituation Erdbeben dieEinwirkung unter Berucksichtigung des Verhal-tensbeiwertes q kleiner sein als der Widerstand,d. h. der folgende Nachweis muss gefuhrt werden:

EdAE JRd

Rd wRfkgM

� �(4)

EdAE wEX

Gk,j�Pk� gl qAEd �X

C2,i �Qk,i

n oHinsichtlich des Nachweiskonzeptes und der Be-zeichnungen wird auf DIN 1055-100 verwiesen.Es sei darauf hingewiesen, dass der Beiwert g1nach DIN 1055-100 (Wichtungsfaktor fur Ein-wirkungen aus Erdbeben, Index 1) in Gl. (4) nichtidentisch ist mit dem Bedeutungsbeiwert gI (IndexI w Importance) nach DIN 4149. Der Wert g1 ausDIN 1055-100 ist grundsatzlich mit 1,0 anzu-nehmen. Ferner ist in der BemessungssituationErdbeben nur der wahrscheinlich vorhandene An-teil der nicht standigen Lasten zu berucksichtigenHieraus ergibt sich gegenuber der alten Norm einVorteil.

Die Beanspruchungen infolge Erdebeben AEd wirdentsprechend Gl. (5) bestimmt:

AEd wAX

Gk,j �X

f �C2,i � Qk,i

n o(5)

Das Schwingungsverhalten und die Massentrag-heitskrafte werden aus den charakteristischenWerten der standigen Einwirkung Gk,i (Eigen-gewicht) sowie einem Anteil der Nutz- und Ver-

kehrslasten Qk,i ohne Teilsicherheitsbeiwert, je-doch unter Berucksichtigung spezieller Kombi-nationsbeiwerte f �C2,i ermittelt. Da es sich beimErdbeben um einen zyklischen Vorgang handelt,sind alle Schnittgroßen mit wechselnden Vor-zeichen zu betrachten.

3.3.2 Ermittlung der horizontalenErdbebenersatzkrafte

Bei regelmaßig aufgebauten Tragwerken, die ge-wisse Anforderungen an die Grundschwingzeiterfullen (T1 J 4 � TC), darf die Ermittlung derhorizontalen Erdbebenersatzkrafte nach dem „ver-einfachten Antwortspektrenverfahren“ erfolgen,bei dem gegenuber dem allgemeinen Antwort-spektrenverfahren nur die erste Eigenform beruck-sichtigt wird, da die hoheren Eigenformen keinennennenswerten Beitrag zur Gesamtschwingungliefern. Beim vereinfachten Antwortspektrenver-fahren nach DIN 4149 ist zunachst die Gesamt-erdbebenkraft Fb zu bestimmen, wobei M dieGesamtmasse des Bauwerks und l ein Korrektur-faktor fur die effektive modale Masse in der erstenEigenform (Grundeigenform) ist.

T1 J 4 � TCFb w Sd T1ð Þ �M � l (6)

l w 0,85 f€uur T1 I 2 TC und

ni 2 Geschosse, sonst lw 1,0

M w n � mG

Der Verteilung der Gesamterdbebenkraft auf dieeinzelnen Geschosse werden die Verschiebungensi der Massenpunkte mi in der Grundschwingungs-form zugrunde gelegt. Diese konnen z. B. durchAufbringen der Erdbeschleunigung g in horizon-taler Richtung ermittelt werden. Alternativ darfeine uber die Hohe linear ansteigende Horizontal-verschiebung si unterstellt werden, die dann pro-portional zur Hohe zi ist. Die in der Hohe zi der je-weiligen Geschossdecke angreifende Horizontal-last Fi ergibt sich dann aus

319Grundlagen

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Fi wFb �si � miPsj � mj

wFb �zi � miPzj � mj

(7)

Die Gesamterdbebenkraft Fb wSFi entsprichtgleichzeitig der Querkraft QE an der Einspann-stelle in die Grundung. Das Einspannmoment indie Grundung ergibt sich aus ME wSFi � zi. Furgleiche Geschossmassenmi und gleiche Geschoss-hohen hi vereinfachen sich die vorstehenden Be-ziehungen. Mit zi w i � h ergibt sich

Fi wFb � (i=Xn1

i) (8)

ME wFb � h �Xn1

i2=Xn1

i

!(9)

3.3.3 Berucksichtigung von Torsionswirkungen

Bei vielen Bauwerken ist die Torsionswirkung umdie vertikale Achse fur die ublichen statischenLastkombinationen gering. Fur den LastfallErdbeben trifft dies jedoch oft nicht mehr zu.Hier muss die dynamische Torsionswirkung jenach Verteilung von Horizontalsteifigkeiten undMassen sowie des verwendeten Rechenmodellsberucksichtigt werden. Neben der tatsachlichenExzentrizitat e0 als Abstand zwischen Steifig-keitsmittelpunkt und Massenschwerpunkt sindnoch zusatzliche Exzentrizitaten e1 und ggf. e2zu berucksichtigen. Der Wert e1 beschreibt einezufallige Exzentrizitat infolge der Unkenntnis dergenauen Lage der Geschossmassen; der Wert e2berucksichtigt die dynamische Wirkung von sichgegenseitig beeinflussenden Translations- undTorsionsschwingungen, sofern dies im verwende-ten Rechenmodell nicht bereits in anderer Weiseerfasst wird.

Sofern die Bedingungen zur Anwendung desvereinfachten Antwortspektrenverfahrens erfulltsind, kann die Torsionswirkung durch exzentri-sche Anordnung der horizontalen Erdbeben-

ersatzkraft Fi im Abstand emin bzw. emax zum Stei-figkeitsmittelpunkt in jedem Geschoss ermitteltwerden. Der Bemessung der aussteifenden Bau-teile sind dann die extremalen Schnittgroßeninfolge der beiden Exzentrizitaten emin und emax(vgl. Bild 6) der Bemessung zugrunde zu legen.

Mi wFi � emax wFi � e0 S e1 S e2ð ÞMi wFi � emin wFi � 0,5 � e0 s e1ð Þ (9)

mit

e0 tatsachliche Ausmitte (Abstand zwischenMassen- und Steifigkeitsmittelpunkt)

e1 zufallige Ausmitte (0,05 · L bzw. 0,05 ·B,Unsicherheit in Massenverteilung)

e2 zusatzliche Ausmitte (Entkopplung derBiege- und Torsionsschwingungen)

Das hierdurch entstehende TorsionsmomentMi istauf die einzelnen Aussteifungselemente zu ver-teilen, wobei fur jede Wand der ungunstigere derbeiden Werte anzusetzen ist.

Alternativ zum o. g. Vorgehen, das bis auf dieneue Definition von emin dem Vorgehen in deralten Normenfassung entspricht, konnen Tor-sionswirkungen unter Umstanden auch durchpauschale Erhohungen der Schnittgroßen beruck-sichtigt werden (s. Abschn. 6.2.2.4.2, Abs. (1),(6) oder (8) von DIN 4149). Hierbei sind aller-dings die jeweiligen Bedingungen bezuglich derRegelmaßigkeit des Bauwerks zu beachten.

Bei Verwendung eines raumlichen Berechnungs-modells ist die genaue Erfassung der zufalligenTorsionswirkungen ohne umfangreiche Parame-terstudien nur schwer moglich. Daher kann dieseWirkung vereinfacht in jedem Geschoss i durchAnsatz eines Torsionsmomentes M1i um die ver-tikale Achse erfasst werden, wobei die Torsions-momente mit wechselnden Vorzeichen, fur alleGeschosse jeweils in die gleiche Richtung dre-hend, anzunehmen sind:

M1i we e1i � Fi (11)

320 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 6. Berucksichtigung der Exzentrizitaten bei vereinfachten Berechnungsmodellen

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3.3.4 �berlagerung verschiedenerEinwirkungsrichtungen

Die beiden orthogonalen Horizontalkomponentender Erdbebeneinwirkung sind im Allgemeinenals gleichzeitig wirkend zu betrachten. Werdendie Beanspruchungen am Tragwerk fur jede Hori-zontalrichtung x und y getrennt ermittelt, ist derMaximalwert jeder Beanspruchung als Quadrat-wurzel der Summe der Quadrate der fur die beidenRichtungen berechneten Einzelwerte zu ermitteln.Alternativ konnen die Beanspruchungen als Ein-hullende der beiden folgenden Kombinationenberechnet werden:

EEdx � 0,3 � EEdy

EEdy � 0,3 � EEdx (12)

Die Vertikalkomponente der Erdbebeneinwirkungbetragt in der Regel 70% der Horizontalkom-ponente. Sie braucht i. Allg. nur bei horizontalenTragelementen wie z. B. Biegetragern, die ver-tikale Elemente wie Stutzen tragen, berucksichtigtzu werden. Im �brigen ist diese Beanspruchungdurch die Auslegung gegen die ublichen Vertikal-lasten abgedeckt und braucht nicht gesondertnachgewiesen zu werden.

3.3.5 Verteilung der Erdbebenersatzkrafte aufdie Aussteifungselemente

Die Verteilung der horizontalen Erdbebenersatz-krafte Fi und die daraus resultierenden Torsions-momente auf die einzelnen Aussteifungselementej eines Geschosses erfolgt proportional zu ihremAnteil an der jeweiligen Gesamtsteifigkeit. Infolgeder Torsionsbeanspruchung resultieren dabei auchKrafte senkrecht zur Richtung der Erdbebenein-wirkung. Anhand der so ermittelten Verteilungs-zahlen lasst sich dann die Beteiligung der einzel-nen Wand an der horizontalen Lastabtragung ab-lesen.

Fji wFiIjPjIj

1ee � rjr2

� �

r2 wXj

Ij � r2j SXk

Ik � r2k

!=Xj

Ij (13)

mit

rj,rk Abstande der Wand zum Steifigkeits-mittelpunkt S (Schubmittelpunkt)

r Torsionsradius (Verhaltnis der Torsions-steifigkeit zur Horizontalsteifigkeit in derbetrachteten Richtung)

Alternativ kann der auf die einzelne Wand furdie jeweilige Beanspruchungsrichtung entfallendeHorizontallastanteil auch durch ungunstige �ber-

lagerung der Ergebnisse von Berechnungen furzwei Einheitskrafte (Hx w 1, Hy w 1) und einEinheitstorsionsmoment (MT w 1) im Schub-mittelpunkt und anschließender Berucksichtigungder anzusetzenden Exzentrizitaten bestimmt wer-den. Dieses Vorgehen wird intern von diversenRechenprogrammen zur Aufteilung von Horizon-tallasten (Windlasten, Gebaudeaussteifung) ver-wendet, die auch die rechnerische Ermittlung derLage von Massenmittelpunkt und Schubmittel-punkt ubernehmen.

3.4 Hinweise fur Modellierung undKonstruktion

3.4.1 Rechenmodell

Die Beanspruchung eines Bauteils bei Schwin-gungsanregung durch Erdbeben hangt direkt vomSchwingungsverhalten des betrachteten Bauwerksab. Der realistischen Erfassung von Massen undSteifigkeiten zur Beschreibung eines Rechenmo-dells kommt dabei sehr große Bedeutung zu. Esmuss daher Ziel sein, das tatsachliche Schwin-gungsverhalten moglichst genau abzubilden. Allewesentlichen Bauteile, die sich an der Abtragungder in erster Linie horizontalen Erdbebenlastenbeteiligen, sollten im Model berucksichtigt wer-den, auch wenn einzelnen Bauteile, wie z. B. eineausfachende Mauerwerkswand, fur die ubrigenLastfalle als nichttragend angesetzt werden.

Wird eine ebene oder raumliche Berechnung mit-tels Finiter Elemente notwendig, empfiehlt sichdie Verwendung von Stabmodellen fur die aus-steifenden Elemente wie Wandscheiben oderRahmenstutzen. Die Deckenscheiben konnen ent-weder mittels Plattenelementen oder Tragerrostenabgebildet werden. Exzentrische Massen konnenauch mittels Balkenelementen angeschlossen wer-den. Gegenuber den Rechenmodellen mit Scha-len-/Scheibenelementen haben die Stabmodelleden Vorteil, dass die Ergebnisse aus der Erdbeben-einwirkung dann fur eine Bemessung unter Be-rucksichtigung der bauartenabhangigen besonde-ren Regelungen einfacher mit den Beanspruchun-gen aus den ubrigen Lastfallen uberlagert werdenkonnen, auch unter Berucksichtigung der wech-selnden Beanspruchungsrichtungen.

3.4.2 Einfluss der Steifigkeit

Bei der Ermittlung der Steifigkeit der tragendenBauteile von Stahlbeton- und Mauerwerksbautenwird im Regelfall von ungerissenen Querschnitten(Zustand I) ausgegangen. Mit dem Auftreten vonRissen (Zustand II) kann sich die Steifigkeit aller-dings deutlich reduzieren. Ein Absinken derSteifigkeit auf 50% gegenuber den ungerissenenQuerschnitten wurde aber zu 40% großerenEigenschwingzeiten T und damit im Antwort-spektrum unter Umstanden zu geringeren Erd-

321Grundlagen

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bebeneinwirkungen fuhren. Da es jedoch nichtrealistisch ist, dass alle Tragwerksteile eines Bau-werks im gleichen Maße von Rissbildung etc.betroffen sind, ist die Wahl einer reduziertenSteifigkeit nur mit großer Sorgfalt anzuwenden.Die DIN 4149 sieht daher als Regelfall die An-nahme ungerissener Querschnitte vor, was hin-sichtlich der Große der anzusetzenden Erdbeben-einwirkungen konservativ ist, da die auftretendenBeanspruchungen zumeist etwas uberschatzt wer-den.

Im Hinblick auf die auftretenden Verformungen istdies allerdings nicht der Fall, d. h. die Große derauftretenden Verschiebungen wird bei Ansatz dervollen Steifigkeit unterschatzt. In Fallen, in denendie Große der auftretenden Verschiebungen vonBedeutung ist – z. B. Abstand zu Nachbargebau-den, Auflagerlange fur Fertigteile – konnen dahererganzende Untersuchungen mit reduzierten Stei-figkeiten erforderlich werden. Vereinfachend darfentsprechend DIN 4149 bei Stahlbetonbauten diehalbe Steifigkeit angesetzt werden, sofern keinegenaueren Untersuchungen hierzu durchgefuhrtwerden.

Eine pauschale Abminderung der Steifigkeitenkann zwar zu geringeren Erdbebeneinwirkungenfuhren, verandert allerdings nicht die Verteilungder Schnittgroßen untereinander. Die eigentlichnotwendige, selektive Abminderung der Steifig-keiten insbesondere bei stark unterschiedlichenSteifigkeiten der aussteifenden Bauteile ist sehraufwendig und daher auch nur in Einzelfallensinnvoll. Bedenkt man weiterhin, dass eine Reihevon Einzelproblemen wie etwa das Zusammen-wirken zusammengesetzter Querschnitte (mitwir-kender Breite), die Ermittlung der Steifigkeitenvon Treppenhauskernen oder Wandscheiben mitgroßeren �ffnungen, das Auftreten von gemisch-ter Torsionsbeanspruchung (St. Venant’sche undWolbkrafttorsion) oder die Abfolge von Riss-bildungen in Abhangigkeit von der Richtung derErdbebeneinwirkung die Ermittlung realistischerBauwerkssteifigkeiten weiter erschweren, wirdoffensichtlich, dass es sich hierbei nur um in-genieurmaßige Abschatzungen handeln kann.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hin-gewiesen, dass der Rechenwert des Elastizitats-moduls von Stahlbeton in DIN 1045-1 [3] zu-nachst irrtumlicherweise zu hoch angegebenwurde – Angabe des Tangentenmoduls anstelledes Sekantenmoduls. Zwischenzeitlich wurdendie anzunehmenden Rechenwerte nach untenkorrigiert. So betragt z. B. der Rechenwert desElastizitatsmoduls fur einen Beton C20/25 jetztnur noch 24 900 MN/m2 gegenuber vormals28 800 MN/m2. Dies fuhrt rechnerisch zu einergeringeren Systemsteifigkeit von Stahlbetonbau-werken und in der Folge zu großeren Eigen-

schwingzeiten T. Der vorstehende Effekt ent-spricht im Antwortspektrum einer Bewegungnach rechts, d. h. in Richtung zunehmenderPerioden und kann zu deutlich geringeren anzu-setzenden Erdbebeneinwirkungen fuhren.

3.4.3 Einfluss von Schubverformungen

Mit zunehmender Wandlange nimmt die Biege-steifigkeit EI gegenuber der Schubsteifigkeit GAsehr schnell zu (l3W gegenuber lW). Umgekehrtnimmt der Anteil der Schubverformung an der Ge-samtverformung gegenuber der Biegeverformungrasch zu. Die Vernachlassigung der Schubver-formungen in [5] war konservativ, da das zu steifangenommene Bauwerk zu niedrigeren Eigen-schwingzeiten T im Antwortspektrum und damitzu großeren oder konstanten Beschleunigungenfuhrte. Aufgrund der Tatsache, dass das Antwort-spektrum in der Neufassung von DIN 4149 [4]einen ansteigenden Ast besitzt, kann die Vernach-lassigung der Schubverformungen nun aber zunicht-konservativen Spektralwerten der Beschleu-nigung fuhren, d. h. die Erdbebeneinwirkung wirdunterschatzt. Dies ist insbesondere bei niedrigenBauwerken mit langen Wanden der Fall.

Insbesondere bei langenWanden sollte der steifig-keitsmindernde Einfluss von Schubverformungenbei der Steifigkeitsermittlung berucksichtigt wer-den, auch wenn dies in DIN 4149 nicht explizitgefordert wird. Dies fuhrt nicht nur zu einer rea-listischeren Abbildung des Verformungsverhal-tens, sondern kann auch zu einem wirtschaftlichenVorteil fuhren, wenn man in den abfallenden Astdes Antwortspektrums mit geringeren anzuset-zenden Einwirkungen gelangt. Dies ist vor allembei schmalen Plateaubereichen (z. B. Antwort-spektrum fur Untergrundverhaltnisse A-R) mog-lich.

Um die bekannten Formeln zur Bestimmung vonEigenfrequenzen bzw. Eigenschwingzeiten auchweiterhin verwenden zu konnen, sind lediglichreduzierte Ersatztragheitsmomente Ie z. B. gemaßBeziehung (8.10) aus [67] zu bestimmen, in derenErmittlung sowohl die Biegesteifigkeit EI als auchdie Schubsteifigkeit GA eingehen.

Ie w I= 1S3,64 � E � Ih2 � G � A

� �w I=(1S0,2933 � I=A)

(14)

3.4.4 Konstruktive Gesichtspunkte

Bei der Ermittlung der Erdbebenbeanspruchungund beim Nachweis der Standsicherheit spielt dieBauwerkshohe bzw. die Anzahl der Geschosseeine Rolle. Nach DIN 4149, Abschnitt 7.1 brauchtdas Kellergeschoss bzw. das Geschoss uber Grun-dungsebene dabei nicht berucksichtigt zu werden,

322 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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wenn es als „steifer Kasten“ ausgebildet ist. In derPraxis stellt sich oft die Frage, was ist ein steiferKasten und wie muss er ausgebildet sein.

Hintergrund der Regelung ist, dass ein steifesGrundungsgeschoss bei Erdbebenanregung diegleichen Horizontalbewegungen wie der Bodenund damit auch die gleichen Beschleunigungenerfahrt. Eine Resonanzverstarkung kann hier nichtstattfinden. Man spricht von sog. Starrkorper-beschleunigungen. Folglich kann die horizontaleErdbebenanregung auch als Fußpunkterregungdes daruberliegenden Geschosses angesetzt wer-den.

Die Einstufung, ob ein steifes Grundungsgeschossvorliegt, kann in der Regel auf Basis von in-genieurmaßigen Betrachtungen und Erfahrung er-folgen. In Zweifelsfallen sollte der steife Kasteneine Horizontalsteifigeit aufweisen, die ca. 5-malgroßer ist als diejenige des daruberliegendenGeschosses. Wichtiges Element ist dabei die De-ckenscheibe, die alle horizontalen Erdbeben-belastungen aus dem daruberliegenden Geschosssammeln und in die aussteifenden Elemente dessteifen Kasten – Außenwande und innenliegendeWandscheiben – verteilen muss. Ein ausreichen-der Widerstand gegen Torsionsbeanspruchungenum die vertikale Achse ist ebenfalls Vorausset-zung.

Liegt ein steifer Kasten vor, kann die horizontaleErdbebenkraft – Querkraft der sich primar amLastabtrag beteiligten Elemente – in der Deckeuber Grundungsgeschoss abgenommen werdenund braucht in der Regel nicht weiter verfolgtzu werden. Die vertikalen Krafte – Normalkrafteund Momente – mussen jedoch bis in den Bau-grund verfolgt werden. Es wird davon aus-gegangen, dass aussteifende Wandscheiben undRahmenstutzen der daruberliegenden Geschosseihre Fortsetzung auch im steifen Grundungs-geschoss finden. Abfangungen durch einfacheUnterzuge etc. sind in diesem Zusammenhangnicht erlaubt, ggf. nur die Auflosung einer Wand-scheibe in Stutzen. Andernfalls sind zusatzlicheBetrachtungen auch unter Berucksichtigung dervertikalen Erdbebenanregung anzustellen.

4 �bliche Hochbauten inStahlbetonbauweise

4.1 Grundlagen der Bemessung vonStahlbetonbauwerken

Als Betonbauten werden Bauwerke des Hoch- undIngenieurbaus aus dem Anwendungsbereich derDIN 4149 bezeichnet, die in erster Linie nachDIN 1045-1 ausgelegt werden. Neben ublichenRegelungen der DIN 1045-1 sind in DIN 4149 zu-satzliche Regeln angegeben, die bei Betonbauten

in deutschen Erdbebengebieten zu beachten sind.Im Rahmen dieses Beitrags konnen nicht alle spe-zifischen Regelungen fur diese Bauart behandeltwerden, da der Umfang des Betonbaus nahezu1/3 der Norm umfasst und damit zu groß ist. Viel-mehr wird hier auf grundsatzliche Zusammen-hange und diejenigen Regelungen eingegangen,die den großten Teil der in der Praxis vorkommen-den Falle abdecken. Weiterfuhrende allgemeineHinweise zur Auslegung von Betonbauten sindin [65], [67] oder [69] wiedergegeben.

Es sei darauf hingewiesen, dass Betonbauten, beidenen Rahmen aus Stutzen und Pilz- oder Flach-decken primar zur Aussteifung und Abtragungder horizontalen Belastungen aus Erdbeben ge-nutzt werden sollen, nicht durch die Regelungender DIN 4149 erfasst sind. Pilz- oder Flachdecken-systeme, bei denen die horizontale Aussteifunguber getrennt Elemente wie Treppenhauskerneetc. erfolgt, sind moglich. Hierbei sind die Rege-lungen des Abschnitts 8.4 zu beachten.

Grundsatzlich muss der Erdbebennachweis imGrenzzustand der Tragfahigkeit folgende zweiAspekte umfassen:x Nachweis der Tragfahigkeit fur die mit dem

Verhaltensbeiwert q abgeminderte Erdbeben-einwirkung.

x Nachweis der Duktilitat, die die vorausge-setzte Abminderung der Erdbebeneinwirkungerst ermoglicht.

Bei einem Bauwerk unter Erdbebeneinwirkungengehen die plastischen Strukturverformungen vonden am hochsten beanspruchten Querschnittenaus. Bei stabformigen Tragwerken sind dies inder Regel die Stabenden, an denen sich praktischFließgelenke ausbilden. Somit hangt die plas-tische Verformung einer Struktur maßgeblich vonder Rotationsfahigkeit dieser Plastifizierungs-bereiche ab, bestimmt durch die Plastifizierungs-lange lp und dem sog. Krummungsduktilitats-faktor m@. Die Plastifizierungslange lp wiederumhangt in erster Linie vom Verhaltnis Zugfestigkeitzur Fließgrenze des Bewehrungsstahles ab. DerKrummungsduktilitatsfaktor m@ als Verhaltnis derKrummung im Versagenszustand xu und demWert beim Beginn des Plastifizierens xy wird ausden Dehnungszustanden des betrachteten Quer-schnitts abgeleitet. Hierbei konnen sowohl Be-tonversagen als auch Stahlversagen maßgeblichwerden. Um eine hohe Duktilitat infolge Beton-versagens zu erreichen, kann man zum einendie Betonbruchstauchung durch Umschnurung(Bugel) erhohen oder die Druckzonenhohe be-grenzen. Letzteres kann erfolgen durch Begren-zung der bezogenen Druckkraft, der Anordnungvon Druckbewehrung oder der Begrenzung desZugbewehrungsgrades. Einige Zusammenhangesind in den Bildern 7 bis 9 dargestellt.

323Ubliche Hochbauten in Stahlbetonbauweise

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Je nach Große der Erdbebeneinwirkung und -ge-fahrdung werden an die erforderliche Duktilitatund die notwendigen Nachweise unterschiedlicheAnforderungen gestellt.

4.2 Duktilitatsklassen

Um fur Bauvorhaben in Gebieten mit unterschied-licher Erdbebengefahrdung eine vom Aufwandangemessene Erdbebensicherung zu ermoglichen,sind in DIN 4149 ahnlich wie im Eurocode 8unterschiedlicheDuktilitatsklassen eingefuhrt. BeiBetonbauten werden jedoch in Abweichung zumEC 8 nur zwei Duktilitatsklassen mit entsprechendabgestuften Verhaltensbeiwerten und konstruk-tiven Zusatzmaßnahmen vorgesehen. Unter Be-

324 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 7. Zusammenhange zwischen Systemverformung und Duktilitatsfaktoren

Bild 8. �rtliche Krummungsduktilitat eines Stahlbetonquerschnittes (vgl. [67])

Bild 9. Spannungs-Dehnungsbeziehung einerStahlbetonstutze mit und ohne Umschnurung(vgl. [67])

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rucksichtigung, dass in Deutschland starke Erd-beben nur sehr selten vorkommen, kann hier aufRegelungen fur die hochste DuktilitatsklasseDCH nach EC 8 verzichtet werden.

Die Duktilitatsklasse 1 entspricht Tragwerken mitnaturlicher Duktilitat, welche im Allgemeinenvor allem durch Begrenzung von bezogenerLangskraft und Bewehrungsgrad der Stahlbeton-bauteile gesichert wird. In den Erdbebenzonen 1und 2 konnen diese Maßnahmen unter gewissenVoraussetzungen auch entfallen.

Die Duktilitatsklasse 2 entspricht Tragwerken,die durch konstruktive Maßnahmen, wie z. B.Umschnurung des Betons in kritischen Bereichen,so ausgebildet werden, dass sowohl das Ge-samttragwerk als auch seine kritischen Bereicheeine erhohte lokale und globale Duktilitat auf-weisen.

Um die erforderlichen lokalen und globalenDuktilitaten zu sichern, sind in DIN 4149 fur allezum Tragwerk gehorenden Bauteile in jederDuktilitatsklasse spezifische Vorschriften sowieunterschiedliche Werte fur den Verhaltensbeiwertq angegeben.

4.3 Materialeigenschaften undSicherheitsnachweise

Im Anwendungsbereich der Norm darf kein Betonverwendet werden, dessen Betonfestigkeitsklassekeiner ist als C16/20. Bei Bauwerken derDuktilitatsklasse 2 ist mindestens ein BetonC20/25 zu verwenden. Diese Abstufung wurdeu. a. auch mit Rucksicht auf die Bewertung be-stehender Bauwerke festgelegt. Fur Neubautenempfiehlt sich die Verwendung eines C25/30, derin der Regel nicht teurer ist als ein C20/25.

Der Betonstahl fur Bauteile, die zur Abtragungvon Erdbebeneinwirkungen genutzt werden,muss die Anforderungen an hochduktile Stahlenach DIN 1045-1, Tabelle 11 (im EC 2 mit Typ Bbezeichnet) erfullen, d. h. euk j 5 %, (ft=fy)k j 1,08und fy=fyk J 1,3. Diese Forderung muss in denBewehrungsplanenkenntlichgemachtwerden.Umauf der Baustelle Verwechslungen zu vermeiden,sollte in einem Bauvorhaben in Erdbebengebietengrundsatzlich der hochduktile Bewehrungsstahlverwendet werden. Der bislang ubliche StabstahlBSt 500 S erfullt normalerweise die Anforde-rungen an „hochduktilen Stahl“ (Typ B). Derbisherige Mattenstahl BSt 500 M jedoch nicht;hier sind „warme“ Matten BSt 500 MW zu ver-wenden.

Bei den Nachweisen im Grenzzustand der Trag-fahigkeit durfen fur die Bemessungssituation Erd-beben die Teilsicherheitsbeiwerte fur Baustoff-eigenschaften gM entsprechend den Festlegungenfur die außergewohnliche Bemessungssituation

nach DIN 1045-1 angesetzt werden. Gleichzeitigist jedoch ein moglicher Festigkeitsabfall der Bau-stoffe infolge Schadigung durch zyklische Verfor-mungen sowie eine Minderung der Tragfahigkeitinfolge Abplatzen der Betondeckung in den kriti-schen Bereichen von Stahlbetonbauteilen zu be-rucksichtigen. Diese Forderung kann naherungs-weise als erfullt angesehen werden, wenn statt-dessen die in DIN 1045-1 fur die standige undvorubergehende Bemessungssituation angegebe-nen Teilsicherheitsbeiwerte gc und gs angewen-det werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass dasVerhaltnis zwischen der Restfestigkeit – unterBerucksichtigung von Festigkeitsabfall und Ab-platzen der Betondeckung – und der ursprung-lichen Festigkeit naherungsweise dem Verhaltnisder gM-Werte fur die außergewohnliche Lastkom-bination und fur die Grundkombination ent-spricht.

In DIN 1045-1 enthalt die Gl. (67) zur Bestim-mung des Bemessungswertes der einaxialen Fes-tigkeit des Betons fcd wa � fck=gc eine Beiwert a,der die Langzeitwirkung auf die Druckfestigkeitdes Betons berucksichtigen soll. Dieser Wert be-tragt ublicherweise 0,85. Es wird in Fachkreisenteilweise diskutiert, dass dieser Wert bei Erd-bebennachweisen mit 1,0 anzunehmen sei, da dieErdbebeneinwirkung nur eine kurzzeitige Be-lastung darstelle. Es ist jedoch zu beachten, dass,wie bereits erwahnt, ein nicht genau quantifizier-barer Festigkeitsabfall infolge Schadigung durchdie zyklischen Verformungen bis in den plas-tischen Bereich gegeben ist und daher der Wert awie bei Langzeiteinwirkung mit 0,85 anzunehmenist.

Zur Ermittlung der Schnittgroßen erlaubt dieDIN 1045-1 neben der linear-elastischen Be-rechnung mit Umlagerung auch Verfahren nachder Plastizitatstheorie oder nichtlineare Verfahren.Fur die Erdbebenbemessungssituation sind dieseVerfahren jedoch zunachst nicht zulassig, da hierdie große Gefahr besteht, dass die vorhandeneplastische Verformbarkeit bzw. Duktilitat vonStahlbetonquerschnitten doppelt ausgenutzt wird.Kommen diese Verfahren dennoch zur Anwen-dung, ist nachzuweisen, dass ausreichend plas-tische Reserven vorhanden sind und die Bauteiledie zum Abtrag der Erdbebeneinwirkung heran-gezogen werden, nicht von den Umlagerungennach DIN 1045-1 betroffen sind.

4.4 Hinweise fur Duktilitatsklasse 1

In der Duktilitatsklasse 1 erfolgt die Ermittlungder Beanspruchung unter Verwendung eines Ver-haltensbeiwertes von

qw 1,5 f€uur horizontale Einwirkung

qw 1,0 f€uur vertikale Einwirkung

325Ubliche Hochbauten in Stahlbetonbauweise

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Dies erfolgt unabhangig vom Tragsystem oder derRegelmaßigkeit des Bauwerks. Die Bemessungund Konstruktion erfolgt nach DIN 1045-1 beiAnsatz der ublichen Material-Teilsicherheitsbei-werte gM fur die standige und vorubergehendeBemessungssituation. Der Beton muss mindestensder Festigkeitsklasse C16/20 entsprechen, derBewehrungsstahl „hochduktil“ sein.

Zusatzlich sind weitere Vorschriften, die in ersterLinie auf eine Verbesserung der Duktilitat ab-zielen, einzuhalten:x Fur Stahlbetonwande, die zur Erdbeben-

sicherung herangezogen werden, ist der ausder Berechnung erhaltene Wert der Querkraftmit einem Faktor e w 1,5 zu erhohen und da-mit die Bemessung durchzufuhren. Hierdurchsoll sichergestellt werden, dass bei zyklischenVerformungen Biegeversagen vor Schubver-sagen (Festigkeitsabfall) eintritt.

x In symmetrisch bewehrten Druckgliedern(Stutzen und Wande), die fur die Abtragungder horizontalen Erdbebenlasten uber Biege-beanspruchung herangezogen werden, darfder Bemessungswert der bezogenen Langs-kraft nd wNsd=(Ac � fcd), mit Nsd w Bemes-sungswert der aufzunehmenden Langskraftund Ac w Gesamtflache des Betonquer-schnitts, den Grenzwert nd w 0,25 fur Stutzenund nd w 0,20 fur Wande nicht uberschreiten.

x In Rahmenriegelanschlussen mit Rechteck-querschnitt wird der hochste zulassige Beweh-rungsgrad der Zugbewehrung auf rmax w 0,03beschrankt. Der Bewehrungsquerschnitt aufder Druckseite muss mindestens der Halfteder Zugbewehrung entsprechen.

x Bei der Berechnung der Verankerungslangevon Bewehrungsstaben in Stutzen, die zurBiegetragfahigkeit in den kritischen Bereichenbeitragen, ist das Verhaltnis der erforderlichenzur vorhandenen Querschnittsflache der Be-wehrung immer mit 1,0 anzusetzen, d. h. eineAbminderung ist nicht zulassig.

In den Erdbebenzonen 1 und 2 konnen die o. g.zusatzlichen Maßnahmen entfallen, wenn die inDruckgliedern (Stutzen und Wande) vorgeseheneBewehrung einer Bemessung fur die um 20% er-hohte Erdbebenbeanspruchung entspricht. Prak-tisch bedeutet dies, das man entweder fur dieBemessung die nach Gl. (5) ermittelte Erdbeben-beanspruchung AEd um 20% erhoht oder nahe-rungsweise 20% mehr Bewehrung einlegt alsrechnerisch erforderlich. Bei ublichen Bauwerkenin den Erdbebenzonen 1 und 2 wird in den uber-wiegenden Fallen die erforderliche Bewehrungin Stahlbetonkonstruktionen ohnehin nicht durchden Lastfall Erdbeben bestimmt, sodass dieseForderung leicht erfullt werden kann.

Fur die Nachweisfuhrung fur Betonbauten derDuktilitatsklasse 1 sind die Regelungen in derneuen Norm nicht wesentlich umfangreicher alsnach der alten Norm. Nach Einschatzung des Ver-fassers durfte diese vergleichsweise einfache Vor-gehensweise in der Praxis uberwiegend angewen-det werden und fuhrt zu konstruktiv und wirt-schaftlich sinnvollen Losungen der Erdbeben-sicherungen.

4.5 Hinweise fur Duktilitatsklasse 2

Soll ein Bauwerk entsprechend der Duktilitats-klasse 2 ausgelegt werden, sind umfangreicheNachweise und Maßnahmen zur Sicherung derortlichen Duktilitat erforderlich. DIN 4149 lehntsich hier weitgehend an die entsprechenden Re-gelungen des EC 8 fur die Duktilitatsklasse DCMan. Je nach Tragwerkstyp kann die rechnerischeErdbebeneinwirkung abgemindert werden mitVerhaltensbeiwerten von

qw 1,5 bis 3,0 f€uur horizontale Einwirkung

qw 1,0 f€uur vertikale Einwirkung

In der Duktilitatsklasse 2 werden Betonbautenentsprechend ihrem Verhalten unter horizontalenErdbebeneinwirkungen einem der folgenden Trag-werkstypen zugeordnet:– Rahmensystem,– Wandsystem,– Mischsystem,– Kernsystem,– Umgekehrtes-Pendel-System.

Rahmensysteme, Mischsysteme und Wandsyste-me mussen eine Mindest-Torsionssteifigkeit auf-weisen, ansonsten sind sie den Kernsystemen zu-zuordnen. In Abhangigkeit dieser Tragwerkstypenergibt sich der Grundwert des Verhaltensbeiwertesentsprechend Tabelle 4.

Der Grundwert des Verhaltensbeiwerts q0 ist nochmit Faktoren zur Berucksichtigung der Regelma-ßigkeit des Tragwerks kR und der Versagensart beiTragsystemen mit Wanden kW zu multiplizieren:

qw q0 � kR � kW j 1,50 (15)

mit

q0 (nach Tabelle 4)

kR w 1,0

kW w (1Sa0)=3J 1

a0 wP

Hwi=P

lwi

Fur regelmaßige (d. h. kR w 1,0) Wandsystemewird nach DIN 4149, Tabelle 9 ein Grundwertvon q0 w 3,0 vorgegeben, der noch durch den Bei-wert kW reduziert werden konnte. Der Faktor a0

326 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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druckt dabei das im Bauwerk vorherrschendeVerhaltnis von Gesamthohe zu Querschnittslangeder aussteifenden Wande aus. Eine Auswertungder Beziehung zeigt, dass ab Verhaltnissena0 j 2,0 (schlanke Wandscheiben) keine Reduk-tion des Verhaltensbeiwertes mehr erfolgt undbei Verhaltnissen a0 J 0,5 (gedrungene Wand-scheiben) der Mindestwert q0 w 1,5 maßgebendwird. Auch bei Wandscheiben mit mittlerenVerhaltniswerten kann daher die Wahl derDuktilitatsklasse 2 von Vorteil sein.

Stellt man bei einer ersten Betrachtung eines Bau-werks fest, dass in der Duktilitatsklasse 2 der nach

Abminderung zu verwendende Verhaltensbeiwertq in der Nahe des Wertes q w 1,5 liegt, kann manim Hinblick auf den erforderlichen Nachweisauf-wand auch die Duktilitatsklasse 1 zugrundelegen,sofern die dort zusatzlich zur DIN 1045-1 genann-ten Bedingungen eingehalten werden konnen. Inder Praxis wird in erster Linie die Begrenzungder bezogenen Normalkraft bei hochausgenutztenschlanken Stutzen ein Entscheidungskriteriumdarstellen.

Die Regelungen der Duktilitatsklasse 2 konnenim Rahmen dieses Beitrags nicht im Detail wie-dergegeben werden (allein 22 Seiten Normtext).Hier wird auf die Ausfuhrungen in der Norm ver-wiesen. Zum �berblick werden einige Gesichts-punkte angesprochen.

Zur Erzielung der erforderlichen globalen Dukti-litat des Tragwerks sollen die potenziellen Be-reiche fur die Bildung plastischer Gelenke einehohe plastische Rotationsfahigkeit besitzen. Da-bei soll duktiles Versagen (z. B. Biegeversagen)mit genugend großer Zuverlassigkeit vor sprodemVersagen (z. B. Schubversagen) eintreten. Diesist in der Regel der Fall, wenn fur die primar zur

327Ubliche Hochbauten in Stahlbetonbauweise

Bild 10. Ausbildung von Stutzenverbugelungen [67]; Schließen immer mit 135h-Haken entsprechend g)

Tabelle 4. Grundwerte des Verhaltensbeiwertes q0in Abhangigkeit vom Tragwerkstyp

Tragwerkstyp q0

Rahmensystem, Wandsystem,Mischsystem

3,0

Kernsystem 2,0

Umgekehrtes-Pendel-System 1,7

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Abtragung der horizontalen Erdbebeneinwir-kungen herangezogenen Bauteile in allen kriti-schen Bereichen, einschließlich an den Stutzen-enden, eine ausreichende Krummungsduktilitatvorhanden ist und ortliches Ausknicken gedruck-ter Bewehrungsstabe in Bereichen moglicherplastischer Gelenke verhindert wird. In DIN 4149werden entsprechende Anwendungsregeln furBalken, Stutzen und Wande angegeben. Bei Bau-teilen mit moglichem Schubversagen wie ge-drungene Wande oder kurze Koppelbauteile sindzusatzliche Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen.

Neben Forderungen zur Ausbildung von Veran-kerungen und Stoßen der Bewehrung werden furdie Duktilitatsklasse 2 spezielle Anforderungenan Balken, Stutzen und Wande einschließlich

Mischsystemen und Koppelbauteilen aufgefuhrt,die alle in erster Linie auf die Steigerung derDuktilitat abzielen. Besondere Bedeutung kommtder Umschnurung und der Bewehrungsveranke-rung zu. So sind Umschnurungsbugel als Quer-bewehrung in Balken, Stutzen und Wanden alsgeschlossene Bugel mit 10 dbw langen um 135hins Innere abgebogene Haken vorzusehen.

Beispielhaft werden in den Bildern 10 bis 13 nureinige typische Konstruktionsdetails kritischerBereiche wiedergegeben. Es sei besonders daraufhingewiesen, dass die Bugel bei Stutzen oderWandenden mit einem 135h-Haken geschlossenwerden mussen, damit sie im Erdbebenfall wirk-sam sind und zur Erhohung der Duktilitat beitra-gen. Eine einfache �bergreifung ist nicht zulassig.

328 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 11. Zusatzliche Verankerungsmaßnahmen in Balken-Stutzen-Außenknoten [4]

Bild 12. Erhohte Querbewehrung in kritischen Bereichen von Balken [4]

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4.6 Hinweise fur die Praxis, ersteErfahrungen mit der neuen DIN 4149

Fur Betonbauten in den Duktilitatsklassen 1 und 2ist dort pauschal gefordert, dass in Bauteilen, diezur Abtragung von Einwirkungen aus Erdbebengenutzt werden, der verwendete Betonstahl dieAnforderungen an hochduktile Stahle nach DIN1045-1 (Typ B) erfullen muss. Haufig wird dieFrage gestellt, ob diese Anforderung auch fur dieBewehrung von Geschossdecken einschließlichder dort z. T. verwendeten Gittertrager sowie beiWanden zu stellen ist.

Im Normalfall sind an Deckenplatten keine be-sonderen Duktilitatsanforderungen hinsichtlicheiner Beanspruchung aus Erdbebeneinwirkung zustellen. Die Decken sind fur die Abtragung vonErdbebeneinwirkungen zwar wichtige Elemente,jedoch dienen sie nicht primar der Aussteifung ge-gen horizontal wirkende Erdbebenbelastungen.Vielmehr haben sie die Aufgabe, die horizontalwirkenden Massenkrafte aus den daruberliegen-den Geschossen zu sammeln und uber Scheiben-wirkung auf die aussteifenden Elemente desdarunterliegenden Geschosses zu verteilen.

Plastisches Verhalten und Energieverzehr sollte inden Duktilitatsklassen 1 und 2 planmaßig nur inden fur die Aussteifung herangezogenen Bau-teilen erfolgen. Demzufolge sind aus der Erd-bebenbeanspruchung heraus an die Bewehrungvon ublichen Deckenplatten keine Anforderungenhinsichtlich erhohter Duktilitat zu stellen. Diesgilt sowohl fur die Mattenbewehrung als auch furGittertrager.

Die obige Feststellung gilt jedoch nicht fur solcheFalle, in denen die Deckenscheiben Bestandteilevon aussteifenden oder lastabfangenden Bauteilenwie wandartige Trager, aussteifende Rahmen(Riegel als Plattenbalken) etc. sind oder wennhohe Krafte konzentriert in aussteifende Bauteileeingeleitet werden mussen. In diesen Bereichensind ggf. hochduktile Stahle erforderlich. Dieskann in der Praxis durch Zulagen von entspre-chendem Stabstahl Typ B realisiert werden.

Auch fur Mattenbewehrung und Gittertrager inStahlbetonwanden kann fur ubliche Anwendungs-falle auf erhohte Duktilitatsanforderungen ver-zichtet werden, sofern diese Bewehrung in er-ster Linie der Schubsicherung in Scheibenebenedient. Fur die Bemessung wird die aufzuneh-mende Querkraft kunstlich mit einem Faktor von1,5 erhoht. Durch diese �berbemessung sollenplastischeSchubverformungenundsprodesSchub-versagen verhindert und eher ein Biegeversagenerzwungen werden. Fur die Biegebemessung derWandscheiben konnen dann vertikale Zulagenaus hochduktilem Stabstahl Typ B jeweils an denWandenden angeordnet werden.

Erste Erfahrungen bei der Umsetzung der neuenNorm zeigen, dass sich die Tragwerksplaner damitschwer tun. Allein der Umfang – 82 Seiten gegen-uber 10 Seiten der alten Norm – verunsichert viele.Aufgrund der noch nicht vorhandenen Erfahrungweiß man noch nicht, was fur ein konkretes Objektwichtig ist und beachtet werden muss bzw. wasnicht notwendig ist. Hier bedarf es einer inten-siven Beschaftigung mit der Norm. Ein direkterVergleich mit der alten Norm ist kaum moglich,

329Ubliche Hochbauten in Stahlbetonbauweise

Bild 13. Ausbildung eines umschnurten Randelementes am freien Ende einer Wand [4]

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da sich vieles geandert hat, angefangen von derNeueinteilung der erdbebengefahrdeten Zonen,den Zonen der geologischen Untergrundklassen,aber auch der neuen Reglungen der baustoff-spezifischen Regelwerke einschließlich der �ber-lagerungsregelungen nach DIN 1055-100. Eineinfacher Vergleich der anzusetzenden Boden-beschleunigungen, wie haufig in der Praxis durch-gefuhrt, fuhrt oft zu falschen Schlussen. Diebaugrundabhangigen Bemessungsspektren habeneine andere Form als das Bemessungsspektrumnach alter Norm. Insbesondere sind die Plateau-bereiche wesentlich schmaler, sodass man schnellin den abfallenden Ast und damit zu einer geringe-ren anzusetzenden Last kommt. Eine Bestimmungder Eigenperioden des zu betrachtenden Bauwerkslohnt sich oft gegenuber einer Bemessung mitdemMaximalwert, wie in der Vergangenheit uber-wiegend praktiziert.

Die großten Probleme bei der Anwendung derneuen Norm sind sicherlich in den Regionen zuerwarten, in denen sich die Zuordnung zu denErdbebenzonen geandert hat. Dies ist beispiels-weise der Großraum Tubingen, wo praktisch dieErdbebenzone um zwei Stufen angehoben wurde.Hier ergeben sich zwangslaufig hohere Erdbeben-lasten, die gegenuber der fruheren Situation oftauch bemessungsrelevant werden. Dies bereitetinsbesondere Schwierigkeiten bei der Bewertungder Erdbebensicherheit vorhandener Bauwerke.Oftmals lassen sich hier die Vorgaben undKriteriender neuen Norm nicht voll umsetzen. Unter Beach-tung der Zielrichtung der Erdbebensicherung –dem Personenschutz – kommt der fachlichenBewertung der Planer und der Baurechtsbehordegroße Bedeutung zu. Um hier ein einheitlichesVorgehen zu gewahrleisten, werden derzeit inten-sive Abstimmungen der Beteiligten durchgefuhrt.Es ist zu hoffen, dass bald Richtlinien zur Be-wertung solcher Situationen verfugbar sind.

5 Bruckenbauwerke aus Stahl- undSpannbeton

Brucken sind wichtige Bauwerke unserer Infra-struktur. Sie sind haufig Bestandteil bedeutenderVerkehrswege, die auch nach einem Erdbeben furVersorgungszweckeundAufrechterhaltungdesVer-kehrs funktionstuchtig bleiben mussen. Dies be-trifft sowohl wichtige innerstadtische Brucken alsauch Brucken von Autobahnen und Fernstraßen.Daher darf die Auslegung solcher Brucken gegenErdbeben nicht vernachlassigt werden. Im Folgen-den wird auf diese Problemstellung eingegangen.

Wie im Abschnitt 3 bereits beschrieben, erstrecktsich der Anwendungsbereich der neuen DIN 4149nur auf ubliche Hochbauten. Da sich das dyna-mische Verhalten von Brucken unter seismischerBeanspruchung erheblich von dem ublicher Hoch-

bauten unterscheidet, sind hier andere Rechenver-fahren und Konstruktionselemente erforderlich.Jedoch existieren fur Bruckenbauwerke derzeitin Deutschland keine gultigen Vorschriften, welchederen Auslegung fur Erdbebenbeanspruchung re-gelt. Auf europaischer Ebene liegt der Eurocode 8Teil 2 (ENV 1998-2 [9]) vor. Dieses Regelwerkist sehr umfangreich und wurde in erster Linie furdie Neuauslegung von Brucken in europaischenGebieten mit hoher Seismizitat konzipiert. FurDeutschland als Gebiet niedriger bis mittlerer Seis-mizitat sind viele der dort genannten Regelungennicht notwendig, sodass man sich nur auf die we-sentlichen Regelungen beschranken kann.

Teil 2 des EC 8 kann jedoch nur in Verbindungmit den anderen Teilen, insbesondere den Teilen 1und 5 verwendet werden. Die nationale Anhangehierzu fehlen jedoch noch. Auf die deutsche Erd-bebennorm DIN 4149:2005-04 kann in diesemZusammenhang nur hilfsweise mit großen Ein-schrankungen Bezug genommen werden. Bis aufWeiteres bleibt fur die praktische Anwendungnur die Festlegung im Einzelfall in Abstimmungmit Bauherrn, Behorden und Planern. Hier kannder Eurocodes 8 vorerst nur als Orientierungdienen. Dies gilt insbesondere fur die Nachbe-wertung bestehender Brucken.

Prinzipiell gibt es einige wesentliche Unterschie-de der Erdbebensicherung zwischen Hoch- undBruckenbau, die im Nachweiskonzept zu beruck-sichtigen sind:

Hochbaux Bauwerke haben viele Elemente, die sich am

Lastabtrag beteiligen.x In der Regel gibt es viele Umlagerungsmog-

lichkeiten.x Zahlreiche nichtlineare dissipative Effekte,

die nicht alle erfasst werden konnen (Trag-reserven), tragen zur Erdbebensicherung bei.

x Boden-Bauwerks-Interaktion kann oft ver-nachlassigt werden.

Bruckenbaux Bruckenbauwerke sind in der Regel auf we-

nige Tragelemente beschrankt – �berbau,Pfeiler, Widerlager, Grundung.

x Es liegen oft klare dynamische System vor –umgekehrtes Pendel mit großer Kopfmasse.

x Boden-Bauwerks-Interaktion ist oft von Be-deutung.

5.1 Erdbebenschaden bei Brucken

Den Anstoß zur Entwicklung von Vorschriftenzur Erdbebensicherung von Brucken ging vonLandern mit hoher seismischer Gefahrdung aus.Die wichtigsten Erdbebenereignisse, die Impulsezur Entstehung erster Normen gegeben haben,sind in der folgenden Tabelle 5 zusammengefasst.

330 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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331Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Tabelle 5. Erdbebenereignisse mit großen Bruckenschaden

Erdbeben-Ereignisse Magnitude Schaden

Alaska 1964 8,4 Zusammenbruch von 9 Brucken

San Fernando 1971 6,6 Zusammenbruch von 5 Autobahnbrucken

Loma Prieta 1989 7,0 Zusammenbruch des Cypress Freeway

Northridge 1994 6,7 Zusammenbruch mehrerer Brucken

Kobe 1995 7,2 Zusammenbruch mehrerer Brucken

Turkei 1999 7,4 Absturz von Bruckentragern

Tabelle 6. Typische Schaden an Brucken nach [58, 68, 72, 84]

Bauteil (Ort) Schaden Ursachen Haufig-keit

Seismizitats-grad

Bruckentrager Absturz

Tragerversagen

Zu kurze Auflagerbereiche,Versagens des Pfeilers,Versagen der Fundamente

Bei Durchlauftragern infolgeStutzenversagen, erdbeben-induzierte Torsionsbelastungbei gekrummten Brucken

haufig

selten

H M

H

Pfeiler Leichte Schaden bisZerstorung (Schubbruch,Biegebruch, Ausknickender Bewehrung)

Verkanten und Verkippen

Mangelhafte Bewehrung,Sprung im Bewehrungs-gehalt, unzureichendeUmschnurung

Bodenverflussigung, Grund-bruch

haufig

selten

H M

H

Lager Beschadigung bis hin zurvollstandigen Zerstorung

Zu große horizontale Relativ-verschiebung zwischenBruckentrager und Auflager-bank

haufig H M N

�bergangs-konstruktion

Zerquetschen von Fahrbahn-ubergangen und Schaden inden angrenzenden Bereichender Fahrbahnplatten

Anprall des Bruckentragersauf das Widerlager

haufig H M N

Widerlager Setzung der Hinterfullung

Große Setzungen undVerschiebungen

Setzungen, Rutschungen beiDammen

Bodenverflussigung imFundamentbereich

haufig

selten

H

H

H Gebiete mit hoher SeismizitatM Gebiete mit mittlerer SeismizitatN Gebiete mit niedriger Seismizitat

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Schaden, die bei Erdbebeneinwirkung an Bruckenentstanden sind, konnen nach dem Schadensortbzw. Bauteil wie folgt unterschieden werden:– Schaden am Bruckentrager bzw. Absturz des

Bruckentragers,– Schaden an Bruckenunterbauten,– Schaden an Lagern,– Schaden an �bergangskonstruktion,– Schaden an Widerlagern.

Die Schadensorte mit den Schadenstypen, denmoglichen Ursachen, der Haufigkeit ihres Auf-tretens und Zugehorigkeit zu dem Seismizitats-grad sind in der folgenden Tabelle 6 dargestellt.

5.2 Erdbebenvorschriften imBruckenbau

5.2.1 Entwicklung von Erdbebennormen furBruckenbauwerke

Die ersten Erdbebennormen fur Bruckenbauwerkewurden in den USA entwickelt. So wurden ersteBestimmungen zur erdbebengerechten Ausle-gung von Bruckentragwerken 1943 im Califor-nian Department of Transportation (Caltrans) und1961 im American Association of State Highwayand Transportation Officials (AASHTO) einge-fuhrt. Zunachst wurde das Ersatzlastverfahren ein-gefuhrt, bei dem die Gewichtskraft anteilig am�berbau entsprechend seiner Massenverteilunghorizontal wirkend anzusetzen war. Die anzuset-zende Horizontallast war mit gerade mal 6% derGewichtskraft aber bei weitem zu gering.

Das Erdbeben von San Fernando 1971 war derAnstoß fur umfangreiche Forschungsaktivitatenmit dem Ziel, das Verhalten von Brucken unterErdbebenbelastung besser verstehen und einschat-zen zu konnen [72]. In Folge wurden 1973 die er-weiterten Kenntnisse im Californian Departmentof Transportation (Caltrans) eingearbeitet. Einweiterer Schritt erfolgte 1978 durch die US Fede-ral Highway Administration, dem Applied Tech-nologie Council. Hier wurden neue und verbes-serte Erdbebenrichtlinien fur Autobahnbrucken(ATC-6) entwickelt. Diese ATC-6-Richtlinienwurden erstmals 1983 vom AASHTO uber-nommen. Nach dem Erdbeben von 1989 in LomaPrieta wurde AASHTO durch das National Co-operative Highway Research Program (NCHRP)revidiert. Ebenfalls beeinflusst durch dieses Erd-beben sowie dem von Northbridge 1994 ent-wickelte das Applied Technologie Council 1996eine neue Erdbebennorm ATC-32.

Auch in Japan und Neuseeland erschienen in den80er-Jahren erste Erdbebennormen fur Brucken-bauwerke. In der Schweiz erfolgten ebenfalls erstediesbezugliche Entwicklungen.

Ein wichtiger Schritt bezuglich des Erfahrungs-austausches war ein Workshop in Bormio [38].Namhafte Experten aus Europa, Japan, Neu-seeland und USA stellten ihre Normenwerke undErfahrungen bei diesem Workshop vor [50].

In Deutschland ist bislang kein eigenes nationalesRegelwerk zur Auslegung von Bruckenbauwer-ken gegen Erdbeben vorhanden. Die angespro-chene DIN 4149 behandelt ausschließlich ublicheHochbauten. Sie kann nicht direkt auf Brucken-bauwerke ubertragen werden, da sich das Ver-halten von Brucken unter seismischer Bean-spruchung erheblich von dem Verhalten ublichenHochbauten unterscheidet. Bei Brucken sind an-dere Rechenverfahren und Konstruktionselementeerforderlich. Auch unterscheiden sich die Aus-legungs- und Schutzziele.

Auf europaischer Ebene wurde im Rahmen derVereinheitlichung der technischen Regeln imBauwesen bereits 1994 mit dem Eurocode 8 mitden Teilen 1 und 2 eine erste sog. Vornorm (ENV)zur Erdbebenauslegung geschaffen. Darauf auf-bauend wurde 10 Jahre spater die zweite Genera-tion herausgegeben. Mit der EN 1998-2:2005 [8]liegt erstmalig ein speziell fur den Bruckenbaukonzipiertes Regelwerk zur Erdbebenauslegungmit dem Status einer Norm (EN) vor. Die zeitlicheAbfolge fur Entwicklung und Einfuhrung des EC 8Teil 2 ist in Tabelle 7 dargestellt.

5.2.2 Eurocode 8, Teil 2 – �berblick

Teil 2 des EC 8 baut auf Teil 1 auf und befasst sichmit speziellen Anforderungen der seismischenAuslegung von Brucken, bei denen die horizon-talen Erdbebebeinwirkungen im Wesentlichendurch die Biegung der Pfeiler oder an den Widerla-

332 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Tabelle 7. Zeitliche Abfolge der Entstehung desEurocode 8, Teil 2

Status Jahr

Vornorm ENV 1998-2 1994

Erarbeitung von Entwurfenfur EN 1998-2

2000–2002

Definitiver Entwurf prEN(Stage 34)

2003

Abstimmung prEN (Stage 51) 2004–2005

Veroffentlichung EN (Stage 64) 2005

Erarbeitung nationaler Anhange(NA)

2006–2007

Veroffentlichung NA bis 2010

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gern aufgenommen werden, d. h. von Brucken, dieaus lotrechten oder fast lotrechten Pfeilern beste-hen, die den Fahrbahnuberbau tragen. Er ist zwarauch auf die seismische Auslegung von Schragseil-brucken und Bogenbrucken anwendbar, es ist je-doch nicht davon auszugehen, dass seine Regelndiese Falle vollstandig abdecken. Der Anwen-dungsbereich erstreckt sich ausdrucklich nicht aufHangebrucken, Holzbrucken, Brucken aus Mauer-werk, bewegliche Brucken und Schwimmbrucken.

Die EN 1998-2:2005, im Folgenden mit EC 8-2bezeichnet, umfasst 141 Seiten Normtext unduntergliedert sich in folgende Bereiche:– grundlegende Anforderungen und Konfor-

mitatskriterien,– Erdbebeneinwirkung,– Berechnungsverfahren,– Festigkeitsnachweis,– bauliche Durchbildung,– Brucken mit seismischer Isolation.

Die 11 informativen Anhange befassen sich mitfolgenden Themen:x Anhang A liefert Informationen uber die

Auftretenswahrscheinlichkeiten von Refe-renz-Erdbeben und Empfehlungen fur dieWahl der Bemessungs-Erdbebeneinwirkungwahrend der Bauphase.

x Anhang B beschreibt den Zusammenhangzwischen der Verschiebungsduktilitat undder Krummungsduktilitat von plastischenGelenken in Betonpfeilern.

x Im Anhang C werden Angaben zur Abschat-zung der effektiven Steifigkeit von duktilenStahlbetonbauteilen gemacht.

x Anhang D liefert Informationen fur dieModellierung und rechnerische Erfassung derraumlichen Veranderlichkeit der erdbeben-induzierten Bodenbewegung.

x Anhang E befasst sich mit wahrscheinlichenWerkstoffeigenschaften und plastische Ver-formungskapazitaten von Fließgelenken furnichtlineare Berechnungen.

x Anhang F liefert Informationen und Anleitun-gen zur zusatzlichen Masse infolge mitgefuhr-ten Wassers in eingetauchten Pfeilern.

x Anhang G enthalt Regeln zur Ermittlung vonKapazitatsbemessungszustandsgroßen.

x Anhang H gibt eine Anleitung und Informa-tionen fur statische nichtlineare Berechnung(pushover).

x Anhang JJ enthalt Informationen uber l-Bei-werte fur ubliche Isolatortypen.

x Anhang K beschreibt Anforderungen an Ver-suche zur �berprufung der Bemessungseigen-schaften von seismischen Isolationsvorrich-tungen.

5.3 Grundlegende Anforderungen,�bereinstimmungskriterien

Die Entwurfsphilosophie der Norm EC 8-2 be-steht darin, die Anforderungen des Grenzzustandsder Tragfahigkeit fur die Bemessungs-Erdbeben-einwirkung AEd mit ausreichender Zuverlassigkeitzu erfullen, wobei fur AEd gilt:

AEd w gIAEk (16)

mit

AEk Referenz-Erdbebeneinwirkung, verbundenmit einer Referenz-�berschreitungswahr-scheinlichkeit von 10% in 50 Jahren

gI Bedeutungsbeiwert der Brucke

Hieran erkennt man, dass die fur die Bemessunganzusetzende Erdbebeneinwirkung von der Be-deutung der Brucke abhangig ist. Bei wichtigenBrucken werden uber den Bedeutungsbeiwerthohere Erdbebenlasten angesetzt, wodurch dieZuverlassigkeit im Erdbebenfall angehoben wird.Demzufolge mussen Brucken in Bedeutungsklas-sen eingestuft werden, in Abhangigkeit von denFolgen ihres Versagens auf menschliches Leben,ihrer Wichtigkeit zur Aufrechterhaltung vonVerkehrsverbindungen und den wirtschaftlichenKonsequenzen eines Zusammenbruchs. Dies mussvon den nationalen Behorden erfolgen. Regelun-gen sollen im NA festgelegt werden.

Im EC 8-2 sind drei Bedeutungsklassen mitzugeordneten Bedeutungsbeiwerten vorgesehen(vgl. Tabelle 8). Der empfohlene Wert fur FaktorgI betragt 1,3 fur eine Brucke der Klasse III, d. h.fur eine Brucke, die fur die Aufrechterhaltungdes Verkehrs wichtig ist. Neben dieser Bedeu-tungskategorie werden fur die weiteren KlassenII und I die Werte fur gI von 1,0 bzw. 0,85 emp-fohlen. Autobahnbrucken waren beispielsweiseder Klasse II zuzuordnen.

333Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Tabelle 8. Bedeutungsbeiwerte nach EC 8-2

Bedeutungs-kategorie

Brucke Bedeutungs-beiwert gI

I Brucken mit ge-ringer Bedeutung

0,85

II Brucken mitdurchschnittlicherBedeutung(z. B. Autobahn)

1,0

III Brucken mitentscheidenderBedeutung

1,3

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Weiterhin sollten bei der Festlegung der Bedeu-tungskategorie fur Straßen folgende Kriterien be-rucksichtigt werden:– Wichtigkeit der Verbindung,– Verkehrsbelastung,– Straßenart.

Die Bemessungsvorschriften des EC 8-2 habennicht das Ziel, eine Bruckenkonstruktion soauszulegen, dass sie ein Erdbeben ohne jeglichenSchaden ubersteht. Das Bemessungsprinzip istvielmehr, eine Brucke mit wichtiger Verbindungs-funktion so zu bemessen, dass unter der Ein-wirkung des Bemessungsbebens diese Bruckemit einer gewissen Zuverlassigkeit ihre Funktionweiterhin erfullen kann. Dies bedeutet, dass einer-seits die Brucke nicht einsturzt und anderseits dereventuell entstandene Schaden reparabel bleibt.Ferner sollen die Brucken schwache bis mittlereErdbeben ohne Schaden uberstehen.

Im EC 8-2, Abs. 2.2.1 werden zwei grundlegendeAnforderungen gestellt: Erfullung der Grenz-zustande der Tragfahigkeit und Gebrauchstaug-lichkeit, d. h. Schadensbegrenzung.

Im Grenzzustand der Tragfahigkeit ist nachzu-weisen, dass es bei starken Erdbeben mit geringerAuftretenswahrscheinlichkeit wahrend der Nut-zungsdauer des Bauwerks nicht zu einem ortli-chem oder globalen Versagen des Tragwerks kom-men darf. Schaden werden dabei jedoch in Kaufgenommen. Insbesondere ist sicherzustellen, dassMenschen nicht gefahrdet werden und die Auf-rechterhaltung eines Notverkehrs fur Rettungs-und Wiederaufbaumaßnahmen mit reduzierterVerkehrslast moglich ist.

Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit darfein Erdbeben mit hoherer Auftretenswahrschein-lichkeit wahrend der Nutzungsdauer nicht zu einerEinschrankung des regularen Verkehrs fuhren.Außerdem sind nur geringe Schaden an den unter-geordneten Komponenten und an den fur die Ener-giedissipation vorgesehenen Teilen der Bruckeerlaubt.

Eine Brucke kann unter Erdbebenbeanspruchungso ausgelegt werden, dass sie sich duktil, be-schrankt duktil oder im Wesentlichem elastischverhalt. Die Art der beabsichtigten Auslegungsollte aus okonomischen und Sicherheitsgrundenabhangig sein von der Große der Erdbeben-einwirkung. In Regionen mit einer mittleren bishohen Seismizitat wird ublicherweise duktilesVerhalten angestrebt. Die Bruckenunterbautensollten derart ausgestattet sein, dass bei starkenErdbeben ein Großteil der aufgenommen Energiezuverlassig dissipiert werden kann. In Regionenmit geringer bis mittlerer Seismizitat kann be-schrankt duktiles Verhalten ohne wesentliche

Plastifizierung angestrebt werden, ohne dass dieWirtschaftlichkeit hiervon stark beeintrachtigtwird. Dennoch soll eine gewisse Energiedissipa-tion durch eine Abweichung vom linear elasti-schen Verhalten ermoglicht werden. Im Wesent-lichen elastisches Verhalten kann in Regionenmit niedriger Seismizitat angestrebt werden. Indiesem Fall soll die Brucke so konzipiert werden,dass potenzielle plastische Gelenke leicht zugang-lich sind fur Reparaturarbeiten.

Im EC 8-2, Abs. 2.3 sind Anforderungen an lokaleund globale Duktilitat sowie die erforderlichenNachweise definiert. Auch werden vereinfachteKriterien angesprochen, nach denen Brucken inGebieten niedriger Seismizitat entworfen werdenkonnen.

5.4 Konzeptioneller Entwurf

Soll das Tragwerk wahrend eines Erdbebens imelastischen Zustand verbleiben, muss es fur diemaximal auftretende Erdbebeneinwirkung ausge-legt werden. Bei großen seismischen Einwirkun-gen fuhrt dies zu hohen Beschleunigungen undTragheitskraften in der Struktur. Das Ergebniswird in der Regel ein unwirtschaftliches Bauwerk,da das Tragwerk und mogliche Anbauteile furdiese hohen Krafte bemessen werden mussen.Oft ist es sinnvoller, die Auslegung fur einereduzierte Erdbebeneinwirkung vorzunehmen beigleichzeitiger Sicherung der Verformbarkeit.Bild 2 verdeutlicht dieses Prinzip.

Grundsatzlich sollten solche Bruckensysteme ge-wahlt werden, die entweder der Beanspruchunginfolge eines Erdbebens widerstehen konnenoder durch geeignete Maßnahmen wie Lagerung,entsprechende konstruktive Durchbildung unddissipierende Elemente den Erdbebenkraften aus-weichen zu konnen. Ein erdbebengerechter Ent-wurf von Brucken lasst sich durch das Energie-erhaltungsgesetz erlautern:

Ei wEe SEk SEh SEv (17)

mit

Ei in das System durch Bodenbewegungeingefuhrte Energie

Ee elastische Verformungsenergie

Ek geschwindigkeitsabhangige kinetischeEnergie

Eh Energieanteil aus hysteretischen bzw.plastischen Verformungen

Ev Energieanteil aus viskoser Dampfung

Die Energie Ei entspricht der Einwirkung, wah-rend die folgenden vier Ausdrucke die moglichenWiderstande des Bauwerks wiedergeben.

334 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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Durch geeignete weiche Zwischenschichten, sog.Basisisolierungssysteme, welche den �berbauvom Baugrund trennen, kann eine Abminderungder in die Struktur eingetragenen Energie Ei er-reicht werden. Im Bruckenbau bietet sich dafureine sog. schwimmende Lagerung mittels Elasto-merlager an. Die Anwendung und Bemessungvon Elastomerlagern werden in Abs. 7.5.2.3.3des EC 8-2 behandelt.

Mit der Verstarkung der Tragelemente wird haupt-sachlich auf die Ausdrucke Ee und Ek eingewirkt.Damit werden die Tragelemente so bemessen,dass im Erdbebenfall Schaden vermieden werdenkonnen. Dies ist nur bei Erdbebeneinwirkunggeringer Intensitat sinnvoll.

Durch große plastische Verformung mittels derspeziell ausgebildeten plastischen Gelenke kannEnergie in den Tragelementen dissipiert und damitdie hysteretische Energie beeinflusst werden.Diese plastischen Gelenke haben oft nur einesehr begrenzte Ausdehnung. Jedoch fuhrt die Aus-nutzung der plastischen Verformungen zu bleiben-den Schaden und moglicherweise zu aufwendigenReparaturarbeiten. Die Bemessung der plasti-schen Gelenken erfolgt nach Kapitel 5 des EC 8-2.

In speziellen Fallen konnen hysteretische undviskose Dampfer fur die Dissipation eingesetztwerden. Sie mussen so konzipiert sein, dass siesich bei Starkbeben plastisch verformen, womiteine hohe Dissipation einhergeht. Die Bemessungvon diesen Erdbebenvorrichtungen erfolgt nachKapitel 7 des EC 8-2.

In stark erdbebengefahrdeten Gebieten ist eshaufig wirtschaftlicher, zusatzliche Mechanismenzur Energiedissipation einzubauen. Hierfur kom-men spezielle Bruckenlager/Erdbebenvorrichtun-gen zum Einsatz, die durch starke VerformungenEnergie dissipieren. Da in Deutschland dieseErdbebenvorrichtungen keine wesentliche Rollespielen, werden diese nachfolgend nur informativbehandelt.

Da die deutschen Erdbebengebiete zu den Ge-bieten mit niedriger bis mittlerer Seismizitat ge-horen, wird hier nur auf die relevanten Punkte furdie Bemessung dieser Bereiche eingegangen.Hierfur wird eine Auslegung unter Berucksich-tigung von duktilem Verhalten unter gewissenRandbedingungen empfohlen.

Bei einem erdbebengerechten Entwurf der Bruckein Gebieten mit niedriger und mittlerer Seismizitatsind folgende Eigenschaften wichtig:– ausreichend vorhandene Festigkeit,

Steifigkeit und Duktilitat,– erdbebengerechte Ausbildung von Lagern,

Fahrbahnubergange und Lagerbanke.

5.5 Seismische Einwirkung

�hnlich wie fur den ublichen Hochbau wird dieErdbebeneinwirkung mittels Beschleunigungsant-wortspektren beschrieben. Im EC 8-2 werden je-doch keine Antwortspektren angegeben. Vielmehrwird hierzu auf den Teil 1 des EC 8 verwiesen.Hier ergibt sich fur die praktische Anwendungeine Schwierigkeit. Auch im Teil 1 gibt es keinekonkreten Angaben fur die Einwirkung. Es wirdauf den nationalen Anhang verwiesen, wo entspre-chende Festlegungen, d. h. Definition von Erd-bebenzonen mit zugehorigen Beschleunigungen,zu treffen waren. Dieser Anhang ist fur Deutsch-land jedoch momentan noch nicht verfugbar.

Hier kann nur hilfsweise auf die aktuelle DIN 4149verwiesen werden, in der sowohl Erdbebenzonenals auch untergrundabhangige Antwortspektrenangegeben sind. Jedoch sind diese Beschrei-bungen primar abgestimmt auf die Anwendungim ublichen Hochbau unter Berucksichtigungtypischer deutscher Bauweisen. Die dort ver-wendeten Beschleunigungen entsprechen nichtden Peak-Ground-Acceleration (PGA), wie sieals Grundlage des Eurocode verwendet werdensollen. Allgemein kann man feststellen, dass dieBeschleunigungen der DIN 4149 im Vergleich zuden Festlegungen anderer Lander relativ geringsind. Einige Erlauterungen zu den Einwirkungender DIN 4149 sind in [66] angegeben.

5.6 Berechnungsmethoden

Grundsatzlich ist es schwierig, in Normen detail-lierte Berechnungsverfahren festzulegen, die furein bestimmtes Bauwerk anzuwenden sind. Oftkann man mit verschiedenen Methoden, ob mitkomplexen dynamischen Analysen oder mittelsstatischer Ersatzlasten, zufriedenstellende Ergeb-nisse erreichen. Erfahrungsgemaß werden stati-sche Ersatzverfahren in der Praxis vorgezogen.

Im EC 8-2 sind folgende Berechnungsverfahrenvorgesehen:x Lineare dynamische Berechnung – Antwort-

spektrumsmethodex Vereinfachtes Antwortspektrenverfahren

– Modell mit starrem �berbau– Modell mit flexiblem �berbau– Modell des Einzelpfeilers

x Lineare Zeitverlaufsberechnungx Nichtlineare Zeitverlaufsberechnungx Statische nichtlineare Berechnung

(Pushover-Berechnung)

Das Standardverfahren beim EC 8-2 ist die Ant-wortspektrenmethode. Unter gewissen Voraus-setzungen sind jedoch Vereinfachungen (Be-schrankung auf die kleinste Eigenform, Verwen-dung von Pfeiler-Ersatzmodellen) ausreichend.

335Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

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Das Antwortspektrenverfahren ist ein linearesdynamisches Verfahren. Es werden die Bau-werksreaktionen aus den einzelnen maßgebendenEigenschwingungsformen ermittelt und die Bean-spruchung des gesamten Tragwerks durch geeig-nete Superposition erhalten. Außer der Grund-schwingungsform werden also auch hohere Eigen-schwingungsformen der Brucke berucksichtigt.Die Erdbebeneinwirkung wird dabei abhangigvom Standort durch die o. g. Antwortspektrenbeschrieben. Die Anregung kann gleichzeitig inallen Richtungen erfolgen.

Im EC 8-2 werden unter bestimmten Vorausset-zungen quasistatische Verfahren bzw. das verein-fachte Antwortspektrenverfahren zur Berechnungzugelassen. Beim vereinfachten Antwortspek-trenverfahren werden aufgrund der dynamischenBelastung des Erdbebens statische Erdbeben-ersatzkrafte berechnet, welche auf die Bruckewirken. Ein Nachteil des vereinfachten Antwort-spektrenverfahrens ist, dass damit nur die Grund-frequenz der Brucke berucksichtigt werden kann.Bei Brucken mit einer einigermaßen homogenenMassen- und Steifigkeitsverteilung ist dieses Ver-fahren ausreichend, weil in solchen Fallen dieerste Eigenschwingungsform tatsachlich gegen-uber den hoheren Eigenschwingungsformendominierend ist. In anderen Fallen wird jedochder Einfluss der hoheren Eigenfrequenzen zugroß, sodass diese nicht vernachlassigt werdendurfen. Die Bedingungen, unter denen eine ver-einfachte Modellierung ausreichend genau ist,sind im EC 8-2 nicht vorgegeben.

Eine weitere Moglichkeit zur dynamischen Ana-lyse einer Brucke ist, direkt von der Bewegungs-differenzialgleichung auszugehen und Zeitver-laufsberechnungen durchzufuhren. Hier wird dieDifferenzialgleichung der Bewegung in kleinenSchritten uber die Zeit integriert. Die Antwortdes Systems, d. h. die Schnittgroßen und Verschie-bungen, konnen so zu jedem Zeitpunkt berechnetwerden. Bei den Zeitverlaufsberechnungen lassensich auch nichtlineare Effekte wie das nichtlineareMaterialverhalten berucksichtigen. Die Berech-nungen werden ublicherweise mit der Methodeder Finite Elemente durchgefuhrt.

5.6.1 Verschiedene Bruckentypen

Es ist weder sinnvoll noch praktikabel, fur jedeBrucke eine komplexe nichtlineare dynamischeAnalyse durchzufuhren, um die Beanspruchungeninfolge Erdbebeneinwirkung zu untersuchen. Des-halb wird versucht, mit einer linear-elastischenMethode gute Ergebnisse zu erzielen. Wie im ub-lichen Hochbau werden dabei nichtlineare Effektedurch einen globalen Verhaltenbeiwert q beruck-sichtigt.

Die Wahl der geeigneten Berechnungsmethodeist eine anspruchsvolle Aufgabe, die gewisse Er-fahrung voraussetzt. In einigen internationalenVorschriften wird zwischen regelmaßigen und un-regelmaßigen Tragwerken unterschieden, um dieBerechnungsmethode auszuwahlen. Auch kanndie Auswahl an die Erdbebenzone, die Wichtig-keit des Bauwerks und an wichtige Abmessungengekoppelt sein. Fur die in Deutschland verbreite-ten Bruckentypen liegen bislang keine Vorgabenoder Empfehlungen vor. Eine mogliche Eintei-lung, welches Rechenverfahren fur welchen Bru-ckentyp geeignet ware, ist in Tabelle 9 dargestellt.

Voraussetzung fur eine genaue Berechnung, un-abhangig von der Art des Verfahrens, ist dieWahl eines Rechenmodells, das die tatsachlichenVerhaltnisse moglichst realitatsnah beschreibenkann. Die wichtigsten Faktoren, die das dyna-mische Verhalten einer Brucke beeinflussen, wer-den nachfolgend behandelt.

5.6.2 Modellierung des Tragsystems

In der Praxis stellt sich die Frage, wie einekonkrete Brucke zu modellieren ist. Hierbei sindstatische und dynamische Eigenschaften, geo-metrische Randbedingungen sowie Werkstoff-verhalten und Lastmodell zu beachten und jenach Erfordernis in geeignete Finite-Elemente-Modelle umzusetzen.

Die Bemessung einer Brucke unter Erdbeben-belastung ist eigentlich ein iterativer Prozess. ZurBemessung benotigt man zunachst eine Be-lastung. Bei Erdbebenanregung ist diese je-doch abhangig vom Bauwerksverhalten selbst,d. h. vom Schwingungsverhalten. Kennzeich-nende Großen sind hierbei die Eigenfrequenzendes Bauwerks. Bei der Ermittlung der Grundfre-quenz der Brucke stellt sich die Frage, mit welcherSteifigkeit der Stahlbetonquerschnitte berechnetwerden soll. Wenn die Berechnung mit ungerisse-nen Querschnitten durchgefuhrt wird, wird einehohere Grundfrequenz ermittelt und fuhrt damitzu einer großeren Ersatzkraft. Anderseits ist davonauszugehen, dass sich im Grenzzustand der Trag-sicherheit bereits eine nennenswerte Rissbildungeingestellt hat, sodass die Annahme gerissenerSteifigkeiten dem wirklichen Verhalten oft naherkommt. Da jedoch die Ermittlung der tatsach-lichen Steifigkeit im gerissenen Zustand sehrschwierig und unsicher ist, geht man auf der siche-ren Seite liegend im Regelfall von ungerissenenQuerschnitten aus.

Abgesehen von einfachen Bruckensystemen istdie Berechnung der Erdbebenbeanspruchung aneinem Gesamtsystem, bei dem �ber- und Unter-bau miteinander gekoppelt sind, sinnvoll. DieSteifigkeitsverhaltnisse der einzelnen Tragele-mente – �berbau, Unterbau, Lager, Pfeiler und

336 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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Grundung (Bild 14) – mussen dabei genugendgenau berucksichtigt werden. Die Abbildung desTragwerks im Rechenmodell erfolgt in der Regelmittels raumlicher Stabwerke, die in den Schwer-linien der einzelnen Bauteile angeordnet sind. Eswird im Nachfolgenden die Modellierung der ein-zelnen Systemelemente angesprochen.

5.6.2.1 �berbau

Die Berechnung in Langs- und Querrichtung kannin der Regel mittels zwei getrennter Modelle er-folgen. Die Berechnung der haufigsten Brucken-typen wie Platten und Kastentrager wird in derRegel mittels Stabsystemen durchgefuhrt. Das

337Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Tabelle 9. Empfohlene Rechenverfahren in Abhangigkeit von Bruckentypen, Erdbebenzone undBedeutungskategorie BK

Bruckentyp Erdbebenzone

0 und 1 2 3

BKI

BKII

BKIII

BKI

BKII

BKIII

BKI

BKII

BKIII

Gerade, mehrfeldrige Brucken mitgleichen Spannweiten und gleich-maßigen Steifigkeitsverhaltnissen

s s VAS s VAS VAS VAS VAS VAS

Gerade, mehrfeldrige Bruckenmit ungleichmaßigen Spannweitenund Steifigkeitsverhaltnissen

s s VAS s VAS ASVAS

ASVAS

ASVAS

ASVAS

Stark schiefwinklige Brucken,gekrummte Brucken, mehrfeldrigeBrucken mit im Verhaltnis zum�berbau relativ steifen Stutzenund Fundamenteinspannungen

s s AS s VAS AS AS AS AS

Schragseilbrucken und Hange-brucken

s s AS s AS LZV LZV LZV LZVNZV

BK Bedeutungskategorie I, II oder IIIAS Lineare dynamische Berechnung – AntwortspektrumsmethodeVAS Vereinfachtes AntwortspektrenverfahrenLZV/NZV Lineare Zeitverlaufsberechnung/Nichtlineare Zeitverlaufsberechnung

Bild 14. Beispiel fur die Modellierung einer Brucke

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Langssystem wird durch ebene oder raumlicheBalkenelemente abgebildet. Beim Kastentragerkann so der Gesamtquerschnitt, beim Platten-balken ein Steg mit dem zugehorigen Teil derFahrbahnplatte beschrieben werden. Fur Platten-brucken werden FE-Modelle mit Platten/Schalen-elementen verwendet.

Der �berbau ist in der Regel sehr steif im Verhalt-nis zum Unterbau. Die Schwingungen infolgeErdbebeneinwirkung verursachen hauptsachlichBewegungen an den Pfeilern, Lagern und im Be-reich der �bergangskonstruktion. Wie im EC 8-2gefordert, soll sich der �berbau infolge Erdbeben-wirkung praktisch linear elastisch verhalten. Diesist in der Regel auch gegeben, insbesondere,wenn sie in Langsrichtung vorgespannt sind.Die Beanspruchung des �berbaus infolge Erd-beben ist vergleichsweise gering gegenuber derBeanspruchung aus den ublichen Lastfallen. InDeutschland kann bei der Bemessung des �ber-baus die Erdbebenwirkung daher vernachlassigtwerden. Infolgedessen wird ublicherweise furden �berbau ein linear-elastisches Stoffgesetzvorgesehen.

5.6.2.2 Pfeiler

Insbesondere bei hohen Talbrucken werden dieBruckenpfeiler in der Regel als stabformige Bau-teile mit Massiv- oder Hohlquerschnitt ausgefuhrt.Sie konnen mit Balkenelementen als mecha-nisches Modell abgebildet werden. Pfeiler werdendurch hohe Normalkrafte aus den vertikalen Auf-lagerkraften des �berbaus sowie durch Biege-momente aus den horizontalen und vertikalenAuflagerkraften sowie den Windlasten in Langs-und Querrichtung belastet. Wegen der hohen Nor-malkraftbeanspruchung ist oft die Berucksichti-gung der Zusatzschnittgroßen aus den Verformun-gen nach Theorie II. Ordnung erforderlich undmuss im Rechenmodell berucksichtigt werden.

Bei nichtlinearen Berechnungen ist fur Pfeiler eingeeignetes Werkstoffmodell zu verwenden, wel-ches im Grenzzustand der Tragfahigkeit die Riss-bildung und plastische Verformung von Betonund Stahl berucksichtigt. In der Regel sind elasto-plastische Modelle ausreichend.

5.6.2.3 Grundung – Boden-Bauwerks-Interaktion

Die Bruckengrundungssysteme sind so zu bemes-sen, dass die grundlegenden Anforderungen ge-maß Abs. 5.8 des EC 8-2, und 5.1 des EC 8-5,[9] erfullt werden. Bruckengrundungen durfennicht gezielt als Moglichkeit der hysteretischenEnergiedissipation benutzt werden. Somit mussensie so bemessen werden, dass sie unter Erdbeben-einwirkungen unbeschadigt bleiben.

Alle Arten von direkten Grundungen wie Einzel-fundamente, Plattengrundungen oder Senkkasten-grundungen durfen unter der Bemessungs-Erd-bebeneinwirkung keine plastischen Verformungenerfahren. Die Fundamente sollten immer elastischbleiben, da eine plastische Verformung i. Allg.zu erheblichen zusatzlichen Verschiebungen undBeanspruchungen im �berbau fuhren wurde undaußerdem die Reparaturen in den Fundamentenschwieriger auszufuhren sind als im �berbau.

Bei vielen Erdbebenberechnungen wird davonausgegangen, dass das aufgehende Bauwerk,d. h. die Bruckenpfeiler, starr in die Grundung ein-gespannt ist. In der Realitat ist der Baugrund, aufdem die Fundamente gelagert sind, jedoch auchein verformbares und schwingungsfahiges Medi-um. Bei Schwingungsanregung tritt zwischendem Bauwerk und dem umliegenden Baugrundeine Wechselwirkung ein, die als Boden-Bau-werks-Interaktion (BBI) bezeichnet wird. Liegtein relativ weicher Baugrund vor, wie er z. B. beider �berbruckung von Flusstalern haufig anzu-treffen ist, ist diese Interaktion oft nicht zu ver-nachlassigen, weil das Schwingungsverhalten derBrucke hiervon beeinflusst wird.

Fur die Analyse der Boden-Bauwerks-Interaktionwerden in der Praxis mehrere Modelle verwendet.Stellvertretend seien das Bettungszahlmodellnach Winkler, das Kugelstumpfmodel nach Wolf,bestehend aus Federn, Dampfern und Massen(Bild 15), und das Somaini-Modell [80], einsemiempirisches Modell, das fur die Berechnungmit dem Zeitverlaufsverfahren geeignet ist, ge-nannt. In Abschnitt 5.9 wird hierauf naher einge-gangen.

Eine Besonderheit stellen Pfahlgrundungen dar.Sie kommen in erster Linien bei weichem, wenigtragfahigen Baugrundverhaltnissen zur Ausfuh-rung. Das Schwingungsverhalten und die maß-gebenden Eigenfrequenzen werden hierbei durch

338 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 15. Modellierung der Boden-Bauwerks-Wechselwirkung nach Wolf

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die Steifigkeit des Bodens und der Pfahle be-stimmt. Weitere Einflussfaktoren sind die Schich-tung des Baugrundes, die Steifigkeit, die Festig-keit und das inelastische Verhalten des Boden-materials.

Bei der statischen Berechnung werden Pfahle alsbiege- und schubnachgiebige Balken modelliert.Der Pfahl wird als elastisch gebetteter Balken be-trachtet, wobei in jeder Tiefe die Bodenpressungdirekt proportional zur Pfahlverschiebung ist. BeiPfahlgruppen werden die Bettungen mit einemFaktor abgemindert, der vom Pfahlabstand undvon der Stellung des Pfahls in der Gruppe abhangt.Hierzu empfiehlt die DIN 4014 entsprechendeFaktoren. Die Pfahle konnen am Kopf in einestarre Pfahlkopfplatte voll- oder teileingespanntsein.

Die Erfassung des dynamischen Verhaltens vonBoden, Pfahlen und Bauwerk ist dagegen rechtkomplex und kann in der Regel nicht mit ein-fachen Rechenverfahren behandelt werden. ImBild 16 sind einige Einflussgroßen dargestellt.Hier sind spezielle Rechenprogramme erforder-lich. Fur eine Anregung durch harmonischeSchwingungen kann das Bettungsmodulverfahrenprinzipiell erweitert werden, indem die Bettungum Massen und Dampfer erganzt wird. Fur Pfahl-gruppen nach [55] und [56] ist dieses Verfahrenjedoch nur bedingt anwendbar, da die Pfahl-gruppenwirkung hierbei nicht erfasst wird.

Fur die Praxis genugen jedoch oftmals auch ver-einfachte auf der sicheren Seite liegende inge-nieurmaßige Betrachtungen, wenn nicht alle Trag-reserven ausgenutzt werden.

5.6.2.4 Lager

Die Wahl der Lagerungsart sowie deren konstruk-tive Ausbildung haben einen großen Einfluss aufdas dynamische Verhalten und damit auf die Erd-bebensicherheit einer Brucke. Insbesondere diedynamischen Bewegungen der Brucke in Langs-richtung konnen bei unzureichender Festigkeitder Bruckenlager zu den folgenden Schadenfuhren:– Beschadigung oder Zerstorung des Lagers

und seiner Verankerung,– Anprall des Fahrbahntragers an die Wider-

lager,– Abrutschen der Brucke von den Lagern.

Fur die Berechnung der Brucke ist das mecha-nische Modell des Lagers – Feder – so flexibel zugestalten, dass es das Verhalten der Lagerkon-struktion naherungsweise abbilden kann.

Als flexible Lager kommen in erster Linie Elasto-merlager zur Anwendung. Obwohl diese Materia-lien sich extrem nichtlinear verhalten, kann dieModellierung in erster Naherung mittels Feder-lementen erfolgen, die die horizontalen und ver-tikalen Steifigkeiten beschreiben.

339Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 16. Einflusse auf das Verhalten von Pfahlgrundungen bei Erdbeben (nach [55])

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In erster Naherung konnen die nichtlinearenEffekte vernachlassigt werden und ein konstanterSchubmodul fur horizontale Lagersteifigkeit an-gesetzt werden:

kh wG � AT

(18)

mit

G Schubmodul

A Lagerflache

T Dicke der Elastomerschicht

Die vertikale Elastomersteifigkeit ist vom Mate-rial des Lagers, der Grundrissform, der Elastomer-schichtanzahl, der Elastomerschichtdicke, demSeitenverhaltnis a/b und dem Verformungszu-stand des Lagers abhangig. Fur die vertikaleSteifigkeit kann naherungsweise folgende Formelbenutzt werden:

kv wE � AT

(19)

E Elastizitatsmodul

Das Verhalten von Topflagern unter horizontalenLasten wurde experimentell und numerisch am In-stitut fur Massivbau und Baustofftechnologie vonKhbeis [59] untersucht. Die relativen Verschiebun-gen bei festem Lager sind so klein, dass sie bei derBerechnung vernachlassigt werden konnen undals starr anzusetzen sind.

Im Teil 8 der europaischen Lagernormen werdenFuhrungslager behandelt. Diese Lager wurdenauch fruher haufig verwendet. Sie ubertragenHorizontalkrafte, jedoch keine Vertikalkrafte. Dasprinzipielle Verhalten dieser Lager unter horizon-taler Kraft wird im Bild 17 dargestellt.

Die Auswahl der Lager spielt eine wichtige Rollefur das Tragverhalten der Brucke unter Erdbeben-beanspruchung. Der Einfluss von Lagern auf dasTragverhalten von Brucken hat Kloker [60] unter-sucht. In einer Parameterstudie hat Kloker gezeigt,wie die Verschiebungen der Brucke von der Wahl

der Festhaltung und der Große des Lagerspielsvon Elastomerlagern beeinflusst werden konnen.

Weitere Ausfuhrungen zu Lagern, insbesondere zuElastomerlagern, sind in Abschnitt 5.10 wieder-gegeben.

5.6.2.5 Dampfung

Eine wichtige Kenngroße eines Rechenmodellsstellt die Dampfung dar. Wahrend eines Schwin-gungsvorgangs wird ein Teil der zugefuhrtenSchwingungsenergie durch Dampfung in einenicht reversible Energieform umgewandelt. Hier-bei ist zu unterscheiden zwischen:– Materialdampfung,– Strukturdampfung.

In der Literatur (vgl. [26, 50, 67]) sind fur dieDampfung von Stahl- und SpannbetonbauteilenWerte, wie in Tabelle 10 aufgefuhrt, zu finden.

Sowohl das lineare Antwortspektrum als auch dasBemessungsspektrum unter Berucksichtigung desVerhaltensbeiwertes q, wie sie derzeit DIN 4149zu entnehmen sind, sind abgestimmt auf eineDampfung von 5% (Lehrlsches Dampfungsmaß).Folglich sind diese Werte im Regelfall auch in dendynamischen Berechnungen zu verwenden. BeiBruckenbauwerken kann dies jedoch auf der un-sicheren Seite liegen, insbesondere bei empfind-

340 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 17. Modellierung des Fuhrungslagers

Tabelle 10. Dampfungswerte von Stahl- undSpannbetonbauteilen

Baustoff Dampfungszahl j(Lehr’sches Dampfungsmaß)

elastischerBereich

elastisch-plastischerBereich

Stahlbeton 1–2% 4–7%

Spannbeton 0,8% 2–5%

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lichen Systemen wie dem eines umgekehrtenPendels. Wenn fur das System eine geringereDampfung vorliegt, muss ggf. auch das Spektrumentsprechend angepasst werden. In DIN 4149 isthierfur eine Umrechnungsvorschrift angegeben.

Der Einfluss der Dampfung auf das dynamischeTragverhalten einer Brucke kann wie folgt zusam-mengefasst werden:x Die Berucksichtigung einer Bauteildampfung

hat großen Einfluss auf die aus einerdynamischen Beanspruchung resultierendenSchnittkrafte. Die Berucksichtigung einerDampfung bis zu 5% kann eine Abnahme derSchnittkrafte um 30–50% bedeuten.

x Die Große der Dampfung wird durch dasAuftreten von Schaden und Rissen beeinflusst.Hierbei ist zu unterscheiden zwischen derDampfung des vorgespannten�berbaus (Z2%)und jener der schlaff bewerten Pfeiler (Z 5%).

x Eine Dampfung von 5% entspricht den Ant-wortspektren der Norm.

5.6.3 Abschatzung von Grundeigenfrequenzen

Neben den genauen analytischen Verfahren zurErmittlung vonEigenschwingzeiten oder -frequen-zen stehen �berschlagsformeln zur Verfugung.Diese Formeln konnen naturgemaß nur fur einengroben �berschlag verwendet werden und kei-nesfalls als Basis eines Festigkeitsnachweisesdienen. Die bekannten empirischen Naherungs-formeln fur die Abschatzung der Grundfrequenzergeben meistens zu hohe Werte, was zwar zueiner �berschatzung der Erdbebenwirkung fuhren

kann, was jedoch auf der sicheren Seite liegt.Bild 18 zeigt beispielsweise eine solche grobe Na-herung.

5.7 Nachweise

Um die Standsicherheit eines Bruckenbauwerksim Erdbebenfall zu gewahrleisten, mussen Festig-keitsnachweise gefuhrt werden. Diese sind inKapitel 5 des EC 8-2 geregelt. Sie betreffen dasTragsystem fur den Erdbebenwiderstand vonBrucken, die mithilfe einer aquivalenten linearenMethode bemessen wurden, wobei duktiles oderbeschrankt duktiles Verhalten angenommen wur-de. Fur Brucken mit Isolationsvorrichtung mussEC 8-2 Kapitel 7 angewendet werden.

Bei der Bemessung der Brucke sind folgendeNachweise im Grenzzustand der Gebrauchstaug-lichkeit und Tragfahigkeit nach EC 8-2 erforder-lich:– Festigkeitsnachweise,– Detailnachweise – Konstruktive Durch-

bildung.

Zuerst wird auf die Festigkeitsnachweise ein-gegangen und in den Abschnitten 11.1 bis 11.3werden die Nachweise der Lager und �ber-gangskonstruktion behandelt.

5.7.1 Seismische Einwirkung und Kombinationmit anderen Einwirkungen

Ausgehend von den Einwirkungen infolge Erd-beben nach EC 8-2 wird im DIN Fachbericht 101[19] die Kombination mit anderen Einwirkungen

341Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 18. Empirische Naherungsformel zur Abschatzung der Grundfrequenz (nach [39, 40])

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geregelt. Im EC 8-2 und im DIN Fachbericht 101werden die Beanspruchungen aus Erdbeben mitdenjenigen aus standigen Lasten sowie aus 20%der Verkehrlasten uberlagert. Die Erdbeben-beanspruchung ergibt sich aus

Ed w Gk � Pk � AEd � c21Q1k (20)

mit

� bedeutet „zu kombinieren mit“

Gk charakteristische Werte der standigenEinwirkungen

Pk charakteristische Werte der Vorspannungnach allen Verlusten

AEd seismische Bemessungseinwirkung

Q1k charakteristische Werte der Verkehrslast

c21 Kombinationsbeiwert fur Verkehrslastgemaß 4.1.2(3); empfohlener Wert furStraßenbrucken c21 w 0,2

Bei der Bemessung der Lager ist es erforderlich,die Auflagerkrafte bzw. Verformungen infolgeErdbebenlast mit denen aus statischer Berechnungzu vergleichen. Die Bewegungskapazitat desBruckenlagers im Grenzzustand der Tragfahigkeitwird nach Anhang O von DIN Fachbericht 101ermittelt:

Ed w Gk � Pk � DTmk � DTNk �Qk,1 � Sc0iQki � dcsk � dcck (21)

mit

dcsk Kriechverformung mit ek mit @k w 1,35 @m

dcck Schwindverformungen mit esk w 1,6 esm

5.7.2 Festigkeitsnachweise

Um die Standsicherheit eines Bruckenbauwerksim Erdbebenfall zu gewahrleisten, mussen Festig-keitsnachweise gefuhrt werden. Diese sind inKapitel 5 des EC 8-2 geregelt. Sie betreffen dasTragsystem fur den Erdbebenwiderstand vonBrucken, die mithilfe einer aquivalenten linearenMethode bemessen wurden, wobei duktiles oderbeschrankt duktiles Verhalten angenommen wur-de. Fur Brucken mit Isolationsvorrichtung mussEC 8-2 Kapitel 7 angewendet werden.

Es sei darauf hingewiesen, dass fur Brucken mitduktilem Verhalten bei Verwendung von Verhal-tensbeiwerten q i 1,5 Stahl der Klasse C gemaßEN 1992-1-1:2004 verwendet werden muss. Die-ser hochstduktile Stahl ist auf dem deutschenMarkt in der Regel nicht verfugbar, sodass dieseBetrachtung in Deutschland nicht angewendet wer-den kann. Dies gilt insbesondere fur die Nachrech-nung und Bewertung von bestehenden Brucken. InDeutschland wird und wurde ublicherweise Stab-stahl der Klassen A und B eingesetzt.

Entsprechend der allgemeinen Regeln im EC 8-2sollte eine Brucke unter Erdbebenbeanspruchungfur zwei stark unterschiedlich Erdbeben ausgelegtwerden:x Fur ein Bemessungsbeben mit einer wahrend

der zu erwartenden Lebensdauer mit großerWahrscheinlichkeit auftretenden Starke. Hier-bei soll die Gebrauchstauglichkeit und Trag-sicherheit nicht beeintrachtigt werden. In die-sem Fall sollten nur elastische Verformungenauftreten.

x Fur das maximale Beben mit der fur denStandort großtmoglichen Starke und einer ge-ringen Auftretenswahrscheinlichkeit. Hierbeikonnen Schaden auftreten und dem Systemdurch plastische Verformungen ein Teil derzugefuhrten Energie entzogen werden.

Gemaß EC 8-2 sollten vom Grundsatz her alleNachweise fur die beiden Grenzzustande bei allenBedeutungsklassen durchgefuhrt werden. DiesePhilosophie ist gerechtfertigt fur Gebiete mitstarker Seismizitat. In einem Gebiet mit schwa-chen bis mittleren Erdbeben, wie Deutschland,sind diese Anforderungen sehr hoch gestellt. Dasim Folgenden beschriebene Vorgehen konnte fursolche Gebiete sinnvoll sein. Entsprechende �ber-legungen konnten in die Erstellung der nationalenAnhange Eingang finden.

Bei Brucken mit einer geringen Bedeutung (Be-deutungskategorie I) sollten keine Nachweise imGrenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gefuhrtwerden. Fur die Erdbebenzone 2 und 3 sollten imGrenzzustand der Tragfahigkeit die Absturzsiche-rung sowie ggf. die Pfeiler nachgewiesen werden.

Auf den expliziten Nachweis im Grenzzustand derGebrauchstauglichkeit kann bei den Brucken mitdurchschnittlicher Bedeutung (Bauwerkskatego-rie II) ggf. verzichtet werden. Im Grenzzustandder Tragfahigkeit fur die Erdbebenzone 1 scheintein Nachweis ebenfalls entbehrlich. Fur die Erd-bebenzonen 2 und 3 sollte das Augenmerk ins-besondere auf die mogliche Zerstorung der Lagerund Fahrbahnubergange sowie auf eine ausrei-chende Absturzsicherung gelegt werden.

Bei Brucken der Bedeutungskategorie III in allenErdbebenzonen 1, 2 und 3 sind im Grenzzustandder Tragfahigkeit sicherlich die Nachweise derTragsicherheit der Lager, �bergangskonstruk-tion und Pfeiler erforderlich. Ein Nachweis imGrenzzustand der Gebrauchstauglichkeit sollteim Einzellfall in Abstimmung mit dem Bauherrnerfolgen und kann sich ggf. auf Absturzsicherung,Lager und �bergangskonstruktion beschranken.

Die Zusammenstellung von sinnvollen Nach-weisen in Gebieten niedriger bis mittlerer Seis-mizitat fur den Grenzzustand der Tragfahigkeitzeigt Tabelle 11.

342 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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5.8 Kapazitatsbemessung

5.8.1 Grundlagen

Bruckentragwerke, die fur ein duktiles Verhaltenausgelegt werden, mussen nach der Kapazitats-methode der DIN EN 1998-2 Abs. 5.3 bemessenwerden. Dabei wird unterschieden in Bereiche,die planmaßig elastisch bleiben sollen, und Berei-che, die sich an der Energiedissipation beteiligensollen (i. Allg. plastische Gelenke). Um den ge-planten plastischen Mechanismus zur Energie-dissipation im Gesamttragwerk sicherzustellen,muss eine klare Hierarchie der Tragwiderstanderealisiert werden. Nach [69] mussen plastifizie-rende Bereiche so bemessen und konstruktiv aus-gebildet werden, dass sie eine ausreichende Duk-tilitat besitzen. Alle ubrigen Bereiche werden mitzusatzlichen Tragreserven (Kapazitat) ausgestat-tet, sodass sie elastisch bleiben, auch wenn dieplastifizierenden Bereiche �berfestigkeiten auf-weisen (vgl. Bild 19).

Um sprode Versagensformen in den elastischenBereichen zu vermeiden, werden diese nachDIN EN 1998-2 statt fur die Schnittgroßen nachder Erdbeben-Bemessungssituation (VEd, NEd,MEd) fur erhohte Schnittgroßen nach der Kapazi-tatsmethode (VC, NC,MC) bemessen. Die erhohtenSchnittkrafte ergeben sich aus Gleichgewichts-betrachtungen am Gesamtsystem, wenn in denplastischen Gelenken der obere Fraktilwert derBiegetragfahigkeit (�berfestigkeit) M0,i zugrundegelegt wird. Dabei sind zunachst die nicht-seis-mischen Einwirkungen wie Eigengewicht undVerkehrslast entsprechend der Erdbeben-Bemes-sungssituation anzusetzen. Anschließend sinddie seismischen Einwirkungen anzusetzen undso lange zu erhohen, bis alle plastischen Gelenkeihre �berfestigkeit M0,i erreichen. Die seis-mischen Einwirkungen werden i. Allg. entwederin Langs- oder Querrichtung jeweils mit positivemoder negativem Vorzeichen angesetzt, sodass sichvier zu untersuchende Falle ergeben.

Der obere Fraktilwert der Biegefestigkeit einesQuerschnitts ergibt sich nach DIN EN 1998-2 zu

M0,i w g0 �MRd,i (22)

mit dem �berfestigkeitsbeiwert g0 und der Be-messungsbiegefestigkeit MRd,i des Querschnittsim plastischen Gelenk i. Die Berechnung vonMRd,i muss dabei auf der vorhandenen Quer-schnittsgeometrie, dem tatsachlich gewahltenBewehrungsgehalt und ublicherweise mit demRechenwert der Materialkennwerte bestimmtwerden. Außerdem sind die Schnittgroßen, dieeinen Einfluss auf die Biegetragfahigkeit haben –wie Axialkraft (NEd) und ggf. zweiachsige Bie-

343Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Tabelle 11. Nachweise im Grenzzustand der Tragfahigkeit

Bedeutungskategorie der Brucke Erdbeben-zone

Grenzzustand der Tragfahigkeit

Bedeutungs-beiwert

Detailnachweise

AS L �KO P

I geringe Bedeutung 1 0,85 – – – –

2, 3 0,85 q – – q

II durchschnittliche Bedeutung 1 1,00 q – – q

2, 3 1,00 q q q q

III entscheidende Bedeutung 1 1,30 q q q q

2, 3 1,30 q q q q

AS AbsturzsicherungL Lager�KO �bergangskonstruktionP Pfeiler

Bild 19. Prinzip der Kapazitatsbemessung amBeispiel einer Kette

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gung infolge der Einwirkungen der Erdbeben-Bemessungssituation – in der gewahlten Richtungzu bestimmen und bei der Berechnung von MRd,izu berucksichtigen. Der Wert der �berfestigkeitsoll die Streuung der Materialkennwerte und dasVerhaltnis von der Bruchfestigkeit zur Streck-grenze abdecken. In DIN EN 1998-2 wird furStahlbetonbauteile der Wert g0 w 1,35 empfohlen,dieser Wert kann jedoch in einem nationalenAnhang abweichend festgelegt werden. In Stahl-betonquerschnitten mit einer normierten Axial-kraft hk großer als 0,1 muss der �berfestigkeits-beiwert g0 durch Multiplikation mit dem Faktor

1S 2(hk s 0,1)2 (23)

erhoht werden, wobei hk wNEd=(Ac fck) ist. FurStahlbauteile wird in der DIN EN 1998 ein �ber-festigkeitsbeiwert von g0 w 1,25 vorgeschlagenund fur andere tragende Bauteile, die im elasti-schen Bereich bleiben sollen, wie Feste Lager,Kocherfundamente, Verankerungen und Verbin-dungen ist ein �berfestigkeitsfaktor g0 von min-destens 1,3 anzusetzen.

In Bild 20 ist beispielhaft das maßgebendeMoment MC aus der Kapazitatsbemessung aneinem Krag-Pfeiler mit konstantem Querschnittund gelenkiger Lagerung des �berbaus dar-gestellt. Die Momentenlinie ergibt sich aus deroben beschriebenen Gleichgewichtsbetrachtung,in der die plastischen Gelenke den oberen Fraktil-wert der Biegetragfahigkeit M0,i erreicht haben.Das Biegemoment MC aus der Kapazitatsbemes-sung ist in der Umgebung eines Fließgelenks je-doch nicht großer anzusetzen als die Bemessungs-biegefestigkeit MRd,i des Gelenks. Dadurch wirddie Biegetragfahigkeit der Fließgelenkbereichenicht durch die Kapazitatsbemessung beeinflusstund der erwunschte Fließmechanismus im Systemwird sichergestellt. Somit mussen in Bauteilen mitFließgelenken die beiden Bedingungen einge-halten werden:

MEd JMRd im Querschnitt der Fließgelenke und

MC JMRd im Querschnitt außerhalb der Fließ-gelenke

Bei Stahlbetonbauteilen ist ein Schubversagen be-sonders kritisch, da der Tragwiderstand schlag-artig abfallt. Außerdem nimmt die Schubtrag-fahigkeit mit zunehmender Krummungsduktilitatab, da Risse die effektive Querschnittsflache redu-zieren. Aufgrund der zyklischen Belastung bildensich nicht nur Schragrisse in eine Richtung, son-dern auch Kreuzrisse, sodass der Schubwiderstandzusatzlich abnimmt. Aus diesem Grund muss derNachweis der Schubtragfahigkeit zum einen aufGrundlage der Bemessungsquerkrafte VC aus derKapazitatsbemessung gefuhrt werden und zumanderen muss die Schubtragfahigkeit, die sichaus der ublichen Bemessung ergibt, durch den zu-satzlichen Sicherheitsbeiwert gBd geteilt werden.In DIN EN 1998-4 wird fur Stahlbetonbauteileder Wert gBd w 1,25 empfohlen, dieser Wert kannjedoch auch in einem nationalen Anhang ab-weichend festgelegt werden. Da im Bereich vonFließgelenken die Betondeckung mit hoher Wahr-scheinlichkeit abplatzt, ist der Tragwiderstand aufBasis der Abmessungen des Betonkerns zu fuhren.

Werden im Fließmechanismus des TragwerksGleitlager integriert, mussen die Lager und an-grenzenden Bauteile fur eine erhohte Reibungs-kraft bemessen werden. Hierbei sollen Alterungs-effekte der Gleitflachen berucksichtigt werden.Die erhohte Reibungskraft ergibt sich zu

g0f � Rdf (24)

mit dem Vergroßerungsfaktor g0f w 1,3 und dermaximalen Bemessungsreibkraft Rdf des Lagers.

Der �berbau kann entweder ausschließlich aufElastomerlagern aufliegen, sodass die seismischenHorizontalkrafte uber die Elastomerlager abge-tragen werden, oder der �berbau liegt auf einerKombination von Elastomer- und Festlagern auf.Bei der zweiten Variante kann eine Energie-dissipation durch ein duktiles Verhalten in denPfeilern, an denen Festlager verwendet werden,ermoglicht werden. In diesem Fall sind die Elasto-merlager und die angrenzenden Bauteile fur eineLagerkraft zu bemessen, die sich aus der Be-messungsverschiebung des �berbaus und einerum 30% erhohten Lagersteifigkeit ergibt.

5.8.2 Prinzipieller Ablauf der Kapazitats-bemessung fur einen Bruckenpfeiler

Fur die Kapazitatsbemessung eines Brucken-pfeilers nach EC 8-2 mussen mehrere Nachweisedurchgefuhrt werden (vgl. [75]). Hierfur wird imFolgenden beispielsweise der prinzipielle Ablaufder Berechnung einer Brucke mit Kapazitats-bemessung eines Bruckenpfeilers dargestellt:

344 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 20. Maßgebendes Biegemoment MC aus derKapazitatsbemessung an einem Krag-Pfeiler

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1. Erfassung der Geometrie der Brucke, Quer-schnitte.

2. Bestimmung Bauwerksstandort, Erdbeben-zone und damit den Grundwerten der Boden-beschleunigung.

3. Festlegung der Bedeutungskategorie(EC 8-2, 2.1).

4. Festlegung des Bemessungsspektrums furlineare Berechnung (EC 8-1, DIN 4149).

5. Wahl der Berechnungsmethode z. B.lineare dynamische Berechnung – Antwort-spektrumsmethode (EC 8-2, 4.2.1).

6. Berucksichtigung des nichtlinearen Verhal-tens (Duktilitat) durch einen Verhaltens-beiwert q – begrenzt duktil und duktil(EC 8-2, 4.1.6).

7. Einwirkungskombination (EC 8-2, 5.5,4.1.2 , DIN Fachbericht 101).

8. Ermittlung der mitwirkenden Massen(EC 8-2, 4.1.2).

9. Ermittlung der Steifigkeiten.

10. Berechnung in Langs-/Querrichtung.

11. Ermittlung der Grundschwingzeiten undSchnittkrafte M.

12. Maßgebliche Eigenformen (EC8-2, 4.2.1.2).Die Summe der effektiven modalen Massender berucksichtigten Modalbeitrage mussmindestens 90% der Gesamtmasse derBrucke betragen.

13. Ermittlung der inneren Schnittkraften NEd,MEd,z und MEd,y.

14. Kombination der Komponenten derErdbebeneinwirkung (EC 8-2, 4.2.1.4)z. B. fur Langsrichtung EEdx S 0,30EEdy S 0,3 EEdz.

15. Pfeilerbemessung fur zweiachsige Biegungmit Normalkraft.

16. Kapazitatsbemessung erfolgt aus der er-mittelten Bewehrung, Querschnittsabmessungund Normalkraft NEd.

17. Ermittlung des �berfestigkeitsmoments einesQuerschnitts (EC 8-2, 5.3) zur Berucksich-tigung der Streuung der Festigkeitskennwertedes Werkstoffs sowie des Verhaltnisses vonBruchfestigkeit zur StreckgrenzeMo w goMRd

go �berfestigkeitsbeiwert (Der Wert des�berfestigkeitsfaktors sollte dieStreuung der Festigkeitskennwerte desWerkstoffs und das Verhaltnis vonBruchfestigkeit zur Streckgrenze wider-spiegeln)

MRd Bemessungsbiegesteifigkeit des Quer-schnitts in der gewahlten Richtung ba-sierend auf der tatsachlich vorhandenenQuerschnittsgeometrie einschließlich,falls zutreffend, der Bewehrung, und denMaterialkennwerten

18. Ermittlung der Lange moglicher plastischerGelenke (EC 8-2, 5.3 (5) und 6.2.1.5).

19. Bestimmung des Einflusses der Theorie2. Ordnung (EC 8-2, 5.4).

DMw

1S q

2dEdNEd

NEd AxialkraftdEd relative Querverschiebung der Enden des

betrachteten duktilen Bauteils

20. �berprufung der ausreichenden Biegetrag-fahigkeit von Querschnitten außerhalb desBereichs von Fließgelenken nach EC 8-2,5.3.(5) und 5.6.3.2.Die Bedingung Mc J MRd muss eingehaltenwerden.Mc Moment aus der KapazitatsbemessungMRd Bemessungstragfahigkeit des Quer-

schnitts unter Berucksichtigung derInteraktion der anderen Komponentender Bemessungszustandgroßen (Axial-kraft und, wenn zutreffend, Biegemo-ment in der dazu orthogonalen Richtung)

21. Nachweis der Schubtragfahigkeit von Fließ-gelenken.Nachweis der diagonalen DruckkraftVc I VRd,max:

VRd,max wacwn1fcdbwc0,9dc

worin

n1 w 0,9s fck=200i 0,5 fur fck j 60 MPan1 w 0,6 fur fck J 60 MPabwc, dc die umschnurte Stegbreite bzw. Hohe

des Querschnitts

Erforderliche Schubbewehrung

Asw

sw

VC

0,9dfywd

Hierbei mussen folgende Regelungenbeachtet werden:a) Die Bemessungszustandgroßen mussen

gleich den Kapazitatsbemessungs-zustandsgroßen angenommen werden

b) Die Tragfahigkeitswerte VRd,c, VRd,s undVRd,max mussen durch einen zusatzlichenSicherheitsbeiwert gBd gegen Sprod-versagen geteilt werden.

345Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

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22. Schubtragfahigkeit von Bauteilen außerhalbdes Bereichs von Fließgelenken.Die Nachweise der Schubtragfahigkeit erfolgtanalog den Bereichen der Fließgelenke.Hierfur werden die Stegbreite bw und Quer-schnittshohe d statt bw und dc verwendet.

23. Detailausbildung im Bereich der Fließ-gelenke.Bestimmung der minimalen Menge derUmschnurungsbewehrung gemaß EC 8-2,6.2.1.4:

fur rechteckige Bugel und Querhaken

vwd,r j max vw,req;2

3vw,min

� �mit

vw,req wAc

AcclhkS 0,13

fydfcd

(rLs 0,01)

Ac Bruttoflache des BetonquerschnittsAcc Beton(kern)flache des Querschnitts

bis zur Bugelmittellinievw,min, l sind in Tabelle festgelegte BeiwerterL Bewehrungsgrad der Langsbeweh-

rung

fur kreisformige Bugel und Wendelbewehrung

vwd,c j max 1,4vw,req;vw,min

� 23. Maßnahmen zur Verhinderung des Aus-

knickens der Druckbewehrung in Langs-richtung (EC 8-2, 6.2.2).Die Mindestanzahl an Querhaken soll wiefolgt ermittelt werden:

minAt

sT

� �w

PAsfys

1,6fyt(mm2=m)

mitAt Flache eines Querhakenschenkels

in mm2

sT Abstand in Querrichtung zwischen denQuerhakenschenkeln in m

SAs Summe der Flachen der vom Querhakenfestgehaltenen Langsstabe in mm2

fyt Streckgrenze des Querhakensfys Streckgrenze der Langsbewehrung

5.9 Bemessung von Bruckenpfeilern

Bruckenpfeiler bestehen in der Regel aus demWerkstoff Stahlbeton. Fur eine Erfassung desTragverhaltens unter Erdbebenbeanspruchung istes hilfreich, das Werkstoffverhalten von entspre-chenden Stahlbetonbauteilen unter zyklischerBeanspruchung zu kennen. Daher wird im Fol-genden zunachst das prinzipielle Verhalten er-lautert, bevor konkret auf die Bruckenpfeiler ein-gegangen wird.

5.9.1 Werkstoffverhalten von Stahlbeton-pfeilern – Werkstoffmodellierung

Bei der Simulation des Materialverhaltens un-ter dynamischen Erdbebeneinwirkungen mussennichtlineare Effekte moglichst genau abgebildetwerden. Nur dann kann die hysteretische Ener-giedissipation, die zu einer Reduzierung der Erd-bebenlasten fuhrt, realitatsnah erfasst werden.Die Energiedissipation wird hauptsachlich durchdie stoffgesetzlichen Formulierungen, d. h. durchdie Form der Spannungs-Dehnungslinie der be-teiligten Baustoffe bestimmt. Je großer die vonder Spannungs-Dehnungslinie umschlosseneHystereseflache ist, desto mehr Energie wird ver-zehrt. Da es sich beim Lastfall Erdbeben um einezyklische Belastung handelt, mussen Einflusseaus der Beanspruchungsgeschichte wie fort-schreitende Schadigungen und plastische Verfor-mungen in der Materialbeschreibung berucksich-tigt werden. Nichtlineare Effekte werden beimVerbundwerkstoff Stahlbeton durch die beidenKomponenten Beton und Stahl sowie durch denVerbund zwischen beiden Komponenten hervor-gerufen. Die folgenden Ausfuhrungen solleneinen kurzen �berblick uber das nichtlinearzyklische Materialverhalten von Stahlbeton ver-mitteln, soweit sie fur das Verstandnis des Erd-bebenverhaltens von Massivbrucken erforderlichsind.

5.9.1.1 Werkstoffverhalten von Beton untermonotoner Belastung

Bild 21 zeigt die einaxialen Druckspannungs-Dehnungslinien von Beton mit verschiedenenFestigkeitsklassen. Wahrend die Festigkeit deut-lich zunimmt, steigt die Dehnung im Spannungs-peak nur geringfugig von ca. 1,8 ‰ auf 2,6 ‰an. Die Entfestigung – also die Abnahme derSpannung bei zunehmender Dehnung – erfolgtbei hochfestem Beton deutlich schneller. Somitbesitzt Normalbeton eine hohere Duktilitat oderZahigkeit als hochfester Beton, da er ein großeresVerhaltnis aus Deformationsenergie im Entfesti-gungsbereich zur gesamten Deformationsenergiebesitzt.

346 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Seismisches Verhalten l vw,min

duktilbeschrankt duktil

0,370,28

0,180,12

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Bei einaxialer Druckbelastung verhalt sich Betonim Bereich I nach Bild 22 nahezu linear-elastisch,wobei die Steifigkeit ungefahr der Steifigkeit imZugbereich entspricht. Bei 30 bis 40% der Druck-festigkeit setzt ein stabiles Risswachstum ein,das heißt Risse vergroßern sich nur in Verbindungmit einer Laststeigerung. In diesem Bereich IInimmt die Steifigkeit langsam ab, und bei Ent-lastung verbleiben plastische Dehnungen. Bei 70bis 90% der Druckfestigkeit beginnt eine deut-

liche Auflockerung des Strukturgefuges (BereichIII). Die bis dahin diffus im Kontinuum verteiltenMikrorisse breiten sich selbst bei konstanter Lastspontan aus und verbinden sich zunehmend zuMakrorissen. Aufgrund dieses instabilen Riss-wachstums ist die Dauerstandfestigkeit von Betonauf ca. 70% der Druckfestigkeit begrenzt. An denBereich III nach Erreichen der Festigkeit schließtsich die Entfestigung an, bei der das Struktur-gefuge in Saulen parallel zur Belastungsrichtungunterteilt wird, deren Stabilitat die Festigkeit unddas Nachbruchverhalten bestimmen.

Die einaxiale Druckverformung einer Betonprobeist im Bereich I und II mit einer stetigen Volumen-abnahme verbunden (eV I 0 nach Bild 22). DieQuerdehnzahl n bleibt dabei konstant und nimmtin Abhangigkeit der Betonfestigkeit Werte imBereich von 0,19 bis 0,24 an [94]. Bei weiterer Be-lastung steigt die Querdehnzahl aufgrund der star-ken Auflockerung des Betongefuges soweit an,dass es im Bereich III zu einer Volumenzunahmekommt (eV i 0). Die Querdehnung des Betonswird in Stahlbetonstutzen durch die Bugel- oderWendelbewehrung behindert, sodass die Auf-lockerung des Strukturgefuges verhindert wird.

Bild 23 zeigt die prinzipielle Form der Versagens-oberflache von Beton im dreidimensionalen Span-nungsraum. Mogliche Spannungszustande wer-den durch einen Ortsvektor im Spannungsraumreprasentiert und mussen innerhalb des von derVersagensoberflache umschlossenen Volumensliegen. Fuhrt eine Belastung zu einem Punkt aufder Versagensoberflache, so kommt es zum Mate-rialversagen. Spannungszustande außerhalb derVersagensoberflache sind nicht zulassig. Die bei-den Schnittpunkte einer Achse mit der Versagens-oberflache stellen die einaxiale Druck- und Zug-festigkeit des Materials dar. Ein hydrostatischerSpannungszustand entspricht der Winkelhalbie-

347Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 21. Spannungs-Dehnungs-Beziehung fur Betonunterschiedlicher Festigkeitsklassen [97]

Bild 22. Druckspannungs-Dehnungslinie von Betonmit zugehoriger Quer- und Volumendehnung [99]

Bild 23. Versagensoberflache von Beton imSpannungsraum und hydrostatischer Druck(�quisektrix) [97]

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renden aller drei Koordinatenachsen und wird als�quisektrix bezeichnet. In einer Stahlbetonstutzewird die vertikale Spannung s1 von den betrags-maßig kleineren Ringdruckspannungen s2 unds3 begleitet, sodass die Festigkeit in vertikaler Be-lastungsrichtung bei ausreichender Verbugelungbetrachtlich erhoht werden kann.

In Bild 24 ist der Querschnitt und Langsschnitteiner Stahlbetonstutze dargestellt. Nach [95] wirdder Betonkern in den umschlossenen Beton, indem Ringdruckspannungen wirken, und in dennicht umschlossenen Beton, in dem keine Ring-druckspannungen wirken, unterteilt. Der �ber-gang zwischen umschlossenem und nicht um-schlossenem Beton erstreckt sich gewolbeartigzwischen den Knotenpunkten des Bewehrungs-korbes. Das Gewolbe im Vertikal- und Querschnittkann mit einer Parabel zweiten Grades appro-ximiert werden, wobei der Winkel an der Gewol-bewurzel zur Betonoberflache ungefahr 45h be-tragt. Somit nimmt der Anteil an umschlossenemKernbeton mit wachsendem Bugel- und Langs-bewehrungsabstand schnell ab.

In Bild 25 sind die Druckspannungs-Dehnungs-linien des umschlossenen und nicht umschlos-senen Betonkernanteils einer Stahlbetonstutzequalitativ dargestellt. Nicht nur die Festigkeitund die Dehnung bei Erreichen der Festigkeitsteigen deutlich an, sondern auch das Nachbruch-verhalten wird wesentlich verbessert. So fallt dieSpannung nach Erreichen der Festigkeit deutlichlangsamer ab – das Material verhalt sich zaheroder duktiler. Die Spannungs-Dehnungslinie desumschlossenen Betonkerns hangt abgesehen vonder Betonfestigkeitsklasse in erster Linie von derMenge und Verteilung der Bugel- und Langs-bewehrung und den Querschnittsabmessungenab. Es gibt verschiedene Ansatze zur Ermittlungdieser Kennlinie, fur eine Zusammenfassung undDiskussion dieser Ansatze wird auf [48] ver-wiesen.

5.9.1.2 Werkstoffverhalten von Beton unterzyklischer Belastung

In Bild 26 sind die experimentell ermittelten Span-nungs-Dehnungslinien einer Betonprobe unterzyklischer Zugbeanspruchung nach [93] und einerweiteren Betonprobe unter zyklischer Druck-beanspruchung nach [91] dargestellt. Erwartungs-gemaß liegt die Zugfestigkeit mit 2,2 MPa in einerganz anderen Großenordnung als die Druckfestig-keit mit 26,5 MPa. Die aufnehmbare Spannungnimmt im Entfestigungsbereich der Zugbelastungdeutlich schneller ab als bei Druck. Dieses Pha-nomen ist typisch fur Beton, der sich unter Zugsproder verhalt als unter Druck. Außerdem falltdie mittlere Steifigkeit der Ent- und Wiederbelas-tungszyklen unter Zug mit zunehmender Dehnungschneller ab als unter Druck. Folglich verbleibenbei vollstandiger Entlastung im Druckbereichgroßere plastische Dehnungen als im Zugbereich.Diese Unterschiede sind auf verschiedene Scha-digungsmechanismen im Beton zuruckzufuhren.

348 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 24. Querschnitt (links) und Langsschnitt (rechts) eines Stahlbetonpfeilers mit Unterteilungin Betonkern und nicht umschlossenen Beton

Bild 25. Druckspannungs-Dehnungs-Linien vonKernbeton und nicht von Bugeln umschlossenenBeton in Pfeilern

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Wahrend sich bei Zug Risse im Beton senkrechtzur Belastungsrichtung ausbilden, sind diese beiDruck zunachst parallel zur Belastungsrichtungorientiert.

Die genannten Eigenschaften von Beton unterzyklischer Belastung konnen in numerischenModellen effektiv mit kombinierten Schadigungs-Plastizitatsmodellen abgebildet werden. Bei derSchadigungstheorie wird angenommen, dass dieSteifigkeit der Ent- und Wiederbelastungszyklensoweit abfallt, dass die vollstandige Entlastungimmer im Ursprung endet (Bild 27a). Mit dieserAnnahme verhalt sich das Material bis zum Errei-chen einer erneuten Schadigung linear elastischmit einer gegenuber der Anfangssteifigkeit E0reduzierten Steifigkeit Ered :

sw (1sD) � E0 � ewEred � e

wobei D als Schadigungsparameter bezeichnetwird.

Bei der Plastizitatstheorie wird angenommen, dassdie Steifigkeit der Ent- und Wiederbelastungs-zyklen immer der Anfangssteifigkeit E0 ent-spricht. Dadurch endet die vollstandige Ent-lastung nicht im Ursprung, sondern bei einerplastischen Dehnung ep. Auch hier wird bis zumErreichen der aktuellen Festigkeit ein linear elas-tisches Verhalten angenommen:

swE0 � eemitee w es ep

Die Gesamtdehnung e muss jedoch zunachst ineine elastische Komponente ee und eine plastischeKomponente ep zerlegt werden. Da bei Beton imDruck- und Zugbereich sowohl die Steifigkeitder Ent- und Wiederbelastungszyklen abnimmtals auch plastische Dehnungen auftreten, erforderteine realistische Abbildung des Materialverhal-tens eine Kombination aus beiden Theorien.

349Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 26. Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungslinie von Beton fur zyklische Zugbelastung (links)nach [93] und Druckbelastung (rechts) nach [91]

Bild 27. Idealisierungen zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens bei zyklischer Belastung (nach [94]).a) Schadigungstheorie, b) Plastizitatstheorie, c) Kombination

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5.9.1.3 Werkstoffverhalten von Stahl

Die typische Arbeitslinie von Stahl mit linearelastischem Anstieg bis zum Fließplateau undanschließender Verfestigung kann auch bei zykli-scher Belastung als Einhullende der Hysterese-zyklen wiedererkannt werden, wie das experimen-telle Ergebnis von [92] in Bild 28 zeigt. Furden Bewehrungsstahl wird i. Allg. ein elasto-plas-tisches Werkstoffgesetz verwendet, bei dem dieEnt- und Wiederbelastungszyklen zunachst diegleiche Steifigkeit besitzen wie die Anfangsstei-figkeit. Erfolgt nach einer primaren plastischenVerformung jedoch ein Wechsel der Belastungs-richtung, so ist die Elastizitatsgrenze in dieserRichtung geringer als im Urzustand. Dieser Effektwird als Bauschinger Effekt bezeichnet und ist inder Arbeitslinie in Bild 28 gekennzeichnet.

5.9.1.4 Verbundverhalten

Der Einfluss einer Schadigung des Verbundes zwi-schen Beton und Bewehrung ist bei vorwiegendunter Druck stehenden Bruckenpfeilern i. Allg.von untergeordneter Bedeutung. Im Bereich vonVerankerungen der Bewehrung beispielsweiseuber dem Fundament oder an Rahmenecken kannes jedoch zu einem Bewehrungsschlupf kommen,der das Systemverhalten erkennbar verandert.Um diesen Einfluss in numerischen Modellen zuberucksichtigen, benotigt man die Verbundspan-nungs-Schlupf-Beziehung zwischen Bewehrung

und Beton. In [96] wird bspw. die Verbundspan-nungs-Schlupf-Beziehung fur eine allgemeinzyklische Belastung beschrieben. Diese beruck-sichtigt den anfanglichen Adhasionsverbund, denSchadigungszustand der Betonkonsolen zwischenden Bewehrungsrippen und die Reibung desBewehrungsstabes im geschadigten Bewehrungs-kanal.

5.9.2 Duktiles Tragwerksverhalten

Das Erdbebenverhalten von Brucken wird vorwie-gend durch ihren horizontalen Tragwiderstandund ihr plastisches Verformungsvermogen (Duk-tilitat) bestimmt. Verhalt sich das Brucken-tragwerk unter Erdbebeneinwirkungen elastisch,muss es einen hohen Tragwiderstand aufweisen.Kann es dagegen durch plastische VerformungenEnergie dissipieren, reicht bei derselben Einwir-kung ein geringerer Tragwiderstand aus. Bis aufwenige Ausnahmen muss der Bruckenuberbau imErdbebenfall nach DIN EN 1998-2 im linear-elas-tischen Zustand verbleiben. Außerdem sollte derOrt plastischer Gelenke fur Inspektionen undReparaturen leicht zuganglich sein. Damit isteine erwunschte Energiedissipation in Brucken-tragwerken abgesehen von speziell dafur aus-gelegten seismischen Bruckenlagern nur in denBruckenpfeilern moglich. In diesem Abschnittwird das Erdbebenverhalten von Stahlbeton-Bruckenpfeilern, die sich an der Energiedissipa-tion maßgeblich beteiligen, beschrieben sowie

350 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 28. Zyklische Spannungs-Dehnungs-Beziehung an einem Bewehrungsstab mit Ø 19 mm aus einemExperiment von [92]

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die besonderen Anforderungen an die Bemessungim Erdbebenfall zusammengefasst.

Plastische Verformungen an Stahlbetonpfeilernsind mit Plastifizierungen in der Bewehrung undim Beton verbunden. Diese lokalisieren sich meistin einem begrenzten Bereich des Pfeilers, in demdie Momentenbelastung am hochsten ist, und bil-den dort ein plastisches Gelenk aus. Entsprechendunterscheidet man zwischen einer lokalen undeiner globalen Duktilitat:x Die lokale Duktilitat bezieht sich auf die Ver-

formung einzelner Bauteile, wie die Rotationin plastischen Gelenken (Bild 29, links). DieRotationsduktilitat m@ wird beispielsweiseaus dem Verhaltnis der maximalen Rotation@u, die fur das Bemessungserdbeben im Ge-lenk zu erwarten ist, zur elastischen Rotation@y bei Fließbeginn berechnet:m@ w@u=@y (25)

x Die globale Duktilitat oder Verschiebedukti-litat bezieht sich auf die Verformung des Ge-

samttragwerks, bei Brucken ist dies die hori-zontale Relativverschiebung zwischen Funda-ment und �berbau (Bild 29, rechts). Analogzur Rotationsduktilitat wird die Verschiebe-duktilitat md aus dem Verhaltnis der Gesamt-verschiebung du im Grenzzustand der Trag-fahigkeit und der Verschiebung dy, bei der dieersten Plastifizierungen im Tragwerk auftre-ten, berechnet:md w du=dy (26)

Die Definition der Duktilitat bezieht sich auf einidealisiertes bilineares Verformungsverhalten. Daes sich beim Erdbebenfall jedoch um eine zyk-lische Belastung mit wechselndem Vorzeichenhandelt, wird sich in den Pfeilern eine Kraft-Verformungs- oder F-d-Beziehung nach Bild 30(links) einstellen. Die Einhullende der Hyste-rese entspricht naherungsweise der nichtlinearenF-d-Beziehung unter monotoner Belastung. Damitist es meist ausreichend, lediglich die nichtlineareF-d-Beziehung unter monotoner Horizontalbe-

351Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 29. Definition der lokalen Duktilitat (links) und globalen Duktilitat (rechts)

Bild 30. Monotone F-d-Beziehung als Einhullende einer zyklischen Erdbebenantwort (links) und nach der3/4-Regel ermittelte bilineare F-d-Beziehung (rechts)

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lastung fur die weiteren Betrachtungen zu bestim-men. Diese kann beispielsweise aus Versuchenoder mithilfe nichtlinearer Finite-Elemente-Be-rechnungen ermittelt werden. Hierbei ist zu beach-ten, dass die F-d-Beziehung in hohem Maße vonder normierten Axialkraft abhangt. Deshalb istdie Normalkraft entsprechend der seismischenBemessungskombination zu berucksichtigen.

Die monotone F-d-Linie mit kontinuierlich ab-nehmender Steifigkeit wird durch eine bilineareBeziehung approximiert. Fur diese Approxi-mation kann beispielsweise die „3/4-Regel“ nachBachmann [25] wie in Bild 30 (rechts) dargestelltangewendet werden. Dabei wird die Fließgeradeso eingelegt, dass sie die reale F-d-Linie bei 3/4des Tragwiderstands Fy schneidet und die Fließ-gerade die reale F-d-Linie bei einer Duktilitat 2(dw 2 dy) schneidet. Diese beiden Schnittpunktemussen iterativ bestimmt werden und stellen na-turlich nur eine willkurliche Naherung dar. Sowerden z. B in den Anhangen der DIN EN 1998weitere Verfahren beschrieben, die in ihrer An-wendung jedoch aufwendiger sind.

5.9.3 Abminderung der Erdbebenlasten beiduktilen Tragwerken

Eine Abminderung der maximalen Erdbeben-antwort Fy eines Tragwerks, das sich duktil verhaltgegenuber der Erdbebenantwort Fel desselbenTragwerks, nur mit linear elastischen Eigenschaf-ten, erfolgt beim Konzept der DIN EN 1998 undder DIN 4149 mithilfe des Verhaltensbeiwerts q:

Fy w1

qFel (27)

In Bild 31 sind die Kraft-Verschiebungslinieneines linear elastischen Tragwerks und eines duk-tilen Tragwerks mit dem Tragwiderstand Fy dar-gestellt. Wahrend bei dem elastischen Tragwerkfur eine bestimmte Erdbebenanregung eine maxi-male Antwort von Fel auftritt, kann beim duktilen

Tragwerk bei derselben Erdbebenanregung sys-tembedingt nur eine Antwort von Fy auftreten.Damit das duktile Tragwerk das Erdbeben den-noch uberstehen kann, muss es eine bestimmteplastische Verformung ohne Tragwiderstandsver-lust aushalten konnen. Diese Anforderung an dasTragwerk, eine bestimmte Gesamtverschiebungdu mitmachen zu konnen, wird auch als Dukti-litatsbedarf bezeichnet. Der Betrag der erforder-lichen plastischen Verformung hangt abgesehenvom Verhaltnis zwischen Fy und Fel also demVerhaltensbeiwert auch von der maßgebendenResonanzfrequenz des Tragwerks ab [64]:x Bei niederfrequenten Schwingungen werden

die maximalen Verschiebungen beider Sys-teme etwa gleichgroß sein, sodass sich nachBild 31 eine Verschiebung von du1 ergibt.

x Bei hochfrequenten Schwingungen werdendie Flachen unter den F-d-Beziehungen alsodie Verformungsarbeit beider Systeme iden-tisch sein, was zu einer Verschiebung du2 fuhrt.

Da Brucken im Allgemeinen ein niederfrequentesSchwingungsverhalten aufweisen, werden dieVerschiebungen des elastischen und des duktilenSystems etwa gleichgroß sein. Damit ergibt sichfolgender Zusammenhang fur die zu erwartendenKrafte und Verschiebungen:

Fel

Fyw

dudy

(28)

Setzt man die Gln. (26) und (27) in Gl. (28) ein, soerkennt man, dass die erforderliche Verschiebe-duktilitat und der Verhaltensbeiwert bei Bruckenungefahr gleichgroß sind:

q z md (bei Brucken) (29)

Bei der Erdbebenbemessung von Brucken imGrenzzustand der Tragfahigkeit nach DIN EN1998 werden zwei verschiedene Verhaltensweisendes Tragwerks angesetzt:x Beim beschrankt duktilen Verhalten nach

Bild 32 findet keine wesentliche Energie-dissipation in plastischen Gelenken unter derBemessungs-Erdbebeneinwirkung statt. Den-noch soll eine gewisse Energiedissipationdurch eine Abweichung vom linear-elasti-schen Verhalten ermoglicht werden. Dies istublicherweise infolge des immer vorhandenenAbstandes zwischen der Auslegungs- und derwahrscheinlich vorhandenen Festigkeit in derErdbeben-Bemessungssituation gegeben.

x Beim duktilen Verhalten ist ein stabiler plas-tischerVerformungsmechanismus desGesamt-tragwerks zu entwickeln, bei dem ein hoherAnteil der zugefuhrten Energie z. B. in plas-tischen Gelenken dissipiert wird. Die Kraft-Verschiebungs-Kennlinie muss ein ausge-

352 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 31. Kraft-Verformungs-Beziehung bei elasti-schen und duktilen Tragwerken und Prinzip der glei-chen Verschiebung du1 und der gleichen Arbeit du2

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pragtes Plateau besitzen und uber wenigstens5 Verformungszyklen nicht nennenswert anWiderstandskraft verlieren (Verlust J 20%).

In Tabelle 4.1 der DIN EN 1998 werden die maxi-mal anwendbaren Verhaltensbeiwerte fur die ver-schiedenen Bauteile einer Brucke angegeben undwurden hier in Tabelle 12 fur Stahlbetonpfeiler zu-sammengefasst. Demnach wird beim beschranktduktilen Verhalten fur vertikale Stahlbetonpfeilerein maximaler Verhaltensbeiwert von qw 1,5 undbei geneigten Stahlbeton-Pfeilern von qw 1,2 an-gegeben. Wird ein duktiles Verhalten zugrundegelegt, kann bei vertikalen Stahlbetonpfeilern miteiner Schlankheit as wL=h3 ein Verhaltensbei-wert von qw 3,5 und bei geneigten Pfeilern vonqw 2,1 angesetzt werden. Bei gedrungenerenPfeilern sind diese Verhaltensbeiwerte mit demFaktor

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffias=3

pabzumindern.

Gilt unter Annahme eines duktilen Verhaltens innur einem der lastabtragenden Pfeiler eine nor-mierte Langskraft von 0,3J hk J 0,6; muss einreduzierter Verhaltenswert verwendet werden:

qr w qshk s 0,3

0,3(qs 1)j 1,0 (30)

Liegt in einem der Pfeiler eine normierte Axial-kraft von hk j 0,6 vor, so muss ein elastischesVerhalten mit qr w 1 angesetzt werden. Fur diebeiden horizontalen Anregungsrichtungen konnenunterschiedliche Verhaltensbeiwerte verwendetwerden. Im gunstigsten Fall kann also ein Verhal-tensbeiwert von qw 3,5 angesetzt werden, wasi. Allg. eine Verschiebeduktilitat von md w 3,5voraussetzt. Um diese Anforderung zu erreichen,werden besondere Vorgaben zur Bemessung andas Gesamtbauwerk und zur baulichen Durch-bildung an die Pfeiler gestellt. Bevor diese Vor-gaben fur Stahlbeton-Pfeiler beschrieben werden,soll zunachst der Hintergrund diskutiert werden,der zu diesen Vorgaben gefuhrt hat.

5.9.4 Lokale Duktilitat in plastischen Gelenken

Um eine bestimmte globale Duktilitat zu ge-wahrleisten, mussen die lokalen Duktilitaten allerdafur vorgesehenen Bereiche im Bauwerk unter-sucht werden. Bild 33 stellt am Beispiel desBruckenpfeilers die elastische und plastischeKrummungsverteilung bei lateraler Erdbeben-einwirkung dar. Wahrend sich die elastischen Ver-formungen uber die gesamte Lange des Pfeilerserstrecken, konzentrieren sich die plastischenVerformungen auf den kleinen Bereich des plas-tischen Gelenks. Aus diesem Grund wachsen dieplastischen Krummungen im Vergleich zu denelastischen Krummungen sehr schnell an, umeine bestimmte Verschiebeduktilitat zu erreichen.Deshalb ist die lokale Duktilitat fur einen ge-gebenen Verformungszustand großer als dieglobale Verschiebeduktilitat.

Zur Abschatzung der erforderlichen Rotations-duktilitat in einem plastischen Gelenk einesBruckenpfeilers benotigt man u. a. die Lange Lp

353Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 32. Begrenzt duktiles und duktiles Verhalten nach DIN EN 1998-2

Tabelle 12. Maximalwerte des Verhaltens-beiwerts q

Typ des duktilen Bauteils SeismischesVerhalten

be-schranktduktil

duktil

Vertikale Stahlbetonpfeiler 1,5 3,5 l

Geneigte Streben oderStahlbetonpfeiler

1,2 2,1 l

mit lwffiffiffiffiffiffiffiffiffiffias=3

pJ 1,0

as w L=h

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des Gelenks. Diese kann naherungsweise nachAnhang E der DIN EN 1998-2 berechnet werden:

Lp w 0,10 LS 0,015 fyk dbL (31)

wobei L die Lange des voll eingespannten Krag-Pfeilers (in m), fyk die charakteristische Streck-grenze (in MPa) und dbL der Durchmesser derLangsbewehrung (in m) ist. Fur nicht voll ein-gespannte Krag-Pfeiler gilt fur die Lange L derAbstand des Querschnitts mit dem plastischenGelenk bis zum Querschnitt, an dem das Biege-moment gleich Null unter der seismischen Ein-wirkung ist. Fur einen 5,0 m langen Pfeiler miteiner BSt 500S Ø 20 mm Langsbewehrung erhaltman beispielsweise eine Lange des plastischenGelenks von Lpw 0,65 m. In der Literatur findetman Berechnungsansatze fur Lp, die i. Allg. sogarzu kleineren Werten fuhren, wie z. B. die halbeQuerschnittsabmessung des Pfeilers (1/2 h) oderein Ansatz nach [81]:

Lp w 0,08 LS 6 dbL (32)

Mit diesem Ansatz erhalt man fur die Lange desplastischen Gelenks nur 0,52 m. Nach Anhang Bder DIN EN 1998 kann das Verhaltnis zwischenlokaler Rotationsduktilitat und globaler Verschie-beduktilitat wie folgt berechnet werden:

m@ w 1Smd s 1

3l(1s 0,5l)(33)

mit

lw Lp=L

Angenommen, man setzt ein duktiles System-verhalten mit einer Verschiebeduktilitat vonmd w 3,5 an, so benotigt man bei dem obenerwahnten Beispiel (Pfeilerlange L w 5,0 m,

BSt 500S Ø 20 mm) eine erforderliche Krum-mungsduktilitat von m@ w 7,9 fur Lpw 0,65 mund m@ w 9,5 fur Lpw 0,52 m. Somit muss dieKrummung im Pfeilerquerschnitt nach Erreichender Fließgrenze noch fast 10-mal großere Werteerreichen konnen, ohne dass der Tragwiderstanduber mindestens funf Verformungszyklen nen-nenswert abfallt. Bei diesen großen Verformungenist insbesondere die Druckzone des Pfeilerquer-schnitt gefahrdet. Zum einen kann es zu einemAusknicken der uberdruckten Langsbewehrungund zum anderen zu einem Druckversagen desBetons kommen. Um dieses zu vermeiden, musseine ausreichende Querbewehrung vorhandensein, deren Querschnitt und Verteilung strengeAnforderungen erfullen muss.

5.9.5 Schubversagen

Neben dem oben beschriebenen fruhzeitigen Bie-geversagen ist auch ein Schubversagen zu ver-meiden. Ein Schubversagen ist besonders kritisch,da der Tragwiderstand schlagartig abfallt und esdamit zu einem sehr induktilen Erdbebenverhaltenfuhrt. Die Schubtragfahigkeit nimmt mit zu-nehmender Krummungsduktilitat ab, da Risse dieeffektive Querschnittsflache reduzieren. Aufgrundder zyklischen Belastung infolge Erdbeben-einwirkung offnen sich Risse auf beiden Seitendes Querschnitts was zu einer zusatzlichenSchwachung des Schubwiderstands fuhrt.

In [72] wurde der Einfluss der Verschiebeduktilitatauf den Schubtragwiderstand von Stahlbeton-pfeilern untersucht und beschrieben. Die Autorenentwickelten einen Ansatz, mit dem die Schub-tragfahigkeit eines Stahlbetonpfeilers in Abhan-gigkeit seiner Verschiebeduktilitat ermittelt wer-den kann. Bei diesem Ansatz setzt sich der Schub-

354 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 33. Bruckenpfeiler bei lateraler Erdbebeneinwirkung mit elastischer und plastischer Krummungs-verteilung uber die Pfeilerhohe

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tragwiderstand hauptsachlich aus einer Beton-komponente und einer Fachwerkkomponente zu-sammen. Wahrend die Betonkomponente dieKraft beschreibt, die uber den zum Teil gerissenenBetonquerschnitt ubertragen wird, beschreibtdie Fachwerkkomponente die Schububertragunguber die Bugel und Langsbewehrung. Dabei hatsich gezeigt, dass die Betonkomponente schon abeiner Verschiebeduktilitat von md j 2 abfallt undab md j 4 nur noch ca. 30% des Anfangswider-stands aufweist. Bei gleichzeitiger Verformungdes Pfeilers in zwei Horizontalrichtungen, wie esim Erdbebenfall zu erwarten ist, setzt dieserSchubwiderstandsverlust noch fruher ein.

Je nach Verhaltnis von Biegetrag- und Schubtrag-widerstand, wird zwischen drei Versagensartenunterschieden: Biegeversagen, Biegeschubbruchund Schubbruch. Die unterschiedlichen Ver-sagensarten unterscheiden sich in ihrer Duktilitatund ihrem Rissbild wie in Bild 34 dargestellt.Einen maßgeblichen Einfluss auf die Versagens-art hat dabei neben der Schlankheit L=h desPfeilers das Verhaltnis des Bewehrungsgehalts

in Langs- und Querrichtung. Folglich konnendie verschiedenen Versagensmechanismen bei ge-gebener Stutzengeometrie durch Variation desQuer- oder Langsbewehrungsgehalts erzwungenwerden. Welche Versagensart auftritt, kann nacheinem Ansatz der genannten Autoren bestimmtwerden, indem man die Biegetragfahigkeit unddie Schubtragfahigkeit in einem Diagramm uberdie Verschiebeduktilitat auftragt.

In Bild 35 ist exemplarisch die Horizontalkraftvon drei Stutzen mit unterschiedlichen Langsbe-wehrungsgehalten unter Ausschluss eines Schub-bruchs qualitativ uber die Verschiebeduktilitat auf-getragen. Es wird angenommen, dass die Stutzenkeine Traglaststeigerung mehr erfahren, sobalddie Langsbewehrung fließt. Demnach entsprichtdas Plateau in den Kurven der elastischen Tragfa-higkeit der Stutzen. Zusatzlich wird angenommen,dass alle drei Stutzen die gleiche Schubtragfahig-keit besitzen, die ebenfalls im Diagramm uberdie Verschiebeduktilitat qualitativ aufgetragenist. Je nachdem, wo sich die Kurven der Schub-festigkeit und der tatsachlich wirkenden Querkraft

355Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 34. Rissbilder von zyklisch belasteten Pfeilern mit Biegeversagen (links), Biegeschubbruch (Mitte) undSchubbruch (rechts)

Bild 35. Abgrenzung zwischen Biegeversagen, Biegeschub- und Schubbruch in einer Stutze (nach [72])

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schneiden, kommt es zum Biegeversagen, Bie-geschub- oder Schubbruch. Bei der Stutze nachKurve a uberschreitet die wirkende Querkraft dieSchubfestigkeit nicht, sodass hier ein duktilesBiegeversagen auftreten wird. Die Stutze nachKurve b kommt zu Beginn des Plateaus insFließen und schneidet erst danach die Linie derSchubfestigkeit. Somit tritt bei dieser Stutze einkombinierter Biegeschubbruch auf. Obwohl dieStutze nach Kurve c die hochste Biegefestigkeitaufweist, wird sie bei der geringsten Verformungdurch einen induktilen Schubbruch versagen.

5.9.6 Anforderungen bei duktilem undbeschrankt duktilem Verhalten

Bei der erdbebensicheren Auslegung einesBruckentragwerks fur ein beschrankt duktilesoder ein duktiles Verhalten, sind die beschriebe-nen sproden Versagensarten zu vermeiden. Dieswird durch besondere Regelungen in der DIN EN1998-4 sichergestellt. Die wichtigsten Regelun-gen werden im folgenden Abschnitt getrenntnach beschrankt duktilem und duktilem Verhaltenumrissen.

5.9.6.1 Beschrankt duktiles Verhalten

In kritischen Bereichen von Tragwerken mit be-schrankt duktilem Verhalten werden besondereAnforderungen an die Umschnurungsbewehrunggestellt. Außerdem sollten kritische Bereiche furInspektionen erreichbar sein, da dort mit plas-tischen Gelenken zu rechnen ist. Ein Bereich istals kritisch zu bewerten, wenn das maximaleBemessungsmoment MEd und die Mindest-Biegetragfahigkeit MRd des Querschnitts jeweilsin der Erdbeben-Bemessungssituation folgendeBedingung erfullen:

MRd=MEd I 1,3 (34)

Die gesonderten Regelungen fur die Umschnu-rung brauchen nicht berucksichtigt zu werden,wenn im Grenzzustand der Tragfahigkeit eineKrummungsduktilitat von m@ w 7 vorliegt und dieStauchung ecu2 des nicht umschnurten Betons denWert 0,35% nicht uberschreitet.

Die Bugel und Querhaken der Umschnurungs-bewehrung in rechteckigen Querschnitten musseneinen Mindestbewehrungsgehalt von

vwd,rw 0,28Ac

AcchkS

0,13fydfcd

(rLs 0,01)j 0,08 (35)

aufweisen und die kreisformigen Bugel und dieWendelbewehrung in kreisformigen Querschnit-ten

vwd,cw 0,392Ac

AcchkS

0,182fydfcd

(rLs 0,01)j 0,12 (36)

Dabei sind Ac die Bruttoflache des Betonquer-schnitts, Acc die Betonkernflache des Querschnittsbis zur Bugelmittellinie, rL der Bewehrungsgradder Langsbewehrung und hk die normierte Axial-kraft

hk wNEd=(Ac fck) (37)

mit der Normalkraft NEd in der Erdbeben-Bemessungssituation, der Flache Ac des Beton-querschnitts und dem charakteristischen Wertder Betonfestigkeit fck. Der mechanische Beweh-rungsgrad der Umschnurungsbewehrung ist wiefolgt definiert

vwd w rwfydfcd

(38)

wobei fur Rechteckquerschnitte gilt

rw w

Asw

sLb(39)

mit der gesamten Querschnittsflache Asw der Bu-gel und Querhaken oder Wendelbewehrung inder einen Umschnurungsrichtung, dem AbstandsL der Bugel oder Querhaken in Langsrichtungund der Abmessung b des Betonkerns senkrechtzur betrachteten Richtung der Umschnurung, ge-messen bis zu den Außenseiten der Umfangs-bugel. Schrage Bugelschenkel mit einem Winkela00 zur betrachteten Umschnurungsrichtung dur-fen nur mit ihrer Querschnittsflache multipliziertmit cos a angesetzt werden.

Fur Kreisquerschnitte gilt

rw w

4Asp

Dsp sL(40)

mit der Querschnittsflache Asp der verwendetenWendelbewehrung, dem DurchmesserDsp des vonder Wendel umschnurten Betonkerns, gemessenan der Außenseite der Wendel und des AbstandssL zwischen den Wendelgangen.

Bei rechteckigen Querschnitten muss die Be-dingung fur die Mindestbewehrung in beideQuerrichtungen erfullt sein. Um ein Ausknickender Langsbewehrung zu verhindern, sollten alleHaupt-Langsbewehrungsstabe durch die Bugeloder Querhaken der Umschnurungsbewehrunggehalten werden. Fur den Langsabstand zwischenden Bugel/Querhaken gilt:

sL J 2,5 (ftk=fyk)S 2,25j 5J 6

(41)

356 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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Fur Gebiete mit geringer Seismizitat konnen imnationalen Anhang vereinfachte Nachweisregelnfur Brucken mit beschrankt duktilem Verhaltenfestgelegt werden. Es wird jedoch empfohlen,die genannten Anforderungen auch fur Gebietemit geringer Seismizitat anzuwenden. NachDIN EN 1998-1 gehoren dazu Gebiete mit einemBemessungswert der Bodenbeschleunigung vonag J 0,8 und Baugrundklasse A (unverwitterteFestgesteine) oder Gebiete, bei denen fur dasProdukt aus Bodenbeschleunigung und Unter-grundparameter ag � SJ 0,98 m=s2 gilt.

Um ein sprodes Schubversagen zu vermeiden,sind neben den konstruktiven Anforderungen zu-satzliche Regelungen beim Schubtragfahigkeits-nachweis zu erfullen. Die Querkraft aus der Erd-beben-Bemessungssituation ist mit dem bei derlinearen Berechnung verwendeten Verhaltens-beiwert q zu multiplizieren. Außerdem muss dieSchubtragfahigkeit, die sich aus der ublichenBemessung ergibt, durch den zusatzlichen Sicher-heitsbeiwertgBd geteilt werden. InDINEN1998-4wird fur Stahlbetonbauteile der Wert gBd w 1,25empfohlen, dieser Wert kann jedoch auch ineinem nationalen Anhang abweichend festgelegtwerden.

5.9.6.2 Duktiles Verhalten

Bei duktilem Verhalten muss eine Kapazitats-bemessung (s. Abschn. 5.8) durchgefuhrt werden.Dabei wird in Bereiche unterschieden, die plan-maßig elastisch bleiben sollen, und Bereiche, diesich an der Energiedissipation beteiligen sollen(z. B. plastische Gelenke). Zur Vermeidung spro-der Versagensformen in Bauteilen, die elastischbleiben sollen, sind diese fur Schnittkrafte nachder Kapazitatsmethode zu bemessen. DieseSchnittkrafte ergeben sich aus Gleichgewichts-betrachtungen am Gesamtsystem, wenn in denplastischen Gelenken der obere Fraktilwertihrer Biegetragfahigkeit (�berfestigkeit) ange-setzt wird. Genauere Vorgaben zur Ermittlungdes oberen Fraktilwerts enthalt DIN EN 1998-4.Damit wird der vorgesehene Mechanismus zurEnergiedissipation im Gesamttragwerk sicher-gestellt.

Die Voraussetzung fur die Bildung von plas-tischen Gelenken in Stahlbeton-Pfeilern ist, dassdie normierte Axialkraft hk den Wert 0,6 nichtuberschreitet. Die Langsbewehrung darf im Be-reich plastischer Gelenke nicht durch �berlap-pung oder Schweißen gestoßen werden. Mecha-nische Kupplungen konnen verwendet werden,wenn ihre Eignung als Verbindungselement durchgeeignete Prufverfahren nachgewiesen wird. InBereichen, in denen die normierte Axialkraftden Wert 0,08 uberschreitet, werden besondereAnforderungen an die Umschnurungsbewehrung

gestellt, außer wenn die Krummungsduktilitatim Grenzzustand der Tragfahigkeit m@ w 13 be-tragt, wahrend die Stauchung ecu2 des nicht um-schnurten Betons den Wert 0,35% nicht uber-schreitet.

�hnlich wie beim beschrankt duktilen Verhaltenmussen die Bugel und Querhaken der Umschnu-rungsbewehrung in rechteckigen Querschnitteneinen Mindestbewehrungsgehalt von

vwd,r w 0,37Ac

Acchk S

0,13fydfcd

(rLs 0,01)j 0,12 (42)

aufweisen und die kreisformigen Bugel und dieWendelbewehrung in kreisformigen Querschnit-ten

vwd,c w 0,518Ac

Acchk S

0,182fydfcd

(rLs 0,01)j 0,18 (43)

Bei Rechteckquerschnitten gilt fur den maximalenAbstand zwischen den Bugelschenkeln oderden zusatzlichen Querhaken 1/3 der kleinsten Ab-messung des Betonkerns bmin, gemessen an denMittellinien der Bugel, maximal jedoch 200 mm(vgl. Bild 36, links).

Der Abstand sL zwischen den Bugeln oder Quer-haken in Langsrichtung muss bei Rechteckquer-schnitten die folgenden beiden Bedingungeneinhalten:

sL J 6-facher Durchmesser dbL eines Langs-bewehrungsstabs

sL J 1/5 der kleinsten Abmessung bmin desBetonkerns gemessen an der Mittellinie der Um-schnurungs-Bugel

Fur den Abstand sL zwischen den Bugeln oderQuerhaken in Langsrichtung gelten bei Kreisquer-schnitten dieselben Bedingungen wie bei Recht-eckquerschnitten, nur dass statt bmin die Ab-messung des kreisformigen Betonkerns bc nachBild 36 (rechts) einzusetzen ist:

sL Jmin (bc=5; 6 dbL) (44)

Da die Betondeckung im Bereich plastischer Ge-lenke abplatzen kann, muss die Umschnurungs-bewehrung im Betonkern mit 135h-Haken miteiner Lange von mindestens dem 10-fachenBugeldurchmesser verankert werden.

Um ein Ausknicken der Langsbewehrung zuverhindern, sollten analog zum beschrankt dukti-len Verhalten alle Haupt-Langsbewehrungsstabedurch die Bugel oder Querhaken der Umschnu-

357Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

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rungsbewehrung gehalten werden. Fur den Langs-abstand zwischen den Bugeln/Querhaken gilt:

sL J 2,5 (ftk=fyk)S 2,25j 5J 6

(45)

Die genannten Anforderungen an die Umschnu-rungsbewehrung bei duktilem Verhalten mussenuber die gesamte Bemessungslange Lh des plas-tischen Gelenks vorgesehen werden. Fur Pfeilermit einer bezogenen Axialkraft hk J 0,3 gilt furdie Bemessungslange Lh der großere der folgen-den Werte:– die Tiefe h des Pfeilerquerschnitts senkrecht

zur Rotationsachse des plastischen Gelenks,– der Abstand zwischen dem Punkt mit maxi-

malem Moment und dem Punkt, an dem dasBemessungsmoment auf 80% des maximalenMoments abgefallen ist.

Fur Pfeiler mit einer bezogenen Axialkraft von0,3Jhk J 0,6 muss der oben ermittelte Wert Lhnoch um 50% erhoht werden. Die Bemessungs-lange Lh stellt eine Obergrenze fur die Lange desplastischen Gelenks dar und sollte deshalb nurfur die konstruktive Durchbildung des plastischenGelenks angewendet werden. Dieser Wert ist nichtmit der wahrscheinlichen Lange Lp des plastischenGelenks zu verwechseln, der fur die Abschatzungder Rotation im plastischen Gelenk anzuwendenist. Ist eine Schubbewehrung uber eine zusatzlicheLange Lh am Ende des plastischen Gelenks vor-zusehen, so ist in diesem Bereich mindestens50% der erforderlichen Umschnurungsbeweh-rung des plastischen Gelenks einzulegen.

Es muss eine Kapazitatsbemessung durchgefuhrtwerden. Dabei wird unterschieden in Bereiche,die planmaßig elastisch bleiben sollen, und Berei-che, die sich an der Energiedissipation beteiligensollen (z. B. plastische Gelenke). Zur Vermeidungsproder Versagensformen in Bauteilen, die elas-tisch bleiben sollen, sind diese fur Schnittkraftenach der Kapazitatsmethode zu bemessen. DieseSchnittkrafte ergeben sich aus Gleichgewichts-

betrachtungen am Gesamtsystem, wenn in denplastischen Gelenken der obere Fraktilwert ihrerBiegetragfahigkeit (�berfestigkeit)angesetztwird.Genauere Vorgaben zur Ermittlung des oberenFraktilwerts enthalt DIN EN 1998-2. Damit wirdder vorgesehene Mechanismus zur Energiedissi-pation im Gesamttragwerk sichergestellt.

Die Voraussetzung fur die Bildung von plas-tischen Gelenken in Stahlbeton-Pfeilern nachDIN EN 1998-2 ist, dass die normierte Axialkraft

hk wNEd=(Ac fck) (46)

den Wert 0,6 nicht uberschreitet. Dabei ist NEddie Normalkraft in der Erdbeben-Bemessungs-situation, Ac die Flache des Betonquerschnittsund fck der charakteristische Wert der Betonfestig-keit.

5.10 Seismische Isolation von Brucken

5.10.1 Allgemeine Anmerkungen zurLagerausbildung

Bei der herkommlichen Auslegung von Bruckenwerden die Tragelemente so bemessen, dass siebei einer Erdbebenbeanspruchung nahezu im elas-tischen Zustand verbleiben. Dieses Bemessungs-konzept ist jedoch nur bei Erdbebeneinwirkungengeringer Intensitat sinnvoll und zielfuhrend. Beider Auslegung fur großere Intensitaten fuhrt diesim Regelfall zu einer unwirtschaftlichen Bemes-sung, da die Horizontallasten je nach System sehrhohe Werte annehmen konnen. Bei großeren In-tensitaten nutzt man im Erdbebeningenieurwesendeshalb gezielt das duktile Verformungsvermogendes Tragsystems oder setzt spezielle Vorrichtun-gen bzw. Erdbebenschutzsysteme bei der Lage-rung des �berbaus ein. Entscheidend fur einesichere Auslegung ist daher die Kenntnis der Erd-bebengefahrdung am Standort und eine integralekonstruktive Durchbildung des Bruckenbauwerks.Da das Erdbebenverhalten einer Brucke wesent-lich von ihrer Lagerungsart abhangt, liegt bei den

358 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 36. Umschnurungs-Details in Stahlbeton-Pfeilern mit rechteckigem Querschnitt (links) undkreisformigen Querschnitt (rechts)

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rechnerischen Untersuchungen ein besonderesAugenmerk auf den auftretenden Verschiebungenund der Verteilung der Horizontalkrafte an denLagern.

Um Zwangungen infolge der tages- und jahres-zeitlichen Temperaturschwankungen zu vermei-den, werden bei Brucken neben festen Lagern ver-schiebliche Lager angeordnet. In der Regel wer-den Brucken mit mittlerer Spannweite in Langs-richtung an einem Pfeiler unverschieblich undan allen ubrigen Pfeilern verschieblich gelagert.Damit wirkt die gesamte Masse des �berbausbei Erdbebenbeanspruchung an einem Pfeiler.Allgemein ist es nicht zweckmaßig oder kaummoglich, die festen Lager fur so große Horizontal-lasten zu bemessen.

Oft wird deshalb die Zerstorung dieser anfanglichfesten Lager bei einer starken Erdbebenbean-spruchung in Kauf genommen, sodass sich dasSystem nach deren Zerstorung ahnlich wie einSystem mit schwimmender Lagerung und even-tuellen Reibungslagern verhalt.

Fur derartige Konstruktionen gibt es eine Reihevon Sondervorschlagen. Beispielsweise wurdenan der in Bild 37 dargestellten Rheinbrucke inKonstanz die unverschieblichen Lager in Bru-ckenlangsrichtung nur fur Erdbeben geringerIntensitat ausgelegt. Bei großeren Beben werdendie in Bild 37 gezeigten Anschlage an den kurzenKragstutzen wirksam, deren Bewehrung duktilausgebildet ist. Nachteilig bei solchen Konstruk-tionen ist die unkontrollierte Bewegung des �ber-baus, nachdem die Zerstorung des ursprunglichfesten Lagers erfolgt ist. Auch ist zu beachten,dass es durch den Verlust der Integritat des Trag-werks und durch mogliche asynchrone Relativ-

bewegungen zwischen dem �berbau und denPfeilern zu kurzzeitig einwirkenden sehr großenStoßkraften auf die Haltekonstruktion kommenkann. Des Weiteren muss nach einem Erdbebeneine Neuausrichtung und Ertuchtigung der Bruckeerfolgen. In anderen Fallen werden Schubnocken,vorgespannte Zug-Druck-Lager oder Vorrichtun-gen, die ein Abheben der Lager bei Torsions-beanspruchung verhindern, eingesetzt [67].

Um derartige zum Teil sehr aufwendige Konstruk-tionen zu vermeiden, ist es sinnvoller, die Aus-legung fur eine reduzierte Erdbebeneinwirkungbei Wahrung der Integritat des Tragwerks vor-zunehmen. Dies kann einerseits durch ein seis-misch isolierendes System oder alternativ durcheine konstruktive Ausbildung duktiler Bereicheerfolgen, bei denen das plastische Verformungs-vermogen des Werkstoffs ausgenutzt wird. Demprojektierenden Ingenieur und dem Bauherrnmuss jedoch bewusst sein, dass es infolge derauftretenden plastischen Verformungen zu einerlokalen Schadigung in Abhangigkeit der gewahl-ten Duktilitat kommt. Gegebenenfalls ist dieGebrauchstauglichkeit der Brucke nach einemErdbeben beeintrachtigt oder nicht mehr gewahr-leistet, was insbesondere bei der Aufrechterhal-tung wichtiger Verkehrswege im Katastrophen-schutz zu beachten ist.

Grundsatzlich sollten deshalb solche Brucken-systeme gewahlt werden, die entweder der Bean-spruchung infolge eines Erdbebens ohne großereBeschadigung widerstehen konnen, d. h. fur einebeschrankte Duktilitat ausgelegt sind, oder durchgeeignete Maßnahmen nach einem Erdbeben,wie zum Beispiel Austausch der Lager, schnellertuchtigt werden konnen. Neben der duktilen

359Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 37. Rheinbrucke Konstanz, Ansicht der Brucke und Bruckenpfeiler

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Auslegung des Tragwerks kommen insbesonderespezielle Bruckenschutzsysteme zur Anwendung,die das Ziel haben die horizontale seismischeBeanspruchung auf die Brucke zu reduzieren[23, 62, 63, 73].

Mithilfe einer „schwimmenden Lagerung“ vonBrucken mittels Elastomerlagern und durch dieErhohung der Dampfung, z. B. mit viskosenDampfern bzw. hydraulischen Schwingungs-dampfern, konnen sowohl die Verschiebungenals auch die auftretenden Horizontallasten ausder Erdbebenbeanspruchung vermindert werden.Als technisch gute Losung ist eine ausgewogeneKombination beider Maßnahmen anzusehen.

5.10.2 Methoden der seismischen Isolierung

Durch geeignete seismisch isolierende Systeme,welche den �berbau vom Untergrund weitest-gehend entkoppeln, kann eine deutliche Abmin-derung der in die Struktur eingetragenen Energieerreicht werden. Die seismische Isolation be-wirkt, dass die maßgebenden Eigenfrequenzendes Systems in den Bereichen niederer Spektral-beschleunigungen zu liegen (Effekt der Perio-denverschiebung im Antwortspektrum) kommen.Des Weiteren bewirken die erhohten Dampfungs-eigenschaften der verwendeten Werkstoffe eineweitere Verbesserung des dynamischen System-verhaltens.

Eine verbreitete und bewahrte Form der seis-mischen Isolierung fur neu zu errichtende undfur die Ertuchtigung bestehender Brucken erfolgtmithilfe von bewehrten Elastomerlagern, wie imFolgenden erlautert wird. Das Prinzip einer seis-mischen Isolierung mit Elastomerlagern an einemBeispiel aus dem Hochbau zeigt Bild 38.

Das dynamische Verhalten eines seismischenisolierten Tragwerks wird somit maßgebend durchdas Verformungsverhalten der Elastomerlager be-einflusst, da im Allgemeinen deren horizontaleSteifigkeit um ein Vielfaches geringer ist als diedes Tragwerks. Entscheidend fur die gunstigeWirkungsweise einer seismische Isolierung mit-tels Elastomerlagern ist die Kenntnis der seis-mischen Gefahrdung am Standort und die lokalenUntergrund- und Baugrundverhaltnisse, wie siez. B. in [4] dokumentiert sind, im Zusammenspielmit den dynamischen Systemeigenschaften.

Bedingt durch die geringe Steifigkeit der Lagertreten bei einer seismischen Beanspruchunggroßere horizontale Verschiebungen auf, welchebei der konstruktiven Ausbildung zu berucksichti-gen sind. Hier sind die Fugenbreiten ausreichendzu wahlen, sodass ein Zusammenstoß der �ber-bauten und ein Anprall der �berbauten an dasWiderlager vermieden wird. Auch sind die Fahr-bahnubergange hinsichtlich einer dreidimensiona-len Beanspruchung flexibel auszulegen.

360 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 38. Grundprinzip einer seismischen Isolierung mit Elastomerlagern. Effekt der Periodenverschiebungim Antwortspektrum.

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Des Weiteren ist bei der konstruktiven Durch-bildung zu beachten, dass an jedem Widerlageran einem Lager Anschlage in Querrichtung vor-handen sein mussen. Auf diese Forderung kannverzichtet werden, wenn die Dehnlange I 15 m,gemessen vom Verformungsruhepunkt bis zum�berbauende und die Bruckenschiefe i 80 gonist [24].

5.10.3 Verformungsverhalten vonElastomerlagern

In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahlvon verschiedenen Elastomertypen fur unter-schiedliche Anforderungen und Einsatzbereicheentwickelt, da diese besonderen Anforderungenin Bezug auf das Verformungs- und Dampfungs-verhalten unterliegen. Im Hinblick auf dieMaterialdampfung werden Elastomerlager inschwach dampfende LDRB-Lager (LDRB – Low-Damping-Rubber-Bearings) und stark dampfendeHDRB-Lager (HDRB – High-Damping-Rubber-Bearings) unterteilt. Schwach dampfende Lagersind durch nichtlineares Materialverhalten miteinem aquivalenten viskosen Dampfungsgradvon jJ 0,06 charakterisiert. Das Verformungs-verhaltens von LDRB-Lagern kann nach [9] und[22] naherungsweise durch Annahme einer aqui-valenten linear-elastischen Steifigkeit beschriebenwerden. Stark dampfende HDRB-Lager zeigenhingegen ein stark nichtlineares Materialverhaltenmit einem aquivalenten viskosen Dampfungsgradvon 0,1J jJ 0,2.

Nachfolgend werden kurz die wichtigsten Eigen-schaften von Elastomerlagern in Bezug auf deren

zyklisches Verformungsverhalten erlautert. Zurausfuhrlichen Darstellung des Themas mit weiter-fuhrender Literatur wird auf die Veroffentlichun-gen [31, 44, 45, 73, 87, 88] verwiesen.

Das Materialverhalten von Werkstoffen ist durchdie Art und Starke ihrer Reaktionen auf ein-wirkende Krafte und erzwungene Deformationengekennzeichnet. Diese Reaktionen hangen beiElastomeren uberwiegend von der Temperatur,der Verformungsamplitude, der Lastgeschichteund dem Formfaktor ab, wodurch diese Werk-stoffe ein sehr komplexes Materialverhalten auf-weisen. Da Elastomere ahnlich wie Flussigkeitennahezu inkompressibel sind, d. h. Verformungenerfolgen unter nahezu konstantem Volumen, istdas Materialverhalten uberwiegend durch dieSchubsteifigkeit bzw. den Schubmodul G charak-terisiert. Zur Ausfuhrung kommen Elastomer-lager, wie in Bild 39 beispielhaft gezeigt, alsunverankertes oder als in den �berbau verankertesLager.

Der in Bild 40 dargestellte Formfaktor SF ist einegeometrische Große, die das Verhaltnis der ge-druckten Oberflache zur freien Oberflache aus-druckt. Er hat bei Elastomerbauteilen einen star-ken Einfluss auf die vertikale und horizontaleSteifigkeit und die Materialdampfung. Der Ein-fluss auf die genannten Eigenschaften nimmt beieinem kleiner werdenden Formfaktor zu.

In Bild 41 ist das Verformungsverhalten einer ver-ankerten und einer unverankerten Lagerkonstruk-tion bis zum Bruch dargestellt. Verankerte Lagerhaben gegenuber unverankerten Lagern den kon-struktiven Vorteil, Zugspannungen senkrecht zur

361Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 39. Verankerte und unverankerteLagerkonstruktion

Bild 40. Definition des Formfaktors SF

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Verankerungsplatte aufzunehmen, wodurch einstabileres Verformungsverhalten gewahrleistet ist.Fur die sichere Auslegung von Elastomerlagernsind die zulassigen Scherverformungen fur denLastfall Erdbeben nach [9] auf den Wert vontan gw 2 begrenzt.

In den Bildern 42 und 43 sind die verformtenLagerkonstruktionen auf dem Bemessungsniveaubei tangw 2 und beim Bruch dargestellt. Die Ver-formungsgroße tang bezieht sich auf die Lagerver-

schiebung u zur gesamten Gummidicke TR. Eineweitere wichtige Eigenschaft von Elastomerlagernist das stark nichtlineare Verhalten bei zunehmen-der Scherung. Bei kleinen Scherverformungenverhalt sich das Lager relativ steif und die Damp-fung ist gering. Die Steifigkeit nimmt dann beizunehmender Scherverformung stark ab, bevorsie im Bereich von tangw 2 wieder ansteigt. Denprinzipieller Verlauf des normierten SchubmodulsG bei monoton ansteigender Scherdehnungs-amplitude zeigt Bild 44.

362 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 41. Verformungsverhalten bis zum Bruchversagen; Lager Hw 250 mm, TR w 60 mm,Formfaktor SF w 24, Vertikalkraft FN w 400 kN

Bild 42. Verankerte Lagerkonstruktion (oben)und unverankerte Lagerkonstruktion (unten)bei tangw 2, H 250 mm, TR w 60 mm,Formfaktor SF w 24, FN w 400 kN

Bild 43. Verankerte Lagerkonstruktion bei tan gw 3(oben) und unverankerte Lagerkonstruktion (unten)bei tangw 4, H 250 mm, TR w 60 mm,Formfaktor SF w 24, FN w 400 kN

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Fur die praktische Anwendung ist dieses Verhal-ten gunstig. Bei geringen Belastungen, wie z. B.bei Windeinwirkung, zeigt das Lager eine großeSteifigkeit und die Verformungen sind gering.Bei Erdbebenbeanspruchung kommt das Lagerdann in seinen „Arbeitsbereich“, die Steifigkeitnimmt ab. Schließlich steigt bei großen Scherdeh-nungsamplituden die Steifigkeit zur Begrenzungder Verformungen wieder an.

In Bild 45 ist das zyklische Verformungsverhalteneines verankerten HDRB-Lagers bis zum Be-messungsniveau von tan gw 2 gezeigt.

Detaillierte Erlauterungen zu den am Institut furMassivbau und Baustofftechnologie an der Uni-versitat Karlsruhe (TH) durchgefuhrten Lager-versuchen sind in der Literatur [43, 85, 86] zufinden.

363Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 44. Prinzipieller Verlauf des normierten Schubmoduls G bei monoton ansteigenderScherdehnungsamplitude

Bild 45. Scherversuch Elastomerlager H 250 mm; TR w 60 mm, Formfaktor SF w 24,Belastungsfrequenz f w 0,1 Hz, Vertikalkraft FN w 400 kN

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5.10.4 Beispiel einer 2-feldrigen Balkenbruckemit seismischer Isolierung

Am Beispiel einer in Bild 46 dargestellten 2-feld-rigen Balkenbrucke mit vorgespanntem �berbausoll der Einfluss einer festen und einer schwim-menden Lagerung auf das dynamische Verhaltender Brucke bei Erdbebenbeanspruchung diskutiertwerden. Unter einer schwimmenden Lagerungversteht man die Lagerung der Brucke auf bewehr-ten Elastomerlagern, bei denen Bauwerksver-schiebungen nicht planmaßig durch Anschlageunterbunden oder begrenzt werden. Bei einerschwimmenden Lagerung (die Brucke ist hier anbeiden Widerlagern beweglich gelagert) ergibtsich in Langsrichtung und im Allgemeinen auchin Querrichtung ein relativ einfaches dynamischesSystem, welches zur Bemessung von Stutzen undLagern als Einmassenschwinger modelliert wer-den kann. Mit Kenntnis der Eigenfrequenz folgtdie horizontale spektrale Beschleunigung Sd (T)aus dem Antwortspektrum und folglich auch dieErsatzkraft.

Bei Variante A wird der Bruckentrager in Langs-richtung auf dem Mittelpfeiler fest gelagert, wah-rend bei Variante B die Lagerung schwimmendauf Elastomerlagern erfolgt. An den Widerlagernsind fur beide Varianten Gleitlager in Langs-richtung vorgesehen. In Querrichtung ist derBruckentrager sowohl beim Mittelpfeiler als auchbei den Widerlagern fest gelagert.

Grundsatzlich wirkt die Erdbebeneinwirkung inRichtung aller drei raumlichen Achsen. Bei dervorliegenden Balkenbrucke genugt jedoch dieBerucksichtigung der beiden horizontalen Kom-ponenten der Erdbebeneinwirkung in Brucken-langs- und -querrichtung. Da die Brucke in Quer-richtung an drei Stellen fest gelagert ist und somiteine viel großere laterale Steifigkeit besitzt, be-schranken sich die Untersuchungen deshalb aufdie Erdbebeneinwirkung in Bruckenlangsrich-tung. Des Weiteren verhalt sich der �berbauinfolge Erdbebeneinwirkung praktisch linear-elastisch, da er langs vorgespannt ist. Folglichkann fur die Bemessung des �berbaus die Erd-bebeneinwirkung vernachlassigt werden.

364 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 46. Bruckensystem

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Das Schlankheitsverhaltnis des in Bild 46 dar-gestellten Mittelpfeilers betragt h/d w 6 und liegtsomit im mittleren Bereich. Das Eigengewichtdes �berbaus betragt

PPK w 200,0 kN=m. Des

Weiteren wird angenommen, dass es sich umeine Brucke mit normalem Verkehr handelt, so-dass der Kombinationsbeiwert fur die Verkehrs-lasten C21 w 0 nach [9] zu setzen ist. In einerhier nicht dargestellten Berechnung wurdendie anzusetzenden horizontalen Bremslasten zuFBrems w 0,4 MN ermittelt.

5.10.4.1 Berechnungsmethoden

Die in der Praxis angewandten Methoden zur Be-rechnung des Erdbebenverhaltens von Bruckensind einerseits das Ersatzkraftverfahren und an-dererseits das Antwortspektrenverfahren. In Er-weiterung dieser beiden linearen Verfahren kom-men Zeitverlaufsberechnungen zum Ansatz, ins-besondere wo nichtlineare StoffeigenschaftenEingang in die Berechnung finden. In dem hierbehandelten einfachen Beispiel kommen das Er-satzkraftverfahren und Zeitverlaufsberechnungenzum Ansatz.

Beim Ersatzkraftverfahren werden aufgrund derdynamischen Belastung des Erdbebens statischeErdbebenersatzkrafte berechnet, welche auf dieBrucke wirken. Der anschließende Sicherheits-nachweis geschieht unter Berucksichtigung die-ser Erdbebenkrafte mit gewohnlichen statischenMethoden.

Ein wichtiger Nachteil des Ersatzkraftverfahrensist, dass damit nur die Grundfrequenz der Bruckeberucksichtigt werden kann. Bei Brucken miteiner einigermaßen homogenen Massen- undSteifigkeitsverteilung ist dieses Verfahren ausrei-chend, weil in solchen Fallen die erste Ei-genschwingungsform tatsachlich gegenuber denhoheren Eigenschwingungsformen dominierendist. In anderen Fallen wird jedoch der Einflussder hoheren Eigenfrequenzen zu groß, sodassdiese nicht vernachlassigt werden durfen.

In dem hier gewahlten Beispiel ist aufgrund deseinfachen dynamischen Systems ein Nachweisnach dem Ersatzkraftverfahren fur die Variante Ader festen Lagerung am Mittelpfeiler zulassig,da das dynamische System vereinfacht als Ein-massenschwinger abgebildet werden kann.

5.10.4.2 Grundfrequenz

Bei der Ermittlung der Grundfrequenz der Bruckestellt sich die Frage, mit welcher Steifigkeit derStahlbetonquerschnitte gerechnet werden soll.Die Annahme ungerissener Querschnitte fuhrt zueiner hoheren Grundfrequenz und damit auch zueiner großeren Ersatzkraft. In dem fur die Be-messung maßgebenden Grenzzustand der Trag-

sicherheit hat sich jedoch die Rissbildung oftweit uber die Bereiche plastischer Verformungenausgedehnt, sodass die Annahme gerissener Stei-figkeiten dem wirklichen Verhalten naher kommt.

Auf der sicheren Seite liegend wird in Anlehnungan [9] die Steifigkeit des ungerissenen Quer-schnitts fur die Ermittlung der Grundfrequenzverwendet. Die Ermittlung der hier maßgebenden1. Grundfrequenz ist nachfolgend als Zahlenbei-spiel mit den in Bild 46 gezeigten Systemwertendargestellt.

Masse des gesamten Bruckentragers(PK SC21 � Q1K)

Mw 800 tw 800 � 10s 3 MN s2=m

Elastizitatsmodul des Pfeilers (C35/45)

EC w 33300 MN=m2

Tragheitsmoment des Pfeilers

IPfeiler w (4,2 � 0,83)=12w 0,179 m4

Biegesteifigkeit des Pfeilers

Kw 3 � EC � IPfeilerð Þ=h3

w 3 � 33300 � 0,179=4,83 w 162 MN=m

1. Grundfrequenz

f1 w1

2p�ffiffiffiffiffiK

M

rw

1

2p�ffiffiffiffiffiffiffiffi162

0,8

rw 2,3 Hz

Mit der berechneten Grundfrequenz lasst sichnun aus dem in Bild 47 dargestellten elastischenAntwortspektrum die dazugehorige spektrale Be-schleunigung ermitteln. In diesem Beispiel ergibtsich fur Tw 1=f1 w 0,44 s eine spektrale Beschleu-nigung von Se(T)w 1,7 m=s2. Anschließend lasstsich die gesamte Horizontalkraft fur den Pfeilermit Fel w Se(T) �Mw 1,7 m=s2 � 0,8 MN s2=mw

1,36 MN berechnen.

365Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 47. Elastisches Antwortspektrum, Erdbeben-zone 3, Untergrundklasse T, Baugrundlasse B,Bedeutungsbeiwert gI w 1,3

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Nach [9] unterscheidet man bei Brucken in zweiDuktilitatsklassen:x Beschrankt duktiles, im Wesentlichen elasti-

sches Verhalten:Der Verhaltensfaktor q ist fur vertikale Stahl-betonstutzen auf 1,5 begrenzt.

x Duktiles Verhalten:Der Verhaltensfaktor q ist fur vertikale Stahl-betonstutzen auf 3,5 begrenzt.

Neben dem Verhaltensfaktor unterscheiden sichdie beiden Duktilitatsklassen durch die Schub-bemessung und durch die Anforderungen andie Umschnurungsbewehrung. Streng genommenmussten eigentlich die Beanspruchungen inLangs- und Querrichtung uberlagert werden. Hierwird zur Vereinfachung darauf verzichtet und nurdie großere der beiden, d. h. die Beanspruchungin Langsrichtung, betrachtet. Die Schnittgroßenfur die Bemessung aus der Erdbebenbean-spruchung ergeben sich dann aus FD wFel � 1=q.Die berechneten Schnittgroßen fur den Pfeilernach den jeweiligen Ansatzen sind in Tabelle 13dargestellt.

Anhand der in Tabelle 13 gegenubergestelltenSchnittgroßen wird deutlich, dass sich durch eineduktile Auslegung des Pfeilers eine wesentlicheReduzierung der Schnittgroßen und somit einewirtschaftliche Bemessung erreichen lasst. Aller-dings ist zu beachten, dass fur duktiles Verhaltenzusatzliche Nachweise und konstruktive Maß-nahmen bei der Bewehrungsfuhrung erforderlichsind.

In Erweiterung des Ersatzkraftverfahrens soll dasSystem nun fur die Variante A (festes Lager amPfeiler) und die Variante B (schwimmende Lage-rung) untersucht werden. Fur die dynamischeBerechnung nach dem Zeitverlaufsverfahrenwurde das in Bild 48 gezeigte numerische Modellaus Stabelementen erstellt. Fur die Variante A unddie Variante B zeigt Bild 48 die erste Eigen-schwingungsform der Brucke.

Da die Verformungen des Bruckentragers prak-tisch keinen Einfluss auf die erste Eigenschwin-gungsform haben, kann sie unter Berucksich-tigung der Symmetrie auch an einem Einmassen-schwinger-Modell, bestehend aus einer Brucken-stutze und der Masse des Bruckentragers, be-stimmt werden.

366 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 48. Numerisches Rechenmodell (oben) und 1. Eigenform (unten)

Tabelle 13. Zusammenstellung der Schnittgroßenfur den Pfeiler nach dem Ersatzkraftverfahren

Ansatz Normal-kraft[MN]

Biege-moment[MN]

Quer-kraft[MN)

elastischqw 1,0

s5,0 6,53 1,36

beschrankt duktilqw 1,5

s5,0 4,37 0,91

duktilqw 3,5

s5,0 1,87 0,39

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Der Beschleunigungszeitverlauf wurde auf derGrundlage des in Bild 49 gezeigten elastischenAntwortspektrums fur die Untergrundklasse T,die Baugrundklasse B und den BedeutungsbeiwertgI w 1,3 berechnet. Den generierten Zeitverlaufzeigt Bild 49.

In beiden untersuchten Fallen wird das Material-verhalten des Pfeilers linear-elastisch abgebildet.Des Weiteren wurde bei beiden Varianten eineRayleigh-Dampfung im Bereich der ersten Eigen-frequenz von Variante A, also bei f w 2,3 Hz, an-gesetzt. Bei der festen Lagerung ein aquivalentesDampfungsmaß von jw 0,05 und bei der schwim-menden Lagerung von jw 0,02.

Fur die Abbildung des Materialverhaltens desHDRB-Lagers bei der schwimmenden Lagerungwurde ein nichtlineares Stoffgesetz fur finiteDeformationen verwendet. Fur eine ausfuhrlicheBeschreibung des Stoffgesetzes wird auf dieLiteratur [31, 43, 87, 88] verwiesen. In Bild 50sind die berechneten Zeitverlaufe der am Pfeilerangreifenden Horizontallasten fur beide unter-

suchten Varianten dargestellt und in Tabelle 14gegenubergestellt. In Bild 51 ist das nichtlineareKraftverformungsverhalten des Elastomerlagersbei zyklischer Belastung dargestellt. Schließlichzeigt Bild 52 die berechneten Verschiebungendes �berbaus fur beide untersuchten Varianten.

367Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 49. Normspektrum und generierter Zeitverlauf

Tabelle 14. Zusammenstellung der Schnittgroßenfur den Pfeiler aus Zeitverlaufsberechnungen furdie feste (Variante A) und schwimmende(Variante B) Lagerung

Variante Normal-kraft[MN]

Biege-moment[MN]

Quer-kraft[MN)

linear-elastischVariante A

s5,0 6,58 1,37

nichtlinearVariante B

s5,0 1,39 0,24

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368 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 50. Zeitverlaufe der Horizontalkrafte [MN], Variante A (oben), Variante B (unten)

Bild 51. Kraft-Verformung des Elastomerlagers; H 800 mm, TR w 77 mm,Vertikalkraft FN w 2,5 MN, pw 5 N/mm2, Formfaktor SF w 2,6

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5.10.4.3 Diskussion der Ergebnisse

Die Ergebnisse aus den Zeitverlaufsberechnungenzeigen, dass mit einer schwimmenden Lagerungdes �berbaus eine merkliche Reduktion dereinwirkende Erdbebenkrafte auf das Tragwerkerreicht werden kann. Vergleicht man dieVariante A der festen mit Variante B der schwim-menden Lagerung, so treten lediglich 1/6 derHorizontallasten auf, sodass der Pfeiler beiVariante B im elastischen Bereich bleibt. Aller-dings muss die Zunahme der Verschiebungendes �berbaus von 20 mm berucksichtigt werden.Vergleicht man zudem die Querkraft bei einerschwimmenden Lagerung von Q w 0,24 MN mitder anzusetzenden Bremslast von Q w 0,4 MN,so wird hier letzterer Fall fur die Bemessungmaßgebend. Auch ist anzumerken, dass die elasti-schen Schnittgroßen aus der Zeitverlaufsberech-nung mit denen anhand des Ersatzkraftverfahrensermittelten Schnittgroßen gut ubereinstimmen,was die Anwendung des Rechenverfahrens aufsolch einfache Systeme bestatigt.

Im Prinzip ahnliche Ergebnisse fur die Schnitt-großen lassen sich durch eine duktile Ausbildungdes Pfeilers fur die max. zulassige Duktilitatvon q w 3,5 erzielen. Allerdings sind zusatzlichekonstruktive Maßnahmen fur die Schubbemes-sung und das Verhindern von Betonabplatzungenmittels zusatzlicher Umschnurungsbewehrung zutreffen. Auch muss darauf geachtet werden, dasshochduktiler Baustahl in den duktil ausgebildetenBereichen verwendet wird. Des Weiteren ist dasFestlager fur die Aufnahme der vollen elastischenErdbebenkraft auszulegen, da lediglich im Ein-spannbereich des Pfeilers ins Fundament eineEnergiedissipation stattfindet.

5.10.5 Weitere Erdbebenvorrichtungen

Zum Schutz der Brucken vor Schaden infolge vonErdbeben werden außer hochdampfenden Elasto-merlagern, die zu den Isolatoren gehoren, weitereErdbebenvorrichtungen verwendet. Bruckenlagerund Erdbebenvorrichtungen dienen zur Verstar-

369Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 52. Zeitverlaufe der Relativverschiebungen (O. K. Fundament – �berbau),Variante A (oben), Variante B (unten)

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kung und Isolierung der Brucke sowie zur Dis-sipation von Energie. Folgende Erdbebenvor-richtungen nach CEN/TC 340 [21] werden unter-schieden:

– starre Verbindungen,– lineare Vorrichtungen,– nichtlineare Vorrichtungen,– viskose Dampfer,– Isolatoren.

Die Erdbebenvorrichtungen im Bruckenbau kon-nen mit einer einfachen Klassifikation [34, 63, 73]produktorientiert auf folgende Weise unterteiltwerden:

– hochdampfende Elastomerlager,– hysteretische Dampfer,

– hydraulische Dampfer,– viskose Dampfer,– Shock Transmission Units.

Werden nur dissipierende Eigenschaften der Erd-bebenvorrichtungen gefordert, kommen hyste-retische und hydraulische Dampfer zum Einsatz.Die hysteretischen Dampfer sind so konzipiert,dass sie sich bei Erdbeben plastisch verformen,womit eine hohe Dissipation einhergeht. Ein sol-ches System zeigt das Bild 53. In Langsrichtungsind Vermittler sog. Shock-Transmitter ange-ordnet, die eine langsame Bewegung zwangfreizulassen. Bei stoßartiger Bewegung blockierensie, die Dampfer werden aktiviert. Die hyste-retischen Dampfer konnen in Verbindung mitTopf-, Kalotten- oder Elastomerlagern verwendetwerden.

370 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 53. Hysteretischer Dampfer gemaß [63]

Bild 54. Stahl-Hysterese-Dampfer gemaß [63]

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Die stahlernen Elemente von Stahl-Hysterese-Dampfern verformen sich bei einem starken Erd-beben plastisch. Im Bild 54 ist ein Dampfer inder Aufsicht im Urzustand und im extremen Ver-schiebungszustand gezeigt. Die Dissipations-kapazitat ist hoch, wie das Kraft-Verschiebungs-diagramm zeigt.

Starre Verbindungen werden haufig als ShockTransmission Units (STU) bezeichnet. Shock-Transmitter sind hydraulische Vorrichtungen, diebei schneller Bewegung blockieren und damiteine starre Verbindung zwischen �berbau undUntergrund gewahrleisten. Langsame Bewegun-gen jedoch lassen sie nahezu widerstandslos zu.

5.11 Bauliche Durchbildung

5.11.1 Absturzsicherung

Eine der wichtigsten Aufgaben des erdbeben-gerechten Entwurfs besteht in der Ausbildungeiner Absturzsicherung der Bruckentrager [80, 29]infolge Relativverschiebung in Langsrichtungbei Widerlagern mit Fugen sowie bei zwei Bru-ckenabschnitten mit Fugen. Die Beschadigungdurch Anprall des �berbaus auf die Widerlager,Beschadigung der Fahrbahnubergange, eventu-elle Beschadigung fester und beweglicher Lagerkann unter Umstanden in Kauf genommenwerden.

Die Gefahr des Absturzes ist bei Brucken mitgroßen Abschnittslangen zwischen benachbar-ten Fugen besonders groß. Infolge der sich imUntergrund ausbreitenden Erdbebenwellen be-wegen sich zwei verschiedene Bodenpunkte imAllgemeinen nicht synchron, sondern sie konnensich bei langen Bauwerken zu einem bestimm-ten Zeitpunkt in entgegengesetzte Richtungenbewegen. Dies ist bei der Wahl der Auflager-langen zu berucksichtigen. Am Auflager sindnoch zusatzlich die Verformungen der Stutzenund die Mindestauflagerlangen zu berucksich-tigen.

Im EC 8-2 werden minimale Auflagerlangendefiniert, welche sowohl von der Geometrie derBrucke als auch von den erwarteten relativen Ver-schiebungen zwischen gestutzten und stutzendenBauteilen abhangen. Der Mindestwert fur die�bergreifungslange lov an einem Endauflagerwird gemaß EC 8-2, 2.3.6.1(6), 2.3.6.3(2) und6.6.4 bestimmt aus der Mindestlange des Auf-lagers, die eine sichere �bertragung der vertikalenReaktion ermoglicht (nicht weniger als 40 cm),dem Effektivwert der Verschiebung der beidenTeile infolge unterschiedlicher seismischer Bo-denbewegung sowie der effektiven Verschiebungdes Auflagers infolge der Tragwerksverformun-gen unter Erdbeben.

Im EC 8-2 werden minimale Auflagerlangen de-finiert, welche sowohl von der Geometrie derBrucke als auch von den erwarteten relativen Ver-schiebungen zwischen gestutzten und stutzendenBauteilen abhangen. Der Mindestwert fur die�bergreifungslange lov an einem Endauflageram Widerlager lautet gemaß (EC 8-2, 2.3.6.1(6),2.3.6.3(2) und 6.6.4).

lov w lm S deg S des

deg w eeLeff J 2dg

ee w2dgLg

(47)

mit

lm Mindestlange des Auflagers, die einesichere �bertragung der vertikalenReaktion ermoglicht, aber nicht wenigerals 40 cm

deg Effektivwert der Verschiebung derbeiden Teile infolge unterschiedlicherseismischer Bodenverschiebung

dg Bemessungswert der Bodenspitzen-verschiebung

des effektive Erdbebenverschiebung desAuflagers infolge der Tragwerksver-formungen

Lg festgelegter Abstandparameter

Leff effektive Lange des �berbaus, ange-nommen als Abstand des betrachteten�berbauknotens zur nachsten vollstan-digen Verbindung des �berbaus mit derUnterkonstruktion.

5.11.2 Fahrbahnubergange

Bei Brucken mit schwimmender Lagerung sinddie Fugenbreiten ausreichend zu wahlen, um einenZusammenstoß der �berbauten und einen Anprallder �berbauten auf die Widerlagerseitenwandeund Kammerwande zu vermeiden. Bei langerenBrucken erfordert die Langenanderung infolgevon Temperatur, Schwinden, Kriechen aus Vor-spannung usw. meist einen Spielraum. Ein Zer-quetschen der Fahrbahnubergange und eventuellweitere Schaden in den angrenzenden Bereichender Fahrbahnplatte durch Stoßwirkung sind imErdbebenfall moglich.

Wahrend eines Erdbebens sollten die Fahrbahn-ubergange die erforderliche Bewegungskapazitatin Langs- und Querrichtung besitzen. Die wesent-lichen Anforderungen sind [35]:– Aufrechterhaltung der Bauwerksnutzbarkeit

nach dem Erdbeben, zumindest fur Notfahr-zeuge,

– Schutz des Bauwerks vor Anprallschaden.

371Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

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Durch die dynamischen Verformungen des �ber-baus wahrend eines Erdbebens erfahrt die �ber-gangskonstruktionen Relativbewegungen in alleRichtungen (vgl. Bild 55). Die �bergangskon-struktionen mussen daher so konzipiert werden,dass alle diese Bewegungen aufgenommen wer-den konnen, ohne das dabei Schaden an der Kon-struktion auftreten.

Fur solche Anforderungen sind verschiedeneSysteme am Markt verfugbar. Beispielsweise seihier die sog. Schwenktraversendehnfuge vomTyp DS (Bild 56) gezeigt. Sie wurde speziell fursolche Anwendungen durch Anpassungen derDehnfugenkonstruktion entwickelt.

Nach EC 8-2, 2.3.6.3 ist ein ausreichender Be-wegungsfreiraum zur Vermeidung von Schadenan kritischen oder wichtigen Bauteilen vorzuse-hen. Der Bemessungswert dEd der Verformungenaus Erdbebeneinwirkung wird wie folgt ermittelt:

dEd w dE S dG Sc2dT (48)

mit

dE Bemessungswert der Erdbebenverschiebung

dG Langzeitverschiebung aus standigenund quasi-standigen Einwirkungen(z. B. Vorspannung, Kriechen undSchwinden von Massivbrucken)

dT Temperaturverschiebung

c2 Kombinationsbeiwert fur quasi-standigeTemperatureinwirkungen

5.11.3 Lager

In Gebieten mit maßiger Seismizitat kommennach wie vor herkommliche feste Lager zum Ein-satz, die primar zur Aufnahme von Brems- undWindkraften und von Zwangskraften aus Langen-anderungen des Bruckentragers konzipiert sind.Es stellt sich die Frage, ob solche herkommlichenLager auch fur die Aufnahme von Erdbeben-kraften geeignet sind und dementsprechend be-messen werden konnen [30].

Im Nachfolgenden werden die verschiedenenArten fester Lager vorgestellt, die in Deutschlandam haufigsten verwendet werden. Dabei wirdjedoch nur auf die Eigenschaften eingegangen,die fur den Lastabtrag unter Erdbeben von Be-deutung sind.

Fruher kamen uberwiegend Bruckenlager ausEisen und Stahl – zunachst als Flachenlager, spa-ter als Kipplager – zu Anwendung. Erst durch dieAnwendung von Kunststoffen wie Elastomer undPTFE konnte die aktuelle Generation von Bru-ckenlagern entwickelt werden. Um �berbauver-drehungen zu erlauben, wurde z. B. das PTFE-Gleitteil um ein Kippteil erganzt. So entstandenTopf- und Verformungsgleitlager sowie Kalotten-lager. Diese sind heute im Bruckenbau in Deutsch-land als gebrauchliche Lager anzusehen.

372 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 55. Relativbewegung der �bergangskonstruk-tion wahrend eines Erdbebens (nach [62])

Bild 56. DS-Schwenktraverse gemaß [34, 62]

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5.11.3.1 Verformungslager als bewehrteElastomerlager

Verformungslager als bewehrte Elastomerlagerbestehen aus mehreren Elastomerschichten, diedurch einvulkanisierte Bewehrungsbleche getrenntsind. Die Verschieblichkeit wird durch Schub-verformung, die Verdrehung durch Stauchung derElastomerschichten gewahrleistet. Infolge Auflastkommt es ebenfalls zu einer Stauchung der Schich-ten, die durch die Behinderung der Querdehnungan den Bewehrungsblechen verringert wird.

Zur Abtragung der Horizontallasten werden Fest-haltekonstruktionen verwendet. Diese bestehen auseinem Ober- und einem Unterteil, die zur Kraft-ubertragung in horizontaler Richtung Anschlag-teile besitzen, welche die Krafte aufnehmen undweiterleiten. Durch die Form des Knaggeneingriffs(Loch oder Schlitz) kann die Festhaltung in allenRichtungen oder nur in einer Richtung erfolgen.Die Weiterleitung der Horizontalkrafte erfolgtuber Ankerplatten mit Verbundmittel in die an-schließenden Bauteile (vgl. Bild 57).

5.11.3.2 Topflager

Das Topflager basiert auf der Idee, ein leichtverformbares Elastomerkissen zur Erhohung dervertikalen Lagersteifigkeit in einem stahlernenLagertopf zu kammern. Die Grundkonstruktionbesteht aus Topfboden, Topfwand, Elastomer-kissen, Topfdeckel und Dichtung. In einem Topfbefindet sich ein zylindrischer Korper ausGummi, den Abschluss bildet der Topfdeckel(Deckplatte), und unter dem Deckelrand ist dieDichtung angebracht. Die Platte des Topfbodenskann mit dem Stahlring der Topfwand verschweißtsein oder Wand und Topfboden aus einer Stahl-platte durch Ausfrasen der Kammer hergestelltwerden.

Bei Topflagern werden Verdrehungen uber dieVerformungen des Elastomerkissens ermoglicht.Vertikallasten werden uber einen daruberliegen-den Deckel eingeleitet und erzeugen im Elasto-merlager einen hydrostatischen Innendruck. EinDichtungsring verhindert das Herausquetschendes Elastomerkissens.

Bei festen Topflagern werden die Horizontalkraftestets durch Kontaktpressung Stahl auf Stahl zwi-schen Topf und Deckel (vgl. Bild 58) ubertragen.Eine zwangungsarme Krafteinleitung wird miteiner balligen Ausbildung der Kontaktflachen er-reicht. Es presst sich dabei ein doppelt gekrumm-ter Korper gegen eine zylindrische Flache. DieWeiterleitung durch den Topf geht nur uber einenVersatz, das heißt, dass ein inneres Moment auf-zunehmen ist.

5.11.3.3 Kalottenlager

Die Grundkonstruktion des Kalottenlagers bestehtaus einem ebenen Lageroberteil, einer stahlernenKalotte und einem Lagerunterteil. Das feste Ka-lottenlager (z. B. wie in Bild 59) ubertragt dieaußere Horizontalkraft uber ein „topfahnlich“ aus-gebildetes Lageroberteil direkt auf das Lager-unterteil. Die Horizontalkrafte, die von der Fest-

373Bruckenbauwerke aus Stahl- und Spannbeton

Bild 57. Elastomerlager (nach [34, 44, 62])

Bild 58. Topflager (nach [34, 44, 62])

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haltung aufgenommen werden sollen, gehen ohneUmwege von der Gleitplatte zur unteren Lage derPlatte, ohne Auswirkung auf die Kalotte.

Hierbei kann der Nachweis des Anschlusses derWand an den Boden wie beim Topflager gefuhrtwerden, sodass die Querkraft und das zugehorigeMoment sowohl von der Wand als auch vomBoden aufgenommen werden konnen.

5.11.3.4 Beanspruchung fester Lager

Bei festen Topf- und Kalottenlagern werden dieHorizontalkrafte durch Kontaktpressung Stahlauf Stahl zwischen Topf und Deckel aufge-nommen. Nach DIN EN 1337-5:2005 wird furden Nachweis des Lagertopfes davon ausgegan-gen, dass Topfring und Topfboden voneinanderunabhangige Komponenten sind. Hierbei gilt dieForderung dass unter der Kombination der Ein-wirkung der Bemessungswert der Streckgrenzean keiner Stelle uberschritten werden darf.

Fur Topfwandungen, die Zugspannungen ausge-setzt sind, gemaß DIN EN 1337-5:2005 gilt:

VSd J VRd (49)

mit

VSd w Vel,Sd S VFxy,Sd

Fur die Schubbemessung wurde in der Norm beider Lastverteilung vom Deckel in den Topfringvon einer parabolisch uber den halbenUmfang ver-teilten Kontaktpressung mit einem Maximalwertin Hohe der eineinhalbfachen mittleren Pressungausgegangen. Somit gilt fur die Ringzugkrafte:

VSd w

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiF2x;SdSF2

y;Sd

qS 4

NSd � tp � D

(50)

Den einwirkenden horizontalen Kraften VSd solldie Tragfahigkeit des Topfringes VRing,Rd und desTopfbodens VBoden,Rd gegenubergestellt und ver-glichen werden (vgl. Bild 60).

VRing,Rd w 2 � hR � bR � fygM

VBoden,Rd w tB � DB � fygM

(51)

Bei der Berechnung des Topfes werden Topfwandund Topfboden als getrennte Tragelemente be-

374 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 59. Kalottenlager (nach [34, 44, 62])

Bild 60. Weiterleitung der horizontalen Krafte (nach [59])

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handelt. Die Klarung des genauen Tragverhaltensbei kombinierter Vertikal- und Horizontalbean-spruchung mit Berucksichtigung dreidimensiona-ler Einflusse des Topflagers hat Khbeis in seinerDissertation [59] experimentell und numerischuntersucht. Diese Untersuchungen sind fur zweiAspekte – wirtschaftliche Ausnutzung der Kon-struktion und Verletzlichkeit der festen Lager –sehr wichtig.

Khbeis hat gezeigt, dass bei Topflagern, die nachgultigen Regeln bemessen sind, hohere horizon-tale Lagerkrafte keine �berbeanspruchung desTopfes verursachen. Er hat auch das Verformungs-verhalten der Topflagerinnendichtung untersucht,da bei der Weiterleitung hoher Horizontallasteneine Verformung auftreten kann, die die Dichtig-keit des Lagertopfes beeinflussen konnte.

Um die Verletzlichkeit des festen Lagers wahrendeines moglichen Erdbebens zu ermitteln, istdas horizontale Kraft-Verformungs-Verhalten biszum Bruch eines Lagers wichtig. Khbeis hat sichauf das Bemessungsniveau des festen Lagersbeschrankt. �ber das horizontale Kraft-Verfor-mungs-Verhalten bis zum Bruch existieren jedochkeine Versuche.

Ein mogliches Szenario uber das Verhalten undden Bruch des Lagers ist von Somaini und Bach-mann [80] entwickelt worden (Bild 61).

Gemaß Bild 61 und aufgrund der haufigsten be-obachteten Schaden konnen folgende Arten vonVersagen unterschieden werden:– Versagen des Lagers selbst,– Versagen der Lagerverankerung,– Versagen des Betonkorpers.

Im Rahmen der �berprufung bestehender Bruckensollte kontrolliert werden, ob die Zerstorung die-ser festen Lager in Kauf genommen werden kann.In dem Fall nach dem o. g. Szenario wird sich dieBrucke nach der Zerstorung dieser Lager ahnlichverhalten wie ein System mit schwimmenderLagerung und eventuellen Reibungslagern, so-lange es nach einem Versagen der Lagerveranke-rung nicht zu einem Abrutschen vom Sockelkommt.

6 Erdbebenauslegung vonSonderbauwerken –Silos, Flussigkeitsbehalter undRohrleitungen

Wahrend Silos zur Lagerung von Schuttgut wiez. B. Zement, Getreide und Futtermittel dienen,werden Flussigkeitsbehalter mit Flussigkeitenwie z. B. Trink- und Brauchwasser, Mineralolenoder verflussigten Gasen befullt. Beide Artenvon Behaltern besitzen im befullten Zustand einehohe Masse, wodurch im Erdbebenfall großeHorizontallasten aktiviert werden. So wurdenerneut bei Erdbebenereignissen wie in Izmit(Turkei, 1999) und Tokachi-Oki (Japan, 2003)schwere Schaden an Silos und Flussigkeitsbe-haltern verzeichnet. Gerade nach Erdbebenka-tastrophen zeigt sich jedoch, dass ein erhohterBedarf an Wasser zum Loschen von Branden undzur Versorgung der Bevolkerung, an Nahrungs-mitteln und im weiteren Verlauf an Baumaterialfur Wiederaufbaumaßnahmen besteht. Auf deranderen Seite geht von Flussigkeitsbehaltern, indenen giftige, brennbare oder explosive Flussig-keiten gelagert werden, eine erhohte Gefahrdungfur die Umwelt und die Bevolkerung aus.

Da Silos und Flussigkeitsbehalter einen wichtigenBestandteil der Infrastruktur darstellen und vonihnen ein hohes Gefahrdungspotenzial ausgehenkann, sollte ihnen ein erhohter Sicherheitsan-spruch bei der erdbebensicheren Bemessungzukommen, um die Funktionstuchtigkeit im Falleines Erdbebens sicherzustellen. Neben den An-forderungen an die Dichtigkeit der Behalter sindauch die Standsicherheit moglicher tragenderUnterkonstruktionen und der ungestorte Betriebder Entnahmeeinrichtungen zu gewahrleisten.Auch die mit den Behaltern verbundenen Rohr-leitungen als Teil von Anlagen oder Versorgungs-netzen, mussen diesem Anspruch gerecht werden.Das Schutzziel bei diesen baulichen Anlagen liegtdaher in der Regel hoher als das ublicher Hoch-bauten.

Schaden, die an Behaltern nach Erdbebenkatastro-phen beobachtet werden, sind vielschichtig. Sokann ein Aufreißen der Wandung infolge des er-

375Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 61. Mogliches Szenario fur dasVerhalten eines festen Lagers (nach [80])

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hohten hydrodynamischen Flussigkeitsdrucks zuUndichtigkeit des Behalters fuhren. Insbesonderebei unverankerten Behaltern aus Stahl kann es auf-grund ihrer leichten Bauweise zu einem Abhebenauf der Zugseite und einem Ausbeulen der Wan-dung auf der Druckseite kommen. Neben diesemlokalen Stabilitatsverlust auf der Druckseite, auchals „Elefantenfuß“ bezeichnet, kommt es imschlimmsten Fall bei dunnwandigen Behaltern zueinem globalen Stabilitatsverlust, der zu einemKollaps des gesamten Behalters fuhrt. Auch einVersagen der Grundung oder Stutzkonstruktionwurde insbesondere bei aufgestanderten Silo- undFlussigkeitsbehaltern haufig beobachtet.

Die zahlreichen Schaden auch bei den jungstenErdbeben verdeutlichen, dass die Berechnungs-verfahren zur erdbebensicheren Bemessung nichtausreichen oder nicht praktikabel sind und deshalbnicht genugend angewendet werden. Dabei solltedie Aufmerksamkeit nicht nur auf Gebiete mithoher Seismizitat gerichtet sein. Aufgrund derhohen Masse und des daraus resultierendenhohen horizontalen Lasteintrags auch bei „schwa-cheren“ Erdbeben ist auch in Gebieten mit mo-derater Seismizitat, wie z. B. in Deutschland, mitSchaden an unzureichend bemessenen Behalternzu rechnen. Da sich das Antwortverhalten unddas Gefahrdungspotenzial dieser Ingenieurbautendeutlich vom ublichen Hochbau unterscheiden,ist die Erdbebennorm DIN 4149 dafur nicht an-wendbar. Somit gibt es in Deutschland keineverbindlichen Vorschriften fur die seismischeBemessung von Silos, Flussigkeitsbehaltern undRohrleitungen. Lediglich in der „Lastnorm“ furSilobauwerke DIN 1055-6:2005 [18] sind An-satze enthalten, wie bei Erdbebeneinwirkung aufSilozellen zu verfahren ist. Im Rahmen des Euro-code-8-Programms wurde mit EN 1998-4 [12]auf europaischer Ebene ein Regelwerk geschaffen,mit dem Silo-, Flussigkeitsbehalter- und Rohrlei-tungsbauwerke fur Erdbebeneinwirkungen be-messen werden konnen und die in absehbarereZeit auch in Deutschland verbindlich eingefuhrtwerden soll.

Um dem erhohten Sicherheitsanspruch kritischerBauwerke gerecht zu werden, erfolgt eine Diffe-renzierung der Zuverlassigkeit durch die Eintei-lung in Bedeutungskategorien. Jeder Bedeutungs-kategorie ist ein Bedeutungsbeiwert gI zugeord-net, mit dem die seismische Referenzeinwirkungmultipliziert wird. Eine Anpassung des Bedeu-tungsbeiwertes kann man auch als Veranderungder Wiederkehrperiode oder der �berschreitungs-wahrscheinlichkeit des maßgebenden Erdbeben-ereignisses interpretieren. In Tabelle 15 sind dievier nach EN 1998-4 vorgesehenen Bedeutungs-kategorien fur Behalter und Rohrleitungen zu-sammengefasst. Abweichend vom ublichen Hoch-bau, bei dem der hochste Bedeutungsbeiwert mit1,4 angegeben wird, kann dieser bei Silos undFlussigkeitsbehaltern bis 1,6 betragen. DieserWert entspricht einer maximalen Wiederkehrperi-ode von fast 2000 Jahren statt der im Hochbauublichen 1225 Jahre. Somit wird nach EN 1998-4an kritische Behalter ein hoherer Sicherheits-anspruch gestellt als an Bauwerke der Bedeu-tungskategorie IV des ublichen Hochbaus.

Das Antwortverhalten von Silos und Flussigkeits-behaltern im Erdbebenfall ist vom komplexenZusammenwirken (Interaktion) zwischen Flus-sigkeit oder Schuttgut und Behalterwandungensowie zwischen Fundament und Baugrund(Boden-Bauwerks-Interaktionen) gekennzeichnet.Letztere werden insbesondere bei weichem Unter-grund, bei dem die Fußpunktbewegung von derFreifeldbewegung abweichen kann, an Bedeutunggewinnen. Maßgebende Parameter sind hierbeidie Dichte und Viskositat der Flussigkeit, dieSteifigkeit der Behalterwandung sowie die Stei-figkeit und Dampfung des Untergrundes (vgl.Bild 62, links). Zur Berechnung der dynami-schen Systemantwort konnen numerische Simu-lationsverfahren, z. B. die Methode der FinitenElemente, eingesetzt werden. Eine diskrete Ab-bildung des Fullgutes, des Behalters und desUntergrundes wird im Allgemeinen aber zu auf-wendig sein, sodass Naherungsverfahren erforder-lich sind.

376 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Tabelle 15. Bedeutungskategorien mit Bedeutungsbeiwerten und Wiederkehrperioden (WKP)

Kategorie Bemerkung gI WKP

I Geringe Risiken fur Menschen und vernachlassigbare okonomischeund soziale Folgen

0,8 225

II Mittlere Risiken fur Menschen und geografisch lokale okonomischeund soziale Auswirkungen

1,0 475

III Hohe Risiken fur Menschen und große okonomische und sozialeAuswirkungen

1,2 825

IV Außerordentlich große Risiken fur Menschen und okonomischeund soziale Auswirkungen

1,6 2000

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Eine erste Kategorie von Naherungsverfahrenbilden vereinfachte mechanische Ersatzmodelle,die einen geringen Berechnungsaufwand erfor-dern und gleichzeitig eine gute Nachvollziehbar-keit des Systemverhaltens bieten. In Bild 62 istein solches Modell exemplarisch fur die vertika-le Erdbebenanregung eines Flussigkeitsbehaltersdargestellt. Hierbei wird nur ein MassenelementMD zur Abbildung des Behalters und der Flussig-keit und ein Massenelement MF zur Abbildungdes Fundaments und eines Teils des Baugrundesbenotigt. Die Interaktion zwischen den einzelnenKomponenten wird durch Feder- und Dampfer-elemente hergestellt. Eine zweite Kategorie zurvereinfachten Ermittlung der Erdbebenlasten inFlussigkeitsbehaltern stellen analytische Berech-nungsverfahren dar, wie sie beispielsweise imAnhang der EN 1998-4 zur Verfugung stehen. Erenthalt Formeln in Abhangigkeit der Behalter-geometrie und anderer maßgebender Parameter,mit denen die hydrodynamischen Drucke direktberechnet werden konnen. In den Berechnungs-beispielen wird mithilfe solcher Formeln die seis-mische Belastung bei Flussigkeitsbehaltern mitkreisrundem Grundriss beschrieben.

Zu erwahnen sei hier noch die haufig realisierteseismische Isolation von Behaltern. Hierbei wer-den zwischen Grundung und Bodenplatte des Be-halters spezielle Lager, z. B. Elastomerlager, ein-gebaut, die eine geringe Steifigkeit gegenuberhorizontalen Verformungen aufweisen. Die seis-mische Isolation zielt auf eine Erhohung derEigenperiode des Bauwerks ab, um dem energie-reichen Bereich einer ublichen Erdbebenanre-gung auszuweichen. Problematisch ist, dass dieSchwappschwingung der Flussigkeitsfullung eineim Vergleich zum ublichen Hochbau hohe Grund-schwingungsperiode besitzt. Aus diesem Grundkann es bei Flussigkeitsbehaltern infolge der seis-mischen Isolation zu Verstarkungseffekten kom-men. Deshalb ist bei Einsatz einer seismischenIsolation in Flussigkeitsbehaltern eine genaueUntersuchung der Steifigkeitsverhaltnisse und des

Schwingungsverhaltens des Gesamtsystems – be-stehend aus Anregung, Baugrund, Behalter undFlussigkeit – erforderlich.

6.1 Silobauwerke

6.1.1 Allgemeines

Silos sind Bauwerke zur Lagerung und zum Um-schlag von losen Massengutern, den sog. Schutt-gutern. Die Bandbreite der Schuttguter reicht vonklassischen Gutern wie Getreide, deren verarbei-teten Mahl- und Mehlprodukten, den Produktendes Berg- und Tagebaus wie Erze, Salze, Steine,Erde, Mineralien, Kohlen etc. bis zu chemischund physikalisch aufbereiteten bzw. hergestelltenProdukten wie z. B. der Zement- und Kunststoff-industrie. Wichtigstes Element eines Silobau-werks ist die Silozelle, die als Einzelzelle ver-wendet wird oder zu Blocken, sog. Silobatterienzusammengefasst sein kann. Die meisten Siloswerden in Metall- oder Stahlbeton- und Spann-betonbauweise errichtet. Es gibt aber auch Silosaus Holz oder CFK-Werkstoffen. Neben der Funk-tion des Schutzes vor Witterung, als Lagerraumund der Sicherung von Qualitatseigenschaftendes Schuttgutes konnen dem Silobauwerk zusatz-liche Funktionen zukommen, wenn diese zusatz-lich in Produktionsprozesse mit eingebunden sind.Silos konnen flach auf dem Boden oder auf-gestandert auf unterschiedliche Konstruktionen(Geschosse, Rahmentragwerke, Ausfachungskon-struktionen, Standzargen) gelagert (Bild 63) bzw.gegrundet sein. Aus den unterschiedlichen mog-lichen Konstruktionsformen resultiert ein unter-schiedliches dynamischen Verhalten bei Erdbe-benanregung.

Das Tragverhalten von Silozellen unterscheidetsich von den Flussigkeitsbehaltern dadurch, dassmit zunehmender Schlankheit der Silozelle (Ver-haltnis zwischen Hohe und Durchmesser) die ver-tikalen Eigenlasten des in der Silozelle gelagertenSchuttgutes infolge der inneren Reibung desSchuttgutes und der Reibung des Schuttgutes an

377Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 62. Einflusse auf das Schwingungsverhalten eines Flussigkeitsbehalters und Ersatzsystem furvertikale Schwingung

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der Silowand uber die Silowande abgetragen wer-den und sich somit nicht uber die Schuttguttiefeals Vertikallasten im Schuttgut selbst linear auf-summieren. Bei entsprechend hohen Wandrei-bungskoeffizienten und Zellenschlankheiten wirdab einer bestimmten Tiefe nahezu die gesamteSchuttguteigenlast uber die Wandreibung abge-tragen. Diese „Silowirkung“ fuhrt dazu, dass diehorizontalen Silolasten dem asymptotischen Ver-lauf einer e-Funktion folgen (vgl. z. B. [57]), miteinem Grenzwert in theoretisch unendlicher Tiefe,der sich aus dem Quotienten vom Produkt derSchuttgutwichte mit halbem Siloradius und demWandreibungskoeffizienten bestimmt.

Bei niedrigen Silozellen stellen sich dagegenHorizontallasten ein, die den Lasten der Ran-kine’schen Erddrucktheorie nahe kommen. DerEinfluss der Wandreibung nimmt mit Abnahmeder Zellenschlankheit ab. Die Einwirkungen aufSilobauwerke infolge der gelagerten Schuttgutersind in Deutschland in der DIN 1055-6:2005[18] geregelt. Im Anhang G dieses Regelwerkswerden auch Hinweise gegeben, die bei Erdbeben-einwirkung beim Bauwerksverhalten infolge desgelagerten Schuttgutes zu beachten sind.

Wegen des geringen allgemeinen Wissenstandesbasieren die existierenden Vorgehensweisen beiSilozellen unter Erdbebenbeanspruchung trotzder gegenuber Bauwerken des ublichen Hochbausbegrenzten Variation der Grundrissgestaltung ub-licher Silobauwerke auf stark vereinfachendenAnnahmen und Verallgemeinerungen. Dies be-

zieht sich insbesondere auf die Berucksichtigungdes Schuttgutes und seiner Interaktion mit demBauwerk bei der Abschatzung des dynamischenVerhaltens des Gesamtsystems Bauwerk undSchuttgut. Wahrend das Schuttgut fur die Steifig-keit keinen Beitrag liefert, ist die Frage hinsicht-lich des zum dynamischen Bauwerksverhaltenbeitragenden Anteils der Schuttgutmasse nichteinfach zu beantworten. Es existieren Unter-suchungen (siehe z. B. Boswell [32]), die daraufhindeuten, dass in Abhangigkeit von der Schlank-heit des Silos, dem Fullungsgrad und der Star-ke und Frequenz der Erdbebeneinwirkung ca. 70bis 80% der Gesamtmasse als „effektive Masse“an dem dynamischen Gesamttragverhalten bei-tragt, wohingegen der Art des Schuttgutes, abge-sehen von seinem spezifischen Gewicht, hier nureine eher untergeordnete Bedeutung zuzukommenscheint. Bei niedrigen Silos scheint der Anteil dermitwirkenden Masse noch geringer zu sein (sieheBriassoulis [36], Hampe [53]). Bei numerischenSimulationen mit realistischen Stoffgesetzen furdas Schuttgut zeigt sich, dass bei diesen niedrigenSilos bereits ein großer Teil der horizontalen Las-ten direkt uber Bodenreibung abgetragen wird[65].

Wenn sich die Schuttgutmassen an den Bauwerks-schwingungen beteiligen, werden diese uber in-nere Reibungskrafte aktiviert. Dadurch wird abergleichzeitig auch die Materialdampfung diesesMediums aktiviert. Der dampfende Einfluss vongelagerten Schuttgutern auf die Dampfung desGesamtssystems ist zwar zu beobachten, lasstsich jedoch nicht allgemein quantifizieren.

Auf der sicheren Seite liegend wird in der DIN1055-6:2005 die gesamte Schuttgutmasse beruck-sichtigt, in anderen internationalen Silovorschrif-ten (z. B. [17]) und auch in der EN 1998-4 [12]darf sie reduziert zu 80% angesetzt werden. Einegleichzeitig hohere Dampfung wird jedoch nichtin Ansatz gebracht.

Vergleichende Untersuchungen mit der Antwort-spektrum- und Zeitverlaufsmethode von Hampe/Bohn/Schwarz [54] an sogenannten Doppelstock-silos (Silos mit Standzargen, wobei die Standzargeaus den bis zur Grundung gehenden Silozellen-wanden gebildet wird), zeigten, dass das verein-fachte Antwortspektrenverfahren auch bei Siloshinreichend wirklichkeitsnahe Ergebnisse zur Be-schreibung der Gesamtbauwerksreaktion liefert.

Eine Auswertung der Auswirkungen des Erd-bebens vom 4. Marz 1977 in Rumanien an ins-gesamt 28 Getreidesilos von Pavel/Agent/Pusca[70] zeigten die Wichtigkeit eines erdbeben-gerechten Entwurfs aller zur Anlage gehorigenBauwerksteile. Hinzu gehort auch die konse-quente konstruktive Trennung von zusatzlichenTeilsystemen, wie z. B. von Maschinen-, und

378 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 63. Beispiel einer auf Stutzen aufgestandertenSilobatterie, bestehend aus 6 Silozellen aus Stahl-beton

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Treppenhausern oder die Berucksichtigung dieserin der dynamischen Modellierung sowie die Be-rucksichtigung der Anschlusskrafte und die Aus-bildung einer ausreichenden konstruktiven Ver-bindung.

Schaden bei dem o. g. Erdbeben in Rumanienwaren an neueren Silobauwerken vor allem dortaufgetreten, wo Stutzkonstruktionen durch Stut-zen zwischen Silozellen und Grundung nicht aus-reichend zur Aufnahme der Horizontallasten aus-gebildet waren (unzureichend dimensioniertekurze steife Stutzen) und sich somit ein „weiches“Untergeschoss ausgebildet hatte. Ein weitererhaufiger Siloschaden war die Zerstorung vonDachaufbauten, bei denen sich das dynamischeVerhalten dieser Aufbauten (zumeist schwereDecken auf ungenugend in die Silozellenkon-struktion eingespannten Stutzen) von dem desGesamtsystems unterschied und sich der sog.„Peitscheneffekt“ ausbildete.

Bei den Silozellenschalen selbst kam es zu kei-nen wesentlichen Schaden. Die anzunehmendenDruckerhohungen durch die Veranderung derlastrelevanten Schuttgutkennwerte (Reduktiondes inneren Reibungswinkels und der Wand-reibung) einerseits sowie durch das unterschied-liche dynamische Verhalten des Bauwerks unddes Schuttgutes andererseits konnten offenbarsicher aufgenommen werden.

Die Superpositionen von Erdbebenwirkungen un-terschiedlicher Richtungen sind bei nicht rota-tionssymmetrischer Ausgestaltung des Silogrund-risses, seiner Stutzkonstruktion und unsymme-trischer Massenbelegungen grundsatzlich zu be-rucksichtigen.

Bei Silobauwerken spielt im Wesentlichen diehorizontale Erdbebenwirkung eine Rolle. Bei denniedrigen Erdbebenbeschleunigungen der erd-bebengefahrdeten Regionen in Deutschland istdie Wirkung in vertikaler Richtung bei Silobau-werken in aller Regel durch den Sicherheitsbei-wert abgedeckt. Nach dem ACI-Code 313-77[20] sind in den USA in den hoheren Erdebenzo-nen auch vertikale Erdbebenwirkungen zu beruck-sichtigen. Bei der Betrachtung des Silobodensist das Gewicht der effektiven Masse ohneBerucksichtigung der Silowirkung zu berucksich-tigen.

6.1.2 Erdbebengerechte Dimensionierungnach den Regelwerken

6.1.2.1 Erdbebeneinwirkungen nach DIN 1055-6und DIN 4149

Silobauwerke fallen nicht unter die Gebaude desAllgemeinen Hochbaus und sind somit strenggenommen nicht durch den Anwendungsbereichder DIN 4149 erfasst. Dennoch lassen sich die

Grundprinzipien der DIN 4149 auch auf Silobau-werke sinngemaß ubertragen.

Von einem Vorentwurf [16] der EN 1991-4:2006[17] wurde in der seit Januar 2007 gultigenDIN 1055-6:2005 ein normativer Anhang uber-nommen, der die seismischen Einwirkungen inSilozellen behandelt. Dieser Vorschlag wurde ausdem FIP Draft „Recommendation for ConcreteSilo Design“ [49] entwickelt. Da sich die mittler-weile erschienene EN 1998-4:2005 speziell mitden Erdbebeneinwirkungen auf Silobauwerke be-fasst, wurde dieser Anhang aus der EN 1991-4:2006 gestrichen. In der DIN 1055-6:2005 ist erjedoch weiterhin enthalten, da in Deutschland eindem EC 8-4 entsprechendes Regelwerk derzeitnoch nicht existiert.

Folgende Bemessungssituationen sind nachDIN 1055-6:2006 bei moglichen seismischenEinwirkungen als außergewohnliche Situationenbei der Bemessung von Silos zu beachten:x Horizontale und vertikale Lasten infolge von

horizontalen Erdbebenbeschleunigungen aufdie Silounterkonstruktion und die Grundung(Bild 64).

x Zusatzliche mit den Full- und Entleerungs-lasten von Silozellen zu uberlagernde Ho-rizontallasten auf die Silozellenwande nachBild 65.

x Schuttgutumlagerungen an der Schuttgutober-flache des gefullten Silos durch die Aus-bildung von Gleitflachen im aufgeschuttetenSchuttkegel bei niedrigen Silos mit großen

379Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 64. Ersatzsystem zur Berucksichtigung derseismischen Einwirkungen fur den Unterbau nachBild G.2, DIN 1055-6:2005

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Durchmessern, die bei entsprechend hohenFullstanden zu einer Gefahrdung der Dach-konstruktion fuhren konnen (Bild 66).

Durch den Lastansatz von zusatzlichen Horizon-tallasten auf die Silowande wird berucksichtigt,dass durch das unterschiedliche Tragheitsverhal-ten des Schuttgutes und der Silostruktur infolgeder horizontalen Erdbebenbeschleunigung Hori-zontallasten aktiviert werden. Diese in Richtungder Erdbebenbeschleunigung als Sog und ent-gegen der Erdbebenbeschleunigung als Druckwirkenden Lasten sind mit den sonstigen Silolas-ten des Full- und Entleerungszustandes zu uber-lagern. Die Ansatze fur diese zusatzlichen Hori-zontallasten wurden aus einer einfachen Impuls-bilanz nach Newton entwickelt: Der Druck – inte-griert uber Umfang und Hohe des Silos – mussder Massentragheit des Schuttgutes entsprechen.Die DIN 1055-6:2005 macht jedoch keineAngaben im Hinblick auf die anzusetzendenErdbebenbeschleunigungen und verweist auf dieAngaben der DIN 4149 bzw. falschlicherweiseAngaben der EN 1998 (�bertragungsfehler imZuge der �bersetzung einer Vorversion desEN 1994-1:2006).

Vereinfacht kann von einer uber die Silohohehc konstanten Horizontalzusatzlast ausgegangenwerden, die in ihremmaximalenWert proportionalzur Horizontalbeschleunigung der seismischenEinwirkung a, der Schuttgutwichte g und demSiloradius dc=2 bzw. der Silobreite b bei recht-eckigen Silos ist. Das Produkt dieser Einfluss-großen ergibt den Maximalwert der zusatzlichenHorizontallast infolge Erdbeben. Mit der Horizon-talbeschleunigung der seismischen Einwirkung a

ist der mit dem Beiwert des normierten Antwort-spektrums (Bild 2, DIN 4149:1981) multipli-zierte Rechenwert der Horizontalbeschleunigunginfolge Erdbeben b � cal a nach „alter“ DIN 4149gemeint. Bei Anwendung der neuen DIN 4149:2005 ist nun sinngemaß die aus dem Bemessungs-spektrum Sd(T) in Abhangigkeit von der Grund-schwingdauer ermittelte Erdbebenbeschleunigungzu verwenden.

Die zusatzliche Horizontallast ist bei kreisformi-gem Siloquerschnitt kosinusformig uber den Si-loumfang radial anzusetzen (Bild 67, links). Beirechteckformigen Querschnitten ist die Last uberdie Wandflachen, die senkrecht auf die Erdbeben-einwirkung stehen, konstant mit dem genanntenMaximalwert zu berucksichtigen. Auf der jeweilsanderen Seite parallel zur Erdbebenwirkung wirddie Zusatzlast zu Null gesetzt (Bild 67, rechts).Im Bereich geringer Schuttguttiefen ist auszu-schließen, dass in �berlagerung mit den statischenHorizontallasten des Full- und Entleerungszustan-des keine resultierenden Sogkrafte im Schuttgutentstehen (DIN 1055-5:2005, G.4.2 (3)).

Obwohl DIN 1055-6 eine vereinfachte uber dieSilohohe konstante Horizontallast zulasst, ist imRegelfall eine genauere Berucksichtigung dervertikalen Massen- und Steifigkeitsverteilung desSchuttgutes und der Behalterkonstruktion durchein Mehrmassensystem (Bild 68, rechts) ange-messener und fuhrt auf zutreffendere Ergebnisseim Hinblick auf die Verteilung der zusatzlichenErdbebenhorizontallasten.

Auch bei der Berechnung der Grundung undStutzkonstruktionen darf nach DIN 1055-6:2005vereinfacht davon ausgegangen werden, dass Silo-

380 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 65. �berlagerung der statischen Full- und Ent-leerungslasten mit der Naherung einer zusatzlichenhorizontalen Ersatzlasten infolge von seismischenEinwirkungen nach DIN 1055-6:2005

Bild 66. Mogliche Umlagerungen in Form vonBoschungsrutschungen an der Schuttgutoberflacheinfolge von seismischen Einwirkungen nachDIN 1055-6:2005

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konstruktion und Schuttgut zusammen in ihremgemeinsamenMassenschwerpunkt (Bild 68, links)wirken. Auch hier ist es in den meisten Fallenjedoch sinnvoll, die bereits bei der Berechnungder horizontalen Zusatzlasten ermittelten Hori-zontalbeschleunigungen der uber die Hohe ver-teilten Einzelmassen zu verwenden.

Bei einer gegenuber der Silozelle weichen Auf-standerung ist zu berucksichtigen, dass die be-kannten Naherungsverfahren zur Berechnung derEigenschwingdauer ublicher Bauwerke von eineruber die Hohe naherungsweisen gleichmaßigen

Verteilung der Steifigkeiten und Massen aus-gehen. Dies ist z. B. bei einer Auflagerung aufStutzen unter einer Stahlbetonzellenwand in allerRegel nicht mehr gegeben. Im Prinzip ist hier ana-log dem Vorgehen bei einem weichen Zwischen-geschoss des allgemeinen Hochbaus zu verfahren.Hier bildet das Ein-Massen-System des Nahe-rungsverfahrens der DIN 1055-6:2005 das Bau-werksverhalten wirklichkeitsnaher ab.

Die Zuordnung der Intensitatsintervalle und Be-messungswerte der Bodenbeschleunigungen inAbhangigkeit zu den Erdbebenzonen, die Para-

381Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 67. Verteilung der horizontalen Zusatzlasten uber den Siloquerschnitt nach DIN 1055-6:2005und EN 1998-4:2005

Bild 68. Idealisierung als Einmassen- und Mehrmassensystem zur Berechnung der Erdbebeneinwirkungauf das Gesamtsystem

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meter zur Beschreibung der elastischen Antwort-spektren kann entsprechend den Tabellen 2, 4, 5der DIN 4149:2005 erfolgen.

Bedeutungskategorie und -beiwert sind wie furHochbauten in Abhangigkeit von der Bedeutungdes Silos fur den Schutz der Allgemeinheit bzw.der mit einem eventuellen Einsturz verbundenenFolgen festzulegen. Die Angaben in der Tabelle 3der DIN 4149 sind jedoch ausreichend, ummit entsprechendem Ingenieurverstand die Be-deutungskategorie eines einzelnen Silobauwerksfestzulegen. Ein Silo innerhalb und auf dem Ge-lande eines einzelnen landwirtschaftlichen Be-triebes lasst sich sicherlich ohne weitere Diskus-sionen der Bedeutungskategorie I zuweisen, einSilo, welches in den Produktionsprozess vonfur die Infrastruktur bzw. Versorgung wichtigenGutern (z. B. Energieversorgung) eingebundenist, ist unter Umstanden der BedeutungskategorieIV zuzuordnen. Die an dieser Stelle erforderlichen�berlegungen unterscheiden sich jedoch nichtwesentlich von denen bei Bauwerken des all-gemeinen Hochbaus.

Auch bei der Auswahl der Kombinationsbeiwertesind keine besonderen uber die Regelungen derDIN 1055-100 hinausgehenden Festlegungen er-forderlich. Spezifische �berlegungen sind jedochfur den Verhaltensbeiwert in Abhangigkeit vonder Bauweise (Stahlbeton, Metall- oder Holzsilo)anzustellen. Aber auch hier lassen sich aus derDIN 4149 die wesentlichsten Gesichtspunkte ab-leiten. Da hier jedoch keine bauaufsichtlich ein-gefuhrten Regeln direkt angewendet werden kon-nen, ist das Vorgehen mit dem Bauherrn und derBauaufsicht abzustimmen.

6.1.2.2 Erdbebeneinwirkungen nachEN 1998-4:2005 und EN 1998-1:2005

Auf europaischer Ebene wird die Erdbeben-einwirkung auf Silos innerhalb der EN 1998-4:2005 behandelt. Dort werden auch entsprechendeAngaben bereitgestellt, wie die Silobauwerke inBezug auf die Angaben in EN 1998-1 [6] zu be-handeln sind. Auch hier wird zwischen der Erd-bebenwirkung auf die Stutzkonstruktion und dieGrundung sowie den aus der horizontalen Erd-bebenbeschleunigung resultierenden zusatzlichenHorizontallasten auf die Silowande unterschieden.Fur die Verfolgung der Auswirkungen auf dieGrundung wird auf die EN 1998-1 verwiesen.

Die zusatzlichen Horizontallasten Dph,s errechnensich bei zylindrischen Silos zu

Dph,s wDph,so � cosu (52)

mit

Dph,so wa(z) � g �min (hb;dc=2;3x)

mit x als Abstand zum Siloboden

und bei rechteckigen Silos zu

Dph,s w m � Dph,so (53)

wobei entsprechend der Wirkung der Erdbe-benbeschleunigung an der „abgewandten“ Wandsenkrecht zur horizontalen Komponente der seis-mischen Einwirkung diese Lasten als „Druck“-lasten mwS 1,0 und auf der „zugewandten“Wand als „Sog“lasten mws 1,0 anzusetzen sind,wobei auch hier zu gewahrleisten ist, dass sich inder �berlagerung mit den Full- und Entleerungs-lasten keine resultierenden „Sog“-lasten ergeben.An den Seitenwanden parallel zur Erdbeben-wirkung ist mw 0 zu setzen. Dph,so wird wie beizylindrischen Silos ermittelt. Der Wert a(z) istdas Verhaltnis der Antwortbeschleunigung desSilos aus EN 1998-1:2005 zur Erdbeschleuni-gung g in einer Schuttguttiefe z bezogen auf dieaquivalente Schuttgutoberflache hc (w hb).

Bei nicht allzu niedrigen Silos (Stutzwandsilos) biszu einer Schlankheit von hc=dc i 0,5 sind die Re-gelungen von DIN 1055-6:2005 und EN 1998-4:2005 nahezu aquivalent. Sie entspricht z. B. auchden Regelungen in der Australischen Silonorm[52]. Lediglich im Bereich nahe dem Silobodenwird in der EN 1998-4 eine Reduktion entspre-chend Bild 69 vorgenommen. Der Sinn dieser Re-duktion der zusatzlichen Horizontallasten ist nichtganz nachvollziehbar, wennman das genauereVer-fahren entsprechend der Verteilung der horizon-talen Erdbebenbeschleunigung fur mehrere Mas-senpunkte uber die Silohohe zugrundelegt.

EN 1998-4 stellt auch einen Ansatz fur die Erd-bebenzusatzlasten in einem Silotrichter zur Ver-fugung. Innerhalb eines angehangten Trichterssind nach Gl. (3.7), EN 1998-1:2005 die fur denvertikalen Silozellenteil ermittelten Horizontal-lasten durch den Kosinus des Trichterneigungs-winkels b, bezogen auf die vertikale Siloachse,zu dividieren.

Silos, bei denen die Silozelle direkt auf dem Bau-grund bzw. der Grundung gelagert ist, sind als Sys-teme mit „geringem dissipativen strukturellemVerhalten“ nach EN 1998 einzustufen. Aufgestan-derte Silos lassen sich als Systeme mit „dissipa-tivem strukturellem Verhalten“ behandeln“ und inAbhangigkeit von der Konstruktion, den Materia-lien, der Dimensionierung und Detaillierung derBauteile und Verbindungen den Klassen mittlerer(DCM) oder hoher (DCH) Duktilitat zuordnen.

Silobauwerke und deren lastabtragenden Bauteileweisen im Vergleich zu Gebauden des ublichenHochbaus sehr hohe axiale Krafte auf. Wegender wohl definierten Fulllasten existieren nurbegrenzte Redundanzen auf der Massenseite. DieSiloschale von Betonsilos ist bei nicht vor-gespannten Systemen infolge der Ringzugkrafte

382 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

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sehr haufig vertikal gerissen, wegen der hohenaufsummierten Wandreibungslasten in horizon-taler Richtung in der Regel nicht. Die dissipati-ve Wirkung, die Fahigkeit, Energie aufzuneh-men, ist auch bei aufgestanderten Silostrukturenin Stahlbetonbauweise somit begrenzt. Die Ver-haltensbeiwerte werden deshalb auch bei denStutzkonstruktionen von Silos mit mittlerer undhoher Duktilitat begrenzt. Auch bei einer Stand-zarge, die auf dissipatives Verhalten ausgelegtist, wird der obere Grenzwert von q auf den Wertfur umgekehrte Pendelkonstruktionen beschrankt.Fur Ortbetonsilos, die auf eine Rahmenkonstruk-tion oder einen Rahmen mit Aussteifungen oderauf bis zur Grundung durchgehenden Betonwan-den gelagert sind, wird der obere Grenzwert desVerhaltensbeiwertes uber die entsprechendenWerte q nach EN 1998-1:2004, Abschn. 5 bis 7 de-finiert, wobei diese Werte zur Berucksichtigungvon Irregularitaten im Aufriss zusatzlich miteinem Faktor von 0,7 zu reduzieren sind.

Im Grenzzustand der Tragfahigkeit ist nachzu-weisen, dass unter dem Bemessungserdbeben einglobales Versagen infolge Umsturzen oder Gleitenausgeschlossen ist. Die an der �bergangsstelle vonSilo und Fundament aufzunehmenden Schubkraftesind unter Berucksichtigung der vertikalen Kom-ponente der seismischen Einwirkungen zu bestim-men. Unter Berucksichtigung der maßgeblichenVersagensformen durfen diemaximalen Beanspru-chungen infolge der maßgeblichen Lastkombina-tion die Grenzfestigkeiten der Schale unter nicht-seismischen Bedingungen nicht uberschreiten.

6.1.2.3 Numerische Simulationen vonErdbebeneinwirkungen mit derFinite-Elemente-Methode

Die in den Regelwerken DIN 1055-6:2005 undEN 1998-4 angegebenen Ersatzlasten fur diezusatzlichen horizontalen Silolasten basieren aufingenieurmaßigen Festlegungen. Erste verglei-chende Untersuchungen mithilfe von numerischenSimulationen unter Verwendung von Stoffgeset-zen, die das Schuttgutverhalten bei dynamischerBelastung wirklichkeitsnah beschreiben [33, 42,65], z. T. nach den speziellen Regeln der eu-ropaischen Vornorm prENV 1998-4 und unterZugrundelegung der elastischen Bemessungsant-wortspektren zeigen, dass das Ersatzlastverfahrenbei schlanken Silozellen relativ gute �bereinstim-mung mit den numerischen Berechnungen liefert.Bei niedrigen Silos liegt dagegen das Ersatz-lastverfahren nach [65] zum Teil weit auf dersicheren Seite. Erklart wird dies dadurch, dassbei niedrigen Silos, ein großer Teil der Horizontal-lasten aus der Beschleunigung des Schuttgutesdirekt uber Reibung in den Baugrund abgetragenwird und die in dem Ersatzlastverfahren ange-setzte horizontale Beschleunigung unabhangigvon der Siloschlankheit definiert ist. Unterschiedein den Ergebnissen von [65] und [33] verdeut-lichen, dass bei derartigen numerischen Unter-suchungen einer realistischen Modellierung derKontaktzonen zwischen Schuttgut und Bauwerkneben der stoffgesetzlichen Beschreibung desSchuttgutverhaltens eine wesentliche Bedeutungzukommt.

383Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 69. Geometriefaktor min (hb;dc=2;3x) der EN 1998-4 in Abhangigkeit von unterschiedlichenhc=dc-Verhaltnissen und dem Ansatz nach DIN 1055-6

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6.1.2.4 Beispiel nach DIN 1055-6:2005 undDIN 4149:2005

In Bild 70 ist ein Beispiel einer Stahlbetonsilozelledargestellt, in dem Kohle fur ein Kraftwerkgelagert wird. Fur zwei Standorte mit unterschied-licher Erdbebengefahrdung (Mannheim, Lorrach)werden die Auswirkungen der Erdbebeneinwir-kungen fur diesen Silo nach DIN 1055-6:2005 er-mittelt.

Von der Art des Bauwerks unabhangig sinddie standortspezifischen Erdbebenparameter inTabelle 16 ermittelbar. Das Silo ist in den Produk-tionsprozess eines Kohlekraftwerks eingebundenund somit von Bedeutung zur Gewahrleistungder Grundversorgung der Bevolkerung. Daherwird das Silo in die Bedeutungskategorie IV ein-geordnet.

Das Silo wird abweichend von der moglichenNaherung nach DIN 1055-6:2005 naherungs-weise uber 9 Einzelmassen abgebildet. Die Massedes gelagerten Schuttgutes und der Silokonstruk-tion sind in folgender Tabelle 17 zusammenge-fasst.

Unter der Annahme einer uber die Silohohe anna-hernd gleichmaßigen Massen- und Steifigkeits-verteilung lasst sich die EigenschwingungsdauerT1 der Grundschwingung in Abhangigkeit vomdynamischen Kippmodul mit folgenden Nahe-rungsgleichungen, z. B. aus [67], bestimmen:

Dynamischer Kippmodul

Ck wdynEs

0,25 �ffiffiffiA

p

Eigenschwingdauer

T1 w 1,5

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffih

3 � EJS1

Ck � JF

� ��Xi

GiSPið Þ� z2i

s

Fur die unterschiedlichen Silostandorte ergebensich folgende Werte:x Silo in Mannheim:

Ckw 175,9 MN/m3 T1w 0,982 sx Silo in Lorrach:

Ckw 468,9 MN/m3 T1w 0,640 s

Mit der Eigenschwingdauer lassen sich aus demelastischen Antwortspektrum der DIN 4149:2005die elastischen Spektralwerte Se der beiden Silosermitteln:x Silo in Mannheim:

Sew 0,534 m/s2

x Silo in Lorrach:Sew 0,874 m/s2

Die Spektralwerte sind relativ gering, da sie sichim abfallenden Ast des Antwortspektrums be-finden. Damit errechnen sich die horizontalenErdbebenersatzlasten, die aufsummierten Quer-krafte und Momente fur die einzelnen Massen-punkte wie in Tabelle 18 angegeben.

384 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 70. Beispiel eines Stahlbetonsilos auf Standzarge als Verlangerung der Silozellenwand mit Idealisierungals Mehrmassensystem zur Ermittlung der Erdbebenauswirkung

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385Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Tabelle 16. Standortspezifische Erdbebenparameter fur das Silo des Beispiels aus Bild 70

Erdbebenzone und Grundwerte der Bodenbeschleunigung

Standort EBZ ag [m/s2]

Mannheim 1 0,4

Lorrach 3 0,8

Erlauterung DIN 4149:2005,Bild 2

DIN 4149:2005,Tab. 2

Untergrundverhaltnisse

Standort BG BGK UGK dyn. Es

Mannheim Lockergestein C S 300

Lorrach Festgestein A R 800

Erlauterung DIN 4149:2005,Bild 3

DIN 4149:2005,5.2.3

DIN 4149:2005,Bild 2

[MN/m2],Tab. 3.4

BG BaugrundBGK BaugrundklasseUGK Untergrundklasse

Bedeutungskategorie

Standort Nutzung Bedeutungskategorie Bedeutungsbeiwert

Mannheim Silo Kohlekraftwerk IV 1,4

Lorrach Silo Kohlekraftwerk IV 1,4

Erlauterung Eingabe DIN 4149:2005, Tab. 3

Tabelle 17. Diskretisierung des Stahlbetonsilos von Bild 70 und Aufteilung der Massen fur eineBemessung auf Erdbebeneinwirkung

Massenpunkte Ge-baude

Schutt-gut

Summe zi zi2 (GSP)· zi2

zimi/

S(zjmj)

[kN] [kN] [kN] [m] [m2] [kNm2] [–]

Dach und Wand 1 881 1303 2184 38,5 1482 3237 0,10

Wand und Schuttgutkegel 2 605 2209 2814 33,5 1122 3158 0,13

Wand und Schuttgut 3 605 2209 2814 28,5 812 2285 0,13

Wand und Schuttgut 4 605 2209 2814 23,5 552 1554 0,13

Wand und Schuttgut 5 605 2209 2814 18,5 342 963 0,13

Wand und Schuttgut 6 605 2209 2814 13,5 182 513 0,13

Wand, 1/2 Boden und Schuttgut 7 1157 2209 3366 8,5 72 243 0,15

Standzarge und 1/2 Boden 8 1157 0 1157 3,5 12 14 0,05

Fundament 9 1164 0 1164 0,5 0 0 0,05

Summe 7383 21940 11968

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Mit diesen Querkraften und Momenten sind dieBemessungen fur die Schale und Anschlusskraftean die Fundamente sowie die Nachweise derBodenpressungen unter Umstanden unter zusatz-licher Berucksichtigung der vertikalen Erdbeben-beschleunigungen durchzufuhren.

Mit den ermittelten elastischen Spektralwertenund horizontalen Ersatzlasten der Einzelmassenlassen sich auch die zusatzlichen Horizontallastenbestimmen. In Bild 71 sind diese bereits mit denfur die Silogeometrie ermittelten Entleerungs-lasten fur zentrische Entleerung hinzuaddiert.

386 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 71. Vergleich der Entleerungslasten mit und ohne Zusatzlasten infolge von Erdbebenwirkung fur diebeiden Silostandorte nach Naherungsverfahren und genauem Verfahren

Tabelle 18. Ermittlung der Erdbebenersatzlasten fur das Beispiel aus Bild 70

Massenpunkte Mannheim Lorrach

Fbzimi/

S(zjmj)zi ·Fi Mi w

Szi ·Fi

Fbzimi/

S(zjmj)zi ·Fi Mi w

Szi ·Fi

[MN] [MNm] [MNm] [MN] [MNm] [MNm]

Dach und Wand 1 0,12 4,58 4,58 0,19 7,49 7,49

Wand und Schuttgutkegel 2 0,15 5,14 9,72 0,25 8,40 15,90

Wand und Schuttgut 3 0,15 4,37 14,09 0,25 7,15 23,04

Wand und Schuttgut 4 0,15 3,60 17,69 0,25 5,89 28,94

Wand und Schuttgut 5 0,15 2,84 20,52 0,25 4,64 33,58

Wand und Schuttgut 6 0,15 2,07 22,59 0,25 3,39 36,96

Wand, 1/2 Boden und Schuttgut 7 0,18 1,56 24,15 0,30 2,55 39,51

Standzarge und 1/2 Boden 8 0,06 0,22 24,37 0,10 0,36 39,87

Fundament 9 0,06 0,03 24,41 0,10 0,05 39,93

Summe 1,20 24,41 1,96 39,93

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Zudem wird fur beide Standorte die Auswertungunter Berucksichtigung der Lage der idealisiertenEinzelmassen und das Naherungsverfahren mituber die Silohohe gleichmaßigen horizontalenZusatzlasten miteinander verglichen. Man er-kennt, dass die Zusatzlasten auf die Siloschale ins-besondere unter Berucksichtigung der reduziertenSicherheitsbeiwerte bei der Erdbebenbemessungfur den Silo des Beispiels nur eine geringe Be-messungsrelevanz besitzt.

Es gibt einige weitere silospezifische Besonder-heiten, die bei einer Auslegung eines Silobau-werks zu berucksichtigen sind, die jedoch nichtin den Regelwerken angesprochen und durch dasim Beispiel aufgezeigte allgemeine Vorgehennicht abgedeckt sind:– unsymmetrische Massenverteilungen im

Schuttgut durch unsymmetrische Full- undEntleerungsvorgange, insbesondere beiniedrigen Silos,

– zusatzliche Torsionsbeanspruchung beiSilobatterien infolge unterschiedlicherBefullzustande der einzelnen Silozellen,

– Reduktion der inneren Reibung und Wand-reibung durch die Erdbebenerschutterung,

– Anregung hoherer Biegeeigenformen undSchaleneigenformen bei niedrigen Silos,

– Stabilitatsfalle bei Stahlsilos.

InMartens [61] wird am Beispiel einer Silobatteriedie Berucksichtigung hoherer Eigenformen derEinfluss einer horizontalen Bodenfeder, der Dreh-massen des Bauwerks und der Fullung, die Be-rucksichtigung der Boden-Bauwerk-Wechselwir-kung durch eine mitschwingende Bodenmassesowie die Wirkung von Erdbebenkraften auf einenleichten Siloaufbau auf der Silozelle und derEinfluss einer „weichen“ Unterkonstruktion durchAnordnung von Stutzen zwischen Silozelle undGrundung diskutiert.

6.2 Seismische Einwirkung aufFlussigkeitsbehalter

Im Anhang der EN 1998-4 werden analytischeBerechnungsverfahren fur verschiedene Behalter-geometrien angegeben, mit denen die hydro-dynamischen Flussigkeitsdrucke direkt bestimmtwerden konnen. Außerdem werden Verfahren zurBerechnung der resultierenden Querkrafte undMomente zur Bemessung der Grundung oderUnterkonstruktion zur Verfugung gestellt. Im An-hang werden folgende Behaltergeometrien undEigenschaften berucksichtigt:– prismatische Behalter mit vertikaler Achse

und kreisformigem oder rechteckigem Grund-riss,

– starrer oder weicher Untergrund,

– vollstandige oder teilweise Verankerung mitder Grundung,

– kurzer Abriss uber kreisformige Behalter mithorizontaler Achse.

6.2.1 Seismische Einwirkung auf dieBehalterwande und die Behaltersohle

Im Folgenden werden die analytischen Berech-nungsverfahren am Beispiel des am haufigstenanzutreffenden kreisformigen Behalters mit ver-tikaler Achse dargestellt und ihre Anwendung inzwei Beispielen verdeutlicht. In Bild 72 ist einkreisformiger Behalter mit axialsymmetrischemKoordinatensystem und den nachfolgend ver-wendeten Bezeichnungen skizziert. Die Berech-nungen zeigen, dass der hydrodynamische Druckvorwiegend von den dimensionslosen Großendes Radius j, der Hohe z und der Behalterschlank-heit g abhangt.

Der zusatzliche Flussigkeitsdruck in Flussigkeits-behaltern infolge der horizontalen Erdbeben-wirkung kann als Summe von drei separaten An-teilen beschrieben werden:– starrer impulsiver Druckanteil,– konvektiver Druckanteil

(„Schwappbewegung“ oder „Sloshing“),– flexibler Druckanteil.

Der impulsive Druckanteil ergibt sich unterAnnahme eines starren Flussigkeitsbehalters ausfolgenden Randbedingungen:– Kompatibilitat der Geschwindigkeit der

Flussigkeit an der Tankwand und demTankboden und

– dem Verschwinden des Drucks an derursprunglichen Flussigkeitsoberflache.

Da aufgrund der Wellenbewegung letztere Rand-bedingung bezuglich des Drucks nicht zutreffend

387Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 72. Koordinaten und Bezeichnungen einesaxialsymmetrischen Behalters

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ist, muss das Gleichgewicht durch den zweitenTerm, den konvektiven Anteil, hergestellt werden.�ber den dritten Anteil wird der Einfluss der Ver-formbarkeit der Tankwande und des Tankbodensberucksichtigt.

Grundsatzlich besteht zwar eine Interaktion zwi-schen dem flexiblen und konvektiven Anteil, dadie Eigenfrequenzen der Schwappbewegung undder Tankwand weit auseinander liegen, ist diesedynamische Kopplung jedoch gering. Somit kannder dritte Anteil unabhangig von den anderenKomponenten berechnet werden.

Bei ausreichend starren Behaltern kann der flexi-ble Anteil vernachlassigt werden. Bei Stahlbeton-behaltern kann hiervon i. d. R. ausgegangen wer-den.

Der impulsive Druckanteil kann mit folgenderGleichung berechnet werden:

pi wCi rRag gIq

cos(u) (54)

Dabei ist r die Dichte der Flussigkeit, ag derBemessungswert der Beschleunigung, gI derBedeutungsbeiwert, q der Verhaltensbeiwert zurBerucksichtigung einer Energiedissipation undCi ein Faktor, der durch folgende unendlicheReihe ermittelt wird:

Ci w 2gXTnw 0

(s1)n

Il1(nn=g)n2ncos(nn z) I1

nngj

� �(55)

mit: nn w2 nS 1

2p

Id ist die modifizierte Besselfunktion und I1 ist diemodifizierte Besselfunktion erster Ordnung

Id(x)wXTmw 0

(x=2)(2mS d)RT

0 t(dSm)estdt m!(56)

und Il1 seine erste Ableitung, die wie folgt be-stimmt werden kann:

Il1(x)w I0(x)s I1(x)=x (57)

Der Faktor Ci wurde fur verschiedene Behalter-geometrien ausgewertet und in Abhangigkeitder dimensionslosen Hohe z an der Tankwandin der Ebene der Erdbebenanregung in Tabelle 19zusammengefasst. Zur besseren Anschauungsind die Werte in Bild 73 grafisch dargestellt. Eszeigt sich, dass der impulsive Druck am Wandfußerwartungsgemaß am hochsten ist, Ci fur großeFlussigkeitsbehalterschlankheiten gegen 1,0 strebtund mit abnehmender Flussigkeitsbehalter-schlankheit zunehmend abfallt.

Der konvektive Druckanteil wird mit folgenderGleichung berechnet:

pk1 wCk1 rR Sa cos(u) (58)

Dabei ist Sa die spektrale Beschleunigung, die ausdem Antwortspektrum fur die Grundresonanz-

388 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Tabelle 19. Auswertung von Ci in Abhangigkeitder dimensionslosen Hohe fur verschiedeneBehalterschlankheiten

zw z=H gwH=R

0,3 0,5 1,0 2,0 4,0

1,0 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000

0,8 0,117 0,198 0,374 0,591 0,812

0,6 0,177 0,301 0,556 0,804 0,955

0,4 0,215 0,366 0,664 0,903 0,989

0,2 0,236 0,402 0,722 0,947 0,999

0,0 0,242 0,413 0,740 0,957 1,000

Bild 73. Auswertung von Ci in Abhangig-keit der dimensionslosen Hohe furverschiedene Behalterschlankheiten

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periode der Flussigkeit abgelesen werden kann,und Ck1 ein Faktor zur Berucksichtigung derersten Schwingungseigenform der Flussigkeit.Dieser Faktor wird wie folgt berechnet:

Ck1 w2cosh(l1 g z) J1(l1 j)

(l21 s 1) J1(l1)cosh(l1 g)(59)

mit l1 w 1,841 und der Besselfunktion erster Ord-nung:

J1(x)wXTrw 0

(s1)r(x=2)(2rS 1)RT

0 t(1S r)estdt r!(60)

Der Faktor Ck1 wurde fur verschiedene Behalter-geometrien ausgewertet und in Abhangigkeit derdimensionslosen Hohe z an der Tankwand in derEbene der Erdbebenanregung in Tabelle 20 zu-sammengefasst und in Bild 74 grafisch dargestellt.Der konvektive Druck erreicht am Wandkopfeinen Grenzwert von Ci w 0,837. Dieser ist un-abhangig von der Behalterschlankheit. Der Ein-fluss des konvektiven Druckes auf die Tankwande

nimmt mit zunehmender Behalterschlankheit abund fallt bei einer Schlankheit von gw 4,0 amWandfuß auf Null ab.

Zur Ermittlung der spektralen Beschleunigung Saist die Periode der ersten Schwingungsform derFlussigkeit erforderlich. Sie lasst sich wie folgtberechnen:

T1 w 1,478

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiR

tanh(l1 g)

s(61)

Die vertikale Erdbebenanregung fuhrt zu eineraxialsymmetrischen hydrodynamischen Druck-verteilung auf die Behalterwande. Entsprechendder hydrostatischen Druckverteilung nehmendie Drucke von null – auf der Hohe des Wasser-spiegels – linear zum Wandfuß hin zu. Unter derAnnahme einer starren Wand lasst sich dieserDruck berechnen zu:

pv w rH (1sz)avg gIq

(62)

Dabei ist avg der Bemessungswert der vertikalenErdbebenanregung, der nach DIN 4149 mit 70%der horizontalen Erdbebenanregung angesetztwerden kann.

Bei Stahlbetonbehaltern sind auch die Wandtrag-heitskrafte zu berucksichtigen. Die Belastung derBehalterwand infolge dieser Massentragheit derWand kann bei einem starren Tank, bei dem keineVerstarkungseffekte infolge Resonanz auftreten,wie folgt berechnet werden:

pw w rssaggIq

cos(u) (63)

mit der Massendichte der Behalterwand rs und derWandstarke s.

Zur Berucksichtigung der in einer elastischenBerechnung nicht erfassten Energiedissipationwird die elastische Antwort durch den Verhaltens-

389Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Tabelle 20. Auswertung von Ck1 in Abhangigkeitder dimensionslosen Hohe fur verschiedeneBehalterschlankheiten

zw z=H gwH=R

0,3 0,5 1,0 2,0 4,0

1,0 0,837 0,837 0,837 0,837 0,837

0,8 0,796 0,739 0,595 0,402 0,192

0,6 0,764 0,666 0,434 0,194 0,044

0,4 0,742 0,638 0,333 0,097 0,010

0,2 0,728 0,585 0,277 0,054 0,002

0,0 0,724 0,576 0,259 0,042 0,001

Bild 74. Auswertung von Ck1 in Abhan-gigkeit der dimensionslosen Hohe furverschiedene Behalterschlankheiten

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beiwert q dividiert. Mit der konvektiven Flussig-keitsantwort kann jedoch keine Energiedissipationverbunden werden, sodass hier ein Verhaltensbei-wert von qw 1,0 zu wahlen ist. Mit dem im-pulsiven Druck und der Massentragheit derTankwand kann hingegen ein Verhaltensbeiwertvon qw 1,5 oder großer angesetzt werden. BeiVerwendung eines Verhaltensbeiwerts großer 1,5ist die Energiedissipation nachzuweisen, wasbei Annahme eines starren Flussigkeitsbehaltersjedoch nicht moglich ist.

Auch bei der Hohe der Schwappbewegung liefertder erste Eigenmode den großten Beitrag undkann wie folgt berechnet werden:

dmax w 0,086R Sa (64)

6.2.2 Seismische Einwirkung auf dieGrundung/Stutzkonstruktion vonFlussigkeitsbehaltern

Fur die Bemessung der Grundung oder einermoglichen Stutzkonstruktion werden die aus demWasserdruck resultierenden Schnittgroßen direktunterhalb des Tankbodens benotigt. Diese Schnitt-großen werden als Basisschubkraft und Basis-moment bezeichnet. Man erhalt sie aus dem In-tegral der impulsiven und konvektiven Druckenach den Gln. (54) und (58) uber die Be-halterwande und den Behalterboden. Die impul-sive Basisschubkraft berechnet sich zu:

Qi wmi �ag � gIq

(65)

Die impulsive Masse mi stellt den Flussigkeits-anteil dar, der sich synchron mit der Tankwandbewegt:

mi w 2 � m � gXTnw 0

I1(nn=g)

n3n Il1(nn=g)(66)

mit der Gesamtmasse der gespeicherten Flussig-keit mw rpR2 H. Das impulsive Basismoment

ergibt sich aus der nach Gl. (65) berechnetenQuerkraft

Mi wQi hi (67)

und dem Hebelarm

hi wH

14gS

PTnw 0

nns2 (s1)n I1(nn=g)n4n Il1(nn=g)

PTnw 0

I1(nn=g)n3n Il1(nn=g)

(68)

In Bild 75 sind die dimensionslosen Großen mi=mund hi=H als Funktion der Behalterschlankheit gdargestellt. Wahrend die impulsive Masse fursehr große Behalterschlankheiten gegen die Ge-samtmasse der gespeicherten Flussigkeit strebt,nimmt der Hebelarm Werte nahe der halbenFlussigkeitsspiegelhohe an. Wegen des Druck-anteils auf den Behalterboden kann hi fur geringeBehalterschlankheiten auch Werte großer H ein-nehmen.

Die konvektive Basisschubkraft fur die ersteEigenform errechnet sich analog zur impulsivenaus einer anteiligen Masse und der Spektralam-plitude der Beschleunigung:

Qk1 wmk1 � Sa (69)

mit der Massenbeteiligung der ersten Eigenform:

mk1 wm2 tan h(l1g)

g l1 (l21 s 1)

(70)

Das konvektive Basismoment ergibt sich wiederaus der nach Gl. (69) berechneten Querkraft

Mk1 wQk1 hk1 (71)

und einem Hebelarm

hk1 wH 1S2s cos h(l1 g)

l1 g sin h(l1 g)

� �(72)

390 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 75. Impulsive Masse und Hoheder Resultierenden in Abhangigkeitder Behaltergeometrie g

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In Bild 76 und Tabelle 21 sind die dimensions-losen Großen mk1=m und hk1=H als Funktionder Behalterschlankheit g dargestellt. Hier strebtdie konvektive Masse fur sehr große Behalter-schlankheiten gegen Null, der Hebelarm gegendie gesamte Flussigkeitsspiegelhohe. Auch beimkonvektiven Anteil kann der Hebelarm fur geringeBehalterschlankheiten Werte großer H annehmen.

Da in der Regel ein großer Abstand zwischen derGrundfrequenz der Bodenbewegung, die fur denimpulsiven Lastansatz maßgeblich ist, und derSchwappfrequenz liegt, sollte nach EN 1998-4bei der �berlagerung dieser beiden Anteile nichtentsprechend der SRSS-Regel (Quadratwurzelaus der Summe der Quadrate) uberlagert, sonderndie jeweiligen Maximalwerte der beiden Anteileaddiert werden.

Beim Nachweis der Gesamtstabilitat (Kippnach-weis) des Behalters braucht der destabilisierendeBeitrag der impulsiven Drucke wegen der i. d. R.hohen Eigenfrequenz und der Massentragheit derBehalterwand nicht mit dem konvektiven Anteilmit langsamer Eigenperiode uberlagert zu werden.Der konvektive Anteil ist fur diesen Nachweisbestimmend.

6.2.3 Berechnungsbeispiel Wasserbehalter mitgeringer Bauhohe

Im ersten Beispiel wird die Belastung auf dieWande eines erdgelagerten Wasserbehalters mitkreisrundem Grundriss, sowie die Hohe derSchwappbewegung des Flussigkeitsspiegels in-folge seismischer Einwirkung ermittelt. Hierbeiwird naherungsweise die Erdbebeneinwirkungentsprechend DIN 4149 zugrunde gelegt, solangenoch kein nationaler Anhang zur EN 1998-1 fer-tiggestellt ist. Der Tank befindet sich in Erd-bebenzone 3 nach DIN 4149 (ag w 0,8 m=s2)auf steifem Untergrund und weichem Baugrund(Untergrundverhaltnisse R-C). Es soll sich dabeium einen Sammelbehalter handeln, der im Ka-tastrophenfall sehr hohe Relevanz besitzt unddamit in die Bedeutungskategorie IV eingeordnetwird (Bedeutungsbeiwert gI w 1,6).

In Bild 77 sind die Abmessungen im Schnittdurch den kreisrunden Tank dargestellt. DieSchlankheit des Behalters betragt gwH=Rw 0,5.Es wird angenommen, dass die Stahlbetonwandesehr steif sind und nicht zu Resonanzeffektenoder zu einer Interaktion mit der Tankfullungneigen. Außerdem werden in diesem BeispielBoden-Bauwerks-Interaktionen vernachlassigt.

391Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 76. Konvektive Masse undHohe der Resultierenden inAbhangigkeit der Behaltergeo-metrie g fur die erste Eigenform

Tabelle 21. Masse und Hohe der Resultierenden inAbhangigkeit der Behaltergeometrie g

gwH=R

0,3 0,5 1,0 2,0 4,0

mi=m 0,176 0,300 0,548 0,763 0,881

hi=H 2,638 1,464 0,721 0,500 0,467

mk1=m 0,761 0,660 0,432 0,227 0,114

hk1=H 3,630 1,561 0,782 0,755 0,865

Bild 77. Schnitt durch einen Wasserbehalter mitkreisrundem Grundriss

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Eine Auswertung des impulsiven Druckanteilserfolgt exemplarisch am Wandfuß des Behal-ters in der Bewegungsebene fur jw r=Rw 1,0,zw z=Hw 0,0 und uw 0h:

pi wCi rRag gIq

cos (u)

w 0,413 � 1,0 � 8,0 � 0,8 � 1,61,5

� 1,0

w 2,82 kN=m2

mit Ci aus Tabelle 19.

Fur den konvektiven Druckanteil wird nur dieerste Schwingungsperiode der Behalterflussigkeitberucksichtigt, die wie folgt berechnet wird:

T1 w 1,478

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiR

tan h(l1 g)

s

w 1,478

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi8,0

tan h(1,841 � 0,5)

rw 4,9 s

Es zeigt sich, dass die Schwingungsperiode derWasserfullung mit 4,9 s sehr lang ist und damitdeutlich langsamer schwingt als ubliche Stahlbe-tonkonstruktionen. Lediglich sehr lange Bruckenoder sehr hohe Turme und Hochhauser liegen indiesem Resonanzbereich. Damit wird die ersteEigenform infolge seismischer Einwirkung nursehr schwach angeregt. In Bild 78 ist das maß-gebende elastische Antwortspektrum dargestellt.Außerdem ist die Schwingungsdauer und dieentsprechende spektrale Beschleunigung Sa derWasserfullung eingetragen.

Die Auswertung des impulsiven Druckanteilserfolgt wieder exemplarisch am Wandfuß desBehalters in der Bewegungsebene:

pk1 wCa1 � rR Sa cos (u)

w 0,576 � 1,0 � 8,0 � 0,12 � 1,0w 0,55 kN=m2

mit Ck1 aus Tabelle 20.

Auch hier ist nur die erste Schwingungsformberucksichtigt, wobei hohere Schwingungsformennur noch einen vernachlassigbaren Einfluss be-sitzen.

Die Horizontalkraft pro Quadratmeter infolgeMassentragheit der Tankwand ergibt in der An-regungsebene:

pw w rssaggIq

cos (u)

w 2,5 � 0,3 � 0,8 � 1,61,5

� 1,0w 0,64 kN=m2

Die vertikale Erdbebenanregung fuhrt zu einemaxialsymmetrischen Druck, der am Wandfußmaximal wird. Mit einem Bemessungswert dervertikalen Erdbebenbeschleunigung, die nachDIN 4149 mit avg w 0,7 � ag w 0,56 m=s2 ange-setzt wird, erhalt man:

pv w rH (1sz)avg gIq

w 1,0 � 4,0 � (1s0) � 0,56 � 1,61,5

w 2,39 kN=m2

Die Verteilung des impulsiven und konvekti-ven Druckanteils entlang des Tankumfangs ist inBild 79 qualitativ dargestellt. Der Druck wird aufder einen Seite der Anregungsebene maximal(Tankwand wird in Richtung Flussigkeit be-schleunigt) und auf der anderen Seite minimal(Sog). Senkrecht zur Anregungsebene verschwin-det der Druck vollstandig. In Bild 80 ist dieVerteilung aller Druckanteile uber die Wandhohedargestellt.

Zur Berechnung der seismischen Einwirkung aufdie Tankwande, mussen die Komponenten dereinzelnen Druckanteile noch uberlagert werden.Es ist unwahrscheinlich, dass die oben berech-neten Maxima der einzelnen Druckanteile alle zudemselben Zeitpunkt wahrend der Dauer des Erd-

392 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 78. Bemessungsspektrum,Erdbebenzone 3, Untergrund C-R,gI w 1,6, qw 1,0

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beben auftreten, sodass die einfache Additionder Komponenten zu große Antwortgroßen ergibt.Die �berlagerung der einzelnen Anteile erfolgtunter Verwendung der SRSS-Regel (Quadratwur-zel aus der Summe der Quadrate). Die Grund-frequenz der Bodenbewegung (maßgebend furden impulsiven Druck) und die Frequenz deskonvektiven Anteils liegen sehr weit auseinander,sodass nach EN 1998-4 die �berlagerung dieserbeiden Anteile durch Addition der Maximaerfolgt. Wahrend im Allgemeinen bei der Be-messung die gleichzeitige Wirkung aller dreiseismischen Anregungs-Komponenten zu beruck-sichtigen ist, reicht es bei axialsymmetrischen Be-haltern aus, nur eine horizontale und die vertikaleKomponente gleichzeitig anzusetzen. Somit er-gibt sich ein Gesamtdruck aus seismischer Ein-wirkung von:

pges w

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi(piSpk1)

2S p2wS p2v

qw

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi(2,82S0,55)2S 0,642 S 2,392

qw 4,2 kN=m2

Mit einemmaximalenWasserdruck von 40 kN/m2

am Wandfuß aus hydrostatischer Einwirkung er-gibt sich aus der seismischen Einwirkung eineDruckerhohung von ca. 10%. Im Gegensatz zumhydrostatischen Druck, der auf der Wasserober-flache auf Null abfallt, hat man bei der seis-mischen Einwirkung noch eine Belastung von ca.1 kN/m2.

Die maximale Hohe der Schwappbewegung desFlussigkeitsspiegels betragt:

dmax w 0,086R Sa

w 0,086 � 8,0 � 0,12w 0,08 m

6.2.4 Berechnungsbeispiel Hochbehalter

Im zweiten Beispiel wird die Belastung auf dieStutzkonstruktion eines Hochbehalters mit kreis-rundem Grundriss infolge einer seismischen Ein-wirkung ermittelt. Die Konstruktion befindet sichwie im ersten Beispiel in Erdbebenzone 3 nachDIN 4149 (ag w 0,8 m=s2) auf steifem Untergrundund weichem Baugrund (Untergrundverhaltnisse

393Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 79. Verteilung des impulsiven bzw.konvektiven Drucks in der Behalter-Draufsicht infolge einer horizontalenAnregung ag(t)

Bild 80. HydrodynamischerDruck uber die Wandhohe in derAnregungsebene

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R-C). Es soll sich dabei um einen Sammelbehalterhandeln, der im Katastrophenfall hohe Relevanzbesitzt und demzufolge mit einem Bedeutungs-beiwert von gI w 1,6 berucksichtigt wird. InBild 81 sind die Abmessungen im Schnitt durchden Tank mit Stutzkonstruktion dargestellt. DieSchlankheit des Behalters betragt gwH=Rw 2,0.Es wird angenommen, dass der Tank und dieStutzkonstruktion sehr steif sind und nicht zuResonanzeffekten oder zu einer Interaktion mitder Tankfullung oder dem Boden neigen.

Es werden die Schnittgroßen unterhalb des Tank-bodens ermittelt, fur die die Stutzkonstruktion zubemessen ist. Die impulsive Basisquerkraft ergibtsich zu:

Qi wmiag gIq

w 0,763 � 50,27 � 0,8 � 1,61,5

w 32,7 kN

mit: mi=mw 0,763 (nach Tabelle 21)

mw rpR2 Hw 1,0p 2,02 � 4,0w 50,27 t

und das impulsive Basismoment zu:

Mi w hi Qi w 0,5 � 4,0 � 32,7w 65,4 kNm

mit: hi=Hw 0,5 (nach Tabelle 21)

Fur den konvektiven Anteil der Schnittgroßenwird wieder nur die erste Schwingungsformder Behalterflussigkeit berucksichtigt. Diese wirdwie folgt berechnet:

T1 w 1,478

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiR

tan h(l1 g)

s

w 1,478

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2,0

tan h(1,841 � 2,0)

rw 2,1 s

In Bild 82 ist das maßgebende Bemessungs-spektrum fur den konvektiven Anteil dargestellt.Außerdem sind die Schwingungsdauer und dieentsprechende spektrale Beschleunigung Sa ein-getragen.

Die konvektive Basisschubkraft ergibt sich zu

Qk1 wmk1 � Sa w 0,227 � 50,27 � 0,65w 7,4 kN

mit: mk1=m w 0,227 (nach Tabelle 21)

und das konvektive Basismoment

Mk1 w hk1 Qk1 w 0,755 � 4,0 � 7,4w 22,3 kNm

mit: hk1=H w 0,755 (nach Tabelle 21)

Infolge der Wirkung der Masse des leeren Be-halters

mw rV w 2,5p(1,22 � 4,9s 1,02 � 4,5)w 20,08 t

erhalt man die Basisschubkraft

Qs wmsag gIq

w 20,08 � 0,8 � 1,61,5

w 17,1 kN

394 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 81. Schnitt durch einen kreisformigenHochbehalter mit Stutzkonstruktion

Bild 82. Spektrum, Erdbebenzone 3, Untergrundverhaltnisse C-R, gIw1,6, qw 1,0

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und mit der halben Tankhohe das Basismoment

Ms w hs Qs w 2,2 � 17,1w 37,7 kNm

Aus der Summe des impulsiven und konvektivenAnteils und der Wirkung des leeren Behalters er-halt man als maßgebende Schnittgroßen die Basis-schubkraft von

Qw 32,7 S 7,4 S 17,1 w 57,2 kN

und das Basismoment

Mw 65,4 S 22,3 S 37,7 w 125,4 kNm

6.3 Rohrleitungen

Eine der Ursachen fur die hohen Schaden in einerGroßenordnung von ca. 100 Mrd. US$ und diehohe Anzahl von ungefahr 6000 Todesopfern beidem Erdbeben in Kobe, Japan 1995 waren groß-flachige Brande, vorwiegend in Wohngebieten,die tagelang nicht geloscht werden konnten. DasProblem waren geborstene Gasleitungen, an de-nen sich Brande entzundeten in Kombination mitzerstortenWasserleitungen, die Loscharbeiten ver-zogerten oder unmoglich machten. Rohrleitungenu. a. fur Wasser, Abwasser, Gas und Erdol stelleneinen wichtigen Bestandteil der Infrastruktur dar,der maßgeblich das Ausmaß der Folgeschadenund die Versorgungssituation der Bevolkerungnach einem Erdbeben bestimmt. Ein hohes Risiko-potenzial geht außerdem von Erdol-Pipelines undLeitungssystemen aus der chemischen Industrieaus, da sie zu einer weitraumigen Verschmutzungder Umwelt fuhren konnen.

Vergangene Erdbeben haben gezeigt, dass ins-besondere unterirdisch verlegte Rohrleitungenkritisch sind. Zum einen traten bei ihnen haufigSchaden auf – hauptsachlich dort, wo sie aktiveBruchflachen durchqueren oder in Bereichen mitBodenverflussigung. Zum anderen erweisen sichInspektions- und Reparaturarbeiten als aufwendigund kurzfristig kaum durchfuhrbar. Eine hohe seis-mischeVulnerabilitat weisen aber auch oberirdisch

verlegte Rohrleitungen auf, da sie vorwiegend auf-grund ihrer eigenen Tragheitskrafte, unzureichen-der Befestigungen und Stutzkonstruktionen oderinfolge aufgezwungener Verformungen an be-nachbarten Auflagern beschadigt werden. Be-finden sich unmittelbar benachbarte Auflager vonRohrleitungen beispielsweise auf unterschied-lichen Baustrukturen, kann es zu Relativverschie-bungen mit großen Zwangungen kommen.

Zur Vermeidung von Schaden durch Bruch-flachenverschiebungen oder Bodenverflussigungsollten im besten Fall schon bei der Planungspezielle Entwurfslosungen erarbeitet werden.Zur �berbruckung von Relativverschiebungen anaktiven Bruchflachen eignen sich Kanale in diedie gefahrdeten Leitungen eingeschlossen werdenoder eine oberirdische Verlegung mit flexiblenRohren und relativ großen Abstanden der Pfeiler.Locker gelagerte wasserhaltige Sandschichtenneigen zu Bodenverflussigung. Diese Schichtensollten beispielsweise durchVergroßerung derVer-legetiefe oder durch oberirdische Verlegung mitsicher gegrundeten Pfeilern umgangen werden.

Sind Relativverschiebungen zwischen benach-barten Auflagern von Rohrleitungen zu erwarten,konnen diese zum Teil durch Einsatz flexiblerRohrleitungen aufgenommen werden. Ist diesnicht mehr moglich, konnen spezielle Rohrver-bindungen mit Faltenbalg, wie in Bild 83 (links)dargestellt, eingesetzt werden. Fur sehr großeRelativverschiebungen eignen sich Verbindungs-elemente mit beweglicher Manschette nachBild 83 (rechts). Von diesem Verbindungstyp gibtes verschiedenste Ausfuhrungen auf dem Markt,z. T. auch mit mehreren Manschetten hinterein-ander, sodass auch Verschiebungen senkrecht zurRohrachse moglich sind. Dieser Verbindungstypist jedoch teurer als Kompensatoren mit Falten-balg und weist je nach Ausfuhrung ein sehr hohesEigengewicht auf.

Um entscheiden zu konnen, welche Maßnahmeerforderlich ist, muss der Betrag der zu erwarten-den Relativverschiebungen bekannt sein. Die Re-

395Erdbebenauslegung von Sonderbauwerken

Bild 83. Kompensatoren (Expansion Joints) in Rohrleitungen mit Faltenbalg (links) undbeweglicher Manschette (rechts)

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lativverschiebung infolge Bruchflachenbewegunghangt von zahlreichen Parametern, wie der Tiefedes Erdbebenherds, der Mechanik des Herdpro-zesses und den Eigenschaften der geologischenBodenschichtung ab. Sind diese Parameter be-kannt, konnen Modellierungen durchgefuhrt wer-den, mit denen eine Abschatzung der Relativ-verschiebungen in oberflachennahen Bereichenmoglich ist. Wahrend Verwerfungen in Gebietenmit moderater Erdbebengefahrdung wie z. B. inDeutschland im Allgemeinen nicht bis an ober-flachennahe Bereiche durchschlagen, konnen instark erdbebengefahrdeten Gebieten große Re-lativverschiebungen auftreten.

Relativverschiebungen zwischen benachbartenGebauden konnen mit vereinfachten Modellenberucksichtigt werden. Hierbei wird meist eingekoppeltes System, das die Schwingungseigen-schaften des Bauwerks und die Schwingungs-eigenschaften des Baugrunds (Boden-Bauwerks-Interaktionen) berucksichtigt, verwendet. In Bild84 ist ein vereinfachtes Modell dargestellt, in demdie beiden benachbarten Bauwerke abgebildetwerden und ihre Boden-Bauwerks-Interaktionenmit einem Modell nach [83]. Stehen die Bauwerkesehr nahe zusammen, kann es auch zu einer Inter-aktion zwischen den Bauwerken uber dem Bodenkommen. Diese Interaktion kann beispielsweisemit einem Modell berucksichtigt werden, indemder Boden als Halbraum mit Kontinuumselemen-ten abgebildet wird.

Durch die Wellenbewegung im Untergrund kannes auch zu aufgezwungenen Verformungen u inden Rohrleitungen kommen. Unter der unguns-

tigen Annahme eines perfekten Verbundes zwi-schen Boden und Rohrleitung kann fur die Ver-formung der Rohrleitung in Langs- als auch Quer-richtung die folgende Wellengleichung angenom-men werden

u(x,t)w d sinv(ts x=c) (73)

mit der Amplitude der Gesamtverschiebung d undder Wellengeschwindigkeit c. Die in Langsrich-tung verlaufende Teilchenbewegung infolge vonKompressionswellen erzeugt eine Dehnung imBoden und damit in der Rohrleitung, die mit derersten Ableitung obiger Gleichung nach x wiefolgt dargestellt werden kann

ew@u

@xws

v d

ccosv(ts x=c) (74)

mit dem Maximalwert

emax wv d

cw

v

c(75)

wobei v der Spitzenwert der Bodengeschwindig-keit ist. Die in Querrichtung laufende Teilchen-bewegung (z. B. Scherwellen) erzeugt eine Krum-mung x im Boden und damit in der Rohrleitung.Diese ergibt sich aus der zweiten Ableitung nachx wie folgt

xw@2u

@x2ws

v2 d

c2sinv(ts x=c) (76)

mit dem Maximalwert

xmax wv2d

c2w

a

c2(77)

396 Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken

Bild 84. Aufgezwungene Relativverschiebung an Rohrleitungen zwischen benachbarten Bauwerken

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wobei a der Spitzenwert der Bodenbeschleuni-gung ist.

Zur Berechnung der Tragheitskrafte an der Rohr-leitung infolge ihres eigenen Gewichts stellt dieErsatzkraftmethode eine praktikable Naherungdar. Dabei wird die am Auflager anzusetzendespektrale Beschleunigung mit einem Faktor mul-tipliziert und an der Rohrleitung angesetzt. AlsNaherung wird im EC 8 beispielsweise ein Faktorvon 1,5 vorgeschlagen.

7 ZusammenfassungDer vorliegende Beitrag behandelt die Auslegungvon Stahl- und Spannbetontragwerken unter Erd-bebeneinwirkung. Dabei werden sowohl die neuedeutsche Norm DIN 4149:2005 als auch der Euro-code 8 mit seinen verschiedenen Teilen diskutiert.Die jeweiligen Anwendungsbereiche werden auf-gezeigt. Hier werden keine allgemeinen Rechen-verfahren wiedergegeben, vielmehr wird auf dieBesonderheit im Stahlbetonbau hingewiesen undeinige Anmerkungen und Erlauterungen fur diePraxis gegeben.

Der Bogen wird von Bauwerken des ublichenHochbaus uber Brucken bis hin zu Silos, Behal-tern und Rohrleitungen gespannt. Kleine Berech-nungsbeispiele werden gezeigt.

8 Literatur

[1] DIN 1055-100:2001-03: Einwirkungen aufTragwerke; Teil 100: Grundlagen der Tragwerks-planung, Sicherheitskonzept und Bemessungs-regeln.

[2] EN 1990:2002-04: Eurocode 0: Basis of struc-tural design.

[3] DIN 1045-1:2001-07: Tragwerke aus Beton,Stahlbeton und Spannbeton; Teil 1: Bemessungund Konstruktion.

[4] DIN 4149:2005-04: Bauten in deutschen Erd-bebengebieten – Lastannahmen, Bemessung undAusfuhrung ublicher Hochbauten.

[5] DIN 4149:1981-04: Bauten in deutschen Erd-bebengebieten – Lastannahmen, Bemessung undAusfuhrung ublicher Hochbauten.

[6] EN 1998-1:2004-12: Eurocode 8: Design ofstructures for earthquake resistance; Part 1: Gen-eral rules, seismic actions and rules for buildings.

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[8] EN 1998-2:2005-11: Eurocode 8: Designof structures for earthquake resistance; Part 2:Bridges.

[9] ENV 1998-2:1998-07: Eurocode 8: Auslegungvon Bauwerken gegen Erdbeben; Teil 2: Brucken.

[10] EN 1998-3:2005-06: Eurocode 8: Designof structures for earthquake resistance; Part 3:Assessment and retrofitting of buildungs.

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[12] prEN 1998-4:2004-12 Eurocode 8: Design ofStructures for Earthquake Resistance; Part 4: Silos,Tanks and Pipelines.

[13] EN 1998-5:2004-11: Eurocode 8: Design ofstructures for earthquake resistance; Part 5:Foundations, retaining structures and geotechnicalaspects.

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