10
Neese, Betrachtungen 21 ber Pharmacie in IZussland. 143 vorher mit l3Iq Pfund Wasser verdiinnt. Das Gemenge schaumt un bedeutend und anfangs gcht eino clilorhaltige Siiure iiber. Man nimmt destlalb die ersten 2-3 Unzen ab, und es destillirt jetzt einc beinahe rcine Saure von etwa 1,4 spec. Qewicht. Die Rectification stellt man auf dic schon angegebcne Weise niit einem Stiickchen Flatinblech oder Dralit an. Nmmt man dae zuerst Ueber- gegangene gesondert ab, go ist die vorheiige Fallung mit Silberdpeter ganz unniithig. Betrachtongen fiber Pharmacie in Russland ; von N. Scese in Kicm. 1, Die, nene russisehe Medicinaltaxe. Nach einem Zwischenraume von 10 Jahren ist in Russland wieder eine neue Arzneitnxe erschiencn. Diese Taxe enthtilt aber nicht nur die Preise der Arzneimittel und ilirer Bzreitung, sondern es ist noch so Mancherlci hinzugefiigt, was zur Phnrmacie und zurn Apothclren- wesen gehort, dass es auch fur Pharmaceuten in Deutsch- land von Interesse sein wird, etwas iiber diese Arbcit zu horen. Zudem niuss man wissen, dass in den1 gsnzcn Apo- thekenwesen Ruselands so vie1 Deutsches ist, dass man fast sagen konnte, Russland sei in dieser Beziehung ein deutsches Land. Wahrend in der ersten Zeit die Pbarma- ceuten Ruselande Englander waren, biirgerten sich, na- mentlich seit Peter dem Grossen, die Deutschen in die- sem Gewerbszweige in Russland so ein, dass sie ihn, \I" nicht aueschliesslich, doch vorzugsweise inne haben. In der ganzen nordlichen Hiilfte des Reiches findet man als Pharmaceuten ohne Ausnahme Deutsche, und wcnn man in einer abgelegenen kleinen Stadt auch auf keinen Deutschen zu stossen erwartcn darf, so kann nian in dem Apotheker derselben noch sicher rcchnen, einen

Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

  • Upload
    n-neese

  • View
    219

  • Download
    3

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

Neese, Betrachtungen 21 ber Pharmacie in IZussland. 143

vorher mit l3Iq Pfund Wasser verdiinnt. Das Gemenge schaumt un bedeutend und anfangs gcht eino clilorhaltige Siiure iiber. Man nimmt destlalb die ersten 2-3 Unzen ab, und es destillirt jetzt einc beinahe rcine Saure von etwa 1,4 spec. Qewicht. Die Rectification stellt man auf dic schon angegebcne Weise niit einem Stiickchen Flatinblech oder Dralit an. Nmmt man dae zuerst Ueber- gegangene gesondert ab, go ist die vorheiige Fallung mit Silberdpeter ganz unniithig.

Betrachtongen fiber Pharmacie in Russland ; von

N. S c e s e in Kicm.

1, Die, nene russisehe Medicinaltaxe. Nach einem Zwischenraume von 10 Jahren ist in

Russland wieder eine neue Arzneitnxe erschiencn. Diese Taxe enthtilt aber nicht nur die Preise der Arzneimittel und ilirer Bzreitung, sondern es ist noch so Mancherlci hinzugefiigt, was zur Phnrmacie und zurn Apothclren- wesen gehort, dass es auch fur Pharmaceuten in Deutsch- land von Interesse sein wird, etwas iiber diese Arbcit zu horen.

Zudem niuss man wissen, dass in den1 gsnzcn Apo- thekenwesen Ruselands so vie1 Deutsches ist, dass man fast sagen konnte, Russland sei in dieser Beziehung ein deutsches Land. Wahrend in der ersten Zeit die Pbarma- ceuten Ruselande Englander waren, biirgerten sich, na- mentlich seit Peter dem Grossen, die Deutschen in die- sem Gewerbszweige in Russland so ein, dass sie ihn, \I" nicht aueschliesslich, doch vorzugsweise inne haben. In der ganzen nordlichen Hiilfte des Reiches findet man als Pharmaceuten ohne Ausnahme Deutsche, und wcnn man in einer abgelegenen kleinen Stadt auch auf keinen Deutschen zu stossen erwartcn darf, so kann nian in dem Apotheker derselben noch sicher rcchnen, einen

Page 2: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

144 Neese,

solchen zu finden. Siidlich von Moskau, und narnentlich voin Westen des Reiclies pus, haben sich die Polen der Pharmacie bemiichtigt, und nachst ihnen die Hebriier. Da nun letztero jederzeit ihr, wenn auch ziemlich ver- dorbenes, Deutsch sprechen, so sticht auch hier wieder das deutsche Element hervor. Es l h s t sich nicht ange- ben, warum sich faet kein eindger Nationalrusse an dern Apothekergewerbe betheiligt ; sicher ist nur, dass weder ein gesetzliches, noch ein usuelles Hinderniss dem entge- gen steht. Aber gewiss ist auch, dass so, wie die Ver- haltnisse jetzt sind, der Russe keine pharmaceutische Uildung erlangen kann, ohne zu verdeutschen. Denn nicht nur der Lehrling wiir'ddo sich, durch seine ganze Umgebung veranlasst, die deutsche Sprache aneignen miissen, sondern alle Schriften, die er zur Auebildung braucht, findet er nur deubch geschrieben. Eine Aus- nahme rnachen nur ein Lehrbuch der Pharmakognosie in russischer, und zwei Lehrbucher der Pharmacie in polnischer Sprache. Er wurde sich also nicht einmal die zum Qehulfenexamen nothigen Kenntnisse aneignen kon- nen, ohne mehr oder weniger deutsch zu lernen; doch wird dns Examen selbst in russischer Yprache gehalten. Man findet daher nur in ,den Militair- Apotheken russi- sche Discipel, und es ist ein seltener Fall, dass einer von diesen sich der Giehiilfenprufung unterwirft; sie blei- ben entweder zeitlebens Diskipel, oder werden in der Militsirverwaltung irgendwie anders verwendet, nachdem sie sich einige Bildung und Oewandtheit angeeignet haben. Die Einrichtung der Apotheken und die pharmaceutische Qesetxgebung sind nach deu tschem Muster gebildet, und werden hoffentlich so bleiben. Die Naigung aer Nation strebt allerdings mehr dem franaosischen Qeiste zu, wie man u. A. aus dem hliufjgen Gebrauche der Geheirumit- tel ersieht, und aus .der Liebe zur aussern Eleganz. Dass bei der Errichtung von Apotheken das Princip der freien Concurrenz sollte aufgestellt werden, wollen wir nicht glauben, doch sind bei Ertheilung von Privilegien

Page 3: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

Betrachtungen ffbsr Phamnacie in Russland. 145

mhon ofters die geaetzlichen Beschrankungen ausser Acht gelassen worden, wodurch die Zahl der Apotheken an mancben Orten auf eine bcdenkliche Weise vermehrt worden ist.

lJnsere neue Taxe ist eingeleitct von einer Vorrede in 16 Paragraphen, in welcher die Qrundsiitze bei Ab- fassung derselben erlautert wcrden.

0. 1. besagt, dass die obsolet gewordenen Mittel ansgestrichen, und dagegen viele neuere in die Taxe aufgenommen seien. Ich vermisse unter den fruhern Ar- tikeln nur zwei, niimlich Herba Gnaphalii und Unguenturn Mezerii; dngegen ist die Aufnahme neuer Mittel mit lobens. werther Vollst%ndigkeit geschehcn, sogar die Rademacher- schen Compositionen fehlen nicht. Nichts desto weniger vermissen wir ein paar Dutzend Mittel, die ofters verord- net werden, z. B. Acidum chromicum, Acidum muriati- cum dilutum, Benzinum, Cortex C'hinae tostus pulveratus, nay lum chloratum, Kalium chloratum, Linimentum volatile cum Oleo Hyoscynmi paratum, TincCura Rhois toxicodendsi, Spiritus Rergamottae compositus, Unguenturn Sabadillae. Auch hatten zweckmassig die Preise fur Oblaten zum Einmickeln der Pulver, Eier, leere Gallcrtkapseln, und einige Sorten Wein mogen angcgeben werdcn. Zurn Schluss bind die Preise von 55 Geheimmitteln gleichfalls vorgeschrieben. Das ganze Verzeichniss umfasst 80 Seiten in Hochquart.

5. 2. Zur Vermeidung von MissverstLndnissen sind viele Synonyme neu hinzugefiigt. Auch dies ist wahr, und dennoch vermissen wir iiber 30, nicht unwichtige, z. B. Cupmm aceticum, Electuarium Theriacu, Elixir. Vis- cerale Hofmanni, Ferro - Kalium cyanatum, Perrum tarta- ricum, Hepar Sulphu& salinum, hTutrum muriaticum, Nuccs moschatue (statt deren Nuclei moschatne, aber wieder hTz[ces vonzicae), Oleum Jecoris Aselli, Spiritus Ferri chlorati aethereus, Siiccolata, Terra ak*minosa, Tinctura Ferri chlo- rati aethcrea u. S. W.

0. 3. Die Apotheker der beiden Hauptstiidte sind Arch.d.Pharm. CLXII.Bds. 2. Eft. 10

Page 4: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

146 Neese,

verpflichtet, alle diese Mittel vorriithig zu halten, oder a9 denjenigen, welche leicht verderben, wenigstens die Ma- terialien. Eine etwas unbillige Vorschrift, d s viele in der "axe benannte QegenstAnde in manchen Apotbeken wohl nicht verlangt worden sind, z.B. Spim'tus traumati- as, Tinctura Sennae composita, Unguenturn rubrum balsa- micum etc., denn das Verzeichniss ist sehr umfassend.

§. 4. Die aagefuhrten Preise verstehen sich von Substanzen bester Gattung und vollkommeneter Reinheit. Neben diesen sind noch einige wenige Mittel, und nament- lich Salze, im rohen Zustande aufgefuhrt, allein diese eollen nur auf ausdruckliche Vorschrift, oder fur die Ve- terinarpraxis, oder fur den Handverkauf, in diesem rohen Zustandc abgelassen werden. Foliae Sennae sollen wie friiher nur sine stipikibus gebraucht werden (Preis 18 Ko- peken pro Unze dafur angesetzt).

9. 6. Unter der Benennung Folia sind ohne dicke Stengel abzulassende Krguter verstanden.

0. 10. Der Norrnalpreis ist der einer Unze. Urn den Preis einer Drachme zu bestimmen, ist erstere durch 6 getheilt worden; ebenso ist der Preis eines Gram ein Vierzigtheil von dcm einer Drachme. Biernach sind fehlende Bestimmungen zu erghzcn. Der geringste Preis einer Quantitat ist ]I4 Kopeken. Fur 1 Pfund, das doch nicht selten verordnet wird, ist kein Preis angege- ben. Ware es nicht passend gewesen, denselben aufa Neun- oder Zehnfache vom Preise einer Unze zu nor- miren 1

Der Preis fur einen Tropfen sol1 gleich dern eines Gram gerechnet werden. Ob Theile eines Qrane als Theile desselben, oder als ein ganzer Gran berech- net werden sollen, daruber ist keine Bestimmung ange- Ghrt. Doch ist das ein Fall, der sich hiisfig genug ereignet, und wo es sich zuweilen um 20-30 Kopeken handelt, z. B. bei Atropin, Codein. Eine sonst sehr billig denkende pharmaceutische aesellschaft hatte die Regel angenommen, immer den ganzen Granpreis zu berechnen.

8. 13.

Page 5: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

Betrachtungen Ubey Phavmacie in Russland. 147

0. 14. Der fiir die Qeheimmittel aufgestellte Preis sol1 sich auf Ichte, vom Auslande eingefiihrte beziehen, und wird fur die Aechtheit der Apotheker nach dem Qesetze verantwortlich gemactit. Ich verstehe diesen letzteren Passus nicht: Nur schr wenige Apotheker sind in der Lage, ihre lkdurfnisse direct vom Auslande be- ziehen zu konnen; die meisten von ihnen wenden sich damit an die Droguenhandler in S. Petersburg, Moslraii u. a. w. Wie sollen sie da fiir die Aechtheit der Yrapa- rate aufkommcn? Zumal da hier weder von bestimmten Bestandtheilen, noch von einer Prufungsmethode die Rede sein kann, und nichts ale eine gewisse Etiquette und ein gewisses Petschaft, die sich nachahmen lasscn, fur die Aechtheit burgt. Ferner heisst es: in den Apothe- ken selbst verfertigte Patent- (Geheim-) Mittel sollen nicht fiir ilchte ausgegeben werden, und wenn fur dieselben kein Preis ausgeworfen ist (es finden sich aber nur we- nige der Art angefuhrt), sollen aie bedeutend wohlfeiler als die achten abgegeben werden. Das klingt so, a19 w#rc es dcm Pharmaceuten erlaubt, frenide Mittel, nach den Resilltaten seiner Untersuchung beliebig nachzu- ahmen, wenn er sie nur nicht auf Befragen ausdriicklich fur achte erklart. Es ist aber schade, dass hier nicht die Gelegenheit benutzt ist, durch autorisirte Vorschriften zur Ziisnmmensetzung mancher vie1 gebrauch ten und hin- reichend bekannten Geheimmittel das kostspielige Ver- schreiben derselben aus dem Auslande zu beschriinken. Es wurdc dadurch mancher Rube1 im Lande bleiben, der jetzt thorichter Weise iiber die Qrenze wandert. Aber Bolcher Vorschriften, wie z. B. zu Pustilles de Belloo, finden sich im Anhange nur wenige, und, fugen wir hinzu, dio russischen Aerzte selbst lzlogen sie nicht.

Die fur den freienverkauf verbotenen Mittel sind mit einem Kreuze bezeichnet. Man ist hierbei nicht praktischer zu Werke gegangen, als in Oesterreich und in vielen Staaten Deutschlands. Nicht i u r die Jeder- mann bekannten und unentbehrlichen Sluren und Farben

9. 15.

lo*

Page 6: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

148 Neeee,

aind verboten, sondern auch alle AkGtica und J a h p n a . Dagegen sind ein paar streng drastische Sachen: Colo- cynthidee crudae und praepuratae und Gummi Guttae er- laubt. Gegeniiber der Mennige und dem Griinspan, die verboten, sind Cemssa, Sal Stanni, Pulvia areenicalia, Zincum aceticum, Zincum chloratum, jedes wenigstens ebenso giftig und weniger charakteristisch im Aeussern, erlaubt. Iiydrargyrum sdphuratum rubrum ist verboten, Cinnabaris nicht. Notorisch unschadliche Sachen, wie Amygdalinum, das sogenannte C'hiitinum hydrocyanicum cum ferro, Kali bicarbonicum, Pipei-inum sind durch ein Kreuz verpont, und sehr gefahrliche Mittel! Aqua Pruni padi, Herba Lobeliae und ihre Tinctur, Rad . Colchici und ibre Tinctur, Vinum Colchici sind erlaubt, auch Santo- ninum, wodurch docb schon mancher Unfall geschehen ist. Verboten sind Acidum succir~icum, Aethiops antimo- nialis und mercurialis, Alcoltol fortior, Cupurn oxyydatum, Kermes, Liquor Ammonii succinici, Lupulinum, Sulphur auratum, Tinctura Sabinae, Zincum sulpiiuricum, dagegen erlaubt Cort. Mezerei, Jodum, Kali bichromicum, dessea Wirkung Manche dem Arsenik gleicb achten, Kreoeotum, Semen Sabadillae, Tinctura kalina.

0. 16. Mit dem Iphalte dieses Paragraphen sind wir dagegen vollkommen einrerstanden, aller unniitze Luxus beim Einmachen der Arzneien ist verboten; die Anwendung von goldenem und gepresstem Papier zum Einwickeln, von Signaturen mit Gold - und Congreve- druck. In der That war der Aufwand an lackirten Schachtelchen und Farbenpracbt der Etiquetten in den meisten Apotheken nicht zu billigen, und liess sich schwer vereinigen mit einer gerec1,tcn Taxation und mit dem Ernste dcs Apothekergeschaftes. Selbst beschrgnkt ein- gerichtete 1 and- Apotheken beeilten sich, in dieser Be- ziehung der Laune des Publicums zu schrneicheln und um den Beifall der Urtheilslosen zu buhlen.

0. 19. Wenn ein Mittel verlangt wird, das in der Taxe nicht genannt ist, so sol1 der Apotheker dafiir einen

Page 7: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

Betrnchtungen iiber Pharmacie in Ruasland. 149

miissigen Preis nehmen, der dem Einkaufspreise, oder dem Preise einer iihnlichen Composition entspricht. Diese Bestimmung ist eiae sehr uusichere. So willig die Apo- theker sind, neue Mittel anzuschaffen, ale wodurch sie dem Arzte ihren Eifer und ihre wissenschaftliche Kennt- niss in ein gutes Licht stellen, so haben sie doch dabei fast immer Schaden, weil diese Mittel meist bald wieder vergessen werden und der grijsste Theil des Vorraths davon liegen bleibt, oder wenn sie im Gebrauch bleiben, so sinkt ihr Einkaufspreis bald so, dass die erste Quantitk! davon nur rnit Schaden abgesetzt werden kann. Gewinn hat der Aporheker nur an den couranten Mitteln. Daher hatte die Taxc hier zweckmassig gleich dern Procent- satz festgestcllt, welcher von solchen neuen Mitteln ge- nommen werden darf, urn allcr Willkur vorzubeugen. Die angehangte Vorachrift, iiber jeden solchen selbstge- machten Preis der Behorde umstandlich zu berichten, wird von den Apothekern schwerlich in Ausiibung ge- bracht werden, cs ist auch der Zweck daron nicht ab- zusehen.

0. 21. endlich wiederholt die hiissliche Erlaubniss fiir den Apotheker, die Arzneien nach Ermessen auch durchglingig unter dem Taxpreise abzugeben, nur mit der Beschraakung, von dicsem Vorsatze nicht offentlich Anzeige machen zu diirfen. Wenn der Apotheker die Arzneien wohlfeiler abgeben kann, warum ist denn die Tase nicht niedriger gestellt? Sollen etwa diejenigen Apotheker, die wegen eines grosseren Umsatzes auch bei niedrigern Preisen existiren konnen, auf Kosten ihrer Nachbaren mit kleinorn Geschaften, die dies nicht thun kijnnen, begiinstigt werden? - 1st aber die Mei- nung die, dass die Apotheker der westlichercn, giinstiger gelegenen Theile des so umfangreichen Staates allerdings die Arzneien zu geringerem Preise abgeben konnten, ds die der entfernteren Gegenden, so hiitten, deuke ich, mehrere Taxen milssen ausgegeben werden, die diesem Umstande cntsprechen. Und das wiire bei den 60 sehr

Page 8: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

160 Neese,

verschicdcnen Verhdtnissen des grossen Rciches wohl das Hichtigc gewesen. Dcnn der aus diceer Vcrschieden- lreit hcrvorgehende, vcrschiedene Kaufpreis der Apotheken regulirt diese Verlialtnisse wohl fur den Apothclrcr, aber nicht fur das Publicum. Mit der Freiheit aber, unter den Tsxpreis belicbig hinunter zu gchcn, scheint uns dem Schacher und der Pfuscherei Thor und Thiir geaff- net, wie denn das auch in der That an manchen Orten der Fall ist, namenthh in dcn westlichen Uouvernernents.

Zu dcr l'axe selbst iilergehend, bemerken wir zu- vorderst einigc Besondcrheiten in der Orthographie: Sul- f u r statt fjulphur, cine Schrcibart, die zwar in Oester- reich iiblich sein mag, mit der wir uns aber nicht be- frcundcn kijnnen, da man docli Ca yophylli, ophthalmi- cum, Pharmacopoea schreibt. Seineit Mezae statt Maeeae, Bob statt Boob. Die Oele sind ohne ersichtlichen Nutzen je nach ilirer 13eschaffcnheit in drci verschiedene Abthei- lungon gebracht, wodurch das Aufschlagen sehr erschwert wird; zwei Seitcn sind verdruckt und aus ihrer Reihen- folge gekommcn, auch rnangelt es nicht an Druckfehlern.

Ueber das Princip, nach dem die Preise festgestellt sind, gestehe ich nicht klar geworden zu sein. Bei Mit- teln derselben Herkunft, dessclben Einkaufspreiscs, der- aelben Gcbrauchlichkeit, derselben Haltbarkeit, finden wir den Nutzcn des Ayothekers bald Nit 50, bald mit 100, mit 150, 200, 300 bis 450 Proc. angesetzt. Ich ent- halte midi bier der Reweise, doch will ioh einige be- sondere Fallo anfuhren. Argentwm nitricum fumm und c ystallisatum haben einen Preis, obgleich das letztere bekanntlich erst aus ersterem gemacht wird. fi-uctue Aurawtiovum und Poma Auvantiowm sind mit 4 Kopeken, Aurantia immatura aber mit 411, Kopeken angesetzt. Die Unze Chininunt sulphuricuna ist mit 4 Rubeln, Cincho- niitum sulphuricuna mit 41/2 Rubeln taxirt, wiihrend do& der Einkaufspreis beider Priiparate sich wie 4 zu 1 ver- halt, und letzteres, wo man es verlangt, eben seiner Wohlfeilheit wegen verschrieben w i d . Hat das Tax-

Page 9: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

Betrachtungen UUber Phai.macie in Rwsland. 151

Comitd durch eine solche Berechnung den Gebrauch des Cin- chonins verhindern wollen, so ist diese Maassregel jedenfalls eine sehr eigenthumliche. Am unverstandlichsten ist die 3estimmung uber Chinioidin. Es ist Chinioidinum die Unze niit 9 *I2 Kopeken, Chinioidivmm Alcohole depratum mit 120 Kopeken, Cliiirioidinum Aetliere depttratum mit 360 Kopeken angesetzt. Nach der vorangestellten Be- stiminung sollen alle Mittel von der besten Beschaffen- hcit genomnien werden, also auch das Chinioidin. Nun aber koinnit das beste kiiufliche Chinioidin uns sclbst auf wenigstcns 17 Kopeken die Unze. Es ist also der Taxpreia hier auf die Halftc des Einkaufspreises festgestellt. SOU man schlechte Waare dafiir ablasscn? Reinigt man aber schlechtes, kaufliches Chinioidin durch Auksen in Alko- kol, so ist das oine Arbeit, die bei gewissen Verunreini- gungcn, resp. VerEtlschungcn, den Zweck nicht erreicht, und den l’reis des reinen Prapnrates vorher iiicht be- stimmbar maclit. Es ist daher nicht abzusehen, warum nicht vorgeschrieben ist, nur das bestc Chinioidin anzu- schaffen, und dafiir eincn angemessencn Preis zu nehmen, anstatt dieser unverhaltnissmassig kostspieligen Rcinigung. Vollends die Reinigung niit Aether ist so theucr ange- aetzt, dass es keineni Arzte einfallen lrann, so gereinigtee Chinioidin zu gebrauchcn, und es lrommt cine solche Taxation einem volligen Verbote des Chinioidins gleich.

Im Ganzen komnien die Arzneimittel nach der neucn Taxe cbenso hoc,h, als nach der friiheren.

Die Arbeitstsxe ist in Russland folgenderniaassen festgestellt. Die Bereitung aller zusammengesetzten Mittel, jcder Art, kostet: bis 1 Unze einschliesslich 5 Kopeken, 2 Unzen 6 Kop., 4 Unzen 8 Kop., 6 Unzen 10 Kop., 8 Unzen 12 Kop., 12 Unzen 16 Kop., 2 Pfd. 18 Kop., 3 Pfd. 20 Kop. u. 8. w. Ausserdem kostet dns Theilen der Pulver semmt Kapsel j e I]/, Kopeken, und was uber 10 Pulver ist, je 1 Kopeke. Das Theilen und Formiren der Pillen fur die ersten 8 Drachmen je 6 Kopeken, und weiter je 4 Kopeken. Das Streichen der Pflaster auf

Page 10: Betrachtungen über Pharmacie in Russland Die neue russische Medicinaltaxe

162

Leder per Drachme 4 Kopeken, anf Leinwand 11/, Kope- ken. Die erste dieser ECegeln empfiehlt sich allerdinga durch grosse Einfachheit, fuhrt jedoch bei grosseren Quantitaten eine auffallende und nicht ganz gerechtfer- tigte Theurung herbei, da doch die Bereitung grosserer Quantitiiten Miiho und Unkosten nicht in dem Maasse vermehrt, ale die Scala der Taxe steigt. Mit Berucksichti- gung, dass es einerseits einfachere Bereitungsarten giebt, und andererseits solche, welche mancherlei Gefasse, Feue- rung und niehr Zeit verlangen, ware es vielleicht rich- tiger gewescn, fur das Mischen von Fliissigkeiten, Pulvern und Pflastern und furs Au06sen eine gleiche niedrigere, fiir Bereitung von Ausziigen aller Art und furs Mischen von Pillenmassen eine hohere Taxe anzunehmen. Uebri- gens sind hier fur Uereitung von Samenemulsionen und von Infusum dlthaeae noch besondere Preise ausgeworfen, welchc den Vortheil bieten, dass, wenn zu diesen Aus- ziigen noch Zuslitze kommen, die T a m labomtm aufs Neue in Wirksamkeit tritt. Einc Mandelmilch von 6 Unzen, mit 1 Gran Opiuniextract und 1 Drachmc Salpe- tor kommt auf diese Weise 46II4 Kopekcn, da sie fruher 311/4 Kopeken zu stchen kam.

Nach der Taxe folgen die Vorschriften zur Uereitung von 30 MitWln, welche fur cinen wohlfeilern I'reis, in Rucksicht auf die Armen, abgelassen werden sollen, und die Regeln uber die Aufbewahrung giftiger Sachen, welche praktischer und freisinniger abgefasst sind, als die fruhe- ren. Ucbrigens werden Hgdrargyrum muriaticunz copro- sivum, I3ydrargyrum bijodutum, Strychninum und Veratl-i- num, so giftig sie sind, doch eu haufig in der Receptur verlangt, als dass der Apotheker selbst, der doch nicht immer sich neben der Officin aufhalt, die ganzc Quanti- tiit stets unter Verschluss hahen konnte, wie hier vor- geschrieben ist; Amygdalin aber kann unter die Gefahr bringenden Korper mit Recht nicht gerechnet werdcn, so wenig als Blutlaugensalz.

Neese, Betrachtungen iiber Pharmacie in Buseland.

(Fort fi e t z u n g f o lg t.) -