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schweizer hausapotheke 9/11 44 Annette B. (44): Es begann schon in der Sek. «In der Sekundarschule wurde ich häufig von Bauchschmerzen und Durchfällen geplagt. Immer wieder musste ich zur Toilette. Essen war für mich immer ein Stress, ich konnte nie ruhig essen», sagt Annette im Video, das ihre Kolleginnen während des Workshops mit ihr drehen. Nach der Sek arbeitete Annette als Pflegerin im Spital. Die Beschwerden hielten an und trotz Blutuntersuchungen wurde die richtige Diag- nose nicht gestellt. Mit 25 heiratete sie und kurz nach der Heirat kamen die ersten gefährlichen Kompli- kationen: Darmverschluss. Nach einer elfjährigen Leidensgeschichte musste zuerst eine Komplikation eintreten, bis endlich die richtige Diagnose eines Morbus Crohn gestellt wurde. Heute wird sie von Spe- zialisten behandelt und von einem einfühlsamen Hausarzt betreut. Dank guter Betreuung ist die Familie um zwei Töchter gewachsen. Nicht gegen, sondern mit der Krankheit hat Annette aktiv ihr Schicksal und auch alle Rückschläge gemeistert. Eine wichtige Rolle hat von Beginn weg der SMCCV gespielt, bei dem sie seit der Diagnose Hilfe und starken Rückhalt gefunden hatte. «Ich habe dort sehr viel gelernt, auch wie andere mit der Krankheit umgehen», so Annette abschliessend. Eindruck vom Workshop «Movies & More» mit dem Präsidenten der SMCCV, Bruno Raffa (rechts) www.ausdembauchheraus.ch Neue Website zoomt auf den Alltag mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Sind Sie von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa betroffen? Egal, ob Sie mit einer Flip cam, einem iPhone oder sonst einem Handy oder einer Kamera filmen möchten, alles ist möglich. Besuchen Sie www.ausdembauchheraus.ch und steuern Sie Ihren persönlichen Film bei! Die neue Website ist ein Projekt der Schweizerischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (SMCCV). Der Name ist Programm: «Aus dem Bauch heraus» gibt Betroffenen die Möglichkeit, in Filmform von sich selber und dem Alltag mit Crohn oder Colitis zu berichten: wie der Name es sagt, mit viel subjektivem Bauchgefühl. Zoomen Sie auf den Alltag mit diesen chronischen entzündlichen Krankheiten des Verdau- ungstraktes: www.ausdembauchheraus.ch Betroffene brechen Tabu Chronische Darmerkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln In der Schweiz haben sich Betrof- fene mit chronisch entzündetem Darm, englisch «Inflammatory Bowel Disease» (IBD) – wie etwa dem Morbus Crohn oder der Coli- tis ulcerosa mit Angehörigen in der Vereinigung SMCCV zusam- mengeschlossen. Sie feiern der- zeit nicht nur das 25-jährige Be- stehen: Bei einer Zusammenkunft haben sie unter Anleitung des Do- kumentarfilmers Stefan Haupt erste Videostatements gedreht, die ihrem Leiden ein Gesicht ge- ben und gängige Tabus brechen sollen. «Unsere Öffentlichkeitsarbeit ist ganz wichtig, denn ich merke im- mer wieder, dass wir dadurch ande- ren helfen können. Dies indem wir uns zeigen und etwas von unserer Krankheit und unserer Geschichte erzählen», sagte der Präsident der Schweizerischen Morbus Crohn/ Colitis Ulcerosa Vereinigung (SMCCV) Bruno Raffa zu Beginn des SMCCV Workshops «Movies & More». Beim Start der Vereinigung vor 25 Jahren konnte sich niemand vorstellen, zur eigenen Krankheit Stellung zu nehmen. Das Leiden galt als schmutzig, weil es mit dem Darm und der Ausscheidung zu tun hat. «Es geht um Bauchweh, WC und die Psyche», so Raffa. Alles Vorurteile, welche die Betroffenen ins Abseits stellen. Doch letztlich geht es für den Präsidenten der Patientenvereinigung darum, mit Öffentlichkeitsarbeit das Leiden bekannt zu machen. Dies schafft ein grösseres Bewusstsein seitens der Öffentlichkeit und der Haus- und Familienärzte, an die sich die meisten Patienten zuerst wenden. Dies soll eine schnellere Diagnose gewährleisten und damit Betrof- fenen zu einer rechtzeitigen pro- fessionellen Behandlung und da- mit einer besseren Lebensqualität verhelfen. Einführung vom Profi Mit Stefan Haupt konnte Raffa ei- nen renommierten und für seine einfühlsamen Interviews bekann- ten Dokumentarfilmer gewinnen. Haupt gab den Anwesenden ei- nen kurzen aber beeindrucken- den Einblick in sein Schaffen und seine Vorgehensweise, speziell bei Interviews zu Themen mit grosser persönlicher Betroffenheit. Seine Worte illustrierte er mit Beispielen aus DOK-Fil- men über Elisabeth Küb- ler-Ross sowie über Ar- gyris, einen Griechen, der als Kleinkind seine Eltern bei einer bruta- len NAZI-Vergeltungs- aktion in Griechenland verlor. Mit dieser Einfüh- rung waren die Teilneh- merinnen und Teilneh- mer gut gewappnet, sich gegenseitig über ihr Leiden zu befra- gen und die Antworten auf kür- zere Videosequenzen zu ban- nen. Die besten Sequenzen werden nun gesichtet, geschnit- ten und auf die Webseite von «ausdembauchheraus.ch» ge- stellt. Die neue Website «zoomt auf den Alltag mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa» und unter- stützt damit das Anliegen des SMCCV (siehe Abbildung Mitte). Krankheit oft falsch eingeschätzt In der Schweiz leiden rund 15 000 Menschen an unterschiedlichen Formen des IBD. Bei diesem Lei- den spielt das Immunsystem der Darmwand verrückt. Als Folge da- von vermag die chronisch entzün- dete Darmwand den Austausch von Flüssigkeit und Stoffen nicht mehr reibungslos zu gewährleis- ten. Leider wird die Krankheit oft nicht sofort erkannt. Einige Betrof- fene warten gemäss einer kürzlich publizierten Nationalfondsstu- die jahrelang auf ihre Diagnose, auch wenn sie schon einige Mo- nate nach Ausbruch des Leidens medizinischen Rat einholen. Junge Menschen tragen das höchste Ri- siko, dass eine frühzeitige Diag- nose verpasst wird. Bei jungen Leuten schätzten viele Ärzte of- fenbar die Krankheit zuerst falsch ein, weil die Symptome denen ei- nes Reizdarms sehr ähnlich seien, schreiben die Autoren der Studie. Verspätete Diagnose Die Folgen einer verspäteten Diag- nose und damit nicht behandelten Krankheit sind Komplikationen und irreversible Schädigungen des Darmtraktes sowie eine stark eingeschränkte Lebensqualität. Urs Tiefenauer-Hürbin

Betroffene brechen Tabu

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Chronische Darmerkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln

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Page 1: Betroffene brechen Tabu

schweizer hausapotheke 9/1144

Annette B. (44): Es begann schon in der Sek.

«In der Sekundarschule wurde ich häufig von Bauchschmerzen und Durchfällen geplagt. Immer wieder

musste ich zur Toilette. Essen war für mich immer ein Stress, ich konnte nie ruhig essen», sagt Annette im

Video, das ihre Kolleginnen während des Workshops mit ihr drehen. Nach der Sek arbeitete Annette als

Pflegerin im Spital. Die Beschwerden hielten an und trotz Blutuntersuchungen wurde die richtige Diag-

nose nicht gestellt. Mit 25 heiratete sie und kurz nach der Heirat kamen die ersten gefährlichen Kompli-

kationen: Darmverschluss. Nach einer elfjährigen Leidensgeschichte musste zuerst eine Komplikation

eintreten, bis endlich die richtige Diagnose eines Morbus Crohn gestellt wurde. Heute wird sie von Spe-

zialisten behandelt und von einem einfühlsamen Hausarzt betreut. Dank guter Betreuung ist die Familie

um zwei Töchter gewachsen. Nicht gegen, sondern mit der Krankheit hat Annette aktiv ihr Schicksal und

auch alle Rückschläge gemeistert. Eine wichtige Rolle hat von Beginn weg der SMCCV gespielt, bei dem

sie seit der Diagnose Hilfe und starken Rückhalt gefunden hatte. «Ich habe dort sehr viel gelernt, auch

wie andere mit der Krankheit umgehen», so Annette abschliessend.

Eindruck vom Workshop «Movies & More»

mit dem Präsidenten der SMCCV, Bruno

Raffa (rechts)

www.ausdembauchheraus.ch SMCCVSchweizerische Morbus Crohn / Colitis ulcerosa VereinigungCH-5000 Aarau Telefon/Fax 041 670 04 87

Beratungstelefon 062 824 87 07 [email protected], www.smccv.ch, Postcheck 50-394-6Neue Website zoomt auf den Alltag mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Sind Sie von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa betroffen? Egal, ob Sie mit einer Flip cam, einem iPhone oder sonst einem Handy oder einer Kamera fi lmen möchten, alles ist möglich. Besuchen Sie www.ausdembauchheraus.ch und steuern Sie Ihren persönlichen Film bei!

Die neue Website ist ein Projekt der Schweizerischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (SMCCV). Der Name ist Programm: «Aus dem Bauch heraus» gibt Betroffenen die Möglichkeit, in Filmform von sich selber und dem Alltag mit Crohn oder Colitis zu berichten: wie der Name es sagt, mit viel subjektivem Bauchgefühl. Zoomen Sie auf den Alltag mit diesen chronischen entzündlichen Krankheiten des Verdau-ungstraktes: www.ausdembauchheraus.ch

Betroffene brechen TabuChronische Darmerkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln

In der Schweiz haben sich Betrof-

fene mit chronisch entzündetem

Darm, englisch «Inflammatory

Bowel Disease» (IBD) – wie etwa

dem Morbus Crohn oder der Coli-

tis ulcerosa mit Angehörigen in

der Vereinigung SMCCV zusam-

mengeschlossen. Sie feiern der-

zeit nicht nur das 25-jährige Be-

stehen: Bei einer Zusammenkunft

haben sie unter Anleitung des Do-

kumentarfilmers Stefan Haupt

erste Videostatements gedreht,

die ihrem Leiden ein Gesicht ge-

ben und gängige Tabus brechen

sollen.

«Unsere Öffentlichkeitsarbeit ist

ganz wichtig, denn ich merke im-

mer wieder, dass wir dadurch ande-

ren helfen können. Dies indem wir

uns zeigen und etwas von unserer

Krankheit und unserer Geschichte

erzählen», sagte der Präsident der

Schweizerischen Morbus Crohn/

Colitis Ulcerosa Vereinigung

(SMCCV) Bruno Raffa zu Beginn

des SMCCV Workshops «Movies &

More». Beim Start der Vereinigung

vor 25 Jahren konnte sich niemand

vorstellen, zur eigenen Krankheit

Stellung zu nehmen. Das Leiden

galt als schmutzig, weil es mit

dem Darm und der Ausscheidung

zu tun hat. «Es geht um Bauchweh,

WC und die Psyche», so Raffa. Alles

Vorurteile, welche die Betroffenen

ins Abseits stellen. Doch letztlich

geht es für den Präsidenten der

Patientenvereinigung darum, mit

Öffentlichkeitsarbeit das Leiden

bekannt zu machen. Dies schafft

ein grösseres Bewusstsein seitens

der Öffentlichkeit und der Haus-

und Familienärzte, an die sich die

meisten Patienten zuerst wenden.

Dies soll eine schnellere Diagnose

gewährleisten und damit Betrof-

fenen zu einer rechtzeitigen pro-

fessionellen Behandlung und da-

mit einer besseren Lebensqualität

verhelfen.

Einführung vom Profi

Mit Stefan Haupt konnte Raffa ei-

nen renommierten und für seine

einfühlsamen Interviews bekann-

ten Dokumentarfilmer gewinnen.

Haupt gab den Anwesenden ei-

nen kurzen aber beeindrucken-

den Einblick in sein Schaffen und

seine Vorgehensweise, speziell bei

Interviews zu Themen mit grosser

persönlicher Betroffenheit. Seine

Worte illustrierte er mit

Beispielen aus DOK-Fil-

men über Elisabeth Küb-

ler-Ross sowie über Ar-

gyris, einen Griechen,

der als Kleinkind seine

Eltern bei einer bruta-

len NAZI-Vergeltungs-

aktion in Griechenland

verlor. Mit dieser Einfüh-

rung waren die Teilneh-

merinnen und Teilneh-

mer gut gewappnet,

sich gegenseitig über

ihr Leiden zu befra-

gen und die Antworten auf kür-

zere Videosequenzen zu ban-

nen. Die besten Sequenzen

werden nun gesichtet, geschnit-

ten und auf die Webseite von

«ausdembauchheraus.ch» ge-

stellt. Die neue Website «zoomt

auf den Alltag mit Morbus Crohn

und Colitis ulcerosa» und unter-

stützt damit das Anliegen des

SMCCV (siehe Abbildung Mitte).

Krankheit oft falsch eingeschätzt

In der Schweiz leiden rund 15 000

Menschen an unterschiedlichen

Formen des IBD. Bei diesem Lei-

den spielt das Immunsystem der

Darmwand verrückt. Als Folge da-

von vermag die chronisch entzün-

dete Darmwand den Austausch

von Flüssigkeit und Stoffen nicht

mehr reibungslos zu gewährleis-

ten. Leider wird die Krankheit oft

nicht sofort erkannt. Einige Betrof-

fene warten gemäss einer kürzlich

publizierten Nationalfondsstu-

die jahrelang auf ihre Diagnose,

auch wenn sie schon einige Mo-

nate nach Ausbruch des Leidens

medizinischen Rat einholen. Junge

Menschen tragen das höchste Ri-

siko, dass eine frühzeitige Diag-

nose verpasst wird. Bei jungen

Leuten schätzten viele Ärzte of-

fenbar die Krankheit zuerst falsch

ein, weil die Symptome denen ei-

nes Reizdarms sehr ähnlich seien,

schreiben die Autoren der Studie.

Verspätete Diagnose

Die Folgen einer verspäteten Diag-

nose und damit nicht behandelten

Krankheit sind Komplikationen

und irreversible Schädigungen

des Darmtraktes sowie eine stark

eingeschränkte Lebensqualität.

Urs Tiefenauer-Hürbin