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BIG DATA LÖSUNG ODER PROBLEM? DOKUMENTATION UND ANALYSE DER BÜRGERKONFERENZEN FÖRDERKENNZEICHEN 01IS15016A F

BIG DATA LÖSUNG ODER - uni-muenster.de · Es wurden Chancen und Risiken von Big Data exemplarisch aufgeführt. Die Fragen wurden dabei bewusst offen for-muliert, um die Teilnehmenden

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BIG  DATA   ‐  LÖSUNG  ODER  PROBLEM?  DOKUM EN T A T I O N  UND   ANA L Y S E  

D E R   B Ü R G E R KON F E R E N Z E N

F Ö R D E R K E N N Z E I C H E N   0 1 I S 1 5 0 1 6 A ‐ F  

Karlsruher Institut für Technologie Institut für Technikfolgen-abschätzung und Systemanalyse (ITAS) Arbeitspaketleitung: Anika Hügle Mitwirkende bei Organisation und Durchführung: Laura Bittner Reinhard Heil René König Christina Merz Carsten Orwat Johannes Reiß Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) Mitwirkende bei Organisation und Durchführung: Nicolai Culik Barbara Kolany-Raiser Matthias Möller Karlsruhe, Februar 2017

ABIDA-Projektpartner

Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM), Zivilrechtliche Abteilung

Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)

Leibniz Universität Hannover Institut für Rechtsinformatik (IRI)

Technische Universität Dortmund, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät (WiSo) Techniksoziologie

Ludwig-Maximilians-Universität München, Forschungsstelle für Information, Organisation und Management (IOM)

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

www.abida.de Zitiervorschlag: Hügle, Anika (2017): Big Data - Lösung oder Problem, Dokumentation und Analyse der Bürgerkonferenzen; Bericht des Projekts ABIDA - Assessing Big Data, Karlsruhe: Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse

INHALT

1 Zielsetzung der Bürgerkonferenzen im Projekt ABIDA ............................................................................ 1

2 Vorbereitungsphase ........................................................................................................................................... 2

2.1 Auswahl der Städte ................................................................................................................................... 2 2.2 Auswahl und Einladung der Teilnehmenden ...................................................................................... 4 2.3 Vorabinformationen für die Teilnehmenden ...................................................................................... 5

3 Konzept und Tagesablauf der Bürgerkonferenzen .................................................................................... 7

4 Wie sieht unsere Welt mit Big Data im Jahr 2026 aus? – Eine Wunschliste für die Zukunft .................................................................................................................................................................. 9

4.1 Die Verantwortung des Einzelnen oder die Aufgabe des Staates? .............................................. 9 4.2 Wer hat die Kontrolle? Wird unser Verhalten gesteuert? ........................................................... 13 4.3 Wer entscheidet? Mensch oder Computer? ................................................................................... 15

5 Analyse und Zusammenführung der Ergebnisse ..................................................................................... 17

5.1 Analyse der Ergebnisse ......................................................................................................................... 17 5.2 Zusammenführung der Ergebnisse .................................................................................................... 18

6 Exkurs: Teilnehmende in Zahlen .................................................................................................................. 20

Anhang - Impulspapier .......................................................................................................................................... 22

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ausgewählte Städte und Datum der Bürgerkonferenzen ..................................................................... 2 Abb. 2: Vergleich der ausgewählten Städte nach den Kriterien der Demographietypen .......................... 3 Abb. 3: Übersicht: Tagesablauf der Bürgerkonferenzen ....................................................................................... 8 Abb. 4: Altersstruktur je Konferenz ...........................................................................................................................21

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Teilnahmequote der Bürgerkonferenzen ..................................................................................................20

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 1

1 ZIELSETZUNG DER BÜRGER-KONFERENZEN IM PROJEKT ABIDA

Die Bürgerkonferenzen im Projekt ABIDA1 sind Teil mehrerer Instrumente zur Erfassung unterschiedlicher Meinungs- und Stimmungsbilder zum Thema Big Data. Insbesondere in der ersten Hälfte des Projektes steht das Zusammentra-gen unterschiedlicher Wissensbestände im Vordergrund. Dabei spielen mehrere Gruppen von Akteuren eine wichtige Rolle.

Neben den Bürgerkonferenzen stehen insbesondere die Erfassung von Exper-tenmeinungen und Stimmungsbildern mittels eines Delphi-Expertenworkshops und einer zweiphasigen Onlinebefragung, sowie das Zusammenführen von Wis-sensbeständen in den einzelnen Fachdisziplinen Rechts-, Politikwissenschaften, Ökonomie, Ethik und Soziologie in den Arbeitskreisen, im Fokus der ersten Pha-se des Projektes.

In diesem Bericht sind die Ergebnisse der drei Bürgerkonferenzen dokumentiert, die im bisherigen Projektverlauf stattgefunden haben. Ziel war es, das Mei-nungs- und Stimmungsbild der Bürgerinnen und Bürger zu erfahren sowie ihre Hoffnungen und Sorgen kennenzulernen. Weiter sollte gemeinsam mit den Bür-gerinnen und Bürgern erarbeitet werden, welche Wünsche und Vorstellungen es für die zukünftige Entwicklung und den Umgang mit Big Data gibt.

Zwar erheben die Bürgerkonferenzen keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern erfassen vielmehr insbesondere persönliche Erfahrungen der Teilneh-mer. Dennoch werden die Ergebnisse der Konferenzen im weiteren Verlauf des Projekts insofern zielführend verwertet, als dass sie einerseits Grundlage für ei-ne repräsentative Umfrage zur Sicht der Bevölkerung auf Big Data sind und an-dererseits in die Themenauswahl von Vertiefungsstudien innerhalb des Projek-tes einfließen.

1 Neben dem Karlsruher Institut für Technologie hat sich auch die zivilrechtliche Abtei-

lung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der West-fälischen Wilhelms-Universität Münster (ITM) an der Durchführung der Bürgerkonfe-renzen beteiligt (Moderation, Impulspapier).

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 2

2 VORBEREITUNGSPHASE

2.1 AUSWAHL DER STÄDTE

Durch die Auswahl drei verschiedener Städte für die Bürgerkonferenzen sollte es ermöglicht werden, regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen. Dabei wurden alle drei Veranstaltungen mit den gleichen Themen und dem gleichen Ablauf geplant, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermög-lichen. Aus diesem Grund wurden die Städte nach den drei folgenden Kriterien ausgewählt.

Auswahlkriterien

Zum einen sollten die Städte der Bürgerkonferenzen einer geographischen Hete-rogenität entsprechen. Neben Süddeutschland sollte eine Stadt in Ostdeutsch-land sowie eine Stadt in Nord- bzw. Westdeutschland vertreten sein.

Zum anderen sollten die Städte eine Heterogenität ihrer Umgebung aufweisen. Sowohl ein urbanes Umfeld als auch kleinere Städte in ländlichen Regionen soll-ten berücksichtig werden. Zudem sollten die ausgewählten Städte einer demo-graphischen Heterogenität entsprechen. Als Grundlage wurden hierfür die Fak-toren und Indikatoren der Demographietypen der Bertelsmann Stiftung hinzu-gezogen.2

2 Siehe: http://www.wegweiser-kommune.de/demographietypen. Bemerkung: Aufgrund

der Planungs- und Vorbereitungsphase, die bereits 2015 begann, basieren die hier zu Grunde liegenden Demographietypen auf dem Stand von Juli 2012. Der aktuelle Stand von 2016 konnte daher nicht berücksichtigt werden.

Abb. 1: Ausgewählte Städte und Datum der Bürgerkonferenzen

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 3

Ausgewählte Städte

Die Städte in Abb. 1 entsprechen den genannten Kriterien der geographischen Heterogenität, der Heterogenität der Umgebung und gehören unterschiedlichen Demographietypen an.

Aachen, als größte der ausgewählten Städte, liegt in Westdeutschland und ist als soziales heterogenes Zentrum der Wissenschaft Demographietyp 2 zuzuordnen.

Stralsund, mit seiner Ostdeutschen Küstenlage, ist die kleinste der ausgewählten Städte und ist als stark schrumpfende Kommune einem hohen Anpassungsdruck ausgesetzt. Sie ist dem Demographietyp 9 zugeordnet. Kempten hingegen ist, als etwas größere Stadt als Stralsund, eine mittelgroße Kommune im Süden lie-gend mit geringer Dynamik im Umland und im ländlichen Raum dem Typ 6 zu-gehörig.3

3 Vergleichende Zusammenstellung von http://www.wegweiser-

kommune.de/statistik/demographietypen am 09.02.2016.

Abb. 2: Vergleich der ausgewählten Städte nach den Kriterien der Demographietypen

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 4

2.2 AUSWAHL UND EINLADUNG DER TEILNEHMENDEN

Für die Einladung der Teilnehmenden der drei Bürgerkonferenzen wurde bei den entsprechenden Einwohnermeldeämtern eine Stichprobe aus dem Melde-register gezogen. Dabei wurden die Alterskohorten repräsentativ für die jeweili-gen Städte ausgewählt. Die Teilnehmenden sollten dabei das 16. Lebensjahr vollendet haben. Es wurden Vorname, Familienname, Geschlecht und Anschrift bei den Einwohnermeldeämtern erfragt. Auf Grundlage dieser Datenbanken wurden die Teilnehmenden postalisch angeschrieben und zur Bürgerkonferenz eingeladen. In Aachen wurden 1500 Bürgerinnen und Bürger angeschrieben. In Stralsund und Kempten wurden - aufgrund des geringen Rücklaufs der ersten Konferenz in Aachen - je 3000 Bürgerinnen und Bürger angeschrieben und ein-geladen. Die Einladungen wurden jeweils vier Wochen vor der Veranstaltung versendet.

Für die Einladung und Rückmeldung wurde ein mehrstufiges Verfahren gewählt. Die Einladung enthielt neben dem eigentlichen Anschreiben mit organisatori-schen Einzelheiten und der Information, dass es bei der Bürgerkonferenz thema-tisch um Big Data geht, einen Bogen zur postalischen Anmeldung. Nachdem die Rückmeldungen aus Aachen ergaben, dass sich die Bürgerinnen und Bürger al-leine mit den Einladungsschreiben nicht viel unter dem Titel "Big Data - Lösung oder Problem?" vorstellen konnten, erhielten die Einladungen in Stralsund und Kempten zusätzlich ein einseitiges Informationsblatt mit dem Titel "Big Data - Was ist das überhaupt?".

In einem zweiten Schritt konnten sich die interessierten Bürgerinnen und Bürger entweder postalisch mit Hilfe des beigelegten Anmeldebogens, oder online über die Projektwebseite zu den Bürgerkonferenzen anmelden. Der Anmeldebogen erfragte allgemeine Angaben zur Person, wie Name, Vorname, Adresse, E-Mail-Adresse (falls vorhanden) und die eigene Einordnung in vorgegebene Alters-gruppen. Diese Daten wurden lediglich für die hier vorliegende Auswertung ge-nutzt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde der Auszug aus dem Melde-register nur für den Zweck der Einladung genutzt.

In einem dritten Schritt erhielten die Teilnehmenden eine Teilnahmebestätigung mit der genauen Adresse des Veranstaltungsortes, einer Wegbeschreibung, dem Tagesablauf sowie ein mehrseitiges Impulspapier. Dieses Impulspapier enthielt eine kleine Einführung in das Thema Big Data, um die Teilnehmenden an das Thema der Konferenz heranzuführen.4

4 Das ausführliche Impulspapier befindet sich im Anhang.

Einladung und Rück-meldung als mehr-stufiges Verfahren

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 5

2.3 VORABINFORMATIONEN FÜR DIE TEILNEHMENDEN

Das Impulspapier hatte die Aufgabe, den Teilnehmenden neben einer allgemei-nen Einführung in das Thema Big Data eine Informationsbasis für die Diskussion während der Konferenz zu vermitteln.

Ziel war es, die Teilnehmenden zur Diskussion anzuregen. Dafür wurden einer-seits anschauliche Beispiele herangezogen, andererseits wurden aktiv Fragen formuliert, um Anknüpfungspunkte zum Alltag der Teilnehmenden herzustellen.

Daraus ergab sich eine Gliederung, die zunächst in einer allgemeinen Einführung versuchte, den Begriff Big Data greifbarer zu machen. Der Begriff meint große, heterogene Datenmengen, die in der digitalen Welt überall in unserem Alltag er-zeugt werden. Neben der Menge der Daten wurden die Veränderungen in der Analyse und der Nutzung der Daten hervorgehoben. Dabei wurde auf die Funk-tion von Algorithmen hingewiesen. Die Ausführungen wurden mit Beispielen veranschaulicht, die allen, die das Internet nutzen, in ihrem Alltag begegnen. Auf die Nutzung von Big Data in vielen unterschiedlichen Bereichen, wie der Indust-rie und der Medizin, wurde ebenfalls hingewiesen. Bei der Erläuterung der un-terschiedlichen Anwendungen wurden Fragen aufgeworfen, beispielsweise: Wem gehören die Daten? Wie gefährlich ist es, wenn nur wenige große Unter-nehmen diese Daten kontrollieren? Können und wollen wir menschliches Ver-halten durch Datenanalyse vorhersagen? Es wurden Chancen und Risiken von Big Data exemplarisch aufgeführt. Die Fragen wurden dabei bewusst offen for-muliert, um die Teilnehmenden zum Nachdenken anzuregen.

Darauf folgend wurde ein genauerer Blick auf drei ausgewählte Themen gewor-fen. Diese drei Themen sind Ergebnisse, die aus der bisherigen Arbeit im Projekt gewonnen wurden. Insbesondere die Ergebnisse aus dem Delphi-Experten-workshop flossen hier ein. Die im Impulspapier vorgestellten Themen fanden sich auch in den Themen der Gruppenarbeiten während der eigentlichen Bür-gerkonferenz wieder. Anhand der drei Themen wurden mögliche Chancen und Risiken von Big Data sichtbar gemacht.

Das erste Thema stellte den Staat und das Individuum gegenüber mit der Frage: Verantwortung des Einzelnen oder die Aufgabe des Staates? Ferner wurde the-matisiert, dass Big Data-Geschäftsmodelle häufig auf dem individuellen Ver-braucher basieren. Es wurden Fragen zum Datenschutz aufgeworfen und auf das Instrument der informierten Einwilligung hingewiesen. Wo ist der Staat in der Verantwortung, den Einzelnen vor Missbrauch zu schützen und wo ist es die Eigenverantwortung der Bürgerin und des Bürgers bzw. des Verbrauchers?

Das zweite Thema stellte die Frage nach der Kontrolle: Wird unser Verhalten gesteuert? Neben den von Menschen erzeugten Daten generieren, erfassen und sammeln immer mehr Sensoren Daten über unser Leben. Durch die Verknüp-fung dieser Daten mit anderen personenbezogenen Daten können aussagekräf-tige Profile über das Verhalten von Personen erstellt werden. Solche Profile er-

Impulspapier: Big Data - Lösung oder Problem?

Big Data - Was ist das überhaupt?

Verantwortung des Einzelnen oder Aufgabe des Staates?

Wer hat die Kontrolle? Wird unser Verhalten gesteuert?

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 6

möglichen es Firmen, individuelle Angebote und Preise auf den Kunden zuzu-schneiden. Dadurch entstehen Anreize, unser Verhalten zu verändern oder zu verbessern. Daraus ergeben sich Fragen wie: Entscheiden wir noch frei oder verändern wir unser Verhalten durch solche Anreizsysteme? Welche Verände-rungen ergeben sich für unsere Gesellschaft?

Das dritte Thema legt den Fokus auf Entscheidungen: Wer entscheidet? Mensch oder Computer? Wird zukünftig ein Algorithmus entscheiden? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden? Die Frage, ob ein Computer eventuell bessere, neutralere Entscheidungen tref-fen kann als der Mensch, wurde hier ebenfalls zur Diskussion gestellt.

Alle drei Themen wurden bewusst thematisch weit formuliert, um eine leichte Identifikation der Teilnehmenden durch eigene Erfahrung zu den einzelnen Themen zu ermöglichen.

Wer entscheidet? Mensch oder Computer?

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 7

3 KONZEPT UND TAGESABLAUF DER BÜRGERKONFERENZEN

Die Termine für die Konferenztage wurden bewusst auf einen Samstag gelegt, um auch berufstätigen Bürgerinnen und Bürgern eine Teilnahme zu ermöglichen. Die Konferenzen wurden als Ganztagesveranstaltungen mit mehreren Pausen durch-geführt.

Der Ablauf der Veranstaltungen gliederte sich in drei Phasen. In Phase I wurden die Teilnehmenden begrüßt und mit einem Impulsvortrag auf den Tag einge-stimmt. Die Bürgerinnen und Bürger kamen dann insbesondere in Phase II zu Wort. Hier wurde in Kleingruppen diskutiert und die wesentlichen Ergebnisse der Konferenzen gemeinsam erarbeitet. In der abschließenden Phase III wurden diese Ergebnisse dann präsentiert und mit allen Teilnehmenden erneut diskutiert.

Der Auftakt der Konferenz war ein kurzer Impulsvortrag, der den Teilnehmenden die drängendsten Alltagsfragen zu Big Data verdeutlichte. Zudem wurde den Teil-nehmenden die Bedeutung der Bürgerkonferenzen innerhalb des ABIDA Projek-tes erklärt.

Für die Diskussionen in den Kleingruppen in der zweiten Phase der Tagung teilten sich die Teilnehmenden in drei Gruppen ein, die sich jeweils mit einem der aus dem Impulspapier bekannten Themen beschäftigten.

Thema 1: Verantwortung des Einzelnen oder des Staates?

Thema 2: Wer hat die Kontrolle? Wird unser Verhalten gesteuert?

Thema 3: Wer entscheidet? Mensch oder Computer?

Die Arbeit in allen drei Kleingruppen, die von einem Moderator und Co-Moderator aus dem ABIDA Projektteam geleitet wurden, begann nach einer Vor-stellungsrunde mit der Formulierung von Hoffnungen und Sorgen bezüglich Big

Data in Hinblick auf das Thema, welches die Gruppe bearbeitete. Nachdem alle Teilneh-menden die Möglichkeit hatten, ihre Hoff-nungen und Sorgen auf Karteikarten zu for-mulieren und vorzustellen, wurden diese in der Gruppe zusammengefasst und diskutiert.

Am Nachmittag stand der Blick in die Zu-kunft im Mittelpunkt. Auf der Basis der am Vormittag erarbeiteten Hoffnungen und Sor-gen wurde von den Moderatoreninnen und Moderatoren die Frage gestellt, welche der vorliegenden Hoffnungen und Sorgen im Jahr 2026 noch relevant sein würden. Diese wurden dann gesondert an einer Pinnwand gesammelt. Mit Blick auf diese identifizierten

Phase I - Begrüßung und Einführung

Big Data - Hoffnungen und Sorgen

Wie sieht unsere Welt mit Big Data im Jahr 2016 aus?

Hoffnungen und Sorgen der Kemptener zu Thema 2, geordnet nach Themen-bereichen, Foto: ABIDA-Projektteam

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 8

Chancen und Probleme wurde diskutiert, was aus Sicht der Teilnehmenden konk-ret getan werden sollte, um die Hoffnungen zu erfüllen und die Sorgen zu elimi-nieren. Hierfür wurde für jedes Thema eine Wunschliste erarbeitet.5

In der dritten Phase kamen alle Teilnehmenden wieder zusam-men und die Moderatorinnen und Moderatoren präsentier-ten die jeweiligen Wunschlis-ten aus den Kleingruppen. Nach jeder Präsentation hatten die Bürgerinnen und Bürger aus den anderen Gruppen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und die vorgestellten Ergebnis-se zu diskutieren.

5 Alle erarbeiteten Wunschlisten aus allen Städten zu den jeweiligen Themen können auf

www.abida.de unter dem Menüpunkt Bürgerkonferenzen heruntergeladen werden.

Phase III - Ergebnis-vorstellung

Abb. 3: Übersicht: Tagesablauf der Bürgerkonferenzen

Präsentation der Wunschliste zu Thema 1 in Kempten. Foto: ABIDA-Pojektteam

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 9

4 WIE SIEHT UNSERE WELT MIT BIG DATA IM JAHR 2026 AUS? – EINE WUNSCHLISTE FÜR DIE ZUKUNFT

Die in den Kleingruppen gemeinsam erarbeiteten Wunschlisten stellen die zent-ralen Ergebnisse der Bürgerkonferenzen dar. Methodisch bauen die Ergebnisse aufeinander auf. Ausgehend von den Hoffnungen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger wurde durch Diskussionen in den Kleingruppen gemeinsam ent-schieden, welche der Hoffnungen und Sorgen für das Jahr 2026 noch von Be-deutung sind, wie in Zukunft damit umgegangen werden soll und welche Wün-sche daraus resultieren. Damit fließen alle Diskussionen des Konferenztages di-rekt in die Wunschlisten der einzelnen Gruppen ein. Insofern sieht man in den Listen das Ergebnis eines zielorientierten Diskussionsprozesses und das gemein-same Erarbeiten der Ergebnisse. Die von den Bürgerinnen und Bürgern artiku-lierten Sorgen und Hoffnungen unterschieden sich von Stadt zu Stadt allenfalls geringfügig.

Im Folgenden werden die Wunschlisten zunächst nach den einzelnen Themen und Städten dargelegt und dann in Kapitel 5 analysiert und ins Verhältnis ge-setzt. Darüber hinaus werden städte- und themenübergreifend die meist ge-nannten Wünsche herausgearbeitet.

4.1 DIE VERANTWORTUNG DES EINZELNEN ODER DIE AUFGABE DES STAATES?

Zu Thema 1 'Die Verantwortung des Ein-zelnen oder die Aufgabe des Staates?' wur-den in allen drei Städten zwei nach Sorgen und Hoffnungen getrennte Wunschlisten erarbeitet.

Auf der Wunschliste für die Realisierung der Hoffnungen stand in Aachen die unge-filterte Freigabe von Daten aus der For-schung, dabei spielte für die Teilnehmen-den der öffentliche Zugang zu Daten eine besondere Rolle. Der Staat solle wirtschaft-lich uninteressante Bereiche mehr fördern, wie beispielsweise Assistenzsysteme zur Stauvermeidung, und im Allgemeinen für mehr Sicherheit sorgen. Eine weitere For-derung war die Regulierung von lizenz-freien, sicheren Schnittstellen für Smart-

Staatliche Regulierung von lizenzfreien Schnittstellen für Smart Home Systeme unter der Prämisse eines Sicherungskonzeptes

Grundlage für die Wunschliste: Im Jahr 2026 relevante Hoffnungen und Sorgen zu Thema 1 (Aachen). Foto: ABIDA-Projekt-team

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 10

Home-Systeme. Der Staat solle durch ein konsequentes Datenschutzrecht, u.a. bzgl. Gesundheits- und Risikovorsorge, mehr Vertrauen schaffen. Letztlich wün-schen sich die Bürgerinnen und Bürger in Aachen eine Auskunftspflicht des Staates in Form von anonymisierten Rohdaten.

Bezüglich der Sorgen stand der Ausbau der Bildung ganz oben auf der Prioritä-tenliste, dafür solle der Staat eine bessere Förderung betreiben und einen Bil-dungsplan aufstellen. Aber die Teilnehmenden plädierten auch für eine gesell-schaftliche Debatte und einen Dialog über kritische Fragen wie z.B. Scoring. Für den Umgang und die Weitergabe von Daten stellten sich die Teilnehmenden in Aachen eine Opt-in Funktion vor. Eine Datenfrei- und Weitergabe solle nur nach Zustimmung möglich sein, dafür solle es differenzierte und wiederrufbare Auswahlmöglichkeiten geben. Dabei solle vom Staat darauf geachtet werden, dass für den Einzelnen dadurch keine Nachteile entstehen. Auch der Wunsch nach einer Regulierung zur Vereinfachung der AGB stand auf der Liste. Scoring haben die Diskutanten des ersten Themas als besonders kritisch identifiziert, sie forderten ein Verbot von Scores in bestimmten Bereichen und die Beschrän-kung der zulässigen Datenbasis für Scoring.

Sie stellten auch die Frage nach Haftung und Verantwortung bei Entscheidun-gen auf Grundlage von Scoringergebnissen zur Diskussion. Es besteht weiter der Wunsch, Auskunft darüber zu erhalten, welche Akteure auf welche Daten zu-greifen. Es solle eine aktive jährliche Auskunftsverpflichtung geben, die auch auf Sicherheitslücken hinweist. Verbraucherinteressen sollen gestärkt werden und Vorrang bekommen. Weiterhin solle der Datenschutz ausgebaut und Datensätze mit Blick auf ihre Richtigkeit kritisch betrachtet werden. Neben den Wünschen nach Regulierung auf staatlicher Ebene wurde von den Teilnehmenden angeregt eine internationale Regulierung in Form einer Konvention zu schaffen, um grundlegende Rechte aufrechtzuerhalten.

Auch in Stralsund stand auf der Wunschliste der Hoffnungen das Thema Bil-dung, aber mit einem anderen Fokus. Hier diskutierten die Teilnehmenden ins-besondere die Digitalisierung in der Bildung und wünschten sich neben der Schaffung von einheitlichen, standardisierten Datenbanken den Zugriff auf Wis-sen für alle. So sollen insbesondere bestimmte Institutionen mit Schreibrechten ausgestattet werden, um so eine bessere Qualität der Datenbanken zu errei-chen. Des Weiteren sprachen sich die Teilnehmenden aus Stralsund für einen besseren Austausch durch direkten, freiwilligen Kontakt aller Beteiligten (Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte) aus. Neben der Bildung diskutierten die Stralsunder die Langlebigkeit der Daten. Diesbezüglich wünschten sie sich eine Anonymisierung von Metadaten, besonders z.B. in der Medizin. Auch das Recht auf Vergessen ist auf der Liste der Stralsunder zu finden. Auf der Wunschliste findet sich zudem die Optimierung von Prozessen und Apps für den Konsumenten. Die Bürgerinnen und Bürger wünschten sich, dass das extra-hierte Wissen aus Big Data für das Allgemeinwohl genutzt wird. Des Weiteren wünschten sie sich eigenständige Algorithmen zur Optimierung von Regelungs- und Steuermechanismen. Die Teilnehmenden erhofften sich außerdem eine bessere Optimierung gesellschaftlicher und organisatorischer Abläufe. Das solle

Forderung nach einer gesellschaftlichen Debatte und einem Dialog über kritische Fragen

Auch in Stralsund stand auf der Wunschliste der Hoffnungen das Thema Bildung

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 11

erreicht werden durch eine bessere Ausbildung der Anwendenden und eine anonymisierte, interdisziplinäre Analyse größerer Datenmengen, also der Ver-knüpfung von Datenmengen. Durch die Nutzung von Big Data, u.a. für Echtzeit-steuerung, solle außerdem eine Optimierung der Ressourcennutzung erzielt werden.

Neben den Hoffnungen hatten auch die Teilnehmenden in Stralsund Sorgen und entsprechende Wünsche, wie mit diesen umgegangen werden soll. Dazu gehörte die Sorge einer Fehlinterpretation von Daten. Hier erhofften sie sich mehr Transparenz und eine ständige Möglichkeit zur Selbstauskunft. Mit Blick auf die Langlebigkeit der Daten und den laut den Teilnehmenden daraus resul-tierenden negativen Konsequenzen forderten sie eine Sensibilisierung der Bür-gerinnen und Bürger für die mit der Datenherausgabe verbundenen möglichen Risiken, sowie eine stärkere Kontrolle der Datensammler auf allen Ebenen. Auch in Stralsund hoffte man auf eine Vereinfachung der AGB durch Verkürzung und bessere Verständlichkeit der Formulierungen. Des Weiteren wünschten sich die Bürgerinnen und Bürger eine stärkere Regulierung des Datenhandels durch ver-bindliche Sicherheitsstandards, z.B. durch eine Zertifizierung für Datensicherung, und eine stärkere Haftung von Unternehmen bei Datendiebstahl infolge von Si-cherheitsmängeln. Sie forderten den Staat auf, sich verstärkt um das Thema Cy-ber-Security zu kümmern. Auch bei den Sorgen tauchte das Thema Bildung auf. Befürchtet wurde eine Überforderung des Einzelnen durch den technischen Fortschritt. Die Teilnehmenden wünschten sich mehr Erwachsenenbildung, ins-besondere im Bereich von Arbeitnehmern und Senioren, aber auch in der Schu-le, durch die aktive Einbindung digitalisierter Geräte.

Ähnlich wie in Aachen sehen die Teilnehmenden in Stralsund eine politisch in-ternationale Dimension von Big Data. Sie hoffen auf Big Data-Anwendungen zur Unterbindung von Kriegen.

Auch in Kempten erarbeiteten die Teil-nehmenden für die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen oder des Staates eine Wunschliste zu ihren Hoffnungen und Sorgen. Große Hoff-nungen wurden dabei in die Optimie-rung und in Verbesserungen in Berei-chen wie beispielsweise Gesundheit, Energie, Verkehrswesen und Verbre-chensbekämpfung gesetzt. Dafür sei es aber notwendig, dass Schülerinnen und Schüler wie auch Erwachsene besser geschult und ausgebildet würden, um mögliche Potenziale nutzen zu können. Die Teilnehmenden sahen den Staat in der Verantwortung durch gesetzliche Vorgaben für Rechtssicherheit zu sor-gen. Auch in Kempten war das Thema

Sorge um Fehlinterpre-tation von Daten und der Wunsch nach mehr Transparenz

Optimierung und Ver-besserungen in Bereichen wie beispiels-weise Gesundheit, Energie, Verkehrs- und Verbrechensbekämpf-ung

Ein Ausschnitt der umfangreichen Wunschliste zu Thema 1 in Kempten. Foto: ABIDA-Projekt-team

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 12

Bildung und Medienkompetenz wichtig, hier setzte man auf die Einführung eines gesonderten Schulfachs und einer universitären Lehrerausbildung für den Um-gang mit Big Data. Die Bürgerinnen und Bürger sahen Big Data als Lernprozess und wünschten sich mehr Bildung und Informationskanäle. Hoffnungen wurden mit den Stichworten Industrie 4.0 und Data Mining verbunden, hierfür wurde jedoch die Einhaltung geltender arbeitsrechtlicher Bedingungen vorausgesetzt. Auch hier wurden vom Staat, als Verantwortlichem, einheitliche europäische Re-gelungen für Unternehmen gefordert. In Bezug auf die Politik versprach man sich von Big Data eine zusätzliche Informationsquelle und dadurch sachbegrün-detere Entscheidungen.

In Kempten haben die Teilnehmenden auch Wünsche geäußert, wie mit ihren Sorgen in der Zukunft umgegangen werden solle. So fürchteten sie die Aufhe-bung des Solidaritätsprinzips und forderten daher konkret ein Verbot für Big Da-ta-Anwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Allgemeinen bür-ge die Tendenz zum gläsernen Menschen die Gefahr der Fremdbestimmung. Für die heutigen Generationen sei das nicht mehr zu verhindern, aber für die kom-menden Generationen hofften die Teilnehmenden auf eine Verbesserung durch Bildung.

Die Intransparenz des Datenhandels wurde sorgenvoll betrachtet, hier hält man eine Stärkung des Datenschutzrechts in Form von besseren Sanktionsmöglich-keiten und Verbandsklagemöglichkeiten für eine Lösung. In diesem Punkt sahen die Teilnehmenden auch jeden Einzelnen in der Verantwortung, die bereits vor-handenen datenschutzrechtlichen Rechte auf Auskunft, Löschung und Berichti-gung tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Die Bürgerinnen und Bürger sahen ei-ne Gefahr in der Manipulation von Meinungen durch Big Data-Anwendungen, hier setzten sie auf eine stärkere, unabhängige Presse und eine erhöhte Auf-merksamkeit für diese Problematik durch Aufklärung. In Bezug auf Datenmiss-brauch wurde eine weitere Institution für den Verbraucherschutz gefordert, et-wa in Form eines gesonderten Ministeriums. Sie verlangten außerdem, dass Da-ten nur anlassbezogen verwendet und für Betroffene einklagbare Haftungstat-bestände geschaffen werden. Die Kemptener sahen aber den Staat nicht nur in der Verantwortung, Big Data zu regulieren, sondern auch als aktiven Nutzer, d.h. als Datensammler und als Anwender von Big Data. Insbesondere der Staat spei-chere personenbezogene Daten und ermögliche jederzeitige Einsichtnahme. Hier erwarten die Teilnehmenden vom Staat durch Aufklärung darzulegen, was mit den Daten passiert. Neben dem Staat sahen sie aber den Einzelnen als Da-tenlieferant ebenfalls in der Verantwortung vorausschauend mit seinen Daten umzugehen. Auch diesbezüglich spielte Bildung und Information eine wichtige Rolle. In Kempten sah man zudem eine Gefahr in der Überinformation und regte zu einer digitalen Auszeit an. Algorithmen sprachen einige der Teilnehmenden eine höhere Vertrauenswürdigkeit als den Einzelnen zu. Allerdings wurden trotzdem eine menschliche Kontrolle in einem mehrstufigen Kontrollverfahren, neue Haftungstatbestände für Falschinformationen und Sanktionsmöglichkeiten gefordert.

Befürchtungen: Aufhebung des Solidaritätsprinzips und Fremdbestimmung des gläsernen Menschen

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 13

4.2 WER HAT DIE KONTROLLE? WIRD UNSER VERHALTEN GESTEUERT?

Hinsichtlich des zweiten Themas stellte sich für die Kleingruppen die Frage, ob unser Verhalten gesteuert wird und wer die Kontrolle hat. Die Diskussionen der Gruppen spiegeln einige thematische Parallelen zu den anderen Themen wieder.

In Aachen wünschten sich die Teilnehmenden insbesondere eine Verschärfung der Sanktionen im Datenschutz, um eine bessere Wirksamkeit der geltenden Regeln zu erzielen. Die Teilnehmenden sahen, ähnlich wie beim ersten Thema, den Staat in der Verantwortung, eine Optimierung des Rechtsrahmens vorzu-nehmen. Auf der anderen Seite wünschten sich die Bürgerinnen und Bürger aus Aachen bessere Aufklärung, um mehr Bewusstsein für die Möglichkeit des Kon-trollverlustes jedes Einzelnen zu schaffen. Weitere Maßnahmen sahen sie in der Schaffung neutraler Institutionen sowie der Bildung von Expertengremien für eine effektive Beratung zur Regulierung und zum Umgang mit Big Data-Anwen-dungen. Dabei hatten die Teilnehmenden nicht nur die nationalen, sondern vielmehr auch die internationalen Entwicklungen im Fokus.

Sie wünschten sich eine Verhinderung von globalen, verdrängenden Marktkon-zentrationen. Hier sahen sie in der Förderung von Alternativmodellen, wie Open Source und anderen Ansätzen, die nicht überwiegend wirtschaftlich orientiert sind, eine gute Möglichkeit dieser Entwicklung entgegenzutreten. Städte- und themenübergreifend findet sich der Wunsch nach vornehmlich staatlichen Bil-dungsprogrammen. Diese sollten zielgruppenspezifisch, beispielsweise unter Be-rücksichtigung des Alters, ausgestaltet sein. Außerdem sollten Lehrkräfte und Ausbilder Unterstützung bekommen und spezielle Ausbildungsgänge geschaffen werden. Die Diskutanten möchten einen Zwang zur Nutzung von Big Data-Anwendungen vermeiden. Mit Blick auf die Wissenschaft sollte die Nutzung von nicht-personenbezogenen Daten gefördert werden, wohingegen für die Nut-zung personenbezogener Daten strenge Umgangsstandards gelten sollten.

Auch in Stralsund diskutierten die Teilnehmenden die Frage nach einem mögli-chen Kontrollverlust kritisch. Sie sahen neben dem Staat als Regulator und dem Individuum auch in der Gesellschaft einen wichtigen Akteur, um einer Fremdbe-stimmung vorzubeugen. Sie wünschten sich eine gesellschaftliche Vielfalt und eine kritische Auseinandersetzung in der Medienlandschaft und der Berichter-stattung. So solle das Risiko der Fremdsteuerung und die dadurch resultierende Beschränkung für den Einzelnen deutlicher gemacht werden. Die Bürgerinnen und Bürger wünschten sich auch einen effektiven Rechtsschutz in Form einer einfachen Anwendung und eine Unterstützung des Einzelnen durch greifbare Organisationen im Sinne einer Datenschutzeinrichtung. Auch in dieser Diskussi-onsgruppe spielte der Wunsch nach mehr Bildung eine zentrale Rolle. Sie erach-teten mehr Schulbildung bezüglich wichtiger sozialpolitischer Themen, das heißt auch zu Big Data, zu Datenschutz und Datenschutzmöglichkeiten sowie zu technischen und rechtlichen Angelegenheiten, als sinnvolle Reaktion auf Big Da-ta. Auch in Stralsund kam die Forderung nach Förderung und Schaffung von Al-

Schaffung neutraler Institutionen

Verschärfung der Sanktionen im Datenschutz

Mehr Aufklärung und mehr Bildung

Wichtige Akteure: Staat, Individuum und die Gesellschaft

Wunsch nach mehr Bildung

Dokumentation der ABIDA-Bürgerkonferenzen 14

ternativen, um Freiräume beizubehalten und wirkliche Wahlmöglichkeiten zu er-zeugen, auf. Außerdem wünschten sich die Teilnehmenden mehr Aufklärung, um bestehende Rechte besser wahrnehmen zu können. Forschung war ebenfalls ein Thema. Besonders industrieunabhängige Forschung und die aktive Einbeziehung der Bürgermeinungen standen im Mittelpunkt der Diskussion. Mit Blick auf die junge Generation wünschten sich die Bürginnen und Bürger effektive Kinder-schutzmaßnahmen und die Möglichkeit einer kindgerechten Mediennutzung im Alltag.

Kinder- und Jugendschutz war auch auf der Bürgerkonferenz in Kempten ein wichtiges Anliegen in der entsprechenden Kleingruppe. Dort ging die Debatte insofern noch einen Schritt weiter als in Stralsund, da als Forderung formuliert wurde, dass Daten von Personen unter 16 Jahren gar nicht gesammelt werden dürften. Auch in diesem Bereich ist das Thema Bildung und Aufklärung für die Teilnehmenden zentral.

Auch für die Allgemeinbevölkerung solle es Programme geben, die eigenverant-wortliches Handeln ermöglichen. Ge-wünscht wurde von der Politik die Förde-rung und Konzeptionierung von solchen (Bildungs-) Programmen, beispielsweise an Volkshochschulen. Bei der breiten öf-fentlichen Aufklärung spielt aus der Sicht der Teilnehmenden der öffentlich-recht-liche Rundfunk eine zentrale Rolle. Ge-wünscht wurde ein Recht auf Vergessen und die Schaffung ethischer Geschäfts-modelle. Sie sahen es als Aufgabe des Staates, eine internationale Regelung be-züglich des persönlichen Eigentums an Daten zu schaffen. Das Thema der Ano-nymisierung von Daten wurde diskutiert, besonders um Potenziale von Big Data in der medizinischen Forschung besser nutzen zu können. Dabei war es den Teilnehmenden wichtig, dass der Medizin-bereich als besonderen Schutzbereich zu behandeln sei. Um dem Individuum mehr Kontrollmöglichkeiten über seine persönlichen Daten zu geben, stand die Forderung nach Schaffung von Einsichtsrechten bei den jeweiligen Stellen, Dienstleistern und Anbietern auf der Wunschliste. Bei der Einschätzung von neuen Geschäftsmodellen erhofften sich die Diskutanten eine schnellere Reak-tion bezüglich der Einhaltung geltender Rechte. Neben der Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Bereich Big Data wurde Handlungsbedarf bei der Regu-lierung und Einschränkung der Datensammlung gesehen. Es sollten nur Daten erhoben werden, die im jeweiligen Kontext auch tatsächlich notwendig sind.

Das Thema Bildung und Aufklärung ist zentral.

Wunschliste zu Thema 2 in Kempten. Foto: ABIDA-Projetktteam

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4.3 WER ENTSCHEIDET? MENSCH ODER COMPUTER?

Die Diskussionen zum dritten Thema 'Wer entscheidet? Mensch oder Compu-ter?' verliefen in allen drei Städten kontrovers. Die von den Kleingruppen erar-beiteten Wunschlisten sind trotzdem sehr konkret.

Für die Teilnehmenden in Aachen stand die Frage 'Wie sieht mein Big Data-Profil aus?' im Mittelpunkt der Wunschliste. Eine direkte Abrufbarkeit der ge-

speicherten Informationen, der daraus ge-zogenen Rückschlüsse und Auswertungen und welche Informationen für welche Auswertung herangezogen wurden, soll-ten jedem ermöglicht werden. Weiterhin sollte nach Ansicht der Teilnehmenden der Prozess der Datennutzung, also die Frage, welche Informationen für welche Auswertung herangezogen wurden, von jeder und jedem Einzelnen abgefragt wer-den können. Damit solle eine höhere Transparenz und infolgedessen mehr Handlungsspielraum für das Individuum ermöglicht werden. Vom Staat wünschten sich die Bürgerinnen und Bürger die Stär-kung von Schutzrechten und Werkzeuge für eine effektive Einflussnahme.

Wie in einigen anderen Kleingruppen wurde Big Data als eine globale Heraus-forderung gesehen. In Aachen wurde daher eine globale Ethikkommission zum Einsatz von Big Data vorgeschlagen. Damit solle es möglich sein, positive Ein-satzbereiche, wie etwa den Bereich der Medizin, zu fördern und Missbrauch zu verhindern.

Für die Stralsunder Teilnehmenden standen das Erhalten bzw. das Herstellen von Wahlfreiheit und die Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen, auch von Minderheiten, ganz oben auf der Wunschliste. Sie wünschten sich eine frühzeitige, präventive und fortlaufende Erfassung und Bearbeitung von auf-kommenden technischen und ethischen Problemen im Bereich der automatisier-ten Entscheidungen. Ferner wurde eine unabhängige Kontrollinstanz gefordert, deren Aufgabe unter anderem die Gewährleistung der Sicherheit sein soll. Wie-derum war Bildung im Umgang mit Big Data ein zentrales Anliegen. Dadurch er-hofft man sich eine bessere Nachvollziehbarkeit der hinter Big Data-Anwen-dungen steckenden Prozesse.

Wie sieht mein Big Data Profil aus?

Herstellen von Wahlfreiheiten und die Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen, auch von Minderheiten

Über 'Wie sieht mein Big Data Profil aus?' diskutierten Teilnehmende in Aachen zu Thema 3. Foto; ABIDA-Projektteam

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In Kempten erarbeiteten die Teilnehmenden eine Wunschliste in Form eines konkreten Maßnahmenkatalogs:

1. Wir benötigen (globale) Standards für die Sammlung, Bewertung und Nut-zung von Daten.

2. Dazu benötigen wir einen Diskurs unter Einbeziehung aller gesellschaftli-chen Gruppen.

3. Es sollte einen Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen geben (zur besseren Anwendung und Kompetenzsteigerung für den Umgang mit Big Data).

4. Big Data-Kompetenz als Bildungsauftrag des Staates. 5. Die Transparenz der Hintergrundprozesse muss gestärkt werden (z.B. durch

Offenlegung von Faktoren, Algorithmen usw.). 6. Es sollte individuelle Eingriffsmöglichkeiten bei der Erfassung, Speicherung

und bei maschinellen Entscheidungen geben, um die Selbstbestimmung zu erhalten.

7. Diese Eingriffsmöglichkeiten sollten gegenüber der heutigen Situation er-leichtert werden.

8. Es sollte eine fachkundige und durchsetzungsstarke (globale) Organisation zur Überwachung von 1.-7. geben.

Konkreter Maßnahmen-katalog

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5 ANALYSE UND ZUSAMMEN-FÜHRUNG DER ERGEBNISSE

5.1 ANALYSE DER ERGEBNISSE

Thema 1

Das erste Thema stellte den teilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern die Frage nach der Verantwortung. Ist der Staat in der Verantwortung Voraussetzungen zu schaffen, um die Möglichkeiten von Big Data-Anwendungen zu nutzen und mögliche Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft zu vermeiden? Oder trägt jeder Einzelne selbst die Verantwortung für den Schutz, die Herausgabe und die Verwendung und Verwertung seiner eigenen Daten?

Die Teilnehmenden sind sich hier in allen drei Städten einig: Der Staat ist der Akteur, der für eine effektive Regulierung und damit für eine möglichst risiko-freie Nutzung von Big Data verantwortlich ist. Die Bürgerinnen und Bürger er-hoffen sich einen gesetzlichen Rahmen, der klar und deutlich regelt, in welchen Bereichen wie mit Big Data-Anwendungen umgegangen werden soll. Diese Re-gelungen und Gesetze müssen bei Verstößen Sanktionsmöglichkeiten bieten, um eine effektive Durchsetzung zu ermöglichen. Sie sehen den Staat in der Verant-wortung, Alternativen und Wahlmöglichkeiten zu schaffen. Vor allem durch För-derung in Bereichen in denen es kaum wirtschaftliche Interessen gibt, sehen die Bürginnen und Bürger staatliche Handlungsmöglichkeiten. Besonders in sensib-len Bereichen wie der Medizin wünschen sich die Teilnehmenden differenzierte-re Möglichkeiten der Zustimmung zur Nutzung und Weitergabe ihrer Daten. Big Data wird als globales Phänomen wahrgenommen und entsprechend wird es als sinnvoll erachtet, einen internationalen Ansatz bei der Regulierung und Durch-setzung zu suchen.

Die Teilnehmenden sehen den Staat auch in der Verantwortung einen Rahmen zu schaffen, damit jeder Einzelne mehr Eigenverantwortung im Umgang mit sei-nen eigenen Daten wahrnehmen kann. Dies könnte zum einen durch die Stär-kung von Auskunftsmöglichkeiten und der Erhöhung der Transparenz im Hin-blick darauf, was mit den Daten passiert, gelingen. Zum anderen seien mehr Möglichkeiten, sich gegen Verstöße rechtlich wehren zu können, erforderlich. Vor allem die Teilnehmenden in Aachen und Stralsund sehen den Staat in der zentralen Verantwortung. Die Teilnehmenden in Kempten waren der Ansicht, dass der Einzelne durch Regulierung mehr Eigenverantwortung übernehmen können soll.

In allen drei Städten ist das Thema Bildung ein wichtiges Anliegen der Bürgerin-nen und Bürger. Sie bildet die Basis für einen verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Daten und für eine bessere Einschätzung der Chancen und Risiken von Big Data. Es sei Aufgabe des Staates, die Bildung in diesem Bereich auf allen Ebenen zu stärken und auszubauen.

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Thema 2

Auch bei den Fragen des zweiten Themas, 'Wer hat die Kontrolle? Wird unser Verhalten gesteuert?', spielt der Staat als Akteur nach Ansicht der teilnehmen-den Bürgerinnen und Bürger in allen drei Städten eine zentrale Rolle. Die Teil-nehmenden nehmen die Gefahr einer Fremdsteuerung wahr und ziehen ähnli-che Konsequenzen wie bei der Frage nach der Verantwortung. Der Staat soll funktionierende Rahmenbestimmungen schaffen, damit es nicht zu einer Fremdbestimmung kommt und Freiheitsrechte gewahrt bleiben. Die Teilneh-menden wünschen sich städteübergreifend eine Verschärfung der Sanktionen im Datenschutz, die Förderung von Alternativen und mehr Transparenz und Aufklärung. Neben dem Staat und dem Individuum ist aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger die Gesellschaft gefordert, einen kritischen Austausch und einen besseren und offeneren Dialog über die Chancen und Risiken von Big Data zu führen. Auch bei der Frage der Fremdbestimmung wird eine internationale Her-angehensweise befürwortet. Wie in allen drei Städten und Themen wird Bildung und Aufklärung eine Schlüsselrolle zugesprochen. Davon erhofft man sich einen besseren Umgang mit dem Phänomen Big Data. Bei diesem Thema steht beson-ders in Stralsund und Kempten die junge Generation im Mittelpunkt, die Teil-nehmenden sehen hier einen starken Schutzbedarf für Kinder und Jugendliche.

Thema 3

Trotz unterschiedlicher Fragestellung lassen sich bei der Frage 'Wer entschei-det? Mensch oder Computer?' ähnliche Ergebnisse aus den Wunschlisten ent-nehmen wie bei den anderen beiden Themen. Zentral in allen drei Städten sind Auskunftsrechte, Transparenz, effektive Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen und die Schaffung von Wahlmöglichkeiten. Es überrascht kaum, dass hier eben-falls der Wunsch nach mehr Bildung geäußert wurde.

Insgesamt lassen sich innerhalb der gleichen thematischen Kleingruppen in allen drei Städten ähnliche Ergebnisse feststellen. Lediglich einige kleinere Tendenzen bezüglich der Verantwortung des Staates lassen unterschiedliche Standpunkte in den einzelnen Städten erkennen. Hier sahen die Teilnehmenden in Kempten die Verantwortung mehr bei jedem Einzelnen, der Staat solle aber geeignete Rah-menbedingungen hierfür schaffen. In Aachen und Stralsund sah man eher den Staat insgesamt in der Verantwortung. Ansonsten lassen sich städtespezifisch kaum Unterschiede festmachen.

5.2 ZUSAMMENFÜHRUNG DER ERGEBNISSE

Betrachtet man die Wunschlisten der drei Bürgerkonferenzen themen- und städteübergreifend ergibt sich ein Bild, das sich durch die einzelnen Diskussio-nen in den Kleingruppen schon angedeutet hat.

Priorisierend nach Mehrfachnennungen in allen Wunschlisten wird der Wunsch nach mehr Bildung am häufigsten genannt. Darunter verstehen die Teilnehmen-

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den die Vermittlung von Kompetenzen, um mit den neuen digitalen Medien und damit aus ihrer Sicht auch mit Big Data besser umgehen zu können.

Diesbezüglich sollen sowohl fachliche Kompetenzen zur Nutzung, und damit auch die Möglichkeit des Zugangs zu digitalen Informationen, vermittelt werden als auch ein verantwortungsvoller Umgang mit den Möglichkeiten und Risiken der digitalen Welt. Dabei haben die Teilnehmenden alle Altersstufen im Blick - von der Schule über Berufsbildung und Hochschule bis zur Erwachsenenbildung.

Neben Bildung ist der Wunsch nach mehr staatlicher Regulierung groß. Insofern schlagen die Teilnehmenden die Schaffung von Expertengremien und eine mög-lichst unabhängige Kontrollinstanz vor. Zudem sollten bestehende Regulierun-gen besser durchgesetzt werden. Dabei nahmen die Teilnehmenden die interna-tionale Dimension der Herausforderungen wahr und wünschten sich auch eine entsprechende internationale Regulierung.

Erst an dritter und vierter Stelle wurden mehr Transparenz über die Verwen-dung der Daten und ein besserer Datenschutz genannt.

Insgesamt waren vielen der Teilnehmenden ihre heute schon geltenden Rechte, insbesondere im Bereich des Datenschutzes, gar nicht oder kaum bekannt, ein gutes Beispiel hierfür ist das Recht auf Selbstauskunft. Auch der Begriff Big Data war für viele Teilnehmenden schwer greifbar. Zwar werden in der Berichterstat-tung einzelne Phänomene von Big Data kritisch thematisiert, wie etwa die Erfas-sung von Daten durch Fitnessarmbänder, das Thema Datenschutz oder die Ein-flussnahme auf Meinungen durch die Sozialen Medien. Diese Beispiele werden aber selten mit dem Begriff Big Data in Zusammenhang gebracht. Die Teilneh-menden haben die Veranstaltungen sehr begrüßt, was auch durch ihre rege Dis-kussionsteilnahme deutlich wurde.

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6 EXKURS: TEILNEHMENDE IN ZAHLEN

Teilnahmequote

Wie bereits in Abschnitt 2.2 dargelegt, wurden die Teilnehmenden für die drei Bürgerkonferenzen auf Basis einer Stichprobe von Adressen der jeweiligen Ein-wohnermeldeämter eingeladen. In Aachen wurden 1500 Bürgerinnen und Bür-ger eingeladen, 32 meldeten sich zur Bürgerkonferenz an, die Konferenz wurde mit 23 Teilnehmenden durchgeführt. Das entspricht einer Teilnahmequote von 2,1%. In Stralsund und Kempten wurden jeweils 3000 Bürgerinnen und Bürger eingeladen. In Stralsund nahmen 15 Bürgerinnen und Bürger teil, was einer Teil-nahmequote von 0,5% entspricht. In Kempten wurde die Bürgerkonferenz mit 25 Teilnehmenden durchgeführt, was einer Rücklaufquote von 0,8 % entspricht. Die geringen Teilnehmendenzahlen dürften sich darauf zurückführen lassen, dass das Thema Big Data für die Bürgerinnen und Bürger nur schwer greifbar, es ihnen auf den ersten Blick kaum möglich war persönliche Bezüge herzustellen. Das Thema hat außerdem einen überregionalen, internationalen Bezug. Auch dies kann ein Grund für die geringe Teilnehmendenzahl sein. Oft sind Bürgerbe-teiligungsformate thematisch regional verhaftet und können dadurch auf mehr Interesse innerhalb der Bevölkerung zurückgreifen. Die Teilnahmequote von insgesamt 0,8% hatte für die Diskussionen aber auch Vorteile. Durch die kleinen Gruppen gab es mehr Zeit für Diskussion und die Teilnehmenden hatten insge-samt mehr Möglichkeiten zu Wort zu kommen, das wurde von den Teilnehmen-den bestätigt und begrüßt.

Tab. 1: Teilnahmequoten der Bürgerkonferenzen

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Altersstruktur

Ein Blick auf die Altersstruktur der Teilnehmenden zeigt, dass das Thema Big Data durchaus in allen Altersstufen relevant zu sein scheint. Während in Aachen die meisten Teilnehmenden zwischen 50-59 Jahren alt waren, zeigt Kempten, dass auch die 30-39-Jährigen Interessen am Thema Big Data und der aktiven Diskussi-on auf der Bürgerkonferenz hatten. Insgesamt war die Altersstruktur auf allen drei Konferenzen recht gleichmäßig verteilt, mit einer Tendenz zu einer stärkeren Teil-nahme der 50-59-Jährigen.

Abb. 4: Altersstruktur je Konferenz

 

ANHANG  ‐   IMPULSPAPIER  

 

BIG  DATA ‐  LÖSUNG  ODER  PROBLEM?IMPU L S P A P I E R   Z U R   B Ü R G E R KON F E R E N Z

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1 BIG DATA – WAS IST DAS ÜBERHAUPT?

Der Begriff „Big Data“ bezeichnet Datenmengen, die so groß sind, dass man sie mit herkömmlichen Methoden der Datenverarbeitung nicht mehr bewältigen kann. Wie entstehen solche Datenmengen? Ganz einfach: Wir alle erzeugen sie mit jedem Klick, jedem Online-Einkauf, jeder Eingabe ins Navigationsgerät, je-dem Geldgeschäft, jedem Telefonat, jedem Fitnessstudiobesuch, jedem neuen Freund im sozialen Netzwerk. Das bedeutet, dass wir heute in unserem alltägli-chen Leben fast überall Daten erzeugen. Ob wir das wollen oder nicht. Dadurch entstehen Datenberge, die stetig weiterwachsen und das mit immer größerer Geschwindigkeit.

Die gleiche Menge an Daten, die die Menschheit von ihrem Ursprung an bis zum Jahr 2002 geschaffen hat, entstand im Jahr 2014 bereits in der Zeit, in der wir einen Kaffee trinken – innerhalb von zehn Minuten.

„Big Data“ beschreibt aber nicht nur die ungeheure Menge der Daten, sondern auch deren Analyse und Nutzung. Computer sind heute in der Lage, Muster und Zusammenhänge zu finden über die es zuvor teilweise nicht einmal Vermutun-gen gab. Dafür benötigt der Computer Programme, die die einzelnen Datensätze miteinander verknüpfen und daraus Zusammenhänge erstellen, so etwas nennt man Algorithmus.

Ein Beispiel dafür kennt fast jeder vom Online-Shopping: Empfehlungen wie „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch...“ basieren auf der Echtzeit-Auswertung von Millionen von Kaufdaten anderer Kunden. Mithilfe dieser Daten wird errechnet, welche Produkte den Käufer wahrscheinlich noch interessieren könnten.

Es gibt sehr viele Bereiche, in denen Big Data genutzt werden kann. In der me-dizinischen Forschung soll Big Data helfen, die besten Therapien für Krankhei-ten wie Krebs zu finden. In der Industrie können Maschinen ihre eigenen Be-triebsdaten nutzen, um daraus zu lernen und effizienter zu werden. Unterneh-men können Big Data nutzen, um ihre Kunden besser kennenzulernen und Pro-dukte, Dienstleistungen und Werbung auf sie zuzuschneiden.

Aber Big Data wirft auch Fragen auf: Wem gehören die Daten? Wie gefährlich ist es, wenn nur wenige große Unternehmen sie kontrollieren? Wollen wir von einem Online-Shop auf Grundlage des Kaufverhaltens erfahren, wie es uns geht und was uns zukünftig interessiert? Können und wollen wir menschliches Ver-halten durch Datenanalysen vorhersagen? Wie frei werden unsere Entscheidun-gen dann noch sein? Wie frei können wir über unser eigenes Leben noch ent-scheiden, wenn ein Computer unser Verhalten voraussagt?

Big Data bietet also enorme Chancen, aber es gibt auch Risiken. Und genau dar-über möchten wir mit Ihnen bei der Bürgerkonferenz diskutieren. Im Folgenden werfen wir deshalb einen genaueren Blick auf drei Themen, anhand derer so-

„Big Data das sind riesige Datenmengen, die in der digitalen Welt überall in unserem Alltag erzeugt werden.“

Big Data beim Online Shopping: Empfehl-ungen wie „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…“

Big Data bietet enorme Chancen, aber es gibt auch Risiken

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wohl die Chancen als auch die Risiken von Big Data deutlich werden: 1. Trägt jeder einzelne die alleinige Verantwortung mit diesen Veränderungen umzuge-hen, oder ist es Aufgabe des Staates, uns dabei zu helfen? 2. Haben wir noch die Freiheit, selbst zu entscheiden oder werden wir kontrolliert und gesteuert? 3. Und wenn wir im Alltag immer von Computern umgeben sind, treffen dann nicht die Computer für uns die Entscheidungen?

2 DIE VERANTWORTUNG DES EINZELNEN ODER DIE AUFGABE DES STAATES?

Bei vielen auf Big Data basierenden Geschäftsmodellen steht der Einzelne im Mittelpunkt. Im Onlineshop beispielsweise werden dem Verbraucher maßge-schneiderte Produkte angeboten, beim Fitnessarmband können wir unsere eige-nen Leistungen messen und mit anderen Nutzern vergleichen. Dabei werden detaillierte persönliche Daten erhoben und verarbeitet. Damit wir solche Diens-te nutzen können stimmen wir, meist mit einem Mausklick, den Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen (AGB) der Anbieter zu. Damit räumen wir den Anbietern oft weitreichende Rechte ein, was die Nutzung und Weitergabe unserer Daten an-geht. Wir haben es also anscheinend selbst in der Hand, wem wir unsere Daten zur Verfügung stellen. Aber wissen wir überhaupt, auf was wir uns da einlassen? Lesen und, viel wichtiger, verstehen wir die AGB, denen wir da zustimmen?

Die zahlreichen Dienste, die unseren Alltag so viel leichter machen, sind für uns nur nützlich, wenn wir unsere Daten hergeben. Wir bezahlen also mit unseren Daten.

Wissen wir immer genau, welche Daten von uns erfasst werden? Wo sie gespei-chert werden? Wofür sie verwendet werden?

Natürlich gibt es hierfür gesetzliche Regelungen, allen voran das Datenschutz-recht. Das schreibt vor, dass personenbezogene Daten nur für einen bestimm-ten Zweck, der klar genannt werden muss, genutzt werden dürfen und verbietet eine Weitergabe an andere. Dieses Prinzip der sogenannten „informierten Ein-willigung“ soll den Einzelnen und seine persönlichen Daten schützen. Damit hat der Staat Rahmenbedingungen geschaffen und dem Einzelnen die Freiheit ein-geräumt, selbst zu entscheiden, ob er für einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Anwendung seine persönlichen Daten hergibt oder nicht. Oft wissen wir jedoch nicht ganz genau, was nach der Einwilligung mit unseren erfassten und gespeicherten Daten passiert. Nachverfolgen können wir das in der Regel nur schwer. Werden unsere Daten entgegen dem ursprünglichen Zweck viel-leicht doch für andere Analysen genutzt und mit anderen Datensätzen ver-knüpft? Kann es dann überhaupt in unserer eigenen Verantwortung liegen, wel-che Daten wir preisgeben, wenn völlig undurchsichtig ist, was mit ihnen pas-

Big Data als Geschäfts-modell: im Mittelpunkt steht der Verbraucher

Wichtiges Datenschutz-instrument ist die „informierte Einwilligung“

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siert? Müsste der Staat hier eingreifen und unsere eigene Freiheit besser schüt-zen, klarere Regeln schaffen, damit der Einzelne im Sog und Wirrwarr der Da-tenmenge nicht untergeht, nicht unfair behandelt wird?

Und wie ist das, wenn wir darüber nachdenken, dass viele der Produkte, die wir kaufen oder die Anwendungen, die wir per Internet und Smartphone nutzen, von Firmen außerhalb Europas hergestellt oder betrieben werden? Wenn wir darüber nachdenken, dass die deutschen bzw. europäischen Gesetze außerhalb Deutschlands und der EU eben gerade nicht gelten. Was bedeutet das für die Verantwortung des Staates bzw. die Freiheit des Einzelnen? Wieviel Verantwor-tung kann und soll der Einzelne tragen und an welcher Stelle sollte der Staat einschreiten?

3 WER HAT DIE KONTROLLE? WIRD UNSER VERHALTEN GESTEUERT?

Wir hinterlassen eine Datenspur in der digitalen Welt, indem wir im Internet sur-fen, ein Navigationsgerät oder ein Smartphone benutzen, online einkaufen, un-sere Bankgeschäfte tätigen oder Nachrichten verschicken.

Neben diesen von uns selbst erzeugten Daten gibt es auch immer mehr Senso-ren, die Daten über unser Leben erfassen, z.B. intelligente Stromzähler, „smarte“ Fernseher, die mit dem Internet verbunden sind, das Auto, das selbständig den Notruf wählt, wenn ein Unfall passiert und seinen Standort weitergibt. Neben den Menschen erzeugen auch immer mehr Dinge Daten.

Werden diese Daten mit personenbezogenen Daten verbunden, lassen sich aus-sagekräftige Profile über Personen erstellen, zum Beispiel über unser Fahrver-halten im Auto, unserer Präferenzen beim Fernsehen, wann wir zu Hause sind, ob wir es lieber warm oder kalt mögen oder wann wir unsere Wäsche waschen.

Solche Profile erleichtern es den Firmen, uns maßgeschneiderte Angebote zu-kommen zu lassen: Eine Autoversicherung, die besonders günstig ist, weil mein überwachtes Fahrverhalten rücksichtvoll und ausgeglichen ist oder ein optimier-ter Stromtarif, weil ich Strom immer dann intensiv nutze, wenn es wenig Nach-frage gibt und er deshalb besonders günstig ist, ein besserer Krankenversiche-rungstarif, weil ich beobachten lasse, dass ich regelmäßig Sport mache und mei-ne Vitalwerte besonders gut sind.

Aber letztlich ist die Frage: Verändern wir unser Verhalten durch solche Anrei-ze? Fahren wir tatsächlich besser Auto, ernähren wir uns gesünder und treiben mehr Sport? Was sind wir bereit, an Überwachung zu akzeptieren, um Vergüns-tigungen zu erlangen? Entscheiden wir dann noch frei? Oder wird unser Verhal-ten dann eher von anderen, z.B. den Firmen, die uns Rabatte bieten, kontrolliert und gesteuert? Und was passiert mit denjenigen, die nicht den geforderten An-forderungen entsprechen? Die bestimmte Anforderungen vielleicht gar nicht er-

Wer ist verantwortlich, der Staat oder jeder Einzelne?

Neben den Menschen erzeugen auch immer mehr Dinge Daten

Big Data bietet maßgeschneiderte Angebote

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füllen können, wie zum Beispiel regelmäßig Sport treiben? Wie geht eine solche Gesellschaft mit Schwächeren und Benachteiligten um?

Oder weiter gedacht: Lässt sich über solche Systeme sogar die ganze Gesell-schaft lenken? Können wir vielleicht Veränderungen in der Gesellschaft wie z.B. politische Strömungen vorhersagen und diese frühzeitig beeinflussen? Wenn ja, wer trifft in solchen Fällen die Entscheidungen? Wieviel Wahlfreiheit bleibt je-dem Einzelnen dann noch?

4 WER ENTSCHEIDET? MENSCH ODER COMPUTER?

Die große Menge an Daten, die Grundlage für jede Big Data-Anwendung ist, kann alleine mit den menschlichen Fähigkeiten nicht mehr analysiert werden. Die immer rasanter ansteigende Menge an Daten und die Verknüpfung von Da-ten aus unterschiedlichen Quellen können heute nur noch mit Hilfe von Algo-rithmen verarbeitet werden. Nur mit deren Hilfe kann automatisiert nach Mus-tern und Zusammenhängen gesucht werden, die man mit bloßem Auge in den riesigen Datenmengen nicht erkennen würde.

Ein solcher Algorithmus durchsucht eine große Datenmenge nach Mustern. Aber: Sind die Daten bei der Eingabe wirklich korrekt und fehlerfrei erfasst wor-den? Wird jeder mit seinen Daten gleichbehandelt? Hinzu kommt, dass ein sol-cher Algorithmus von Menschen programmiert wurde. Warum sollte ein von Menschen erstelltes Programm bessere Entscheidungen treffen als der Mensch selbst? Wissen wir überhaupt, wie ein solcher Algorithmus funktioniert? Daraus ergeben sich weitere Fragen: Wer ist für die getroffene Entscheidung verant-wortlich? Wie können Fehlentscheidungen nachgewiesen und angefochten werden? Sollte nicht in letzter Instanz ein Mensch entscheiden und kein Compu-ter?

Oft wissen wir gar nicht, wann, wo und wofür ein Algorithmus verwendet wird. Im Onlineshop wird, auf Grundlage von meinem eigenen Einkaufsverhalten und dem von anderen analysiert, welche Produkte für mich interessant sein könnten. Das kann sehr hilfreich sein um mich auf ein gutes Angebot hinzuweisen, wel-ches ich ohne einen solchen Vorschlag womöglich übersehen hätte. Aber ist es auch das Beste, für mich passendste Angebot oder werden mir teurere Angebo-te angezeigt, weil man auch meine Bereitschaft erkannt hat, mehr Geld auszu-geben als andere? Ist es dann noch ein faires Angebot?

Ein Algorithmus durchsucht die Datenmenge nach Mustern

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Auch in sozialen Netzwerken findet häufig eine Wertung und Auswahl durch Al-gorithmen statt: Die Statusmeldungen meiner Freunde sind nicht zwangsläufig chronologisch, sondern nach meinen, vom Algorithmus erkannten, Vorlieben sortiert. Das Gleiche gilt für meine Ergebnisse bei Suchmaschinen. Wie objektiv ist also das, was ich im Internet oder in sozialen Netzwerken zu lesen bekomme? Kann ich noch selbst entscheiden, was für mich wichtig ist und was nicht? Weiß ich warum und nach welchen Kriterien der vorgeschlagene Beitrag ausgewählt wurde?

Gleiches gilt für einen viel heikleren Bereich: Unsere Kreditwürdigkeit. Dürfen wir auf die Rechnung warten oder müssen wir per Vorkasse bezahlen? Bekommen wir bei unserer Hausbank einen Kredit und zu welchen Konditionen? Die Beantwor-tung solcher Fragen hängt immer öfter auch mit unserem Verhalten in der digita-len Welt zusammen: Was kaufen wir online, wie bezahlen wir und wie schnell? Wohnen wir in der „richtigen“ Umgebung, haben wir das „richtige“ Alter und die „richtigen“ Freunde? Kann ich mich überhaupt dagegen wehren, wenn zu meinen Ungunsten entschieden wird und wenn ja, wie? Oder kennen uns die Programme vielleicht sogar besser als wir uns selbst und treffen daher die besseren und viel-leicht vorurteilsfreieren Entscheidungen? Was soll und kann der Mensch ent-scheiden und was delegieren wir an Maschinen?

Darüber, über Ihre Meinungen und Ihre Erfahrungen zu diesen Themen wollen wir mit Ihnen diskutieren.

Unser Verhalten in der digitalen Welt hat Konsequenzen für unser reales Leben