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Im Oktober 2011 eröffnete das von dem amerikanischen Architekten Daniel Libeskind umgebaute und erweiterte Militärhistorische Museum der Bundeswehr seine neue Dauerausstellung. Mit über 10.000 Exponaten wird darin Gewalt als ein historisches, kulturelles und anthropo- logisches Phänomen thematisiert. Dabei werden die Besucherinnen und Besucher mit dem eigenen innewoh- nenden Aggressionspotenzial konfrontiert. Das Museum möchte Denkräume öffnen, es versteht sich als Forum für die Auseinandersetzung mit Militärgeschichte, für den Diskurs über die Rolle von Krieg und Militär in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. © Bundeswehr / Bienert Veranstaltungen Juli-August 2012 14. Juli 2012, 18 – 1 Uhr Museums-Sommernacht Eröffnung der Sonderausstellung „Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst“ 30. Juli 2012, 19 Uhr Forum Museum: „Weil ich Angst hatte, dass er erschossen wird…“ - Frauen und Deserteure im Zweiten Weltkrieg 20. August 2012, 19 Uhr Forum Museum: Desertion unterm Hakenkreuz – Bericht eines Wehrmachtdeserteurs über seine Verfolgung und seinen Kampf um Rehabilitierung 6. September 2012 Eröffnung der Sonderausstellung „Martin Hertrampf: ОТКУДА ? КУДА ? – Woher ? Wohin ? Bilder vom Abzug der russischen Streitkräfte aus Sachsen“ 10. September 2012, 19 Uhr Forum Museum: „Verdammte Deutsche!“ - Ein Spionageroman zur deutsch- englischen Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs Lesung und Diskussion mit Gerhard Seyfried ADRESSE Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden KONTAKT Tel: 0351 823-2803 Fax: 0351 823-2805 E-Mail: [email protected] www.mhmbundeswehr.de ÖFFNUNGSZEITEN täglich 10.00 - 18.00 Uhr Montag 10.00 - 21.00 Uhr Mittwoch geschlossen ANFAHRT Straßenbahn Linie 7 und 8, Bus Linie 64 bis Haltestelle Stauffenbergallee Bilderstreit 14. JULI - 21. AUGUST 2012

Bilderstreit - Konfliktstoffkonfliktstoff.org/Bilder/MHM_Bilderstreit_2012_06_29.pdf · 2020. 12. 17. · Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst In Kunstmuseen

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Page 1: Bilderstreit - Konfliktstoffkonfliktstoff.org/Bilder/MHM_Bilderstreit_2012_06_29.pdf · 2020. 12. 17. · Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst In Kunstmuseen

Im Oktober 2011 eröffnete das von dem amerikanischen Architekten Daniel Libeskind umgebaute und erweiterte Militärhistorische Museum der Bundeswehr seine neue Dauerausstellung. Mit über 10.000 Exponaten wird darin Gewalt als ein historisches, kulturelles und anthropo- logisches Phänomen thematisiert. Dabei werden die Besucherinnen und Besucher mit dem eigenen innewoh-nenden Aggressionspotenzial konfrontiert. Das Museum möchte Denkräume öffnen, es versteht sich als Forum für die Auseinandersetzung mit Militärgeschichte, für den Diskurs über die Rolle von Krieg und Militär in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Veranstaltungen Juli-August 2012

14. Juli 2012, 18 – 1 UhrMuseums-Sommernacht Eröffnung der Sonderausstellung „Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst“

30. Juli 2012, 19 Uhr Forum Museum:„Weil ich Angst hatte, dass er erschossen wird…“ - Frauen und Deserteure im Zweiten Weltkrieg

20. August 2012, 19 Uhr Forum Museum:Desertion unterm Hakenkreuz – Bericht eines Wehrmachtdeserteurs über seine Verfolgung und seinen Kampf um Rehabilitierung

6. September 2012Eröffnung der Sonderausstellung„Martin Hertrampf: ОТКУДА ? КУДА ? – Woher ? Wohin ?Bilder vom Abzug der russischen Streitkräfte aus Sachsen“

10. September 2012, 19 Uhr Forum Museum:„Verdammte Deutsche!“ - Ein Spionageroman zur deutsch-englischen Vorgeschichte des Ersten WeltkriegsLesung und Diskussion mit Gerhard Seyfried

ADRESSE

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden

KONTAKT Tel: 0351 823-2803 Fax: 0351 823-2805 E-Mail: [email protected] www.mhmbundeswehr.de

ÖFFNUNGSZEITEN

täglich 10.00 - 18.00 Uhr Montag 10.00 - 21.00 Uhr Mittwoch geschlossen

ANFAHRT

Straßenbahn Linie 7 und 8, Bus Linie 64 bis Haltestelle Stauffenbergallee

Bilderstreit14. JULI - 21. AUGUST 2012

Page 2: Bilderstreit - Konfliktstoffkonfliktstoff.org/Bilder/MHM_Bilderstreit_2012_06_29.pdf · 2020. 12. 17. · Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst In Kunstmuseen

In einem Werkkatalog von 2009 erscheint der LEOrigamiPard III noch unter den „nicht realisierten Projekten“. Mit dem „Call for Future“ der Bundeskulturstiftung trat das Projekt 2010 in eine neue Phase. Als einer von neun geförderten Künstlern nahm Bölter an der Initiative „Über Lebenskunst“ im Berliner Haus der Kulturen teil. Ende 2010 schrieb er an die 1. Panzerdivision in Hannover – der Marsch durch Dienststellen und Instanzen begann. Die „Kollaboration Kunst & Militär“ (Bölter) gewann eine Eigendynamik, mit der weder Künstler noch Bundeswehr wirklich gerechnet hatten. Am 9. Juli beginnt nun der Aufbau unter Anleitung der Origami-Expertin Kristina Wißling und mit Unterstützung von Soldaten der Offizierschule des Heeres und des Stabsmusikkorps – draußen vor dem Libeskind-Keil.

Wie werden die Besucher reagieren? Wird der LEOrigamiPard III die geplanten fünf Wochen Ausstellungsdauer im Freien über- stehen? Der aufgebaute Faltpanzer ist nur ein Teil des Projekts. Die Bilder, die bleiben, die Zusammenarbeit, die Reibungen zwischen Künstler, freiwilligen Helfern und Institutionen, die Gespräche und die Denkanstöße, die sich dabei ergeben – sie sind es, die Bölters partizipatorische Kunstpraxis ausmachen.

Freigelände vorm Libeskind-Keil (Origami-Panzer)

und Foyer (Film, Modelle + Dokumentation)

Frank Bölter (geb. 1969 in Lippstadt, lebt in Köln)

LEOrigamiPard III, 2009-2012

Konstruktion und Entwurf: Kristina Wißling

Fotos: Denis Bury

Film: Julia Staszak & Olaf Mach

Faltung und Aufbau mit Hilfe von Soldaten der Bundeswehr

Beschichtetes Papier

1. Obergeschoss am Eingang zur Chronologie 1945 bis heute

Michael Sailstorfer (geb. 1979 in Velden/Vils, lebt in Berlin)

T 72 (sand), 2008

Panzerattrappe, Gebläse, Regler

Leihgabe: Sammlung Haus N, Kiel

2. Obergeschoss des Libeskind-Keils

Jan Bejšovec (geb. 1975 in Freiberg, lebt in Berlin)

Konfliktstoff-Panzer, 2012

15 verschiedene Tarnmuster

Erdgeschoss des Libeskind-Keils

Anselm Kiefer (geb. 1945 in Donaueschingen, lebt in Frankreich)

Bilderstreit, 1977-1988

Mischtechnik auf Leinwand

Leihgabe: Sammlung Würth

Bilderstreit – Panzer und Positionen zeitgenössischer Kunst

In Kunstmuseen und -galerien findet man sie immer häufiger: Künstlerische Installationen, Projekte und Gemälde, die sich mit der De-/Konstruktion von Waffen(systemen) auseinandersetzen. Doch was geschieht, wenn solche Werke im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr gezeigt werden? Wie wirken sie im Spannungsfeld zwischen realen Waffensystemen und der Architektur des Libeskind-Keils?

Ein Projekt des Künstlers Frank Bölter ist Anlass, am Beispiel von Panzern dieser Frage nachzugehen.

Der 60. Gründungstag der NATO brachte Bölter 2009 auf die Idee, zusammen mit Bundeswehrsoldaten einen LEOrigamiPard III zu falten, einen Papier-Panzer in der Größe des „Vorgänger-Modells“ Leopard II. Der Künstler hatte bereits Erfahrung mit großdimensionierten Faltprojekten, bei denen er Institutionen und Personen in den Werkprozess einbindet, die dem aktuellen Kunstgeschehen eher fern stehen. So baute er etwa 2006 mit Hilfe von Zisterziensermönchen ein seetüchtiges Riesenpapier-schiff und begab sich damit „Auf große Fahrt“.

Der Künstler bedient sich der aufblasbaren Attrappe eines russischen Panzertyps, die er für 7.000 Dollar von einem chine-sischen Hersteller bezogen hat. Normalerweise ahmen solche Panzerattrappen Motorengeräusche nach und erzeugen Wärme, um die gegnerische Radar- und Infrarot-Ortung zu täuschen. Sie simulieren eine größere Kampfstärke oder lenken von realen Waffensystemen ab. Auch der Technologiestützpunkt Tarnen/Täuschen der Bundeswehr in Storkow forscht und arbeitet mit Panzerattrappen.

Doch Sailstorfer verwendet ein etwas abgewandeltes Modell ohne Innengerüst und technische Ausrüstung. An die leere Hülle schließt er ein Gebläse an. Die Attrappe entwickelt ein Eigen-leben, bläht sich zu voller Größe auf und sackt mit abknickendem Rohr wieder in sich zusammen. Der Lärm des Kompressors füllt den Raum, in dem sich die Attrappe immer wieder ausdehnt, um sich dann beim Zusammenfallen selbst zu enttarnen.

Wie Ameisen ziehen seine 15 kleinen Konfliktstoff-Panzer ihre Bahnen über eine Innenwand des Libeskind-Keils. Die auf den ersten Blick wie Spielzeug wirkenden Panzer sind Teil seines „Konfliktstoff“-Projekts, für das er originale Militär- und vor allem Tarnstoffe zu Textilbildern und -objekten verarbeitet. Die Konfliktstoff-Panzer spielen mit widersprüch-lichen Gefühlen von Vertrautheit und Abwehr, von Nostalgie und Provokation.

Die Ausstellung „Bilderstreit“ ist ein Experiment. Jede dieser drei zeitgenössischen Positionen steht für sich, doch jede hinterfragt auf ihre Art die Bedeutung und die Faszination von Waffen und berührt damit einen Kern- bereich militärhistorischer Museen.

Anselm Kiefers titelgebendes Gemälde Bilderstreit öffnet einen weiten Zeithorizont.

Es gehört zu einer um 1976/88 geschaffenen Werkgruppe, die auf die Auseinandersetzung um die Verehrung von Ikonen im Byzantinischen Reich des 8./9. Jahrhunderts verweist. Die Namen der frühmittelalterlichen Protagonisten überziehen die Bildoberfläche. Am Rand einer zerbrochenen Malerpalette fahren Panzer auf und schlagen den Bogen zu den Gewalt-exzessen des 20. Jahrhunderts. Das Bild, die Kunst selbst wird zum Schlachtfeld.

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Mit Michael Sailstorfers Arbeit T 72 (sand) stellt das Militärhistorische Museum eine weitere Arbeit in Größe eines echten Panzers aus.

Während die Werke Bölters und Sailstorfers mit dem Maßstab 1:1 arbeiten, setzt der Textilkünstler Jan Bejšovec auf Irritation durch Niedlichkeit.

Foto: Alexis Zavialoff

© VG Bild-Kunst, Bonn

Courtesy Johann König, Berlin

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© Fotos: Denis Bury