33
1 Manfred Faßler Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof. Dr. T. Meyer, Uni Köln, Köln, 22.03.2012) Bildungsamateure & Wissensvektoren 1. Technologie und Mensch: eine fröhliche Konvergenz 1.1. Selbstgemachte Mündigkeit Mit dem Vortragstitel werbe ich für Bildungsamateure, für die Imagination möglicher, offener Zusammenhänge. Ich spreche mich gegen jegliche Variante aus, ZusammenhangsBedarf und Bedürfnisse auf ein vorgeklärtes Entwicklungsziel festzulegen, sowie für Wissen, das als Neugier, pfadabhängiges Denken, Unterscheiden und empirisch, theoretisch gehaltvolle Neuerfindung verstanden, gepflegt und gefördert wird. Ich wende mich also gegen jede Version des (institutionell, normativ, regulativ) betreuenden / betreuten Denkens. Nichts gegen Verständigungs, Erklärungs, Beweiskonventionen. Sie sind ´zwischen´ den Menschen ebenso erforderlich und unvermeidlich, wie die hoffende Erwartung, dass es jene Realität ´in der Tat´ und ´vor der Tat´/ ´nach der Tat´ des Denkens, Berührens, Eingreifens, Synthetisierens gibt, die der Mensch in seiner Nische und jenseits dieser vermutet. Der vorgeschlagene Realismus nimmt die mehrfachsinnlichen Erfahrungen der KörperUmweltDifferenzen, die damit einhergehenden neurophysiologischen Musteransammlungen, die abstrahierenden Modellentwürfe und ihre Reflexionsrelevanz, sowie die Gesten des eingreifenden, verändernden, angestrebten Handelns auf, das auf die beeindruckende Fähigkeit des Menschen verweist, ein Bio Imaginäres (SelbstEntwurf) zu erstellen, aus dem Religio, Natur, Sozio, TechnoImaginäres entstehen

Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

1

Manfred  Faßler  

Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz

Bildung Medien Subjekt (Prof. Dr. T. Meyer, Uni Köln, Köln, 22.03.2012)

 

Bildungsamateure    &  Wissensvektoren    

1. Technologie  und  Mensch:  eine  fröhliche  Konvergenz  1.1. Selbstgemachte  Mündigkeit  

 Mit   dem   Vortragstitel   werbe   ich   für   Bildungsamateure,   für   die   Imagination  möglicher,  offener  Zusammenhänge.    Ich  spreche  mich    

-­‐ gegen  jegliche  Variante  aus,  Zusammenhangs-­‐Bedarf  und  Bedürfnisse  auf  ein  vorgeklärtes  Entwicklungsziel  festzulegen,  sowie    

-­‐ für  Wissen,  das  als  Neugier,  pfadabhängiges  Denken,  Unterscheiden  und  empirisch,   theoretisch   gehaltvolle   Neuerfindung   verstanden,   gepflegt  und  gefördert  wird.  

Ich  wende  mich  also  gegen  jede  Version  des  (institutionell,  normativ,  regulativ)  betreuenden  /  betreuten  Denkens.  Nichts  gegen  Verständigungs-­‐,  Erklärungs-­‐,  Beweiskonventionen.   Sie   sind   ´zwischen´   den   Menschen   ebenso   erforderlich  und  unvermeidlich,  wie   die   hoffende   Erwartung,   dass   es   jene  Realität   ´in   der  Tat´   und   ´vor   der   Tat´/   ´nach   der   Tat´   des   Denkens,   Berührens,   Eingreifens,  Synthetisierens   gibt,   die   der   Mensch   in   seiner   Nische   und   jenseits   dieser  vermutet.       Der  vorgeschlagene  Realismus  nimmt    

-­‐ die  mehrfach-­‐sinnlichen  Erfahrungen  der  Körper-­‐Umwelt-­‐Differenzen,  -­‐ die  damit  einhergehenden  neurophysiologischen  Musteransammlungen,  -­‐ die  abstrahierenden  Modellentwürfe  und  ihre  Reflexionsrelevanz,    -­‐ sowie  die  Gesten  des  eingreifenden,  verändernden,  angestrebten  

Handelns  auf,    -­‐ das  auf  die  beeindruckende  Fähigkeit  des  Menschen  verweist,  ein  Bio-­‐

Imaginäres  (Selbst-­‐Entwurf)  zu  erstellen,    -­‐ aus  dem  Religio-­‐,  Natur-­‐,  Sozio-­‐,  Techno-­‐Imaginäres  entstehen    

Page 2: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

2

-­‐ und  diese  Imaginationen  (in  psychoanalytischer  Tradition  wird  dies  gerne  auch  ´Phantasma´  genannt)  wiederum  zu  eigenlogischen  vorläufigen  Zusammenhängen  zu  führen.  

Hier   ist   nicht   Platz,   diese   Realismus-­‐Annahme   weiter   zu   vertiefen.   Sie  anzusprechen   mag   aber   verdeutlichen,   dass   es   mir   um   die   Wissens-­‐   und  Bildungs-­‐Zuneigung   geht,   um   überraschende   Variationen   und   ungeplante  Erkenntnisse,    um  Widerspruchstoleranz  und  Kooperationsfähigkeit  im  Zeitalter  weltweiter  Datenströme.       Es   ist   eine   Sympathieerklärung   gegenüber   dem   digitalen   Zeitalter  selbsterzeugter  und  selbstorganisierter  Mündigkeit.       Ich   halte   nichts   von   der   Fortsetzung   des   Schuld-­‐Gestus   der  ´selbstverschuldeten   Unmündigkeit´.   Nicht   nur,   dass   damit   unterstellt   ist,  jemand   oder   eine   hochkulturelle   Gedanken-­‐Schule  wisse,   worin   ´Mündigkeit´  („letztendlich“)   im  Gegensatz  zum  Jetztzustand  bestehe.  Das  ärgert.  Wogegen  ich   mich   allerdings   vehement   wehre   ist   die   Haltung,   in   dem   entstandenen  Reichtum   an   Klugheit,   visueller,   semantischer,   abstrakter,   gestalterischer  Intelligenz,   an   analytischen   und   synthetischen   Fähigkeiten   oder   auch   an  Unterhaltung   oder   Spaß   nur   die   Anhäufung   von   ´Unzureichendem´   zu   sehen.    Es  reicht  nicht,  wird  mit  jedem  Satz  gesagt,  der  sich  zur  Kritik  der  Unmündigkeit  aufbläht.     Dass  Menschen  mit  den  bio-­‐technischen,   sozio-­‐  und  medio-­‐technischen  Komplexitäten   gerade   deshalb   Schwierigkeiten   haben,   weil   sie   durch   diese  ständig  zu  neuen  Gedanken  und  neuem  Verhalten  gezwungen  werden  und  weil  sie,  die  Menschen,  weiter  erfinden,  entwerfen,   verwerfen,  gestalten,   ist  nicht  neu.  Auch  ist  nicht  neu,  dass  seit   I.  Kant  nicht  nur  die  Handwerker-­‐Zünfte,  die  Meister-­‐Wirtschaft,   die   Landbevölkerung,   die   edle   Stadt-­‐   und  Feudalbevölkerung  verschwunden  sind.    Technologien  wurden  erforscht  und  zu  Großindustriellen   Maschinen   oder   Laborausstattungen,   gesellschaftliche  Entwicklungen  wurden  zu  wissenschaftlich-­‐industriellen  Projekten.  Es  hilft  nicht  weiter,  diese  koevolutionären  Dynamiken    der  letzten  200  Jahre  unter  ´mündig  /  unmündig´  zu  diskutieren.  Ließe  man  sich  darauf  ein,  würde  jede  Variante  von  kultureller   oder   sozio-­‐technischer   Evolution   geleugnet.   Und   unter   dieser  Vorgabe   kann   keine   geistige,   soziale,   ökonomische,   wissenschaftliche,  technische   oder   ethische   Entwicklung   aus   ihren   Entstehungs-­‐   und  Durchsetzungs-­‐  (Wirkungs-­‐)  Bedingungen  heraus  diskutiert  werden.       Vielmehr   erscheinen   sie   als   finalisierte   Zuarbeit   zum   Endziel   eines   von  allen   in   gleicher   Weise   geteilten   Bedeutungs-­‐   und   Gestaltungsrepertoires.  Arbeiten  sie  diesem  Endziel  vermeintlich  nicht  zu,  -­‐  was  durch  die  Mündigkeits-­‐Priester  entschieden  wird  -­‐,  sind  Ökonomie,  Maschine,  Technologie,  Medialität  oder  auch  Kunst  entweder  abwegig,  dem  Heil  widersprechende  Ketzerei,  oder  Einfalt.    

Page 3: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

3

  Dass   Mündigkeit   als   Regulativ   und   Norm   für   Erziehung   und   Pädagogik  manchen   hilfreich   sein   kann,  mag   ich   noch  mitdenken.   Aber   dies   führt     jene  Geste   des   betreuten   Denkens   mit   sich,   die   ich   eingangs   ansprach.   Es   gibt  zahlreiche   empirische,   methodische,   evolutionswissenschaftliche   Gründe,  dieser   Geste   eher   lächelnd   den   Rücken   zuzuwenden.   Allerdings   gibt   es   auch  Gründe   diesem   altlastigen   Denken   abweisend   entgegenzutreten.   Und   diese  liegen   in   den   vielfach   kompetenten,   zunehmend   ´querfeldein´   vernetzten  Nischen  menschlicher  Akteursumgebungen,   in  denen  multimodale  Mündigkeit  (visuell,   ökonomisch,   audiovisuell,   unterhaltungsbezogen,   beruflich,   kinetisch,  programmiersprachlich,   kollaborativ,   kooperativ,   konkurrenziell)   auf   Macht,  Kooperationskontrolle,  kurze  Projekt-­‐  und  Arbeitsverträge  etc.  stößt.       In   diesen   kollaborativen   Netzwerken,   in   denen   Lebenszeit   mit  technomedialer   Echtzeit   verwoben  wird,   in   denen  Ort,   Schreibtisch,   Büro   den  Status   von   (elektronisch   adressierbarer)   ´Offline´   erhalten,   der   durch  spezifische  Aktivitäten  zu  ´Online´  in  Beziehung  gerät,  entstehen  neue  Formate  des   ´zusammen´,   neue   Imaginationen   oder   Phantasmen:   ständig  werden   neu  kombinierte   Pfade   für   Handlungs-­‐,   Denk-­‐,   Reaktionsmöglichkeiten  hervorgebracht.   So   entstehen   kollaborative   Informationsverarbeitungen,  kooperative   Lösungswege,   nachbarschaftliche,   zufällige,   kollaterale  Wissensoptionen.   Und   Menschen   entscheiden   selektiv   über   die   ´weitere  Richtung´,  die  Denken  und  Wissen  nehmen  können   (oder   sollen).  Sie  handeln  vektoral,  in  einer  Art  Kurzzeitökonomie  der  Richtungen,  immer  darauf  bedacht,  neue   taugliche   Kooperationen   (bifurkativ,   also   an   der  Weggabelung)   zu   jeder  Zeit  aufgreifen  und  vernetzen  zu  können.        

1.2. Kunstfertige  Menschen    

Manchen  sind  die  damit  verbundenen  Prozesse  zu  schnell,  um  wahr  zu  sein.    In  dieser   Bewertung   drücken   sich   empfundene   Verständnis-­‐   und  Zusammenhangsdefizite   aus.   Sie   beziehen   sich   allerdings   auf   empirisch  erkennbare   Regelungs-­‐   und   Zuordnungsdefizite,   da   für   die   angedeuteten  erdweiten   Offline-­‐Online-­‐Strukturen   bislang   keine   in   irgendeiner   Weise  verabredeten   Zusammenhangs-­‐Imaginationen   vorliegen.   So   lassen   sich  überraschend   stabile   medientechnologische   Möglichkeits-­‐   und   Aktivitäts-­‐Räume   über   z.B.   41.000   Local   Area   Networks   beziffern.   Allerdings   fehlen  Virtualitäts-­‐Imaginationen,   die   über   solche   formalen   Begriffe   wie   Gruppe,  Community,   Kollektiv,   kollektive   Intelligenz,   Netzwerke   hinausgehen.   Ansätze  sind   gleichwohl   formuliert   in   Konzepten   Open   Source   oder   Peer-­‐to-­‐Peer-­‐Netzwerke  und  Ökonomie.  

Page 4: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

4

  Niemand   ertrinkt   durch   bloßen   Kontakt   in   Daten-­‐   und  Informationsströmen,   denn   jeder   kann   jeder   Information   im   Netz   aus   dem  Wege   gehen,   -­‐   durch   Unfähigkeit   oder   mit   Absicht.   Die   Anforderungen,   den  Defiziten   zu   entgehen,   betreffen   den   Umgang   mit   Abstraktionen,  Imaginationen,   Entwürfen,   Zufällen.   Mit   Bildung   und   Wissen   spreche   ich  demnach   keine   regionalen   rsp.   nationalen   Kulturtechniken   an.   Es   sind  anthropologische   und   zivilisatorische   Dimensionen,   -­‐   obwohl   es   wohl   nicht  ohne   die   Pflege   von   verabredeter   Wahrnehmung,   Deutung,   Bedeutung,   also  nicht   ohne   Kultur   als   Referenz   zu   gehen   scheint.   Aus   neurobiologischer   Sicht  sind   Menschen   auf   verbindliche/verbindende   (soziale)   Resonanz   und  Kooperation   angelegte   Wesen   (J.   Bauer   2006,   21).   Daneben   ist   es   ihnen  möglich,   dieser   Resonanz,   der   koordinierenden  Reaktion   und  Kollaborationen  eigenwillige   und   eigenwertige   Formate   zu   geben.   ´Freihändiges´   Wissen   und  Erkennen   entstehen.   Ihre   Abstraktionsketten   folgen   wörtlichen,   zahligen,  visuellen  Wahrheitspflichten.       Und  sie  beziehen  sich   immer   intensiver  auf   ihre   ´eigenen´  Abstraktions-­‐Produkte,   seien   es   Maschinen,   Infrastrukturen,   Architekturen,   Techniken,  Zeichen-­‐   und   Sprachsysteme,   auf   symbolische,   diabolische   oder   sog.  kontrafaktische   Bedeutungen.   Heute   versuchen   wir   wissenschaftlich   klar   zu  bekommen,   wie   Abstraktion   und   Virtualisierung,   also   abstrakte   (nicht-­‐morphische)  Realität  und  virtuelle  (morphische,  räumliche,  temporale)  Realität  zusammenhängen.   Es   sind   beides   geistige   Aktivitäten   des  Menschen,   die   auf  Gestaltung,   Nutzen,   bio-­‐technische   Tauglichkeit,   sozio-­‐technische   oder  interaktive  Rückwirkungen  drängen.       Also  werden   sich  die  Antworten  um  die   entwerfenden,   gestalterischen,  standardisierenden   Kunstfertigkeiten   des  Menschen   kümmern  müssen.   Somit  ist  die  entwerfende,  anpassende  Selbstorganisation  von  Menschen  wichtig,  die  Phylogenese   /   Stammesgeschichte   von   Kultur   und   Soziales,   d.h.   die  Stammesgeschichte  von  Abstraktion,  Synthesen,  Virtualität.    Dies  bedeutet  für  Wissens-­‐  und  Bildungsdebatten  sie  doppelt  zu  denken:    

-­‐ einmal  als  gegenwärtige  Dimensionen  der  Selbstverständigung;    -­‐ zum  zweiten  als  Zwischenprodukt  eines  fortlaufenden,  keineswegs  

zielgerichteten  phylogenetischen  Geschehens.    In   diese   (noch)   offenen   Kontroversen   stelle   ich   die   Konzepte  erkenntnisintensiven  Wissens  und  granularen  Bildung.     Ihre  Abstraktionsregeln  entstammen   zwar  dem  modernen  Buchdenken.  Dieses   war   und   ist   allerdings   keineswegs   kulturell,   verlegerisch,   politisch,  literarisch,   poetisch   und   wissenschaftlich   einheitlich.   Bis   in   die   Gegenwart  hinein  durchziehen  Verwerfungen   zwischen  Glauben,  Bildung  und  Wissen  das  Buch-­‐,  Schrift-­‐,  und  Textverständnis.  Während  Wissen  in  Erkennen,  Erforschen,  Experimentieren,  Entwerfen  begründet  ist,  sind  Bildungsdiskurse  (zumindest  in  

Page 5: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

5

Deutschland)   entweder   kirchlich,   zivilreligiös   oder   kulturalistisch   fest  ummantelt.   Rechtlich   spricht   man   heute   noch   von   Bildung   als   einem  „Tendenzbegriff“   und   bei   institutioneller   Bildungsförderung   von  „Tendenzbetrieben“.       Wir   haben   es   demnach   keineswegs   mit   deckungsgleichen   oder   gar  identischen  Informations-­‐Synthesen  oder  Beobachtungskonventionen  zu  tun.      

1.3.  Mediales  Selbst  –  medialer  Körper    Die   medientechnologischen   Entwicklungen,   die   im   Leitthema   des   Kongresses  angesprochen  sind,  lösen  die  Fragen  nach  Bildung,  Wissen,  Subjekt,  Institution  aus   der   Buch-­‐Matrix   heraus.   In   den   zurückliegenden   30   Jahren,   seit   der  Einführung  des  PC,  und  seit  20  Jahren,  der  Durchsetzung  von  WWW,  haben  sich  nicht  nur  sog.  Bildungsmilieus  als  soziale  Ordnungsgaranten  verabschiedet.       Weltweit   sind   Informationshubs,   Erkenntniszellen,  Wissenscommunities  entstanden,   in   denen   nicht   mehr   über   Gesellschafts-­‐   oder   Lebenszeit  verhandelt   wird,   sondern   über   die   Wissens-­‐   und   Kommunikationszeiten,   die  sogenannte   ´Sofort-­‐Medien´   oder   digitale   Echtzeitmedien   zulassen.   Bedenken  wir,  dass  mit  Cloud-­‐Computing  oder  auch  mit  dem  aktuellen  iPad  die  `Post-­‐PC-­‐Globalität´   bekräftigt   wird,   wirken   die   alten,   bis   gestern   noch   gepflegten  Ordnungs-­‐Illusionen/   -­‐Imaginationen   von   Bildung   und   Wissen   nicht   einmal  merkwürdig.  Wir  sollten  diese  vergessen.     Klar   ist   dabei,   dass   diese   Entwicklungen   eher   Bildungspositionen   unter  maximalen   Stress   setzen,   als   dass   dies   für   Wissensentwicklungen   gilt.   Aber  auch   die   Kohäsions-­‐   und     Kontinuitätserwartungen   von   politischen   Wissens-­‐Profis   werden   massiv   enttäuscht.   Wir   können   mit   den   Leitbegriffen   Subjekt,  Medien,   Bildung   nur   dann   neu   ansetzen,   wenn   es   gelingt,   neue  Zusammenhangs-­‐Imaginationen,   neu   Abstraktions-­‐   und   Funktionsmodule   zu  erzeugen.       Hierfür   wird   es,   aus  meiner   Sicht,   wichtig   sein,   sowohl   die   Entstehung  und   Entwicklung   der   medialen   Körper   menschlicher   Selbstorganisation   zu  entziffern,  als  auch  zu  erforschen,  wie  regional  und  gesellschaftsunabhängig  ein  mediales   Selbst   als   menschlicher   Kooperationstyp   sich   durchsetzt.   Beide  Vorschläge:  medialer  Körper  und  mediales  Selbst  berücksichtigen,  dass  mit  den  Erfindungen   nicht-­‐direkt   biologischer   Codierungssysteme,   -­‐   seien   es  Zeichnungen,   Zahlen,   Schriftzeichen,   und   ihre   Notationssysteme,   die   mich  immer   noch   faszinierende   Entwicklung   der   abstrakten,   künstlichen,   virtuellen  Welten   hervorgebracht   wurden.   Ganz   gleich   welche   Materialität,  Formvorgaben,  welche  Schreib-­‐,  Mal-­‐  und  Drucktechniken  vorherrschten:  kein  Gerät,  keine  Maschine,  kein  Apparat  konnte  bislang  die  Erfindungsfähigkeiten  

Page 6: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

6

des   Menschen   stoppen,   -­‐   weil   sie   Geräte   und   Apparate   unter   anderen  Möglichkeiten  waren  und  sind.       Nicht   nur,   dass   neue   Medien   kognitive   Zusatzräume   schufen,   ohne  frühere   zu   zerstören.   Keine   Medientechnologie   löschte   die   Unterschiede  zwischen  Erfinden,  Entwerfen,  Nutzen,  Kopieren,  Fehler  entdecken,  Variieren,  Auswählen.     Nicht   nur   Apparate   und   Technologien   waren   eine   Möglichkeit  unter   anderen.   [Es   sei   nur   auf   die   Berge   von   Patenten   verwiesen,   die   nie   in  Produktion  gingen.]  Dies  betrifft  auch  Gedanken,  Wissen,  Erkenntnis:  zwar  sind  diese  durch  ihren  Anwendungs-­‐  oder  Systembezug  oft  deutlich  unbeweglicher  als   experimentelle   technische   Erfindungen.   Dennoch:   auch   für   sie   gelten   die  Regeln  der  Variation,  Auswahl  und  Gestaltung.     Bestimmend   für   Wissen,   Medien,   Bildung   sind   demnach   nicht   die  Computertechnologien.   Bestimmend   sind   die   Anforderungen,   in   vielfacher  Weise   mit   Datentechnologien,   Informationsströmen,   Broadband   Societies,  Screens   and   Scoping   Systems   (K.   Knorr-­‐Cetina),   bildgebenden   Verfahren  denken  und  beobachten  zu  können.  Nicht  Computer  steht  auf  der  Arbeitsliste  ganz  oben,   sondern  Computing  als   globale   Softskill:   lesen,   sehen,   kalkulieren,  verlinken,   bewegen,   kooperieren,   speichern,   versenden,   konkurrieren,  produzieren,   generieren   in   neuen   Abstraktionsmatrizen,   deren   ´Heimat´   die  digitalen   Netzwerke   sind.   Computing   verändert   Wissen   und   Bildung.   Beide  müssen  aus  der  Feindschaft  von  Mensch  und  Maschinenzeit  in  die  Kooperation  von  Echtzeitmedien  und  Lebenszeit  übersetzt  werden.     Diese   Übersetzung   oder   Neuformatierung   von   Wahrnehmungs-­‐,   Denk-­‐  und   Bewertungsformaten  wirkt   auf   den   ersten   Blick  wie   die   Feststellung   von  Robert  D.  Laughlin  (2009):  „Vor  unseren  Augen  wird  das  Zeitalter  der  Vernunft  aus   seiner   ökologischen   Nische   vertrieben,   und   zwar   durch   die  Wissensökonomien.“   (130)  Mit   der   ökologischen   Nische   (also   der   industriell-­‐bürokratischen,  akkumulativen,  regulierenden  Nische)  hat  er  wohl  Recht.  Aber  Vertreibung   möchte   ich   es   nicht   nennen.   Das   belässt   dem   sich   allmählich  historisierenden  modernen  Vernunftkartell  noch  zu  viele  Lorbeeren.       Dennoch   teile   ich   die   Einschätzung,   dass   dies   ein   doch   sehr   auffälliger  Vorgang   ist.   Die   Neuformatierung   von   Wissen   begleitet   nicht   nur   die  Überwindung   der   Unvereinbarkeitsdoktrin   von   Mensch   und   Technik.   Wir  beobachten   konvergierende   Anthropotechniken,   die   weder   auf   e   i   n   e    Beobachtungs-­‐,  Abstraktions-­‐  noch  auf  regionale  Denktechnik  reduzierbar  sind.  Es   wirkt   wie   ein   fröhlicher,   ohne   Krieg   und   Unterwerfung   betriebener  ´Umsturz´   all   jener   kulturellen   Wahrnehmungs-­‐   und   Deutungsroutinen,   aus  denen   heraus   Menschen   digitale   Medienverhältnisse   auf   ihre   Spiellust,   ihre  Neugier,  ihre  Vertriebs-­‐  und  Produktionsverhältnisse  anwenden.    

1.4.  Medien-­‐Topologie  

Page 7: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

7

 Die   Folgen   für   Imagination   und   Funktion   von   Subjekt   sind   erheblich:   G.  Russegger  nennt  den  Subjekt-­‐Nachwuchs  „Smartject“,  Peter  Fuchs  spricht  eher  bedauernd  von  „Un-­‐Jekt“,  V.  Flusser  lancierte:  „Vom  Subjekt  zum  Projekt“.  Und  Bazon   Brock   stellt   fest,   dass   der   kulturelle   Schutzwall   zwischen   Hominisation  und  Humanisierung  gebrochen  ist:  der  Mensch,  die  Menschen  müssen  sich  auf  beschleunigte   Selbstveränderung   durch   (von   ihnen   gemachte)   evolvierende  Technosysteme   einstellen.     D.h.   auf   Programm-­‐Codes,   Vernetzte  Generierungsprozesse,   Medienkörper.   Ich   betrachte   im   Folgenden   einige  Aspekte   dessen,   was   ich   den   instabilen,   interaktiven   Medienkörper   heutiger  Menschengenerationen   nenne.   Dies   erläutert   den   Terminus   ´Format´   den   ich  soeben   für   Bildung   und  Wissen   verwendet   habe.   Format,   im   Unterschied   zu  Form,  ist  eine  Ansammlung  von  Verhaltens-­‐  und  Wahrnehmungs-­‐Bedingungen,  die  Spielraum  lassen  für  Anpassungen,  Veränderungen,  Entwürfe.       Dieser  Medienkörper  entsteht  in  Umgebungen,  in  denen  Menschen  sich  auf   Dinge,   Gegenstände,   Gefühle,   Zusammenarbeit,   Gedanken   anonym-­‐anderer  beziehen  -­‐  und  auf  ihre  eigenen  Gedanken,  Reaktionen,  Vorlieben  und  Kompetenzen.   Aber   dies   reicht   nicht,   um   die   Situationen   zu   beschreiben.  Medienkörper  sind  Akteure  in  rechnenden,  sich  mit  jedem  Click  verändernden,  Anwesenheitsräumen.   Es   lässt   sich   von   einer  Medien-­‐Topologie   sprechen,   in  der   biografische   Optionen   und   Erfahrungen   ebenso   möglich   sind,   wie  thematisch-­‐kognitive   oder   sozietäre,   also   Gruppen-­‐,   Foren-­‐,   Community-­‐Zusammenhänge.  Medienkörper   und  Medientopologie   sind   die   (schwierig   zu  beobachtende)  Empirie  der  Virtuellen  Realitäten.       Biografie    (offline-­‐online)  und  Medientopologie  (online-­‐offline)  erzeugen  wechselseitig   Informationsströme   und   Selektionsverläufe,   die   das   ´Werden´  von   Wissen   und   Bildung   in   erheblichem  Maße   beeinflussen.   Ihre   Zeitweisen  sind   nicht   auf   Dauer   gestellt.   Sie   sind   diskontinuierlich   (interaktiv-­‐selektiv,  informationsintensiv)   und   Projektgebunden.   Mangel   und   Schwäche   von    Zusammenhangs-­‐Imaginationen,  wie  ich  oben  ansprach,  beeinflussen  auch  die  Kategorien  Wissen,  Subjekt  und  Bildung:  sie  scheinen  eher  zu  Projekt-­‐Optionen  zu   werden,   in   denen   Kontinuität   in   Beteiligungs-­‐,   Zusammenarbeits-­‐,  Zusammendenk-­‐   und     Kooperations-­‐Bereitschaft   besteht   ,   als   dass   eine  Sicherheitskopie  ontologischer  Gesamtsicht  zu  entstehen  scheint.    

1.5.  Koevolutionärer  Epochenwechsel    Ich  stelle  also  einen  koevolutionären  Epochenwechsel  vom  sozialen  Selbst  zum  medialen   Selbst   in   das   Zentrum   meiner   Überlegungen.   Die   damit  aufgegriffenen   Spannungen   verlaufen   nicht   zwischen   industrieller   und   nach-­‐industrieller  Gesellschaft,  wie  D.  Bell  noch  meinte,  auch  haben  sie  die  Figur  der  

Page 8: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

8

Prosumer   (Produzenten-­‐Konsumer),   die   Jeremy   Riffkin   einst   ansprach,  verlassen.       Aktuelle   Koevolutionäre   Dynamiken   richten   sich   an  Lebenszusammenhängen   aus,   die   grundsätzlich   jede   Variante   medial  getragener   Reproduktion   mit   jeder   beliebigen,   verstreuten   Variante   koppeln  und  wieder  entkoppeln  können.  Dies  hat  nicht  mit  Beliebigkeit  zu  tun.  Vielmehr  bilden  sich  neue,  nie  da  gewesene  Repertoires  an  kurzzeitig  gültigen  und  in  alle  Richtungen   vererbbaren   Denk-­‐,   Kommunikations-­‐   und   Verhaltensweisen   aus.  Bestehen   sie   die   Tauglichkeitstests,   sind   sie   für   die   Reproduktion   von  Netzwerken   und   Habitaten   förderlich,     werden   sie   fortlaufend   angepasst.  Bestehen  sie  nicht,  wie  an  über  90  %  der  aktuell  entwickelten  Technischen  und  Sozialen   Software   darstellbar,   verschwinden   sie.   Dies   gilt   auch   für  Bildungsideale,  Denkformate,  Vorräte  an  Bild-­‐,  Schriftsemantik.    

2. Von  Kultur-­‐  zur  Anthropotechnik  2.1. Mögliches  Wissen,  unwahrscheinliche  Bildung  

Der  Umbau   der  Wissens-­‐   und   Bildungsstrukturen,   von   dem   ich   hier   ausgehe,  erfolgt   allerdings   nicht   vorrangig   durch   stabile   Ding-­‐   und   Sachkalküle   oder  durch   absichtliches,   zielgerichtetes,   langfristiges   Handeln   dieser   Mengen   an  Nutzerinnen   und  Nutzern.   Auch   ist   es   keine   ungegenständliche,   elektronisch-­‐dingliche   Welt   vor   den   fassbaren   Dingen,   Sachen,   Gegenständen,   vor   dem  Handwerk  und  der  zu  ölenden  Techniken  oder  außerhalb  dieser  (metaphysisch,  transzendental,   geistig).   Im   Gegensatz   zu   überlieferten   Trennungen   von  materialem  Gegenstand  und   (vermeintlich   ´immateriellem´)  Geist   zeigt   sich   in  Virtuellen   Realitäten,   kybernetischen   Räumen,   in   Net   of   Data   und   Net   of    Things,   die   intime,   konstitutionelle  Abhängigkeit   der  Dinge   vom  Undinglichen  (und   vice   versa).  Mit   jeder   Nutzung   digitaler   Strukturen   ist   jeder   Nutzer   und  jede  Nutzerin  kognitiver  und   interaktiver  Teil  dieser  Programme.   Immersion,   -­‐  jenes   wahrnehmende   Eintreten   in   einen   physisch   und   semiotisch   möglich  gemachten   Vorstellungsraum,   das   für   ´im   Roman   versinken´,   ´im   Buch  eintauchen´   ebenso   gilt   wie   ´im   Film   gefangen   zu   sein´   oder   ´in   das   Netz  einzutauchen´   -­‐,   spricht  diese  subjektive  Zuneigung  deutlich  an.   Immersion   ist  zugleich   ein   Ereignisfeld,   das   verschiedene   Sinne   anzieht,   das   durch  uneinheitliche   Nutzungs-­‐,   Deutungs-­‐   oder   Beteiligungsoptionen   bestimmt   ist  und  das  sehr  unterschiedliche  Aufgaben  erfüllen  kann.       Wissen  und  Bildung  sind  als  Termini  nur  hilfreich,  wenn  diese  Möglichkeit  des  ´wahrnehmenden  Dabeiseins´  zur  Grundlage  gemacht  wird.  Alle  Ideen  von  beteiligen,   kooperieren,   zusammenarbeiten,   sich   unterschieden,   Unterschied  zu   formulieren   und   zu   programmieren,   zugehörig   sein   u.v.a.m.   sind   ohne   die  Verbindung   von   unterscheidendem,   entwerfendem,   experimentierendem  

Page 9: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

9

Handeln   (also   der   Kopplung   von   Abstraktion   und   Virtualität   [und   diese   heißt  wissenschaftlich   und   nutzungsökonomisch   immer   noch:   der  Möglichkeit   nach  vorhanden])  und  Immersion  nicht  darstellbar.       Möglichkeit   markiert:   Wissen   und   Bildung   sind   als   feste   Zustände  unwahrscheinlich.     Wahrnehmung,   Denken,   Erkennen   folgen   den   Subroutinen,  Informationen   über   Informationen,   über   Daten,   über   Informationsströme   zu  sammeln.   Anders   gesagt:   die   Mediale   Welt   ist   ein   ´Geschäft   in   sich´.   Oder  weniger   juristisch:  sie   ist   längst  eine  selbstorganisierende  Wahrnehmungswelt  geworden:   …Information   erzeugt   Information   erzeugt   Information   erzeugt  Information…     Heuristik,  formalisiertes  Zuordnungs-­‐  und  Erklärungswissen,  verdrängt  Hermeneutik,  die  Entzifferung  von  Sinn  und  Bedeutung,  die  den  Dingen  und  Prozessen  ´eigen´  sein  sollen.       Betrieben  wird  dies  durch  Echtzeitmedien,  die  Foren,  Blogs,  Communities,  virtuelle  Nachbarschaften  und  Liebeserklärungen,  Scheidungen  per  SMS,  Politik  per   Twitter,   e-­‐Learning   oder   ähnliches   erzeugen.   Es   sind   pulsierende  Kooperationsabläufe,  fades  Gerede,  Hatepages,  Lernumfelder  und  vieles  mehr.  Sie   kennzeichnet:   Interaktivität,   unumkehrbare   Informationsverwendung,  Sharing  und  Beteiligungsformate.       Dies  alles  setzt  sich  von  dem  Propaganda-­‐Diktum  ab:  „Don´t  talk  back“.             Die   Medienstrukturen,   um   die   es   mir   geht,   sind   nur   als  Wechselwirkungsmedien     möglich.   Technisch   und   zeitökonomisch   sind   es  Echtzeitmedien,  in  denen  ein  neuer  Reichtum  sozialer  Beziehungen  entsteht.       Mit   einkanaligen   Massenmedien,   über   die   Nachrichten   verbreitet  wurden,   hat   dies   nichts   mehr   zu   tun.   Thesen   wie:   es   gäbe   elektronische  Massenmedien   und   sie   besäßen   eine   interaktionsverhindernde   Struktur,   wie  ich  oft  in  Anschluss  an  J.  Habermas  lese,  sollten  wissenschaftlich  und  empirisch  dringend  überdacht  werden.  Das  Fernsehen,  dessen  Welt-­‐  und  Testbild  da  noch  in   den   Köpfen   brummt,   ist   technologisch   ein   integriertes   Sub-­‐Programm  geworden,   -­‐   was   Biertrinken   bei   Tagesschau   und   „Wer   wird   Millionär“   nicht  ausschließt.   Aber   Edutainement,   Serious   Games,   E-­‐Sports,   E-­‐Olympics,  kollaborative   Mediennutzung   haben   mit   der   dürftigen   Feierlichkeit   des   TV-­‐Testbildes  nichts  mehr  gemein.     Dies   schließt   auch   das   cartesianische   Spiel   von   Naturdingen   und  Geistdingen,  von  Geist  und  Körper  aus;  das  aristotelische  Diktum  von  Technik,  die  dem  Menschen  fremd  sei,  verfehlt  schon  länger  jegliches  erklärende  Ziel.       Ich  gehe  also  davon  aus,  dass  Bildung  und  Wissen  in  interaktiv  genutzten  medientechnologischen   Datenströmen   und   Informationskörpern   entstehen  und   verändert  werden.   Es   sind  die   Ströme  des   ausgewählten,   gruppierten,   in  Projekten   sortierten   und   des   gespeicherten   ´Vor-­‐Wissens´   und   der   ´Vor-­‐

Page 10: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

10

Bildung´,   die   erforscht   werden   müssen.   André   Leroi-­‐Gourhan   spricht   von  Operationsketten  und  Programmen.  Für  uns  heißt  dies:    

bio-­‐   und   soziotechnische   Programme   des   Medialen   zu   erforschen.  Angesprochen  sind  damit  Architekturen  digitaler  Räume,  Choreographie  globaler   oder   lokaler   Kooperationen,   Formate   medientechnologischer  Anwesenheit   und   deren   Rückbezug   zu   Lebenszeiten,   Künste   des  Entwerfens  und  Gestaltens.        

Bildung   und   Wissen   beschreiben,   unter   diesen   Annahmen,   kognitive   und  kollaborative  Fähigkeiten.  Sie  sind  so  ausgerichtet,  dass  sich  Menschen  auf  vor-­‐  und   fremdbestimmte   Zustände   einlassen   können   und   deren   Veränderungen  mit  betreiben.         In   dieser   Allgemeinheit   geht   es   nicht   nur   um   einzugrenzende  Kulturtechniken,   sondern   vorrangig   um   Anthropotechniken.   Sie   sind   auf   kein  Ganzes,  auf  keinerlei  Vollständigkeit  oder  Absolutheit  bezogen.    

2.2. Wissen  ohne  Vernunftvorsprung    Was  als  Wissen  in  fünf  bis  zehn  Jahren  ökonomisch,  fachlich,  institutionell  oder  ästhetisch   anerkannt   sein  wird,   kann   niemand   voraussagen.   Bildung,   die   sich  zeitentspannt,   zeitbefreit   gab   und   gibt,   ist   längst   in   den   Sog   unsteter   Zeit-­‐,  Aufmerksamkeits-­‐   und   Netzökonomien   geraten.   Dynamische,   instabile  Kollaborationsprojekte  bestimmen  Art  und  Grenzen  des  Wissens,  seine  zeitlich,  dinglich   und   informationell   begrenzten   Richtungen,   seine   projektabhängigen  Richtungsentscheidungen,  -­‐  seiner  Vektoren.      Wissen  ohne  Vernunftvorsprung,  -­‐  endlich.     Kaum   bestritten   ist:   digitale   Vernetzungen   erzeugen     Handlungszonen  ohne  Vorläufer.       Über   Internet   of   Data,   Internet   of   Things,   Social   Media   und   Net   Next  Generation   ist   informationsintensive   und   sensitive   Welt   beschreibbar.   Dabei  handelt  es  sich  nicht  um  „Land  without  body“,  -­‐  gegen  die  „States  of  old  flash  and   blood“,  wie   J.   P.   Barlow   in   der  Unabhängigkeitserklärung   für   Cyberspace  schrieb.  Internet  of  things  bildet  ein  zunehmend  schwer  beobachtbares  Gefüge  von  Online-­‐Offline-­‐Kopplungen  und  Habitaten.    Wahrnehmung,  Wissen,  Bildung  hängen  an  der  langen  Leine  globaler  Echtzeit.  An  den  pragmatischen  Variationen.       Es   sind   kleine,   kurzzeitige   Verzweigungen,   daten-­‐   und  informationsintensiv   und   sensitiv.   Zugleich   sind   diese   Projekt-­‐Vektoren  millionenfach   vernetzt.   Absichten,   im   Sinne   einer   Metaregel,   sind   nicht  erkennbar.   Ein   Vernunftvorsprung,   der   mit   modernem   Wissen   und  randmoderner  Bildung  verbunden  wurde,  ist  nirgends  erkennbar.  

Page 11: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

11

  Projektlogiken  ordnen  die  Welt  des  Wissens  und  der  Bildung  neu.  Dabei  haben  die  Ereignisse  längst  die  Phase  des  aufgeregten  Multitaskings  verlassen.  Fast   könnte   man   sagen,   dass   die   Fähigkeit,   zeitnah   mit   unterschiedlichsten  medialen   Informationsangeboten   umgehen   zu   können,   zu   einer   weltweiten  medialen   Intelligenzbasis   geworden   ist.   (S.   Johnson).   Multitasking   ist  normalisiert.   Umrisse   einer   neuen   Phase   sind   erkennbar:   der   kooperativen  Hierarchisierung,  P2P,  Beitragen,  Partizipieren,  Sharing.     Die  erreichten  Vernetzungs-­‐  und  Kollaborationsniveaus   lassen  sich  nicht  auf   verstandesregulierte   Absichten   reduzieren.   Dies   grenzt    Aufklärungsphilosophie   oder   damit   verwandte   Pädagogik   radikal   ein.   Die   an  Schriftvernunft,  an  hegelianische  Wege  zum  absoluten  Geist  und  Wissen  oder  an   Piaget-­‐Kohlbergscher   Stufenlehre   moralischer   Entwicklung   gewohnten  Denkweisen   genügen   nicht   mehr.     Die   Kultur-­‐,   Schichten-­‐   und  Generationsverträge,  die   zum  Bildungsdenken  geführt  hatten,   sind  vergessen.  Sie   besitzen   keine   Pragmatik   mehr.   An   ihre   Stelle   sind   Bemühungen   um  Zusammenhänge   von   evolutionärem   Egoismus   und   Altruismus,   erdweit  vernetzter  Kollaboration  und  Kooperation  getreten.           Dies   erfordert,   über   Wissen,   Speichern,   Aktivieren,   Interaktion,  Vertrauen,   Verlässlichkeit,   Abstraktion,   Entwurf,   Verantwortung   und   über  Kontinuität   völlig   anders   zu   reden   als   vor   10,   20,   30   Jahren.   Und   vor   allem  schließt   dies   die   Fragen   danach   ein,   auf   welche   Zusammenhänge   und  Zusammenhangsmaße  sich  der  Konferenztitel  bezieht.    Gesellschaft   wird   es   nicht   mehr   sein   können.   Wir   erleben   und   praktizieren  gerade  deren  Souveränitätsverfall.       Man  spricht  im  Umfeld  des  Social  Media  Hype  von  Überlast  durch  soziale  Netzwerke,   von  Content   Overdose,   von  Überdosis   an   Zusammenhängen.  Wer  hätte   vor   fünf   Jahren   gedacht,   dass   irgendwann   eine  Überdosis   von   Sozialem  als   Kritik   an   digitalen   Zustandsänderungen   erfunden   wird.   Überdosis?   War  denn  das  Soziale  der  Heilige  Gral  der  Moderne,  der  jetzt  angerufen  wird,  um  zu  retten,  was  noch  zu  retten  ist?  Und  was  soll  das  sein  –  sieht  man  mal  kurz  von  dem  wissenschaftlichen  Unsinns  des  Rettens  ab?     Aus   den   digitalen   Communities   kommen   Vorschläge,   die   sich   nur   auf  diese   beziehen,   -­‐   was   ja   schlüssig   ist.   Der   Content   Overdose   wird   ein   wenig  technologische  Assistenz  nachgeschoben:  ping.fm,  um  Nachrichten  gleichzeitig  zu  aktualisieren,  TweetDeck,  um  Nachfolger  dieser  Nachrichten  zu  selektieren,  RSS,  um  Blogs,  Websites,  Updates  strukturiert  zu  lesen.  Es  bleibt  allerdings  die  Befürchtung,  am  Sozialen  der  Netzwerke  zu  scheitern,  im  Sozialen  zu  scheitern,  so  als  verriete  Social  Software  das  Soziale.       Wir  haben  in  den  Jahrzehnten  der  digitalen  Überwältigung  nicht  gelernt,  von   Schaltern,   Ports,   Festplatten,   Soft-­‐Hard-­‐Wetware,   Informationsströmen,  Daten  den  Abstand  zu  nehmen,  der  erlaubt,  von  der  Informationsästhetik  zum  

Page 12: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

12

intelligenten  Konsum  zu  wechseln,  eine  Verfassung  informationell  organisierten  Lebens   zu   denken.   Wir   redeten   und   reden   von   Interaktivität,   Immersion,  Partizipation,  deliberative  oder  direkte  Demokratie,  von  Kreativität,  -­‐  allerdings  mangelt  es  grundlegend  an  Debatten  um  ökonomische,  normative,   juridische,  ethische,  konkurrenzielle  Verfassung  informationeller  Zusammenhänge.  

3.  Bildung  –  woher?     Bildungskonzepte  des  19.  und  20.Jhs.  hatten  sich  das  Tabu  auferlegt,  nicht  als  Übergangskonzepte   gelebt   zu   werden,   sondern   als   Aufklärungsanrufe.  Bürgerlich  für  immer.     Ein  kollektiv-­‐kultureller  Selbstauftrag  galt:     Von   Unmündigkeit   zur   Mündigkeit   -­‐   und   nie   mehr   zurück.   Bildet   Euch  und  schützt  das  Erreichte,  schützt  es  durch  Bibliotheken  und  Institutionen  und  durch  eine  Idealisierung  des  Subjekts  als  Bildungsziel!   Manches   liest   sich   so,   als   seien   beide   Souveräne,   die   kulturelle  Allgemeinheit   und   das   souveräne   Subjekt,   von   Beginn   an   konzeptionell  beschädigt.  War  es  Misstrauen,  etwa  selbstverschuldet,  Selbstmisstrauen?  Die  beiden   Souveräne  werden   durch   Normen   begrenzt,   die   außerhalb   liegen.   Sie  sind  normative   Zielzustände,   und  darin   zumindest   antievolutionär.  Nie  wurde  das   Ziel   offen   gelassen:   eine   buchstäbliche   Bildung,   abgeschlossen   mit   dem  letzten  Kapitel,  mit  der  letzten  Erkenntnis.       Ob  Humboldt  diese  merkwürdige  Souveränitätskonkurrenz  bewusst  war,  weiß  ich  nicht.  Er  setzte  auf  die  Entwicklung  jedes  einzelnen  Menschen,  was  bis  heute   sympathisch   wirkt.   Nur,   dass   diese   Sympathie   nicht   darüber   hinweg  weisen  kann,  dass  

-­‐ kognitive  Potenziale  des  Menschen  bei  Geburt  unspezifisch  sind   -­‐ und   erst   in   der   interaktiven   Auswahl   mit   jeder   dinglichen   und  

undinglichen  Weltvariante  eine  besondere  Markierung  erhalten,   -­‐ über  iterative  Ereignisfolgen  Muster  bilden,   -­‐ darin   emotional,   sozial,   semiotisch,   semantisch   auswählend   gruppiert  

werden   -­‐ und  Modelle  erzeugen,  in  deren  Rahmungen  sie  sich  bewegen  können  /  

wollen  /  müssen.   So   gesehen   ließe   sich   Bildung   allerhöchstens   als   multisensorisches,  variationsreiches   Werden   ansprechen,   als   bio-­‐soziale   Konstruktion   (Edgar  Morin).      

3.1.  Von  abgeschlossener  Bedeutung  zur  Kooperation    

Zum   ersten  Mal   in   den  Menschheitsentwicklungen  wird  Menschen   klar,   dass  soziale   Gruppenprozesse   nicht   nur   medial   gekoppelt   sind,   sondern   auch  

Page 13: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

13

innerhalb   medialer   Strukturen   (sprich   Zeiten,   Räume,   Nischen,   Séparées,  Labore,  Plätzen,  Privaten  Zonen,  öffentlichen  Bereichen  usw.)  stattfinden.     Durch   die   Ausweitung   der   Einzugsbereiche   rückkanaliger,   vernetzter,  echtzeitiger   Online-­‐Medien   werden   die   Differenzen   zwischen   medialen  Infrastrukturen  und  sozialen  Zuständen  porös.  Es  waren  gerade  diese  Abstände  zwischen  Schrift  und  Lesen,  Bücherstube  und  Handwerkshütte,  Bibliothek  und  Fabrik,   die   zu   Bildungskonzepten   als   Verwaltungskonzepten   führten.   Diese  administrierten   Zwischenzonen   wurden   bürgerlich   zu   Schutzbereichen   einer  nicht  eindeutig  zuzuordnenden  Individualität  oder  Subjektivität.       So  gesehen  täuschte  Bildungsdenken  vor,  Teil  der  Gesellschaft  zu  sein.       Es   war   außergesellschaftlich,   versprach,   sich   zu   engagieren,   sich  einzubringen.     (Engagement   war   eine   Figur   des   Individualismus.)   Umgekehrt  gesagt   entstand   der   Spielraum   für   freigestellte   Bildung   aus   der  Differenz   von  einkanaligem   Textkorpus   und   Gesellschaft.   In   dieses   weite   leere   Feld   hinein  wurden  Kindergärten,  Schulen,  Universitäten,  Bibliotheken  gebaut.   Die  Leere  wurde  institutionalisiert.     Die   Veränderungen,   die   es   zu   verstehen   gilt,   betreffen   heute   das  Zusammenschnurren   der   Abstände   zwischen   den   Infrastrukturen   digitaler  Medien  und  sozialen  Systemen.       Und   sie   betreffen   die   Erfahrungen,   dass   institutionalisierte  Bildungskonzepte   in   diesen   direkten   Kopplungen   kaum   mehr   Platz   finden.  Merkmal   der   direkten   Kopplungen   ist,   dass   sie   wissensökonomisch   und  informationell   keine   national-­‐kulturellen   Nester   bilden,   sondern   weltweite  Online-­‐Offline-­‐Habitate   bilden.   Einfach   gesagt,   ergeben   sich   hieraus   Konflikte  zwischen  den  Gruppen,

-­‐ die  in  digitalen  Spiel-­‐  und  Wissensformaten  eine  Bedrohung  überlieferter  Bedeutungsarchitektur  sahen  

und  jenen,   -­‐ denen   es   um   taugliche   Konzepte   der   Wahrnehmungsvermittlung   und  

Beiträgen  zu  Netzwerken  wissensfähiger  Information  geht.   Schaut   man   näher   auf   diese   Konflikte   –   und   ist   zu   dem   auch   noch   daran  beteiligt  -­‐,  ist  ein  Hintergrundsthema  zu  erkennen:  etwas  zugespitzt  kann  man  sagen,  dass  es  ein  massiver  Konflikt     -­‐  zwischen  dem  Willen  zur  Bedeutungsmacht     -­‐  und  der  Befähigung  zur  Kooperation  geht.      

3.1.1.  Kooperation  –  ein  globales  Muss    

Nicht  in  ´Bedeutung´  sind  die  Machtverwerfungen  der  Netzwerk-­‐Gegenwarten  zu   sehen,   sondern   in   dem  Verlust   jeder   Kontrollmöglichkeit   in   binär-­‐digitalen  Zuständen.  

Page 14: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

14

  Unbestritten   ist:   um   Vorratsdatenspeicherung   demokratietheoretisch  und   individualrechtlich   muss   gestritten   werden,   um   akzeptable   rechtliche  Anpassungen   zu   erreichen.     Wie   aber   streitet   man   um   Macht,   die   aus   der  Kontrolllosigkeit   resultiert,   die   in   der   Prozesslogik   von  Betriebs-­‐   und  digitalen  Betreibersystemen  begründet  ist?     Die   Anforderungen   entstehen   nicht   aus   irgendwie   begründeten  Bedeutungsanrufungen.   Sie   bestehen   in   der   Art   und   Weise,   wie   Menschen  innerhalb  der  von   ihnen   ´in  Gang  gesetzten´  Medientechnologien  strukturelle,  sozietäre  Formate  entwickeln.  Die  angesprochene  `Befähigung  zur  Kooperation´    beruht  also  auf  einem  Zwang,  nämlich  dem  Zwang,  der  aus  der  Kontrolllosigkeit  entstanden   ist.   Dies   ist   für   Pädagogik   sicher   einer   der   schwierigsten  Ausgangspunkte.     Es  geht  um  Kooperation  als  Selbstorganisation  und  Selbstregulierung.       In   ihrem   Zentrum   liegt   die   (reproduktions-­‐)   taugliche   Formatierung   der  Wissensprojekte,   ihrer   Netzwerke,   ihrer   bio-­‐technischen   und   sozio-­‐ökonomischen  Reichweiten.  Kooperation  bereitet  Entwicklungsänderungen  vor.  ´Vorbereitung´   meint,   Modelle   zu   fördern,   die   informations-­‐   und  komplexitätssensible  Wahrnehmung  ermöglichen  sowie  Denkweisen  zu  fördern,  die   selbst   als   offene   Kooperationen   strukturiert   sind.   Es   gibt   nichts  Unveränderliches,  weder  in  Bedeutung  noch  Funktion.     Digitale   Netz-­‐Medien   sind   Zustände   global   verstreuter,   instabiler,  widerrufbarer   Kooperationen.     Durch   sie   werden   neue   Formate   des   Sozialen  erzeugt,  -­‐  nicht  mehr  als  vorherrschende  One-­‐Way-­‐Medien,  sondern  als  Online-­‐Offline-­‐Habitate   (M.   Faßler   2011/2012).   Und   dies   gilt   inzwischen   für   knapp   3  Milliarden  Menschen,  die  täglich  in  medialen  Meta-­‐Strukturen  leben.      

3.1.2.    Mediale  Selbstorganisation  –  Zukunft  der  Kollaboration    In  diesen  Verbindungen  von    

-­‐ Macht  durch  Absenz  von  Kontrolle,    -­‐ erzwungener,  reproduktionsbezogener  Kooperation,    -­‐ datenintensiven  medialen  Meta-­‐Strukturen,   in   denen   sich   ständig   neue  

Formate  kurzzeitiger  (sozietärer)  Zusammenhänge  bilden,  -­‐ und  -­‐ erdweit  verstreuten  Offline-­‐Online-­‐Habitaten    

rücken   die   neurophysiologischen   Fähigkeiten   des   Menschen,   von   Dingen,  Zuständen,   Personen   zu   abstrahieren,   Prozessmuster   anzueignen   und  Prozessmodelle   zu   aktivieren   in   die   Forschungsblicke.   Eine   Forschungs-­‐   und  Theorielücke   zeigt   sich:   wir   wissen   sehr   wenig   über   die   entstandenen   Hirn-­‐Fähigkeiten   der   Abstraktion   und   darüber,  wie  Menschen  mit   Zeichen,   Zahlen  und   Ziffern   mehrere   explodierende   Kunstwelten   erzeugten   (wie   z.B.   die  

Page 15: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

15

semiotische   Explosion   vor   10.000   Jahren,   die   semantische   Explosion   vor   4   –  3.000  Jahren,  die  gesellschaftliche  vor  500  Jahren,  die  maschinen-­‐technisch  und  industrielle  vor  200  Jahren,  die  digitale  vor  70  Jahren)  und  in  diesen  lebten.  Ich  fasste   die   physiologischen   Bedingungen   unter   dem   Titel   „Der   Infogene  Mensch“   (2008)   zusammen   und   die   Phylogenese   medialer   Strukturen   unter  dem  Terminus  der  „medialen  Selbstbefähigung“  (2001;  2005).               Über   Jahrtausende   musste   der   Bereich   der  medialen   Selbstbefähigung    offiziell   die   Rolle   neben   dem   religiösen,   militärischen   oder   sozialen   Selbst  spielen.   Die   Evolution   von   Abstraktions-­‐   und   Sprachfähigkeit   wurde   stumm  gemacht   in   der   Figur   der   Mosaischen   Sprachweitergabe   und   in   der  ´Verteufelung´   des   schöpferischen   Unterschieds   (´diabolisch´).   Obwohl     der  Homo   sapiens   erst   zum   Homo   sapiens   sapiens   wurde,   indem   er   Zeichen,  Zeichengruppen,   Zeichensysteme   erfand   und   entwickelte,   waren   diese  faszinierenden   Fähigkeiten   medialer   Selbstbefähigung   und   Selbstorganisation  nicht   zum   (klerikal-­‐religiösen   und   zivil-­‐religiösen)   Bedeutungs-­‐Bankett  eingeladen.   Jungsteinzeitliche   Sesshaftigkeit,   Eroberungskriege,   Entstehung  von  Nation   nach   dem   Ende   der   Kreuzritter-­‐Kriege   und   dem  Römischen   Reich  unterbanden   diese   Selbstbeobachtung.   Klassisch   könnte   man   sagen:     die  mediale   Selbstbefähigung   war   vom   Primat   der   Nation-­‐Politik,   der   Nation-­‐Gesellschaft   und   der   Kultur-­‐Nation   (später   dann   der   Klassen-­‐Gesellschaft)  verschüttet  worden.       Ruppig  und  ohne  Zögern  ändert  sich  dies.       Digitale   Medienentwicklungen   zwingen   uns,   das   menschliche  Betriebssystem   für   abstrakt   begründete   Kooperation   und   Kultur   endlich   zu  erforschen:   das   mediale   Selbst.   Wie   kommen   die   Echtzeit-­‐   und  Aufmerksamkeitsregime  digitaler  Daten-­‐  und  Informationsströme  mit  analogen  (gedehnten)  Lebens-­‐,  Unterhaltungs-­‐,  Arbeitszeiten  zusammen?    

4.  Mediales  Selbst   Durch   digitale   Medienwelten   sind   (mindestens)   zwei   Souveränitätskrisen  ausgelöst:     die  des  Subjektes  und  die  der  Institution.     Vertreter   der   Souveränitätsattituden   wirken   wie   Heimatvertriebene,   -­‐  desorientiert  in  einer  Welt  von  derzeit  knapp  3  Milliarden  Netznutzern,  die  sich  Ende   des   Jahrzehnts   auf   4   Milliarden   summieren   werden   -­‐,   hilflos   in  Netzwerken   von   20   oder   200   Milliarden   vernetzten   Geräten   (und   mit   dem  Standard   IP   v6   wird   dies   noch   verwirrender),   ratlos   in   Konkurrenz   zu   global  Informational  Commons.     Und  diese  Global  Commons  berufen  sich  nicht  mehr  auf  die  Heldenfigur  europäischer   Subjektivität.   Sie   setzen   auf   respektvolle   Kooperation,  entwicklungs-­‐   und   veränderungsfreudige   Ideen,   auf   Kommunikation   als  

Page 16: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

16

Konsum   und   nicht   als   Ordnungsauftrag.   Und   seit   Kurzen   zeigen   sich   Umrisse  des  

„emergence  of  global  brain,  which  consists  of  all  the  humans  connected  to  each  other  and   to   the  machine  and   interacting   in  a  very  unique  and  profound  way,  creating  an  intelligence  that  does  not  belong  to  any  single  human  being  or  computer“. (Yuri  Milner,  ukrainischer  Venture-­‐Capitalist,  Newsweek,  10.Oct.2011)

Information   und   Intelligenz,   die   niemandem   gehören?   Intelligenz,   Erkennen  und  Wissen,   die   nur   durch   Interaktion   in   Zeichengebenden,   technologischen  Zusammenhangsofferten   entstehen,   also   zum   erheblichen   Teil   als  Verfahrensergebnisse   und   zum   anderen   ebenso   erheblichen   Teil   als  Zuordnungs-­‐  und  Deutungsergebnisse?     Wie   lässt   sich   Bildung   formulieren   unter   der   Annahme   selbst  hervorgebrachter   Intelligenz   (also   nicht   selbstverschuldeter   Unmündigkeit),    unter  den  Bedingungen  globaler  Vernetzung,  informationeller  Mündigkeit?     Realitäten,   die   durch   Medien   möglich   werden,   liegen   nicht   außerhalb  dieser  Operations-­‐  und  Kooperationsgefüge.     Medien  sind  diese  Gefüge.  Eigenschaften  wie  kooperierendes  Verhalten,  Fehlersuche,   debugging-­‐Prozesse,   Ausquatschen,   anonymes   aber  interpersonales   Vertrauen   entstehen   in   diesen   Mensch-­‐Medien-­‐Kopplungen.  Die   medien-­‐technologischen   Prozesse,   die   seit   einigen   Jahrzehnten   die   Welt  unseres   Lebens   verändern,   bekräftigen   von   mir   vertretene   anthropologische  These  sich  evolutionär  erweiternder  medialer  Selbstbefähigung  des  Menschen.  Ohne  diese  gäbe  es  weder  Ökonomie,   Institutionen,  Wissenschaften,  Kirchen,  Rechtssysteme,  Poesie.  

4.1.  Ein  Produkt  des  medialen  Selbst:  variierende  und  evolvierende  Zusammenhänge  

 Über   lange  Zeit   fügten  sich  Medien  und  Ordnungsinstanzen  zusammen.   Ihnen  wurden   Gedächtnis-­‐,   Vererbungs-­‐,   Erziehungs-­‐,   Bildungs-­‐   und  Wissenskonventionen  und  Formate  zugewiesen.     Gegenwärtig   erleben   wir   das   Ausschwärmen   des   Medialen   und   die  Absorption  zunehmend  mehr  sozialer  Praxis   in  Medienstrukturen.  So  entsteht  unter   den   Bedingungen   sich   erweiternder   medialer   Selbstbefähigung   des  Menschen   ein   neues   Subjektformat.   Ich   nenne   es   das   „mediale   Selbst“,   das  eine  Querschnittspersönlichkeit  bildet:  funktional  in  Ökonomie,  Nachbarschaft,  Forschung,  Schule,  bei  E-­‐Tickets,  E-­‐Books,  E-­‐Dating,  E-­‐Democracy.    

Page 17: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

17

  So  organisiert  sich  das  mediale  Selbst  des  Menschen  neu,  und  mit  diesem  medialen   Selbst   entstehen   auch   neue   Organisationsweisen   für  Gedankenaustausch,   Gedankenübernahme,   für   informationelle   Reichweiten,  Lernen,  Vermitteln.  (vrgl.  „unternehmerisches  Selbst“  Ulrich  Bröckling).     Medienkritik   wird   sich   als   Ökonomie-­‐,   Lern-­‐,   Bildungs-­‐,   Design-­‐,  Programmierkritik   herausbilden   müssen,   ohne   je   den   Kontext   erreichter  Mediensozialität   verlassen   zu   können.   Ein   Außen   gibt   es   nicht.   Eine   bessere  Bildung  liegt  nicht  in  einer  besseren  Rezeption  von  bildungstypischen  Klassikern,  -­‐  was  immer  dabei  ´besser´  sein  kann.   Bildung   verwende   ich   als   integrierendes   Format   von     geführtem,  experimentellem  und  kontrolliertem  Lernen,  Einübung  in  alle  Wahrnehmungs-­‐  und  Denkmöglichkeiten  der  Zeit  und  Umgang  mit  allen  medientechnologischen  Zusammenhängen.   Dass  ich  dies  nicht  aus  pädagogischer  Sicht  tue,  sei  mir  zugestanden.     Dabei  gehe  ich  von  einem  zunehmend  dichteren  Netz  von  Lebenszeit  und  Echtzeit  aus.  In  ihm  kommen  auf  den  einzelnen  Menschen  vielmehr  Lern-­‐  und  Entscheidungslasten  zu,  als  in  den  Zeiten  institutioneller  Kontrollgesellschaften.       Die  Grundthese  lautet  also:    

die   Menschheit   werkelt   mit   verschiedensten   Interaktions-­‐   und  Organisationskonzepten   an   einem   „neuen   Menschentyp“.   Mit   diesem  Ausdruck   versuchte   Serge  Moscovici   Epochewechsel   von   Sammlern,   zu  Sesshaften,   Landwirtschaftern,   Städtern,   Handwerkern   zu   fassen.   Ein  neuer   Typ   von   Selbst   entsteht,   eine   neue   (Ver-­‐)Fassung   des   einzelnen  Menschen:   ein   mediales   Selbst,   das   den   begrenzenden  Kommunikationsbedarf   früherer   Sozialordnungen   durch   Kooperations-­‐  und  Kollaborationsbedarf  ersetzen  muss.  

 ´Selbst´  ist  immer  zusammengesetzt.       Bei  G.H.  Mead  war  es   zusammengesetzt  aus  den  Vorstellungen,  die  ein  Mensch  davon  hat,  wie  andere  ihn  sehen.  Beschrieben  wurde  ein  funktionales  Mischbild,   das   es   dem   Menschen   ermöglichte,   sich   in   verschiedene   soziale  Situationen   zu   begeben,   und   nicht   über   ´Me´,   die   Einzelvorstellung,   oder   ´I´,  dem  spontanen,  kreativen,  triebhaften  Ich  zu  stolpern.     Derzeit   ändern   sich   die   Selbst-­‐Anteile,   -­‐   die   Selbst-­‐Beiträge.   Die  Entwicklungen  medialer   Selbstorganisation  erfordern  ein  mediales   Selbst,   das  in   der   Lage   ist,   sich   auf   Anonymität   der   Projekte   so   einzulassen,   dass   daraus  Habitate-­‐Intelligenz   (Kooperation   mit   Verkörperungen   des   medialen   Selbst  weltweit)  entstehen  kann.    

 

4.2.  Verhaltenspflichten  und  Denkspäße  

Page 18: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

18

Das   „mediale   Selbst“   birgt   nur  wenig   Rollen-­‐   oder   Funktionssicherheit.   Umso  größer   wird   der   Druck,   die   Verhaltenspflichten   des   Selbst   über  Medienbiografien   zu   bestimmen   (über   Operations-­‐   und   Kooperationsverläufe  innerhalb  der  medial  strukturierten  Räume  zu  bestimmen).  Dies  betrifft  derzeit  ca.   3   Milliarden   Menschen   in   globalen   Mediennetzwerken.   Symmetrien  zwischen   Lebenszeit   und   Echtzeit   sind   da   ebenso   wenig   erkennbar,   wie  dauerhafte,   reproduktionssichernde   symbolische   Zusammenhänge.   Das  mediale  Selbst  ist  nervös,  aufmerksam,  anpassungsbereit  und  anpassungsfähig,  flexibilisiert,  -­‐  also  asymmetrisch.   Ich  betrachte  Subjekt  demnach  durch  die  Linse  des  medialen  Selbst.       Dies  ermöglicht  eine  Arbeitsthese:    

Weder   Bildung   noch   Subjekt   sind   als   Interventions-­‐   oder  Widerspruchsgrößen  außerhalb  der  medialen  Kontexte  darstellbar.    

Sie   werden   in   denselben   Zuständen   hervorgebracht   wie   Algorithmen,  Programme,  Kommunikationsregeln,  Vertrauenszusagen,  Abstraktionen,  Spiele,  Lernsoftware,   Exel,   Power   Point.   Bildung   und   Subjekt   sind   mit   diesen  koemergent,   sie   beflügeln,   befördern   sich   als   Formate   strukturierender  Intelligenz  wechselseitig.     Mit  der  These  der  Koemergenz  (oder  auch  Koevolution)  versuche  ich  zu  vermeiden,  jede  Veränderung  als  Lernen  oder  als  Herrschaft  miss  zu  verstehen.     Neugier,  Versuch,  Test,  schlampige  Bauweise  oder  annähernd  fehlerlose  Programmierungen,   Durchwursteln,   zufällige   und   unbeabsichtigte   Variation  lassen   eine   solche   unsinnige   Idealisierung   nicht   zu.   Und   ökonomische  Tauglichkeit  spricht  andere  Realitätsnormen  an,  als  symbolische  Tauglichkeit.     Gleichwohl   sind   Koemergenz   und   Koevolution   auf   Lernen   bezogen,   das  kognitionswissenschaftlich   als  Gedächtnisbildung   verstanden  wird.   So   schließt  dies   sowohl   iterative   Prozesse   ein,   in   denen   durch  Wiederholungen   Muster,  Routinen,   unbedachte   Selbstverständlichkeiten   entstehen,   als   auch   reflexive  Prozesse,   in  denen  Modelle   erfunden  und   ´hin  und  her  überlegt´  werden,  bis  man  damit  etwas  absichtlich  anstellen  kann  und  will.      

4.3.  Mediales  Selbst  –  neugieriges  Selbst    

Bildungs-­‐Diskurse  stehen  in  schwierigen  Situationen:     Bildungskonzepte   des   19.   und   20.Jhs.   hatten   sich   das   Tabu   auferlegt,  nicht  als  Übergangskonzepte  gelebt  zu  werden,  sondern  als  Aufklärungsanrufe.  Heute   ist   kein   Echo  mehr   zu   hören.   Und:   Die   sich   leitkulturell   verstehenden  Mittelschichten  ahnen  nicht  mal,  welches  Wissen  von  Ihnen  und  ihren  Kindern  in  10  Jahren  verlangt  werden  wird.    

Page 19: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

19

  So  scheint  es  nahe  zu  liegen,  auf  rückblickende  Bildungsideen  zu  setzen,  die  keinen  Bezug  zu  Experimenten,  zu  Innovation,  zu  selektiver  Interaktion  und  Vernetzung  haben.  Traditionelle  Bildungsideen  die,  auf  Neugier  verzichten,    konkurrieren  mit  modernen  Konzepten,  die  die  Neugier  befördern.    Da   beide   allerdings   darin   gründen,   dass   Kultur   die   optimale   Leistung   der  gegebenen   Gesellschaft   sei,   verfehlen   sie   das   zu   verantwortende   Ziel,  Menschen   in   ihrer  Anpassungsfähigkeit   zu  unterstützen.  Beide   kommen  nicht  nah   genug   an   den   Dauerstress   aus   Flexibilisierung,   Arbeits-­‐   und  Wissensmigrationen,   Informationsströmen   und   Innovation   heran.   Nichts  Ketzerisches  ist  erkennbar.     Es   war   gerade   dieser   häretische   Kampf,   wie   Hans   Blumenberg   den  Modernisierungsprozess   der   Wissenschaften   nennt,   der   das   moderne  Bildungsverständnis   bei   Kant   und   Humboldt   festigte   und   der   Etliches   im   19.  Jahrhundert   in  Bewegung  setzte.  Es   ist  hilfreich  daran  zu  erinnern,  dass  bis   in  das   18.   Jahrhundert   in   katholischen   Lebenswelten   Neugierde   eine   Todsünde  war.   Begleitet   wurde   dies   von   christlichem   Sinnlichkeitsverbot,   und   im   19.  Jahrhundert   erweitert   durch   die   bürgerliche  Denunzierung   der   Schaulust   und  des  Spiels  sowie  der  Tabuisierung  des  Privaten  als  intim.  [Eine  Randbemerkung  ist   hier   hilfreich:   lange   bevor   sich   die   Umrisse   eines   medialen   Selbst  abzeichneten,   kippte   Intimität   des   Privaten   in   Tyrannei   um,   in   die  Neurotisierung  von  Öffentlichkeit  (R.  Sennett:  Tyrannei  der  Intimität)]     Nun  mag  man  zu  Recht  einwerfen,  dass  G.  W.  Leibniz   (1646-­‐1716)  oder  Christian   Wolff     (1679-­‐1754)   auf   ars   inveniendi   setzten,   auf   die   Kunst   der  Entdeckung  (und/oder  Erfindung).  Leibniz  war  bestrebt,  die  Vollständigkeit  des  Wissens,   also   restloses   Auffinden   von  Wahrheit   zu   erreichen.   Neben   der   auf  Cicero   zurückgehenden   ars   inveniendi     setzte   er   auch   auf   ars   combinatoria,  übrigens   eine  Denkfigur,   die   sich   in   der   These   von  N.   Luhmann  wiederfindet,  Innovation   sei  nur  die  Rekombination  von  bereits  Bekanntem.   In  der  Biologie  sind  es  die  rekombinanten  Praxen.         Manches,   das   heute   als   Medienkritik   beobachtbar   ist,   wirkt   wie   ein  selektiver  Rückgriff,  nicht  auf  die  Todsünde,  aber  auf  die  starre  Festlegung,  was  Bildung   zu   sein   hat.   Kritik   daran   verfasste   Klaus   Norbert   unter   dem   Titel:  „Idioten  Made   in   Germany“,   wobei   Idiot   altgriechisch   den   Unfreien,   Sklaven,  Arbeiter,  Handwerker  meint.   [Es   ließe  sich  auch  an  Jean  Paul  Sartres  Portraits  von  Gustave  Flaubert  denken,  das  unter  dem  Titel  „Idiot  der  Familie“  steht.]       Neugier  veränderte  die  Einstellung  zur  Sache  und  zu  Sachen,  führte  diese  überhaupt  erst  in  Bildungsdenken  ein.  Sie  stellte  Wahrnehmung  frei  gegenüber  den   Verhältnissen   und   Verhältnismaßen.   Vorteil   für   das   19.   und   20.  Jahrhundert     bestand   in   der   Menge   der   sichtbaren,   praktischen,   technisch  fassbaren   Sachen,   in   Eisenbahn-­‐   und   Straßennetzen,   Abwasser-­‐   und  Transportkanälen,   Versorgungsstraßen   und   Flaniermeilen.   Diese   dinglichen  

Page 20: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

20

Sachbezüge  verkörperten  Gesellschaft,  bis  zur  bedrohlichen  Realität  der  „faits  sociaux“,   die   Emil   Durkheim   als   Quelle   von   Selbstmordwellen   Ende   des   19.  Jahrhunderts  aufdeckte.     Obwohl   ich   diese   Verbindung   von   Bildung   und   Neugierde   für   wichtig  ansehe,  werden  wir  mit   ihr  nicht  viel  weiter  kommen.  Warum  nicht?  Nun,  die  Realitäten,  in  denen  Menschen  lernen,  Zusammenhänge  wahr-­‐,  ernst-­‐,  für-­‐sich-­‐zu-­‐nehmen,   sich   auf   andere   zu   beziehen,   sind   weitgehend   undingliche  Sachverhältnisse   geworden.   Ihre   Infrastruktur   besteht   in   medialen  Querschnitts-­‐   und   Universaltechnologien.   Neugierde   wird   überlagert   von  Forderungen  und  Fähigkeiten,  koordinierende  und  kooperierende  Veränderung    denken   zu   können.  Wir   nennen  dies   etwas  ungenau:   Entwurfs-­‐,   Anpassungs-­‐,  und  Innovationsfähigkeit  und  meinen  entwerfende  Anpassung.    

5.  Mediamorphe  Zustände,  weltweit  

 Die   Fähigkeiten,   Denken   in   den   Informationsflüssen   komplexer   Zustände   zu  entwickeln,   sind   vorherrschend   mediamorph   und   mediapoietisch.  Mediapoietisch   spricht   die   Selbstorganisation   der   Informationsströme   durch  ihre   Nutzung   an.   Mediamorph   weist   auf   die   organischen   und   anorganischen  Körper  des  Medialen.  Ich  werde  hierauf  noch  näher  eingehen.     Diese   dauerhaft   bedingten   Fähigkeiten   lösen   den   Menschen   aus   den  Zwängen   symbolischer   Denkweise.   Vermutlich   ist   diese   die   schmerzhafteste  Erfahrung   für   manche   Bildungsdenker.   Aus   den   symbolischen  Zuordnungsidealen   speisen   sich   viele   Empörungsklischees   zur   Rettung   „der  Bildung“.       Sprach  ich  vorhin  davon,  dass  Heuristiken  die  Hermeneutik  verdrängt,  so  schreibt   der   Anthropologe   Michael   M.J.   Fischer   in   „Forms   of   Life   and   the  Anthropological  Voice“  (2006):    “Das  Leben  läuft  den  Heuristiken,  in  denen  wir  ausgebildet  wurden,  davon.“  

  Er   spricht   damit   instabile,   sich   ständig   verändernde   Formen   an,   -­‐   und  stellt   damit   die   Sicherheiten   des   Formkonzeptes   in   Frage.   Mit   Formen  versuchen  Menschen,  ein  wenig  Ordnung  in  prinzipiell  asymmetrische  Prozesse  zu   bringen.   Wissenschaftlich   reicht   dies   von   Platon,   über   Herbert   Spencers  „Laws   of   Form“   bis   zur   beharrlichen   systemtheoretischen   Rettung   der   Form  Gesellschaft.     Norbert   Elias   hatte   statt   Form   von   Figuration   gesprochen,   verlagerte  Mensch-­‐Umwelt-­‐Beziehungen   in   die   Verkörperung.   Er   beschrieb   damit  Verhaltensskripte,   die   den   höfischen   und   sozialen   Körper   inszenierten.   Beide  Konzepte,  Figuration  und  instabile  Form,  weisen  darauf  hin,  dass  Verhalten  und  Denken   im  weiten   Sinne   soziomorph   sind.   Sie   sind   in   ihrem  Aufbau  abhängig  

Page 21: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

21

von   überraschenden  Wider-­‐   und   Einsprüchen,   Änderungsanforderungen   oder  wechselnden  Unterscheidungsökonomien.       ´Aufbau   von   Verhalten   und   Denken´   kann   so   verstanden   werden,   als  näherte   ich   mich   einer   strukturalen   Bildungstheorie,   wie   sie   von   Winfried  Marotzky  und  Benjamin  Jörissen  2009  vorgeschlagen  wurde.  Nähen  mag  es  da  geben.  Wichtiger  sind  mir  an  dieser  Stelle  die  Unterschiede  zu   ihrem  Konzept  der   „Medienbildung“.   Sie  binden   ihre  Grundlagen   strukturaler  Medienbildung  an  Ideen,  die  Immanuel  Kant  entlehnt  sind:  an  Wissen,  Handlung,  Transzendenz  und   Biographie.   Dies   wirkt   schlüssig,   hat   aber   einen   Mangel:   die   Regeln  medialer  Entstehung  werden  nicht  geklärt,  nicht  angesprochen.  Sie  bestehen  in  der  medialen  Selbstorganisation  menschlichen  Handelns  seit  der  Durchsetzung  formalisierter  Notationssysteme.       Seit   ca.   6000   Jahren   werden   menschliche   Lebenszusammenhänge  zunehmend  und  immer  umfangreicher  mediamorph.      ´Morph´   kennen   Linguisten   als   kleinster   bedeutungstragender  Wortanteil;  und  ´Morphing´  kennen  wir  als  computergenerierten  Effekt  bei  der  Veränderung   von   Ton-­‐   oder   Bildaufzeichnungen.   Mit   dem   Terminus  Mediamorph   spreche   ich   an,   dass   kleinste,   plausible   Schrift-­‐,   Bild-­‐,   Rechen-­‐,  Bewegungs-­‐,   Farb-­‐,   Bedeutungs-­‐,   Zustands-­‐Kombinationen   zusammengefügt  werden,  um  etwas  erkennen  und  verstehen  zu  können.  Unsere  heutigen  Denk-­‐  und  Lebensweisen  sind  ohne  die  Karriere  medialer  Realabstraktionen  in  keiner  Weise  möglich,  in  keiner  Weise  zu  verstehen  oder  zu  kritisieren.       Roger   Fidler  hat   vor   Jahren  mit   seinem  Buch   zur  Evolution  von  Medien  die  wissenschaftliche  Position  skizziert,  die  ich  hier  bedenke:  Mediamorphosis.                   Dies  zu  erforschen,  gerade  in  Bezug  auf  Subjekt  und  Bildung,  schließt  ein,  die   infrastrukturellen,   sinnlich-­‐kognitiven   und   interaktiven   Reichweiten   von  Medien  zu  behandeln.  Dies  wird  bei  Marotzky  /  Jörissen  nicht  aufgenommen.       Ganz   aus   der  wissenschaftlichen   Aufmerksamkeit   ist   die  Mediamorphis  nicht.  Sie  taucht  nur  negativ  auf  als  Datenflut,  Informations-­‐  und  Bilderflut,  als  mediale   Manipulation,   als   Social   Overdose   oder   Social   Overload   durch   die  Menge   von   Sozialen   Netzwerken   und   der   rasant   wachsenden   Nutzerzahlen.  Eine  Entwicklungslehre  des  Medialen  liegt  noch  nicht  vor.     Kurz  gefasst:  Das  Leben,  das  den  Heuristiken  davon  läuft,  ist  mediamorph.       D.h.   umgekehrt:   egal,   wie   schnell   es   läuft,   benötigen   wir  Modelle,   mit  deren  Hilfe  wir  uns  zumindest  am  Ende  eines  Tages  über  die  Bedingungen  des  nächsten   Tages   verständigen   können.   Dass   dies   bei   globalen   Online-­‐Bedingungen  auch  schon  wieder  schwer  fällt,  sei  angemerkt.      Leben  ´läuft  davon´,  weil  jede  Aktivität  selektive  Inter-­‐Aktivität  ist,  auch  ohne  

digitale  Prozessketten.    

Page 22: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

22

Und  Interaktivität  ist  immer  auswählend,  reduzierend,  vergesslich,  erfinderisch,  anarchisch   in   der   Rekombination   von  Bekanntem,   schöpferisch   in   der   Lösung  von   Problemen,   -­‐   in   jeder   globalen   Sekunde,   in   jeder   globalen   Minute,   an  jedem  verstreuten  Ort.       Dieser   Hinweis   auf   die   selektiven   Abläufe   von   Interaktivität   ist  medienwissenschaftlich   gerade   deshalb   entscheidend,   weil   wir   heute   nicht  mehr   einer   Dominanz   einkanaliger   Printmedien   unterliegen.   Rückkanaligkeit,  Internet-­‐Transferprotokolle,  embedded  mind  und  embedded  machine,  Online-­‐Räume   für   Design,   Labors,   netzgestützte   weltweite   Fernsteuerung   von  Laborprozessen,  Open  Source  oder  Peer   to  Peer  –Netzwerke,  User  Generated  Content,  die  Fusion  von  Produzent  und  Nutzer   zeigen  an:  Mediamorphose   ist  Soziomorphose.  Menschen  lernen  durch  Zeichen,  Speicher,  deren  Aktivierungs-­‐,  Lese-­‐,   Nutzungsprogramme   in   bestimmten   Weisen   zu   denken.   Sie  unterscheiden,   erfinden,   entwerfen,   verwerfen   nach   den   Regeln   der   Archive,  ihrer   evolutionären   Tauglichkeit,   ihrer   Machtbindungen,   der   Widerstände  dagegen.   Befehls-­‐,   Wissens-­‐,   Rechts-­‐   und   Glaubensordnungen   sind   Formate  dieser  Mediamorphose.      

5.1.  Mediamorph  leben    Das  21.  Jahrhundert  wird  dauerhaft  von  den  Problemen  bestimmt  sein,  die  die    Unabhängigkeitserklärungen  vernetzter  Online-­‐Offline-­‐Habitate  erzeugen.   Ihre  Akteure  sind  die  Mitglieder  einer  sich  rasch  ausweitenden  Global  Middle  Class.  Mancher   mag   sich   noch   an   J.P.   Barlows   „Unabhängigkeitserklärung   des  Cyberspace“  von    vor  knapp  20  Jahren  erinnern  oder  diese  kennen.  Damals  ging  es   um   Cyber   Culture,   Electronic   Frontier,   Cyber   Pioneers.   Heute   geht   es   um  globale   Denk-­‐   und  Wissens-­‐Programme   und   deren   differenzierte   Kreativitäts-­‐  und   Wertschöpfungsketten.   So   wie   das   Konzept   Gesellschaft   im   19.   Jh.   von  Staatsformen   des   18.   Jh.   unabhängig   erklärt   wurde,   trennen   sich   vernetzte  Habitate  von  Gesellschaft.     Menschen   nahmen   mit   Siedlungen,   Häfen,   Kanälen,   Transport-­‐   und  Produktionstechniken  massiven  geomorphen  Einfluss  auf  Welt.  Sie  bauten  ihre  Welt,  erfanden  eigene  künstliche  Regeln  und  entdeckten  Naturgesetze.  Medien  schienen  das   zu   tun,  was   ihr  Namen  versprach:   zu   vermitteln.  Das  Regelwerk  war   stur,   brutal,   strikt,   inquisitorisch,   veränderungsfeindlich.   Allmählich   wird  aber  deutlich,  dass  jede  entwickelnde  Erfindung  des  anthropologisch  modernen  Menschen  mit   seinen   Fähigkeiten   einher   geht,   Gedanken   und   Gegenstand   in  Medienkörper   zu   verwandeln,   -­‐   seien   es   Beschreibungen,   Patente,  Gebrauchsanweisungen,   Bücher,   Flugblätter.   Es   sind   die   Eigenlogiken   dieser  evolutionären  Mediamorphosis,  die   früher  durch   ´drucktechnisch  verbreitetes  Schriftgut´   zur   Stärkung   moderner   Gesellschaftslegitimität   beitrugen,   deren  

Page 23: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

23

digitale   Betriebssysteme   jetzt   aber   das   Gegenteil   bewirken:   sie   führen   zur  Schwächung,   zum   Rückbau   der   Gesellschaftsmoderne.   Druck   geht   von   den  digitalen  Infrastrukturen  mediamorpher  Wissenschaft,  Technologie,  Ökonomie,  Wahrnehmung  und  Kooperation  aus.    

 

5.1.1.    Netzwerke  ohne  Nachwelt?  

Eine  völlig  neue  Mischung  von  Zeitweisen  entsteht  dadurch,  dass  die  digitalen  Netzwerke  keine  Nachwelt  erfinden  oder  komponieren  müssen.       Die  Zeitökonomien  verändern  sich  nicht  deshalb  dramatisch,  weil  wir  mit  sich   alles   beschleunigt,   sondern   weil   die   Reproduktionsabsichten   des  körperlichen,  semantischen  und  informationellen  speed  dating  /  speed  hating  /  speed   debugging   keine   Nachweltfunktion   haben.   Ihre   Erhaltungs-­‐   und  Reproduktionsabsichten  sind  asexuell,   in  der  Erwartung  von  projektbezogener  oder  seriell  erneuernder  Anerkennung.     Und  dieser  Druck  trifft  in  vollem  Umfang  die  Produktion  von  Wissen  und  die   Legalisierung   ihrer   Bedeutung.   David   F.J.   Campbell,   Elias   G.   Carayanis  hatten   1994   in   ihren   Untersuchungen   zu   „the   new   production   of  knowledge“   auf   den   Übergang   von   Wissensanhäufung   außerhalb   der  Anwendung   zu   Wissensproduktion   markiert,   die   pragmatisch,   in   Anwendung  entsteht   und   dort   bleibt.   Sie   (und   2003   H.   Nowotny)   nannten   dies   den  Übergang   von   Mode   1   to   Mode   2.   Dieser   Mode   2   ermöglichte   ein   zwar  stressiges,   aber   noch   zu   kontrollierendes   Zeitregime   zwischen   Beobachten,  Erkennen,   Entscheiden,   Kollaborieren.   Labore   waren   der   Lieblingsort   dieser  Forschungen.   Die,   wie   Alice   B.M.   Vadrot   schreibt,   „co-­‐evolution   of  knowlege“(ICCR,   Austria,   2011)   bewog   Campbell   &   Carayanis   dazu,   die  Veränderungen   neu   zu   bewerten.   2009   veröffentlichten   sie   „Mode   3“   und  „Quadruple  Helix:  Toward  a  21st  Century  Fractal  Innovation  Ecosystem“.  Damit  reagieren   sie   auf   die   digitalen   Zeitökonomien.   In   ihnen   schrumpfen   die  Unterschiede   von   Datum,   Information,   Innovation   und   Wissen   auf   ein  Echtzeitmodul.     Wenn   dem   aber   so   ist,   dass   von   Menschen   hervorgebrachte  Medienevolution   heute   die   klug   bewerteten   und   gepflegten   Unterschiede  zeitökonomisch   wegwischen:   wie   sind   Subjekt,   Bildung,   wie   ist   Abwarten,  Aufschieben,  noch  mal  drüber  schlafen,  wie  Intelligenz  beschreibbar?     Die   Konsequenzen   für   Subjekt   und   Bildung,   und   selbst   für   überlieferte  Medienideale  und  –feindschaften,  sind  erheblich.       Der   Schutzpatron   Gesellschaft   vergreist,   und   zugleich   zeigt   sich   eine  ungemütliche     anthropologische   Dimension   des   Sozialen.   Der   Wert   der  Gesellschaft  bestand  nie  in  der  Verwirklichung  von  Gleichheit  und  Gerechtigkeit,  sondern   in   der   Fähigkeit,   Einfluss   auf   Naturgesetze,   Naturerscheinungen   zu  

Page 24: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

24

nehmen,   und   darin,   Technologien,   Wissenschaften,   synthetische   Stoffe   und  synthetisches   Leben   zu   erzeugen   (S.   Moscovici   1982,   17).   Mit   den  Entwicklungen   digitaler   Daten-­‐   und   Medientechnologien   rücken  wahrnehmende   Unterscheidung   und   selektive   Produktion   aufs   Engste  zusammen.   Sie   werden   zu   einer   weltweit   eingesetzten,   unhintergehbaren  Anthropotechnik.   In   dieser   These   der   Anthropotechnik   ist   eine   Überlegung  zentral:      

Die  Zustände  bergen  keinen  Wettkampf  der  Gesellschaftssysteme.     Es   sind   Konkurrenzkämpfe   der   mediamorphen   Denk-­‐,   Lebens-­‐   und   Re-­‐Produktionsweisen,  und  diese  sind  über  die  Erde  ausgeschwärmt,  verstreut.       Ungleichheit   durch   Eigentum   an   Produktivkräften   weicht   der  Ungleichheit   an   Häufigkeit   der   Kontakte,   Kollaboration,   Kooperation,   der  Anwesenheit,   der   Beteiligungschancen.   Ungleichheit   wird   personalisiert,   zu  einer  medialen   „assemblage“   (A.   Ong),  mit   Auswirkungen   auf   die   Verfassung  von   Subjekt   und   Bildung.   Widerstand   nimmt   die   anarchischen   Formen   von  Cultural  Hacking   (Th.  Düllo   /   F.   Liebl   2005)   an  oder   von  Hacker-­‐Sozialismus,   -­‐  der  allerdings,  wie  der  Chaos  Computer  Club  zeigt,  sehr  gut  kompatibel  ist  mit  staatlichen-­‐  und  wirtschaftlichen  Sicherheitsarchitekturen.     Die  Digitale   Klassik,   die   ihren  Reichtum  und   ihre  Restriktionen   gerade  erst   zu  festigen  beginnt,  zerlegt  die  Kopplungen  von  Gesellschaft  und  Selbst.     Obwohl   noch   national,   kulturell,   topographisch   zugehörig,   immer   noch  Teil   der   sozialen   Humangeographie   Köln,   Montpellier,   Kairo,   entstehen   die  Fremd-­‐  und  Selbsterwartungen  dieses  medialen  Selbst  in  Welten  von  digitalen  Betriebssystemen   (MS-­‐Dos   oder   Linux),   in   Suchmaschinen   (Google),  Videoportalen  (Youtube),  Buch-­‐,  Video,  Musikläden  (amazon),  Auktionshäusern  (e-­‐Bay),   Social   Networks   (Facebook)   und   Dating-­‐Mating-­‐Portalen  (ElitePartner.de)  etc.      

5.2.  Verbreitete  Mündigkeit  oder  das  Problem  mit  Masse,    Menge  &  Kollektiv  

 In   dem   ich   -­‐  wie   skizziert   -­‐   beeinflussende  Wechselwirkungen   von   biotischen  und   nicht-­‐biotischen   Weltanteilen   vermute,   halte   ich   Abstand   zur  prominentesten  Idee  der  Mensch-­‐Ding-­‐Wechselwirkungen:  der  Actor-­‐Network-­‐Theory   /   ANT.   Damit   meine   ich   nicht,   dass   sie   methodisch   falsch   oder  ungeschickt   ist.   Sie   weist   einen   gravierenden   Mangel   auf:   sie   bietet   keine  Beobachtungsprogramme   für   Veränderung,   adaptive   Lernverläufe,   selektives  Entwurfsverhalten.   Will   man   erforschen,   warum   sich   wiederholende,   warum  verstärkende,   schwächende,   verändernde   Wechselwirkungen   entstehen,  genügt   es   nicht,   die   Netzwerkkanäle   und   deren   Nutzungsintensität   zu  untersuchen.    

Page 25: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

25

  Die   so  gewonnenen  wertvollen  Ergebnisse   zur   sachlich,  dinglich,  medial  erzeugten  Wahrnehmung  und  Intelligenz  erklären  nicht,  wie,  durch  wen,  über  welche  Operationsprogramme  und   Zufälle   granulare   Zustände  entstehen,   aus  denen   vielleicht   Wissen,   Erkennen,   Veränderung,   Hacks,   Netzstrategien,  vernetzte  Habitate  oder  Intelligenz  werden  können.       Ich   gehe   von   prinzipiell   ergebnis-­‐   und   veränderungsoffenen   Zuständen  aus.   Dies   betrifft   auch   Wissen   und   Intelligenz.   Wissenschaftlich   halte   ich  deshalb   auch   das   DFG   –   Netzwerk   „Medien   kollektiver   Intelligenz“   für  methodisch   und   theoretisch   erweiterungsbedürftig.   Dieses   Netzwerk   hat   als  Aufgabe   „mediale   Konstituierung   kollektiver   Intelligenz“   und   beruft   sich   u.   a.  auf   ANT.   Einstieg   erfolgt   über   „Medien   als   Akteure   in   Kollektiven   verteilter  Handlungsmacht“  (Teil  2  des  Netzdokuments  http://www.uni-­‐konstanz.de  ).  In  solchen   Formulierung   drückt   sich   der   kontrolltheoretische   und  machttheoretische   Reduktionismus   aus,   der   nie   klärt   oder   erklärt,   wie   es   zu  dieser  Macht   kam,  kommen  konnte,  ob  es  Konvergenzen  von   Innovation  und  Macht,  Kollaboration  und  Macht  gibt,  warum  es  sie  so  gibt  -­‐  und  vieles  mehr.  Darüber  hinaus,  und  dies  führt  zum  Tagungsthema  zurück,  weiß  ich  nicht,  was  >  kollektive  Intelligenz  <  in  Netzwerken  meint.       Mir  kommt  es  so  vor,  als  behandle  das  DFG-­‐Netzwerk  das  Kollektive  als  politik-­‐   und   salonfähigen   erzogenen   Bruder   der   Masse.   „Mediale  Konstituierung  kollektiver  Intelligenz“?       Massenmedien  zur  Verdummung  und  Kollektivmedien  für  Intelligenz?       Aus   meinen   Forschungen   zur   Phylogenese   medialer   Selbstorganisation  (1999;  2005;  2008;  2010;  2012)  und  zu  akuten  Netzdynamiken  heraus  halte  ich  dagegen:    es  gibt  keine  kollektive  Intelligenz,  die  über  „in  Kollektiven  verteilte  Handlungsmacht“   betrieben   wird,   auch   dann   nicht,   wenn   „Medien   als  Akteure“   behauptet   werden.   Zu   beobachten   sind   Projekte,   Gruppen,  Communities,   Crowdsourcing,   Foren,   Companies,   Online-­‐Märkte,  netzintegrierte  Labore,  erdweit  vernetzte  Online-­‐Offline-­‐Habitate.  Sie  erzeugen  überraschende   Prozesse,   Programme   und   Formate   von   Divergenz   und  Konvergenz  zwischen  den  Milliarden  einzelner  Menschen,  Milliarden  Geräten,  Milliarden   Situationen,   Milliarden   Zuständen.   Und   in   ihnen   entstehen   die  radikalen   Reduktionen,   die   Kommunikation,   Erkennen,   Wissen,   Erinnerung,  Speicherung  ermöglichen.    

[Hilfreich  hierzu  auch:  Merlin  Donalds  Forschungen  zur  Phylogenese  der  Repräsentationssysteme:  1993:  Précis  of  the  modern  mind.  Three  stages  in   the   evolution   of   culture   and   cognition.   In:   Behavioral   and   Brain  Sciences,  16,  737-­‐791;  sowie:  >  A  mind  so  rare.  The  Evolution  of  Human  Consciousness.   <     –   Forschungen   zur   Phylogenese   der   Abstraktion  könnten   dem   folgen.   Vrgl.   N.   Elias   Forderung   nach   einer  

Page 26: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

26

„Entwicklungslehre  der  Abstraktion,  des  Symbolischen“  in  Essay  über  die  Zeit]  

 

5.2.1.  Grenzen  eines  Kollektiv  Imaginären  

Es   gibt   für   Bildung   und  Wissen,   ganz   gleich  wie   überliefert   oder   aufgefrischt,  keine   Ziellinie,   keine   Siegertreppchen.   Kulturwissenschaftlich   heißt   es   zwar,  „Kultur   benötige   einen   Vorrat   an   symbolischen   Varianzspielräumen“   (z.B.  W.  Menninghaus,   2011,   242).   Aber:   Aus   welcher   Not   heraus?   Und:  Wo   sind   die  technologischen,  dinglich-­‐abstrakten,  medialen  Spielräume  und  Varianzen?     Das   klassische   deutsche   Bildungsparadigma   stritt   um   Formen   zeitloser  Selbstbildung  und  Selbstbeschäftigung.   Im  Zentrum  stand  der   schaffende  und  aneignende   Umgang   mit   Künsten.   Abstraktion   und   Figuration   wurden   als  Besonderheiten  des  einzelnen  Menschen  gesehen.  Sie  schufen  jene  Deutungs-­‐Kultur,   die   der   Nachversorgung   durch   individuelle   Leistungen   bedurfte.  Zugleich  war  Kultur  nur  über  diese  einzelmenschlichen,  anti-­‐  und  nachfeudalen  Fähigkeiten  bestimmt. Darin  lag  ein  ab  und  an  diskutierter  Konstruktionsfehler.  Er   besteht  darin,   die  Singularität   des  Kunstereignisses   und  der  Erkenntnis   auf  Kultur   hochzurechnen.   In   evolutionswissenschaftlicher   Sprache   gesagt:   Die  Ontogenese  der  Kunst  überlagert  die  Phylogenese  der  Kultur.     Mir   ist   nicht   wichtig,   ob   Entwicklungen   und   Variationen   von   Zeichen,  Bedeutungsgefügen,   Denktechniken,   Produktions-­‐   und   Medientechnologien  absichtlich   vergessen   wurden.   Jedenfalls   entstand   aus   der   unüberwindlichen  Ferne   zu   langzeitigen   Technikentwicklungen   und   bürgerlich-­‐maschinentechnischen   Entwürfen   Bildung   als   ein   kollektives   Imaginäres   ohne  Ölgeruch  und  Maschinenlärm.     Zwar   setzte   sich   die   bürgerliche   Gesellschaft   mit   Buchdruck   und  Schwarzpulver   durch,   wie   Hegel   schrieb.   Aber   sie   schuf   eine   permanente  Revolution   von   Abstraktion   und   Verhaltensformaten,   Lernkurven   und  Körperinszenierungen.   Nur   einmal,   im   19.   Jahrhundert,   verließ   der  Buchstabendruck   die   Salons   und   Bibliotheken   und   machte   Denken   und  Interessen   öffentlich.   Plakatiert,   über   Flugblätter   und   Flugschriften   verbreitet  entstand  öffentliche  Rede  und  schuf  das  Parlament.       Das   kollektive   Imaginäre   der   maschinenfreien   Bildungs-­‐Kultur   koalierte  mit  dem  polit-­‐ökonomisch  Imaginären,  Kultur  mit  Verfassungs-­‐  und  Sozialstaat.         Aktuell   wird   Denken   in   digitalen   medialen   Zusammenhängen   und  Räumen  aktiviert;  Menschen  beteiligen   sich   an  erdweiten  Gruppenprozessen,  kehren  den  alten  gesellschaftlichen  und  politischen  Selbstillusionierungen  den  Rücken,   erzeugen   neue   Praxen   und   Illusionen   über   Communities,   Clouds,  Cooperative  Networks.  

Page 27: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

27

  Die  Ambivalenzkonflikte  (E.O.  Wilson),  die    jedes  menschliche  Sozialleben  durchziehen,   verlagern   sich   weg   von   Nationalkultur,   weg   von  Ortsgesellschaften.   Und  mit   ihnen   entstehen   Anforderungen,   keine   zeitlosen,  sondern   zeitnahe   Modelle   für   Zusammenhänge   und   Bedeutung   zu   erfinden.  Dieses   Zusammenschnurren   von   Lebenszeit,   datentechnologischer   Echtzeit,  Kurzzeitprojekten,   24   Stunden   Online,   20stündige   Bereitschaft   in   den  Blackberry-­‐Berufen,  Kollaboration  mit  Menschen,  deren  Grundverständnis  von  Menschen-­‐  und  Sozialrechten  mir  nicht  geläufig  ist,  -­‐  und  wäre  es  mir  bekannt  und   fremd,   so   hätte   ich   nicht   die   Zeit   es   zu   beeinflussen   -­‐,   erfordert   die  Fähigkeit,   ein   Zusammenhangsformat   des   Denkens   zu   erzeugen,   für   den  Moment.     Und  dies   erzeugt   einen  Bildungssturz:   entweder   Bildung  wird   zu   einem  zivilisatorischen,   weitgehend   formalisierten   Modell   potentieller  Beteiligungsmöglichkeit  an  allen  schrift-­‐,  bild-­‐,  raumsprachlichen  Medien,  oder  es  wird  Denk-­‐Folklore.

5.2.2.  Und  noch  einmal  Evolution:    Phylogenese  

Mit   Evolution   ist   also   keine   Annahme   zielgerichteter,   zielführender   Bildung,  Medialität   oder   Subjektivität   verbunden.   Evolutionäre,   oder   richtiger:  koevolutionäre   Zusammenhänge   ergeben   keine   dauerhaften   Zustände,   ganz  gleich   wie   drängend   und   bedrohlich   Technologien   empfunden   oder   wie  determinierend   genetische   Bedingungen   erachtet   werden.   Die   entstehende  vielfach  differenzierte  Topologie  eines  medialen  Selbst   ist  Produkt   langer,  seit  ca.   40.000   Jahren   verlaufender   medialer   Selbstorganisation   des   Menschen,  beginnend  mit   der   Überwindung   der   Signale   durch   diskrete   Zeichen   und  mit  der   Überwindung   der   einzelmenschlichen   figürlichen   Erinnerung   durch  expressive   Höhlenzeichnungen.   So   wie   sich   Menschen   heute   entwickeln,   zu  Ansicht,   Einsicht,   Absicht,  Wahrnehmung   und  Wissen   kommen,   hat   also   zum  einen  mit   ihrer   biologischen   Ausstattung,   aber   weit   mehr  mit   den   Formaten    der   Techno-­‐,   Gruppen-­‐,  Wirtschafts-­‐   und  Medienorganisation   zu   tun.   Richard  Dawkins   hat   dies   in   seinem   Buch   zum   „erweiterten   Phänotyp“   hilfreich  reichhaltig  dargestellt.       Auf  die  Frage  nach  der  „Phylogenese  von  Kultur“  sind  Ruth  Mace,  Clare  Holden   und   Stephen   Shennan   (2005)   in   „The   Evolution   of   Cultural  Diversity“   präzise   eingegangen.   Wobei   wissenschaftlich   zu   bedenken   bleibt,  dass   es   kein   Ende   von   Evolution   im   Hier   und   Jetzt   gibt   (S.J.   Gould).   Alles  verändert   sich   weiter.   Der   Evolutionsbiologe   Mark   Pagel   (edge.org)   bringt  deshalb  auch  „the  idea  of  idea  evolution“  ins  Spiel  (Jan.  2012).       Obwohl   ich   J.   Piagets   „genetische   Epistemologie“   sehr   schätze,  wird   an  diesen   Hinweisen   erkennbar   sein,   dass   eine   genetisch   bedingte  Individualentwicklung  nicht  ausreicht,  um  an  die  Koevolution  variationsreicher  menschlicher  Selbstorganisationen  heranzukommen,  an  ihre  Operationsketten  

Page 28: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

28

und  Programme,  wie  André  Leroi-­‐Gourhan  die  uneinheitliche  Langfristigkeit  zu  fassen  versucht.        

 5.3.  Zivilisatorische  Anstrengungen,  mediamorph  

 Sicher:   es  bleibt   schwer   zu   sagen,  wie   sich  Neues,   in  unserem  Falle:  Mensch-­‐Medien-­‐Kopplungen,  formieren  wird.       Wie   viel   Medientechnologie   in   Blusen,   Hemden,   Jacketts,   in   Brillen,  Hauswänden,   Kühlschränken   oder   Uhren   eingebaut   und   getragen   wird,   ist  ungewiss.  Mit  Cyber  Physical  Systems,  die  alle  die  von  mir  genutzten  digitalen  Systeme  verknüpfen  können,  über   IP  v  6   jede  Dingstruktur  zur  elektronischen  Adresse  machen  kann,  wird  so  Vieles  smart  und  intelligent,  dass  wir  uns  schon  anstrengen  müssen,  Bildung  zu  reformulieren.       Ich   vermute,  dass   es  nicht  mehr  um  Bildung  als  Alleinstellungsmerkmal  von  Subjekt  oder  Kultur  geht,  sondern  um  Bildung  als  kooperative  und  selektive  Interaktionsfähigkeit.  Marktforscher  gehen  von  76  Milliarden  App-­‐Stores  2014  aus.  Die  dritte  digitale  Revolution  nimmt  es  mit   der  Welt   auf,   nimmt  Welt   in  sich  auf:  nach    PC  (1980),  WWW  (1990)  jetzt  all  präsente  Cloudtechnologien.     Nun   soll   es   ja   hier   nicht   vorrangig   um   technologische   Infrastrukturen  gehen,   sondern   um   die   ehrenwerten   Gesellen  Medium,   Subjekt   und   Bildung.  Sie  waren  drei  Säulen  der  Kulturimagination  früherer  Zeiten.       Sie   sind   es   nicht   mehr,   zumindest   gibt   es   keinen   semantischen   und  symbolischen   Direktkontakt   mehr   zwischen   Subjekt,   Bildung   und   nationaler  Kultur.  Die  Versprechen,  dazu  zu  gehören,  werfen  immer  häufiger  die  Frage  auf:    Wozu   gehören   Menschen   in   Köln,   Moskau,   Kairo,   Boston,   Seoul?   Ist   der  „arabische   Frühling“   der   „europäische   Herbst“?   Oder   teilen   viele   Menschen  weltweit   dieselbe   mediale   Jahreszeit,   dieselbe   mediale   Anwesenheit,  Kommunikationszeit?  Dasselbe  Neue?       Schaut  man   sich   die   Proteste   der   letzten   Jahre   an,   so   geht   es   nirgends  mehr  darum,   sich  mit  Haut  und  Haaren  einem  sektiererischen  Regelwerk  von  Gesellschaft,   Kultur,   Bewegung   zu   unterwerfen,   -­‐   keinem   zielgerichteten  Bildungskonzept.   Es   handelt   sich   in   Manhatten,   Tottenham,   Kairo   oder  Frankfurt   um   keine   subkulturellen   Lebensstilproteste.   Vielmehr   bilden   sich  ungezählte   Projekte,   in   denen   verbundene   Themen   aufgegriffen,   formuliert  und  ebenso  ´Vor  Ort´  wie  im  Netz  verhandelt  werden  (atac,  occupy,  hack).  Die  Netzkooperationen   drücken   Einverstandensein   mit   den   vielfachen  Informationsströmen   aus,   und   zugleich   das   Nicht-­‐Einverstandensein   mit  ökonomischen,   kommunikativen   und   auch   lizenzierten   medialen   Zuständen  jeweiliger  Gesellschaft.       Im   kooperativen   Einverständnis   entstehen   brauchbare   (viable,   E.v.  Glasersfeld)  Online-­‐Offline-­‐Habitate,  die  über  thematische,  also  informationelle  

Page 29: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

29

Kopplungen   miteinander   verbunden   sind.   So   versammeln   sich   viele  gleichzeitige   Räume,   ähnliche   Projekte,   sicher   auch   unklare   Hoffnungen.   Sie  verstärken   zugleich   die  medialen   Infrastrukturen,   die   diese   Koordination   von  Themen   und   Protesten   möglich   machen.   Da   diese   Technologien   sich   als  ökonomie-­‐  und  reproduktionstauglich  erwiesen  haben,  belebt  werden  können  und   brauchbar   sind,   begünstigen   sie   eine   entwicklungsgeschichtlich  interessante  Veränderung:  die  Entstehung  eines  hoch  differenzierten  medialen  Selbst.     Trotz   der   vielen   Versuche,   die   digitalen   Medienverhältnisse   als  Massenmedien   oder   Massenechtzeitmedien   so   fortzuschreiben,   dass   alle  Verdummungsargumente   fortgeführt   werden   können,   verbinde   ich   mit  medialem  Selbst  die  Gegenthese:    

die  entstehenden  Figuren  des  medialen  Selbst  sind  die  Steigerungsform  der  Masse  und  deren  Überwindung!  

Von  der  „einsamen  Masse“  (D.  Riessmann  1958)  bleibt  nichts  übrig.  Von  Masse  geht   es   über   Menge,   Communitiy,   Crowd,   Leute   zur   Selbstüberbietung   in  kooperativen,   spielerischen,   zufälligen   Gruppen,   Networks,   Projekten.   In   der  „unablässigen   Bewegtheit   des   Subjekts“,   die   Hannelore   Bublitz   in   „Im  Beichtstuhl   der   Medien“   herausstellt,   überlässt   sich   die   Interessenlage   der  Subjekte   nicht   der   Bewegung   der  Masse,   sondern   agiert   im  Bewegungserfolg  der   Community,   Crowd   etc.     [Hannelore   Bublitz,   Im   Beichtstuhl   der  Medien:  http://www.transcript-­‐verlag.de/ts1371/ts1371_1.pdf]     Subjekt,  das  sich  permanenter  Darstellung,  systemischer  Selbstkontrolle,  angepasster  Bewerbung  und  Selbstkorrekturen  verschreibt,  bis  zur  Täuschung,  zum   Betrug,   zur   Coolness,   Smartness   und   Bildung,   rettet   sich   vor   dem  Verschwinden   in   coole   Anwesenheiten   und   in   Unbeobachtbarkeit.   Das   ist  vermutlich   das   Kritische   daran:   Subjekt   erschließt   sich   für   sich   und   andere   in  der  medialen  Präsentations-­‐,  d.h.  in  der  medialen  Interaktionsform.       Im   Moment   des   Verschwindens   oder   Abschwächens   vordigitaler  Referenzen   für   Subjekt,   lernen  Menschen   sich   selbst   sichtbar,   hörbar,   lesbar,  ansprechbar   zu   machen,   weltweit.   Und   sie   organisieren   sich   medial   selbst,  erzeugen   als   Nutzer   Weltmärkte   –   und   werden   von   den   Gewinnern   dieser  Märkte  vor  unbeabsichtigte  Organisations-­‐  und  Sozialitätsalternativen  gestellt.                 Menschen   stehen   dabei  weder   außerhalb   der   Demokratietraditionen,   -­‐  wie  alle  Untersuchungen  aufzeigen  -­‐,  noch  außerhalb  sozietärer  Erwartungen.      

5.3.1.  Selbst-­‐  und  “  Bewusstseins-­‐Internationale“    Die  Figur  des  globalen,  medialen  Selbst  erzeugt  „eine  globale  Imagination  und  Fantasie,   eine   Bewusstseins-­‐Internationale“   (Klaus   Schönberger   im   FR-­‐Interview,  07.Okt.  2011).    

Page 30: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

30

  Hunderte,   Tausende,   Millionen,   Milliarden   tragen   zu   diesen  Entwicklungen   bei,   beeinflussen   ihre   Wahrnehmung,   ihr   Denken,   ihre  Wissensformate   wechselseitig,   strittig,   projektgebunden.   Bildungsdebatten  müssen   diesen   Wegen   globaler,   medialer   Selbstformierung   und   globaler  Imagination  folgen.    

6.  Wissenskopien  gegen  Bildungskopien?    Wie  sollte  man  zu  Wissen,  zu  Subjekt,  zu  Bildung  raten?       Herkömmliche  Bildungsdebatten  sind  Streits  zwischen  Profis.  Dabei  geht  es  nicht  um  neue  Denk-­‐,  Gedächtnis-­‐  und  Entwurfsverfahren.  Dies   liegt  unter  anderem   daran,   dass   Bildungskonzepte   keinen   Einigungsvertrag   mit  Innovationen  geschlossen  haben.       Der   Gesellschafts-­‐   und   Generationenvertrag,   mit   dem  Bildungsargumente   auftreten,   ist   ein   Erbschaftsgestus:   Tradierung   genannt.  Kopien   und   Kopierregeln   stehen   hoch   im   Kurs.   Debattiert   wird   darüber,   was  innerhalb   einer   relativ   geschlossenen   Kultur   oder   Gesellschaft   oder  landesüblicher,  parteigebundener  Schulpolitik  kopiert  werden  soll.  Kopieren  ist  der   Goldstandard   sich   absichernder   sozialer   Reproduktion:   „Kennst   Du   das?  Hast  Du  das  gelesen?  Kannst  Du  das  wiederholen?  Wendest  Du  das  an?“     Nun   ist   Kopieren   weder   ehrenrührig   noch   verkehrt.   Etwas   zu  wiederholen,   zu   standardisieren,   in   Routinen   hinüber   gleiten   zu   lassen,   seine  Herkunft   zu   vergessen,   begleiten   menschliches   Denken   und   seine   Intelligenz  schon  immer.  Wer  will  schon  Rad,  Fußball,  Häuserbau,  Satzbau,  Maschinenbau  ständig   neu   erfinden?   Jede   Verbreitung   einer   Idee,   einer   Ware,   eines  Konzeptes   bedient   sich   dieses   Prinzips.   Jedes   Zeichen,   das   zur   Verständigung  ausgewählt  wird,  muss  in  der  Gruppe  gestreut,  verbreitet  werden,  muss  kopiert  werden.   Störungslos   verläuft   das   nicht.   Ständig   entstehen   Kopierfehler,  auffällig,   unauffällig,   individuell,   in   Gruppen.   Sie   sind   das   Tor   zur   zufälligen  Veränderung.  Dies  dokumentiert,  dass  Zustände  nur  relativ  stabil  bleiben.  Und  es   spricht   an,   dass   hieraus   keine   absichtlichen   Erneuerungen,   sondern   eher  Verstöße   gegen   die   Erhaltungsregeln   entstehen.   Dies   ist   für   das   heutige  Verhältnis   von   Bildung   und   Innovation   sehr   wichtig.   Menschen   sind   nicht  ständig  innovativ,  und,  was  viel  wichtiger  ist:  nur  die  wenigsten  Menschen  sind  organisatorisch,  konzeptionell,  entwerfend  innovativ.       Bildungskopien  konsumieren  Vorheriges,  indem  sie  es  reproduzieren.  Das  ist   ihre   Funktion.   Die   Intelligenz   der   Menschen   besteht   nun   darin,   die  Kopierfehler   in   Denken   und   Verhalten   zu   entdecken,   und   sie   entweder  geschickt  zu   ignorieren  (bis  das  es  nicht  mehr  geht),  oder  sie  als  Quelle  neuer  Unterschiede   zu  verwenden.  Unvorbereitet   trifft  nun  auf  die  Bildungsmodelle  eine   kommunikative   Praxis,   die   auf   die   Programmierung   und  Aktivierung   von  

Page 31: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

31

Zuständen   setzt,   in   denen   die   wahrscheinliche   Erzeugung   von   Kopierfehlern  und  deren  Behebung  zum  zentralen  Kooperationsangebot  werden:       Bildung  müsste  unter  diesen  Bedingungen  auf  Entwurf  und  Entwicklung  eingeschworen   werden,   also   zum   Gegenmodell   fehlerloser   Kopien   mit  regulierter  (kontrollierbarer  und  benotbarer)  Variabilität.     Je   umfangreicher   die   Aktionsfelder   des   medialen   Selbst   werden,   umso  vielfältiger  werden  die  Unterschiede  im  Kopieren  werden.    Wir  erleben  rasche  Zunahmen   von   (kontingenten)   überraschenden   Veränderungen.   Ihre   Menge  und   zeitliche   Intensität   kann   nicht   geschickt   ignoriert   werden.   Immer   klarer  wird   dabei,   dass   es   nicht   genügt,   über   Nachkorrekturen   bei   kulturellen  Kopierregeln   nachzudenken,   -­‐   z.B.   darüber,   wie   mehrsprachige   Dateien   auf  einen  nachvollziehbaren  Bedeutungszusammenhang  bezogen  werden  können  -­‐.  Die   Grundkonflikte   ergeben   sich   aus   der   Haltung   gegenüber   den  Wahrnehmungs-­‐,   Wissens-­‐,   und   Reproduktionsressourcen,   die   durch   die  Globalisierung  des  medialen  Selbst  entstehen.    

6.1.    Zukunft  –  auf  sich  selbst  gestellt    

Die   Ressource   Abstraktion   ist   der   Weltkode   von   möglichen   und   zufälligen,  gewünschten  und  sich  aufdrängenden  Zukünften.  Nun,  dies  war  schon  seit  den  ersten   erinnerten   Anleitungen   zur   Produktion   von   Faustkeilen,   vererbten  musikalischen  Lautfolgen,  Zeichen,  Zeichnungen  so.  Die  heutigen  Beziehungen  zwischen  Abstraktion,  Weltkodierung,  Entwurf  und  Reproduktion  liegen  also  im  Feld   der   Phylogenese   (der   „Entwicklungslehre“,  N.   Elias)   von  Abstraktion  und  Synthese.   Neu   ist,   dass,   wie   schon   angesprochen,   die   derzeitigen   (medialen,  technologischen,   kooperativen)   Abstraktions-­‐Repertoires   nicht   um   Vererbung  von  Programmen  und  Kooperationsketten  konkurrieren.   Ihr  Erbe  sind  formale  Kalküle  für  völlig  andere  Programme.  Ihre  Erbschaft  ist  Veränderung.  Mögliche  Zukunft  ist  keine  Fortsetzung  von  Formaten  oder  Formen.       Vernetzte  Zukunft  ist  auf  sich  selbst  gestellt.       Sie  ist  nicht  anders,  weil  heutige  Menschen  den  kommenden  Menschen  so  viel  Freiheit(en)   lassen.  Sie  ist  anders,  weil  die  Kopierregeln  nicht  mehr  das  Augenscheinliche   und   Sinnfällige,   die   Phänomene   oder   die   Stabilität   eines  materialen  Dinges  betreffen:    

-­‐ nicht  die  Displays  werden  vererbt,  sondern  die  Beobachtungslogik,    -­‐ nicht  die  Screens,  sondern  die  skopischen  Ordnungen,    -­‐ nicht   die   virtuellen   Nachbarschaften,   sondern   die   Meta-­‐Struktur   aller  

möglichen  Cluster-­‐  und  Gruppenbildungen,    -­‐ nicht   sicheres   Herkunftswissen,   sondern   (passive)   Muster   und  

(aktivierbare)  Modelle  von  Wissensfähigkeit,    

Page 32: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

32

-­‐ nicht   land-­‐,   berufs-­‐,   institutions-­‐gebundene   Kultur   (Gedächtnis-­‐Pflege),  sondern  verlässliche  Intelligenz,    

-­‐ nicht   abfragbare   Kopien,   sondern   das   Hacking   von   Kopierregeln   und  Kopien,    

-­‐ nicht  gefordertes  festgelegtes,  spezialisiertes  Wissen,  sondern  geforderte  unspezialisierte  Neugier.  

Um  diese  Veränderungen  vordenkend  begleiten  zu  können,  muss  auch  kopiert,  standardisiert,  konventionalisiert  werden.  Aber  was?  Wie?  Wann?  Durch  wen?       Sollte   man   die   Kontrolle   der   Kopierverläufe   der   breiten   User-­‐Menge  überlassen,   weltweiten   Zufalls-­‐   und   Projekt-­‐Populationen?   Sollte   man  Bildungsamateuren   die   Entscheidungen   über   Wissensvektoren   überlassen?  Was  machen  dann  die  legalisierten  Bildungsprofis?     Nun,  in  weiten  Bereichen  ist  das  schon  entschieden.  Amateure  kopieren  weltweit  und  haben  als   ebenso  amateurhafte,   aber  oligarchische   Lehrmeister  Betriebssysteme   (MS-­‐Dos;   Mac),   Suchmaschine   (Google),   Videoportal  (Youtube),  Buch-­‐,  Musik-­‐,   Filmversand   (Amazone),  Versteigerungsmonopol   (e-­‐Bay),  Social  Network  (Facebook).     Wissens-­‐   und   Bildungsforschung   sollte   hierauf   nicht   nur   reagieren.   All  dies   sind  Dimensionen  einer  „Phylogenese  der  Kulturen“,  wie  Ruth  Mace  und  Clare  Holden  es  nennen.  Noch   sind  wir   erst   am  Anfang  der   Forschungen  und  Theoriebildung   zur   „idea   of   idea   evolution“,   wie   der   britische   Biologe   Mark  Pagel  es  vor  kurzem  (edge.org,  Januar  2012)  ansprach.       Die   Verhältnisse   von   Kopie   und   Innovation,   von   Können   und   Neugier  stehen   für  die  Reformulierung  eines  Bildungskonzeptes  ganz  oben  auf  meiner  Wunschliste.  

 7.  Zum  Abschluss  

 Ein  Satz  von  Serge  Moscovici  aus  „Versuch  über  die  menschliche  Geschichte  der  Natur“   mag   den   Abschluss   bilden.   Er   ist   in   der   Lage,   mediales   Selbst,  Mediamorphosis,  Computing,  die   ich  eingangs  gegen  die  Technologieromantik  einsetzte,  zusammenzufügen:    

„Man  sagt  zu  Unrecht,  die  Maschine  (hier:  die   Informationstechnologie)  ersetze  den  Menschen;  in  Wirklichkeit  ersetzt  ein  Mensch  einen  anderen  Menschen,  eine  menschliche  Fähigkeit  eine  andere.“  (1982,  254)  

               

Page 33: Bildung im 21. Jahrhundert · 2013. 5. 17. · 1 Manfred(Faßler(Bildung im 21. Jahrhundert Basistext meines Vortrags gehalten im Rahmen der Konferenz Bildung Medien Subjekt (Prof

33

Literatur:      Bauer,  J.,  2006:  Prinzip  Menschlichkeit.  Warum  wir  von  Natur  aus  kooperieren,  Hamburg  Faßler,  M.,  2012:  Kampf  der  Habitate.  Neuerfindungen  des  Lebens  im  21.  Jahrhundert,  Wien    Faßler,  M.,  2008:  Der  Infogene  Mensch.  Entwurf  einer  Anthropologie,  München  Faßler,  M.  2005:  Erdachte  Welten.  Die  mediale  Evolution  globaler  Kulturen,  Wien  New  York  Leroi-­‐Gourhan,  A.  1984:  Hand  und  Wort.  Die  Evolution  von  Technik,  Sprache  und  Kunst,  Frankfurt/M  Laughlin,  R.  B.,  2008:  Das  Verbrechen  der  Vernunft.  Betrug  an  der  Wissensgesellschaft,  Frankfurt/M  Menninghaus,  W.,  2011:  Wozu  Kunst?  Ästhetik  nach  Darwin,  Berlin    Moscovici,  S.,  1982:  Versuch  über  die  menschliche  Geschichte  der  Natur,  Frankfurt/M    Mühlmann,  H.,  2011:  Die  Natur  der  Kulturen.  Entwurf  einer  kulturgenetischen  Theorie,  München  Roth,  C.,  Cointet,  J.-­‐P.,  2009:  Social  and  semantic  coevolution  in  knowledge  networks.  Social  Networks,  p.  14ff  Schurz,  G.  2011:  Evolution  in  Natur  und  Kultur,  Heidelberg