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Bildungsabenteuer Kindergarten 1 Bildungsabenteuer Kindergarten Handbuch zur Dokumentation der pädagogischen Arbeit in den NÖ Landeskindergärten

Bildungsabenteuer Kindergarten...7 Land Niederösterreich, Abteilung Kindergärten, 2010, S. 32 f. Kindergarten 11 In der Konzeption wird das Profil einer Einrichtung festgehalten

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  • Bildungsabenteuer Kindergarten 1

    BildungsabenteuerKindergarten

    Handbuch zur Dokumentation der pädagogischen Arbeit in den NÖ Landeskindergärten

  • 2 Bildungsabenteuer Kindergarten

    DANKE

    DANKE an alle, die zur Entstehung dieses Handbuchs beigetragen haben – für das Einbringen eurer Erfahrungen und Ideen, für den Austausch unterschiedlicher Perspektiven und das Finden gemeinsamer Blickwinkel, für das Fragenaufwerfen und Antwortensuchen. Im Besonderen an den Arbeitskreis Planung, bestehend aus insgesamt 33 Vertreterinnen und Vertretern aller Funk-tionsbereiche im Arbeitsfeld Kindergarten (Fachaufsicht, Pädagogische Entwicklung/Beratung, Kindergartenleitung, Gruppenführung, Springerinnen- und Springerdienst, Sonderpädagogischer und Interkultureller Bereich, Personalvertretung), der sich vom April 2015 bis Juni 2016 in unter-schiedlicher Zusammensetzung mit der Entwicklung eines praxisnahen Dokumentationssystems auseinandergesetzt hat.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 3

    VORWORT

    Die Idee für das Handbuch BILDUNGSABENTEUER KINDERGARTEN ist im Arbeitskreis Planung ent-standen, der sich zum Ziel gesetzt hat, die 2012 eingeführte Planungs- und Dokumentationsform für Kindergärten in Niederösterreich entsprechend der Rückmeldungen aus der Praxis zu überarbeiten.

    Das vorliegende Handbuch beinhaltet eine detaillierte Darstellung der praxisangepassten Planungs- und Dokumentationsform, dahinterstehende theoretische Wissensgrundlagen und eine Reihe von Beispielen aus der Praxis. Es soll als Nachschlagewerk für Pädagoginnen und Pädagogen dienen, wenn sich Fragen zur Dokumentation der pädagogischen Arbeit stellen, und einen gemeinsamen verbindlichen Rahmen für die Planung, Reflexion und Dokumentation bieten.

    Folgende Änderungen wurden aufgrund von Rückmeldungen aus der Praxis vorgenommen:

    Allgemein• Mehr Eigenverantwortung der Pädagoginnen und Pädagogen in Bezug auf die Quantität und

    Qualität der Dokumentation ihrer pädagogischen Arbeit.

    • Planungs- und Dokumentationsschritte sind festgelegt, die Form ist individuell wählbar. Es können die angebotenen Formulare oder eine freie Dokumentationsform gewählt werden, in der die angeführten Beobachtungs-, Planungs- und Reflexionsschritte gut nachvollziehbar dargestellt sind.

    • Anpassung der Dokumentationsvorgaben für unterschiedliche Berufsgruppen an die Anforde-rungen ihres Arbeitsfeldes (Springerinnen und Springer, Sonderkindergartenpädagoginnen und Sonderkindergartenpädagogen, Interkulturelle Mitarbeiterinnen und Interkulturelle Mitarbeiter).

    Konzeption. Eine gemeinsame Basis schaffen• Übersichtliche Teilung in organisatorische und pädagogische Belange.Überblick. Alles Bedeutsame auf einen Blick• Bietet die Möglichkeit zur übersichtlichen Dokumentation von Fixpunkten, Terminen, relevan-

    ten Bildungsimpulsen, Kooperationen und organisatorischen Anmerkungen im pädagogischen Alltag der Gruppe.

    • Die Dokumentation kann im Sinne der Prozessorientierung und des situativen Ansatzes im Vorfeld oder im Nachhinein erfolgen.

    Prozessorientierte Planung und Reflexion. In die Tiefe gehen• Bietet die Möglichkeit zur anlassbezogenen Dokumentation von kurz-, mittel- und langfristigen

    Prozessen einzelner Kinder oder einer Gruppe von Kindern (anstelle einer Prozessbeschreibung pro Tag).

    • Die Begründung für den Impuls wird nur zu Beginn des Prozesses angeführt. • Möglichkeiten zur Lernerfahrung und Kompetenzentwicklung werden zu Beginn des Prozesses angeführt, im Verlauf des Prozesses nur, wenn neue Kompetenzerfahrungen angestrebt werden.

    • Organisation, vorbereitete Umgebung und die Methode müssen nicht mehr verschriftlicht werden.

  • 4 Bildungsabenteuer Kindergarten

    „Kinder brauchen Menschen, die Freude daran haben, wenn es ihnen gelingt, Kinder einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren, sich als kleine Weltentdecker auf den Weg machen zu wollen.“ Gerald Hüther

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 5

    Abenteuer Bildung

    Eine gemeinsame Basis schaffen: die pädagogische Konzeption

    Beobachten: sehen – verstehen – beachten

    Prozessorientiert planen

    Dokumentation der Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen

    Dokumentation der Springerinnen und Springer

    Dokumentation der Sonderkindergartenpädagoginnen und Sonderkindergartenpädagogen

    Dokumentation der Interkulturellen Mitarbeiterinnen und Interkulturellen Mitarbeiter

    Literaturverzeichnis

    INHALT

    71117

    2950677387

    100

  • 6 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 7

    „Es ist wie ein Abenteuer: Man weiß, wohin man will, man packt das Gepäck dafür und richtet sich ein auf alle vorstellbaren Ereignisse, Anforderungen, Zwischenfälle.“ 1

    Kinder finden tagtäglich Themen, in die sie mit allen ihren Sinnen eintauchen. Sie erforschen, experimentieren, stellen Theorien auf, um ihr Weltwissen zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Sie machen sich ein Bild von der Welt, die sie umgibt, und nehmen sich als Teil von ihr wahr. Gelingt es uns, die Kinder dabei zu begleiten, unsere Erfahrungen, unser Wissen mit ihnen zu teilen, von und mit ihnen zu lernen, wird BILDUNG ZU EINER GEMEINSAMEN ABENTEUERREISE.2 Die Kunst des Planens liegt darin, nicht festzuschreiben, Zeit nicht zuzuteilen, sondern einen Rahmen zu bieten, Lernfelder zu eröffnen und aktuellen Themen der Kinder Raum zu geben. Folgendes Beispiel 3 zeigt, wie ein aktuelles Ereignis den pädagogischen Alltag verändern kann:

    Die ersten Sonnenstrahlen locken uns bereits sehr zeitig am Morgen hinaus in den Garten. Die Kinder stürmen hinaus, genießen sichtlich die Bewegungsfreiheit und die frische Luft. Nada bleibt plötzlich stehen und starrt auf den Boden. „Schnell, kommt alle her!“, ruft sie. Nada wirkt dabei aufgeregt und zugleich angespannt. Kurz darauf stehen wir vor einem toten, nackten Vogelbaby, welches vor den Kindern auf dem kalten Boden liegt. Nach einer ersten genaueren Betrachtung, bei der wir sehen, dass es lange Füße und einen sehr großen gebogenen Schnabel hat sowie kleine Verletzungen am Körper und Hals aufweist, drängen sich schnell folgende Fragen auf: „Woran ist das Vogelbaby gestorben?“, „Ist es aus dem Nest gefallen?“, „Wo ist seine Mama?“. Moritz und Paula holen die im Garten zur Verfügung stehenden Holzbretter und bauen einen Sarg. Jakob beginnt, ein Bild zu zeichnen, Michael und Ismajl untersuchen die Umgebung nach etwaigen Spuren, Charlotte pflückt Blumen, welche sie zum Vogelbaby legen möchte, und Miriam sammelt Holzstecken – sie möchte aus ihnen ein Kreuz basteln.

    Die Pläne der Pädagogin sind nun nicht mehr von Bedeutung – die Fragen rund um das tote Vogel-baby haben die Kinder in ihren Bann gezogen, ihr Forschergeist richtet sich in den kommenden Tagen auf Vogelbabys im Nest aus sowie auf die Fragen, warum diese aus dem Nest fallen können und was „tot sein“ bedeutet. Gemeinsam sprechen sie über das Sterben und darüber, was nach dem Tod passiert. Sie tauschen sich über bereits gemachte Erfahrungen zum Thema aus, planen ein Begräbnisritual, zeichnen Wünsche für das Vogelbaby, basteln Wunschsteine, graben ein Loch für den Sarg und singen ein Lied für das tote Vogelbaby. Gemeinsam nehmen sie Abschied.

    Dieses Praxisbeispiel zeigt, dass Bildungsprozesse

    • durch ein dialogisches Miteinander, • durch Selbsttätigkeit und autonomes Handeln der Kinder, indem sie sich um ihre persönlichen (Wissens-)Anliegen kümmern, diesen nachgehen, Fragen stellen und Antworten suchen, sowie

    • durch die Begleitung und Impulssetzung von Erwachsenen initiiert werden können.

    ABENTEUER BILDUNG

    * Das Augen-Symbol markiert, verbunden mit grauer Schrift, Beispiele aus der Praxis. Finden sich auf einer Seite mehrere Praxisbeispiele, so steht das Augen-Symbol nur beim ersten.1 Kazemi-Veisari, 1996, S. 312 vgl. Kazemi-Veisari, 19963 Die angeführten Praxisbeispiele stammen aus niederösterreichischen Kindergärten.

    Alle Namen der Kinder wurden geändert.

    *

  • 8 Bildungsabenteuer Kindergarten4 Kazemi-Veisari, 1996, S. 345 Kazemi-Veisari, 1996, S. 906 vgl. Kneidinger, 2007, S. 50

    „Wenn Erzieherinnen als Abenteuerinnen beschrieben werden, meint es nicht, auf Planung zu verzichten, sondern sich gleichwohl vorzubereiten auf eine Reise.“ 4

    Für das konkrete pädagogische Planen und Handeln bedeutet dies, die Balance zwischen den Themen der Kinder und den Impulsen der Pädagogin/des Pädagogen zu finden.• Planung soll Zeit nicht zuteilen, sondern zur Erlebniszeit werden lassen.• Planung soll von der Beobachtung getragen werden.• Planung soll an die vorhandenen Erfahrungen anknüpfen, soll Vertrautes beinhalten, anregen,

    zutrauen und herausfordern.

    • Planung soll Ausdruck eines gemeinsamen intensiven Dialogs und Lernens sein. • Planung soll einen Rahmen bieten, der den Kindern Möglichkeiten eröffnet, sich zu kompetenten, selbstbewussten und handlungsfähigen Menschen entwickeln zu können.

    „Dokumentation nimmt den Werdegang des gemeinsamen Tuns und Lernens auf, macht deutlich, was alle Beteiligten beschäftigt und wie sie damit umgehen. Macht den Weg für Beteiligte und Nichtbeteiligte transparent.“ 5

    Die Bedeutung der Dokumentation. Der Dokumentation Zeit einzuräumen, bedeutet, einen Moment des Innehaltens und die Möglichkeit, eine reflexive Haltung gegenüber dem eigenen Tun, einzu-nehmen. Dies trägt dazu bei, die Fülle von Eindrücken, Informationen und Ideen zu ordnen, das pädagogische Geschehen überschaubar und transparent zu machen und Bildungs- und Lernpro-zesse nachvollziehbar darzustellen. 6

    Dabei geht es nicht darum, den pädagogischen Alltag in seiner Komplexität vollständig zu erfas-sen, sondern bedeutsame Ereignisse und Prozesse zu erkennen und zu dokumentieren. Was und wie viel schriftlich festgehalten wird, liegt – im Rahmen der Vorgaben – in der Eigenverantwortung der Pädagogin bzw. des Pädagogen.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 9

    DIE DOKUMENTATION DER ABENTEUERREISE BILDUNG –IM ÜBERBLICK

    Unsere Reisephilosophie/Reiseorganisation – KONZEPTION• Unser Kindergarten: Gruppen-, Raum-, Personal- und Kommunikationsstrukturen• Unser pädagogisches GrundverständnisUnsere Reisen im ÜBERBLICK• Bildungsimpulse – Fixpunkte – Termine der Gruppe Mitreisende verstehen lernen – BEOBACHTUNG• Situative, gezielte und systematisierte BeobachtungenSpannende Reise-Etappen – PROZESSORIENTIERTE PLANUNG• Warum begeben wir uns auf DIESE Reise? Begründung für den Impuls

    • Welche (Lern-)Erfahrungen könnten uns auf der Reise begegnen? Möglichkeiten zur Lernerfahrung/Kompetenzerweiterung

    • Welchen Weg gehen wir? Bildungsimpuls

    • Wie habe ich die Reise erlebt? Reflexion des pädagogischen Handelns/der Bildungsprozesse

    • Wie geht die Reise weiter? Schlussfolgerungen für die weitere pädagogische Arbeit

    Reisetagebuch – ENTWICKLUNGS-/ÜBERGANGSPORTFOLIO• Wie hat das Kind die Reise erlebt? • Was ist dem Kind besonders in Erinnerung geblieben? • Was hat es dabei erfahren/gelernt? • Was möchten die Reisebegleiter dem Kind rückmelden? • Wie soll die Reise weitergehen?

  • 10 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 117 Land Niederösterreich, Abteilung Kindergärten, 2010, S. 32 f.

    In der Konzeption wird das Profil einer Einrichtung festgehalten. Es entsteht aus der intensiven Aus-einandersetzung aller pädagogischen Fachkräfte über organisatorisch und pädagogisch relevante Bereiche und wird in einem lebendigen Prozess ständig weiterentwickelt.

    Die Konzeption enthält Gedanken und Absichten sowie Haltungen, informiert über Vorhaben und Kooperationen sowie pädagogische Leitlinien und macht somit die pädagogische Arbeit und Qua-lität im Kindergarten transparent.

    Was bedeutet pädagogische Qualität? Bei der Beurteilung von pädagogischer Qualität stehen die Bedürfnisse und Interessen der Kinder im Mittelpunkt. Pädagogische Qualität schafft optimale Bedingungen für die individuelle Entwicklung der Kinder und ermöglicht vielfältige Bildungsmög-lichkeiten.

    Nach welchen Kriterien wird pädagogische Qualität definiert? Pädagogische Qualität wird an den• Rahmen- und Strukturbedingungen einer Einrichtung,• Werthaltungen und Einstellungen des Personals,• Interaktionen zwischen Kindern und Erwachsenen, • pädagogischen Prozessen, • Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Eltern und externen Fachkräften im Sinne • einer Bildungspartnerschaft sowie durch die • Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit sichtbar. 7 All diese Aspekte sind für die Professionalisierung des pädagogischen Handelns Voraussetzung und werden in der Konzeption erarbeitet und festgehalten.

    Das gemeinsame Erstellen einer Konzeption gibt dem Team die Möglichkeit zur

    • Diskussion von pädagogischen Themen,• Klärung von organisatorischen Abläufen,• beruflichen Identität aller Beteiligten durch Festlegen pädagogischer Prinzipien,• Reflexion der pädagogischen Arbeit und somit zur Qualitätssicherung,• Weiterentwicklung des Teams, • Unterstützung bei der Einarbeitung neuer pädagogischer Fachkräfte,• Transparenz von organisatorischen Strukturen für alle pädagogischen Fachkräfte, Erziehungs- und Bildungspartnerinnen und Bildungspartner, Erhalter und Aufsichtsorgane sowie zur

    • Öffentlichkeitsarbeit.Im Allgemeinen wird zwischen Struktur-, Orientierungs- und Prozessqualität unterschieden, wobei die Bearbeitung dieser Aspekte aufzeigt, wie eng organisatorische Abläufe und die tägliche päda-gogische Arbeit miteinander verwoben sind, einander beeinflussen und bedingen.

    EINE GEMEINSAME BASIS SCHAFFEN: DIE PÄDAGOGISCHE KONZEPTION

  • 12 Bildungsabenteuer Kindergarten

    Strukturqualität – unser Kindergarten. Die Strukturqualität bezieht sich auf die vorhandenen Rahmenbedingungen einer Einrichtung und stellt fest, welche Ressourcen für das Team materiell, organisatorisch oder zeitlich vorhanden sind bzw. ob zusätzliche Ressourcen geschaffen oder verändert werden müssen.

    Die strukturellen Bedingungen haben einen bedeutenden Einfluss auf den Alltag im Kindergarten, da sie die Voraussetzung für gelingende pädagogische Prozesse bilden oder zu deren Unterbindung beitragen.

    Orientierungs- und Prozessqualität – unser pädagogisches Grundverständnis. Die Orientierungs-qualität bezieht sich auf das Bild vom Kind, auf Werte, auf das Rollenverständnis der Erwachsenen sowie auf Vorstellungen und pädagogische Prinzipien, welche im Alltag sichtbar werden.

    Die Orientierungsqualität hat großen Einfluss auf die Prozessqualität, die das konkrete Arbeiten und gemeinsame Handeln mit dem Kind definiert und beschreibt.

    Die Konzeption hat aufgrund von personellen oder organisatorischen Veränderungen, aber auch aufgrund von Weiterentwicklung der pädagogischen Fachkräfte eine zeitbegrenzte Gültigkeit und bedarf einer regelmäßigen Reflexion bzw. Überarbeitung seitens des gesamten Teams.

    Teile der pädagogischen und organisatorischen Konzeption können für die Präsentation in der Öffentlichkeit verwendet werden (Flyer, Homepage etc.).

    Es ist jedoch darauf zu achten, dass keine Informationen veröffentlicht werden, die dem Datenschutz unterliegen und nur für den internen Gebrauch im Kindergarten vorgesehen sind.

    Die folgenden Darstellungen zeigen Aspekte auf, welche die Struktur-, Orientierungs- und Prozess-qualität kennzeichnen und somit in der Konzeption aufscheinen sollen.

    Für die Verschriftlichung der Konzeption kann der auf den Serviceseiten der Abteilung Kindergär-ten zur Verfügung gestellte Gestaltungsvorschlag mit entsprechenden Formularen oder eine freie Form verwendet werden. Die Leitfragen sind als Unterstützung bei der Erarbeitung der einzelnen Unterpunkte zu verstehen.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 13

  • 14 Bildungsabenteuer Kindergarten

    8 Kernteam: Kindergartenleitung, gruppenführende Kindergartenpädagoginnen/Kindergarten-pädagogen, Betreuerinnen/Betreuer, Stützkräfte, Sonderkindergartenpädagoginnen/Sonder-kindergartenpädagogen und Interkulturelle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im stationären Setting (Heilpädagogisch-integrative Gruppe, Versuch Heilpädagogische Betreuung)

    Unser Kindergarten

    Kontaktdaten• NÖ LR, Abt. Kindergärten, Abt. Personalangelegenheiten A, Dienststelle, Erhalter• Volksschulen, Ausbildungsinstitute, Ambulatorien

    Wichtige Informationen• Informationen für Notfälle• Informationen zu Kindern im Überblick

    Gruppenstruktur• Kinder in den Gruppen

    Raumstruktur• Raumgestaltung und Materialauswahl

    Personalstruktur• Kindergartenpersonal• Dienstpläne, Arbeitspläne• Aufgabenbereiche, Zuständigkeiten• Ressourcen im Team

    Kommunikationsstruktur• Zusammenarbeit im Kernteam 8• Zusammenarbeit im erweiterten Team• Organisation der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft • Kooperation mit anderen Institutionen

    KONZEPTION STRUKTURQUALITÄT

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 15

    9 Erweitertes Team: Sonderkindergartenpädagoginnen und Sonderkindergartenpädagogen, Interkulturelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ambulanten Dienst, Muttersprachliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

    KONZEPTION ORIENTIERUNGS- UND PROZESSQUALITÄT

    Unser pädagogisches Grundverständnis

    Gemeinsam leben und lernen • Umsetzung des Bildungsplans• Gestaltung des täglichen Miteinanders• Portfolio• Entwicklungsbegleitung im verpflichtenden Kindergartenjahr• Sprachförderung für Kinder mit erhöhtem Sprachförderbedarf• Pädagogische und methodische Orientierungen

    Der Kindergarten als Ort der Begegnung und Vielfalt• Inklusionspädagogische Überlegungen • Gestaltung der Zusammenarbeit im Kernteam und im erweiterten Team (SOKI, IKM …) 9

    Miteinander vertraut werden – Neues entdecken • Gestaltung von Transitionen

    Miteinander – füreinander• Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern

    Das sind wir – Öffentlichkeitsarbeit• Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen oder Vereinen• Präsentation unseres Kindergartens und der Bildungsarbeit

  • 16 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 17

    10 Strätz, 2005, S. 1911 Lipp-Peetz u. a., 2007, S. 7112 vgl. Viernickel & Völkel, 2007

    Verstehen durch Beobachtung. Die Beobachtung hat in erster Linie ein forschendes, beachtendes Anliegen sowie das Ziel, mehr über die Themen der Kinder zu erfahren. Es geht nicht „… um Kon-trolle und Klassifizierung, sondern um Beachtung, um fachliches und persönliches Interesse der pädagogischen Fachkräfte an dem, was das Kind tut, und daran, wie es das tut“. 10

    Beim Beobachten kindlicher Handlungen geht es darum, herauszufinden was Kinder interessiert, was sie bewegt und begeistert, worüber sie sich freuen und was ihnen Sorge bereitet. Um Kinder besser zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, in welcher Form sie sich an ihre Umwelt wenden, wie sie kommunizieren und wie sie Herausforderungen meistern. Die Stärken und Potenziale der Kinder zu kennen, zu wissen, was sie bereits können, was sie noch lernen wollen und wo sie Unterstützung brauchen, bilden die Basis für die nächsten Schritte in der Entwicklungsbegleitung.

    Aufmerksames Beobachten eröffnet die Möglichkeit, die Sichtweisen und Bilder der Kinder, die sie sich von der Welt machen, kennenzulernen. Dafür ist es manchmal notwendig, seine persönliche Perspektive zu wechseln und sich auf andere Sichtweisen einzulassen.

    „Kinder beschäftigen sich nicht unbedingt dann mit Lerninhalten, wenn Erwachsene das wich-tig finden. Sie befassen sich mit Dingen, die für sie aktuell Bedeutung haben. Was das jeweils sein könnte, müssen Pädagoginnen herausfinden, indem sie die vielen Tätigkeiten der Kinder wahrnehmen, beobachten und indem sie das Handeln der Kinder durch Kommentare, erweiterte Angebote und Fragen aufgreifen.“ 11

    Beobachtung bringt Bewegung ins Denken. Beobachtungen schaffen Erkenntnisse und erzeugen Bilder, die uns über das Kind nachdenken lassen, Nähe schaffen und letztendlich zum Beziehungs-aufbau beitragen. In diesem Sinn kann man von einer Entdeckungsreise sprechen, die uns Neues eröffnet, die uns zum Reflektieren von gewohnten Handlungen und Prägungen auffordert, die uns zu neuen Ideen inspiriert und unser Alltagsleben verändern kann. Beobachtung als Ausgangspunkt pädagogischen Planens und Handelns. Die aufmerksame Wahrnehmung der Themen und Entwicklungen von Kindern ist grundlegend, um ihre Bildungs- und Entwicklungspotenziale unterstützen zu können. Stenger und Viernickel 12 meinen dazu: „Möchten Sie die Bildungsprozesse der Kinder so unterstützen, dass die kindliche Selbststeuerung und Eigen-aktivität gewahrt bleibt, sind Sie darauf angewiesen, die Signale von Kindern wahrzunehmen, zu deuten und darüber ihre Interessen und anstehenden Entwicklungen zu erfassen.“

    Erleben Kinder, dass sich ihre Themen und Fragen in den pädagogischen Angeboten wiederfinden, erfahren sie Selbstwirksamkeit. Die Kinder erleben, dass das, was sie tun, auch für die Pädagogin oder den Pädagogen bedeutsam ist und dass sie in ihrem Denken und Tun ernst genommen werden.

    Beobachtungen als Grundlage für Gespräche mit Eltern. Eltern möchten wissen, ob sich ihr Kind im Kindergarten wohlfühlt, wie es sich entwickelt, womit es sich beschäftigt und ob sie zur Unter-stützung ihres Kindes etwas beitragen können. Es ist daher wichtig, mit den Eltern über die beob-achteten Interessen, Themen, Potenziale, Entwicklungsschritte und offenen Lernfelder ihres Kindes in Austausch zu treten.

    BEOBACHTEN: SEHEN – VERSTEHEN – BEACHTENDie Bedeutung der Beobachtung im pädagogischen Alltag

  • 18 Bildungsabenteuer Kindergarten

    13 siehe S. 2314 Eine detaillierte Beschreibung des Entwicklungsgesprächs mit Eltern ist im Bildungsplan

    für Kindergärten in Niederösterreich/Abschnitt 4/S. 94–96 zu finden.15 Kazemi-Veisari, 2004

    Die fortlaufenden Beobachtungen im pädagogischen Alltag und die Dokumentation der gezielten Entwicklungsbeobachtung (z. B. mittels des Entwicklungsbogens) 13 bilden eine wertvolle Grundlage für Entwicklungsgespräche. 14

    Beachtenswertes im Prozess des Wahrnehmens und Interpretierens. Beobachtungen liefern wichtige Informationen, sozusagen das „Rohmaterial“ für das Verstehen von Kindern. Bedeutsam für das Erarbeiten des Verstehens von Kindern ist jedoch die Entwicklung von Fragen, welche aus den Beobachtungen heraus entstehen.

    Kazemi-Veisari empfiehlt, sich beim Lesen der Beobachtungen zu fragen, worüber man staunt oder irritiert ist, das Wahrgenommene zu reflektieren: Denn „Beobachtungen, über die nicht nachgedacht wird, sind nutzlos, denn sie hinterlassen konfuse und aneinandergereihte Eindrücke, die sich zu einem unreflektierten Bild über das Kind verdichten“.

    Um aus Beobachtungen weitere Schritte ableiten zu können, braucht es eine Interpretation des Wahrgenommenen.

    „Wahrnehmung heißt, den Schlüssel zu suchen, der Verstehen ermöglicht. Es bedeutet eine fra-gende, aufmerksame Zugewandtheit, ein Sich-Kümmern, ein Lernen aus und in Beziehungen.“ 15

    Eine Pädagogin beobachtet folgende Situation: Sebastian kommt nach dem Verabschieden von seinem Papa als brüllender, fauchender Löwe in den Gruppenraum und erklärt, dass er heute nur seine Pfote zum Begrüßen reichen kann. Rina und Victor schließen sich seinem Spiel an und verwandeln sich ebenfalls in Löwenkinder. Gemeinsam suchen sie ein Versteck im Gruppenraum und beginnen, eine Höhle zu bauen. Das Rollenspiel wird von weiteren Kindern aufgegriffen und an mehreren darauffolgenden Tagen wiederholt.

    Interpretation der Pädagogin: Die Pädagogin stellt sich die Frage, welche Themen hinter dem Löwenspiel stehen: Welche Fähigkeiten hat ein Löwe? Was kann ein Löwe besonders gut? Was ist schwierig für ihn? Wie lebt er? In den folgenden eineinhalb Wochen werden Bildungsimpulse zum Thema „stark und mutig sein“ gesetzt.

    Nach eineinhalb Wochen dokumentiert die Pädagogin eine weitere Beobachtung zu diesem Thema: Im Löwenrollenspiel steigt der Lärmpegel an. Spielprozesse anderer Kinder werden unter-brochen. Es entstehen Konflikte. Im Dialog zwischen zwei Kindern fallen die Wörter „Mut“ und „Angst“.

    Die Pädagogin wendet sich an ihre Kolleginnen und fragt nach deren Einschätzungen, Interpreta-tionen und Sichtweisen. Die Kolleginnen bringen weitere Sichtweisen ein: Beim Löwenspiel könnte es auch um das Thema Angst gehen. Was bewirkt das „Starksein“? Wer fürchtet sich vor mir? Kann ich gleichzeitig Angst haben, wenn ich stark bin?

    Die Pädagogin setzt nun Impulse, die die Thematik „Angst haben dürfen“ in den Mittelpunkt stellen. Es erfolgt eine intensive Auseinandersetzung. Das Rollenspiel verändert sich. Die Kinder schlüpfen in die Rolle der ängstlichen Hasen. Letztendlich bewegte die Kinder das Thema „Angst“.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 1916 vgl. G. E. Schäfer & Alemzadeh, 2012, S. 31

    Beim Beobachten leistet unser Gehirn eine komplizierte Vernetzungsarbeit. Alles, was wir als Beobachterinnen und Beobachter wahrnehmen, das heißt sehen, hören bzw. (mit-)fühlen, steht in Beziehung zu unseren persönlichen Erfahrungen und den damit verbundenen individuellen Bewertungen.

    Beobachtung ist immer subjektiv. Dies bedeutet, dass eine Situation von unterschiedlichen Beobachterinnen und Beobachtern unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wird. „Jede Beobachtung ist eine Beobachtung, die von einem bestimmten Standort aus gemacht wird. Dabei ist wesentlich, was eine Erzieherin bei einem oder mehreren bestimmten Kindern als bedeutsam wahrnimmt.“ 16

    Aufgrund dessen ist es notwendig, sich der eigenen Subjektivität bewusst zu sein, sie zu reflektie-ren und diese in Bezug zu den Beobachtungen zu stellen, da persönliche Orientierungen, Werte, Absichten und Motive stark das beeinflussen, was wir sehen, hören, riechen und spüren möchten und somit unser Handeln und Begleiten der Kinder wesentlich beeinflussen und prägen.

    Nora und Merzad spielen in der Sandmulde. Merzad gräbt gerade mit der großen, blauen Schaufel einen „Wassergraben“. Nora fragt Merzad, ob sie die Schaufel haben darf, und greift danach, ohne seine Antwort abzuwarten. Merzad hält die Schaufel fest und beginnt zu schreien. Nora hält die Schaufel ebenfalls fest und zerrt heftig daran.

    Welche Bilder entstehen in Verbindung mit dieser Situation in den Köpfen? Welche Orientierun-gen, Werte, Gefühle, Sichtweisen und Meinungen leiten in dieser Situation das eigene Denken und Handeln?

    Die weitere Begleitung von Nora und Merzad hängt sehr stark davon ab, wie der Erwachsene das Thema „Konflikte austragen“ in der eigenen Familie, im persönlichen Umfeld oder mit den eigenen Freunden erlebt hat.

    Dürfen unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen einander gegenüberstehen, oder wird Streit mit Gefühlen der Unsicherheit und Angst verbunden? Was macht dieses Bewusstsein über mein eigenes Konfliktverhalten mit meinen Beobachtungen zum Thema Streit? Wie beeinflusst mich diese Prägung in meinem professionellen pädagogischen Handeln?

    Werden diese Beobachtungen reflektiert und mit vorhandenen, bereits bestehenden Bildern in Verbindung gebracht oder im Dialog mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht, besteht die Chance, subjektive Wahrnehmungen durch weitere Blickwinkel zu ergänzen und schlussendlich eine Hypothese aufzustellen, die der Realität am ehesten entspricht.

    Für diese Abgleichung der Wirklichkeit kann es zusätzlich bedeutsam sein, sich gemeinsam mit dem Kind über das Wahrgenommene auszutauschen. Im Austausch mit dem Kind kann die eigene Perspektive überprüft werden bzw. sich die Chance bieten, die Sicht des Kindes kennenzulernen.

  • 20 Bildungsabenteuer Kindergarten17 Kazemi-Veisari, 2004, S. 22

    „Die Kinder spüren, was wir über sie denken – unsere Bilder über Kinder bleiben nicht in unserem Kopf, sondern drücken sich über Mimik, Gestik, Sprache und Handlungen aus.“ 17

    Beobachtungen konstruieren Bilder. Wenn wir Kinder in ihrem Tun beobachten, entstehen innere Bilder. Diese Bilder können nützlich und problematisch zugleich sein. Einerseits helfen uns diese, Beobachtungen in unsere Erfahrungen zu integrieren, andererseits können diese Bilder zu vor-schnellen Urteilen führen und auf die Kinder zurückwirken.

    Beobachtung verlangt achtsame Genauigkeit. Ungenauigkeiten im Beobachten, Unterstellungen, Beurteilungen, ein Übersehen einzelner Details und die Tendenz, das zu sehen, was man sehen möchte, stellen weitere Herausforderungen im Beobachtungsprozess dar.

    Folgende Formulierung legt beispielsweise das Kind auf ein negativ bewertetes Verhalten fest, ohne dass deutlich wird, welche Interaktionen stattgefunden haben: Jonas stört Ali und Johanna ständig beim Spielen.

    Die nachfolgende Form der Beschreibung gibt Einblick in die Spielsituation, ohne zu (be-)werten, und liefert einige Anhaltspunkte, um die Kinder in ihren künftigen Spielaktivitäten unterstützen zu können: Jonas geht zu Ali und Johanna, die gemeinsam einen Turm konstruieren, und fragt: „Kann ich mit euch mitbauen?“ Ali und Johanna verneinen dies. Jonas geht weg, kommt dann wieder und schaut den beiden kurz zu. Er nimmt einen Baustein und möchte ihn dazustellen. Johanna nimmt Jonas den Baustein aus der Hand und sagt bestimmt: „Du darfst nicht mitbauen!“ Jonas erwidert: „Ich kann euch aber helfen – ich kann einen hohen Turm bauen.“ Ali meint: „Geh jetzt endlich weg!“ Jonas seufzt, geht zum Regal, holt für sich Bausteine und breitet diese neben Ali und Johanna aus. Die Bausteine vermischen sich. Johanna schiebt Jonas’ Bausteine zur Seite. Jonas schiebt diese wieder in die Richtung der beiden anderen Kinder.

    Beobachtung setzt Wissen voraus. Um Beobachtungen richtig einordnen zu können, braucht es Wissen über die Potenziale, die in Kindern grundsätzlich von Geburt an angelegt sind, darü-ber, welches Können und welches Verhalten dem Entwicklungsalter des Kindes entspricht und von welcher Bandbreite an individuellen Entwicklungsformen auszugehen ist. Weiters braucht es Kenntnisse darüber, wie Kinder lernen, Kenntnisse über kulturelle Unterschiede und Kenntnisse darüber, warum Kinder sich oft anders ausdrücken als Erwachsene. Für ein besseres Verstehen und Einschätzen kindlicher Handlungen und Äußerungen im inklusionspädagogischen Kontext, empfiehlt es sich, eine Sonderkindergartenpädagogin bzw. einen Sonderkindergartenpädagogen oder eine Interkulturelle Mitarbeiterin bzw. einen Interkulturellen Mitarbeiter in die Überlegungen miteinzubeziehen.

    Kinder be(ob)achten das Beobachten. „Was schreibst du denn da?“, ist eine Frage, die Kinder häufig stellen, wenn sie bemerken, dass die Pädagogin oder der Pädagoge gezielt beobachtet und sich Gedanken notiert. Kinder merken meist, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist, und fragen sich, was und aus welchem Grund etwas notiert wird. Es ist wichtig, diese Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Mögliche Antworten wären: „Es interessiert mich, was du spielst, was du gerne magst und was du schon kannst. Und damit ich nichts vergesse, schreibe ich mir das auf!“, oder: „Ich finde es spannend, was du gerade machst, und ich möchte dich besser kennenlernen. Wenn

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 21

    18 vgl. Beobachtung und fachliche Reflexion von Kindverhalten. homepage.univie.ac.at/henning.schluss/seminare/034-kleinkindpaedagogik/Texte/Infans/gruppe2-beobachten.pdf (abgerufen am 11.September 2016)

    du möchtest, kann ich dir später erzählen, was ich aufgeschrieben habe.“ Auf diese Weise wird die Beobachtung zu einem dialogischen Prozess. Kinder gewinnen das Vertrauen, dass die Beobach-tung nicht der Kontrolle, sondern des besseren Verstehens dient. Ergibt sich die Gelegenheit, mit dem Kind über die Beobachtungen in Dialog zu treten, können die eigenen Sichtweisen um die des Kindes ergänzt werden, und das Kind erhält Rückmeldung, wie es von der Pädagogin bzw. dem Pädagogen wahrgenommen wurde.

    Schritte der Beobachtung

    1. Schritt: Was nehme ich wahr? Bei diesem ersten Schritt geht es darum, hinzuhören, hinzusehen und wahrzunehmen, wie sich Kinder verhalten und was in der Gruppe geschieht. Das Wahrgenom-mene wird noch nicht interpretiert. Dies fällt häufig schwer, da im pädagogischen Alltag oft eine schnelle Interpretation für das adäquate Handeln notwendig ist.

    Yasemin, Leonie, Jonathan und Hannah (zwischen 4,5 und 5,5 Jahre) holen sich die Bücherkiste, legen die Bücher vor sich auf und betrachten die einzelnen Titelbilder. Felix (3 Jahre) setzt sich dazu. Leonie fragt: „Sollen wir dir etwas vorlesen?“ Felix nickt. Leonie zeigt auf mehrere Bücher, und die anderen Kinder sagen jeweils den Titel des Buches dazu. Felix fragt: „Könnt ihr wirklich schon lesen?“ Jonathan schaut zu Felix und nickt. Sie zeigen ihm einzelne Buchstaben und sprechen diese aus. Hannah sagt: „Es gibt große Buchstaben und kleine Buchstaben! Ich kenne ein A.“ Jonathan zeigt auf den entsprechenden Buchstaben. „E – E wie Elefant“, sagt Leonie und deutet dabei auf ein großes E. Felix zeigt auf ein Bilderbuch und fragt: „Was steht da drauf?“ Yasemin antwortet: „Die kleine Raupe Nimmersatt“, und sie beginnt „vorzulesen“. Die Kinder rücken näher zusammen und hören zu. Yasemin, Leonie und Jonathan stehen nach dem Vorlesen auf, nehmen sich einige Bücher mit und schreiben Buchstaben auf ein großes weißes Papier.

    2. Schritt: Was löst diese Situation in mir aus? In diesem Schritt geht es darum, sich bewusst zu sein, dass die beobachtete Situation Gefühle, Ideen, Gedanken, Wertungen hervorruft, welche eng im Zusammenhang mit eigenen Erfahrungen, Empfindungen, Stärken und Bildern stehen. Das persönliche Ich hat Auswirkungen auf die „Beurteilung“ der Situation: 18

    Freude und Stolz über das gemeinsame Tun der Kinder. Staunen über die Lesekompetenz einzelner Kinder. Zweifel, ob etwas übersehen wurde: Werden die Kinder entsprechend unterstützt? Kann Yasemin schon lesen?

    3. Schritt: Wie interpretiere ich diese Situation? Im dritten Schritt werden die Beobachtungen interpretiert. Erste Annahmen, Vermutungen und Hypothesen werden aufgestellt.

    Die älteren Kinder sind stolz, dass sie ihr Wissen an Felix weitergeben können. (Gestik: Sie wenden sich Felix auch körperlich zu, suchen Blickkontakt.) Felix freut sich über die Vorlesegeschichte. (Felix lacht und fragt interessiert nach.) Yasemin, Leonie und Jonathan interessieren sich besonders für Buchstaben und Wortbilder. (Durch das genaue Betrachten zeigen sie Konzentration. Vorerfah-rungen wurden gemacht.) Die Kinder genießen das gemeinsame Miteinander und zeigen hohe soziale Kompetenz. (Sie rücken näher zueinander, berühren sich, nicken und lächeln einander zu.)

  • 22 Bildungsabenteuer Kindergarten

    19 vgl. Leu u. a., 200720 Keine Verpflichtung!21 Die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, 2010. Arbeitsmaterialien, wie

    Beobachtungsbögen, Mindmap, Kinderinterview oder Entwicklungsstern stehen unter folgen-dem Link für den kostenlosen Download zur Verfügung: www.soziales.bremen.de/sport/detail.php?gsid=bremen69.c.22553.de#LED%20Arb.Mat (abgerufen am 11. September 2016).

    Im Prozess der Interpretation empfiehlt es sich, weitere Perspektiven einzuholen, damit das Bild vollständiger und klarer wird. Dies kann in Form eines Dialogs mit den Kindern sein, damit die Sichtweisen derer mit den persönlichen Eindrücken verglichen, ergänzt oder korrigiert werden können, oder aber auch im Austausch mit anderen Entwicklungsbegleiterinnen und Entwicklungs-begleitern stattfinden.

    4. Schritt: Was können die nächsten Schritte sein? In einem vierten Schritt wird überlegt, welche Impulse bzw. Interaktionen die Kinder brauchen, damit sie sich in ihrem Lerninteresse vertiefen können, und/oder welche Materialien bereitgestellt werden können.

    Der Pädagoge gestaltet gemeinsam mit den Kindern Schilder, sie überlegen Begriffe, welche sie als Schriftbilder erfahren möchten, und kleben diese auf die entsprechenden Möbelstücke und Gegenstände.

    Formen der Beobachtung

    Beobachtung individueller Interessen, Kompetenzen, Lernvoraussetzungen und Entwicklungen des Kindes. Im Kindergartenalltag können Beobachtungen von Spielsituationen, Handlungen und Äußerungen der Kinder Aufschluss darüber geben,

    • wofür sich ein Kind interessiert, womit es sich engagiert auseinandersetzt (z. B. selbst gewählte Tätigkeiten im freien Spiel),

    • über welche Kompetenzen und Ressourcen es verfügt (z. B. in Alltagshandlungen, im Spiel mit anderen Kindern, bei Bildungsangeboten),

    • wie es sich ausdrückt bzw. wie es mit anderen kommuniziert, • welche Lernstrategien es verfolgt und wie es sich in Lerngemeinschaften einbringt, • wie es Herausforderungen, Problemstellungen oder Konfliktsituationen bewältigt und• welche gruppendynamischen Prozesse erkennbar sind.Diese Alltagsbeobachtungen werden meist in einer freien Form fortlaufend dokumentiert (Name des Kindes, Datum, Beschreibung der Beobachtung). Den Aufzeichnungen der einzelnen Kinder können Entwicklungsdokumente, wie Zeichnungen oder Fotos, beigelegt werden.

    Beobachtungen, die auch als Rückmeldung für das Kind von Bedeutung sind, können im Entwick-lungsportfolio dokumentiert werden – entweder als Kommentar auf dem Portfoliobeitrag oder in Form einer Lerngeschichte. 19

    Zur Erfassung und zur anschaulichen Darstellung der Interessen, Kompetenzen und Lernvorausset-zungen eines Kindes stehen auch unterschiedliche Verfahren zur Verfügung 20, wie beispielsweise die Bremer Individuelle Lern- und Entwicklungsdokumentation LED. 21

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 23

    Beobachtungen der Entwicklung des Kindes im Vergleich zur Altersnorm. Die gezielte Wahrneh-mung und Beobachtung der kindlichen Entwicklungsbereiche soll Hinweise darauf geben, wo Kinder im pädagogischen Rahmen besondere Aufmerksamkeit brauchen. Dies gilt sowohl in Hinblick auf besonders gut oder früh ausgeprägte Fähigkeiten als auch in Hinblick darauf, dass möglicherweise vermehrte oder auch sonderpädagogische Unterstützung, externe diagnostische Abklärungen oder weitere Maßnahmen in Erwägung gezogen werden sollen.

    Strukturierte Beobachtungsverfahren bieten Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit, sich in handhabbarer und anschaulicher Form einen Überblick über den Entwicklungsstand bzw. das Kompetenzprofil eines Kindes zu verschaffen. Hier konzentriert sich die Beobachtung auf konkrete Merkmale: auf etwas Bestimmtes, was man wissen möchte.

    Für die gezielte Beobachtung und Dokumentation des Entwicklungsstandes eines Kindes können der Entwicklungsbogen für Kinder bis sechs Jahre in niederösterreichischen Kindergärten oder in der Fachliteratur etablierte Einschätzungs- bzw. Beobachtungsbögen und Entwicklungstabellen der kindlichen Entwicklung verwendet werden.

    Sprachstandsfeststellung. Zur Feststellung der Sprachkompetenzen in Deutsch sind, gemäß der 15a B-VG Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, die bundesweit standardisierten Beobachtungsbögen zur Erfassung der Sprachkompetenz BESK KOMPAKT für Kinder mit Deutsch als Erstsprache und BESK-DaZ KOMPAKT für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache zu verwenden.

    Durchgeführt werden die Beobachtungen von der gruppenführenden Pädagogin/dem gruppenführenden Pädagogen, im Austausch mit dem Team (anderen PädagogInnen, BetreuerInnen und Stützkräften, SonderkindergartenpädagogInnen sowie Interkulturellen MitarbeiterInnen).

    Die Ergebnisse der Beobachtung mit BESK und BESK-DaZ KOMPAKT bilden die Grundlage für eine gezielte, individuelle Unterstützung des Kindes in der Erweiterung seiner Deutsch-Sprachkompetenzen.

    Werden deutliche Abweichungen von der altersgemäßen Entwicklung beobachtet, empfiehlt es sich, eine Sonderkindergartenpädagogin bzw. einen Sonderkindergartenpädagogen für eine weitere fachliche Einschätzung einzubinden.

  • 24 Bildungsabenteuer Kindergarten

    22 Keine Verpflichtung! Können ergänzend bei spezifischen Fragestellungen verwendet werden.23 Frey, Duhm, Althaus, Heinz, & Mengelkamp, 200824 Tröster, Flender, Reineke, & Wolf, 201625 Koglin, Petermann, & Petermann, 201326 Mayr, Bauer, & Krause, 201427 Paschon, o. J. 28 Laewen, 200929 Largo, 201330 In Anlehnung an „Die Blinden und der Elefant – eine weise Geschichte“. Verfügbar unter:

    www.lichtkreis.at/gedankenwelten/weise-geschichten/blinde-und-elefant (abgerufen am 11. September 2016)

    Für spezifische Beobachtungen bei Entwicklungsauffälligkeiten stehen beispielsweise folgende Verfahren zur Verfügung: 22

    • BBK 3–6 Beobachtungsbogen für 3- bis 6-jährige Kinder 23 • DESK 3–6 R Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten 24 • Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation EBD 48–72 25 • KOMPIK (Kompetenzen und Interessen von Kindern) – Beobachtungs- und Einschätzbogen für Kinder von 3,5 bis 6 Jahren 26

    • SBK Salzburger Beobachtungskonzept 27 • Validierte Grenzsteine der Entwicklung 28 Sowohl bei Alltags- als auch bei gezielten Beobachtungen können Beobachterinnen und Beobachter am Spielgeschehen teilnehmen oder die Situation von außen betrachten:

    Teilnehmende Beobachtung: Die Beobachterin bzw. der Beobachter nimmt selbst am Spielge-schehen teil. Durch Nachfragen, Intervenieren oder durch Spielimpulse können gezielte weitere Informationen gewonnen werden. Die Beobachtungen werden meist im Nachhinein dokumentiert.

    Nicht teilnehmende Beobachtung: Die Beobachterin bzw. der Beobachter beteiligt sich nicht an den Interaktionen und Spielhandlungen – sie bzw. er beobachtet die Situation „von außen“. Die Aufmerksamkeit kann gezielt auf einen Beobachtungsbereich gerichtet werden. Die Beobachtungen werden direkt verschriftlicht.

    Ist ein gezieltes Beobachten geplant, empfiehlt es sich, im Vorfeld zu klären,

    • in welcher Situation das Kind bzw. die Kinder beobachtet werden (Freispiel, Angebotszeit, Einzel- oder Gruppensituation …),

    • welcher Zeitpunkt dafür günstig erscheint (z. B. Phasen, in denen Kinder selbstständig aktiv sind, Abholzeiten meiden …),

    • wer die Verantwortung für die restliche Gruppe trägt und• in welcher Situation die Fragestellung der Beobachtung am besten beantwortet werden kann (z. B. Gleichgewicht: Bewegungslandschaft, Garten).

    Wichtig zu beachten ist, dass der individuelle Verlauf der Entwicklung eines Kindes große Variati-onsbreiten und einen erheblichen Spielraum zeigen kann. 29

    Für eine ganzheitliche und individuelle Begleitung sowie Förderung von Bildungs- und Lernprozes-sen ist es besonders wichtig, dass einzelne Beobachtungen nicht isoliert stehen bleiben, sondern mit einem weiteren Blickwinkel über die Themen und Interessen der Kinder zu einem Ganzen zusammengesetzt werden.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 25

    Folgendes Märchen veranschaulicht die Bedeutung des ganzheitlichen Blickwinkels: 30

    Die Blinden und der Elefant. Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die fünf Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.

    Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel betastet. Er sprach: „Ein Elefant ist wie eine Schlange.“ Der zweite Gelehrte entgegnete: „Aber nein, ein Elefant ist wie ein Baum.“ Er hatte ein Bein des Elefanten berührt. Der dritte Weise sagte: „Also ich finde, ein Elefant ist wie ein Zweig“, denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet. Der vierte Gelehrte hatte auf dem Rücken des Elefanten gestanden und war sich sicher, dass ein Elefant wie ein Berg sei. Und der fünfte Weise berichtete seinem König: „Also ich sage, ein Elefant ist wie eine Höhle.“ Dieser Gelehrte hatte unter dem Rumpf des Tieres gestanden.

    Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist. Der König hingegen lächelte weise: „Ich danke euch, denn ich weiß nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der wie eine lange Schlange ist, mit Beinen, die wie Bäume sind, mit einem Schwanz, der einem Zweig gleicht, mit einem Rücken, der an einen Berg erinnert, und mit einem Rumpf, der wie eine Höhle ist.“

    Uns allen geht es wie den Gelehrten. Wir glauben, dass das, was wir sehen, die Realität ist – und dabei sehen wir doch nur einen kleinen Ausschnitt. Durch einen Perspektivenwechsel und einen gegenseitigen Austausch kann es uns gelingen, unseren Blickwinkel zu erweitern und das Erlebte ganzheitlicher zu betrachten.

    Das ist ein Zweig!

    Das ist ein Baum!

    Das ist eine Höhle!

    Das ist ein Berg!

    Das ist eine Schlange!

  • 26 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 27

    Die Bedeutung der Beobachtung im pädagogischen Alltag • Kinder verstehen durch Beobachtung. Die Beobachtung hat in erster Linie ein forschendes,

    beachtendes Anliegen sowie das Ziel, mehr über die Themen der Kinder zu erfahren. Es geht um ein fachliches und persönliches Interesse der Pädagoginnen und Pädagogen an dem, was das Kind tut, und daran, wie es das tut.

    • Beobachtung bringt Bewegung ins Denken. Beobachtungen schaffen Erkenntnisse, die uns über das Kind nachdenken lassen, die uns zum Reflektieren von gewohnten Handlungen auffordern und unser Alltagsleben verändern.

    • Beobachtung als Ausgangspunkt pädagogischen Planens und Handelns. Beobachtungen tragen dazu bei zu erkennen, welchen Rahmen und welche Bedingungen die Kinder benötigen, um sich entwickeln, ausprobieren und entfalten zu können.

    • Beobachtungen als Grundlage für Entwicklungsgespräche mit Eltern. Beobachtungen bilden eine wertvolle Grundlage, um mit Eltern über Interessen, Themen, Potenziale, Entwicklungs-schritte und offene Lernfelder ihres Kindes in Austausch zu treten.

    Beachtenswertes im Prozess des Wahrnehmens und Interpretierens• Beobachtung ist immer subjektiv. Beobachtungen sind subjektiv und stehen immer in Bezug

    zur beobachtenden Person. Daher ist es notwendig, sich der eigenen Subjektivität bewusst zu sein, sie zu reflektieren und diese in Bezug zu den Beobachtungen zu stellen.

    • Beobachtungen konstruieren Bilder. Die Kinder spüren, was wir über sie denken – unsere Bilder über Kinder bleiben nicht in unserem Kopf, sondern drücken sich über Mimik, Gestik, Sprache und Handlungen aus.

    • Beobachtungen setzen Wissen voraus. Um Beobachtungen richtig einordnen zu können, braucht es Wissen darüber, welches Verhalten dem Entwicklungsalter des Kindes entspricht und von welcher Bandbreite an individuellen Entwicklungsverläufen auszugehen ist.

    • Beobachtung verlangt achtsame Genauigkeit. Ungenauigkeiten im Beobachten, Unterstel-lungen, Beurteilungen und die Tendenz, das zu sehen, was man sehen möchte, stellen weitere Herausforderungen im Beobachtungsprozess dar.

    • Kinder sind selbst Beobachtende. Kinder bemerken meist, wenn sie beobachtet werden. In einem dialogischen Prozess kann das Kind das Vertrauen gewinnen, dass die Beobachtung nicht der Kontrolle, sondern des besseren Verstehens dient.

    Schritte der Beobachtung• Schritt 1: Was nehme ich wahr? • Schritt 2: Was löst diese Situation in mir aus?• Schritt 3: Wie interpretiere ich diese Situation?• Schritt 4: Was können die nächsten Schritte sein?Formen der Beobachtung. • Beobachtung individueller Interessen, Kompetenzen, Lernvoraussetzungen und Entwicklun-

    gen des Kindes. Fortlaufende freie Dokumentation, Portfolio, Lerngeschichten.• Beobachtung der Entwicklung des Kindes im Vergleich zur Altersnorm. Entwicklungsbogen

    für Kindergärten in NÖ oder andere Einschätzungsbögen, Sprachstandsfeststellung nach BESK KOMPAKT und BESK-DaZ KOMPAKT.

    BEOBACHTUNG – IM ÜBERBLICK

  • 28 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 29

    31 Definition: www.duden.de/rechtschreibung/Prozess (abgerufen am 18. August 2016)32 Eigenverantwortung als handlungsleitendes Prinzip in der offenen Arbeit, 200233 Strätz, 200534 Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kindergärten, 201035 Hoffmann & Reuter-Fiebig, 1997, S. 64

    Als Prozess wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem etwas (allmählich) entsteht, sich herausbildet. 31 „Wenn in der pädagogischen Arbeit die Interessen und Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen, wird es immer wieder notwendig sein, Themen zu ändern. Der geplante und in Folge entstehende Prozess ist daher ergebnisoffen. Es ist nicht vorhersehbar und planbar, zu welchen Schlussfolge-rungen das Kind gelangt.“ 32

    „Auch im übertragenen Sinne haben die Kinder häufig eine andere Perspektive als Erwachsene. Viele Dinge haben für sie eine andere Bedeutung, schon deshalb, weil vieles, was Erwachsenen altbekannt ist, für sie neu und aufregend ist. Daher besteht eine ständige erzieherische Aufgabe darin, herauszufinden, was für ein Kind bedeutsam ist und was nicht.“ 33

    Die prozessorientierte Planung soll ein qualitätsvolles, zielgerichtetes Handeln ermöglichen, um Kinder in ihren Entwicklungs- und Bildungsprozessen angemessen zu unterstützen und nach ihren individuellen Möglichkeiten im Kindergarten zu begleiten. Den Ausgangspunkt für prozessorien-tierte Planung bilden die erstellten Beobachtungen und die Orientierung an den Interessen und Möglichkeiten der Kinder. 34

    Gemeinsam Wege gehen: Die Bedeutung des Begriffs „prozessorientiert“.

    Prozessorientiertes Planen „… zielt nicht auf die Festlegung von Zeiteinheiten, Arbeitsschritten, Lernbereichen und Tagesabläufen ab, geplant werden vielmehr die Entwicklungs- und Entfal-tungsmöglichkeiten der Kinder. Grundlage (…) sind die Situationen, in denen zum Ausdruck kommt, was Kinder beschäftigt oder bewegt, was die Kinder wissen und machen (wollen), welche Erfahrungsmöglichkeiten sie für ihre Fähigkeiten brauchen.“ 35

    Die Bachwanderung. Folgender Vergleich soll die Idee des prozesshaften Planens veranschauli-chen: Stellen Sie sich vor, Sie möchten mit den Kindern einen Bach durchwandern. Sie wissen, was auf dieser Wanderung zu beachten ist, was Sie dazu vermutlich brauchen werden und haben eine Idee, wie diese Wanderung ablaufen könnte. Auf welchem Weg das Ziel erreicht werden soll, ist vorerst offen. Sie stehen nun auf dem ersten Stein. Sie sehen, hören, riechen und fühlen, nehmen wahr, sammeln Eindrücke, achten auf die Reaktionen der Kinder und auf die Umgebung. Erst dann wird entschieden, wohin der nächste Stein gelegt wird. Liegt der Stein am vereinbarten Platz, wird sichtbar, ob dieser unter der Wasseroberfläche versinkt, neu gesetzt werden muss oder ob er sich gut einfügt. Ist die Position gut gewählt, geht die Wanderung weiter – Schritt für Schritt, Stein für Stein.

    Dazwischen gibt es Sandbänke, die im pädagogischen Alltag organisatorische und pädagogische Fixpunkte bedeuten, die Richtungen und Wege vorgeben und die Wanderung mitbestimmen. Diese bieten Anhaltspunkte und Sicherheiten.

    Im Unterschied zu einer Planung, bei der alle Steine im Vorfeld an einem bestimmten Ort platziert würden, lässt das prozessorientierte Planen offen, wo und wie der nächste Stein und somit der nächste Schritt gesetzt wird. Der Prozess entsteht im Wechselspiel mit der Umgebung und den Interaktionen mit den Kindern.

    PROZESSORIENTIERT PLANEN

  • 30 Bildungsabenteuer Kindergarten

    Für den Kindergartenalltag bedeutet dies, dass sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen Themen einbringen, einander zuhören, miteinander in Dialog treten und den Prozess gemeinsam gestalten.

    Zentrale Fragen für den Erwachsenen können dabei sein: • Was ist für die Kinder bedeutsam?• Worauf richten sie ihre Aufmerksamkeit, ihr Interesse? • Was könnte der nächste Schritt auf dem gemeinsamen Weg sein?Mit Kindern gestalten: Bildungsimpulse im Sinne der Ko-Konstruktion. Der Bildungsansatz der Ko-Konstruktion geht davon aus, dass sich Kinder im Austausch mit anderen ein Bild über die Welt machen – Wissen kann gemeinsam entdeckt werden. Kinder werden als Ko-Konstrukteure von Wissen, Identität, Kultur und Werten gesehen, sie gestalten ihre eigenen Lernprozesse und ihr soziales sowie kulturelles Umfeld aktiv mit.

    Die Pädagoginnen und Pädagogen nehmen in diesem Prozess eine bedeutsame Rolle ein: Sie begleiten, unterstützen, bringen eigenes Wissen und Erfahrungen ein und schaffen somit eine Balance zwischen selbstgesteuerten Lernprozessen der Kinder und Impulsen der Erwachsenen.

    Im folgenden Praxisbeispiel wird ko-konstruktives Arbeiten sichtbar. Die Pädagogin beachtet das Thema, von dem die Kinder begeistert sind, tritt mit ihnen in Dialog, hört zu und bringt ihre eigenen Gedanken und Ideen ein. Sie wartet die Antwort der Kinder ab, überlegt und plant gemeinsam mit den Kindern die nächsten Schritte:

    Acht Buben beschäftigt seit Tagen das Thema „Ninjago“. Gemeinsam tauschen sie den Inhalt der letz-ten Fernsehfolgen aus, besprechen, mit welcher Figur sie sich am liebsten identifizieren, und ahmen Szenen nach. Die Pädagogin beobachtet das Rollenspiel und sucht das Gespräch mit den Kindern. Es beginnt eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema „Ninjago“. In einem Austausch über das Leben der „Ninjagos“, bringt sich die Pädagogin mit Fragen und eigenen Sichtweisen ein. Die Kinder entwickeln die Idee, ein eigenes „Ninjago-Land“ zu errichten.

    Die Pädagogin beachtet diesen Wunsch, gibt den Kindern aber auch die Rückmeldung, dass die anderen Kinder für ihre Spielvorhaben im Gruppenraum mehr Ruhe benötigen. Gemeinsam werden weitere Überlegungen besprochen.

    Die Idee, das „Ninjago-Land“ im Bewegungsraum aufzubauen, entsteht, und so werden erste Pläne für das „Ninjago-Land“ entworfen und benötigte Utensilien im Kreativbereich (Bau von Masken und Lichtschwertern) hergestellt.

    Am nächsten Tag betreten die Kinder freudestrahlend den Bewegungsraum. Im Laufe des gemeinsa-men Spiels wird es notwendig, eine Matte für das Kräftemessen bereitzustellen sowie Regeln dafür aufzustellen, um einen sicheren Rahmen zu schaffen. Das „Ninjago-Land“ kann nach Rücksprache mit dem restlichen Team mehrere Tage stehen bleiben, einige Kinder verfassen eine Ninjago-Geschichte und malen Bilder dazu. Des Weiteren werden Ninjago-Schwerter, -Figuren und -Masken mit unter-schiedlichen Materialien hergestellt. In diesem Zeitraum beobachtet die Pädagogin immer wieder das Geschehen, moderiert Situationen, bleibt mit den Kindern im Gespräch, achtet auf Reaktionen und Antworten der Kinder und bezieht ihre weiteren Überlegungen und Impulse darauf.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 31

    36 vgl. Kuyk, 201237 vgl. Kuyk, 2012

    Folgende Kompetenzentwicklungen werden dabei unterstützt und gefördert: • Selbstkompetenz – Gefühle des „Mutig- und Starkseins“ erfahren, eigene Ideen und Vorstellungen

    verbalisieren, mit Konzentration und Ausdauer spielen und arbeiten, Selbstregulierungsfähigkeit: Gefühle und Impulse steuern können …

    • Sozialkompetenz – Meinungen, Wünsche, Erwartungen anderer anhören und respektieren, im Team arbeiten, fair handeln, Vereinbarungen mitgestalten und einhalten, Grenzen anderer wahrnehmen und respektieren …

    • Sachkompetenz – sich mit Materialien experimentell und kreativ auseinandersetzen, Wissen, Erfahrungen und Gedanken verbalisieren, bei Problemstellungen Lösungen suchen und finden …

    • Lernmethodische Kompetenz – Pläne und Strategien zu ihrer Verwirklichung entwickeln, Lernen durch Nachahmung …

    Auf welchen Ebenen findet Ko-Konstruktion statt? „Ko-Konstruktion findet im Kontakt mit ande-ren Kindern statt, wenn Erfahrungen, Wissen, Ideen und Meinungen ausgetauscht, ausprobiert, erworben und aufgebaut werden.“ 36

    Mit anderen Kindern: Einige Kinder räumen gemeinsam den Rückzugsbereich auf. Dabei sollen die Decken zusammengelegt und zu einem Stoß aufeinandergestapelt werden. Erol und Magdalena überlegen, wie sie die Decken zusammenlegen sollen. Erol nimmt dabei zwei Ecken in die Hand, und Magdalena hält die gegenüberliegenden Ecken fest. Johannes und Greta stellen sich dazu und beobachten das Vorhaben der beiden anderen Kinder.

    Erol und Magdalena entwickeln gemeinsam folgende Strategie: Sie gehen aufeinander zu und legen die gegenüberliegenden Ecken zusammen. Nach einigen Versuchen klappt es. Die Decke ist jetzt um die Hälfte kleiner als zuvor, aber trotzdem noch zu groß. Und so wiederholen sie den Vorgang weitere zwei Mal – bis die Decke für sie die richtige Größe zum Stapeln hat. Johannes und Greta bieten ihre Hilfe beim Zusammenlegen der restlichen Decken an und übernehmen dabei die beobachtete Strategie. In kürzester Zeit sind alle Decken aufeinandergestapelt.

    „Durch das komplexere gemeinsame Spiel, das Forschen und Ausprobieren von Kindern und Erwachsenen werden ko-konstruktive Lernprozesse angeregt und initiiert.“ 37

    Mit anderen Kindern und Erwachsenen. Im Baubereich wird seit zwei Wochen ein neues Magnet-spiel intensiv genutzt. Pyramiden, Würfel und Häuser werden gebaut, die durch einen Straßenbau miteinander verbunden werden. Die Auseinandersetzung beginnt danach etwas abzuflachen. Die Pädagogin fragt die Kinder: „Was denkt ihr, gibt es bei uns im Kindergarten weitere Materialien, die ebenfalls magnetisch sind?“ und initiiert damit, dass die Kinder unterschiedliche Gegenstände dahingehend überprüfen. Sie erforschen nun den Kindergarten und dokumentieren die Ergebnisse mit Fotos und Zeichnungen. In den kommenden Tagen stellt die Pädagogin verschieden starke Magnete zur Verfügung sowie unterschiedliche Materialien, die die Kinder zum Experimentieren anregen. Theorien über physikalische Gesetzmäßigkeiten werden dabei gemeinsam aufgestellt, besprochen und überprüft.

  • 32 Bildungsabenteuer Kindergarten38 vgl. Kuyk, 201239 Waidhofer, 2014, S. 9

    „Der Erwachsene setzt sich mit einem Kind auseinander, indem konkrete Impulse gesetzt werden. Das Kind und die Pädagogin/der Pädagoge sind eng in die Ko-Konstruktion eingebunden.“ 37

    Mit dem Kind und dem Erwachsenen. Sophie braucht beim Schneiden noch die Unterstützung von Erwachsenen. Oft geht ihr die Kraft aus, und das Koordinieren ihrer Bewegungen kostet sie viel Anstrengung. Der Pädagoge kennt Sophie und weiß, dass ihr das Hantieren mit Wasser sowie Schütt-spiele besonders viel Spaß machen. Eine Eiswürfelbox, Pipetten und eingefärbtes Wasser werden auf einem Tablett vorbereitet. Dieses Material soll Sophie zum Spielen anregen und gleichzeitig die Entwicklung der Feinmotorik unterstützen. Die weiteren spezifischen Spielimpulse entwickeln sich aus den Reaktionen des Kindes heraus.

    Auf diesen Ebenen des gemeinsamen Lernens ist „Erziehung nicht als Übertragung von Wissen zu verstehen, sondern als Ermöglichung von Situationen, in denen innere Verständnisstrukturen in größtmöglicher Weite und Verzweigung entstehen können“. 38

    Gelingt es, die Balance zwischen den Themen der Kinder und dem Anliegen der Pädagogin bzw. des Pädagogen sowie dem Bildungsauftrag zu halten, bleibt der Austausch zwischen dem Kind bzw. den Kindern und dem Erwachsenen ein lebendiger, der auf diese Weise die Basis für ein gemeinsames Lernen, Erfahren, Ausprobieren, Scheitern, Wiederholen und Experimentieren schafft.

    „Themen aufgreifen“ – an Erfahrungen und Wissen der Kinder anknüpfen. Die Themen der Kin-der können durch Erlebnisse und Erfahrungen aus der Familie und dem Lebensumfeld des Kindes in den Kindergarten eingebracht werden, oder sie entstehen aus der gemeinsamen Aktivität, im Spiel, im Tun, in kreativen Prozessen oder Gesprächen innerhalb der Institution. Die Aufgabe der Pädagogin bzw. des Pädagogen besteht darin, diese Themen zu sehen, zu verstehen, zu beachten.

    Die Kinder entdecken im Raum eine Ameisenstraße. Zunächst beobachten sie, wohin die Amei-sen wandern, und versuchen somit, ihr „Haus“ auszuforschen. Vanessa kommt auf die Idee, eine Ameisenburg zu bauen, und so beginnen die Kinder, aus WC-Rollen und Joghurtbechern rund um die Ameisen eine Mauer zu bauen. Zusätzlich besorgen sie sich Becherlupen und tauschen sich aus, welches Lieblingsessen sie für die Ameisen besorgen können. Die Kinder zählen die Füße der Ameisen, beobachten genau, wie sich diese durch den Raum fortbewegen. Sie schlagen in einem Buch nach und finden heraus, was Ameisen fressen. In einem Portfoliobeitrag werden ihre Erkennt-nisse über Ameisen dokumentiert.

    Pauls Großeltern haben im Moment zu Hause eine große Baustelle. Ein Pool wird gebaut. Seit Tagen sieht Paul begeistert dem Bagger bei den Aushubarbeiten und den Handwerkern zu. Er kann es jeden Tag kaum erwarten, von seinem Opa vom Kindergarten abgeholt zu werden. Er will nichts verpassen.Im Kindergarten erzählt er seinen Freunden von den jeweiligen Beobachtungen, zeichnet einen Plan und versucht, die einzelnen Bauschritte den anderen Kindern zu erklären. Nach einigen Tagen beginnen die Kinder, ein Loch in der Sandmulde des Kindergartens zu graben – es wird immer tiefer und größer. Steine für den Rand werden in die Sandmulde geschleppt, eine Plane gespannt und Wasser eingelassen. Nach fast zwei Wochen Arbeit ist der „Pool“ im Kindergarten fertig.

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 3340 vgl. Laewen & Andres, 2002, S. 127

    „Themen zutrauen“ – den Forschergeist wecken, Erfahrungsräume schaffen. Neben den Themen, die Kinder aus ihrer eigenen Erfahrungswelt mit in den Kindergarten bringen oder die sie dort aus eigener Kraft entwickelt haben, liegt es auch in der Verantwortung der Pädagoginnen und Pädagogen, Themen einzubringen, die den Erfahrungsraum des Kindes erweitern, den Forschergeist wecken, die Möglichkeiten für Kompetenzentwicklungen schaffen, sowie kulturelle Dimensionen zu erfahren. 40

    Welche Kompetenzen brauchen die Kinder heute und in naher Zukunft? Vielfältige Wege kennen-lernen, um aufeinander zuzugehen, Vertrauen zu entwickeln, einander zuzuhören und aufeinander Rücksicht zu nehmen; über Gefühle und Eindrücke sprechen lernen; Konfliktlösungsstrategien anbieten und ausprobieren; sich Wissen aneignen und überprüfen; kreative Lösungen finden …

    Welche Wissens- und Erfahrungsbereiche sollen an die Kinder herangetragen werden? Sich als Gemeinschaft erleben; Ideen einbringen und Vorhaben besprechen; vielfältige Bewegungsanlässe nutzen; gemeinsames Musizieren, Singen und Tanzen; Erzählen/Erfinden von Geschichten, Mär-chen und Reimen; kreative Ausdrucksmöglichkeiten ausprobieren können (initiiertes Rollenspiel, Tanz, vielfältiges Material …); gemeinsames Staunen, Philosophieren, Nachdenken und Sprechen über Alltagsphänomene und Naturbeobachtungen; gemeinsame Ausflüge (in der unmittelbaren Umgebung: Feuerwehr, Seniorenheim, Wald, Museen, Theater …) …

    Welche Haltungen und Werte sollen den Kindern vermittelt werden? Offenheit gegenüber dem „Anderen, Neuen, Fremden“; wertschätzender Umgang mit anderen; Sichtweisen anderer respektie-ren; sich aktiv in die Gruppe einbringen, mitgestalten, eigene Meinungen und Sichtweisen äußern …

    Die Pädagogin nimmt seit Längerem wahr, dass Lina in der Gruppe eine vorwiegend beobachtende Rolle einnimmt und erste vorsichtige Versuche unternimmt, Kontakt mit anderen Kindern aufzuneh-men. Die Pädagogin möchte ihr und den anderen Kindern Wege aufzeigen, wie man mit anderen Kindern in Kontakt treten und Freundschaften knüpfen kann. Sie erzählt das Bilderbuch „Günther sucht einen Freund“ und bietet dieses als Rollenspiel an. Gespräche über die Stärken jedes Kindes in der Gruppe entstehen, und somit findet ein neues Kennenlernen statt.

    Das Martinsfest steht vor der Tür. Die inhaltlichen Themen wie das Aufeinander-Achtgeben, Teilen und Einander-Helfen stellen für das Kindergartenteam wichtige Aspekte dar. Gemeinsam mit dem Elternbeirat überlegen sie, wie sie dieses Fest gestalten können. Eine Mutter erzählt, dass sie durch einen Krankenhausaufenthalt ihres Kindes bemerkt habe, dass dort kaum Spielmaterialien vor-handen seien. Die Idee entsteht, dass die Eltern mit ihren Kindern zu Hause Spielmaterialien oder Bilderbücher für die Kinder im Krankenhaus auswählen. Dieses Angebot wird den Eltern in Form eines Elternbriefes vorgestellt und basiert auf freiwilliger Basis. Beim Martinsfest werden zwölf Schach-teln mit Spielmaterialien einer Vertreterin der Kinderstation von den Kindern voller Stolz überreicht.

    Laith ist vier Jahre alt und besucht seit vier Monaten den Kindergarten. Er hat sich gut eingelebt, Freunde gefunden und Vertrauen zu den Pädagoginnen aufgebaut. Die Familie muss nun den Wohnort wechseln. Laith kann nicht mehr in den Kindergarten kommen, um sich zu verabschieden.Daniel und Samara fragen, wo Laith jetzt wohnt und warum er nicht mehr kommt. Die Pädagogin greift das Thema auf, bespricht mit den Kindern im Gesprächskreis den Umzug von Laith, und gemeinsam überlegen sie, welchen Weg sie für das bewusste „Abschiednehmen“ wählen.

  • 34 Bildungsabenteuer Kindergarten41 vgl. Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kindergärten (Hrsg.), 2010, S. 1042 vgl. G. Schäfer, 2004, S. 6543 Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kindergärten (Hrsg.), 2010

    Timo bemerkt, dass Ayses Schuhriemen aufgegangen ist. „Soll ich deinen Schuh binden?“, fragt er das zweieinhalbjährige Mädchen. Ayse nickt freudestrahlend, wartet geduldig, hält ganz still und beobachtet gespannt, wie es Timo nach mehreren Versuchen gelingt, eine Masche zu binden.

    Was für eine Freude für Entwicklungsbegleiterinnen und Entwicklungsbegleiter, so eine Szene zu beobachten. Was befähigt Timo, das jüngere Mädchen so gut zu unterstützen? Was befähigt Ayse, diese Hilfestellung so gut annehmen zu können?

    Timo weiß, wie eine Masche gebunden werden kann, er hat dies oft beobachtet. Er verfügt über Erfahrung, denn er hat wiederholt am Schleifenrahmen geübt. Er weiß, dass man mit offenen Schuhriemen stürzen kann. Er fühlt sich dem jüngeren Kind gegenüber verantwortlich, zeigt Eigen-initiative und ist sich bewusst, dass er Ayse erst um ihr Einverständnis fragen muss, bevor er ihren Schuh bindet. Zudem weiß er, dass er Geduld haben muss, wenn etwas nicht gleich gelingt. Eine Reihe von Lernerfahrungen hat es ihm ermöglicht, diese Kompetenzen zu entwickeln, die ihn nun befähigen, diese Situation einzuschätzen und entsprechend zu handeln.

    Ayse scheint zu erkennen, dass es notwendig ist, den Schuh zu binden und dass sie dies nicht ohne Hilfe schafft – sie kann ihre Fähigkeiten gut einschätzen. Es ist zu vermuten, dass sie öfters erlebt hat, wie ältere Kinder jüngeren helfen und dass man von den „Großen“ etwas lernen kann – und sie weiß auch schon wie: Man muss gut hinschauen.

    Kompetenzen sind also mehr als gesammeltes Wissen oder erlernte Fähigkeiten: Es ist ein Netz-werk von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Strategien und Routinen 41, das es Kindern ermöglicht, in unterschiedlichen Situationen urteils- und handlungsfähig zu sein.

    Die Beobachtungen von Tätigkeiten und Handlungen im Spiel liefern wichtige Erkenntnisse darüber,

    • welchem „Sammeln von Erfahrungen“ sie sich gerade widmen, • welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie in ihren Tätigkeiten anwenden, wiederholen oder ver-tiefen bzw. welche sie sich davon neu aneignen,

    • welcher Kompetenzbereich durch die tiefergehenden Lernerfahrungen gestärkt wird und • welche Möglichkeiten den Kindern bereitgestellt werden sollen, um sie in den einzelnen Kom-petenzentwicklungen zu unterstützen.

    Um die kindlichen Lern- und Bildungspotenziale entsprechend unterstützen zu können, müssen wir den Kindern Gelegenheiten bieten,

    • um vielseitige Erfahrungen sammeln, diese auszuprobieren, zu variieren und vertiefen zu können,• in denen sie auf bereits vorhandene Kompetenzen zurückgreifen können und die• die Entwicklung von neuen Kompetenzen fördern. 42 Die folgende Übersicht bietet eine Auswahl an möglichen Kompetenzbeschreibungen, die in der Praxis ergänzt und der jeweiligen Situation angepasst werden können. Manche Kompetenzbe-schreibungen bedürfen einer Konkretisierung, zum Beispiel mit Materialien adäquat umgehen: mit der Schere adäquat umgehen. Hinweis: Im „Bildungsplan für Kindergärten in Niederösterreich“ 43 finden sich allgemeine Kompetenzdefinitionen in Abschnitt 1: S. 10. Weitere konkrete Kompetenz-beschreibungen sind in Abschnitt 2 und in Abschnitt 3 den jeweiligen Bildungsbereichen zugeordnet.

    KINDER FÜR DAS LEBEN RÜSTEN: KOMPETENZENTWICKLUNG ERMÖGLICHEN

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 35

  • 36 Bildungsabenteuer Kindergarten

    SELBSTKOMPETENZAUSWAHL AN MÖGLICHEN KOMPETENZBESCHREIBUNGEN

    Positives Selbstkonzept• auf seine eigenen körperlichen Fähigkeiten, sein eigenes Wissen und Können vertrauen• eigene Kompetenzen einschätzen können• eigene Grenzen kennen• an seine Selbstwirksamkeit glauben• über eine positive Einstellung zum eigenen Körper verfügen• Situationen humorvoll betrachten • sich seiner Identität als Mädchen/Bub bewusst sein• über sich und seine Familie Bescheid wissen/sich selbst in Bezug setzen zur eigenen Familie und Herkunft• Sprache als Teil der individuellen und kulturellen Identität erkennen• selbstbewusst in Bezug auf die eigenen Sprachfähigkeiten sein• Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen – offen mit Vielfalt und Unterschieden umgehen

    Eigenverantwortung/Selbstständigkeit• altersgemäß selbstorganisiert handeln• eigenverantwortlich für sich und für andere handeln• altersentsprechend selbstständig den Kindergartenalltag bewältigen

    Lernbereitschaft zeigen • sich mit Neugier Fragestellungen und Lernthemen zuwenden• sich engagiert/vertieft mit einem Thema auseinandersetzen• Herausforderungen suchen• bereit sein, sich auf Lernprozesse einzulassen• Verantwortung für eigene Lernprozesse übernehmen• bereit sein, aus Fehlern zu lernen

    Eigenes Handeln gestalten• Selbstregulierungsfähigkeit: Gefühle und Impulse steuern• mit Ausdauer und Konzentration spielen und arbeiten• über Problemlösungsstrategien verfügen und auf neue Situationen übertragen • kreativer Umgang mit Materialien, Sprache, Bewegung ...• standhalten bei Herausforderungen/Schwierigkeiten

    Sprachlicher Ausdruck• Sprache als Ausdrucks- und Kommunikationsform nutzen• sich der Wirkung von Tonfall, Mimik, Gestik und Körperhaltung bewusst sein• Gedanken, Inhalte, Zusammenhänge und Erlebnisse verbal ausdrücken• eigene Gefühle/Sichtweisen/Meinungen/Bedürfnisse/Erwartungen verbalisieren und vertreten • sprachliche Handlungsabfolgen verstehen und darauf reagieren• mit Sprache kreativ und spielerisch umgehen• Symbole und Schrift als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel verstehen und einsetzen

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 37

    SOZIALKOMPETENZAUSWAHL AN MÖGLICHEN KOMPETENZBESCHREIBUNGEN

    Beziehungsfähigkeit• Kontakte knüpfen • sich auf neue Beziehungen einlassen/neuen Gruppenmitgliedern offen begegnen• Vertrauen zu Bezugspersonen/Freundschaften aufbauen• Nähe und Distanz zu bekannten und fremden Personen aktiv handhaben• Beziehungen gestalten

    Kommunikations- und Dialogfähigkeit• zuhören und auf Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartner eingehen • eigene Bedürfnisse und Wünsche gegenüber anderen zum Ausdruck bringen• Meinungen, Wünsche, Erwartungen anderer anhören und respektieren• sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer einfühlen • Sprache/Sprachen gezielt zur Kommunikation einsetzen• nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten nutzen• Wege finden, Sprachbarrieren zu überwinden

    Kooperations- und Teamfähigkeit• im Team arbeiten und spielen/Lerngemeinschaften bilden• sich Situationen, Menschen/Gruppen anpassen, z. B. warten können;

    eigene Bedürfnisse zurückstellen; teilen; Grenzen anderer respektieren

    • Verantwortung für sich, für andere und für die Gruppe übernehmen• sich partnerschaftlich, verständnisvoll verhalten• fair handeln• Hilfsbereitschaft zeigen• Vereinbarungen mitgestalten/einhaltenUmgang mit Neuem, Fremdem und Anderem

    • sich neugierig und interessiert auf neue Situationen einlassen• Unterschieden und Vielfalt mit Offenheit begegnen• sich bewusst sein, dass die eigene Kultur eine unter vielen ist• mit eigenen Normen und Werten der Situation angemessen umgehen• Differenzen und Gleichheiten erkennen, benennen und akzeptierenKonfliktlösungsfähigkeit

    • Empfindungen und Körpersignale wahrnehmen und entsprechend reagieren• Signale von anderen Kindern/Erwachsenen erkennen und einschätzen • unterschiedliche Konfliktlösungsstrategien kennen und anwenden • in Konfliktsituationen Kompromisse finden, die sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die der anderen berücksichtigen

    • die Folgen eigenen Handelns erkennen• Kritik äußern und annehmen• Unterstützung suchen, wenn ein Konflikt nicht selbstständig bewältigt werden kannSprachlicher Ausdruck

    • Kontakte mit anderen sprachlich initiieren und aufrechterhalten• Vereinbarungen treffen, im Dialog mit anderen Aktivitäten planen, diskutieren, organisieren, koordinieren und durchführen

    • Erst- und Zweitsprache, Dialekt- und Schriftsprache den jeweiligen Situationen entsprechend einsetzen

  • 38 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 39

  • 40 Bildungsabenteuer Kindergarten

    SACHKOMPETENZAUSWAHL AN MÖGLICHEN KOMPETENZBESCHREIBUNGEN

    Sach- und Fachwissen • über Sach- und Fachwissen verfügen• Möglichkeiten nutzen, Sach- und Fachwissen zu erweitern• Sach- und Fachwissen in unterschiedlichen Situationen adäquat einsetzen • Sachverhalte beurteilen • Erfahrungen und Wissen vermitteln

    Umgang mit Materialien• sich mit Materialien experimentell/kreativ auseinandersetzen • mit Materialien adäquat umgehen

    Beurteilungsvermögen• Sachverhalte beurteilen • über ein Gespür für/Wissen über Gesetzmäßigkeiten von unterschiedlichen Materialien verfügenUmsetzung/Anwendung

    • systematisch einen Plan/ein Ziel verfolgen• über Folgebewusstsein verfügen• Aufgaben erfolgreich umsetzen• Hypothesen erstellen und überprüfen• neue Wege ausprobieren• bei Problemstellungen Lösungen suchen/findenSprachlicher Ausdruck

    • über sprachliche Begriffe verfügen (z. B. Materialien, Werkzeuge, Fachbegriffe)• Sachverhalt/Wissen/Erfahrungen/Gedanken verbalisieren (z. B. Hypothesen, Arbeitsschritte, Vorgehensweisen, Problemlösungsschritte formulieren)

    • Schlussfolgerungen auf der Basis vorhergehender Erfahrungen formulieren• Erfahrungen und Wissen vermitteln • Texte, Erzählungen, Aufgabenstellungen sinngemäß verstehen

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 41

    LERNMETHODISCHE KOMPETENZAUSWAHL AN MÖGLICHEN KOMPETENZBESCHREIBUNGEN

    Förderliche Lernstrategien• Lernen durch Beobachtung• Lernen durch Ausprobieren/Experimentieren• Lernen durch Versuch/Irrtum• Lernen durch Nachahmung• Lernen durch Übung/Wiederholung• Lernen durch Fragen• Lernen durch Nachdenken/Reflektieren• sich etwas zeigen/erklären lassen

    Bewusstsein über Denk- und Lernprozesse• eigene Denk- und Lernprozesse bewerten/einschätzen/planen• förderliche Lernstrategien erkennen • Fehler entdecken und selbstständig eine Lösung finden• Hypothesen bilden und überprüfen• Gesetzmäßigkeiten erkennen

    Denk- und Lernprozesse planen• selbstständig Ziele setzen• Pläne und Strategien zur Umsetzung entwickeln• Zusammenhänge erkennen und Schlüsse daraus ziehen

    Gelerntes in neue Situationen transferieren• Gelerntes in neuen Situationen anwenden/adaptieren/neue Verknüpfungen herstellen• gewonnenes Wissen konstruktiv für das Weiterlernen einsetzen• Lernprozesse weiterführen

    Sprachlicher Ausdruck• Lern- und Denkprozesse beschreiben• Fragen, Hypothesen, Gesetzmäßigkeiten, Zusammenhänge verbalisieren• Lernstrategien, erworbenes Wissen und Erfahrungen sprachlich ausdrücken• das eigene Denken mittels Sprache strukturieren

  • 42 Bildungsabenteuer Kindergarten

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 43

    44 vgl. Friebertshäuser & Prengel, 2003, S. 50945 Nentwig-Gesemann, Fröhlich-Gildhoff, Harms, & Richter, 201146 vgl. Daut & Eitel, 200947 vgl. Schiffer, 2013, S. 10 ff.48 vgl. Kneidinger, 2007, S. 58 ff.

    „In der pädagogischen Arbeit nimmt das Verstehen eine zentrale Position ein, denn alle weiteren Maßnahmen leiten sich aus dem Verstehen ab.“ 44

    Im Kindergartenalltag begegnen Pädagoginnen und Pädagogen oftmals Situationen, in denen sie spontan und „aus dem Bauch heraus“ entscheiden und reagieren müssen. Wie Pädagoginnen und Päda-gogen in diesen Situationen reagieren und handeln, ist geprägt von persönlichen Erfahrungen, der individuellen Lebensgeschichte, Wertehaltungen und dem erworbenen pädagogischen Fachwissen.

    Die Reflexion der eigenen Erziehungs- und Bildungsbiografie sowie die Reflexion des Fachwissens nehmen somit eine zentrale Rolle in der Gestaltung professionellen Handelns und dem Verstehen von Situationen im pädagogischen Alltag ein. 45

    Der Begriff Reflexion wird vom lateinischen Wort „reflectere“ (zurückspiegeln, widerspiegeln, inten-sives Nachsinnen) abgeleitet. Im pädagogischen Kontext meint Reflexion das Nachdenken der Päda-goginnen und Pädagogen über eine vergangene pädagogische Situation, die damit noch einmal von allen Seiten beleuchtet wird, um sie besser zu verstehen und bewusst aus ihr zu lernen. Ein innerer Dialog beginnt, der manchmal irritiert, verunsichert, bestärkt oder unterstützt.

    Das Innehalten und Nachdenken über pädagogisches Handeln und Erkennen der eigenen Gefühle stellen somit für den pädagogischen Alltag eine wertvolle Ressource dar, weil hier die Chance liegt,

    • Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen (Analyse und Evaluation von Vergangenem), • Abläufe, Situationen und Handlungen zu verändern (Planung von Zukünftigem) sowie • auf Aktuelles zu reagieren. 46 Dies schafft für das pädagogische Handeln der Pädagogin bzw. des Pädagogen Stabilität, Struktur und Handhabbarkeit, die notwendig sind, um die personale Kompetenz weiterentwickeln und den täglichen Belastungen standhalten zu können. 47

    Die Reflexion

    • der eigenen Haltungen und Orientierungen, • über Begegnungen und Beziehungen mit Kindern,• über den Umgang mit Kolleginnen/Kollegen und Eltern,• des pädagogischen Handelns,• der angewandten Methoden und • der durchgeführten Bildungsaktivitäten sind bedeutsame Schritte, die zum Verstehen beitragen können.

    Dazu braucht es

    • die grundsätzliche Bereitschaft, sich offen und neugierig dem „Anderen, Fremden und Neuen“ anzunähern, die persönlichen Routinen zu hinterfragen und kritisch zu betrachten, einen Per-spektivenwechsel vollziehen zu können 48 sowie

    • konkrete Reflexionsfragen um das aktuell Erfahrene mit gemachten Erfahrungen systematisch in einem persönlichen inneren Dialog oder im Dialog mit anderen Personen zu besprechen oder zu dokumentieren.

    INNEHALTEN – NACHDENKEN – ERKENNEN: DIE REFLEXION

  • 44 Bildungsabenteuer Kindergarten49 vgl. Kneidinger, 2007, S. 59

    Die Reflexion in gedanklicher, mündlicher oder schriftlicher Form ermöglicht beispielsweise … 49 … sich den eigenen Haltungen und ihrer Entstehungsgeschichte bewusst zu werden.z. B.: Mario schlüpft im Rollenspielbereich gerne in Stöckelschuhe und zieht Kleider an. Dieses Verhalten ist für mich befremdlich und verunsichert mich in meiner Reaktion auf Marios Rollenspiel. >> Rollenklischees überdenken!

    … über Behauptungen nachzudenken und darüber, wie diese das tägliche pädagogische Handeln beeinflussen.z. B.: Vermehrt kommen Anschuldigungen, dass Paula Bauwerke zerstört, an Spielprozessen teil-nimmt, ohne die teilnehmenden Kinder vorher gefragt zu haben, und Bilderbücher wegnimmt. >> Genaueres Hinsehen und Begleiten, um Paula nicht in die Rolle der „Störenden“ zu drängen. >> Konflikte rechtzeitig aufgreifen und besprechen.

    … über das eigene Handeln nachzudenken.z. B.: Kinder holen mich häufig zu Konflikten, fordern eine Entscheidung meinerseits. >> Diese Rolle möchte ich nicht mehr einnehmen. >> Streitgespräche vermehrt moderieren, das Aushandeln von Kompromissen intensiver begleiten.

    … über die persönlichen pädagogischen Grundsätze und Orientierungen nachzudenken.z. B.: Zu Beginn des Jahres besprechen wir immer gemeinsam mit den Kindern Regeln und Verein-barungen. Im Moment kommt es vermehrt zu Situationen, in denen ich merke, dass die Regeln nicht mehr passend sind. >> Kinder beim Aufstellen neuer Vereinbarungen beteiligen und besprechen, dass diese anlassge- geben auch verändert werden können.

    … die persönlichen Stärken und offene Lernfelder zu erkennen. z. B.: In der Begleitung der Kinder im Malbereich kann ich meine Erfahrungen und meine Begeis-terung für das Malen entsprechend einsetzen. >> Das Anbieten von Impulsen in einem bestimmten Malbereich schlage ich im Zuge des offenen Hauses im Team vor.

    Übergänge im Tagesablauf (vom freien Spiel zum Gartenaufenthalt oder vom freien Spiel zur Geburtstagsfeier) verlaufen immer wieder sehr unruhig. >> Methodische Überlegungen sollte ich im Vorfeld besser in die Planung miteinbeziehen.

    … über den gemeinsamen Dialog und die Begegnungen mit Eltern auf Augenhöhe nachzudenken.z. B.: Viele Eltern erkundigen sich täglich über das Essverhalten ihres Kindes. Beim Mittagsdienst wirkt sich dies oftmals so aus, dass ich die Kinder überreden möchte, noch einen Löffel zu probieren. Dabei fühle ich mich unwohl. >> Thematik im Team und mit den Eltern ansprechen, unterschiedliche Sichtweisen abklären!

    … die Zusammenarbeit im Team und bedeutsame Aspekte für ein gemeinsames Miteinander in den Mittelpunkt zu stellen.z. B.: Durch das Zusammentreffen der Kinder in den Sammelgruppen werden die Unterschiede der vereinbarten Regeln aus jeder einzelnen Gruppe sichtbar. >> Im Team den Umgang mit den unterschiedlichen Regeln klären!

  • Bildungsabenteuer Kindergarten 45

    … über die Beziehungen zu den Kindern, zwischen den Kindern und über die Gestaltung des Bezie-hungsaufbaus nachzudenken.z.B.: Ich bemerke eine erhöhte Achtsamkeit der Kinder in den Gesprächen mit Nina (Nina ist hör-beeinträchtigt). Sie suchen häufiger den Blick- und Körperkontakt im Gespräch mit ihr. Dies führt dazu, dass Nina offen auf andere zugeht und sich intensiver auf Spielprozesse einlässt – gemeinsam lachen sie viel! z. B.: Um eine Vertrauensbasis zwischen mir und Elisa aufzubauen, bitte ich sie und ihre Mutter, Fotos, beispielsweise von ihrer Familie, von einem Haustier oder einem gemeinsamen Urlaub, in den Kindergarten mitzubringen. Dadurch möchte ich weitere Anknüpfungspunkte für einen gemeinsamen Dialog finden und eine Beziehungsbasis schaffen.

    … das Wahrnehmen, wie und ob ein gemeinsames Miteinander spürbar, hörbar und erlebbar wird.z.B.: Die Gestaltung eines Gesprächskreises mit Enis (IKM) eröffnet den Kindern und mir den Zugang zur albanischen Sprache und trägt dazu bei, die vorhandenen Hemmschwellen für das Anwenden der Sprache abzubauen. >> Weitere mehrsprachige Impulse überlegen und durchführen.

    … einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Lernerfahrungen gemacht wurden bzw. ob die Impulse den Bedürfnissen und Interessen der Kinder entsprochen haben.z.B.: Aufgeklebte Wörter im Gruppenraum bewirken eine Beschäftigung der Kinder mit Buchstaben. >> Aleyna (IKM) könnte dies aufgreifen und mit den Kindern die Wörter und Schriftbilder auf Arabisch anbieten.

    … die Methoden und die Wirksamkeit von Impulsen zu überprüfen.z. B.: Der Gartenaufenthalt in Kleingruppen schafft eine ruhigere und konzentriertere Spielatmo-sphäre im Gruppenraum sowie im Garten. Zusätzlich ist bei den Kindern nach der Bewegung eine längere Konzentrationsphase beobachtbar.

    … das Überdenken, ob und in welcher Weise Abläufe, Übergänge und die Zusammenarbeit im Team bzw. mit Eltern gestaltet werden sollen.z. B.: Der Übergang zum Mittagessen wirkt auf mich sehr hektisch. Die Ursachen liegen eventuell am zu früh angelegten gemeinsamen Essen oder an der Personaleinteilung. >> Ins Team einbringen – Ideen, Vorschläge?

    Die Reflexion spiegelt die bewusst gewordene Praxis wider und bildet die Grundlage für jede weitere Planung. Dies bedeutet, dass jede Reflexion in die Planung einfließt und somit das pädagogische Handeln verändert, beeinflusst und professionalisiert.

    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Aristoteles

  • 46 Bildungsabenteuer Kindergarten50 frei erzählt nach

    „Zilly, die Zauberin“ von Paul & Thomas, 1989

    Die Geschichte von „Zilly, der Zauberin“ 50 soll diese Schritte verdeutlichen.

    Zilly, die Zauberin. Tief im Wald, in einem großen Haus, lebt Zilly, die Zauberin. Ihr Haus ist innen sowie außen schwarz. Die Teppiche, die Sessel, das Bett, sogar das Bad ist schwarz. Zillys Kater Zingaro ist ebenfalls schwarz, nur seine Augen sind grün. Dadurch entstehen immer wieder Pro-bleme: Wenn Zingaro auf einem Sessel oder auf einem Teppich sein Schläfchen hält, kann es passieren, dass sich Zilly auf ihn setzt oder über ihn stolpert. Eines Tages, nachdem Zilly wieder einmal über Zingaro stolpert, hat sie es satt. Nach kurzer Überlegung schwingt sie ihren Zauber-stab – „ Abrakadabra!“ – und verzaubert Zingaro in einen grasgrünen Kater. Nun kann Zilly ihn überall sehen. Schwierig ist es nur, wenn sich Zingaro im Garten aufhält. Einmal, als Zilly aus dem Haus läuft und Zingaro gerade in der Wiese sitzt, stolpert sie über ihn und fällt in einen Rosenbusch.

    Voller Wut schwingt Zilly wieder ihren Zauberstab und zaubert Zingaro einen roten Kopf, einen gelben Körper, einen rosaroten Schwanz, blaue Schnurrbarthaare und vier violette Beine. Zingaro sieht lächerlich aus – sogar die Vögel verspotten ihn. Zilly ist jedoch zufrieden, da sie ihren Kater nun überall sehen kann.

    Bald bemerkt sie, dass Zingaro sehr unglücklich ist. Sie macht sich Sorgen, da sie ihren Kater über alles liebt. Sie möchte nicht, dass er unglücklich ist. So hebt Zilly ein weiteres Mal ihren Zauberstab und verwandelt Zingaro wieder in einen schwarzen Kater mit grünen Augen. Aber damit nicht genug: Sie schwingt immer und immer wieder ihren Zauberstab. Schließlich wird aus ihrem schwarzen Haus ein gelbes mit rotem Dach, einem weißen Bad, grün-rosa Teppichen und weiß-roten Kissen. Nun ist Zingaro überall zu sehen und glücklich – genauso wie Zilly.

    So wie Zilly verändern Pädagoginnen und Pädagogen bestimmte Situationen nach ihren Wahrneh-mungen und Vorstellungen. Zilly gelingt durch ein Innehalt