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Märkte 12 Healthcare Marketing 2/2018 Biosimilars Verschärfter Wettbewerb zwischen Nachahmer- und Originalarzneien Der Nachbau von biologischen Originalmedikamenten ist schwieriger als die Herstellung klassischer Generika. Deshalb wollen forschende Hersteller wie Amgen und Boehringer selber Biosimilars launchen, wenn demnächst das Patent für das global umsatzstärkste Medikament Humira ausläuft. Die Pharmaindustrie lebt zu einem Gut- teil von neuen Wirkstoffen. Die sind in der Regel patentiert, haben also einen Kopierschutz, der meist zwölf Jahre lang eine uneinnehmbare Wettbewerbsstel- lung garantiert. Und damit dem Herstel- ler eine sichere Einnahmequelle – sofern alle Market Access-Hürden genommen sind und das Medikament zum Ver- schreibungskanon der Krankenkassen zählt. Seit etlichen Jahren schon stellen forschende Unternehmen biopharma- zeutische Medikamente her. Für diese auf biologischen Molekülen basierenden Arzneien gibt es in Deutschland Mee too-Präparate, die sogenannten Biosimi- lars. 2006 kam mit Omnitrope das erste Biosimilar für den Wirkstoff Somatropin auf den deutschen Markt. Derzeit sind in Europa elf Biosimilars (mit insgesamt 19 Markennamen) zugelassen, von de- nen sich aktuell neun (mit insgesamt 15 Markennamen) in Deutschland im Um- lauf befinden. Eine vom Verband Pro Generika, Berlin, erstellte Übersicht dazu findet sich auf Seite 13. 2018 nun steht ein Riesenereignis im Biosimilar-Markt an: Humira, hergestellt vom US-Konzern AbbVie, verliert hierzulande seinen Pa- tentschutz am 16. Oktober. Das ist des- halb bemerkenswert, weil das Arzneimit- tel mit dem Wirkstoff Adalimumab das weltweit umsatzstärkste Medikament ist. 2016 lag der Umsatz bei 18 Milliar- den Dollar, für 2017 wird er auf rund 20 Milliarden Dollar geschätzt. Für Deutschland gehen Beobachter da- von aus, dass innerhalb der GKV 2017 etwa 835 Millionen Euro nach ApU (Abgabepreis pharmazeutischer Unter- nehmer) für den Wirkstoff Adalimumab berechnet wurden. Hierzulande hat Abb- Vie seinen Sitz in Wiesbaden, als Humira Group Brand Manager zeichnet Christi- an Supper. Viele wollen bei Adalimumab mitverdienen Der Patentablauf eines derartigen Mega- Blockbusters weckt freilich die heftigsten Nachahmergelüste – die Konkurrenz will am Molekül mitverdienen. Bereits im März 2017 vergab die EU-Kommis- sion die erste Biosimilar-Zulassung von Adalimumab an das Unternehmen Am- gen. Die Marktfreigabe erstreckt sich auf sämtliche Indikationen, die auch für das Original gelten. Der US-Hersteller Amgen mit Deutschlandsitz in München wird den Nachbau unter dem Namen Amgevita vermarkten. Auch Boehringer Ingelheim erhielt 2017 eine Zulassung für sein Adalimumab-Biosimilar. Mit Amgen und Boehringer Ingelheim ge- hen also zwei forschende Unternehmen in den Markt der Biosimilars – das be- legt die Attraktivität dieser Präparate und gleichzeitig auch die Schwierigkeit, die Moleküle sicher nachzubauen. Das Produktionsverfahren unterscheidet sich deutlich von dem bei chemisch her- gestellten Medikamenten. Auch lange nach Patentablauf bemühen sich Unter- nehmen darum, noch in den Markt des betreffenden Wirkstoffs einzusteigen und am Volumen zu partizipieren. So ging der erste Nachahmer zu Sanofis Basalinsulin Lantus, Abasaglar von Boehringer und Lilly, im September 2015 in Deutschland in den Markt. Das Originalmedikament gegen Diabetes mellitus bekommt wohl bald weitere Konkurrenz, denn die eu- ropäische Behörde EMA hat ein neues Biosimilar unter dem Handelsnamen Semglee des Herstellers Mylan für die Zulassung empfohlen. Neben Lantus liefen zuletzt die Patente für Blockbuster wie Sortis und Enbrel aus, die beide hierzulande von Pfizer vermark- tet werden. Das vor allem gegen überhöh- te Cholesterinwerte eingesetzte Medika- ment Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin) ist ein klassisch chemisch hergestelltes Prä- parat, Enbrel (Wirkstoff: Etanercept) ge- gen Rheuma ein biologisch hergestelltes. Samsung Bioepis erhielt Anfang 2016 in Birgit Fischer, vfa-Hauptgeschäftsführerin Foto: vfa

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Märkte

12 Healthcare Marketing 2/2018

Biosimilars

Verschärfter Wettbewerb zwischen Nachahmer- und OriginalarzneienDer Nachbau von biologischen Originalmedikamenten ist schwieriger als die Herstellung klassischer Generika. Deshalb wollen forschende Hersteller wie Amgen und Boehringer selber Biosimilars launchen, wenn demnächst das Patent für das global umsatzstärkste Medikament Humira ausläuft.

Die Pharmaindustrie lebt zu einem Gut-teil von neuen Wirkstoffen. Die sind in der Regel patentiert, haben also einen Kopierschutz, der meist zwölf Jahre lang eine uneinnehmbare Wettbewerbsstel-lung garantiert. Und damit dem Herstel-ler eine sichere Einnahmequelle – sofern alle Market Access-Hürden genommen sind und das Medikament zum Ver-schreibungskanon der Krankenkassen zählt. Seit etlichen Jahren schon stellen forschende Unternehmen biopharma-zeutische Medikamente her. Für diese auf biologischen Molekülen basierenden Arzneien gibt es in Deutschland Mee too-Präparate, die sogenannten Biosimi-lars. 2006 kam mit Omnitrope das erste Biosimilar für den Wirkstoff Somatropin auf den deutschen Markt. Derzeit sind in Europa elf Biosimilars (mit insgesamt

19 Markennamen) zugelassen, von de-nen sich aktuell neun (mit insgesamt 15 Markennamen) in Deutschland im Um-lauf befinden. Eine vom Verband Pro Generika, Berlin, erstellte Übersicht dazu findet sich auf Seite 13. 2018 nun steht ein Riesenereignis im Biosimilar-Markt an: Humira, hergestellt vom US-Konzern AbbVie, verliert hierzulande seinen Pa-tentschutz am 16. Oktober. Das ist des-halb bemerkenswert, weil das Arzneimit-tel mit dem Wirkstoff Adalimumab das weltweit umsatzstärkste Medikament ist. 2016 lag der Umsatz bei 18 Milliar-den Dollar, für 2017 wird er auf rund 20 Milliarden Dollar geschätzt. Für Deutschland gehen Beobachter da-von aus, dass innerhalb der GKV 2017 etwa 835 Millionen Euro nach ApU (Abgabepreis pharmazeutischer Unter-nehmer) für den Wirkstoff Adalimumab berechnet wurden. Hierzulande hat Abb-Vie seinen Sitz in Wiesbaden, als Humira Group Brand Manager zeichnet Christi-an Supper.

Viele wollen bei Adalimumab mitverdienen

Der Patentablauf eines derartigen Mega-Blockbusters weckt freilich die heftigsten Nachahmergelüste – die Konkurrenz will am Molekül mitverdienen. Bereits im März 2017 vergab die EU-Kommis-sion die erste Biosimilar-Zulassung von Adalimumab an das Unternehmen Am-gen. Die Marktfreigabe erstreckt sich auf sämtliche Indikationen, die auch für

das Original gelten. Der US-Hersteller Amgen mit Deutschlandsitz in München wird den Nachbau unter dem Namen Amgevita vermarkten. Auch Boehringer Ingelheim erhielt 2017 eine Zulassung für sein Adalimumab-Biosimilar. Mit Amgen und Boehringer Ingelheim ge-hen also zwei forschende Unternehmen in den Markt der Biosimilars – das be-legt die Attraktivität dieser Präparate und gleichzeitig auch die Schwierigkeit, die Moleküle sicher nachzubauen. Das Produktionsverfahren unterscheidet sich deutlich von dem bei chemisch her-gestellten Medikamenten. Auch lange nach Patentablauf bemühen sich Unter-nehmen darum, noch in den Markt des betreffenden Wirkstoffs einzusteigen und am Volumen zu partizipieren. So ging der erste Nachahmer zu Sanofis Basalinsulin Lantus, Abasaglar von Boehringer und Lilly, im September 2015 in Deutschland in den Markt. Das Originalmedikament gegen Diabetes mellitus bekommt wohl bald weitere Konkurrenz, denn die eu-ropäische Behörde EMA hat ein neues Biosimilar unter dem Handelsnamen Semglee des Herstellers Mylan für die Zulassung empfohlen. Neben Lantus liefen zuletzt die Patente für Blockbuster wie Sortis und Enbrel aus, die beide hierzulande von Pfizer vermark-tet werden. Das vor allem gegen überhöh-te Cholesterinwerte eingesetzte Medika-ment Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin) ist ein klassisch chemisch hergestelltes Prä-parat, Enbrel (Wirkstoff: Etanercept) ge-gen Rheuma ein biologisch hergestelltes. Samsung Bioepis erhielt Anfang 2016 in Birgit Fischer, vfa-Hauptgeschäftsführerin

Foto

: vfa

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Märkte

13Healthcare Marketing 2/2018

Europa die Zulassung für sein Biosimilar Benepali zu Etanercept.

31 neue Medikamente gelauncht

Forschende Hersteller konzentrieren sich seit einigen Jahren auf biopharmazeuti-sche Medikamente. Oft gehen sie Koope-rationen mit Forschungs-Start-ups ein oder übernehmen Firmen gleich ganz. Im Grunde vergeht keine Woche, ohne dass eine entsprechende Nachricht über die Ticker geht. Hier eine Auswahl der letz-ten Wochen: Sanofi übernimmt Biotech-Unternehmen Ablynx für 3,9 Milliarden Euro und für 11,6 Milliarden Dollar die US-Biotechfirma Bioverativ, Celgene kauft die Krebsspezialisten Impact Bio-medicines und Juno Therapeutics, Gilead schluckt Kite Pharma. In Deutschland sind 2017 laut vfa, Ber-lin, insgesamt 31 Medikamente mit neuen Wirkstoffen auf den Markt ge-kommen. Die Zahl der originären Neu-einführungen (ohne Biosimilars) ist laut der Statistik des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller im Vergleich zum Vorjahr stabil. 2016 zählte der vfa eben-falls 31 Innovationen, 2015 waren es 36, und 2014 war ein Spitzenjahr mit 49 Launches. Der Durchschnittswert von 1993 bis 2017 liegt bei 30. International gesehen wächst die Produktpipeline der Pharmahersteller kontinuierlich. Laut ei-ner Analyse (basierend auf Finanzkenn-zahlen der 21 größten Pharmaunterneh-men der Welt) des Beratungshauses Ernst & Young befanden sich 2016 insgesamt 4.606 Produkte in der klinischen Ent-wicklung, der Zulassung oder der Laun-chphase. Das sind knapp zwölf Prozent mehr als im Jahr 2015. Insbesondere die Zahl der eingereichten und damit kurz vor der Markteinführung stehenden Wirkstoffe ging deutlich um ein Viertel auf 120 nach oben.

Forschung ermöglicht letzt-endlich günstige Generika

Laut vfa läuft im Schnitt der Patentschutz von 14 Arzneimitteln jährlich aus. 2017 waren es mit 26 überdurchschnittlich vie-le. Mit rund 1,1 Milliarden Euro erreichte das patentfrei werdende Marktvolumen in Deutschland 2017 den zweithöchsten

Wert der letzten Jahre. Grundsätzlich sagt der Verband zum Patentschutz: Eine wichtige Funktion von Patenten ist, dass sie die wirtschaftliche Nutzung für eine gesetzlich festgelegte Zeit vor Nachah-mung sichern – zu Gunsten der Firma, die die Erforschung und Entwicklung finanziert und durchgeführt hat. Diese Zeit beträgt weltweit einheitlich 20 Jah-re, wobei für Einnahmen mit Produkten, die auf dem Patent beruhen, nur ein Teil der Zeit bleibt. Denn von der patentierten Erfindung bis zum marktfähigen Produkt vergehen meist viele Jahre. Dies gilt gera-de im Fall von Medikamenten, die erst in Studien erprobt werden. Für Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführe-rin des vfa, ist klar, dass Unternehmen nur mit der Sicherheit des Erfinderschut-zes „in den langen, komplexen und kost-

spieligen Prozess der Entwicklung eines neuen Arzneimittels einsteigen“. Fischer fährt fort: „Was gerne vergessen wird: Das neue patentgeschützte Medikament von heute ist das kostengünstige Generi-kum von morgen. Ohne das eine würde es das andere nicht geben: In Deutschland verlieren in den nächsten fünf Jahren biologische Originalpräparate mit einem Marktvolumen von 2,8 Mrd. Euro ihren Patentschutz. Bei der Behandlung vieler Krebsarten – Darm-, Lungen-, Brust- und Nierenkrebs – oder von rheumatischen Erkrankungen werden bewährte The-rapien dem Gesundheitssystem dann zu erheblich niedrigeren Preisen und Kosten zur Verfügung stehen. Ein Kreislauf, der den medizinischen Fortschritt für Patien-ten voranbringt und die Finanzierbarkeit sichert.“

In der Regel erfolgt die Verfügbarkeit in Apotheken wenige Wochen nach der behördlichen Zulassung

IN DEUTSCHLAND IM VERKEHR BEFINDLICHE BIOSIMILARS

Handelsname/Hersteller Wirkstoff ReferenzproduktJahr der Zulassung

Omnitrope/Hexal Somatropin Genotropin 2006

Binocrit/Hexal Epoetin alfa Hexal/Hexal Abseamed/Medice

Epoetin alfa Eprex 2007

Retacrit/Pfizer Silapo/Stada

Epoetin zeta Eprex 2007

Ratiograstim/ratiopharm Filgrastim Neupogen 2008

Filgrastim Hexal/Hexal Filgrastim Neupogen 2009

Nivestim/Pfizer Filgrastim Neupogen 2010

Grastofil/Stada Filgrastim Neupogen 2013

Inflectra/Pfizer Remsima/Mundipharma

Infliximab Remicade 2013

Ovaleap/Teva Follitropin alfa Gonal-f 2013

Bemfola/Gedeon Richter Follitropin alfa Gonal-f 2014

Abasaglar/Lilly Insulin Glargin Lantus 2014

Accofil/Accord Filgrastim Neupogen 2014

Flixabi/Biogen Infliximab Remicade 2016

Benepali/Biogen Etanercept Enbrel 2016

Inhixa/Techdow Enoxaparin-Natrium Clexane 2016

Erelzi/Hexal Etanercept Enbrel 2017

Truxima/Mundipharma Rituximab MabThera 2017

Rixathon/Hexal Rituximab MabThera 2017

Insulin lispro/Sanofi Insulin lispro Humalog 2017

Liprolog/Berlin-Chemie Insulin lispro Humalog 2017Sortierung in Reihenfolge der erstmaligen Verfügbarkeit des Wirkstoffes als Biosimilar in Deutschland,Stand: Dezember 2017, Alle Angaben ohne Gewähr, Quelle: Pro Generika, © Healthcare Marketing 2018

Den gesamten Artikel können Sie in unserer aktuellen ‚Healthcare Marketing‘-Ausgabe ab Seite 12 lesen.

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