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2017 Handbuch Biosimilars

Handbuch Biosimilars 2017

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dbuc

h Bi

osim

ilars

ZUSAMMENFASSUNG DER VON DER EMA ZUGELASSENEN UND IN DEUTSCHLAND IM VERKEHR BEFINDLICHEN BIOSIMILARS

Stand: Januar 2017Alle Angaben ohne Gewähr

HerausgeberPro Generika e. V. | Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars

Unter den Linden 32–34 | 10117 Berlin

Tel. +49 (0)30 - 81 61 60 9-0

[email protected] | www.probiosimilars.de

Konzept und Gestaltungwww.tack-design.de

DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT PRO BIOSIMILARS

Die AG Pro Biosimilars ist die Interessenvertretung der Biosimilarunter-

nehmen in Deutschland. Sie steht allen Unternehmen offen, die Biosimilars

entwickeln, herstellen und für die Versorgung bereitstellen. Die Arbeits-

gemeinschaft unter dem Dach des Pro Generika e. V. engagiert sich für einen

bedarfsgerechten Zugang der Patientinnen und Patienten zu modernen bio-

pharmazeutischen Arzneimitteltherapien, für eine bezahlbare Versorgung

und für faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.

Prof. Dr. Theodor DingermannSeniorprofessor am Institut für

Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Michael DilgerPartner des Beratungsunternehmens

Simon-Kucher & Partners

Detlef BöhlerLeiter Arzneimittel der BARMER GEK

Johann FischaleckTeamleiter Arzneimittel

im Referat Vertrag und Arzneimittel,

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns

Dr. Ilse ZündorfAkademische Oberrätin am Institut

für Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

2017 2017

Handelsname /Hersteller

INN Referenzprodukt Datum der Zulassung

Omnitrope® / Sandoz Somatropin Genotropin® 12.04.2006

Binocrit® / Sandoz

Epoetin alfa Hexal® / Hexal

Abseamed® / Medice

Epoetin alfa Eprex® 28.08.2007

Retacrit® / Hospira

Silapo® / STADA

Epoetin zeta Eprex® 18.12.2007

Biograstim® / AbZ

Filgrastim Neupogen® 15.09.2008

Filgrastim Hexal® / Hexal

Filgrastim Neupogen® 06.02.2009

Nivestim® / Hospira Filgrastim Neupogen® 08.06.2010

Grastofil® / STADA / cell pharm

Filgrastim Neupogen® 18.10.2013

Accofil® / Accord Healthcare

Filgrastim Neupogen® 18.09.2014

Inflectra® / Hospira

Remsima® / Mundipharma

Infliximab Remicade® 10.09.2013

Flixabi® / Biogen Infliximab Remicade® 30.05.2016

Ovaleap® / Teva Follitropin alfa GONAL-f® 27.09.2013

Bemfola® / Finox Follitropin alfa GONAL-f® 27.03.2014

Abasaglar® / Lilly/Boehringer Ingelheim

Insulin Glargin Lantus® 09.09.2014

Benepali® / Biogen Etanercept Enbrel® 14.01.2016

HandbuchBiosimilars

ProBio-Biosimilars-Handbuch-Umschl-RZ.indd 1 22.12.16 14:45

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ZUSAMMENFASSUNG DER VON DER EMA ZUGELASSENEN UND IN DEUTSCHLAND IM VERKEHR BEFINDLICHEN BIOSIMILARS

Stand: Januar 2017Alle Angaben ohne Gewähr

HerausgeberPro Generika e. V. | Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars

Unter den Linden 32–34 | 10117 Berlin

Tel. +49 (0)30 - 81 61 60 9-0

[email protected] | www.probiosimilars.de

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DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT PRO BIOSIMILARS

Die AG Pro Biosimilars ist die Interessenvertretung der Biosimilarunter-

nehmen in Deutschland. Sie steht allen Unternehmen offen, die Biosimilars

entwickeln, herstellen und für die Versorgung bereitstellen. Die Arbeits-

gemeinschaft unter dem Dach des Pro Generika e. V. engagiert sich für einen

bedarfsgerechten Zugang der Patientinnen und Patienten zu modernen bio-

pharmazeutischen Arzneimitteltherapien, für eine bezahlbare Versorgung

und für faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.

Prof. Dr. Theodor DingermannSeniorprofessor am Institut für

Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Michael DilgerPartner des Beratungsunternehmens

Simon-Kucher & Partners

Detlef BöhlerLeiter Arzneimittel der BARMER GEK

Johann FischaleckTeamleiter Arzneimittel

im Referat Vertrag und Arzneimittel,

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns

Dr. Ilse ZündorfAkademische Oberrätin am Institut

für Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

2017 2017

Handelsname /Hersteller

INN Referenzprodukt Datum der Zulassung

Omnitrope® / Sandoz Somatropin Genotropin® 12.04.2006

Binocrit® / Sandoz

Epoetin alfa Hexal® / Hexal

Abseamed® / Medice

Epoetin alfa Eprex® 28.08.2007

Retacrit® / Hospira

Silapo® / STADA

Epoetin zeta Eprex® 18.12.2007

Biograstim® / AbZ

Filgrastim Neupogen® 15.09.2008

Filgrastim Hexal® / Hexal

Filgrastim Neupogen® 06.02.2009

Nivestim® / Hospira Filgrastim Neupogen® 08.06.2010

Grastofil® / STADA / cell pharm

Filgrastim Neupogen® 18.10.2013

Accofil® / Accord Healthcare

Filgrastim Neupogen® 18.09.2014

Inflectra® / Hospira

Remsima® / Mundipharma

Infliximab Remicade® 10.09.2013

Flixabi® / Biogen Infliximab Remicade® 30.05.2016

Ovaleap® / Teva Follitropin alfa GONAL-f® 27.09.2013

Bemfola® / Finox Follitropin alfa GONAL-f® 27.03.2014

Abasaglar® / Lilly/Boehringer Ingelheim

Insulin Glargin Lantus® 09.09.2014

Benepali® / Biogen Etanercept Enbrel® 14.01.2016

HandbuchBiosimilars

ProBio-Biosimilars-Handbuch-Umschl-RZ.indd 1 22.12.16 14:45

HANDBUCH

Biosimilars

3Inhalt

INHALT

Kapitel 1

WAS SIND BIOSIMILARS? 04

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel 2

ZULASSUNG, WIRKSAMKEIT UND QUALITÄT VON BIOSIMILARS 30

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel 3

BIOSIMILARS IN DER VERSORGUNG 56

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel 4

BIOSIMILARS 2.0: MONOKLONALE ANTIKÖRPER 68

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel 5

10 JAHRE BIOSIMILARS – LESSONS LEARNED 82

Michael Dilger

Kapitel 6

DIE BEDEUTUNG VON BIOSIMILARS IN DER 98

VERTRAGSÄRZTLICHEN VERSORGUNG

Johann Fischaleck

Kapitel 7

DIE INITIATIVE „BIOLIKE“ DER BARMER GEK 106

Detlef Böhler

Anhang

GLOSSAR 115

IMPRESSUM / ABBILDUNGSNACHWEIS 120

HANDBUCH

Biosimilars

4 Biosimilars – Ein Handbuch

WAS SIND BIOSIMILARS?

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel

1

5Was sind Biosimilars?

Einleitung

Mit der Entdeckung des Kodierungsprinzips biologischer In-

formation in Form der DNA-Doppelhelix (Abb. 1) durch Watson

und Crick im Jahre 1953 und mit der Entschlüsselung des ge-

netischen Codes (Abb. 2) acht Jahre später wurden zwei uni-

verselle Prinzipien beschrieben. Danach wird eine beliebige

genetische Informationseinheit in jedem biologischen Orga-

nismus eindeutig verstanden und kann somit prinzipiell auch

in jedem biologischen Organismus exakt in das entsprechende

Protein übersetzt werden.

Dies bildet die Basis für die ab 1975 sich entwickelnde Über-

legung, eine neue Klasse von Arzneimitteln zu konzipieren, die

als Biologicals, Biopharmazeutika oder gentechnisch herge-

stellte Arzneimittel beschrieben werden. Hierzu wird die ge-

netische Informationseinheit (das Gen) für ein therapeutisch

relevantes Protein in aller Regel aus dem menschlichen Ge-

nom isoliert und mithilfe gentechnischer Methoden so modifi-

ziert, dass von dieser Informationseinheit dann in einem an-

deren Organismus das menschliche Protein synthetisiert

werden kann.

Dieses Prinzip wurde 1982 erstmals mit der Produktion von

Humaninsulin in dem Darmbakterium Escherichia coli reali-

siert. Heute ist die Zahl gentechnisch hergestellter Wirkstoffe

auf über 120 angestiegen, die in mindestens 160 Arzneimitteln

enthalten sind. Fast alle diese Wirkstoffe sind von natürlichen,

humanen Biomolekülen abgeleitet, die allerdings natürlicher-

weise nur in so geringer Konzentration vorkommen, dass sie

konventionell aus den klassischen Quellen (Blut, Urin, Gewe-

be) nicht sicher isoliert werden konnten, obwohl sie therapeu-

tisch dringend gebraucht werden.

Abb. 2: Die Code-„Sonne“ als Illustration des uni- versellen genetischen Codes

Abb. 1: Die DNA-Doppel-helix

WAS SIND BIOSIMILARS?

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

6 Biosimilars – ein Handbuch

Vom Biopharmazeutikum zum Biosimilar

Nach Einführung der ersten Biopharmazeutika in den frühen

achtziger Jahren ist deren Bedeutung immer weiter gestie-

gen. Im Jahre 2015 stieg der Umsatz von Biopharmazeutika

in Deutschland auf rund 8,2 Milliarden Euro (zu Hersteller-

abgabepreisen), was einem Wachstum gegenüber 2014 von

9,7 % entspricht. Damit erreichen Biopharmazeutika deutlich

mehr als ein Fünftel (22,9 %) des Marktanteils aller Arznei-

mittel in Deutschland.1

Seit 2001 begannen nach und nach die Patente einiger wich-

tiger, umsatzstarker Biopharmazeutika auszulaufen. Ab 2006

betraten Nachahmerprodukte, sogenannte Biosimilars, die

Bühne. Dies war konsequent und notwendig zur Entlastung

des Gesundheitssystems, denn Biopharmazeutika gehören

fast ausnahmslos zu den sehr hochpreisigen Arzneimitteln.

Der Prozess der Patentabläufe wichtiger Biopharmazeutika

beschleunigt sich zurzeit rasant (siehe Tab. 1).

Handelsname INN Jahr Patentablauf

Humulin® Human Insulin 2001

Cerezyme® Imiglucerase 2001

Intron A® Interferon alfa-2b 2002

Nutropin® / Nutropin AQ Somatropin 2003

Avonex® Interferon beta-1a 2003

Humatrope® Somatropin 2003

Epogen® / Procrit® Epoetin alfa 2004

Synagis® Palivizumab 2005

Tab. 1: Übersicht über Biopharmazeutika

mit Blick auf die Patentlaufzeiten

Nachahmer- produkte von

Biopharma zeu tika nennt man

Biosimilars.

Seit mehr als 30 Jahren gibt es gentechnisch her-

gestellte Arznei-mittel.

1 Medizinische Biotechnologie in Deutschland: BCG Biotech-Report 2016

7Was sind Biosimilars?

Handelsname INN Jahr Patentablauf

Novolin® Humaninsulin 2005

Activase® Alteplase 2005

Neupogen® Filgrastim 2006

Albutein® Humanalbumin 2006

Herceptin® Trastuzumab 2014

Erbitux® Cetuximab 2014

Lantus® Insulin glargin 2014

Enbrel® Etanercept 2015

Avonex®, Rebif® Interferon Beta-1a 2015

Neulasts® Pegfilgrastim 2015

Rituxan® Rituximab 2015

Remicade® Infliximab 2015

Lucentis® Ranibizumab 2016

Humira® Adalimumab 2018

Avastin® Bevacizumab 2022

Folglich beginnen Biosimilars eine immer wichtigere Rolle zu

spielen, indem sie mit umsatzstarken Biopharmazeutika um

Marktanteile konkurrieren. Allerdings sind Biosimilars ebenso

wenig mit klassischen Generika zu vergleichen, wie Biophar-

mazeutika mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen, den so-

genannten „small molecules“, verglichen werden können. Die

Herstellung von Biosimilars ist aufwändig und kostenintensiv,

und für ihre Zulassung müssen hohe Barrieren überwunden

werden. Daher hatte ihre Einführung in den sehr teuren

Biopharmazeutikamarkt zunächst einmal nicht die im gene-

rischen Markt gewohnten Preisreduktionen zur Folge. Dies

wird sich aber wahrscheinlich mit der Zeit ändern, so dass

man davon ausgehen kann, dass sich Biosimilars zu einem

maßgeblichen Element eines kosteneffizienteren Einsatzes

8 Biosimilars – ein Handbuch

von Biopharmazeutika entwickeln werden, wovon Patienten

ebenso profitieren werden wie das Gesundheitssystem.

Um sich einen Überblick über Biosimilars verschaffen zu kön-

nen, ist es sinnvoll, sich vorab mit ein paar grundlegenden

Fragen zu beschäftigen:

1. Was unterscheidet Biopharmazeutika von „small

molecules“?

2. Nach welchen Prinzipien werden Biopharmazeutika

hergestellt?

3. Was sind Biosimilars?

4. Warum sind Biosimilars keine Generika?

5. Welche Biosimilars gibt es derzeit in der EU / Deutschland

und seit wann gibt es sie?

9Was sind Biosimilars?

Was unterscheidet Biopharmazeutika von „small molecules“?

Offensichtlich liegt ein Unterschied zwischen Biopharmazeu-

tika und den sogenannten „small molecules“ zunächst einmal

in der Größe der Moleküle. So unterscheiden sich beispiels-

weise die Molekulargewichte der Acetylsalicylsäure (0,18 kDa)

und des Biopharmazeutikums Interferon alfa (19 kDa), die

jeweils als kleine Vertreter in den beiden Klassen gelten, um

den Faktor 100 (Abb. 3). Nochmals 15-mal größer als Interfe-

ron alfa, das bei bestimmten Tumorformen angewendet wird,

ist der Gerinnungsfaktor VIII mit einem Molekulargewicht von

ca. 330 kDa, der für Patienten mit einer Gerinnungsstörung

(Hämophilie A) lebenswichtig ist.

ChemischerWirkstoff

(Acetylsalicylsäure0,18 kDa)

„Kleiner“Proteinwirkstoff(Interferon alfa

19 kDa)

„Großer“Proteinwirkstoff

(Gerinnungsfaktor VIIIca. 330 kDa)

Die Unterschiede in Größe und Komplexität sind so gewaltig,

dass sich nur die „small molecules“ mit den Methoden der

klassischen organischen Chemie rentabel synthetisieren

lassen. Biopharmazeutika werden hingegen immer biologisch,

d. h. vom Biosynthese-Apparat lebender Zellen, synthetisiert

und dann aus diesen Zellen isoliert.

Abb. 3: Unterschiede der Molekulargewichte verschiedener Wirkstoffe aus der Gruppe der che-misch hergestellten bzw. der biotechnologisch hergestellten Moleküle

10 Biosimilars – ein Handbuch

Weitere Unterschiede zwischen beiden Wirkstoffklassen be-

stehen darin, dass „small molecules“ in den meisten Fällen

keine Kopien von Biomolekülen sind, sondern der kreativen

Fantasie von Chemikern entstammen. Hingegen lehnen sich

Biopharmazeutika immer an biologische Vorbilder an, die

zudem in den allermeisten Fällen im Menschen vorkommen.

Die enorme Größe von Biopharmazeutika und die chemisch-

physikalischen Eigenschaften dieser Molekülklasse bewirken

einige Besonderheiten, die „small molecules“ gar nicht oder

nicht in einem solchen Ausmaß aufweisen (Tab. 2).

Parameter Kleine Moleküle Biologika

Herstellung Meist chemische Synthese

Biochemische Synthese in lebenden Zellen

Chemisch-physikali-sche Eigenschaften

Einfach / Stabil / Gut definiert

Komplex / Labil / Heterogen

Analytik (Struktur) Einfache Bestimmung der chemischen Struk-tur

Schwierige Bestimmung der komplexen, hetero-genen Struktur

Analytik (Reinheit) Einfache Bestimmung der Reinheit

Schwierige Bestimmung der Reinheit

Immunogenität (Auslösen einer uner-wünschten immunolo-gischen Reaktion)

Selten Prinzipiell immunogen

Biologische Verunreinigungen

Keine oder selten Aufwändige Maßnah-men müssen getroffen werden, um virale / bakterielle / fungale Verunreinigungen auszuschließen

Applikationsform Überwiegend (bevor-zugt) orale Applikation

Überwiegend parente-rale, selten lokale Appli-kation

• Die Wirkung der Biopharmazeutika kommt immer durch ei-

ne sehr einzigartige Faltung der großen, linearkettigen Ami-

nosäurepolymeren – einer Art „Superstruktur“ – zustande.

Tab. 2: Unterschiede zwischen kleinen

Molekülen und Biopharmazeutika

11Was sind Biosimilars?

Dieses als Tertiärstruktur bezeichnete Molekülknäuel wird

durch schwache Wechselwirkungen zusammengehalten

und kann bereits durch geringe Energieeinträge wie

Erwärmung oder Agitation gestört werden. Dann geht die

aktive, „native“ Struktur in eine inaktive, „denaturierte“

Struktur über, ohne dass auch nur eine kovalente che-

mische Bindung gelöst wurde. Dies ist der Grund dafür,

dass Biopharmazeutika in der Regel kühl zu lagern und zu

transportieren sind und nicht geschüttelt werden dürfen.

• Die relative Labilität der Peptidbindungen, durch die die

Aminosäuren der Proteine miteinander verknüpft sind und

die Anfälligkeit einzelner Aminosäuren für chemische Reak-

tionen bedingen, dass Proteine generell nicht in Form einer

einzelnen Molekülspezies, sondern in Form von Molekül-

gruppen mit einer charakteristischen Heterogenität vorlie-

gen. Diese Tatsache stellt ganz erhebliche Anforderungen

an die molekulare Charakterisierung von Biopharmazeutika.

• Ferner neigen die großen Proteine zur Aggregatbildung,

was durch stabilisierende Formulierungen so weit wie mög-

lich zu unterbinden ist.

• Da Biopharmazeutika keine extremen pH-Werte tolerieren,

sind diese Wirkstoffe immer parenteral zu applizieren. Dies

stellt hohe Anforderungen an eine aseptische Herstellung.

• Schließlich verlangen die großen, strukturell heterogenen

Molekülgruppen immer ein wachsames Beobachten einer

eventuellen immunologischen Reaktivität. Diese potenzielle,

unerwünschte Eigenschaft lässt sich nur durch eine hohe

Prozessstabilität und der daraus folgenden Produktkon-

Biopharmazeutika und Biosimilars sind wesentlich größer, schwieriger herzustellen und deutlich labiler als chemisch-synthe-tische Wirkstoffe.

12 Biosimilars – ein Handbuch

stanz kontrollieren. Unter Beachtung dieser Anforderungen

und durch den zunehmenden Erkenntnisgewinn durch

Studien und Überwachung wird das immunologische Poten-

zial von Biopharmazeutika heute deutlich weniger kritisch

gesehen, als dies noch vor Jahren der Fall war.

Biopharmazeutika sind also hochkomplexe Wirkstoffe, die heu-

te in Prozessen hergestellt werden, die sehr detailliert spezi-

fiziert sind. Dazu gehören unter anderem die Auswahl der für

die Biosynthese erforderlichen Zelllinie, die technische Aus-

gestaltung der Produktionsanlage, die komplexe Zusammen-

setzung und die Charakterisierung der Nährsubstanzen, die

Temperaturverhältnisse während der Fermentation und

schließlich der anspruchsvolle Aufreinigungsprozess aus einer

sehr komplexen Matrix, um nur einige Spezifikationen zu nen-

nen. Die Einhaltung der im Rahmen der Prozessentwicklung

definierten Spezifikationsgrenzen, gewissermaßen das Spezi-

fikationsfenster (Abb. 4), bildet die Basis für die große Produkt-

reproduzierbarkeit der komplexen Moleküle.

Dies ist von so immenser Bedeutung, dass Biopharmazeutika

in den entsprechenden Wirkstoff-Monografien, beispiels weise

im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.), nicht nur über Mole-

kül-Charakteristika, sondern auch über Prozess-Charakteri-

stika definiert sind. So lautet das neue Paradigma „the pro-

duct is the process“. Dies ist eine signifikante Erweiterung des

alten, für kleine, chemisch synthetisierte Moleküle geltenden

Paradigmas „the product is the molecule“.

13Was sind Biosimilars?

Natürlich sind es auch im Falle der Biopharmazeutika die Mo-

leküle, die für Wirksamkeit und Verträglichkeit verantwortlich

sind. Um jedoch eine Reproduzierbarkeit der Wirksamkeit und

Verträglichkeit von Charge zu Charge zu garantieren, ist jeder

Schritt eines Herstellungsverfahrens für ein Biopharmazeuti-

kum genauestens spezifiziert. Dabei gelten wie auch bei den

„small molecules“ Spezifikationskorridore, die durch eine

Ober- und eine Untergrenze definiert sind.

Dieser große Anspruch an einen Herstellungsprozess für

ein Biopharmazeutikum bedeutet jedoch nicht, dass nur ein

bestimmter Herstellungsprozess zum Ziel führen kann. In

jedem Fall ist es jedoch zwingend erforderlich, alle Einzel-

schritte eines gewählten Herstellungsprozesses so reprodu-

zierbar einzustellen, dass alle Qualitätskriterien von Charge

zu Charge sicher erfüllt werden.

Während bei einem chemisch-synthe tischen Wirkstoff das Molekül relevant ist, ist bei Biophar-mazeutika und Biosimilars auch der Herstellungs-prozess wichtig.

Qualitäts-attribut

Grenzen des Attributes

Originator Klonpool-Selektion Klon-Selektion Prozessentwicklung

Abb. 4: Betrachtet man eine bestimmte Eigenschaft des Originalwirkstoffes in verschiedenen Chargen, wird diese Eigenschaft innerhalb gewisser Grenzen variieren (blauer Balken). Bei der Entwicklung eines Biosimilars werden die verschiedenen Produktionsklone sukzessive so selektioniert, dass sie die Grenzwerte in der untersuchten Eigenschaft einhalten und diese weder über- noch unterschreiten.

14 Biosimilars – ein Handbuch

Prinzipien der Herstellung von Biopharmazeutika

Biopharmazeutika sind per definitionem Proteine oder Pepti-

de, die in lebenden Zellen produziert werden. Jedoch werden

sie nicht aus den Organismen oder Zellen isoliert, in denen

sie natürlicherweise vorkommen. Vielmehr handelt es sich

bei diesen Molekülen um „ektopische“, d. h. in einem fremden

Organismus oder in einer fremden Zelle hergestellte Proteine

(Abb. 5).

15Was sind Biosimilars?

Klonierung inExpressions-

plasmid

Herstellung derMaster-/Working-

Zellbank

Isolierungdes Gens

Etablierung derExpressions-

Zelllinie

Auswahl desExpressions-

plasmidsAuswahl der

Wirtszelle

Scale-upder Zellkultur,Fermentation

Etablierung desReinigungs-prozesses

StabileFormulierung

Applikation

Abb. 5: Herstellung eines rekombinanten ArzneimittelsAusgehend von einem häufig aus dem Menschen stammenden Gen muss zunächst ein geeignetes Expres-sionsplasmid und eine geeignete Wirtszelle gefunden und etabliert werden. Das entstehende Expressions-system muss optimiert sein, weshalb meist mehrere, verschiedene Vektor-/Zell-Kombinationen getestet werden müssen. Von der etablierten, optimierten Expressions-Zelllinie werden anschließend ausreichende Mengen in Form einer Master- und Working-Zellbank gelagert. Für den Produktionsprozess wird ein Aliquot der Arbeits-Zellbank kultiviert und propagiert, so dass schließlich ausreichende Mengen des rekombinanten Proteins zur Verfügung stehen. Auch dieser Teil des Prozesses erfordert meist verschiedene Testläufe zur Optimierung. Ist ausreichend rekombinantes Protein hergestellt worden, muss es von allen möglichen Ver- unreinigungen befreit werden, was häufig in einer Kombination aus Zentrifugations- und Chromatografie-schritten passiert. Als stabile Formulierung kann danach das Medikament dem Menschen verabreicht werden.

16 Biosimilars – ein Handbuch

Dies bringt gewaltige Vorteile mit sich. Denn unter Sicher-

heitsaspekten ist es alles andere als trivial, ein aus dem Men-

schen isoliertes Protein beim Menschen therapeutisch einzu-

setzen, speziell im Hinblick auf eine Kontamination mit

menschlichen Krankheitserregern. Viel sicherer ist es da, ein

Protein als Therapeutikum für den Menschen zu entwickeln,

das zwar natürlicherweise im Menschen vorkommt, das

jedoch aus einem Bakterium, einer Hefezelle oder einer

Säuger-Zelllinie isoliert wurde. Hier bildet das ausgeklügelte

Methodenspektrum der Gentechnologie die Basis für die

Herstellung dieser Therapeutika.

Während die codierende Region eines Gens für ein bestimm-

tes Protein wegen der Universalität des genetischen Codes in

der gesamten belebten Natur eindeutig verständlich ist, ist die

Kontrolle des Abrufens dieser Information extrem spezifisch.

Daher müssen die ursprünglichen Kontrollregionen durch

spezifische und effiziente Kontrollregionen für den Wirtsorga-

nismus ersetzt werden.

Die Wahl des Wirtssystems ist eine kritische Entscheidung,

die zunächst einmal bestimmt wird durch die strukturellen

Anforderungen, die das zu isolierende Protein vorgibt. Darü-

ber hinaus spielt bei solchen Entscheidungen aber immer

auch die alles beherrschende Frage nach dem Sicherheitspro-

fil des Therapeutikums eine Rolle. Aus diesem Grund ist das

Wirtsspektrum, aus dem heute zugelassene Biopharmazeuti-

ka isoliert werden, sehr übersichtlich und deutlich kleiner als

das, was biologisch möglich wäre und was sich für die Lösung

wissenschaftlicher Problemstellungen technisch bewährt hat.

17Was sind Biosimilars?

Im Wesentlichen werden verwendet:

• das Bakterium Escherichia coli (ca. 35 Wirkstoffe)

• die Hefe Saccharomyces cerevisiae (ca. 15 Wirkstoffe)

• eine Insekten-Zelllinie (1 Wirkstoff)

• eine kleine Gruppe verschiedener Säuger-Zelllinien

(ca. 80 Wirkstoffe)

• eine humane Fibroblasten-Zelllinie (3 Wirkstoffe)

• eine Herde transgener, geklonter Ziegen (1 Wirkstoff) und

eine Herde transgener, geklonter Kaninchen (1 Wirkstoff)2,3

Alle diese biologischen Systeme haben ihre Vorteile, aber auch

ihre Limitationen. So ist die Produktion eines Proteins in E. coli

oder auch in der Hefe Saccharomyces cerevisiae relativ günstig

und biologisch sehr sicher, weil die Bakterien und Hefepilze

phylogenetisch so weit vom Menschen entfernt sind, dass bei-

spielsweise virale Kontaminationen hier keine Rolle spielen.

Allerdings ist die Aufreinigung zuweilen kompliziert, und es

lassen sich keine Proteine herstellen, die ein bestimmtes Mo-

difikationsmuster benötigen, um hinreichend wirksam zu sein.

Modifizierte Proteine lassen sich am besten in Säugerzellen

produzieren. Diese sind aber hinsichtlich der Fermentations-

bedingungen sehr anspruchsvoll, was deutlich höhere Kosten

verursacht. Und je näher man sich mit dem Wirtssystem phylo-

genetisch dem Menschen annähert, umso größer werden die

Anforderungen, eine Kontamination mit Humanpathogenen

sicher auszuschließen. Dieses Problem ist natürlich dann am

relevantesten, wenn man tatsächlich menschliche Zellen (z. B.

Die Wahl eines bestimmten Wirts-systems wird beeinflusst von Moleküleigen-schaften, von Produktionskosten und von Sicher-heitsaspekten.

Für die gentech-nische Herstellung von Wirkstoffen werden bisher nur wenige Zelllinien und Organismen verwendet.

2 Dingermann, Zündorf (2013). Vom Kopieren zum Kreieren (Teil 1). PharmInd 75, 835–8413 Dingermann, Zündorf (2013) Vom Kopieren zum Kreieren (Teil 2). PharmInd 75, 1034–1041

18 Biosimilars – ein Handbuch

eine humane Fibroblasten-Zelllinie) als Wirtszelle für die Her-

stellung eines therapeutischen Proteins verwendet. Schließlich

sind zurzeit zwei Wirkstoffe zugelassen, die in der laktierenden

Milchdrüse transgener Ziegen bzw. transgener Kaninchen pro-

duziert werden.

Anspruchsvoller als die Etablierung eines heterologen Produk-

tionssystems sind die eigentliche Fermentation und vor allem

die Aufreinigung der Wirkstoffe. Jeder Schritt in diesem kom-

plizierten Prozess ist hier durch Spezifikationsgrenzen defi-

niert und im Sinne eines antizipierenden Sicherheitssystems

muss ein Wirkstoff dann verworfen werden, wenn Spezifikati-

onsgrenzen in die eine oder andere Richtung überschritten

werden. Hier geht man von der Überlegung aus, dass eine

Reproduzierbarkeit zur Herstellung eines in sich zwangsläufig

inhomogenen Produktes dann am besten gewährleistet ist,

wenn jeder einzelne Produktionsschritt mit höchstmöglicher

Präzision reproduziert wird. Dies ist die Basis für das Paradig-

ma „the product is the process“.

Überraschen mag, dass die strukturelle Übereinstimmung

mit dem molekularen Vorbild aus dem Menschen heute viel-

fach von untergeordneter Bedeutung ist. Tatsächlich hat man

sich von Authentizität größtenteils sogar verabschiedet.

Mehr als die Hälfte aller derzeit zugelassenen rekombinan-

ten Wirkstoffe muss heute als nicht naturidentisch eingestuft

werden.

Kaum vorhersehbar war das erstaunliche Ausmaß an Modi-

fikationen, das offensichtlich noch vom Menschen vertragen

wird. So sind heute Biologicals zugelassen, für die es keine

Gentechnisch her-gestellte Arznei-

mittel sind häufig nicht naturiden-

tisch und werden trotzdem erfolg-

reich angewendet.

19Was sind Biosimilars?

Vorbilder in der Natur gibt. Teilweise werden auch Proteine

therapeutisch eingesetzt, die beim Menschen in dieser Form

gar nicht vorkommen, dennoch aber hinreichend vertragen

werden und bei den angezeigten Indikationen von großem the-

rapeutischen Nutzen sind. Beispielsweise besteht der Wirk-

stoff Etanercept aus Teilen des humanen TNF--Rezeptors

und Teilen eines humanen Antikörpermoleküls. Diese Kombi-

nation verleiht dem Wirkstoff eine für die Anwendung am

Menschen ausreichende Stabilität, so dass sich dieses artifi-

zielle Protein als wichtige Option für die Therapie der rheuma-

toiden Arthritis etablieren konnte. Diese Art Moleküldesign

hat sich zwischenzeitlich auch für Wirkstoffe bei anderen

Indikationen durchgesetzt.

Was sind Biosimilars?

Die EMA (European Medicines Agency – Zentrale europäische

Zulassungsbehörde) definiert Biosimilars wie folgt:

„Ein Biosimilar-Arzneimittel ist ein biologisches Arznei-

mittel, das derart entwickelt wurde, dass es einem bereits

existierenden Arzneimittel („dem Referenzarzneimittel“)

ähnelt. Biosimilar-Arzneimittel unterscheiden sich von

Generika, da Letztere einfachere chemische Strukturen

aufweisen und als identisch mit ihren Referenzarzneimit-

teln gelten.“

In erster Näherung sind Biosimilars also „Kopien“ eines seit

Jahren bereits zugelassenen Biopharmazeutikums („Referenz-

arzneimittel“). Prinzipiell sind das Biosimilar-Arzneimittel und

20 Biosimilars – ein Handbuch

das entsprechende Referenzarzneimittel strukturell vergleich-

bar. Jedoch können wegen der komplexen Natur von Bio phar- mazeutika und der aufwändigen Herstellungsverfahren dieser

Arzneimittel geringfügige Abweichungen möglich sein. Denn

sowohl das Referenzarzneimittel als auch das Biosimilar wei-

sen natürlicherweise eine gewisse molekulare Variabilität auf.

Eine solche Variabilität, die im Übrigen auch zwischen unter-

schiedlichen Chargen des Referenzarzneimittels nicht ver-

meidbar ist, darf jedoch keine Auswirkungen auf die Sicherheit

oder Wirksamkeit des Arzneimittels haben. Dies muss durch

Daten im Rahmen des Zulassungsverfahrens nachgewiesen

werden und wird dann zentral durch die europäische Zulas-

sung offiziell bestätigt.

Ein zugelassenes Biosimilar ist demnach genauso wirksam

und sicher wie das Referenzarzneimittel. Es wird gewöhnlich

in derselben Dosis zur Behandlung derselben Krankheiten

verwendet wie das Referenzarzneimittel. Und Warnhinweise,

die bei der Verabreichung des Referenzarzneimittels zu be-

achten sind, müssen generell auch beim Einsatz des Biosimi-

lars beachtet werden.

Der Unterschied zwischen innovativen Biologicals und Bio-similars aus unternehmerischer SichtEin relevantes Problem, mit dem sich neue Biologicals kon-

frontiert sehen, ist die Frage, inwieweit der Wirkstoff tatsäch-

lich ein pathologisches Geschehen zu korrigieren vermag und

ob und in welchem Ausmaß die Intervention ernsthafte uner-

wünschte Wirkungen nach sich zieht. „Drugability“ und „gene-

ral safety“ stellen, wie bei jeder pharmazeutischen Neuent-

wicklung, die ganz großen Risiken bei der Entwicklung neuer

Ein zugelassenes Biosimilar ist

genauso wirksam und sicher wie das

Referenzarznei- mittel.

21Was sind Biosimilars?

Biopharmazeutika dar, die im Vorfeld einer klinischen Ent-

wicklung kaum sicher auszuräumen sind.

Dieses Problem hat sich allerdings nach einer Marktpräsenz

von mehreren Jahren erledigt, so dass „efficacy“ und „general

safety“ eines bestimmten Moleküls hinreichend bekannt sind.

Dies ist zudem prozessunabhängig, wenn sichergestellt ist,

dass die Moleküle prinzipiell identisch sind. Dieser Nachweis

kann mit heutigen Methoden sicher geführt werden, so dass

in dieser Hinsicht der Zulassung einer „generischen“ Version

eines gut eingeführten Biologicals nichts im Wege steht.

Auf den Punkt gebrachtBiosimilars lassen sich wie folgt charakterisieren:4

• Ein Biosimilar ist ein Arzneimittel, das vergleichbar ist mit

einem bereits zugelassenen rekombinanten Arzneimittel

(Referenzarznei). Entsprechend sind die Wirkstoffe in bei-

den Arznei mitteln ähnlich.

• Biosimilar und Referenzarznei werden in gleicher Dosie-

rung bei gleichen Indikationen eingesetzt.

• Wie für alle anderen Arzneimittel muss auch für Biosimi-

lars eine Zulassung beantragt und erteilt werden, bevor sie

verkehrsfähig werden. Die Zulassung wird in Europa durch

die Europäische Kommission erteilt, nachdem die EMA als

Zulassungsbehörde eine wissenschaftliche Überprüfung

der Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität des Arzneimittels

vorgenommen hat.

• Jeder Arzneimittelhersteller kann einen Antrag auf Zulas-

sung eines Biosimilars stellen, um nach Ablauf des Patents

eines „Originals“ und nach eingehender Prüfung einen

Marktzugang zugesprochen zu bekommen.

Hersteller von Bio-similars haben nicht das Risiko, dass das Protein im Patienten keine Wirksamkeit zeigt.

4 http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/regulation/q_and_a/q_ and_a_detail_000125.jsp&mid=WC0b01ac0580533e0c

22 Biosimilars – ein Handbuch

• Da der Wirkstoff seit Jahren bekannt ist, müssen nicht alle

Informationen eingeholt werden, die bei der Zulassung

eines komplett neuen Wirkstoffs erforderlich sind. Verbind-

liche Richtlinien legen fest, welche Studien durchzuführen

sind, die belegen, dass das Biosimilar ähnlich und ebenso

sicher und wirksam ist wie das Referenzarzneimittel.

• Wegen des komplexen Herstellungsprozesses eines Biologi-

cals können sich das Referenzarzneimittel und das Biosimi-

lar geringfügig unterscheiden, wie sich im Übrigen auch

einzelne Chargen des Referenzarzneimittels leicht unter-

scheiden. Aus diesem Grund sind Vergleichsstudien durch-

zuführen. Hierbei handelt es sich um einen „Schritt-für-

Schritt-Prozess“, der mit dem Vergleich der Qualität und der

Stabilität des Wirkstoffs und des Herstellungsprozesses be-

ginnt. Hierdurch wird belegt, dass keine relevanten Unter-

schiede hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit zwischen

dem Biosimilar und dem Referenzarzneimittel bestehen.

• Generell folgen die Herstellungsverfahren von Biosimilars

denselben Qualitätsstandards, wie sie auch für alle anderen

neuen Wirkstoffe gelten. Dazu zählt auch, dass die Zulas-

sungsbehörden in bestimmten Abständen die Produktions-

stätten inspizieren.

• Da Biosimilar und Referenzarznei ähnlich, aber nicht iden-

tisch sind, kann es zumindest bei chronisch kranken Pati-

enten Vorbehalte hinsichtlich der generellen Austauschbar-

keit der beiden Arzneimittel geben. Die Entscheidung, einen

Patienten mit der Referenzarznei oder mit dem Biosimilar

zu behandeln, muss von dem behandelnden Arzt getroffen

werden.

• Alle Arzneimittel – also auch Biosimilars – werden nach ihrer

Zulassung hinsichtlich ihrer Sicherheitsprofile beobachtet.

Qualität und Sicherheit müssen

sowohl beim Original präparat

als auch beim Bio-similar gewährleis-

tet sein.

Die Entscheidung, einen Patienten mit der Referenzarznei

oder mit dem Biosimilar zu

behandeln, muss von dem behan-

delnden Arzt getroffen werden.

23Was sind Biosimilars?

• Hierzu muss jeder pharmazeutische Hersteller ein Pharma-

kovigilanz-System etablieren, das jede Art von Auffälligkeiten

– besonders auch immunologische Auffälligkeit – registriert.

Dieses System wird ebenfalls von der Zulassungsbehörde

überprüft. Sollte es Anlass zu besonderer Vorsicht geben, so

muss das Biosimilar die gleichen Auflagen erfüllen wie das

Referenzarzneimittel. Hierzu gehört beispielsweise die Er-

stellung eines besonderen Riskmanagement-Plans.

Warum sind Biosimilars keine Generika?

Während in der Gruppe der „small molecules“ der innovative

Wirkstoff und das entsprechende Generikum molekular abso-

lut identisch sind, ist dies aufgrund der komplexen Natur der

Biopharmazeutika nicht zwingend der Fall (Tab. 3).

Tab. 3: Unterschiede zwischen Referenzarznei, Biosimilar und Generikum5

5 Modifiziert nach http://www.vfa-bio.de/vb-de/aktuelle-themen/branche/ biosimilars-nachbildungen-patentfrei-gewordener-biopharmazeutika

Referenzarznei Biosimilar Generikum

Der Wirkstoff ist … … von Charge zu Charge innerhalb definierter Grenzen identisch

… ähnlich, aber nicht identisch mit der Refe-renzarznei. Von Charge zu Charge ist der Wirk-stoff innerhalb definier- ter Grenzen identisch

Verglichen mit dem Ori-ginal innerhalb defi-nierter Varianzen iden-tisch

Unter Patentschutz Ja: für eine begrenzte Zeit

Nein: Vermarktung erst nach Patentablauf bei der Referenzarznei möglich

Nein: Vermarktung erst nach Patentablauf beim Original möglich

Entwicklungszeit Sehr lang und unsicher, um Wirksamkeit und Si-cherheit in 4 klinischen Studienphasen zu zeigen

Lang, um Vergleichbar-keit mit Referenzarznei zu zeigen

Relativ kurz

24 Biosimilars – ein Handbuch

Mikroheterogenitäten und auch potenzielle Verunreinigungen

des Wirkstoffs, die aus dem Produktionsprozess stammen,

stellen Anforderungen an die Qualität dieser Wirkstoffe, die in

dem Maße beim Kopieren kleiner, chemisch definierter Mole-

küle unbekannt sind.

Bei der Herstellung von Biopharmazeutika – und damit auch

bei der Herstellung von Biosimilars – erlangt jeder einzelne

Schritt des gesamten Herstellungsprozesses höchste Rele-

vanz. Und in der Tat ist es für einen Hersteller, der ein zuge-

lassenes Biopharmazeutikum „kopieren“ will, unmöglich,

den Originalherstellungsprozess in jedem Detail exakt nach-

zu ahmen. Im Gegenteil: Da Verfahrensdetails in aller Regel

als strenges Geheimnis gehütet werden und patentrechtlich

geschützt sind, ist gezieltes Kopieren in diesem Bereich prak-

tisch ausgeschlossen. Folglich lassen sich auch Unterschiede

in der Mikroheterogenität zwischen Referenzarzneimittel und

Nachahmerprodukt nicht vermeiden. Andererseits sind Mikro-

heterogenitätsunterschiede bei unterschiedlichen Chargen

ein und desselben Originalproduktes ebenfalls nicht vermeid-

bar, weshalb alle Prozess- und Produkt-Parameter in Form

von Spezifika tionen mit Ober- und Untergrenzen festgelegt

werden.

Somit liegt ein Hauptproblem bei der Herstellung von Bio-

pharmazeutika in der Sicherstellung der „Produktsicherheit“,

die nach allgemeinem Verständnis dann gewährleistet ist,

wenn diese auf Basis eines hoch standardisierten und im

Detail spezifizierten Prozesses analytisch und klinisch belegt

wurde. Dieser Beleg muss konsequenterweise vom Referenz-

arzneimittel wie von Nachahmerprodukten eingefordert

Biosimilars können infolge eines ande-

ren Herstellungs-prozesses nie iden-

tisch zum Referenz- arzneimittel sein.

25Was sind Biosimilars?

werden, wenn sie eine Marktzulassung

erhalten wollen.

Hier müssen sich also offensichtlich eta-

blierte Generikakonzepte von neuen Kon-

zepten zur Zulassung von „generischen“

Biopharmazeutika unterscheiden, und

diese Unterschiede sollten auch seman-

tisch erkennbar sein. In Europa hat man

sich dazu entschieden, „generische Biolo-

gicals“ als „similar biological medicinal

products“ oder kurz als „Biosimilars“

zu bezeichnen.

In jedem Fall muss gefordert und akzep-

tiert werden, dass für eine Zulassung

eines Biosimilars ein klinisches Pro-

gramm zu durchlaufen ist, das vor allem die Produktsicherheit

dokumentiert. Die Wirksamkeit und generelle Verträglichkeit

wurde bereits für das Referenzprodukt gezeigt.

Europa hat diese konzeptionelle Herausforderung angenom-

men und gemeistert und ein Regelwerk etabliert, das den

Marktzugang qualitativ hochwertiger und sicherer Biosimilars

seit 2003 regelt.6

6 Wiecek A, Mikhail A. (2006). European regulatory guidelines for biosimilars. Nephrol. Dial. Transplant. 21, Suppl. 5, v17–20

26 Biosimilars – ein Handbuch

Welche Biosimilars gibt es in der EU /Deutschland und seit wann?

Derzeit gibt es in der EU und in Deutschland 23 Biosimilars

in acht verschiedenen Wirkstoffgruppen: Enoxaparin Natrium,

Epoetin, Etanercept, Filgrastim, Follitropin, Infliximab, Insulin

glargin und Somatropin.

Bisher sind die in Tabelle 4 dargestellten Biosimilars von der

EMA zuge lassen worden.

Handelsname(n) Wirkstoff Referenzarznei Zulassung

Omnitrope® Somatropin Genotropin® 2006

Abseamed®

Epoetin alfa Hexal®

Binocrit®

Epoetin alfa Erypo® 2007

Retacrit®

Silapo®Epoetin zeta Erypo® 2007

Biograstim®

Ratiograstim®

Tevagrastim®

Filgrastim Neupogen® 2008

Filgrastim Hexal®

Zarzio®Filgrastim Neupogen® 2009

Nivestim® Filgrastim Neupogen® 2010

Grastofil® Filgrastim Neupogen® 2013

Accofil® Filgrastim Neupogen® 2014

Inflectra® Remsima®

Infliximab Remicade® 2013

Flixabi® Infliximab Remicade® 2016

Ovaleap® Follitropin alfa GONAL-f® 2013

Bemfola® Follitropin alfa GONAL-f® 2014

Abasaglar® Insulin glargin Lantus® 2014

Tab. 4: In Europa /Deutschland

zugelassene Biosimilars

27Was sind Biosimilars?

Handelsname(n) Wirkstoff Referenzarznei Zulassung

Benepali® Etanercept Enbrel® 2016

Inhixa® EnoxaparinNatrium

Clexane® 2016

Thorinane® EnoxaparinNatrium

Clexane® 2016

Diese Arzneimittel wurden von der Europäischen Zulassungs-

behörde nach strengsten Kriterien geprüft, so dass man kon-

statieren kann, dass ein Biosimilar höchsten Ansprüchen

genügt, und dass man sich bei zugelassenen Biosimilars auf

die zur Referenzarznei vergleichbare Qualität, Wirksamkeit

und Verträglichkeit verlassen kann.

Zudem wird die Sicherheit von Biosimilararzneimitteln, wie

bei allen Arzneimitteln, nach Erteilung der Genehmigung fort-

laufend überwacht. Jedes Unternehmen muss ein System zur

Überwachung von Nebenwirkungen einrichten, die im Zusam-

menhang mit seinen Arzneimitteln berichtet werden. Pati-

enten können verdächtige Nebenwirkungen auch selbst

berichten.

Die Genehmigungsbehörden prüfen sowohl die erfassten

Sicherheitsdaten als auch das Sicherheitsüberwachungs-

system des Unternehmens. Bei Anzeichen für Sicherheits-

bedenken werden von den Genehmigungsbehörden Unter-

suchungen durchgeführt und geeignete Maßnahmen

ergriffen.

Nicht von allen bereits patent-freien Wirkstoffen gibt es Biosimilars.

28 Biosimilars – ein Handbuch

Mythen zu Biosimilars und deren Entmystifizierung

Bei Ärzten und Apothekern herrscht nach wie vor ein großer

Informationsbedarf zu Biosimilars. Nicht selten begegnen

diese Berufsgruppen den Biosimilars mit einem Zerrbild, was

sicherlich auch daran liegt, dass immer noch Mythen über

Biosimilars verbreitet werden, von denen einige hier genannt

und enttarnt werden sollen (Tab. 5).

29Was sind Biosimilars?

Mythen und Fakten zu Biosimilars

Mythos Fakt

Ein Biosimilar unterscheidet sich

grundlegend von der Referenz-

arznei.

Biosimilars haben mit Generika

nichts gemein.

Die Referenzarznei bildet den

Goldstandard.

Die Referenzarznei enthält eine

definierte Molekülspezies. Das

Biosimilar enthält eine ähnliche,

aber nicht die identische Mole-

külspezies.

Biosimilars sind Biopharma­

zeutika 2. Klasse.

In erster Näherung sind Biosimilars tatsächlich Kopien der

Referenzarznei.

Tatsächlich sind Biosimilars im Prinzip Generika von

Biopharmazeutika. Allerdings ist deren Herstellung,

Prüfung und Zulassung deutlich anspruchsvoller, als dies

für niedermolekulare-Generika der Fall ist, was letztlich

auch durch den „neuen“ Begriff „Biosimilar“ zum Ausdruck

gebracht wird.

Es gibt keinen Goldstandard. Alle Biopharmazeutika variie-

ren in einem gewissen Rahmen von Charge zu Charge bzw.

von Produktionsstandort zu Produktionsstandort. Das gilt

auch für unterschiedliche Chargen einer Referenzarznei.

Zwischen Referenzarznei und Biosimilar bestehen keine

prinzipiellen Unterschiede, weshalb es auch keine Biophar-

mazeutika 1. oder 2. Klasse geben kann und geben darf.

Biopharmazeutika enthalten immer strukturell variierende

Vertreter einer Molekülklasse. Diese Heterogenität ist je-

doch nicht beliebig, sondern streng spezifiziert. Biosimilars

bewegen sich in dem gleichen Variationskorridor wie die

Referenzarznei.

Tab. 5: Mythen und Fakten zu Biosimilars

30 Biosimilars – Ein Handbuch

ZULASSUNG, WIRKSAMKEIT UND

QUA LITÄT VON BIOSIMILARS

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel

2

31

Zulassung eines Biosimilars: zwingend zentralisiert bei der Euro päischen Arzneimittel-Agentur (EMA)

Alle gentechnisch hergestellten Arzneimittel müssen in einem

zentralisierten Verfahren über die in London ansässige Europä-

ische Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency – EMA)

zugelassen werden. Daraus folgt, dass auch Biosimilars bei die-

ser Behörde ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, in

dem die Qualität, die Wirksamkeit, die Sicherheit und die Ver-

träglichkeit der Präparate nach festen Regeln überprüft werden.

Allerdings galt es, für Biosimilars ein eigenes gesetzliches

Regelwerk zu entwickeln. Denn von Beginn an war klar, dass

es sich bei Biosimilars nicht um Generika im klassischen

Sinne handeln kann. Daher verbietet es sich auch aus wis-

senschaftlichen Gründen, das lang bewährte Zulassungs-

verfahren für Generika auf die Biosimilars zu übertragen.

Seit 2003 wurde bei der EMA an diesem Zulassungsprozess

gearbeitet. Die Basis bildete die Directive 2001/83/EC, die um-

fassend überarbeitet wurde. Zusätzlich wurde eine ganze Rei-

he von regulatorischen Leitlinien erstellt, in denen die Details

für das Zulassungsverfahren beschrieben werden. Neben die-

sen allgemeinen Leitlinien für Biosimilars hat die EMA auch

noch Leitlinien bezüglich Qualität, präklinischen und kli-

nischen Anforderungen sowie Produktspezifikationen für

bereits zugelassene Biologicals publiziert (Abb. 6).

Diese gesetzlichen Bestimmungen wurden 2005 in der EU für

die Zulassung von Biosimilars implementiert. Damit hat die

EMA auf dem Gebiet der Zulassung von Biosimilars weltweit

die Vorreiterrolle übernommen.

Biosimilars sind keine Generika und haben ein ei genes Regelwerk für das Zulas-sungsverfahren.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

ZULASSUNG, WIRKSAMKEIT UND

QUA LITÄT VON BIOSIMILARS

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

32 Biosimilars – ein Handbuch

Als Resultat dieser regulatorischen Pionierarbeit stehen heu-

te qualitativ hochwertige Nachfolgepräparate von ehemals

innovativen Biopharmazeutika zur Verfügung, die nach Beste-

hen dieses Zulassungsverfahrens als sogenannte Biosimilars

vermarktbar sind.

Durch dieses Zulassungsverfahren unterscheiden sich Biosi-

milars auch grundlegend von anderen, im globalen Markt ver-

fügbaren Nachahmerprodukten eines Biopharmazeutikums.

Diese sind in Europa nicht verkehrsfähig und zeigen zum Teil

gefährliche Qualitätsmängel.

RICHTLINIEN MIT RELEVANZ FÜR BIOSIMILARS

7 http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/regulation/general/ general_content_000408.jsp

Abb. 6: Richtlinien mit Relevanz für die Zulassung von Biosimilars durch die EMA7 EPO: Erythropoetin, FSH: Follikel-stimulierendes Hormon, G-CSF: Granulozyten- Koloniestimulierender Faktor, IFN: Interferon, LMWH: niedermolekulares Hepa-rin, MAB: Monoklonale Antikörper

Übergreifende Richtlinien für Biosimilars

Allgemeine Fragen

Qualität

Präklinische und klinische Aspekte

Die EMA hat bei der Zulassung von Bio-

similars weltweit die Vorreiterrolle.

Andere Richtlinien mit Relevanz für Biosimilars

Vergleichbarkeit – Qualität

Vergleichbarkeit – Präklinische

und klinische Fragen

Immunogenität

Produktspezifische Richtlinien

Insulin Somatropin

G-CSF EPO LMWH IFN-alpha

FSH IFN-beta MAB

33

Auch passiert nicht jeder zur Zulassung bei der EMA einge-

reichte Biosimilarkandidat die anspruchsvollen Anforderun-

gen des zentralisierten Verfahrens zum Nachweis einer

Gleichwertigkeit mit der Referenzarznei. Dies belegt die hohen

Ansprüche, die an diese Arzneimittel gestellt werden, und es

unterstreicht die Gleichwertigkeit von Biosimilars mit den ent-

sprechenden Referenzprodukten nicht nur hinsichtlich

ihrer Wirksamkeit, sondern auch hinsichtlich ihrer Qualität

und Unbedenklichkeit. Gleichzeitig zeigt die Tatsache, dass

nicht jeder Biosimilarkandidat die anspruchsvollen Anforde-

rungen des zentralisierten Verfahrens erfüllt, wie wichtig es

ist, dass nur in der EU zugelassene Biosimilars therapeutisch

eingesetzt werden dürfen.

Die Tabelle (Tab. 6) fasst die bisherigen zentralen Zulassungs-

verfahren für Biosimilars bei der EMA zusammen. Zum Bei-

spiel listet die EMA-Homepage8 einen Interferon-alfa-2a-

Wirkstoff, dem die Zulassung 2006 versagt wurde. Ende 2007

wurden die Zulassungsanträge für drei Insulin-Biosimilars

zurückgezogen, da das Unternehmen die ihm vom Ausschuss

für Humanarzneimittel der EMA (Committee for Medicinal

Products for Human Use – CHMP) gestellten Fragen zur

Herstellung und zur Wirksamkeit nicht innerhalb der vorge-

gebenen Frist beantworten konnte.

Im März 2011 wurde der Zulassungsantrag für ein Epoetin-

Biosimilar zurückgezogen, da das Unternehmen auch die

Fragen des CHMP nicht fristgerecht beantworten konnte.

Nicht durch die EMA zugelassene Nachahmerpro-dukte sind in Europa nicht verkehrsfähig.

Das zentralisierte Verfahren bei der EMA gewährleistet einen hohen Quali-täts- und Sicher- heitsstandard der zugelassenen Biosimilars.

8 http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/ epar_search.jsp&mid=WC0b01ac058001d125

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

34 Biosimilars – ein Handbuch

Und schließlich wurden im November 2012 die Neueinrei-

chungen von drei Zulassungsanträgen für Insulin-Biosimilars

zurückgezogen, nachdem die EMA Bedenken mit Blick auf die

Herstellung der Biosimilars sowie die Qualität der

zugrunde liegenden klinischen Daten geäußert hatte.

Somit kann das zentrale Zulassungsverfahren für Biosimilars

durch die EMA bis Ende des Jahres 2016 wie folgt zusammen-

gefasst werden:

Handelsname / Hersteller INN Referenz-produkt

Entscheidung Datum der Entscheidung

Omnitrope® / Sandoz Somatropin Genotropin® zugelassen 12.04.2006

Valtropin® / BioPartners Somatropin Humatrope® vom Markt genommen

24.04.2006

Biferonex® / BioPartners Interferon beta-1a

Avonex® zurück gezogen 28.05.2009

Alpheon®/ BioPartners Interferon alfa-2a

Roferon-A® abgelehnt 05.09.2006

Binocrit® / Sandoz

Epoetin alfa Hexal® / Hexal

Abseamed® / Medice

Epoetin alfa Eprex® zugelassen

zugelassen

zugelassen

28.08.2007

Retacrit®/ Hospira

Silapo® / STADA

Epoetin zeta Eprex® zugelassen

zugelassen

18.12.2007

Epostim® / Reliance GeneMedix

Epoetin alfa Eprex® zurück gezogen 15.03.2011

Insulin Human Rapid / Marvel

Insulin Human Long / Marvel

Insulin Human 30/70 Mix / Marvel

Insulin Humulin® zurück gezogen

zurück gezogen

zurück gezogen

20.12.2007

Solumarv® / Marvel

Isomarv® / Marvel

Combimarv® / Marvel

Insulin Humulin® abgelehnt

zurück gezogen

zurück gezogen

19.11.2015

17.02.2011

35Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

Handelsname / Hersteller INN Referenz-produkt

Entscheidung Datum der Entscheidung

Biograstim® / CT Arznei mittel

Filgrastim ratiopharm® / ratiopharm

Ratio grastim® / ratiopharm

Tevagrastim® / Teva Generics

Filgrastim Neupogen® zugelassen

vom Markt genommen

zugelassen

zugelassen

15.09.2008

Zarzio® / Sandoz

Filgrastim Hexal® / Hexal

Filgrastim Neupogen® zugelassen

zugelassen

06.02.2009

Nivestim® / Hospira Filgrastim Neupogen® zugelassen 08.06.2010

Grastofil® / STADA /cell pharm Filgrastim Neupogen® zugelassen 18.10.2013

Accofil® / Intas Pharma-ceuticals

Filgrastim Neupogen® zugelassen 18.09.2014

Inflectra® / Hospira

Remsima® / Celltrion

Infliximab Remicade® zugelassen 10.09.2013

Flixabi® / Samsung Bioepis Infliximab Remicade® zugelassen 26.05.2016

Ovaleap® / Teva Follitropin alfa GONAL-f® zugelassen 27.09.2013

Bemfola® / Finox Biotech AG Follitropin alfa GONAL-f® zugelassen 27.03.2014

Abasaglar® / Eli Lilly Insulin glargin GONAL-f® zugelassen 09.09.2014

Benepali® / Samsung Bioepis Etanercept Enbrel® zugelassen 14.01.2016

Inhixa® / Techdow EnoxaparinNatrium

Clexane® zugelassen 15.09.2016

Thorinane®/ Pharmathen EnoxaparinNatrium

Clexane® zugelassen 15.09.2016

Lusduna® / Merck Sharp & Dohme

Insulin glargin Lantus® * 2017

Movymia® / STADA Teriparatid Forteo® * 2017

Terrosa® / Gedeon Richter Teriparatid Forteo® * 2017

Tab. 6: Zusammen fassung der bisherigen zentralen Zulassungsverfahren für Biosimilars bei der EMA

* Zulassung von EMA im November 2016 empfohlen

36 Biosimilars – ein Handbuch

Die EMA als zentrales Kompetenzzentrum für Biopharmazeutika

Durch das zentralisierte Zulassungsverfahren aller in der EU

zugelassenen Biopharmazeutika bei der EMA liegen sämtliche

Daten zu allen Wirkstoffen bei dieser Behörde. Hierbei handelt

es sich zum einen um die primären Daten, die zur ursprüng-

lichen Zulassung der Wirkstoffe geführt haben. Hinzu kommen

jedoch auch Daten, mit denen Prozess- oder Produktände-

rungen angezeigt wurden. Dies kommt deutlich häufiger vor,

als hinlänglich bekannt ist.

Biopharmazeutikum Lizensierung Prozessänderungen

MabThera® 1998 6

Remicade® 1999 36

Enbrel® 2000 21

Humira® 2003 19

Derartige Änderungen werden von der Fachöffentlichkeit oft

gar nicht wahrgenommen, obwohl sie anzeige- und genehmi-

gungspflichtig und zum Teil erstaunlich signifikant sind.

Die zulassungs- relevanten Daten aller Biopharma-

zeutika sind bei der EMA hinterlegt.

Tab. 7: Prozessände-rungen nach der Zulas-

sung für verschiedene Biopharmazeutika9.

Orencia®

Enbrel®

Humira®

Remicade®

MabThera®

RoActemra®

Simponi®

Cimzia®

Rilonacept Regeneron®

Ilaris®

Benlysta®

9 Schneider CK: Biosimilars in rheumatology: the wind of change. Ann Rheum Dis. 72(3):315-8 (Data source: EPARs on EMA website)

37

Abb. 7: Bei der EMA dokumentierte Prozessänderungen für zugelassene Biopharmazeutika10

Anzahl der Prozessänderungen

Bio pharma- zeutikum

Orencia®

Enbrel®

Humira®

Remicade®

MabThera®

RoActemra®

Simponi®

Cimzia®

Rilonacept Regeneron®

Ilaris®

Benlysta®

0 10 15 20 25 30 35 40 5

36

21

19

8

4

2

1

1

0

2

6

10 Schneider CK: Biosimilars in rheumatology: the wind of change. Ann Rheum Dis. 72(3):315-8 (Data source: EPARs on EMA website)

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

38 Biosimilars – ein Handbuch

Dies gab Anlass zu mehreren Publikationen, inwieweit Pro-

zessanpassungen mit Konsequenzen für die Produktqualität

akzeptabel sind.13, 14

Der durch die Bewertung derartiger Prozessänderungen im-

mens angewachsene Datenfundus versetzt die EMA in der

Zwischenzeit in die Lage, ein detailliertes Bild dahingehend zu

entwickeln, wie sich kleine oder auch größere Molekülände-

11 McCamish M, Woollett G. (2011). Worldwide experience with biosimilar development. MAbs 3, 209–217

12,13 Schiestl, M et al. (2011). Acceptable changes in quality attributes of glycosylated biopharmaceuticals. Nature Biotechnology 29, 310–312

14 Chrirno, AJ & Mire-Sluis, A (2004). Characterizing biological products and assessing comparability following manufacturing changes. Nature Biotechnology 22, 1383–1391

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

Februar 2008 März 2009 Mai 2010 Juni 2011

Änderung des Herstellungsprozesses

Verfallsdatum

G2F-Menge der Originator-Produkt-Batches (%)

Abb. 8: Beispiel für Auswirkungen von Prozessänderungen11

Verglichen mit Originator-Batches von Etanercept, zeigten sich je nach Verfallsdatum des Wirkstoffs unterschiedliche Glykosylierungsmuster (gelbe Punkte vor, blaue Punkte nach der Änderung des Herstellungsprozesses)12

39

rungen auf die klinische Wirksamkeit, die Sicherheit und die

Verträglichkeit der Wirkstoffe auswirken.

Zusätzlich kennt die Zulassungsbehörde natürlich auch sämt-

liche Spezifikationsfenster aller Biopharmazeutika. Dieses

Wissen gestattet es der Behörde, die Spezifikationsgrenzen

eines zur Zulassung eingereichten Biosimilars auf Plausibi-

lität einerseits und auf biologische Toleranz andererseits zu

überprüfen und zu bewerten. Zusammen mit den ebenfalls

eingereichten empirisch erhobenen Daten für das zuzulas-

sende Biosimilar kann so eine souveräne und sichere Bewer-

tung des neuen Arzneimittels erfolgen.

Dies ist ein völlig neues Vorgehen einer Zulassungsbehörde,

das getragen wird durch äußerst kompetente und souverän

agierende Experten und durch die Vorteile eines einheitlichen,

zentralen Zulassungsprozesses.

Was muss ein Biosimilar nachweisen, bevor es von der EMA zugelassen wird?

Um die Zulassung für ein Biosimilar zu erhalten, muss der

Hersteller die Qualität, Sicherheit und die Wirksamkeit im

Vergleich zur Referenzarznei belegen. Dieses Verfahren ist

wesentlich aufwändiger und kostspieliger als das Zulassungs-

verfahren für klassische Generika.

Es müssen Daten zur pharmazeutischen Qualität und Daten

aus präklinischen Untersuchungen ebenso erhoben werden

wie Daten aus breit angelegten klinischen Studienprogrammen

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

40 Biosimilars – ein Handbuch

Abb. 9: Nachweise, die vor der Biosimilar-

zulassung erbracht werden müssen

Tab. 8: Unterschiede bei der Zulassung von nie-

dermolekularen Generika und von Biosimilars

Generika Biosimilars

Dokumentation der pharmazeutischen Qualität • •

Sehr detaillierte Angaben über den Herstel-lungsprozess und die -anlagen

• •

Nachweis der gleichen Qualitätsstandards wie das Referenzprodukt (Herstellung, Aufbereitung und Verarbeitung)

• •

Vorgeschriebenes zentralisiertes Zulassungs-verfahrenZulassungserteilung immer durch Europäische Kommission / EMA

Nicht zentralisiertes ZulassungsverfahrenZulassungserteilung in der Regel über nationale Arzneimittelbehörde eines EU-Staates

Präklinische pharmakodynamische StudienErfassung des Wirkprofils durch In-vitro-Assays

Klinische pharmakokinetische Phase-I-StudienNachweis der Bioäquivalenz von Referenzpro-dukt und Generikum bzw. Biosimilar, d. h. Nach-weis des gleichen Wirkprofils bei gleichen Dosen

• •

Klinische Phase-III-StudienBestimmung der endgültigen Effektivität der Be-handlung an einer statistisch signifikanten Pati-entenzahl in einer vergleichenden Studie; Anzahl der Patienten: 300–5.000

In seltenen Fällen (geringe Patienten-zahl)

Testung von Sicher-heit undWirksamkeit

Klinische Phase-IV-Studien„Post-Marketing-Phase“; zusätzliche verglei-chende Studien, Kombinationstherapien, Auf-decken seltener Nebenwirkungen

Klinische

Wirksamkeit

und Sicherheit

Pharmakokinetik /

Pharmakodynamik

Präklinische Studien

Biologische Charakterisierung

Physikochemische Charakterisierung

41

an Patienten. Alle zu erhebenden Daten zielen darauf ab,

Vergleichbarkeit mit der Referenzarznei zu belegen.

Das Verfahren ist sequenziell ausgelegt und wird als

„comparability exercise“ bezeichnet.

• Im ersten Schritt werden die Vergleichbarkeit der Qualität

bzw. die physikalisch-chemische und die biologische Ver-

gleichbarkeit demonstriert. Hier wird die strukturelle

Übereinstimmung von Biosimilar und Referenzarznei in

allen relevanten Details mit einem riesigen Spektrum an

analytischen Methoden belegt. Mögliche Abweichungen

von den Daten der Referenzarznei müssen plausibel erklärt

werden. Ferner wird die Reinheit des Biosimilars überprüft.

Das Produkt wird nur freigegeben, wenn im Vorfeld

definierte Spezifikationskriterien erfüllt werden.

• Im zweiten Schritt werden Biosimilar und Referenzarznei

im präklinischen Setting miteinander verglichen. In aller

Regel kann hier auf ein verkürztes Verfahren in Form von

In-vitro-Untersuchungen zugegriffen werden. Diese Unter-

suchungen sind in produktspezifischen Richtlinien durch

die EMA vorgegeben. Die Pharmakokinetik- und die Phar-

makodynamik-Parameter und deren vordefinierter Grad

der Ähnlichkeit mit der Referenzarznei müssen begründet

und getroffen werden.

• Im dritten Schritt wird dann die klinische Vergleichbarkeit

belegt. Diese Studien haben mehr den Charakter von Si-

cherheitsstudien als von Wirksamkeitsstudien. Denn wenn

im ersten Schritt der „comparability exercise“ belegt ist,

Biosimilars müssen für ihre Zulassung deutlich umfang reichere Nachweise erbrin-gen als Generika.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

42 Biosimilars – ein Handbuch

dass Biosimilar und Referenzarznei ausreichend ähnlich

sind, dann ist auch damit zu rechnen, dass sie klinisch

äquivalent wirken. Zwingend sind diese klinischen Studien

jedoch gefordert, um die Verträglichkeit der Biosimilars zu

belegen. Denn die Herstellungsprozesse von Biosimilar und

Referenzarznei sind zwangsläufig unterschiedlich, so dass

nicht ausgeschlossen werden kann, dass analytisch nicht

oder nur schwer fassbare Komponenten eine klinische

Auffälligkeit provozieren. In klinischen Phase-I-Studien liegt

der Fokus zunächst auf der Toxikologie, der Pharmakokine-

tik und der Pharmakodynamik. Das heißt, der Wirkstoff wird

auf seine Reinheit und Unbedenklichkeit hin geprüft, seine

Verarbeitung im Körper nachvollzogen (Aufnahme, Vertei-

lung im Körper, biochemischer Auf- und Umbau sowie

Ausscheidung) und ein Wirkprofil erstellt. Daran schließen

sich Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit im Sinne von

Schwere und Häufigkeit verschiedener Nebenwirkungen bei

einer oder mehreren repräsentativen Indikationen an, um

ein vergleichbares Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil zu

demonstrieren. Hierzu zählt auch ein vergleichbares

Im munogenitätsprofil von Biosimilar und Referenzarznei.

Schwerpunkte und Anforderungen an diese Phase-III-Studi-

en sind je nach Biosimilarklasse verschieden. Entsprechend

der Unterschiedlichkeit und Komplexität von biologischen

Pharmazeutika legt die EMA die Anforderungen jedoch

individuell und an den Leitlinien orientiert mit den Herstel-

lern fest.

Relevant für die Zulassung eines

Biosimilars ist vor allem der umfang-

reiche Nachweis der Vergleichbar-

keit zum Referenz-arzneimittel.

43

Gelten dieselben Anforderungen an Biosimilars wie an Referenzpräparate?

Prinzipiell gelten für die Zulassung von Biosimilars die

gleichen Anforderungen wie für die Zulassung von Innova-

torpräparaten. Für die Qualitätsaspekte gilt dies ohne

Einschränkungen. Lediglich die klinischen Untersuchungs-

programme können in einem verkürzten Setting absolviert

werden. So können Phase-II-Studien der Dosisfindung in der

Regel entfallen, da die pharmazeutische Formulierung, die

Wirkstärke und der Darreichungsweg des Biosimilars mit

dem Referenzprodukt übereinstimmen müssen, so dass hier

keine Abweichungen zu erwarten sind und die Vorgaben der

Referenzarznei auch für das Biosimilar gelten. Der Schwer-

punkt der Phase-III-Studien liegt eher auf dem Nachweis

einer guten Verträglichkeit und weniger auf dem Nachweis

der Wirksamkeit, die ja durch den Wirkstoff vorgegeben ist,

dessen Vergleichbarkeit mit der Referenzarznei bereits

belegt wurde.

Auf Basis der Studiendaten, der umfangreichen

Dokumentation des Herstellungs- und des Ana-

lyseprozesses sowie durch eine Inspektion vor

Ort bewertet die EMA in einem zentralen Verfah-

ren abschließend das Biosimilar.

Eine Zulassung erfolgt erst dann, wenn die EMA

anhand der eingereichten Dokumentation die

prinzipielle Ähnlichkeit zum Referenzpräparat und

damit die Qualität, Wirksamkeit und Verträglich-

keit bescheinigt hat.

Biosimilars müs-sen die gleichen Zulassungsanfor-derungen erfüllen wie das Referenz-präparat.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

44 Biosimilars – ein Handbuch

Marktzugang erhält das Biosimilarpräparat dann, wenn das

Referenzpräparat seinen Patentschutz verloren hat. Unter-

nehmen, die Biosimilars entwickeln, können jedoch bereits

vor Ablauf des Patents Studien, Versuche und weitere erfor-

derliche Schritte unternehmen, um zeitnah nach dem Stichtag

des Patentschutzverlustes mit ihrem Produkt auf den Markt

gehen zu können.

INN Anzahl der Anträge

Adalimumab 4

Etanercept 2

Insulin glargin 1

Pegfilgrastim 3

Rituximab 2

„Ähnlich“ statt „identisch“:Wie „gleich“ sind Biosimilars?

Die enorme strukturelle Komplexität von Proteinen lässt es

praktisch nicht zu, dass eine Präparation eines bestimmten

Proteins in absolut reiner Form vorliegt. Einen derartigen

Reinheitsgrad kann man nur in einem Kristall eines Proteins

erwarten. Eine Proteinlösung enthält dagegen immer auch

strukturell leicht unterschiedliche Molekülformen, die dadurch

entstehen, dass einzelne Aminosäuren durch chemische Reak-

tionen (Deamidierung oder Oxidation) verändert wurden, dass

an den Enden Aminosäuren abgeschnitten wurden, dass sich

Proteinlösungen enthalten immer und natürlicher-

weise eine hetero-gene Population

eines bestimmten Moleküls.

15 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Report/2016/12/ WC500217738.pdf

Tab. 9: Biosimilars, die derzeit von der

EMA evaluiert werden (Stand Dezember 2016)15

45

die Tertiärstruktur in Teilen verändert hat oder dass sich

Aggregate gebildet haben.

Alle diese Modifikationen, die letztlich nur einen sehr kleinen

Teil der Proteinpräparation ausmachen, lassen sich heute

analytisch nachweisen. Da sie de facto unvermeidlich sind,

müssen und können sie auch akzeptiert werden, vorausge-

setzt, sie verursachen keine auffälligen Reaktionen, wenn die

Proteinpräparation beim Menschen zu Therapiezwecken

eingesetzt wird.

Um hier Sicherheit zu garantieren, werden die Bedingungen

der Herstellung und Lagerung von Biopharmazeutika extrem

konstant gehalten. Dies wiederum garantiert auch eine ge-

wisse Konstanz der Heterogenität der Präparationen, die

durch Spezifikationsgrenzen nach oben und nach unten

definiert sind.

Untersucht man einzelne Herstellungschargen eines Bio-

pharmazeutikums hinsichtlich einer bestimmten Spezifika-

tion, so erkennt man sehr klar die unvermeidbare Variation,

bei recht großer Ähnlichkeit.

Innerhalb dieser Spezifikationsgrenzen haben sich heute auch

Biosimilars zu bewegen. Man kann daher in erster Näherung

konstatieren, dass Biosimilars in dem Maße der Referenz-

arznei ähneln, wie sich einzelne Chargen der Referenzarznei

untereinander ähneln.

Biosimilars können der Referenzarznei so gleichen, wie sich unter-schiedliche Chargen der Referenzarznei unterein ander gleichen.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

46 Biosimilars – ein Handbuch

Eine solche Aussage ist heute möglich, weil sich die Methoden

der Bioanalytik in den letzten Jahren sprungartig weiterent-

wickelt haben. Selbst komplexe analytische Herausforderun-

gen wie die Bestimmung des Modifizierungsgrades eines

Glykoproteins sind heute lösbar und entsprechende Analysen

werden daher bei den einzureichenden Unterlagen zur Qua-

lität des Biosimilars auch verlangt.

Abb. 10: Vergleichbarkeit der Originator- und Biosimilar-Batches unter dem Aspekt des Glykosylierungsgrades16

Originator-Batch 1 2 3

Biosimilar-Kandidat-Batch A B C

2 3 4 5 6 7 81

Glykosylierungsgrad

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

Mögliche O-Glykosylierungspositionen

16 Blüggel, M (2012). Hochleistungsanalytik für die Entwicklung von Biosimilars. Pharmazie in unserer Zeit 41: 24–29

47

Wie wird die Qualität von Biosimilars sichergestellt? Besondere Rolle der EMA

Biosimilars werden in Europa ausnahmslos von der Europä-

ischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Arz-

neimittel-Agentur (EMA) und des dort angesiedelten Aus-

schusses für Humanarzneimittel (CHMP) zugelassen.17 Für

die EMA arbeiten insgesamt rund 3.500 Sachverständige. Erst

wenn der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) feststellt,

dass die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des zu beurtei-

lenden Arzneimittels ausreichend belegt wurden, gibt er

„grünes Licht“ für die Zulassungserteilung.

Dem CHMP arbeitet unter anderem die Arbeitsgruppe für

Biosimilars (Similar Biological (Biosimilar) Medicinal Products

Working Party; BMWP) zu. Diese erstellt die Leitlinien zur

Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars. Die

BMWP-Arbeitsgruppe gibt dem CHMP wissenschaftlichen Rat

zu Fragen der generellen Sicherheit von Biosimilars und zu

deren Vergleichbarkeit zum Original. Außerdem unterhält sie

Kooperationen mit Nicht-EU-Arzneimittelbehörden, mit der

Weltgesundheitsorganisation, mit Patientenorganisationen,

mit Arzneimittelentwicklern und mit Fachkreisen.

Durch das bei der EMA angesiedelte zentrale Zulassungsver-

fahren wird sichergestellt, dass alle in Europa zugelassenen

Biosimilars einem einheitlichen, extrem hohen Qualitätsstan-

dard genügen. Dieser wiederum ist die Basis dafür, dass über

Alle Biosimilars werden in Europa durch die Euro-päische Kommission zuge lassen.

Die von der EMA zur Zulassung empfoh-lenen Wirkstoffe erfüllen einen hohen Sicherheitsstandard.

17 Die Richtlinie 93/41/EWG sah die Einführung eines zentralisierten Zulas- sungsverfahrens auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vor. Das zentralisierte Verfahren trat 1995 in Kraft, im selben Jahr nahm die EMA ihre Tätigkeit auf. An Stelle der Verordnung Nr. 2309/93 trat später die Verord- nung (EG Nr. 726/2004 )

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

48 Biosimilars – ein Handbuch

mehr als zehn Jahre weder neue unerwünschte Arzneimittel-

wirkungen durch Biosimilars gemeldet wurden noch dass

einem Biosimilar aus Sicherheitsgründen der Marktzugang

entzogen werden musste.

Wie weisen Biosimilars ihre gleiche Wirksamkeit nach?

Da Biosimilars per definitionem einer Referenzarznei ähnlich

sein müssen und dies auch mit einem umfangreichen Daten-

satz zu anspruchsvollen Analysen dokumentiert haben, kann

bereits theoretisch gefolgert werden, dass die Wirksamkeit

des Biosimilarwirkstoffs dem der Referenzarznei entsprechen

muss. Dies wird jedoch in einem präklinischen und

klinischen Untersuchungsprogramm auch empirisch belegt,

wobei das zu absolvierende Programm von der EMA in Form

produktspezifischer Richtlinien bindend vorgegeben ist.

Das Ergebnis aller Prüfungen muss die Äquivalenz der Wirk-

samkeit von Biosimilar und Referenzarznei sein. Das Biosimi-

lar darf weder schlechter noch besser abschneiden. Sollte

dies der Fall sein, kann eine Zulassung nach den Regeln

dieses Verfahrens nicht erteilt werden. Somit können Ärzte,

Apotheker und Patienten davon ausgehen, dass ein als Bio-

similar ausgewiesenes Biopharmazeutikum mit einer Zulas-

sung durch die Europäische Kommission in seiner Wirksam-

keit tatsächlich der Referenzarznei analog ist.

Biosimilars müs-sen die gleiche

Wirksamkeit zeigen wie die Referenz-

arznei.

49

Extrapolation der Indikationen

Ist das Referenzprodukt für mehr als eine Indikation zugelas-

sen, müssen im strengen Sinne die Wirksamkeit und Sicher-

heit des Biosimilars für jede einzelne Indikation über entspre-

chende Tests und Studien nachgewiesen werden.

Unter bestimmten Bedingungen, basierend auf einer Fall-zu-

Fall-Bewertung, erlaubt die EMA jedoch eine Extrapolation ei-

ner Indikation. Dies ist z. B. dann möglich, wenn ein Biosimilar

bereits eine zur Referenzarznei vergleichbare Sicherheit und

Wirksamkeit in einer sehr sensitiven Indikation gezeigt hat.

Voraussetzung ist allerdings, dass den unterschiedlichen

Indikationen der gleiche Wirkmechanismus des Wirkstoffs

zugrunde liegt und es keine wissenschaftlichen Einwände gibt.

Somit muss der Hersteller seinen Antrag auf Indikations-

erweiterung ohne zusätzliche klinische Studien detailliert

wissenschaftlich begründen. Auf Basis dieser Begründung

entscheidet dann die EMA und erteilt oder versagt die bean-

tragte Indikationserweiterung.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

50 Biosimilars – ein Handbuch

Welche Vorgaben der Arzneimittel überwachung gibt es für Biosimilars?

Wie bei den meisten neu zugelassenen Arzneimitteln ist der

Hersteller eines Biosimilars nach der Zulassung durch die

Europäische Kommission verpflichtet, einen Riskmanage-

ment-Plan vorzulegen. Dieser umfasst ein Pharmakovigilanz-

System, ein Meldesystem für unerwünschte Arzneimittel-

wirkungen (adverse event reporting), Sicherheitsstudien, die

auch von der Referenzarznei durchzuführen sind, Folgeunter-

suchungen bei Studienpatienten sowie spezielle pharma-

koepidemiologische Studien (z. B. Auswertung von Patienten-

Datenbanken). So werden über 2.000 Patienten beobachtet,

die mit rekombinantem Wachstumshormon behandelt werden,

ob sie beispielsweise einen Diabetes entwickeln. Es werden

über 4.000 Patienten beobachtet, die mit Epoetin-Wirkstoffen

behandelt werden, ob sie unter Thrombosen leiden, eine PRCA

(pure red cell aplasia) entwickeln, oder ob eventuell ein

Tumorwachstum stimuliert wird. Und es werden Patienten

beobachtet, die mit Filgrastim-Wirkstoffen behandelt werden,

wobei die Stimulierung bei chronischer Neutropenie oder die

Mobilisierung von Stammzellen gemeldet werden.

Solche Maßnahmen werden verlangt, obwohl durch den jah-

relangen Einsatz der Referenzarznei bereits sehr viel über

potenzielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen bekannt

ist. Und grundsätzlich ist bei einem zugelassenen Biosimi-

lar auch von keinem höheren Sicherheitsrisiko auszugehen,

als dies dem Referenzprodukt zu eigen ist.

Von zugelassenen Biosimilars geht

kein höheres Sicherheitsrisiko aus als vom Refe-renzarzneimittel.

Teilnehmer an kli-nischen Studien werden auch bei Biosimilars über

Jahre beobachtet und untersucht.

51

Bei Biosimilars muss wie bei an- deren Biopharma- zeu tika auf die Immunogenität der Moleküle geachtet werden.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

Dennoch gehört die Überwachung eines Arzneimittels

nach seiner Einführung mit Blick auf Sicherheit und Neben-

wirkungen zu einem wichtigen Standbein der generellen

Arzneimittelsicherheit, dem sich natürlich auch Biosimilars

stellen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei unerwünschte

immunologische Reaktionen. Hier liegt keine besondere

Gefahr bei den Biosimilars. Vielmehr muss bei Biopharma-

zeutika generell ein besonderes Augenmerk auf immunolo-

gische Unverträglichkeiten gelegt werden. Dies liegt zum

einen in der makromolekularen Struktur begründet. Zum

anderen können minimale Verunreinigungen aus der Wirts-

zelle oder dem Fermentationsmedium eine immunologische

Reaktion provozieren.

Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass dieses Problem in der

Praxis viel kleiner ist, als es ursprünglich antizipiert wurde.

Biosimilars, so das Resümee aus millionenfachem Einsatz,

sind ebenso sicher einzusetzen wie die entsprechende Refe-

renzarznei.

52 Biosimilars – ein Handbuch

Situation außerhalb der EU

Nicht nur in Europa gibt es ein Regelwerk für die Zulassung

von Nachfolgeprodukten von patentfreien Biopharmazeutika.

Allerdings sind die Standards bisher keinesfalls harmonisiert,

weshalb eine gegenseitige Anerkennung auch nicht möglich ist.

Die EMA kooperiert mit folgenden Partnern:

• Health Canada (eine finalisierte Richtlinie „Guidance on

Subsequent Entry Biologics“ wurde im März 2010 publiziert)

• Japan (eine Richtlinie „Guideline on quality, safety and effi-

cacy of follow-on biologics“ wurde im März 2009 publiziert)

• WHO (eine Richtlinie „Guidelines on Evaluation of Similar

Biotherapeutic Products“ wurde im Oktober 2009 verab-

schiedet)

• FDA (Die Richtlinie „Scientific Considerations in Demons-

trating Biosimilarity to a Reference Product“18 und die

Richtlinie „Biosimilars: Questions and Answers Regarding

Implementation of the Biologics Price Competition and

Innovation Act of 2009“19 wurde am 28.4.2015 publiziert.

Andere Richtlinien liegen bisher noch als Diskussions-

entwurf vor20).

18 http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatory Information/Guidances/UCM291128.pdf19 http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatory Information/Guidances/UCM444661.pdf20 http://www.fda.gov/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/ Guidances/ucm290967.htm

53

Ferner wurden die CHMP-Guidelines der EMA von den Zulas-

sungsbehörden in Australien und Malaysia übernommen.

Letztlich wird aber zu Recht gefordert, dass in Europa ver-

kehrsfähige Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika das

europäische Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, um

hier den Status eines Biosimilars zu erlangen. Das ist für viele

im Weltmarkt befindliche Produkte nicht der Fall. Vor allem

aus Indien kommen eine ganze Reihe solcher Produkte, von

denen es zum Teil in Europa noch keine Vertreter gibt.

So ist z. B. in Indien bereits ein monoklonaler Antikörper

Reditux®, ein Nachahmerprodukt für Rituximab, seit 2007

zugelassen. Mit der Zulassung eines Rituximab-Biosimilars

in Europa wird für 2017 gerechnet. Auch ist seit 2007 ein

Nachahmerprodukt des Interferons alfa-2b in Indien auf dem

Markt. Seit 2003 sind auch Insulin-Nachahmerprodukte in

Indien verfügbar. Diese Präparationen haben die hohen Hür-

den der EMA nicht nehmen können und wurden entweder von

der Behörde abgelehnt, oder der pharmazeutische Hersteller

hat den Zulassungsantrag zurückgezogen. Ähnliches gilt für

eine rekombinante Hepatitis-B-Vakzine.

Biosimilars werden weltweit recht unterschiedlich reguliert.

Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

54 Biosimilars – ein Handbuch

Die Zulassung durch die EMA ist ein „Gütesiegel“,

auf das sich Ärzte und Patienten ver-

lassen können.

Diese Punkte machen einiges deutlich:

1. Die Zulassung eines Biosimilars durch die EMA ist ein an-

spruchsvoller und ein strikt auf Qualität und Sicherheit aus-

gelegter Prozess, der alles andere als ein „Selbstläufer“ ist.

2. Nicht jedes Nachahmermolekül aus der Klasse der Bio-

pharmazeutika ist ein Biosimilar nach europäischem Stan-

dard. Nicht in Europa zugelassene Nachahmerpräparate

besitzen hier auch keine Verkehrsfähigkeit und dürfen am

Patienten nicht eingesetzt werden.

3. Das zeigt: Die Zulassung durch die EMA ist ein „Gütesiegel“,

auf das sich Ärzte und Patienten verlassen können. Sie kön-

nen in aller Regel in den gleichen Indikationen eingesetzt

werden, für die die Referenzarznei eine Zulassung besitzt.

Bei nicht vortherapierten Patienten macht es faktisch kei-

nen Unterschied, ob die Referenzarznei oder ein Biosimilar

eingesetzt wird. Dies gilt für die Wirksamkeit ebenso wie

für die Verträglichkeit.

55Zulassung, Wirksamkeit und Qualität von Biosimilars

Mythen und Fakten zu Biosimilars

Biosimilars können ebenso wie

Generika zu einem sehr geringen

Preis angeboten werden.

Biosimilars werden irgendwo

auf dieser Welt produziert und

zugelassen und können dann in

Deutschland eingesetzt werden.

Biosimilars sind von schlech-

terer Qualität als das Referenz-

arzneimittel.

Bei Biosimilars treten häufiger

Nebenwirkungen auf.

Die Einführung von Biosimilars

birgt die Gefahr, dass neue uner-

wünschte Arzneimittelwirkungen

für einen lange eingeführten

Wirkstoff auftreten.

Biosimilars sind wesentlich

immunogener.

Auch Biosimilars müssen in einem aufwändigen Verfahren

hergestellt und extrem umfangreich getestet werden. Des-

halb können Biosimilars zwar etwas preiswerter als die Refe-

renzarznei sein, aber nicht beliebig billig angeboten werden.

Nur Nachahmerprodukte, die ein Zulassungsverfahren bei

der EMA erfolgreich durchlaufen haben, sind in Deutsch-

land verkehrsfähig und dürfen als Biosimilars bezeichnet

werden.

Biosimilars müssen in den Zulassungsstudien zeigen, dass

sowohl das Wirkungs- als auch das Nebenwirkungsspek-

trum vergleichbar ist mit dem des Referenzpräparats.

Hersteller von Biosimilars müssen für die Zulassung, die

Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit nach den gleichen

Standards nachweisen, die auch für die Zulassung der

Referenzarznei gegolten haben.

Biopharmazeutika müssen generell hinsichtlich ihrer

Immunogenität bewertet werden. Dies gilt auch für Biosimi-

lars. Und auch hier gilt das Ähnlichkeitsprinzip zwischen

Referenzarznei und Biosimilar.

Seit Zulassung der ersten Biosimilars wurden weder

neue unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch diese

Wirkstoffe gemeldet, noch musste einem Biosimilar aus

Sicherheitsgründen die Marktzulassung entzogen werden.

Mythos Fakt

Tab. 10: Mythen und Fakten zu Biosimilars

56 Biosimilars – Ein Handbuch

BIOSIMILARS IN DER VERSORGUNG

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel

3

57

BIOSIMILARS IN DER VERSORGUNG

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

In welchen Indikationen kommen Biosimilars aktuell zum Einsatz?

Derzeit gibt es in Deutschland Biosimilars in sieben verschie-

denen Wirkstoffgruppen: Epoetin, Etanercept, Filgrastim,

Follitropin, Infliximab, Insulin glargin und Somatropin.

Zudem befinden sich aktuell (Stand Dezember 2016) zwölf

Wirkstoffe (Adalimumab (4), Etanercept (2), Insulin glargin,

Pegfilgrastim (3) und Rituximab (2)) im Zulassungsprozess.21

In einer fortgeschrittenen Entwicklung befinden sich außer-

dem Biosimilars zu Bevacizumab, Cetuximab, Darbepoetin

alfa, Insulin aspart, Peginterferon alfa-2a, Ranibizumab und

Trastuzumab.

Insgesamt wurden bisher 32 Anträge durch die EMA abschlie-

ßend begutachtet. In 23 Fällen wurde die Zulassung erteilt,

sieben Anträge wurden von den Herstellern zurückgezogen,

und in zwei Fällen wurde eine Zulassung versagt.

Diese Zusammenfassung lässt wichtige Schlüsse zu:

1. Der Zulassungsprozess ist eine substanzielle Hürde, bei

der alle Aspekte der Konzipierung und der Realisierung der

Herstellung eines Biosimilars auf einen kompromisslosen

Prüfstand gestellt werden. Eine Zulassung wird nur dann

erteilt, wenn Qualität, Wirksamkeit und Verträglichkeit auf

Basis vordefinierter Kriterien belegt sind. Die Tatsache,

Bisher haben Biosimilars von Enoxaparin, Epoe-tin, Etanercept, Fil-grastim, Infliximab, Insulin glargin und Somatropin das strenge Zulassungsver-fahren der EMA erfolgreich durch-laufen.

21 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Report/2016/12/ WC500217738.pdf

Biosimilars in der Versorgung

58 Biosimilars – ein Handbuch

dass Anträge auch negativ beschieden wurden (siehe Kap. 2,

Tab. 6), zeigt, dass Zulassungsanträge für Biosimilars von

der EMA nicht einfach „durchgewinkt“ werden, und dass

man sich auf das Urteil der EMA verlassen kann.

2. Das noch relative kleine Indikationsspektrum, das derzeit

durch Biosimilars bedient werden kann, wird sich in abseh-

barer Zeit deutlich ausweiten. Das ist eine gute Nachricht

für viele chronisch Kranke, die künftig noch besser mit

kostengünstigen Medikamenten versorgt werden können.

3. Auch werden etliche Biosimilars aus der Klasse der Tumor-

therapeutika die Therapieoptionen signifikant erweitern.

Hierbei handelt es sich in erster Linie um rekombinante,

monoklonale Antikörper.

4. Es ist zudem damit zu rechnen, dass durch die Verfügbar-

keit von Biosimilars im Bereich dieses hochpreisigen Arz-

neimittelsegments Interventionsstrategien, die derzeit noch

wegen limitierter klinischer Erfahrung als Second- oder

Third-Line-Option eingestuft werden, künftig als erste Inter-

ventionsoption zugelassen werden.

5. Vor allem wird das Gesundheitssystem von der Ausweitung

des Wirkstoffspektrums an Biosimilars profitieren. Die

Kostenträger rechnen mit einem Einsparungspotenzial in

Milliardenhöhe.

59

Verbesserung der Versorgung

Biopharmazeutika gehören zu den hochpreisigen Arzneimit-

teln. Daher überrascht es nicht, dass offensichtlich Bestre-

bungen vor allem seitens der Kostenträger zu erkennen sind,

die Einsatzhürden für diese Wirkstoffe möglichst hoch anzu-

setzen. Dies birgt die Gefahr einer Unterversorgung derjeni-

gen, die nach therapeutischen Kriterien eigentlich mit derar-

tigen Wirkstoffen behandelt werden sollten. Dies lässt sich

beispielsweise eindrucksvoll an den Verordnungszahlen für

G-CSF-Präparate in UK belegen (Abb. 11). Mit Einführung von

G-CSF-Biosimilars wurde der negative Verordnungstrend

schlagartig umgekehrt.

Abb. 11: Prozentuale Änderung der Verordnung von G-CSF-Präparaten in UK, bezogen auf das Vorjahr

Wachstumsvolumen bei G-CSF in UK

-4 %

4 %

12 %

0 %

8 %

16 %

20 %

9 %

17 %

-2 %-5 %

17 %

13 %

2007 2008 2009 2010 2011 2012

Im September 2008 wurden die Biosimilars durch die EMA zugelassen.

Biosimilars in der Versorgung

60 Biosimilars – ein Handbuch

Ähnliche Entwicklungen sind auch für andere Indikationen

zu erwarten, sobald günstigere Biosimilarpräparate verfügbar

werden. Hiervon werden im besonderen Maße Tumorpatien ten

profitieren. Ferner können auch Rheuma- und Psoriasis-

Patienten mit einer besseren medikamentösen Versorgung

rechnen.

Erweiterung des Indikationsspektrums

Während der ersten zehn Jahre seit der Verfügbarkeit von Bio-

similars wurden in erster Linie die Indikationsgebiete Wachs-

tumsstörungen (Somatropin), Onkologie (Epoetine, Granulo-

zyten-Koloniestimulierender Faktor) und Nephrologie (Epoe-

tine) durch Biosimilars bedient. Das beginnt sich nun deutlich

zu ändern. Hinzugekommen sind bereits die Indikationsgebiete

Rheumatologie, Gastroenterologie und Dermatologie (Inflixi-

Abb. 12: Indikationsspektrum, das durch zugelassene Biosimilars und durch Biosimilars in der fortgeschrittenen Entwicklung abgedeckt wird

BIO-SIMILARS

Nephro logie

Diabetes

Onkologie

Wachstums-störungen

Fertilitäts-störun gen

Alters- bedingte Makula-

Dege nera- tion

Chro nisch entzündliche

Erkrankungen

Hepatitis-C-Infektion

61

mab, Etanercept), Diabetes (Insulin glargin) und Fertilitätsstö-

rungen (Follitropin). Weitere Indikationen werden durch Biosi-

milars in fortgeschrittener Entwicklung zeitnah hinzukommen.

Mit einem Insulin-aspart-Biosimilar wird in absehbarer Zeit

neben dem bereits zugelassenen Insulin-glargin-Biosimilar

ein weiteres modernes Insulin-Biosimilar für den Diabetes-

Markt verfügbar. Zwar zählen Insulin-Präparate zu den eher

preisgünstigeren Biopharmazeutika. Wegen der enormen Grö-

ße des Diabetes-Marktes und der weiter steigenden Prävalenz

des Typ-2-Diabetes wird mit Einführung der Insulin-Biosimi-

lars dennoch mit einer deutlichen Entlastung bei den Arznei-

mittelkosten gerechnet. Zudem werden zunehmend mehr Pa-

tientinnen und Patienten, die heute noch aus Kostengründen

mit unmodifiziertem Humaninsulin behandelt werden, von den

modernen Analog-Insulinen profitieren können.

Weiter wird die Onkologie von den in der Entwicklung befind-

lichen Biosimilars in erheblichem Maße profitieren. Hierbei

handelt es sich fast durchweg um sehr hochpreisige Wirk-

stoffe. Durch die Zulassung weiterer Biosimilars in diesem

Bereich ist nicht nur mit erheblichen Einsparungen zu rech-

nen. Man kann auch davon ausgehen, dass bestimmte Wirk-

stoffe aus der Second- oder Third-Line-Therapie den Sprung

in die First-Line-Therapie schaffen werden, wodurch das Ver-

ordnungsvolumen deutlich gesteigert wird. Auch dies wird

letztlich wieder den schwer kranken Patienten zugutekommen.

Unter den neuen Krebstherapeutika befinden sich mit Beva-

cizumab, Cetuximab, Rituximab und Trastuzumab vier Anti-

körper. Lange Zeit wurde bezweifelt, dass sich rekombinante,

Mit Insulin-Bio-similars werden bei dem steigenden Bedarf erhebliche Therapiekosten eingespart.

Biosimilars in der Versorgung

62 Biosimilars – ein Handbuch

monoklonale Antikörper als Biosimilars herstellen lassen. Die

aktuellen Entwicklungen widerlegen diese pessimistische

Prognose, denn mit Infliximab hat tatsächlich das erste mono-

klonale Antikörper-Biosimilar die Hürde der europäischen

Zulassung genommen. Ferner wurde kürzlich mit einem

Etanercept-Biosimilar ein Fusionsprotein als Biosimilar zuge-

lassen. Zudem wird mit PEG-Filgrastim auch ein Biosimilar

für die supportive Therapie von Tumorerkrankungen verfügbar.

Mit Ranibizumab als Biosimilar wird ein Antikörperfragment

eingeführt, das große Bedeutung bei der Behandlung der

Altersbedingten Makula-Degeneration (AMD) erlangt hat.

Diese Therapie noch weiter verfügbar zu machen, kann als

echter Fortschritt bei der Bedienung wichtiger „medical

needs“ bezeichnet werden, denn nach wie vor bildet die

AMD die primäre Ursache für Altersblindheit, obwohl sie

mit einer lokalen Antiangiogenese-Strategie sehr gut thera-

pierbar ist.

Ein Adalimumab-Biosimilars wird neben den bereits verfüg-

baren Biosimilars für Infliximab und Etanercept das Gesund-

heitssystem im Bereich vieler chronisch entzündlicher Krank-

heiten deutlich entlasten. Dies trifft auch für Antikörper zu, die

gegen B-Zellen gerichtet sind und die heute noch meist aus-

schließlich bei B-Zell-Tumoren eingesetzt werden. So hat kürz-

lich der Anti-CD20-Antikörper Rituximab auch eine Zulassung

für den Einsatz bei der rheumatoiden Arthritis bekommen.

Und mit Darbepoetin alfa und Peginterferon alfa-2a werden

Biosimilars die Behandlungsoptionen für Dialysepatienten

und von Hepatitis-C-Infektionen erweitern.

In der Tumor - therapie stehen

bald Biosimilars von monoklonalen

Antikörpern zur Verfügung.

63

Wann ist der Einsatz von Biosimilars sinnvoll?

Biosimilars sind nach strengen Kriterien auf Qualität, Wirk-

samkeit und Sicherheit geprüfte Arzneimittel, die zudem

durch die Bezeichnung „Biosimilar“ von der EMA, der zentra-

len Zulassungsbehörde in der EU, als „ähnlich“ zu einem seit

vielen Jahren im Markt befindlichen Referenzarzneimittel

klassifiziert wurden. Ihr Einsatz ist immer dann sinnvoll, wenn

bei einem Patienten oder einer Patientin eine Indikation für

das Arzneimittel angezeigt ist.

In aller Regel entsprechen die Indikationen, für die ein Biosi-

milar zugelassen ist, auch den Indikationen, die für die Refe-

renzarznei zum Zeitpunkt der Zulassung des Biosimilars aus-

gewiesen sind. Somit kann man schlussfolgern, dass die

Referenzarznei und ein Biosimilar therapeutisch äquivalent

sind. Daraus ergibt sich, dass für therapienaive Patientinnen

und Patienten sowohl die Referenzarznei als auch das Biosi-

milar eingesetzt werden können. Aus ökonomischen Überle-

gungen sollte allerdings die Wahl auf das Biosimilar fallen.

Der Beleg der prinzipiellen pharmazeutischen Äquivalenz von

Referenzarznei und dem entsprechenden Biosimilar durch die

EMA legt nahe, dass sich beide Präparate auch austauschen

lassen. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn es sich um

einen therapienaiven Patienten handelt. Hier macht es

keinen Unterschied, ob die Referenzarznei oder das Biosimilar

eingesetzt wird, so dass sich der Therapeut künftig in der

Biosimilars sind dann angezeigt, wenn die entspre-chende Indikation vorliegt.

Wo möglich, sollte aus Kostengründen das Biosimilar eingesetzt werden.

Biosimilars in der Versorgung

64 Biosimilars – ein Handbuch

Regel sicher für das kostengünstigere Präparat entscheiden

wird. Die Entscheidung, welches Arzneimittel eingesetzt wird,

sollte dabei ausschließlich vom behandelnden Arzt getroffen

werden.

Ist ein Patient hingegen auf ein bestimmtes Arzneimittel ein-

gestellt, sollte ein Austausch – obwohl prinzipiell möglich,

wie immer mehr empirische Daten auch tatsächlich zeigen –

kritisch hinterfragt werden. Ein solcher Austausch kann Adhä-

renzprobleme nach sich ziehen, denn nicht selten kennen

die chronisch kranken Patientinnen und Patienten ihre Arznei-

mittel sehr genau.

Warum ist der Einsatz von Biosimilars sinnvoll?

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen rasant. Zwar ist

der Anteil der Arzneimittelkosten an den Gesamtkosten mit

ca. 16 % relativ gering. Allerdings sind die Kostensteige-

rungen in diesem Segment überproportional. Das liegt

daran, dass Innovationen, und im besonderen Maße innova-

tive Biopharmazeutika, ausgesprochen kostspielig sind.

Dies ist keineswegs unberechtigt, denn die Entwicklungs-

kosten sind immens. Zudem ist die Entwicklung eines Bio-

pharmazeutikums mit einem erheblichen unternehme-

rischen Risiko verbunden. „Drugability“, d. h. die Eignung

des zu adressierenden Targets, nach Modulation durch

einen Wirkstoff auch das Pathogenitätsgeschehen zu beein-

flussen, einerseits, als auch die Verträglichkeit des Wirk-

Biopharmazeutika sind nicht zuletzt

wegen der sehr ho-hen Entwicklungs-kosten sehr teuer.

65

stoffs andererseits, sind im Vorfeld der klinischen Testung

eines solchen Wirkstoffs – also bis kurz vor Abschluss der

Entwicklung – kaum zuverlässig vorhersehbar.

Besteht allerdings die Möglichkeit, in diesem innovativen

Segment mehr Wettbewerb zu generieren, muss die-

se Möglichkeit genutzt werden. Das ist der Fall, wenn der

Patentschutz für den Wirkstoff abgelaufen ist und der Wirk-

stoff somit formal den Status der Innovation verlassen hat.

Wie hoch beläuft sich bei konsequentem Einsatz von Biosimilars das Einsparpotenzial?

Biosimilars werden selbstverständlich preiswerter sein als

die entsprechenden Referenzarzneimittel. Und das muss

auch so sein. Zwar ist der Aufwand zur Herstellung beider

Arzneimittelgruppen ganz ähnlich und würde daher einen

Preisabschlag nicht zwingend rechtfertigen. Allerdings ent-

fällt bei der Herstellung eines Biosimilars ein guter Teil des

unternehmerischen Risikos, das eingegangen werden muss,

wenn man sich entschließt, ein neues Biopharmazeutikum

zu entwickeln. Denn die Fragen nach „drugability“ einerseits

und „general safety“ andererseits wurden durch den jahre-

langen klinischen Einsatz der Referenzarznei eindeutig po-

sitiv beantwortet. Hier liegt eines der ganz großen Risiken

für den Hersteller eines neuen Biopharmazeutikums, und

diese Risiken rechtfertigen einen großen Anteil der teils

extremen Kosten vieler dieser Wirkstoffe.

Biosimilars sind eine Möglichkeit, Wettbewerb bei den teuren Bio-pharmazeutika zu generieren.

Biosimilars in der Versorgung

66 Biosimilars – ein Handbuch

Biosimilars könnten

ca. 25 % günstiger sein als die

Referenz - arzneimittel.

Erste Einschätzungen für zu realisierende Einsparpotenzi-

ale durch den verstärkten Einsatz von Biosimilars gibt es

bereits:

Laut BARMER GEK Arzneimittelreport 2016 lässt sich in den

nächsten fünf Jahren durch eine konsequente Verschrei-

bung von Biosimilars eine halbe Milliarde Euro allein bei der

BARMER GEK an Arzneimittelausgaben einsparen.

Grund dafür ist, dass einige der umsatzstärksten biotechno-

logisch hergestellten Medikamente kürzlich ihren Patent-

schutz verloren haben oder diesen in Kürze verlieren wer-

den. Damit werden mehr Biosimilars auf den Markt

drängen.

Ein Biosimilar ist dabei im Schnitt etwa 25 % günstiger als

das entsprechende Referenzarzneimittel.

Die Biosimilarquoten differieren nach den Auswertungen

der BARMER GEK dabei je nach Kassenärztlicher Vereini-

gung um fast 100 %. Während die Ärztinnen und Ärzte in

Bremen in 54,2 % der Fälle Biosimilars verordnen, sind es

im Saarland nur 27,4 %. Wenn man die einzelnen Präparate

betrachtet, unterscheiden sich die Verschreibungsquoten

sogar um das bis zu 19-Fache. Mecklenburg-Vorpommern

weist gar eine „Null-Quote“ für den biosimilaren Wirkstoff

Somatropin aus. Die BARMER GEK weist darauf hin, dass

sich diese enormen regionalen Differenzen bei den Verord-

nungsquoten nicht medizinisch erklären lassen.

67

Mythen und Fakten zu Biosimilars

Mit den derzeit verfügbaren

Biosimilars ist das Behandlungs-

spektrum bereits ausgereizt.

Von Biosimilars werden nur die

Kostenträger profitieren.

Biosimilars werden das Gesund-

heitssystem ökonomisch kaum

entlasten, da sie kaum günstiger

angeboten werden als die Refe-

renzpräparate.

Das Spektrum der Biosimilars wird sich deutlich erweitern.

Im Zulassungsverfahren befinden sich derzeit u. a. mit Adali-

mumab, Trastuzumab und Rituximab drei neue Wirkstoffe.

Etliche weitere Biosimilars befinden sich in einer fortge-

schrittenen Entwicklungsphase.

Vielfach muss man bei den hochpreisigen Biopharmazeu-

tika eine therapeutische Unterversorgung feststellen, die

vor allem durch die hohen Kosten begründet ist. Durch

die immer bessere Verfügbarkeit von Biosimilars in vielen

weiteren Indikationen wird sich auch die Versorgung der

Patienten verbessern, die somit als Profiteure dieser Ent-

wicklung zu bezeichnen sind.

Wegen des hohen Preisniveaus im Bereich der Biopharma-

zeutika führen bereits prozentual eher geringe Preisnach-

lässe zu absolut hoch signifikanten Einsparungen. Zwar

können Biosimilars nicht mit den Wirtschaftlichkeitspoten-

zialen der niedermolekularen Generika angeboten werden,

aber die Einsparungen werden erheblich sein.

Mythos Fakt

Tab. 11: Mythen und Fakten zu Biosimilars

Biosimilars in der Versorgung

BIOSIMILARS 2.0: MONOKLONALE ANTIKÖRPER

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Kapitel

4

69Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

Was unterscheidet die kommenden Biosimilars von den bislang zugelassenen?

Bis Ende 2016 waren acht Wirkstoffklassen als Biosimilars

verfügbar: Enoxaparin-, Epoetin-, Etanercept-, Filgrastim-,

Follitropin-, Infliximab-, Insulin glargin- und Somatropin-

Biosimilars. Vertreten sind demnach unmodifizierte Proteine

(Insulin glargin- und Somatropin-Biosimilars) ebenso wie

Glykoproteine (Epoetin-, Etanercept-, Follitropin- und Inflixi-

mab-Biosimilars). Dieses Spektrum wird in absehbarer Zeit

signifikant erweitert.

Die Weichen hat die EMA bereits gestellt, die Richtlinien für

die Prüfung und Zulassung von Insulin-, Interferon-alfa- und

Interferon-beta-Biosimilars bereits publiziert hat.

Es sind aber vor allem die Biosimilars von monoklonalen

Antikörpern, die die Einsatzmöglichkeiten von Biosimilars

massiv erweitern. War die Herstellung von Somatropin- und

Filgrastim-Biosimilars bis vor einigen Jahren nur schwer

vorstellbar, kam wegen der erforderlichen Glykosylierung die

Herstellung von Epoetin- und Follitropin-Biosimilars fast einer

Provokation gleich. So wurden mit der Herstellung des ersten

Biosimilars eines monoklonalen Antikörpers (Infliximab) und

des ersten Biosimilars eines Rezeptor-Antikörper-Fusions-

proteins (Etanercept) die letzten Zweifel ausgeräumt, dass

praktisch jedes Biopharmazeutikum so kopiert werden kann,

dass es eine analoge klinische Wirksamkeit und Verträglich-

keit aufweist, wie die entsprechende Referenzarznei.

BIOSIMILARS 2.0: MONOKLONALE ANTIKÖRPER

Prof. Dr. Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf

Für neue Biosimi-lars sind bereits Prüfrichtlinien vorbereitet.

70 Biosimilars – ein Handbuch

Monoklonale Antikörper als Paradebeispiel für Biosimilarität

Monoklonale Antikörper sind noch einmal um vieles größer als

die „klassischen“ Biopharmazeutika. So besteht beispielswei-

se gentechnisch hergestelltes Insulin aus knapp 800 Atomen.

Somatropin oder Epoetin sind im Vergleich dazu ungefähr

viermal größer. Aber monoklonale Antikörper weisen mehr als

20.000 Atome auf. Sie sind zudem komplex glykosyliert, wobei

die Zuckerketten im Falle der Antikörper nicht nur die biolo-

gische Halbwertszeit beeinflussen, sondern auch spezielle

Reaktionen von Komponenten des Immunsystems auf den

Vor allem monoklonale

Antikörper sind als Biosimilars

interessant.

Abb. 13: Physikochemische und biologische Charakteristika von Antikörpern

Variable Region• Deamidierung• Oxidation• N-terminales Pyro-Glu • Glykosylierung • Glykierung • …

Bindung• Affinität• Avidität• Immunreaktivität / Kreuzreaktivität• Unerwünschte Reaktivität• …

Effektorfunktion• Komplement-Interaktion• FcRn, FcR-Interaktion• Interaktion mit dem Mannan- bindenden Liganden• Interaktion mit Mannose- Rezeptor• …

Andere biologische Eigenschaften• PK-Eigenschaften• Epitop / Immunogenität• Modulierende Region (Tregitope …)• …

Konstante Region• Deamidierung • Oxidation• Acetylierung• Glykierung• Glykosylierung (Fucosylierung, Sialylierung, Galactosylierung, Mannosylierung)• C-terminales Lys• Verschiebung / Auflösung der Disulfidbrücken• Fragmentierung / Clipping • …

Physikochemische Charakteristika Biologische Charakteristika

71

Immunkomplex zwischen Antikörper und beispielsweise atta-

ckierter Tumorzelle steuern. Hier entscheidet sich maßgeb-

lich die Reaktion mit dem Komplement-System, die Bindung

an sogenannte Fc-Rezeptoren, durch die Immunreaktionen in-

duziert, aber auch gebremst werden und die Interaktion mit

einer Reihe anderer Rezeptoren.

Eine kleine Auswahl kritischer Positionen an einem Modell-

Antikörpermolekül soll hier erwähnt werden, die zeigen, wel-

che Herausforderungen bei der Entwicklung eines Antikörper-

Biosimilars zu meistern sind, um das Molekül der

Referenzarznei zu kopieren:

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

• Pyro-E (2)• Deamidierung (D; 3 x 2)• Methionin-Oxidation (O; 2 x 2)• Glykierung (G; 2 x 2)

• Mannose-reich, G0, G1, G1, G2 (5)• Sialylierung• C-terminales Lysin (2)• 2 x 4 x 4 x 5 x 5 x 2 = 9600

(9600)2 ≈ 108

potenzielle Varianten

Pyro-EPyro-E

K K

GG

Abb. 14: Variable Posi-tionen an einem Modell-antikörper22

22 Kozlowski S, Swann (2006). Current and future issues in the manufacturing and development of monoclonal antibodies. Advanced Drug Delivery Reviews 58, 707–722

GG D D

DD

OO

OO

DD

72 Biosimilars – ein Handbuch

• Ganz oben, am N-Terminus des Antikörpers, kann die Ami-

nosäure Glutaminsäure zu Pyroglutaminsäure zyklisieren

(Pyro-E). Diese Position ist zweimal pro Antikörper vorhan-

den.

• Asparagin- und Glutamin-Reste können relativ leicht dea-

midiert werden, was deutliche Strukturänderungen nach

sich zieht. Sechs Positionen sind in dem Modell-Antikörper

gekennzeichnet.

• Methionin-Reste lassen sich oxidieren. Hier wurden zwei

Positionen markiert.

• Zuckerketten findet man in einem IgG-Mokekül an vier Po-

sitionen.

• Glykosylierungsheterogenität ergibt sich aus teils partiell

aufgebauten Zuckerbäumen.

• Eine endständige Sialinsäure trägt nicht jeder Zuckerbaum.

Dies führt wegen der negativen Ladung der Sialinsäure zu

Ladungsvariabilitäten. Zudem sind die endständigen Sialin-

säurereste an der Auswahl beteiligt, an welchem Fc-

Rezeptor der Antikörper bindet.

• Schließlich kann auch über die C-terminale Aminosäure

(K = Lysin) Strukturheterogenität in das Antikörpermolekül

eingeführt werden.

Für den Modell-Antikörper ergeben sich so nahezu 108 mög-

liche Strukturvariationen (Abb. 14). Da man jedoch so genau

über die Variationen Bescheid weiß und die einzelnen Positi-

onen mit modernen analytischen Verfahren exakt bestimmen

kann, dienen sie als Gradmesser für die Zuerkennung des

Prädikats „Biosimilarität“, was noch einmal unterstreicht,

wie engmaschig hier entschieden wird.

An etlichen Positionen eines

Antikörper - moleküls

können chemische Modifikationen

auftreten.

73

Neben der terminalen Sialinisierung der Zuckerketten-Variati-

on steht dabei eine weitere Variante unter ganz besonderer

Beobachtung. Dies ist der Fucose-Rest relativ nah in Nachbar-

schaft zur Asparaginsäure, die den Zuckerbaum fixiert. Von

diesem Rest weiß man, dass er ganz direkt das biologische

Verhalten des Antikörpers beeinflussen kann. Je weniger von

diesem Fucose-Rest in einer Antikörperpopulation vorhanden

ist, umso fulminanter fällt die sogenannte antikörperabhän-

gige zelluläre Zytotoxizität (ADCC) aus. Darunter versteht man

die Zerstörung einer Zelle (beispielsweise einer Tumorzelle)

durch natürliche Killerzellen, die über einen an die Zelle ange-

dockten Antikörper angelockt werden. Von einem in der Tu-

mortherapie eingesetzten biosimilaren Antikörper erwartet

man, dass er genau die ADCC-Aktivität entfaltet, wie der

Referenz antikörper. Auch dies bedeutet, dass die Strukturvor-

gaben sehr genau bekannt sein müssen und zu treffen sind.

Für die Entwicklung solcher Biosimilars bedeutet das riesige

Herausforderungen. So müssen die Moleküle möglichst iden-

tische Strukturen aufweisen und dies gilt auch für Mikrohe-

terogenitäten. Es muss gezeigt werden, dass mögliche, kleine

Unterschiede zwischen dem biosimilaren Antikörper und dem

Referenzprodukt keine signifikanten Auswirkungen auf die

klinische Wirksamkeit und / oder die klinische Sicherheit

besitzen. Dazu müssen die Daten aus physikochemischen

Analysen und Strukturanalysen mit Daten aus Funktions-

assays kombiniert werden. Und letztlich müssen die Wirk-

samkeit und vor allem die Verträglichkeit durch ein sorgfältig

geplantes klinisches Studienprogramm belegt werden.

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

Für die Funktio- nalität des Anti- körpers ist die Zusammensetzung der Zuckerketten extrem wichtig.

74 Biosimilars – ein Handbuch

Dies alles lässt sich heute lösen, und so wundert es nicht,

dass jüngst ein erster monoklonaler Antikörper (Infliximab)

und ein erstes Rezeptor-Antikörper-Fusionsprotein (Etaner-

cept) als Biosimilar von der Europäischen Kommission die

Zulassung erhielten.

Abb. 15: Variationen in der Zuckerstruktur und mögliche physiologische Konsequenzen

Asn(297)

GlcNAc

Fuc

GlcNAc Man

Man

Man Gal

GalNeuAc/Gc

NeuAc/Gc

GlcNAc

GlcNAc

Asn: AsparaginGlcNAc: N-AcetylglucosaminMan: Mannose

Gal: GalaktoseNeuAc/Gc: Sialinsäure

Anteil lysierte B-Zellen (%)

Antikörperkonzentration (ng/mL)

nur 26 % fucosyliert

100 % fucosyliert

100

20

40

60

80

100

120

20 30 40 50

1 1 1

11 1

1 2

2

11

4 46

2 4

4 3,6

3,6

23

75

Wann werden die nächsten Biosimilars den Markt erreichen?

Der erste biosimilare monoklonale Antikörper (Inflectra® /

Remsima®) wurde im September 2013 von der Europäischen

Kommission zugelassen. Als Referenzarznei für die Entwick-

lung dieses Infliximab-Biosimilars diente Remicade® der

Firma MSD. Inflectra® / Remsima® und das 2016 zugelassene

Flixabi® sind für folgende Indikationen zugelassen: Rheuma-

toide Arthritis (RA), Ankylosierende Spondylitis, Morbus Crohn

(CD), Colitis ulcerosa (UC), Psoriasis-Arthritis (PsA) und Pso-

riasis.

Kurz vor der Zulassung dieses ersten biosimilaren Antikörpers

konnte die Firma Janssen Biotech Inc. eine Verlängerung

ihres Patents für Remicade® bis Anfang 2015 erwirken, so

dass sich die Einführung von Inflectra® / Remsima® in Zentral-

europa noch bis Anfang 2015 verzögerte.

Anfang 2016 wurde zudem ein Etanercept-Biosimilar (Bene-

pali®) zugelassen. Bei Etanercept handelt es sich um ein hu-

manes Tumornekrosefaktor-Rezeptor-p75-Fc-Fusionsprotein.

Etanercept ist ein Dimer eines chimären Proteins, das durch

Fusion der extrazellulären Ligandenbindungsdomäne des hu-

manen Tumornekrosefaktor-Rezeptor-2 (TNFR2/p75) mit der

Fc-Domäne eines humanen IgG1-Antikörpers gentechnisch

hergestellt wird. Die Fc-Komponente enthält die Scharnier-,

CH2- und CH3-Regionen, nicht aber die CH1-Region des IgG1-

Antikörpers.

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

Ein monoklonaler biosimilarer Anti-körper wurde bereits von der EMA zugelassen.

76 Biosimilars – ein Handbuch

Damit ist ein starker Anfang gemacht. Das lange beschworene

„Dogma“, rekombinante, monoklonale Antikörper ließen sich

nicht kopieren, ist seit der Erteilung der Zulassung dieser bei-

den Biosimilars nicht mehr zu halten.

So wundert es nicht, dass weitere monoklonale Antikörper als

Biosimilars in der fortgeschrittenen Entwicklung sind. Mit

deren Markteinführung muss also gerechnet werden, wenn

die Patente der Referenzprodukte auslaufen und die komplexe

Entwicklung abgeschlossen ist.

Abb.16: Schematischer Aufbau von Etanercept

HOOC

Bindungsstelle des

TNF-alfa-Rezeptors

Etanercept

COOH

SS S

S

SS S

S

CH3

CH2 CH2

H H

CH3

SS

SS

77

In welchen Indikationen werden die kommenden Biosimilars eine Rolle spielen?

Neben den Indikationen, für die Inflectra®, Remsima®, Flixabi®

und Benepali® ihre Zulassung erhalten haben, werden vor

allem Indikationen im Bereich unterschiedlicher Tumorer-

krankungen durch biosimilare Antikörper bedient werden.

Dazu zählen sowohl lymphatische als auch solide Tumore.

Konkret kann man mit biosimilaren Antikörpern zu den Refe-

renzmolekülen Adalimumab (Rheumatoide Arthritis, Psoriasis,

Morbus Crohn), Rituximab (niedrig maligne und follikuläre

Non-Hodgkin-Lymphome, Rheumatoide Arthritis), Trastu-

zumab (Mamma-Karzinom), Bevacizumab / Ranibizumab (Anti-

angiogenese) und Cetuximab (Kolon-Karzinom) rechnen.

Ferner sind Biosimilarvarianten von Pegfilgrastim, Darbe-

poetin alfa, Peginterferon alfa und modifizierten Insulinen in

der fortgeschrittenen Entwicklung (siehe auch Kap. 3).

Wie verbessern Biosimilars die Versorgung und den Zugang der Patienten zu hochwirksamen Therapien?

Biosimilars werden zu einer besseren Versorgung von Patien-

tinnen und Patienten mit biotechnologisch hergestellten

Arzneimitteln beitragen. Aus Kostengründen erhalten nach

wie vor noch längst nicht alle Patienten diese Wirkstoffe,

obwohl sie bei ihnen indiziert wären. Diese Situation wird

sich durch die günstiger angebotenen Biosimilars mit Sicher-

heit verbessern.

Biosimilare Anti-körper werden vor allem in der Tumortherapie eingesetzt.

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

78 Biosimilars – ein Handbuch

Biosimilars sind Hoffnungsträger der modernen Medizin.

Denn durch die Verfügbarkeit von Biosimilars wird sich auch

in dem Segment der rekombinanten Wirkstoffe und damit in

einem wichtigen und zudem extrem hochpreisigen Segment

der Arzneimittelversorgung ein Preiswettbewerb etablieren.

Das Potenzial erkennt man an den kürzlich zugelassen Inflixi-

mab-Biosimilars. Die Referenzarznei Remicade® gehört

zweifelsfrei zu den Blockbuster-Wirkstoffen. Dieser Wirkstoff

erwirtschaftete im Jahr 2012 einen Umsatz von ca. 2 Milliar-

den USD. Daraus leitet sich ab, dass sich bereits durch eine

relativ geringe prozentuale Preisreduktion von beispielsweise

25 % ein signifikanter absoluter Geldbetrag einsparen lässt.

Welche Kostenersparnisse könnten generiert werden?

Wie groß das Einsparpotenzial durch Biosimilars sein könnte,

haben Wissenschaftler des IGES Instituts anhand von Modell-

rechnungen ermittelt. Untersucht wurden die Einsparpoten-

ziale für die Wirkstoffgruppen Erythropoetin, Granulozyten-

Koloniestimulierende Faktoren und monoklonale Antikörper

in acht europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich,

Italien, Polen, Großbritannien, Rumänien, Schweden, Spanien).

Betrachtet wurde dabei der Zeitraum 2007 bis 2020.

Auch wenn mit Biosimilars nur

25 % der Kosten eingespart werden

können, resultieren daraus signifikante

Beträge.

79

Die Studie23 ergab, dass sich die aus der Modellrechnung

abgeleiteten Einsparungen zwischen 11,8 Milliarden Euro

und 33,4 Milliarden Euro bewegen – in Abhängigkeit von der

Marktpenetrationsrate, der Markteintrittsgeschwindigkeit

sowie dem Preisniveau der Biosimilars. Das Einsparpotenzial

in Deutschland beträgt laut dieser Studie bis zu 11,7 Milliar-

den Euro – falls Ärzte Biosimilars immer dann verordnen,

wenn dies medizinisch möglich ist und keine Marktbarrieren

in Deutschland bestehen.

Das sind riesige Summen, die es zukünftig zu realisieren gilt,

um die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter zu

verbessern und anstehende Herausforderungen im Gesund-

heitssystem durch eine immer älter werdende Gesellschaft zu

meistern.

Was muss dafür geschehen?

Um diese Effizienzreserven zu heben und dabei gleichzeitig

den Patientinnen und Patienten eine noch bessere Versorgung

mit hochwirksamen Arzneimitteln zukommen zu lassen, muss

vor allen Dingen das Vertrauen in die absolute Gleichwertig-

keit der Biosimilars im Vergleich zu den Referenzprodukten

bei den Heilberuflern gestärkt werden. Nach wie vor wird den

Biosimilars mit einer Skepsis begegnet, die auch nicht nähe-

rungsweise gerechtfertigt ist.

23 Haustein R, de Millas C, Höer A, Häussler B (2012. Saving Money in the European Health Care System with Biosimilars. Generics and Biosimilars Initiative Journal (GaBI Journal). 1(3-4):120–126. doi: 10.5639/gabij.2012

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

80 Biosimilars – ein Handbuch

Durch den zentralen und kompromisslosen Zulassungspro-

zess durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ist si-

chergestellt, dass sich das Biosimilar und die Referenzarznei

auf molekularer Ebene so sehr ähneln, dass Vergleichbarkeit

bescheinigt werden kann. Zudem garantieren die Ergebnisse

klinischer Studien auch eine vergleichbare Wirksamkeit und

Verträglichkeit. Keine sachlichen Gründe sprechen daher ge-

gen die Äquivalenz der beiden Wirkstoffe. Zudem muss gerade

in der Zeit, wo Biosimilars versuchen, im Markt Fuß zu fassen,

ein fairer Wettbewerb garantiert sein.

Noch immer werden Biosimilars

sehr kritisch betrachtet – zu Unrecht.

81

Mythen und Fakten zu Biosimilars

Biosimilars von monoklonalen

Antikörpern lassen sich nicht

herstellen.

Biosimilare Antikörper verhalten

sich in der Klinik unzuverlässig,

da diese Moleküle strukturell

zu aufwändig sind, um sie

angemessen exakt kopieren zu

können.

Mit Infliximab-Biosimilars (Inflectra®, Remsima®, Flixabi®)

sind bereits erste Biosimilars eines monoklonalen Anti-

körpers zugelassen. Diese erfüllen, wie alle anderen

Biosimilar-Präparate auch, alle regulatorischen Anforde-

rungen, die an diese neue Klasse von Biopharmazeutika

gestellt werden.

Durch die Zulassung durch die EMA wird garantiert, dass

sich Biosimilars von monoklonalen Antikörpern in der Klinik

ganz analog zur Referenzarznei verhalten. Darauf wurde in

speziell hierfür ausgelegten klinischen Studien kompro-

misslos getestet.

Mythos Fakt

Tab. 12: Mythen und Fakten zu Biosimilars

Biosimilars 2.0: Monoklonale Antikörper

Kapitel

5

10 JAHRE BIOSIMILARS –

LESSONS LEARNED Michael Dilger

8310 Jahre Biosimilars – Lessons learned

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

Mit Omnitrope wurde 2006 das erste „Nachahmerpräparat“ zu

einem Biologikum in Deutschland zugelassen. Es folgten Bio-

similars zu Epoetin und Filgrastim. Der Versorgungsanteil mit

Biosimilars entwickelte sich sehr unterschiedlich. Im 2. Quar-

tal 2016 liegt der bundesweite Durchdringungsgrad von Epo-

etin bei 40 %, Filgrastim 74 % und Somatropin 15 %.24 Dabei

sind regionale Unterschiede erkennbar.

Aus Sicht vieler Experten wurde das durch diese günstigeren

Biosimilars mögliche Sparpotenzial allerdings nicht voll aus-

geschöpft. Das lag zum einen an spezifischen Marktbedin-

gungen (z. B. Struktur der Versorgungseinrichtungen in den

entsprechenden Indikationen), der untergeordneten Bedeu-

tung der Biosimilars in einzelnen Produktgruppen, aber auch

an Unsicherheiten der Ärzte bezüglich der Verordnung von

Biosimilars aufgrund mangelnder Erfahrung und dem nicht

immer konsequenten Steuerungs- und auch Informations-

management seitens der Kostenträger.

„Biosimilars 2.0“

Seit Anfang 2015 sind für Infliximab und seit März 2016 für

Etanercept die ersten biosimilaren monoklonalen Antikörper

in Deutschland erhältlich. Seit Einführung der Infliximab-Bio-

similars wurden bis Juni 2016 bereits 13 Millionen Euro25 nur

24, 25 AG Pro Biosimilars, Insight Health, Simon-Kucher & Partners: eigene Berechnung, basierend auf GKV-Verordnungen

Aus Sicht vieler Experten wurde das durch die günstigeren Biosimilars mög-liche Sparpotenzial nicht voll ausge-schöpft.

10 JAHRE BIOSIMILARS –

LESSONS LEARNED Michael Dilger

84 Biosimilars – ein Handbuch

durch den preislichen Vorteil für das GKV-System eingespart.

Doch es ist noch viel Luft nach oben, regional schwankt der

Verordnungsanteil deutlich.

In den nächsten Jahren werden weitere umsatzstarke Biologi-

ka ihren Patentschutz verlieren. Das GKV-Umsatzvolumen von

Humira®, Lucentis® und Avastin® belief sich 2015 auf 1,6 Milli-

arden Euro.26 Dies lässt erahnen, welches weitere Einsparpo-

tenzial durch die Einführung von Biosimilars erwartet werden

kann, da die neuen Biosimilars in großen, kostenintensiven In-

dikationen wie Rheuma und Krebs eingesetzt werden. Die dort

zu erwartenden signifikanten Einsparungen haben die Auf-

merksamkeit der Kostenträger „neu geweckt“ und es ist davon

auszugehen, dass sich die Kostenträgerseite intensiver als in

der Vergangenheit dem Thema Biosimilars 2.0 widmen wird.

Steuerung soll nachhaltigen Wettbewerb ermög lichen

Um die erwarteten Kosteneinsparungen zu realisieren, wol-

len Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen die

Verordnung von Biosimilars durch verbesserte Informations-

maßnahmen und optimierte Steuerung des Biologikamarktes

fördern. Aktivitäten seitens der Kostenträger sollten hierbei

berücksichtigen, dass sich Biosimilarhersteller nicht nur als

„Nachahmer“ sehen, sondern in Infrastruktur wie beispiels-

weise die Finanzierung von Registerstudien investieren und

damit ihr Engagement zu einer langfristigen Versorgung beto-

nen. Die Steuerung von Biologika sollte daher einen nachhal-

26 Simon-Kucher & Partners, Bundesbericht GAmSi 12/2015; IMS Patent focus 2014

Es ist noch viel Luft nach oben, regional

schwankt derVerordnungsanteil

deutlich.

85

tigen Wettbewerb und eine langfristige Perspektive für Bio-

similars ermöglichen. Dies ist auch ein Ergebnis des

Pharmadialogs 2016:

„Biosimilars werden in den nächsten Jahren eine immer

wichtigere Rolle bei der Behandlung von schweren Erkran-

kungen wie Rheuma, Multiple Sklerose oder Krebs und für

die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems einnehmen.

Daher sind Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und

sichere Versorgung mit generischen Arzneimitteln und

Bio similars fortzuentwickeln.“27

ERHALTUNG DER MARKTATTRAKTIVITÄTfür den Eintritt von Biosimilars für die Hersteller

Ermöglichung eines fairen Preis-/ Volumenverhältnisses für Biosimilars

WETTBEWERBS - DYNAMIKhinsichtlich Preis und Leistung für Biosimilars

ERHÖHTE AKZEPTANZgegenüber Biosimilars, z. B. bei Ärzten und Patienten

NACHHALTIGE RAHMENBEDIN-GUNGEN zur Förderung von Biosimilars

Einsparpotenzial für Krankenkassen bei gleichbleibend hoher Versorgungs - qualität und somit mehr freie Ressourcen zur Patientenversorgung für das Gesundheitssystem

BIOSIMILAR- HERSTELLER ALS MARKTPARTNERfür ein zusätzliches Pro-duktangebot, Stu dien und Arztinformation

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

Die Steuerung von Biologika sollte einen nachhaltigenWettbewerb und eine langfristige Perspektive für Biosimilarsermöglichen.

Abb. 17: Ein Steuerungsrahmen für Biologika sollte einen nachhaltigen Wett-bewerb und eine langfristige Perspektive für Biosimilars ermöglichenSimon-Kucher & Partners: „10 Jahre Biosimilars – Lessons learned“, September 2016

27 Bericht zu den Ergebnissen des Pharmadialogs (Bundesministerium für Gesundheit, April 2016)

86 Biosimilars – ein Handbuch

Zielvereinbarungen für Biosimilars: bei umfassender Information und richtiger Umsetzung generell ein nachhaltiges Steuerungs-instrument zur Förderung von Biosimilars

Viele KV-Regionen haben seit 2016 regionale Zielverordnungs-

anteile für Infliximab-Biosimilars, die realisierten Verord-

nungsanteile unterscheiden sich aber deutlich. Die vereinbar-

ten Ziele sind in vielen Regionen bereits übertroffen – eine

klare Korrelation zwischen Höhe des Zielverordnungsanteils

und dem realisierten Biosimilarverordnungsanteil besteht

nicht. Dies könnte auch daran liegen, dass die Höhe des Ziel-

verordnungsanteils eher konservativ definiert wurde. Optima-

lerweise erfolgt die Definition datenbasiert und berücksichtigt

regions-, indikations- und produktspezifische Besonderheiten.

Abb. 18: Konzeptioneller Aufbau einer Zielvereinbarung für BiosimilarsSimon-Kucher & Partners: „10 Jahre Biosimilars – Lessons learned“, September 2016

Zielvereinbarungfür Biosimilars

Maßnahmen zur konsequenten Umsetzung

InformationSicherheit / Wirksamkeit von Biosimilars

Regionale Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen

BeratungWirtschaftlichkeit von Biosimilars

DefinitionVereinbarung eines Zielverordnungsanteils

Reporting Definitionvon Folgen

Überprüfung Zielerreichung

87

Zielvereinbarungen für Biosimilars umfassen Information, Beratung und die Definition eines Zielverordnungsanteils

Experten befürworten Zielvereinbarungen als Steuerungsin-

strument zur Förderung von Biosimilars. Allerdings nur, wenn

diese zusätzlich zu einem definierten Zielverordnungsanteil

auch Informationen und Beratungsmaßnahmen umfasst und

des Weiteren durch konsequente Umsetzungsmaßnahmen be-

gleitet werden.

Überdurchschnittliche Infliximab-Biosimilar-Verordnungsan-

teile sind demnach vor allem auf eine gründliche Information

und Umsetzung der Zielvereinbarung zurückzuführen.

In allen KV-Regionen sind Maßnahmen wie Reporting und

Informationspflicht definiert, allerdings gibt es Unterschiede

in Detailgrad und Nachdrücklichkeit. Für eine konsequente

Umsetzung der Zielvereinbarungen sind auch der Aufbau und

die Pflege von Datenbanken und Analysesoftware sowie regel-

mäßige Auswertung von Verordnungsdaten zur Ableitung von

Handlungsempfehlungen notwendig.

Das erfordert ausreichende personelle und technische Res-

sourcen in den KVen; diese sind nach Meinung von Experten

jedoch regional sehr heterogen.

Dennoch gibt es Regionen ohne definierte Zielverordnungs-

anteile, die trotzdem hohe Biosimilaranteile erzielen. Folglich

muss es weitere Einflussfaktoren geben, die die Verordnung

von Biosimilars positiv beeinflussen können.

10 Jahre Biosimilars - Lessons learned

Experten befürworten Zielvereinbarungen als Steuerungs- instrument zur Förderung von Biosimilars.

88 Biosimilars – ein Handbuch

Biosimilaranteil Infliximab (DDD)

Erstanbieteranteil Infliximab (DDD)

Westfalen-Lippe

Rheinland-Pfalz

Nordrhein

Hessen

Saarland

Bayern

Brandenburg

Berlin

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Thüringen

Sachsen

Hamburg

Bremen

Niedersachsen

Sachsen-Anhalt

Baden-Württemberg

KV-Region mit Zielverordnungsanteil für Infliximab-Biosimilars

KV-Region

47 %

40 %

38 %

37 %

36 %

36 %

32 %

26 %

26 %

17 %

14 %

13 %

12 %

10 %

31 %

25 %

14 %

Abb. 19: Anteil Infliximab-Biosimilars an Infliximab-Verordnungen (Q2/2016)Simon-Kucher & Partners: „10 Jahre Biosimilars – Lessons learned“, Septem-ber 20161 KVB und KVMV haben die Zielvereinbarung bereits in 2015 eingeführt* Gewichteter Bundesdurchschnitt entsprechend der Verordnungen pro KV-Region.

Infliximab-Zielverein- barungen wurden in den meisten KV-Regionen1

erst Anfang 2016 eingeführt – bisher konnten somit nur die Auswirkungen für 6 Monate analysiert werden.

ohne Zielverordnungsanteil für Infliximab-Biosimilars

Bundesdurchschnitt: 31 %*

89

Selektivverträge können bei entsprechender Ausge-staltung die Verordnung von Biosimilars fördern und damit Kosten einsparen

Ein Beispiel ist der Selektivvertrag der BARMER GEK in Koo-

peration mit der KV Westfalen-Lippe und dem Bundesverband

der niedergelassenen Gastroenterologen. Der Vertrag soll

einerseits eine intensivere Betreuung von CED-Patienten

ermöglichen und zielt andererseits auf Kosteneinsparungen

durch die vermehrte Verordnung von Biosimilars ab. Ärzte

werden dabei vertraglich angehalten, neue Patienten mög-

lichst auf wirtschaftliche Arzneimittel, z. B. Biosimilars, ein-

zustellen. Zusätzlich sollen die Ärzte prüfen, ob Patienten,

die auf das Referenzprodukt eingestellt sind, auf ein Biosimi-

lar umgestellt werden können.

Auch die Ärzte profitieren von diesem Programm: Sie erhalten

eine Pauschale für ihren erhöhten Betreuungsaufwand und

werden durch Rückzahlungen an den durch Biosimilareinsatz

realisierten Einsparungen beteiligt. Zusätzlich ermöglicht ein

umfangreiches Informationsprogramm sowie eine

intensivere Patientenbetreuung eine insgesamt qualitativ

bessere Versorgung.

Die BARMER GEK verknüpft den Vertrag mit einem Rabatt-

vertrag (Open-House-Vertrag), d. h., sie empfiehlt den Ärzten,

vorrangig die rabattierten Therapien einzusetzen. Zusätzlich

informiert die BARMER GEK die Ärzte über die tatsächliche

Wirtschaftlichkeit der Arzneimittel – unter Berücksichtigung

von Rabatt und Listenpreis. Dies soll Ärzte in ihrer preisbe-

wussten Verordnungsweise unterstützen.

10 Jahre Biosimilars - Lessons learned

90 Biosimilars – ein Handbuch

Abb. 20: Beispiel BARMER-GEK CED-VertragSimon-Kucher & Partners: „10 Jahre Biosimilars – Lessons learned“, September 20161 Berufsverband für niedergelassene Gastroenterologen2 Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe

Inzwischen hat die BARMER GEK ein ähnliches Programm für

Rheuma aufgelegt, weitere Module und eine regionale Aus-

weitung sind in Planung. Dabei sollen die jeweils indikations-

und regionsspezifischen Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Um Biosimilars zu fördern, sollte ein Selektivvertrag eine ent-

sprechende Zielvereinbarung enthalten, Neueinstellungen auf

Biosimilars fordern und Umstellungen auf Biosimilars fördern.

BNG1

Hersteller von Biologika

KVWL2

CED-Versorgungs-

vertrag

Open-House-Vertrag

BARMER GEK

BARMER GEK

91

Insgesamt gilt: Steuerungsinstrumente der Kosten-träger müssen transparent und diskriminierungsfrei gestaltet sein, um den Wettbewerb nicht zu behin-dern

Voraussetzung für die Transparenz von Steuerungsinstru-

menten ist, dass die Inhalte an alle Marktteilnehmer kommu-

niziert werden und allgemein zugänglich sind. In der Praxis

heißt dies z. B., dass Rabattverträge transparent bekannt

gemacht werden und Ärzte über die tatsächliche Wirtschaft-

lichkeit (unter der Berücksichtigung von Listenpreis und

Rabatten) informiert werden müssen. Nur so können Ärzte

auch wirtschaftlich verordnen und die erhofften Einsparungen

generieren.

Open-House-Verträge fördern den Einsatz der preis-günstigeren Biosimilars in der Regel nicht

Im Rahmen eines Open-House-Vertrags bietet die Kranken-

kasse allen Anbietern einen Vertrag mit festgelegtem Rabatt-

satz an. Jeder Anbieter (Original- und Biosimilarhersteller)

kann sich am Open-House-Vertrag beteiligen, wenn er diesen

Rabatt auf den jeweiligen Listenpreis gewährt. In der Folge

gelten alle Arzneimittel, die dem Open-House-Vertrag beige-

treten sind, trotz Preisunterschiede als (gleich) wirtschaftlich.

Der Wettbewerbsvorteil der Biosimilars wird dadurch

gemindert.

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

92 Biosimilars – ein Handbuch

Aus Sicht der Krankenkassen dienen Open-House-Verträge

dazu, kurzfristig Einsparungen zu generieren. Sie sind einfach

in der Umsetzung und diskriminierungsfrei. Als langfristiges

Vertragsmodell werden sie allerdings nicht betrachtet, da

sie nach Meinung der Experten den Preiswettbewerb nicht

fördern.

Biosimilarhersteller sehen sich oft in einer „Zwickmühle“:

Wenn sie sich am Vertrag beteiligen, ist der Preisvorteil des

Biosimilars in der Praxissoftware meist nicht erkennbar,

obwohl es tatsächlich günstiger ist als das Referenzprodukt

(gleicher Rabattsatz bei niedrigerem Listenpreis). Beteiligt

sich der Biosimilarhersteller nicht am Vertrag, gilt das Bio-

similar als nicht wirtschaftlich, auch wenn das Referenz-

produkt trotz Rabatt teurer ist.

Diese Fehlanreize können vermieden werden, wenn Ärzte über

die tatsächliche Wirtschaftlichkeit der Arzneimittel im Vertrag

informiert werden. Dann können auch innerhalb eines Open-

House-Vertrags Anreize für Biosimilarverordnungen gesetzt

werden. Einige Krankenkassen handhaben dies auch heute

schon so und senden beispielsweise entsprechende Informa-

tionsschreiben an die Vertragsärzte.

Fehlanreize können vermieden

werden, wenn Ärzte über

die tatsächliche Wirtschaftlichkeit

der Arzneimittel im Vertrag informiert

werden.

93

Das Vertrauen der Ärzte in Biosimilars ist im Laufe der Zeit gestiegen – der Informationsbedarf ist jedoch immer noch hoch

Informationsmaßnahmen werden von allen Experten als

genauso wichtig angesehen wie die Steuerungsinstrumente

selbst.

Die Unsicherheiten bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit von

Biosimilars haben bei Ärzten abgenommen. Dennoch sind sie

als Entscheider bei der Therapieauswahl wichtigstes Ziel von

Informationsmaßnahmen. Informationsbedarf wird vor allem

bei Arztgruppen und Indikationen gesehen, die bisher keinen

Berührungspunkt mit Biosimilars hatten.

Die Information des Patienten ist vor allem Aufgabe des Arztes

Bei Patienten wird der Informationsbedarf dann als hoch ein-

geschätzt, wenn es sich um chronische oder sensible Krank-

heiten oder um Medikamente handelt, die sich der Patient

selbst verabreicht. Der Arzt hat den direkten Kontakt zum

Patienten und ist damit seine wichtigste Informationsquelle.

Es wird daher als wichtige Aufgabe der Krankenkassen, KVen

und Biosimilarhersteller gesehen, den Arzt durch das Bereit-

stellen von auf den Patienten zugeschnittenem Informations-

material zu unterstützen.

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

Informationsbedarf wird vor allembei Arztgruppen und Indikationen gesehen, die bisher keinen Berüh-rungspunkt mit Biosimilars hatten.

94 Biosimilars – ein Handbuch

Informationen zu Biosimilars: einfach verständlich, klar strukturiert und objektiv

Neben dem Konzept der Biosimilarität sind Themen wie Zu-

lassungsverfahren sowie Regularien zur Sicherstellung der

klinischen Sicherheit relevant, um das Vertrauen in Biosimi-

lars zu stärken. Für Ärzte sind zusätzliche Informationen zur

Wirtschaftlichkeit von Biosimilars, vor allem im Zusammen-

hang mit Verträgen, wichtig.

Beispiele erfolgreicher Kommunikation über Biosimilars

Kommunikationsmaßnahmen werden in verschiedenen KVen

schon gut umgesetzt. Das Ziel ist immer, das Vertrauen der

Ärzte in Biosimilars zu stärken und somit den Anteil der Bio-

similarverordnungen zu fördern. Beispielsweise führt die KV

Nordrhein Pharmakotherapie-Workshops speziell zum Thema

Biosimilars durch.

Auch einige Krankenkassen übernehmen intensiv Informa-

tions- und Kommunikationsaufgaben. Die AOK Niedersachsen

platziert beispielsweise über den Außendienst die Biosimilar-

thematik in persönlichen Gesprächen mit Ärzten. Andere

Krankenkassen veröffentlichen Berichte (z. B. BARMER GEK:

Arzneimittelreport – Spezialthema Biosimilars, Techniker

Krankenkasse: Faktenbuch zur Rheumatherapie) zur ein-

fachen Orientierung in der Biosimilarthematik.

95

Ein Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen

Krankenkasse und KV ist die „Biolike“-Initiative der BARMER

GEK und der KV Westfalen-Lippe. Die Maßnahme ist an die

oben angesprochenen Selektivverträge gekoppelt und umfasst

speziell auf Indikationen abgestimmte Pakete mit medizi-

nischen und wirtschaftlichen Informationen, z. B. für Gastro-

enterologie und Rheuma.

Auch Zulassungsbehörden können dazu beitragen, Unsicher-

heiten bezüglich Biosimilars abzubauen und Fragen zu beant-

worten. Sie sind wichtig, um Vertrauen in die klinische Wirk-

samkeit und Sicherheit von Biosimilars zu bilden, da sie als

unabhängige Experten und objektive Informationsquelle als

besonders glaubwürdig angesehen werden. Für Krankenkas-

sen, KVen und Biosimilarhersteller sind sie wichtige Dialog-

partner. Veröffentlichungen und Dialogveranstaltungen zeigen,

dass sich BfArM und Paul-Ehrlich-Institut verstärkt in die

Diskus sion um Biosimilars einbringen.

Mit der Veranstaltung „BfArM im Dialog: Biosimilars“ im Juni

2016 hat das Institut das Thema aufgegriffen und wichtige

Fragestellungen mit Bezug auf Biosimilars adressiert. Diese

Art von Veranstaltungen fördert den Austausch von Perspekti-

ven bezüglich Biosimilarthemen zwischen Herstellern, Kran-

kenkassen und Zulassungsbehörden.

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

Auch Zulassungs-behörden können dazu beitragen, Unsicherheiten be-züglich Biosimilars abzubauen und Fragen zu beant-worten.

96 Biosimilars – ein Handbuch

Zusammenfassung

• Biosimilars sind komplexe Moleküle mit hohem Entwick-

lungs- und Investitionsaufwand. Sie sind wirksame und

sichere Therapiealternativen und generieren wesentliche

Einsparungen.

• Biosimilars leisten einen wesentlichen Beitrag zur lang-

fristigen Biologikaversorgung – dies sollte durch einen

Steuerungsrahmen, der nachhaltigen Wettbewerb ermög-

licht, berücksichtigt werden.

Krankenkassen / KVenBiosimilarhersteller

Gemeinsame InformationGemeinsame Kommunikation

Kooperation begrenzt auf Dialog und

Referenzierung

Regulatoren

„Informationen von objektiven Parteien wie BfArM oder PEI sind insbesondere vertrauensbildend. Für diese Parteien ist es daher wichtig, ihre Unabhängigkeit zu wahren.“ (Repräsentant KV)

„Eine Zusammenarbeit mit Biosi-milarherstellern befürworten wir. Es ist vor allem wichtig zu kom-munizieren, um gemeinsame Ziele hinsichtlich Biosimilars verfolgen zu können.“(Repräsentant KK)

Abb. 21: Informations- und KommunikationsquellenSimon-Kucher & Partners: „10 Jahre Biosimilars – Lessons learned“, September 2016

97

• Zielvereinbarungen, die Informations- und Beratungsmaß-

nahmen sowie einen definierten Zielverordnungsanteil für

Biosimilars umfassen, sind bei konsequenter Umsetzung

ein nachhaltiges Steuerungsinstrument zur Förderung von

Biosimilars, da Ärzten eine klare Zielvorgabe gesetzt wird.

• Selektivverträge sind flexibel ausgestaltbar und eignen sich

bei entsprechender Ausgestaltung zur Förderung von Bio-

similars, indem sie dem Arzt positive Anreize zur Verord-

nung von Biosimilars setzen.

• Open-House-Verträge sowie Rabattverträge mit dem Refe-

renzprodukt sind nicht geeignet, Biosimilars zu fördern,

können jedoch durch Information zur Wirtschaftlichkeit von

Biosimilars verbessert werden (z. B. Informationsschreiben

der Krankenkassen).

• Begleitende Informations-/Beratungsmaßnahmen von

Krankenkassen, KVen und Herstellern sind unerlässlich, um

die Förderung der Biosimilarverordnungen zu unterstützen.

• Krankenkassen und KVen stehen der gemeinsamen sowie

gegenseitigen Information mit Biosimilarherstellern positiv

gegenüber. Regulatoren sind wertvolle Dialogpartner und

als unabhängige und objektive Informationsquelle wichtig,

um das Vertrauen in Biosimilars weiter zu fördern.

• Das Vertrauen in Biosimilars ist im Laufe der Zeit gestiegen.

Der Informationsbedarf wird aber immer noch als hoch ein-

geschätzt.

10 Jahre Biosimilars – Lessons learned

98 Biosimilars – Ein Handbuch

DIE BEDEUTUNG VON BIOSIMILARS IN DER

VERTRAGS ÄRZTLICHEN VERSORGUNG

Johann Fischaleck

Kapitel

6

99

DIE BEDEUTUNG VON BIOSIMILARS IN DER

VERTRAGS ÄRZTLICHEN VERSORGUNG

Johann Fischaleck

Was sind Biosimilars?

Seit 2001 begannen nach und nach die Patente einiger wich-

tiger, umsatzstarker Biopharmazeutika auszulaufen. Da sich

der Prozess der Patentabläufe wichtiger Biopharmazeutika

rasant beschleunigt, beginnen Biosimilars eine immer ent-

scheidendere Rolle zu spielen, indem sie mit umsatzstarken

Biopharmazeutika um Marktanteile konkurrieren.

Zehn Jahre sind nun seit der Zulassung des ersten Biosimilars

in Deutschland vergangen. Wie sieht der Markt heute aus?

Welche biosimilaren Wirkstoffe stehen zur Verfügung und

welche Vorteile bietet deren Verordnung?

Wie erfolgt der Austausch eines Originals in ein Biosimilar?

Originale und Biosimilars sind nicht im Rahmen der Aut-

Idem-Regelung austauschfähig. Daher wird in der Apotheke

grundsätzlich das verordnete Medikament an den Patienten

abgegeben. Auch das Bestehen von Rabattverträgen bewirkt

keinen Austausch des Präparates. Dabei spielt es keine Rolle,

dass die Biosimilars denselben International Non-Proprietary

Name (INN) tragen wie das Original. Durch die Dokumentation

des Arztes ist die Therapie eindeutig rückverfolgbar. Ein ande-

rer Name als derselbe INN-Name wie das Original würde eher

zur Verwirrung führen und den Marktzutritt für Biosimilars

vielleicht behindern. Auch die Akzeptanz durch den Patienten

wird durch den gleichen INN-Namen erhöht.

Die Bedeutung von Biosimilars in der vertragsärztlichen Versorgung

Durch die Dokumentationdes Arztes ist die Therapie eindeutig rückverfolgbar.

100 Biosimilars – ein Handbuch

Lediglich identische biosimilare Präparate aus der gleichen

Fabrikation, wie bspw. Biograstim®, Ratiograstim® und Teva-

grastim®, bei denen es sich allesamt um identische Arznei-

mittel handelt, die aus einer Produktion kommen, kann ein

Austausch auch in der Apotheke vorgenommen werden. Aus

gleichem Grund können auch Filgrastim Hexal® und Zarzio®

in den Apotheken gegeneinander ausgetauscht werden oder

Inflectra® und Remsima®, die Biosimilars zu Remicade® sind,

eingesetzt werden – v. a. in der Rheumatologie und der

Gastroentero logie.

Die Einstellung auf ein Biosimilar erfolgt ausschließlich durch

den verordnenden Arzt. Besonders bei der Neueinstellung von

Patienten kann ohne Mehraufwand von den ökonomischen

Vorteilen der Verordnung eines Biosimilars profitiert werden.

Je nach Wirkstoff sind die Biosimilars ca. 20 % bis 30 % preis-

günstiger als die dazugehörigen Originalpräparate.

Umstellung bei laufender Therapie

Die FDA verlangt im Rahmen der Markteinführung von Bio-

similars auch sogenannte Interchangeability-Studien, die den

Nachweis erbringen sollen, dass Originale und Biosimilars

austauschbar sind.

Der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP bei der Euro-

päischen Arzneimittel-Agentur („European Medicines Agency“

– EMA) bewertet als Teil des Zulassungsverfahrens, bei dem

Nutzen und Risiko eines Arzneimittels gegenübergestellt wer-

den, primär die pharmazeutische Qualität, Wirksamkeit und

Die Einstellung auf ein Biosimilar

erfolgt ausschließ-lich durch den

verordnenden Arzt.

101

auch Sicherheit von Biosimilarkandidat und Originatormolekül

im direkten Vergleich, und nicht die Austauschbarkeit.

Nach derzeitigem Diskussionsstand im CHMP und seinen

Arbeitsgruppen können Biosimilars grundsätzlich nach er-

wiesener Äquivalenz und erfolgter Zulassung so eingesetzt

werden, wie Originatorprodukte auch. Dies beinhaltet implizit

daher sowohl Patienten, die vorher noch keine Therapie mit

Biologika erhalten, als auch solche Patienten, die vorher das

Originatormolekül bekommen haben.

Dieser Austausch wird nach unseren Analysen im Bereich der

Erythropoetine von den Vertragsärzten bereits seit einigen

Jahren vorgenommen und kann sicherlich auch bei anderen

Produkten in Erwägung gezogen werden. Für die Biosimilars

von Infliximab und neuerdings auch für das biosimilare

Etanercept trifft dies in Bayern in zunehmendem Maße zu.

Erythropoetin wird bei Patienten mit Nierenversagen, soge-

nannter terminaler Niereninsuffizienz, im Rahmen einer Blut-

wäsche sowie zur Behandlung der Blutarmut eingesetzt. Sei-

ne Wirkung erkennt man am Anstieg des Hämoglobinwertes,

so dass die zum Erreichen des Zielwertes notwendige Dosis

des Erythropoetins als Surrogatparameter für die Wirksamkeit

des Erythropoetins dienen kann. Immer wieder kam insbeson-

dere bei Erythropoetin-Biosimilars die Behauptung auf, dass

Biosimilars zu einem Mehrverbrauch an Einheiten im Ver-

gleich zu den Erstanbieterprodukten führen.

Die KV Bayerns hat dazu eine retrospektive Versorgungsfor-

schungsstudie aufgelegt, um der Fragestellung nachzugehen,

Die Bedeutung von Biosimilars in der vertragsärztlichen Versorgung

102 Biosimilars – ein Handbuch

ob es einen Unterschied im Verbrauch zwischen den verschie-

denen Erythropoetinen-H gibt.28

Vergleichende Untersuchung von Erythropoetin- Biologika und Biosimilars in Bayern

Aus der Grundgesamtheit der 10,4 Millionen gesetzlich Ver-

sicherten in Bayern wurden 16.895 Patienten mit terminaler

Niereninsuffizienz und chronisch intermittierender Hämodia-

lyse-Behandlung selektiert. Von diesen wurden 6.177 Patien-

ten über mindestens 1,5 Jahre während des Untersuchungs-

zeitraumes mit Erythropoetin behandelt. Diese Patienten

wurden analysiert. 64,4 % dieser Patienten wurden mit

Erythro poetin-Originatorarzneimitteln, 21,1 % mit Erythropo-

etin-Biosimilars und 14,6 % mit Erythropoetin-Originator und

Bio similar nacheinander behandelt. Insgesamt 35,7 % aller

Patienten wurden dabei mit einem Biosimilar behandelt. Für

507 Patienten liegen Daten zum „Switch“ vor, für 450 zum

Wechsel vom Originator zum Biosimilar, für 57 vom Biosimilar

zum Originator. Es zeigten sich folgende Ergebnisse: Die Do-

sierung der Erythopoetin-Biosimilars entsprach der Dosierung

der Originatoren. Ein Wechsel von einem Originator zu einem

Erythropoetin-Biosimilar führte nicht zu einer Erhöhung der

Dosierung. Insbesondere die Dosiskonstanz bei einer Beo-

bachtungszeit der Patienten über 1,5 Jahre unterstreicht die

Schlussfolgerung der gleichen Wirksamkeit von Eryhtropoetin-

28 Hörbrand F. Bramlage P. Fischaleck J. Hasford J. Brunkhorst R. A. Population-based study comparing biosimilar versus originator erythropoiesis-stimulating agent consumption in 6,6177 patients with renal anaemia. Eur J Clin Pharmacol, March 2013

103

Originator und Biosimilar. Die Patienten der mit Biosimilars

behandelten Gruppe waren etwas älter und hatten etwas mehr

Begleit erkrankungen, einen Einfluss auf die Dosierung hatte

dies jedoch nicht.

Dies ist die erste populationsbasierte Studie zum Vergleich

der Wirksamkeit von Erythropoetin-Originatoren und ihren

korrespondierenden Biosimilars. Sie belegt die therapeutische

Gleichwertigkeit und unterstützt die Empfehlung der KV

Bayerns zur Umstellung von Patienten vom Originator auf das

Biosimilar.

Wie gehen wir heute mit Biosimilars um?

Es ist ein wichtiges Ziel von Ärzteschaft und Krankenkassen,

hochwertige Medizin bezahlbar zu halten. Bei den meisten

Kassenärztlichen Vereinigungen sind mittlerweile Biosimilar-

quoten in den Arzneimittelvereinbarungen eine Selbstver-

ständlichkeit. Der Verband der forschenden Arzneimittelher-

steller (vfa) hingegen mahnt zum „vorsichtigen Umgang“ mit

Biosimilars. Dies scheint eher ökonomisch motiviert als evi-

denzbasiert zu sein, denn bei genauer Betrachtung gibt es das

Original ja gar nicht. Jede neue Charge eines biologischen

Originalproduktes unterscheidet sich mehr oder weniger von

seinem Vorgängerprodukt. Viele Biologika haben mittlerweile

zahlreiche Änderungen im Herstellungsverfahren durchlaufen,

Die Bedeutung von Biosimilars in der vertragsärztlichen Versorgung

Die Studie belegt die therapeutischeGleichwertigkeit und unterstützt die Empfehlung der KVBayerns zur Um-stellung von Pati-enten vom Origina-tor auf das Biosimilar.

104 Biosimilars – ein Handbuch

die jeweils ein ähnliches, aber kein gleiches Produkt zur Folge

haben. Ärzte, die das „Original“ über Jahre hinweg verordnen

und selbstverständlich die gleiche Wirksamkeit erwarten,

haben in der Realität immer quasi Biosimilars zur ersten

Charge des Biologikums verordnet. Es verwundert, wenn dann

beim Einsatz von „echten“ Biosimilars der Arzt Zweifel an der

Qualität anmeldet, obwohl die Produktion innerhalb der glei-

chen Spezifikationsgrenzen gehalten wird, die auch für die

Originalprodukte gelten und die eine gleiche Wirksamkeit

gewährleisten.

Biosimilarquoten auf DDD-Basis sind in den Arzneimittelver-

einbarungen auf KV-Ebene ein probates Mittel, sollten jedoch

von KV und Krankenkassenseite immer positiv begleitet wer-

den und bei Erreichen der Quote mit entsprechenden Entlas-

tungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung belohnt werden.

Der Arzt hat damit den Hebel in der Hand, über das Erreichen

einer Zielquote bei Generika und Biosimilars die Wirtschaft-

lichkeitsziele zu erreichen. So werden auch in Bayern zuneh-

mend Ziele formuliert, die eine Biosimilarquote ausweisen

und die Steuerung des Marktes ermöglichen. Demnächst wird

die bisherige Leitsubstanzregelung bei den TNF--Blockern

durch eine reine Biosimilarquote ersetzt werden. Das Prüfen

nach Kosten gehört somit der Vergangenheit an. Wichtig ist,

dass die Ärzte jederzeit aktuell über die entsprechenden

Märkte und deren Neuerungen informiert und immer wieder

auf diese Thematik angesprochen werden. Das erledigen im

Gebiet der KV Bayerns 15 Pharmakotherapie-Berater/-innen,

die ständig entsprechende Fragen von Ärzten beantworten,

aber auch in persönlichen Gesprächen oder bei Qualitäts-

zirkeln zu Biosimilars informieren. Als Naturwissenschaftler

105

sind die Apothekerinnen und Apotheker bestens geeignet, über

die Herstellung, Strukturaufklärung und Spezifikationen von

Biologikas ganz allgemein zu informieren. So werden evtl.

bestehende Vorbehalte abgebaut und die emotionale Ebene

durch die Sachebene ersetzt.

Auch der Gesetzgeber kann Hürden abbauen helfen, die

derzeit einen Marktzutritt von Biosimilars behindern. So ist

zumindest eine der Forderungen aus dem eben abgeschlos-

senen Pharmagipfel, dass Originalhersteller keine Rabatt-

verträge mit Krankenkassen über den Ablauf des Patentschut-

zes hinaus schließen dürfen, um den Markteintritt der Bio-

similars auf diese Weise nicht zu behindern. Im Abschluss-

bericht zum Pharmadialog aus dem April 2016 wurden

Zielvereinbarungen für Biosimilars von den beteiligten Minis-

terien und Herstellerverbänden als probates Mittel gesehen,

um Biosimilars schneller in die Versorgung zu bringen. Daher

erfolgte zumindest der Appell an die Vertragspartner, dieses

Instrument stärker zu nutzen.

Die Bedeutung von Biosimilars in der vertragsärztlichen Versorgung

Kapitel

7

DIE INITIATIVE „BIOLIKE“

DER BARMER GEK Detlef Böhler

107Die Initiative „Biolike“ der BARMER GEK

Die Initiative „Biolike“ der BARMER GEK

Ziel der Initiative „Biolike“ ist die Förderung einer aus medizi-

nischer und wirtschaftlicher Sicht angemessenen Verordnung

biologisch hergestellter Arzneimittel. Dazu gehört ein struktu-

riertes Arzneimittel-Management zu Biologika und Biosimi-

lars auf Basis gemeinsamer Vereinbarungen mit Kassenärzt-

lichen Vereinigungen. Die erste Vereinbarung wird bereits seit

dem Oktober 2014 in der Pilotregion der Kassenärztlichen

Vereinigung Westfalen-Lippe umgesetzt. Nach erfolgreichem

Abschluss der Pilotphase, wird die Initiative derzeit auf wei-

tere interessierte KV-Regionen ausgerollt.

Gegenstand des „Biolike-Vertrages“ ist ein mehrstufiges Kon-

zept zur Förderung der Verordnung von Biosimilars und zum

rationalen Einsatz von Biologika. Biotechnologisch hergestell-

te Arzneimittel (Biologika) haben die Therapiemöglichkeiten

erweitert. Diese medizinischen Innovationen, kombiniert mit

den meist hohen Kosten, führen nicht selten zu Unsicher-

heiten im Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte. Bio-

similars (also die Nachahmerpräparate von Biologika) können

dazu beitragen, die Kosten einer biologischen Therapie zu

senken. Durch den spezifischen Zulassungsprozess und den

anschließenden Überwachungsmaßnahmen werden Wirksam-

keit und Unbedenklichkeit nachgewiesen.

Im ersten Schritt fokussieren sich die Aktivitäten auf den

Bereich der sogenannten TNF-alpha-Inhibitoren, die im Be-

reich der Rheumatoiden Arthritis, Psoriasis und Morbus Crohn

eingesetzt werden. In den nächsten Jahren werden weitere

Patentabläufe von umsatzstarken Präparaten erwartet und so-

mit ist mit dem Markteintritt von Biosimilars zu rechnen.

Biosimilars können dazu beitragen, die Kosten einer biologischen Therapie zu senken.

DIE INITIATIVE „BIOLIKE“

DER BARMER GEK Detlef Böhler

108 Biosimilars – ein Handbuch

In einem ersten Schritt werden die Vertragsärzte zunächst

umfassend und objektiv informiert. Dazu gibt es ein gemein-

sames Informations- und Beratungskonzept zu Biosimilars für

die Vertragsärzte – initial für TNF-alpha-Inhibitoren verord-

nende Ärzte und Arztgruppen – welches die Verordnung von

Biosimilars innerhalb des jeweiligen Wirkstoffes fördern soll.

Die KVen informieren ihre Vertragsärzte und bieten persön-

liche, individuelle Beratungsgespräche zu diesem Thema an.

Ärzte können nach der Beratung den Rabattverträgen der

Kasse zu den besonders wirtschaftlichen Arzneimitteln bei-

treten. Der Beitritt zum Rabattvertrag wirkt sich für den Arzt

positiv in der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus.

In einem zweiten Schritt werden dann konkrete Steuerungs-

maßnahmen unter Einbeziehung der jeweiligen Facharzt-

gruppe vereinbart.

Seit dem 01.07.2015 gibt es im Bereich der KV Westfalen-

Lippe einen ersten Vertrag zu den chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen (CED).

Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn (MC) werden als chro-

nisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) zusammenge-

fasst. In Deutschland sind etwa 400.000 Patienten an einer

CED erkrankt. Ungefähr 50–70 % der Patienten haben einen

eher schweren, komplexen Verlauf, die intensive Therapie-

maßnahmen, die teilweise auch nebenwirkungsbehaftet sein

können, benötigen.

Die KVen informie-ren ihre Vertrags-

ärzte und bieten persönliche, indivi-duelle Beratungs-

gespräche an.

109

Durch die Einführung von Infliximab(IFX)-Biosimilars wurde

seit Anfang 2015 die Diskussion bezüglich der Indikationsbrei-

te und der Sinnhaftigkeit des Einsatzes von IFX-Biosimilars

innerhalb des gesamten Therapiekonzeptes in die Informa-

tionsarbeit vermehrt einbezogen.

Gemeinsam wollten der Berufsverband Niedergelassener

Gastroenterologen Deutschlands e. V. (bng) mit seiner Regio-

nalgruppe in Westfalen, die KVWL und die BARMER GEK mit

diesem Vertrag die fachlichen und organisatorischen Voraus-

setzungen für eine am individuellen Krankheitsverlauf abge-

stimmte, qualitätsgesicherte und passgenaue Behandlung

nach den allgemein anerkannten Standards der medizini-

schen Erkenntnisse durch in der CED-Therapie erfahrenen

Ärzte etablieren. Dabei soll auch der medizinische und phar-

makologische Fortschritt berücksichtigt und die therapeu-

tische Vorgehensweise insbesondere auch in Qualitätszirkeln

diskutiert werden.

Teilnahmeberechtigt sind im Bereich der KV zugelassene, an-

gestellte sowie ermächtigte Fachärzte für Innere Medizin mit

dem Schwerpunkt Gastroenterologie oder mit einer Geneh-

migung zur Führung der Facharztbezeichnung für Innere

Medizin mit fachärztlicher Niederlassung und der Genehmi-

gung zur Durchführung der Vorsorge-Koloskopie, soweit sie

festgelegte persönliche / sachliche Voraussetzungen erfüllen.

Versicherte mit gesicherter Diagnose einer CED gemäß ICD 10

(K50.-, K51.-) können unabhängig von ihrer Medikation an die-

sem Vertrag teilnehmen.

Die Initiative „Biolike“ der BARMER GEK

110 Biosimilars – ein Handbuch

Die am Vertrag teilnehmenden Ärzte werden die gegebenen-

falls erforderlichen Arzneimittel zur Therapie der chronisch

entzündlichen Darmerkrankungen wirtschaftlich, entspre-

chend der aktuellen medizinischen Leitlinien der Fachgesell-

schaft und der im Vertrag festgelegten Regelungen verordnen.

Dabei steht bei dem medizinisch notwendigen Einsatz von bio-

logischen Arzneimitteln die Verordnung von Biosimilars bzw.

der Rabattvertrags-Biologika im Vordergrund. Um die Wirt-

schaftlichkeit der Biosimilars zu unterstreichen, werden diese

Verordnungen von teilnehmenden Ärzten komplett aus der

Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen.

Ab dem 01.07.2016 gibt es im Bereich der KV Westfalen-Lippe

zur Initiative „Biolike“ einen weiteren Vertrag zu den entzünd-

lichen rheumatischen Erkrankungen.

Die heute verfügbaren Therapiestrategien ermöglichen zu-

nehmend eine effektive Kontrolle der Krankheitsaktivität und

somit die Verhinderung der Zerstörung der Gelenke sowie der

damit verbundenen Folgen. Entscheidend für einen guten

Therapieerfolg sind eine möglichst frühzeitige Diagnosestel-

lung, eine frühzeitige Einleitung einer antirheumatischen,

krankheitsmodifizierenden Therapie und eine engmaschige,

konsequente Therapieüberwachung. Hierbei spielt eine quali-

tätsgesicherte Arzneimitteltherapie, in der auch hochpreisige

biotechnologisch hergestellte Antirheumatika (Biologicals und

Biosimilars) einen in Leitlinien festgelegten Platz haben, eine

wichtige Rolle.

111

Durch die Einführung von Infliximab(IFX)- und Etanercept(ETA)-

Biosimilars erweitert sich das Spektrum der zur Verfügung

stehenden biotechnologisch hergestellten Antirheumatika.

Erstmalig wird eine Konkurrenzsituation zwischen weitgehend

wirkgleichen Präparaten entstehen, die eine Senkung der z. T.

sehr hohen Therapiekosten erwarten lässt. Daher ergeben

sich Optimierungspotenziale in der Behandlung mit biotech-

nologisch hergestellten Antirheumatika bei Patienten mit ent-

zündlichen rheumatischen Erkrankungen.

Teilnahmeberechtigt sind im Bereich der KVWL zugelassene,

angestellte sowie ermächtigte Fachärzte für Innere Medizin

und Rheumatologie (Facharztgruppe 31), soweit sie festge-

legte persönliche / sachliche Voraussetzungen erfüllen.

Die Teilnahme der Versicherten ist an das Vorliegen einer füh-

renden gesicherten endstelligen Diagnose für eine entzünd-

liche Rheumaerkrankung entsprechend vereinbarter ICD-ID,

sowie an eine hohe Krankheitsaktivität definiert, durch As-

sessment-Scores für Aktivität und Funktion (DAS28, BASDAI)

und eine Notwendigkeit der Optimierung der Basistherapie

geknüpft. Auch eine geplante Umstellung auf ein wirtschaft-

liches Arzneimittel gemäß der vereinbarten Aufstellung bzw.

eine geplante Deeskalation der Dosis eines Biologicals oder

eines Biosimilars berechtigen zur Teilnahme.

Die am Vertrag teilnehmenden Ärzte werden die gegebenen-

falls erforderlichen Arzneimittel zur Therapie der entzündlich

Die Initiative „Biolike“ der BARMER GEK

112 Biosimilars – ein Handbuch

rheumatischen Erkrankungen wirtschaftlich, entsprechend

den aktuellen Leitlinien und der im Vertrag festgelegten

Regelungen verordnen.

Bei der Verordnung von generikafähigen Arzneimitteln soll

kein Aut-idem-Kreuz gesetzt oder nur der Wirkstoff verordnet

werden. Natürlich steht auch bei dem medizinisch notwendi-

gen Einsatz von biologischen Arzneimitteln die Verordnung

von Bio similars bzw. der Rabattvertrags-Biologika im Vorder-

grund. Um die Wirtschaftlichkeit der Biosimilars zu unter-

streichen, werden diese Verordnungen von teilnehmenden

Ärzten komplett aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung herausge-

nommen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erläuterungen ge-

währleistet die Initiative „Biolike“ die Verbesserung der Ver-

sorgungsqualität und das Erschließen der Wirtschaftlichkeits-

potenziale im Bereich der biologischen Arzneimittel. Die

Erfahrungen in der Umsetzung des ersten Vertrages zeigen

eine hohe Akzeptanz auf ärztlicher Seite und Erfolge bei der

Erreichung der Vertragsziele für alle Parteien.

Die Initiative „Biolike“ gewähr-leistet die Verbes-

serung der Ver- sorgungsqualitätund das Erschlie-

ßen der Wirtschaft-lichkeitspotenziale

im Bereich der biologischen Arzneimittel.

113Die Initiative „Biolike“ der BARMER GEK

114 Biosimilars – ein Handbuch

ANHANG

115

ANHANG

Anhang

Glossar

Adhärenz Einverständnis der Patienten, die vom Arzt empfohlene Therapie einzuhalten

Agitation Heftige Bewegung

Aminosäurepolymere Synthetische Proteine, Eiweiße

Angiogenese bezeichnet das Wachstum von Blutgefäßen, durch Sprossungs- oder Spaltungsvorgänge aus bereits vorgebildeten Blutgefäßen.

AVP Apothekenverkaufspreis

AVP real Apothekenverkaufspreis unter Berücksichtigung aller Zwangsrabatte für Hersteller und Apotheker, inkl. Berücksichtigung der Zusatzabschläge infolge des Preismoratoriums

BatchEin Produktionsansatz zur Herstellung eines Arzneimittels, auch „Charge“ genannt

BioäquivalenzBioäquivalenz bedeutet, dass der Arzneimittelwirkstoff des Generikums identisch mit dem des vergleichbaren Originalpräparates ist. Beide sind somit miteinander austauschbar.

Biological Proteinwirkstoff, der gentechnisch in einer Zelle hergestellt wird

Biopharmazeutikum Arzneimittel, das mithilfe der Biotechnologie und in gentechnisch verän-derten Organismen hergestellt wird

Biosimilar Arzneimittel, das von den Zulassungsbehörden wegen seiner Ähnlichkeit in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit einem biologischen Referenzarzneimittel, mit dem es verglichen worden ist, zugelassen wird

116 Biosimilars – ein Handbuch

BMWP Similar Biological (Biosimilar) Medicinal Products Working Party; Arbeitsgruppe für Biosimilars an der Europäischen Arzneimittelagentur

CHMP Committee for Medicinal Products for Human Use; Ausschuss für Humanarzneimittel an der Europäischen Arzneimittelagentur

Code, genetischer Allgemein in der belebten Natur gültige Regelung, wonach jeweils drei Basen in der DNA für eine bestimmte Aminosäure stehen

DDDDefined daily dose, definierte Tagestherapiedosis

DNA Desoxyribonucleic acid, das Erbmaterial von Zellen

Drugability Zielstruktur, die sich für die therapeutische Anwendung eines Wirkstoffes eignet

Efficacy Wirksamkeit einer Substanz

ektopisch Befindet sich nicht am physiologischen Ort

EMA European Medicines Agency; Europäische Arzneimittelagentur

Europäisches Arzneibuch (PhEur) In Europa gültige Sammlung von Beschreibungen einzelner Arzneistoffe hinsichtlich Qualität, Prüfung, Lagerung und Bezeichnung sowie der dazu nötigen Materialien und Methoden

FestbetragHöchstbetrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für ein Arzneimittel übernehmen, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Preis des Arznei-mittels. Das heißt: Ist der Preis eines Arzneimittels höher als der von den Krankenkassen dafür erstattete Betrag, müssen Patienten in der Apotheke eine sogenannte Aufzahlung leisten. Senkt der Hersteller dagegen den Preis für sein Arzneimittel um 30 % unter den Festbetrag, entfällt für den Pa tienten die Arzneimittelzuzahlung in der Apotheke.

117Anhang

Gentechnik Isolation und Neukombination von DNA, die in einem Wirtsorganismus in ein Protein umgeschrieben wird

General Safety Allgemeine Sicherheitsaspekte

Generikum Arzneimittel, das hinsichtlich des Arzneimittelwirkstoffs identisch mit dem Erstanbieterpräparat ist

GKV-MarktMarkt, der die Verordnungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abdeckt

GKV-SpitzenverbandDach- und Lobbyorganisation der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland

Hämophilie Erbkrankheit, die auch „Bluterkrankheit“ genannt wird, bei der die Blut gerinnung gestört ist

HAPHerstellerabgabepreis

HAP realHerstellerabgabepreis unter Berücksichtigung des Herstellerzwangs rabattes, inkl. Zusatzabschläge infolge des Preismoratoriums

INN (International Non-proprietary Name)Wissenschaftliche oder generische Bezeichnung eines Wirkstoffes; INN für neue Wirkstoffe werden von der WHO in Genf vergeben. Der INN ist ein einmaliger (eindeutiger) und allgemein verfügbarer Name.

Immunogenität Fähigkeit, eine Abwehrreaktion des menschlichen Immunsystems anzu regen

klonen Herstellen von mehreren genetisch identischen Organismen

118 Biosimilars – ein Handbuch

Kontrollregion, genetische kurze Bereiche auf der DNA, die das Abschreiben des Gens in mRNA regeln; Promotor am Anfang und Terminator am Ende des Gens

medical need Bedarf an einer Therapieoption

Mikroheterogenität Kleinste Unterschiede zwischen zwei gleichen Molekülen

MolekülVerbindung, die aus Atomen besteht, die durch starke chemische Bindungen in einer festen und bestimmten Anordnung zusammengehalten werden

Monoklonaler AntikörperVon einer Zelllinie („Zellklon“) produziert, die auf einen einzigen B-Lymphozyten zurückgeht; sie richten sich gegen ein bestimmtes, einzelnes Epitop; d. h. eines Molekülabschnittes, der eine spezifische Immunantwort auslösen kann.

Pharmakodynamik Biochemische und physiologische Effekte eines Arzneistoffes in einem Organismus

Pharmakoepidemiologie Untersuchungen des Arzneimittelgebrauchs und der (unerwünschten) Arzneimittelwirkungen in der Bevölkerung im Hinblick auf die Effizienz und Sicherheit der Arzneimitteltherapie

Pharmakokinetik Gesamtheit aller Prozesse, die in einem Organismus auf einen Arzneistoff wirken, z. B. Aufnahme, Verteilung, Umbau und Ausscheidung des Arzneistoffes

Pharmakovigilanz Laufende Überwachung der Sicherheit eines Arzneimittels in der Therapie

phylogenetisch stammesgeschichtlich verwandt

119Anhang

Praxisbesonderheit liegt vor, wenn in einer Arztpraxis z. B. überdurchschnittlich viele Patien ten mit einer besonders kostenintensiven Behandlung betreut werden; so kann ein Arzt diese Praxisbesonderheiten geltend machen, um einen finanziellen Regress der Krankenkassen abzuwehren, wenn er die arztgruppenspezifischen Richtgrößen überschreitet. Diese werden zwischen den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbart, um die vertragsärztliche und damit auch wirtschaftliche Versorgung der Patienten sicherzustellen.

ProteinGroßes Molekül, das aus zu einer Kette angeordneten Aminosäuren besteht

Referenzarzneimittel Ausgangsprodukt, auf das sich Hersteller eines Nachahmerprodukts beziehen

rekombinant Mit einer Neukombination von DNA-Stücken ausgestattet

small molecules Kleine, chemisch-synthetische und meist oral einzunehmende Wirkstoffe

transgen Organismus, in dessen Genom ein fremdes Gen integriert wurde

WirkstoffArzneilich wirksamer Inhaltsstoff oder Molekül in einem Arzneimittel, der / das diesem Arzneimittel Eigenschaften zur Behandlung oder Vergütung einer oder mehrerer Erkrankungen verleiht

Wirtssystem Organismus, der mithilfe einer rekombinanten DNA ein neues Protein herstellt

Zwangsrabatt Gesetzlich vorgeschriebener Rabatt, den pharmazeutische Unternehmen den Krankenkassen einräumen müssen

120 Biosimilars – ein Handbuch

Impressum

Herausgeber: Pro Generika e.V. | Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars Unter den Linden 32–34 | 10117 BerlinTel. +49 (0)30 - 81 61 60 9-0 [email protected] | www.probiosimilars.de

V. i. S. d. P.: Bork Bretthauer, Geschäftsführer Pro Generika e. V.

Konzept und Gestaltungwww.tack-design.de

BildnachweisUmschlag und KapiteltrennerTack Design GmbH, Berlin

Abb. 1 bis 16 Prof. Dr. Theo Dingermann / Dr. Ilse Zündorf

Seite 14 Fabrik, Seite 25 ProduktionSandoz International GmbH, Holzkirchen

Bild Seite 43Illustrationen Seite 7, 8, 16, 27, 28–29, 35, 36, 45, 49, 51, 53, 54–55, 65, 66–67, 76, 78, 80–81, 92, 97, 101, 105, 111, 112–113Shutterstock Inc.

Stand Januar 2017

Han

dbuc

h Bi

osim

ilars

ZUSAMMENFASSUNG DER VON DER EMA ZUGELASSENEN UND IN DEUTSCHLAND IM VERKEHR BEFINDLICHEN BIOSIMILARS

Stand: Januar 2017Alle Angaben ohne Gewähr

HerausgeberPro Generika e. V. | Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars

Unter den Linden 32–34 | 10117 Berlin

Tel. +49 (0)30 - 81 61 60 9-0

[email protected] | www.probiosimilars.de

Konzept und Gestaltungwww.tack-design.de

DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT PRO BIOSIMILARS

Die AG Pro Biosimilars ist die Interessenvertretung der Biosimilarunter-

nehmen in Deutschland. Sie steht allen Unternehmen offen, die Biosimilars

entwickeln, herstellen und für die Versorgung bereitstellen. Die Arbeits-

gemeinschaft unter dem Dach des Pro Generika e. V. engagiert sich für einen

bedarfsgerechten Zugang der Patientinnen und Patienten zu modernen bio-

pharmazeutischen Arzneimitteltherapien, für eine bezahlbare Versorgung

und für faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.

Prof. Dr. Theodor DingermannSeniorprofessor am Institut für

Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Michael DilgerPartner des Beratungsunternehmens

Simon-Kucher & Partners

Detlef BöhlerLeiter Arzneimittel der BARMER GEK

Johann FischaleckTeamleiter Arzneimittel

im Referat Vertrag und Arzneimittel,

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns

Dr. Ilse ZündorfAkademische Oberrätin am Institut

für Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

2017 2017

Handelsname /Hersteller

INN Referenzprodukt Datum der Zulassung

Omnitrope® / Sandoz Somatropin Genotropin® 12.04.2006

Binocrit® / Sandoz

Epoetin alfa Hexal® / Hexal

Abseamed® / Medice

Epoetin alfa Eprex® 28.08.2007

Retacrit® / Hospira

Silapo® / STADA

Epoetin zeta Eprex® 18.12.2007

Biograstim® / AbZ

Filgrastim Neupogen® 15.09.2008

Filgrastim Hexal® / Hexal

Filgrastim Neupogen® 06.02.2009

Nivestim® / Hospira Filgrastim Neupogen® 08.06.2010

Grastofil® / STADA / cell pharm

Filgrastim Neupogen® 18.10.2013

Accofil® / Accord Healthcare

Filgrastim Neupogen® 18.09.2014

Inflectra® / Hospira

Remsima® / Mundipharma

Infliximab Remicade® 10.09.2013

Flixabi® / Biogen Infliximab Remicade® 30.05.2016

Ovaleap® / Teva Follitropin alfa GONAL-f® 27.09.2013

Bemfola® / Finox Follitropin alfa GONAL-f® 27.03.2014

Abasaglar® / Lilly/Boehringer Ingelheim

Insulin Glargin Lantus® 09.09.2014

Benepali® / Biogen Etanercept Enbrel® 14.01.2016

HandbuchBiosimilars

ProBio-Biosimilars-Handbuch-Umschl-RZ.indd 1 22.12.16 14:45

Han

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ilars

ZUSAMMENFASSUNG DER VON DER EMA ZUGELASSENEN UND IN DEUTSCHLAND IM VERKEHR BEFINDLICHEN BIOSIMILARS

Stand: Januar 2017Alle Angaben ohne Gewähr

HerausgeberPro Generika e. V. | Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars

Unter den Linden 32–34 | 10117 Berlin

Tel. +49 (0)30 - 81 61 60 9-0

[email protected] | www.probiosimilars.de

Konzept und Gestaltungwww.tack-design.de

DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT PRO BIOSIMILARS

Die AG Pro Biosimilars ist die Interessenvertretung der Biosimilarunter-

nehmen in Deutschland. Sie steht allen Unternehmen offen, die Biosimilars

entwickeln, herstellen und für die Versorgung bereitstellen. Die Arbeits-

gemeinschaft unter dem Dach des Pro Generika e. V. engagiert sich für einen

bedarfsgerechten Zugang der Patientinnen und Patienten zu modernen bio-

pharmazeutischen Arzneimitteltherapien, für eine bezahlbare Versorgung

und für faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.

Prof. Dr. Theodor DingermannSeniorprofessor am Institut für

Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Michael DilgerPartner des Beratungsunternehmens

Simon-Kucher & Partners

Detlef BöhlerLeiter Arzneimittel der BARMER GEK

Johann FischaleckTeamleiter Arzneimittel

im Referat Vertrag und Arzneimittel,

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns

Dr. Ilse ZündorfAkademische Oberrätin am Institut

für Pharmazeutische Biologie,

Goethe-Universität Frankfurt a. M.

2017 2017

Handelsname /Hersteller

INN Referenzprodukt Datum der Zulassung

Omnitrope® / Sandoz Somatropin Genotropin® 12.04.2006

Binocrit® / Sandoz

Epoetin alfa Hexal® / Hexal

Abseamed® / Medice

Epoetin alfa Eprex® 28.08.2007

Retacrit® / Hospira

Silapo® / STADA

Epoetin zeta Eprex® 18.12.2007

Biograstim® / AbZ

Filgrastim Neupogen® 15.09.2008

Filgrastim Hexal® / Hexal

Filgrastim Neupogen® 06.02.2009

Nivestim® / Hospira Filgrastim Neupogen® 08.06.2010

Grastofil® / STADA / cell pharm

Filgrastim Neupogen® 18.10.2013

Accofil® / Accord Healthcare

Filgrastim Neupogen® 18.09.2014

Inflectra® / Hospira

Remsima® / Mundipharma

Infliximab Remicade® 10.09.2013

Flixabi® / Biogen Infliximab Remicade® 30.05.2016

Ovaleap® / Teva Follitropin alfa GONAL-f® 27.09.2013

Bemfola® / Finox Follitropin alfa GONAL-f® 27.03.2014

Abasaglar® / Lilly/Boehringer Ingelheim

Insulin Glargin Lantus® 09.09.2014

Benepali® / Biogen Etanercept Enbrel® 14.01.2016

HandbuchBiosimilars

ProBio-Biosimilars-Handbuch-Umschl-RZ.indd 1 22.12.16 14:45