87
257 Blick über den Zaun In diesem Heft blicken wir über den Zaun, denn auch in Nachbars Garten reifen süße Äpfel. Neben manchen Begehrlichkeiten, die dieser Blick wecken kann, ermöglicht er Vergleiche über den gärtnerischen Erfolg, findet Ansatzpunkte für ein Gespräch, läßt sich vielleicht sogar von der anderen »Anbauweise« anregen, zumindest dient er der eigenen Standortbestimmung. Daß dieser Austausch nicht akademisch bleiben muß, sondern auch mit Schülern und Lehrern klappt, zeigt die Waldorfschule in Köln, die, in einem sozialen Brennpunkt gelegen, gemeinsame Projekte mit der benachbarten Gesamtschule durchführt. Den Schwerpunkt dieses Hefts bildet der Blick auf verschiedene Arten von Pädagogik. Den Anstoß gab ein Gespräch mit dem früheren Waldorflehrer und Pädagogik-Dozenten Achim Hellmich, der schon die Montessori-Schule vorge- stellt hat (Heft 7/8 1997). Diesmal schlug er eine Schilderung der Laborschule Bielefeld durch einen Schülervater dieser Schule, Ulli Bögershausen, vor. Nun schien uns auch ein grundsätzlicher Beitrag über die Pädagogik der Laborschule angebracht, was Hellmich selber übernahm, ergänzt um ein Porträt ihres renom- mierten Gründers Hartmut von Hentig. Dann bot sich ein Interview mit dem Bielefelder Erziehungswissenschaftler Harm Paschen über Grundformen von Schule an, in dem er die Auffassung vertritt, daß Pädagogiken zwar unterschied- liche Kernziele haben müssen, daß sie aber auch voneinander lernen können, um extreme Einseitigkeiten zu überwinden. So stellt sich die Frage, worin sich die Waldorfpädagogik eigentlich von anderen pädagogischen Strömungen unseres Jahrhunderts unterscheidet. Die Antwort von Johannes Kiersch: durch die An- thropologie oder »Menschenkunde« Rudolf Steiners. Kiersch stellt nicht nur eini- ge Grundzüge heraus, sondern schlägt auch Brücken zum Verständnis für Ver- treter anderer pädagogischer Richtungen. Es sei auch auf seine Besprechung eines informativen Buches über die Freien Alternativschulen hingewiesen. Schließlich stellt Claudio Hofmann, Gestalttherapeut an der TU Berlin, die Ge- staltpädagogik vor, an deren Ausarbeitung er beteiligt war, und lädt zum Dialog ein. Rüdiger Reichle, der im letzten Heft über Wahrnehmungsstörungen bei Kin- dern schrieb, setzt zu Beginn dieser Ausgabe seine Reihe mit dem Thema Über- behütung und soziale Verwahrlosung von Kindern fort. Red. An unsere Leserinnen und Leser, durch ein Versehen des Verlages bei der Anzeigenannahme ist die Werbebeilage »Handbuch für den Vorgesetzten« in Heft 2/1999 ohne nähere Prüfung des Inhaltes angenommen worden. Die Redaktion hatte weder Kenntnis von die- sem Vorgang noch vom Inhalt dieser Beilage. Verlag und Redaktion distanzie- ren sich ausdrücklich davon. Wir werden in Zukunft dafür Sorge tragen, daß sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen. Ihr Verlag Freies Geistesleben und Ihre Redaktion »Erziehungskunst«

Blick über den Zaun - Erziehungskunst

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

257

Blick über den ZaunIn diesem Heft blicken wir über den Zaun, denn auch in Nachbars Garten reifensüße Äpfel. Neben manchen Begehrlichkeiten, die dieser Blick wecken kann,ermöglicht er Vergleiche über den gärtnerischen Erfolg, findet Ansatzpunkte fürein Gespräch, läßt sich vielleicht sogar von der anderen »Anbauweise« anregen,zumindest dient er der eigenen Standortbestimmung. Daß dieser Austauschnicht akademisch bleiben muß, sondern auch mit Schülern und Lehrern klappt,zeigt die Waldorfschule in Köln, die, in einem sozialen Brennpunkt gelegen,gemeinsame Projekte mit der benachbarten Gesamtschule durchführt.

Den Schwerpunkt dieses Hefts bildet der Blick auf verschiedene Arten vonPädagogik. Den Anstoß gab ein Gespräch mit dem früheren Waldorflehrer undPädagogik-Dozenten Achim Hellmich, der schon die Montessori-Schule vorge-stellt hat (Heft 7/8 1997). Diesmal schlug er eine Schilderung der LaborschuleBielefeld durch einen Schülervater dieser Schule, Ulli Bögershausen, vor. Nunschien uns auch ein grundsätzlicher Beitrag über die Pädagogik der Laborschuleangebracht, was Hellmich selber übernahm, ergänzt um ein Porträt ihres renom-mierten Gründers Hartmut von Hentig. Dann bot sich ein Interview mit demBielefelder Erziehungswissenschaftler Harm Paschen über Grundformen vonSchule an, in dem er die Auffassung vertritt, daß Pädagogiken zwar unterschied-liche Kernziele haben müssen, daß sie aber auch voneinander lernen können, umextreme Einseitigkeiten zu überwinden. So stellt sich die Frage, worin sich dieWaldorfpädagogik eigentlich von anderen pädagogischen Strömungen unseresJahrhunderts unterscheidet. Die Antwort von Johannes Kiersch: durch die An-thropologie oder »Menschenkunde« Rudolf Steiners. Kiersch stellt nicht nur eini-ge Grundzüge heraus, sondern schlägt auch Brücken zum Verständnis für Ver-treter anderer pädagogischer Richtungen. Es sei auch auf seine Besprechungeines informativen Buches über die Freien Alternativschulen hingewiesen.Schließlich stellt Claudio Hofmann, Gestalttherapeut an der TU Berlin, die Ge-staltpädagogik vor, an deren Ausarbeitung er beteiligt war, und lädt zum Dialogein.

Rüdiger Reichle, der im letzten Heft über Wahrnehmungsstörungen bei Kin-dern schrieb, setzt zu Beginn dieser Ausgabe seine Reihe mit dem Thema Über-behütung und soziale Verwahrlosung von Kindern fort. Red.

An unsere Leserinnen und Leser,durch ein Versehen des Verlages bei der Anzeigenannahme ist die Werbebeilage»Handbuch für den Vorgesetzten« in Heft 2/1999 ohne nähere Prüfung desInhaltes angenommen worden. Die Redaktion hatte weder Kenntnis von die-sem Vorgang noch vom Inhalt dieser Beilage. Verlag und Redaktion distanzie-ren sich ausdrücklich davon. Wir werden in Zukunft dafür Sorge tragen, daßsich solche Vorkommnisse nicht wiederholen.

Ihr Verlag Freies Geistesleben und Ihre Redaktion »Erziehungskunst«

258

INHALT

322

334

340Anschriften der Verfasser

Titelfotos: Laborschule Bielefeld. Fotos: Andreas HubBeilagen: Prospekt »Jugendtagung am Goetheanum«, DornachProspekt »Sonnenfinsternis am 11. August«, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart

343

Rüdiger Reichle: Verunsicherte Eltern – entmutigte Kinder 259

Ulli Bögershausen: Erfahrungen eines Vaters mit derLaborschule Bielefeld 265

Hartmut von Hentig – ein Porträt (Achim Hellmich) 269

Achim Hellmich: Die Laborschule Bielefeld – Schule als Lebens-und Erfahrungsraum 272

Interview mit Harm Paschen: Schulformen im Vergleich 280

Johannes Kiersch: Ähnlich und doch ganz anders –Die »Menschenkunde« als Besonderheit der Waldorfpädagogik 286

IM GESPRÄCHGestaltpädagogik – was ist das? (C. Hofmann) 294Öffnung für neue Unterrichtsmethoden (J. Fuß) 298Verschlafene Kollegien? (D. Hardorp) 301

ZEICHEN DER ZEITEin Land im Aufbruch? Stellungnahme zu einem bildungs-politischen Leitbild (H.-J. Bader) 302

AUS DER SCHULBEWEGUNGNeubau der Freien Waldorfschule Köln – Gemeinsame Projektemit der benachbarten Gesamtschule (M. Schulze) 306Besuch in einem Waldorfkindergarten der Sioux-Indianer (B. Kögler) 312Alles Sand, oder was? – Erfahrungen aus einem israelischen Kibbuz(C. Eimermacher) 316Wenn Lehrer Schüler werden … Fortbildung für Schulmusiker (F. Schade) 320

BUCHBESPRECHUNGEN – NEUE LITERATURFreie Alternativschulen (J. Kiersch) / Schule neu denken (A. Hellmich) / Organismus Schu-le (H. Zimmermann) / Estnisches Volksepos (E. Blattmann) / Keltische Vorfahren (Chr.Göpfert) / Professionelle PR-Arbeit (S. Pühler) / Feldmeß-Hilfe (D. Wegner) / Den eige-nen Weg finden (C. Garbe) / Feste Feier mit Kindern (U. Schmoller) / Mathematik undPhysik (J. Kühl)

MITTEILENSWERTES IN KÜRZE

TERMINE

259

Rüdiger Reichle

Verunsicherte Eltern –entmutigte KinderManche Kinder, die unsere Kleinklassen in der Hamburger Christophorus-Schu-le besuchen, sind in ihrer Eigenart Indikatoren für allgemeine Veränderungen inden Lebensbedingungen, welche der Entwicklung aller Kinder in der nächstenZukunft den Stempel aufdrücken werden. In der letzten Ausgabe der »Erzie-hungskunst« (2/99) habe ich auf Veränderungen in der Wahrnehmungsverarbei-tung hingewiesen, stellvertretend für die aus der Außenwelt auf die Kinder ein-wirkenden Tatsachen und die sich daran bildenden Entwicklungsstörungen. An-dere Belastungen für die kindliche Entwicklung kommen aus demzwischenmenschlichen Bereich. Im folgenden werde ich einige Schlaglichter aufdie Rolle der Eltern werfen, als Grundlage für gemeinsame Bemühungen vonLehrern und Eltern. Im nächsten Teil der Serie fällt der Blick auf die Lehrer.

Während der ersten Lebensjahre steht in der Sorge um das Kind die umfassendePflege des Leibes und seiner Organe im Vordergrund. Es wird gesäubert, gefüt-tert, gekleidet, geführt, geschützt – man handelt aus der Empfindung heraus,daß das Kind noch ganz auf die tätige Fürsorge der Eltern angewiesen ist. DasKind erlebt dies zunehmend als etwas, was von außen an es herangetragen wird,und wacht daran zu einem Eigengefühl auf, welches vorerst in der »Trotzphase«gipfelt. Es möchte immer mehr selber und auf seine eigene Weise tun. Demmüssen die Eltern Raum geben, was allerdings das Alltagsleben nicht erleichtert:Es ist allemal einfacher, dem Kind die Schuhe selber zuzubinden, als es zu lehren,dies eigenhändig zu tun.

Überbehütung – oft ein Mißverständnis

Bleibt bei den Eltern die für die ersten Lebensjahre notwendige Haltung demKind gegenüber – aus welchem Grunde auch immer – weiter bestehen (oft spieltUnsicherheit und Ängstlichkeit eine Rolle; mitunter identifiziert sich auch einElternteil zu sehr mit seinem Part als Garant des leiblichen Wohls in einer zuneh-mend als feindlich erlebten Welt!), so hat dies weitreichende Konsequenzen fürdie Entwicklung des Kindes: Es wird unselbständig und traut sich immer weni-ger zu, etwas lernen zu können; sein Drang zur Eigentätigkeit macht einer nörge-ligen Passivität und oft auch einer Anspruchshaltung Platz; aus Mangel anSelbstbewußtsein sucht sich das Kind auf anderen Feldern zu beweisen (Klassen-kasper!); Mißerfolge kann es nur schwer ertragen; es traut sich nicht zu, selbstän-dig soziale Beziehungen aufzunehmen; oft fällt es durch Überangepaßtheit auf.

260

So gerät das Kind in eine große Abhängigkeit von seinen Eltern und bewegt sichnur auf abgesicherten Bahnen.

Mit zunehmendem Alter erlebt sich ein solches Kind aber auch als gefangen.Dies wird besonders im 10. Lebensjahr eklatant. In diesem Alter tritt bei allenKindern eine stärkere Distanz zur Umgebung ein. Sie fühlen sich nicht mehr inihrer Zugehörigkeit zur Familie existentiell abgesichert. Ein Gefühl der Einsam-keit, des Gegenüberstehens tritt auf und bietet dem Kind das Motiv, sich nunseinerseits seiner Umwelt zuzuwenden und Beziehungen aus seiner neuen Ei-genständigkeit heraus aufzubauen; handelnd erwirbt es sich die Selbständigkeit.

Ein überbehütetes Kind spürt, daß es die im Durchleben dieses Entwicklungs-schrittes veranlagte Selbständigkeit nicht realisieren kann. Oft lebt es dann seineVerzweiflung in heftigen Aggressionen gegen die Eltern aus, ohne sich aberdabei auf die eigenen Füße stellen zu können. Seine Gefühle den Eltern gegen-über werden ambivalent. In der Vorpubertät kommt es dann häufig zu sozialenKatastrophen, nachdem auch die Eltern – entmutigt, zermürbt, entkräftet – anden Erziehungsschwierigkeiten mit ihrem Kind zu verzweifeln drohen.

Das Problem der Überbehütung erstreckt sich zumeist auch in die Schule hin-ein. Oft übertragen die Kinder das ambivalente Grundgefühl zwischen Mutlosig-keit und Widersetzlichkeit auf die schulischen Verhältnisse. Über die sozialenKonflikte hinweg finden sie schwer zur Beschäftigung mit dem Gegenstand desUnterrichts – es ist, wie wenn sie sich selbst im Wege stünden.

Oft geht die Überbehütung einher mit elterlichem Ehrgeiz, der sich meist ausdem Gefühl speist, selber im Leben nicht weit genug gekommen zu sein. Häufiggedeihen dann die Kinder nicht recht, werden leicht krank und entwickeln psy-chosomatische Störungen. Dauernde Übelkeit, Kopfschmerzen, Stoffwechsel-und Ernährungsstörungen, Kreislaufprobleme, Unlust, Verweigerung bis zurStummheit, Selbstzweifel und Schuldgefühle treten als seelische Folgen auf, diesich zum Krankheitsbild einer kindlichen Neurose verfestigen können.

Nach meinen Erfahrungen kommt es zur Überbehütung gehäuft in Familien,in denen dem klassischen Familienkonzept entsprechend die Mutter sich aus-schließlich auf die Erziehung ihrer Kinder konzentriert und z. B. auf Berufstätig-keit oder die Pflege persönlicher Interessen verzichtet. Väter, die aus beruflichenGründen wenig zu Hause sind, entwickeln mitunter ein übersteigertes Sicher-heitsbedürfnis auf die Kinder hin, welches sie in eine Art Sicherungskonzeptionfür die Erziehung umsetzen und an die Mutter zur Ausführung delegieren.Wenn die Ratlosigkeit und Verzweiflung dann eines Tages einen Höhepunkterreicht hat, sind manche Mütter dem Rat zugänglich, eine außerfamiliäre Tätig-keit aufzunehmen: In jedem mir bekannten Falle wurden dann die Problemebehandelbar (und Väter mitunter stärker in das nicht mehr allzu sehr von derMutter okkupierte Familienleben einbezogen).

Am bedeutsamsten ist aus meiner Sicht aber, daß sich für überbehütete wieauch für dem Ehrgeiz der Eltern ausgesetzte Kinder jenseits der Ebene, auf dersich das Erziehungsproblem in Symptomen manifestiert, eine viel tiefgreifendere

261

Weichenstellung vollzieht: Kinder beider Gruppen erleben sich so, daß die Im-pulse zum Handeln nicht aus ihnen selbst kommen, daß sie in letzter Konse-quenz ihr Schicksal nicht selber in die Hand nehmen können. Wo eigenes Han-deln durch dasjenige der Eltern ersetzt wird oder nur auf fremde Handlungsim-pulse reagieren kann, wo das Kind die Motive zum Handeln nicht in sich selbstfinden lernt, da tritt Resignation seiner eigenen Lebensaufgabe gegenüber ein.

Gerade überbehütende Eltern verweisen zur Rechtfertigung ihres Verhaltensdarauf, daß ihre Kinder nicht das Los all jener tragen sollen, welche sich allzuhäufig selbst überlassen sind durch Berufstätigkeit beider Eltern bzw. durch dieSituation des alleinerziehenden Elternteils. Nach meiner Erfahrung aber ist dieBerufstätigkeit der Eltern als solche kein geeigneter Indikator für Wohl oderVernachlässigung der Schulkinder; sie kann in vielen Fällen sogar zu einer stabi-len Entwicklung beitragen. Es gibt Familien, in denen den Kindern »voller Ser-vice« geboten wird, wo die Eltern sich völlig für ihre Kinder verausgaben und dieKinder dennoch unter schweren Beziehungsstörungen leiden. Symptome derkörperlichen und seelischen Verwahrlosung können unabhängig von der Berufs-tätigkeit der Eltern beobachtet werden. Und ich kenne viele Kinder alleinerzie-hender Berufstätiger, welche sich gesund entwickeln.

Alltag: Für die Kinder? – Mit den Kindern!

Jenseits aller Vorurteile kommt es in erster Linie darauf an, was man konkret inder zu Hause zur Verfügung stehenden Zeit mit den Kindern gemeinsam tut. Esstellt sich die Frage, wie viel Zeit »für« die Kinder (etwa beim Einkauf und imHaushalt) und wie viel »mit« den Kindern verbracht wird. Beim Überwiegen des»für« besteht die Gefahr, daß das Kind den Erwachsenen gegenüber in die Isola-tion gerät: Es ist sich selbst überlassen, weil die Eltern ja keine Zeit für es haben,und es kann kein Verständnis für ihre Mühen aufbringen, da es ihre Tätigkeitenim Haushalt nur von außen her kennt. Die Eltern fühlen sich gleichzeitig imDienst für das Kind chronisch überlastet und ausgenutzt – oft wird dann alleMühe zum Opfer stilisiert, und das Kind bekommt ein chronisch schlechtes Ge-wissen; zugleich entwickelt es aber eine Anspruchshaltung, wie sie heute für dasVerhalten vieler Kinder charakteristisch ist. Nur beim Überwiegen des »mit«kommt es zu Begegnung, Kooperation und Gespräch.

Im Mittelpunkt der Familienerziehung, unabhängig vom Ausmaß der Berufs-tätigkeit der Eltern, muß heute die echte Beteiligung der Schulkinder an derpraktischen Bewältigung des Alltags im Haushalt und die Pflege des Gesprächsstehen. Beides kommt oft zu kurz und könnte doch so leicht berücksichtigt wer-den, indem man gemeinsam kocht, putzt, einkauft, plant usw. Da freut sich einAchtjähriger, vom »Laufburschen« zum »Assistenten« aufgestiegen zu sein beimLeeren der Mülleimer und Einordnen des Wocheneinkaufs ins Lebensmittelre-gal; da plant eine Elfjährige den Speisezettel fürs Wochenende und stellt eineEinkaufsliste zusammen – gibt das Monatsbudget noch einen Braten her? Und

262

beim Wäschelegen kommt die Frage zur Sprache, ob die Hausaufgaben in letzterZeit nicht doch zu umfangreich waren. (Allerdings: Es bedarf bei allen Beteilig-ten einer erheblichen Entschlossenheit, wenn familiäre Gewohnheiten umgear-beitet werden sollen. In manchen Familien hat da die Einführung einer Familien-konferenz geholfen.)

Häufig aber müssen sich heute Kinder in über sie hinweg durchorganisierteAbläufe einfügen – der Alltag wird nicht mehr mit ihnen zusammen bewältigt,sondern an ihnen vorbei, und sie empfinden sich schließlich als Erschwernis fürdas Familienleben. Konsequenterweise werden Kinder auch immer häufiger an-deren Institutionen übergeben, die ihnen praktische Erfahrungen und Kommu-nikation vermitteln sollen, oft auch noch als Therapien verbrämt, in denen sichdie Kinder als hilfsbedürftige Symptomträger erleben. Aus dem Aneinander-vorbei-Leben ist eine neue Art sozialer Verwahrlosung entstanden.

Selbstverständlich spielt weiterhin die klassische Form der Verwahrlosung sichselbst überlassener Kinder (früher sagte man »Schlüsselkinder«) eine große Rol-le. Auch hier aber liegen die Ursachen nicht primär in der äußeren Lebenssituati-on der Eltern, sondern hauptsächlich im Maß ihrer Bereitschaft, mit anderenFamilien zusammenzuarbeiten und in der zu Hause verbleibenden Zeit sich aufeinen kooperativen Stil einzustellen. Michaels alleinerziehender Vater hat z.B.mit den Eltern zweier Schulkameraden seines Sohnes vereinbart, daß Michael anzwei Nachmittagen in der Woche zu den Kameraden nach Hause fährt undabends von ihm abgeholt wird; die zwei Kameraden verbringen im Gegenzugviele Wochenenden in Michaels Familie: So gewinnt Michael Beziehungssicher-heit, und alle beteiligten Eltern profitieren von der entstehenden zeitweiligenEntlastung (oft ist das eigene Kind ja auch viel umgänglicher, wenn es zu HauseFreunde um sich hat!). Übrigens verbringt Michael die restlichen drei Nachmitta-ge der Woche im Hort der Schule – gerne, wie er betont. Schuldgefühle undÜberlastung bei den Eltern lassen sich wie in diesem Beispiel durchaus bearbei-ten – wir können lernen, unsere Kinder wieder als Bereicherung im schwierigenAlltag zu empfinden.

Die Flut der Eindrücke – Rückzug auf »die Insel«?

Nicht nur die Eltern wirken auf die Kinder ein. Auch auf dem Weg zum Kinder-garten und zur Schule – mit oder ohne Auto – ist das Kind einer Flut von hetero-genen Eindrücken ausgesetzt, die nicht nur förderlich sind. Oft fühlen sich Kin-der gerade von solchen außerhäuslichen und außerschulischen Eindrücken be-sonders angezogen. Soll man da das Hauptgewicht auf Vermeidung legen?

Grundsätzlich gilt: Ein Kind, welches nicht das Gefühl haben darf, mit Freudezu Hause erwartet zu werden, und keine Gemeinsamkeit im Tun erlebt, bleibtimmer häufiger weg. Hier, wie auch bei Kindern, die innerhalb der Familie sichselbst überlassen sind, kommen »die anderen Erzieher« zum Zuge: technischeMedien, Moden, Fast Food, Gruppen gleichermaßen Betroffener usw.

263

Ich sehe aber auch in den Erlebnissen auf dem Schulweg als solchen keingravierendes Problem. Viele Kinder sind mir bekannt, die unter äußerlich schein-bar beschwerenden Bedingungen lebend (langer Schulweg, schwierige Wohn-verhältnisse, Berufstätigkeit der Eltern usw.) sich gesund und harmonisch ent-wickeln. Zur Belastung werden solche Faktoren dann, wenn Dispositionen hin-zukommen, wie ich sie vorhin an Beispielen beschrieben habe, und wenn dasKind möglicherweise auch körperlich eine eher schwache Konstitution mitge-bracht hat. Gerade angesichts der sinnlichen und sozialen Erlebnisse der Kinderauf dem Schulweg muß das Augenmerk auf das jeweilige Ziel dieser Wege gelegtwerden: Wie wird das Kind in der Schule und dann wieder zu Hause aufgenom-men, wie kann es sich dort im Spiel, im Gespräch, in der Arbeit von manchembefreien? Lernt es dort z. B., seine Sinne intentional zu benutzen, so wird es sichauch in der U-Bahn nicht von den allseitigen Reizen überfluten lassen; nimmt esvon der Schule gültige Bilder des Gemeinschaftslebens mit, so wird es weniger inGefahr sein, am Bahnhof »hängenzubleiben«.

Ein weiterer Gesichtspunkt ergibt sich aus der Tatsache, daß die Kinder sich imHier und Jetzt schwerlich beheimaten können, wenn wir Erwachsenen dem All-tagsleben »draußen« mit Ablehnung begegnen, indem wir hinter jedweder Er-scheinung Gefahren wittern und der Angst davor in unserem Seelenleben zu vielRaum geben. Kinder sind, wenn sie sich gesund entwickeln, »große Realisten«im Umgang mit der schwierigen Alltagswelt: Eltern sollten diese Tatsache auf-greifen und für ihr eigenes Verhalten zum Maßstab machen. Jede Mystifizierungund Tabuisierung vermittelt dem Kind das Gefühl, über die Erlebnisse »drau-ßen« mit den Eltern nicht sprechen zu können; gerade das Gespräch aber zeigtden Kindern, wie man sich selbst zu behaupten lernt. Stärkt oder schwächt unsereigener Umgang mit den Dingen das Kind? Starke Kinder wissen von selbst, sichabzuschirmen gegen dasjenige, was kränkend wirken kann.

Eltern und Lehrer – gemeinsam?

Eltern haben es heute nicht leicht mit den Kindern, und es werden von ihnen oftschwere Fehler gemacht, die bei den Kindern zu massiven Fehlentwicklungenführen. Sie können in der Erziehung nicht mehr auf Traditionen zurückgreifen,und die richtigen Instinkte sind rar geworden. Lehrer befinden sich grundsätz-lich in derselben Lage. Trotzdem haben sie das Paradigma des »schwierigenElternhauses« geschaffen, welches im kollegialen Gespräch eine große Rollespielt. Das ist verständlich angesichts mancher Erfahrungen, wie Kinder durchdie häuslichen Lebensverhältnisse objektiv beeinträchtigt werden; hilft es aberbei der Unterstützung der Familie in ihrer schweren Aufgabe weiter? Allzu häu-fig bleiben Lehrer bei der oftmals schon ritualisierten Anklage der Eltern stehen.Was kann ich als Lehrer positiv tun?

Der erste und wichtigste Schritt besteht wohl darin, daß ich mir meine eigenenSchwächen und Fehler in der Arbeit mit den Kindern eingestehe. Dazu gehört

264

nicht nur Mut, sondern auch die Fähigkeit, mein Wirken in der Klasse mir vorAugen zu führen – eine Fähigkeit, die erlernt sein will bis hin zu Techniken derEvaluation und der Bereitschaft, den eigenen Unterricht ganz selbstverständlichden Kollegen zu öffnen, ja, sie dezidiert hereinzubitten. Vor diesem Hintergrundkann man sich das Ziel stellen, zuerst einmal mit eigenen Mitteln das Kind zustärken, ohne auf erwünschte oder gar geforderte Verhaltensänderungen bei denEltern zu sinnen, die quasi als Vorleistung erbracht werden sollen. Aus einemGefühl der Unabhängigkeit im pädagogischen Handeln heraus hat man dannauch mitunter die richtigen Intuitionen.

Sodann sollte man sich darin üben, einen liebevollen Blick auf die Eltern zulenken, indem man sich dafür interessiert, wie sie ganz konkret versuchen, ihrenAlltag zu bewältigen. Es gilt, Prozesse anzuschauen und nicht nur Ergebnisse(Eltern, die den Eindruck haben, daß die Schule sich nicht in ihr eigenes Alltags-leben hineinschauen läßt, geben allerdings von ihrem eigenen auch nichts preis!).Wer sich in die Lebenssituation der Eltern hineinzuversetzen versucht und sichnicht innerlich empört über die Mutter, die ihre Kinder für die Zeit des Einkaufsvor den Fernseher setzt, wird schließlich nicht umhin können, bei eigenen Vor-schlägen zur Erziehung deren Umsetzung mitzubedenken.

Besonders wenig fühlen sich oft alleinerziehende Eltern verstanden. Wir soll-ten als Lehrer uns ganz besonders mit der Lage der Kleinstfamilie vertraut ma-chen, insbesondere auch mit der Lage der Alleinerziehenden: Zerrissenheit zwi-schen Beruf, Erziehung und Haushalt; Schuldgefühle, nirgendwo zu genügen;eingeschränkte Kommunikation; Vernachlässigung persönlicher Belange; Er-schöpfung – das sind einige der Faktoren, denen ich immer wieder begegne. Vielwäre schon gewonnen, wenn in den Schulen wirksamer das stille Vorurteil be-kämpft würde, alleinerziehende Eltern seien ja selber schuld an ihrer Lage.

Verheerend für das Verhältnis zum Schüler wie auch zu den Eltern wirkt es,wenn man als Lehrer nicht über die innere Ablehnung, vom Naserümpfen biszur Empörung, hinwegkommt und dadurch Tabus und Lügen begünstigt (beimHausbesuch wird dann schnell noch vorher der Fernseher mit einem lila Tuchverhängt). Ähnlich wirkt auch ein Lehrer, der sich generell als Gegner der Zeit-verhältnisse empfindet (in die sich unsere Schüler von sich aus ja positiv hinein-stellen wollen).

Auch Mut gehört zu einer sinnvollen Zusammenarbeit mit Eltern – Mut, dieeigenen Gedanken deutlich und ohne falsche Rücksichtnahme auszusprechen;Mut, selber im Gespräch dazulernen zu wollen und den Status des Fachmannesnicht auszuspielen; Mut, eigene Ratlosigkeit einzugestehen und Vorschläge derEltern aufzugreifen.

Zum Autor: Rüdiger Reichle, Jahrgang 1951, Studium der Malerei, Kunstgeschichte undPsychologie, später der Pädagogik und Sonderpädagogik. 10 Jahre in einer staatlichenSonderschule tätig, seit 1983 Klassenlehrer in der Christophorus-Schule, Hamburg.

280

Interview mit Harm Paschen

Schulformen im Vergleich

Herr Paschen, Sie haben sich intensiv mit den verschiedensten Formen vonPädagogik beschäftigt. Ist ein solcher Überblick nur für die Wissenschaft vonInteresse? Oder kann auch eine einzelne Schule oder Schulform durch dieKenntnis anderer Schularten gewinnen?*

Jeder pädagogisch Tätige sollte Alternativen kennen und verstehen, um seineeigene Pädagogik samt ihren Einseitigkeiten schärfer zu sehen und die anderenunvoreingenommen würdigen zu können. Das hat auch einen praktischen Vor-teil. Man kann nämlich eine andere Schulform in Erwägung ziehen, wenn einKind trotz ehrlichen Bemühens der Lehrer in der eigenen Schule nicht gedeihtund zurechtkommt, vielleicht auch, weil die Eltern eigentlich eine andere Päd-agogik erwartet hatten.

Vergleiche zwischen verschiedenen Ausprägungen von Pädagogik kann manunter diversen Aspekten vornehmen. Worin besteht eigentlich Unterricht?

Es gibt sehr verschiedene Formen von Unterricht, an die auch unterschiedlicheErwartungen geknüpft sind. So kann das Lernen z. B. durch die Fragen desLehrers gesteuert werden – oder umgekehrt durch die Fragen der Schüler (im»schülerzentrierten« Unterricht); oder durch vorbereitetes, aber frei gewähltesMaterial wie in der Montessorischule, oder durch Verfahren, bei denen denSchülern größere, komplexe Aufgaben gestellt werden, die sie selbständig, meistin Gruppen, zu bearbeiten haben (so im »Projektunterricht«).

Welche Ziele werden mit den verschiedenen Unterrichtsformen verfolgt?

In der herkömmlichen Lernschule geht der Unterricht auf abrufbares Wissen aus,wie es dann in den Prüfungen abgefragt wird. Es gibt dabei vorgeschriebeneAntworten, z. B. Wasser = H2O. Unterricht hat aber weitere Wirkungsmöglichkei-ten. Die Schüler können »lernen zu lernen«, können sich Arbeitstechniken aneig-nen. Andere Dimensionen gewinnt Unterricht, wenn es darum geht, Weltinteres-se zu erwecken: Interesse und Verständnis für die Natur wie für das sozialeLeben. Dieses Interesse kann zur Handlungsmotivation gesteigert werden, etwadurch Praktika oder auch durch das Einüben sozialer Verhaltensweisen im schu-lischen Rahmen. Man kann den Unterrichtsstoff, die unterrichtlichen Tätigkeiten,schließlich auch mit dem Ziel auswählen, die geistige, seelische und leiblicheEntwicklung der Schüler altersgemäß zu fördern.

* Die Fragen stellte für die Redaktion Klaus Schickert

281

Es gibt auch äußerlich sichtbare Unterschiede, die räumliche und zeitlicheOrdnung betreffend, z. B. Sitzordnung, räumliche Gestaltung, Zeit- und Stun-denpläne. Sind sie nur von äußerlicher Bedeutung?

Jede Pädagogik hat ihre eigenen Raum- und Zeitformen. In ihnen drückt sich diejeweilige Pädagogik praktisch aus, und mit ihnen will sie wirken. Der kahleweiße Lehrraum »ohne Teppich und Musik«, mit fester Sitzordnung und festemLehrpensum verlangt asketisches, »objektives« Lernen wie in der Mönchszelle,von der der kahle Raum wohl stammt; Persönliches, Irreguläres wird als störend,uninteressant, nicht wichtig betrachtet.

Eine besondere Ausprägung hat das planerische Element in der Aufstellungvon Curricula gewonnen. Was war oder ist das Ziel solcher Planung? Gibt esauch Gegenbewegungen?

Curricula legen das zu vermittelnde Wissen (samt den notwendigen Operatio-nen und Lernschritten) fest. Ein entsprechender Unterricht läßt sich leicht orga-nisieren, steuern und durch Test kontrollieren. Daher wird er bei pädagogischenBürokratien, politischer Motivation und Massenerziehung zu Recht bevorzugt.Sein Erfolg oder Mißerfolg läßt sich unmittelbar nachweisen. Der langfristigeVerwendungs- und Orientierungsnutzen scheint unsicher. Alternativ dazu ver-sucht man, moderne »Kompetenzen« (z. B. Teamfähigkeit, kritisches Urteil) zuvermitteln oder die Entwicklung individueller Kräfte zu sichern und zu stärken.Dies verlangt »offenen Unterricht« mit beweglicher Anordnung und Gestaltung.

Will man das Prinzip »Mönchszelle« noch steigern, soll es eine »Lernmaske«geben. Was hat es damit auf sich?

Die Lernmaske schirmt durch schwarze Gläser die Umwelt ab, durch meditativeMusik wird der Alltag ausgeschaltet. Wenn mit Biofeedback (Sensor und Licht-blitze) feststeht, daß der Atem ruhig ist, beginnt das Lernprogramm. Pädago-gisch interpretiert findet jetzt eine Art kontextfreies Lernen statt. Aber wederlerne ich die notwendige Konzentration, noch wird das Gelernte integriert in denLebenskontext. Genau dies versucht dagegen eine »Kontextpädagogik«, die sichan der umgebenden Wirklichkeit orientiert.

Wie kann eine solche Kontextpädagogik aussehen?

Man geht z. B. mit den Schülern hinaus und untersucht einen Bach, zieht dann zuden Behörden und trägt die Ergebnisse vor. Beide Methoden erheben Anspruchauf ganzheitliches Lernen, verstehen dies aber unterschiedlich. Solche pädagogi-schen Unterschiede kennen, hilft den eigenen Ansatz genauer (und manchmalkritischer) zu verstehen.

Es gibt verschiedene Formen der Integration des Lebens in die Schule oder derSchule in das Leben. Eine extreme Form sind die Bildungsreise, die Abenteuer-pädagogik, der outward bound (Pädagogik im Freien). Hier muß im fremden

282

Kontext das Eigene selbst entdeckt, geprüft und entschieden werden. Wenn So-krates seine Zeitgenossen in Gespräche verwickelte und ihre gewohnten An-schauungen in Frage stellte, zielte das auf ähnliches.

Nun haben wir uns etwas in der Welt der Pädagogik umgesehen. Kann man indieses Allerlei auch Ordnung bringen, Grundformen unterscheiden?

Es gibt eine große Fülle von Pädagogiken, nach vielen Aspekten und Ebenen,z. B. Spielpädagogik, Montessoripädagogik, Sozialpädagogik, jüdische Pädago-gik, wissenschaftliche Pädagogik. Viele verhalten sich zueinander alternativ. Ichhoffe aber, daß es zur Einordnung Grundformen gibt, die sich an jeweils dreimöglichen Veränderungsprozessen orientieren: Lernen, Sozialisation1, Entwick-lung. Alle drei sind Aspekte eines ganzheitlichen Prozesses oder beeinflussensich gegenseitig, aber eine Pädagogik orientiert sich vorherrschend an einem vonihnen bzw. kontrolliert (z. B. in Prüfungen) nur diesen.

Worauf zielt das »Lernen«? In unserer Zeit ändern sich die Wissensinhalterapid. Wieviel Sinn macht denn Wissensvermittlung überhaupt noch?

»Lernen« kann weit oder enger verstanden werden. Lernen durch Unterrichtungist auf objektiviertes Wissen, auf objektive wissenschaftliche Methoden und einentsprechendes Wirklichkeitsbild gerichtet. Aber die Fülle des Wissens ist zugroß geworden, es veraltet zu schnell, seine zukünftige Bedeutung ist unsicher.Man weiß nicht, was man für den Unterricht auswählen soll; zudem vergessendie Schüler das Gelernte rasch wieder und finden im »Sachwissen« nicht vielpersönlichen Sinn. Ohnehin leistet der Computer das meiste viel leichter. Diesalles hat die »Lernschule« in eine Krise gebracht. Auch zunehmende Lern- undEntwicklungsstörungen zeigen, daß hier eine pädagogische Anthropologie fehlt.

Vielleicht dient eine solche Schule langfristig weniger dem Wissenserwerb,zementiert vielmehr die Trennung zwischen den Wissenschaften und zwischenwissenschaftlichem Fachwissen und angeblich vorwissenschaftlichem irrealen,subjektiven Alltagsglauben, Künsten, Religionen.

Welche Alternativen gibt es zur Lernschule? Worin kann sonst das Ziel vonErziehung liegen? Sie hatten als zweites Stichwort »Sozialisation« genannt.

Pädagogische Alternativen richten sich zunächst auf Integration der Wissensfor-men (z. B. der Fächer im Projektunterricht) und auf Ganzheitlichkeit (es wirdauch gehandelt und gelebt in der Schule). Weiter sollen Erfahrungen zum Er-werb von Kompetenzen vermittelt werden (z. B. soziale, Medien-, Planungs-,Handlungskompetenz). Besonders geht es um Selbststeuerung und kritische Re-flexion. Beispiele dafür sind die Bielefelder Laborschulpädagogik und das »Hausdes Lernens« der Bildungskommission von NRW oder die Freinet-Pädagogik.

1 Unter »Sozialisation« versteht man die Übernahme von gesellschaftlich vorgegebenenVerhaltensweisen (Sprache, Geschlecht, Beruf etc.) bzw. die Erziehung dazu.

283

Was kann das Vermitteln solcher Kompetenzen bringen? Wo liegen evtl. auchGrenzen dieses Ansatzes?

Ein Grundmuster solcher Pädagogiken ist: Erfahrung – forschendes Lernen –Bewußtmachung – öffentliche Diskussion/Kritik – (häufig noch: moralisierenderAppell). Damit können wichtige Kompetenzen einer modernen Bürgergesell-schaft erworben werden. Unsicher bleibt: ob zum Erreichen einer Kompetenzgenügend Wissen erworben wird; ob die Entwicklung entsprechender Fähigkei-ten vorher gesichert ist und ob die Moralisierung (Umweltschutz z. B.) nicht auchzur bloßen Vortäuschung der kritischen Haltung führt, also die rechte Einstel-lung nicht wirklich erlangt worden ist. Ökologisches und soziales »Lernen« oderentsprechende »Kompetenz-Vermittlungen« können viel frühere Veranlagungenerfordern; sonst besteht die Gefahr, daß sie oberflächlich bleiben und sogar Ab-wehr erzeugen.

Als dritten Grundprozeß – neben Lernen und Sozialisation – hatten Sie noch»Entwicklung« im Auge. Worum geht es in einer Pädagogik, deren Leitmotivdie kindliche Entwicklung ist?

Wenn vorherrschende Wissensorientierungen problematisch sind, Kompetenzenund ein bestimmter Habitus ungesichert bleiben, bietet sich noch die Möglichkeitan, vorhandene und notwendige Kräfte und Organe des Individuums selbst zuentwickeln und zu stärken. Nur wenn das Kind physisch gesund, psychischlebendig und mental urteilsfähig sich umfassend, tiefgreifend, selbsttätig entwik-keln kann, können die humanen Kräfte, Fähigkeiten, Organe entstehen, derendie Menschen, die Gesellschaft und ihre ungewisse Zukunft heute bedürfen:Soziales, Ökologisches, Kreatives, Verantwortung, Urteilsgestaltung müssen vor,neben und nach Wissen und Kompetenzen heute sorgfältig und schonend veran-lagt und ausgebildet werden. Beispiele dafür sind die Montessori- und Waldorf-pädagogik, aber auch Wagenscheins zu selten praktizierte Didaktik des »geneti-schen Lernens«.

Hat auch eine solche Pädagogik unter Umständen Grenzen? Bleibt etwas an-deres auf der Strecke?

Eine solche Pädagogik ist anspruchsvoller und risikoreicher. Sie verlangt moder-ne Anthropologie, eine völlig andere Ausbildung und bedarf engagierter Lehr-kräfte. Da jede Pädagogik ihr gemäße Räume, Zeitstrukturen, inhaltliche Festle-gungen, Prüfungsformen etc. hat, muß sie auch im Vergleich mit Alternativenmanche Einseitigkeiten aufweisen, die die wechselseitige Kritik beschäftigen,und läßt sich nur in Grenzen mit anderen kombinieren. So können zunächst auchwechselseitig Defizite erwartet werden. Für eine entwicklungsorientierte Päd-agogik können in bestimmten Altersstufen Wissensrückstände und eine verzö-gerte Entwicklung »moderner« Kompetenzen erwartet werden. Jede Pädagogikmuß daher immer wieder mögliche Nebenwirkungen kontrollieren und von an-deren Pädagogiken lernen. Langfristige Wirkungen (z. B. Absolventenstudien)

284

sind noch zu selten, methodisch schwierig und meist nicht kausal-technisch zudeuten. Aber jede Schule sollte die »Leistungen« ihrer Absolventen verfolgen.

Sie haben nun Grundformen und Grundprozesse herausgearbeitet. Es wärereizvoll, wenn man an einem konkreten Unterrichtsgegenstand sehen könnte,wie sich die jeweilige Grundrichtung in der Praxis auswirkt.

Nehmen wir einmal das Thema Brotbacken. Moderne Kompetenzen können andiesem Thema etwa in folgenden Schritten erworben werden: Die Schüler ma-chen Bekanntschaft mit modernen Backstraßen, die von Computern gesteuertwerden. Sie untersuchen und reflektieren kritisch die wirtschaftlichen Bedingun-gen und Konsequenzen einer solchen Produktionsweise sowie andere für eineGesellschaft wichtige Aspekte. Sie machen sich Gedanken über mögliche Verän-derungen im öffentlichen Raum, stellen sie dar und versuchen sie ansatzweise zubeeinflussen. Das mag verschiedenes Wissen bringen und Fähigkeiten fördern,kann aber auch in seinen realen Prozessen (Computer, Backvorgang, wirtschaftli-ches Gesamtsystem) undurchschaubar bleiben; das Kind empfindet es als zukompliziert und schwierig und gewinnt bei aller »Alt-Klugheit« doch keinEigenvertrauen und keine positive Zukunftserwartungen.

Schulwissen wird nicht unbedingt das Brötchen-Backen als solches erklären,vielmehr einführen in diejenigen Wissensbereiche (Chemie, Physik, Biologie),welche für existentielle spätere Anwendungen notwendig sind: für Berufe eben-so wie für einen Zugang zu öffentlichen Debatten. Hier wird allerdings aus-schließlich die Notwendigkeit von Spezialwissen und Arbeitsteilung für einemoderne Gesellschaft eingeprägt. Das distanzierte Wirklichkeitsverständnis derklassischen Naturwissenschaft erscheint als das einzig legitime, und es wird derTechnisierung Vorschub geleistet. Geschmack, Duft, vertiefte Urerfahrung kom-men nicht vor bzw. werden als vorwissenschaftliche subjektive Empfindungenzu bewerten gelernt. Diese Qualitäten erhalten jedoch im Verkauf heute primäreBedeutung. Die Wissensschule bildet dafür keine Organe aus.

Entwicklungsorientierte Pädagogik bezieht den gesamten Kontext ein. DieSchüler selber pflügen, eggen, säen, ernten, dreschen und backen, und sie bewir-ten Mitschüler und Eltern stolz mit den eigenen Produkten. So bildet sich einVertrauen in die Welt und in die eigene Kraft. Es wird zwar eine »veraltete«Landwirtschaft vermittelt. Aber es ist ähnlich wie bei einer modernen Segel-schulschiff-Ausbildung: Sie kann eine Voraussetzung für die computergesteuer-te Schiffsführung sein, indem sie Kräfte und Organe der physischen Wahrneh-mung (Winddruck), der psychischen Behauptung (Mut) und der mentalen Beur-teilung (Risikoerfahrung) zu entwickeln hilft.

Ein solcher praktischer Vergleich verschiedener pädagogischer Ansätze fordertunausweichlich wechselseitige Kritik heraus. Die letztgenannte Position ziehtsich den Vorwurf einer »Steinzeit-Landwirtschaft« zu. Die Wissensschule be-klagt bei den beiden anderen einen Mangel an moderner Naturwissenschaft. Dieentwicklungsorientierte Pädagogik sieht bei den anderen die Gefahr von Desin-teresse und Entfremdung gegenüber der Natur. Und die Kritik geht dann vonden konkreten Befürchtungen bis in die Grundlagen hinein, muß aber nicht de-

285

struktiv sein, sondern kann auf tatsächliche Schwierigkeiten und Defizite auf-merksam machen.

Können sie an einem anderen Schulthema eine Bilanz ziehen?

Aktuell ist unter anderem Soziales Lernen als Antwort auf ein gesellschaftlichempfundenes Defizit: mangelnde Bereitschaft, sich bei Problemen der Allge-meinheit zu engagieren und aktiv zu werden. Die Frage an die Schulen ist nun:Muß und kann das Soziale schulisch-curricular gelernt werden? Können dieSchüler durch Bewußtmachen der Probleme sozial kompetent werden? Oderbedarf es langjähriger Bildung sozialer Kräfte und Wahrnehmungsorgane?

Wenn wir erkennen, daß alle Wissens- und Erfahrungsformen auch eine sozialeDimension haben, dann werden wichtige Zusammenhänge zwischen Wissen,Verhaltensgewohnheit (Habitus) und Organbildung deutlich. Ein Schulunter-richt, der im Mathematikunterricht im Kopfrechnen objektive Ergebnisse fordert(3 x 4 = ?) prägt auch ein Wissensverständnis, in dem die (rechnende) Personselbst uninteressant ist, Rechnen und Individuum zu trennen sind und Akzep-tanz nur der gewinnt, der die einzig richtige Lösung hat. Es findet also zugleicheine bestimmte soziale Prägung statt. Und zwar in einem Ausmaß, das durchsingulären Projektunterricht (etwa eine Projektwoche mit behinderten Men-schen) und durch Gruppenarbeit nicht mehr kompensiert werden kann. EinKopfrechnen kann aber auch von jedem Schüler ein eigenes Produkt verlangen.Auf die Frage: Was ist die 12? kann die Antwort sein: 6 + 6, 4 + 8 usw. Das wecktInteresse an den anderen, für die menschliche Vielfalt, die Fülle möglicher Pro-blemlösungen, und es eröffnet Kreativität als sozialen Prozeß. Hier könnte Rech-nen und soziales Lernen geübt werden.2 Das schließt andersartiges und späteresÜben nicht aus.

Solche pädagogisch-didaktischen Differenzen unterstellen Wirkungen, die ge-nau zu untersuchen sind. Sie machen aber fruchtbare Gespräche zwischen Päd-agogiken wünschbar.

Lehrkräfte, die ihr Schulprofil selbst gestalten und begründen, ihre Leistungenselbst kontrollieren und Beratung von Eltern und Schülern leisten wollen, ebensowie Eltern, die zwischen Schulen wählen möchten, und wie Politiker, die beidesfördern wollen, sie alle brauchen heute Kenntnisse verschiedener Pädagogikenund ihrer Differenzen. Erziehungswissenschaft sollte dazu die entsprechenden»Beipackzettel« liefern.

Zum Autor: Harm Paschen, 1937 geboren, Studium der Germanistik, Geographie, Pädago-gik, Philosophie. Dozent an der Universität Hamburg, von 1971-1980 Prof. an der PH Kiel,seit 1980 Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Universität Bielefeld.Mitglied im Wissenschaftl. Beirat der Laborschule Bielefeld, im Ausbildungsrat der Wal-dorfschulen und der European Federation of Rudolf Steiner/Waldorf School Parents.Literaturhinweis: Das hier knapp Skizzierte findet man etwas ausführlicher in dem Büch-lein von Harm Paschen: Pädagogiken. Zur Systematik pädagogischer Differenzen, Wein-heim 1997

2 Vgl. dazu Ernst Schuberth: Soziale Bildung durch den Mathematikunterricht? In: Bohn-sack, Kranich (Hrsg.): Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik, Weinheim 1990

286

Johannes Kiersch

Ähnlich und doch ganz andersDie »Menschenkunde« als Besonderheit der Waldorf-pädagogik

Auf den ersten Blick gesehen, hat die Waldorfschule kaum eine pädagogischeBesonderheit anzubieten, die nicht auch bei anderen Richtungen der Reformpäd-agogik des ersten Jahrhundertdrittels aufgetreten wäre. Mag Rudolf Steiner auchunter die Pioniere der Koedukation, des Einheitsschul-Gedankens, des exempla-rischen Lernens nach dem Prinzip des Epochenunterrichts zu rechnen sein, mager das Lernen mit allen Sinnen, das Lernen durch Kunst und durch praktischeArbeit als einer der ersten gegen den Widerstand der Tradition vertreten haben:Das alles findet sich ähnlich auch bei seinen pädagogischen Nachbarn, beiHermann Lietz, Maria Montessori, Célestin Freinet, in der deutschen Kunster-ziehungs- und Arbeitsschulbewegung, in den sozialistischen Hamburger Le-bensgemeinschaftsschulen der Weimarer Republik. Erst seit verhältnismäßigkurzer Zeit, getragen durch eine starke Expansion, wachsenden Diskussionsbe-darf und kritischeres Befragen des Überlieferten innerhalb der Waldorf-Welt,beginnt deutlicher hervorzutreten, was die Pädagogik Rudolf Steiners von ihrerzeitgenössischen Nachbarschaft eigentlich unterscheidet und wo ihre spezifi-schen Errungenschaften zu suchen sind.

Fünf besondere Merkmale

Die Besonderheiten der Waldorfpädagogik ergeben sich nach wie vor aus den inSteiners Anthroposophie entfalteten Leitvorstellungen vom Wesen des Men-schen und seiner Entwicklung (Kranich 1990, Leber 1993, Kiersch 1995). Auf demFelde der Pädagogik sind von diesen Leitvorstellungen zunächst besondersfruchtbar geworden und am weitesten, wenn auch noch längst nicht im wün-schenswerten Ausmaß, im einzelnen durchdacht:

• Steiners Psycho-Physiologie des sinnlichen Wahrnehmens (Sinneslehre),• seine Lehre von den Seelentätigkeiten des Vorstellens, Fühlens und Wollens in

ihrer Abhängigkeit von Leib und Geist (Dreigliederungslehre),• seine biographisch orientierte Psycho-Physiologie der kindlichen Entwick-

lung,• seine pädagogische Ethik,• seine Vorstellungen über entsprechende schulorganisatorische und bildungs-

politische Rahmenbedingungen.

287

Der unvoreingenommene Betrachter wird in Steiners pädagogischer »Men-schenkunde« und ihren philosophischen Voraussetzungen manche Verwandt-schaft mit den humanistisch orientierten Anthropologen der ersten Jahrhundert-hälfte entdecken, von denen heute wieder die Rede ist, mit Max Scheler,Helmuth Plessner, Arnold Gehlen, Ernst Cassirer, Romano Guardini, mit Biolo-gen wie Adolf Portmann, die der Sonderstellung des Menschen unter den Lebe-wesen aus morphologischer und verhaltensbiologischer Sicht nachgegangensind, mit der ganzheitlichen Neurophysiologie Kurt Goldsteins oder den großenTheoretikern der Gestaltpsychologie (Max Wertheimer, Wolfgang Köhler u. a.).Davon soll hier nicht im einzelnen die Rede sein. Wir beschränken uns auf einigeerläuternde Bemerkungen zu den genannten Schwerpunktbereichen der Steiner-schen Anthropologie, die geeignet sein mögen, deren spezifisches Profil sichtbarzu machen.

Mit allen Sinnen lernen

Steiner beschreibt vier »untere« Sinnesmodalitäten, die der Wahrnehmung deseigenen Leibes dienen (Gleichgewichts-, Eigenbewegungs-, Lebens- und Tast-sinn) und vier »obere«, die er auch als »Sozialsinne« bezeichnet (Hör-, Sprach-oder Wort-, Gedanken- und Ichsinn), mit denen wir uns in das Innere unsererMitmenschen versetzen, dazwischen die »mittleren« Sinne (Geruchs-, Ge-schmacks-, Seh- und Wärmesinn) (Steiner 1983 und 1992).* Er hat damit in päd-agogisch höchst bedeutsamer Weise das Spektrum der Sinne vervollständigt.Zugleich mißt er allen Sinnen einen gleichrangigen Anteil an der Herstellungvon Realität zu. Er überwindet damit die einseitige Bindung der modernen Di-daktik an das optische Wahrnehmen und an die Modalitäten der Leibessinne,zugleich auch die davon herrührende problematische Verdinglichung der Welt,die heute alles Lernen prägt. Zugleich fundiert er sinnesphysiologisch die an denPhänomenen orientierte Erkenntnisweise Goethes, auf die er sich in so vielerHinsicht beruft. Steiners Pädagogik fordert nicht nur im allgemeinen eine stärkervon den Sinneserfahrungen ausgehende Didaktik; sie zeigt mehr als andere päd-agogische Richtungen in allen Einzelheiten, wie die Sinne und ihre Organe Wirk-lichkeit erschließen (Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung). Es verstehtsich, daß dieser Ansatz von besonderer Wichtigkeit für alle heilpädagogischenBemühungen ist. Was sich als Lernschwäche, als Sprachstörung oder Bewe-gungsdefekt darstellt, ist vielfach primär eine Behinderung im Bereich des sinnli-chen Wahrnehmens. Wir dürfen deshalb der Sinneslehre Steiners auch eine be-deutende Rolle für die Stabilisierung eines gesunden Verhältnisses zum eigenenLeib und zur natürlichen wie zur mitmenschlichen Umwelt im allgemeinen zu-schreiben.

* Zu den von Steiner neu geprägten Begriffen: Mit Lebenssinn ist das Erfühlen des eigenenvitalen Befindens gemeint (Wohl- oder Unwohlsein …), mit Gedanken- und Ichsinn dieWahrnehmung der Gedanken und des Ichs des anderen Menschen. Anm. d. Red.

288

Von der Mitte des Menschen ausgehen

Noch weniger im Blick der etablierten Forschung als seine Sinneslehre ist Stei-ners revolutionäre Entdeckung, zu der er erst 1917, zwei Jahre vor der Begrün-dung der Waldorfschule, vordringt, daß vom Nervensystem nur die wachbe-wußten seelischen Prozesse abhängig sind, die »träumenden« Gefühle und Emp-findungen hingegen von den rhythmischen Funktionsabläufen des Leibes unddie »schlafenden« Willensvorgänge vom Stoffwechsel.

Daß diese Einsicht bisher so gut wie gar kein Echo findet, ist verständlich:Allzusehr weicht sie von den gewohnten Denkbahnen ab, die alles seelischeLeben als Begleiterscheinung von Nervenfunktionen interpretieren. Sie würde,wenn man sich auf sie einließe, den bedrohlichen Vorgang auslösen, den ThomasKuhn als »Paradigmenwechsel« beschrieben hat: eine Neuorientierung, welchedie Physiologie und Psychologie auf gänzlich veränderte Suchrichtungen undOrdnungsvorstellungen verweisen und natürlich auch in der Pädagogik voll-kommen andere Akzente setzen würde.

Waldorflehrer stehen also mit dieser großen Idee bisher noch allein, als Außen-seiter und Sonderlinge. Sie nehmen, was Steiner darüber sagt, als Arbeitshypothe-se und machen gute Erfahrungen damit. Der bekannte Stuttgarter Lehrerkurs von1919 über »Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik« mit denbegleitenden Methodik-Vorträgen und Seminarbesprechungen ist in weiten Tei-len nichts anderes als die pädagogisch orientierte Ausfaltung der Dreigliede-rungslehre von 1917. Sein zentraler Punkt ist die Konzentration der pädagogi-schen Aufmerksamkeit auf das rhythmische Funktionssystem des Kindes wie desLehrers als den Quell-Ort aller Erziehung und allen Unterrichts. Von den Rhyth-musprozessen des »mittleren« Menschen aus, vor allem Pulsschlag und Atembe-wegung, die das Gefühls- und Empfindungsleben tragen, kann das wache Vor-stellungsleben aktiviert und durchwärmt, das schlafende Willensleben »aufge-weckt« werden. »Die Gefühle, die der Lehrer hat, sind die allerwichtigstenErziehungsmittel« (Steiner 1972, S. 28). Im Umgang mit den Rhythmen des Leibesund mit den »träumenden« Empfindungen der Seele wird Erziehen zur Kunst,Unterricht zur ausbalancierenden Artistik (Kiersch 1978). Welche fachdidakti-schen Konsequenzen sich aus diesem zentralen Gedanken ergeben, ist inzwischenin einer beeindruckenden Fülle von Spezialuntersuchungen dargelegt worden.

Es ist nur allzu begreiflich, daß eine an die nahezu ausschließlich neurologischorientierte Lernpsychologie gebundene Didaktik und Curriculumtheorie damitnicht viel anfangen kann. Möglicherweise wird die von Howard Gardner (1983)eingeleitete Erweiterung des Intelligenzbegriffs, die in Deutschland unter demnicht völlig zutreffenden Schlagwort von der »emotionalen Intelligenz« (Gole-man 1996) bekanntgeworden ist, hier vermittelnd wirken. Die Waldorflehrer-schaft sollte inzwischen ihre bewährte Arbeitshypothese weiter verfolgen undsich nicht von Examensängsten dazu drängen lassen, »Kunst« für überflüssig zuhalten, Eurythmie und Musik einzuschränken, keine Feste mehr zu feiern, oder

289

mit anderen Worten gesagt: die Forderungen des rhythmischen Systems zu igno-rieren. Wer als Lehrer und Erzieher eine menschliche Intelligenz mit individuellerMoral fördern will, braucht Steiners Dreigliederungslehre wie das tägliche Brot.

Altersgemäß unterrichten

Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Waldorfpädagogik ist die in Stei-ners bekannter Lehre von den »Wesensgliedern« des Menschen begründete engeBindung aller didaktischen Überlegungen an die deutlich unterscheidbaren Sta-dien der kindlichen Entwicklung, die Steiner im Ansatz mit Autoren wie JeanPiaget oder Lawrence Kohlberg gemeinsam hat (Barz 1984, Lindenberg 1981).Steiners Konzept ist eine Zeitlang zusammen mit älteren »Phasenlehren« fürobsolet erklärt worden. Mit der wachsenden Einsicht, daß Kinder altersgemäßeOrientierungshilfen brauchen, nimmt seine Akzeptanz gegenwärtig wieder zu.So hat Carlo Willmann kürzlich eine eindrucksvolle Interpretation der pädago-gischen Hinweise Steiners auf die ersten drei »Jahrsiebte« vom Standpunkt einessymboldidaktisch orientierten Religionsunterrichts aus vorgelegt (Willmann1998).

Möglicherweise wird man Steiners Ideen auf diesem Gebiet am ehesten allge-mein zugänglich machen können, wenn man sie auf die Symboltheorie ErnstCassirers bezieht. Dieser hat in seiner »Philosophie der symbolischen Formen«gezeigt, daß der Mensch sich seine Wirklichkeit nicht nur im symbolischen Mo-dus des wissenschaftlichen Erkennens erschließt, sondern auch in anderen, die-sem Erkennen in gewisser Hinsicht gleichrangigen Formen. In seinem Alters-werk »An Essay on Man« (1944, deutsch 1990) beschreibt Cassirer ein ganzesSpektrum solcher Formen, von denen das wissenschaftliche Erkennen, auf daswir in der landläufigen Pädagogik nahezu ausschließlich fixiert sind, die histo-risch jüngste darstellt. Noch heute aber leben wir, wie sich im einzelnen zeigenläßt, in allen diesen Formen der Weltbewältigung: in Ritual und Mythos, Spra-che, Kunst, Religion. Unser alltägliches Vorstellen ebenso wie unser wissen-schaftliches Erkennen ist in diese symbolischen Formen eingebettet, bezieht sichdarauf, lebt davon, auch wo uns das gar nicht bewußt ist.

Steiner hat – aufgrund seines eigenen Verständnisses dieser menschlichen Be-reiche – dem Seelenleben des kleinen Kindes die symbolischen Formen des Ritu-als, der Sprache und der Religion zugeordnet, dem Schulkind die Formen desMythos und der Kunst und erst dem jungen Menschen nach der Pubertät als dieihm gemäßeste Form das wissenschaftliche Erkennen. Von Cassirer, vielleichtauch von Jean Gebsers Kulturepochen ausgehend, ließe sich Steiners Konzepteines radikal altersgemäßen Unterrichts, der in allem an die dem Kind natürli-chen Formen der Welterschließung, seines Tätigseins, Nachsinnens, Denkens an-zuschließen sucht, in eine umfassende Anthropologie der kindlichen Entwick-lung integrieren. Eine solche Anthropologie wäre weitaus realitätsgemäßer undin ihren Wirkungen auf die Praxis gesünder als das kognitiv im engsten Sinn

290

orientierte Prinzip der »didaktischen Reduktion«, nach welchem man heute ausden abstrakten Erzeugnissen des historisch jüngsten symbolischen Modus derneuzeitlichen Wissenschaften »kindgemäßen« Unterricht herzuleiten sucht; die-ser Modus liegt den Kindern bis zu ihrem zwölften Jahr tatsächlich am fernsten.

Pädagogisches Ethos entwickeln

Zu den für viele Schulpädagogen und Bildungspolitiker überraschendsten Er-gebnissen der deutschen »Schulgüte«-Forschung (Berg/Steffens 1991) wie desangloamerikanischen effective school research (Böttcher u. a. 1997) gehört dieEinsicht, daß die Qualität einer Schule nicht so sehr von ihrer Organisationsformund dem Umfang ihrer wirtschaftlichen Förderung abhängt als vielmehr vonihrem sozialen »Klima«. Hier gilt als entscheidender Faktor das »Ethos« desLehrens und Lernens, das Lehrer, Schüler und Eltern miteinander entwickeln.Auch diese Einsicht findet sich bereits bei Steiner. Immer wieder kreisen seineGedanken in den Stuttgarter Lehrerkursen und Konferenzen um die Frage nachder rechten Gesinnung, der sachgemäßen Haltung und Einstellung, die allendidaktischen Prinzipien und unterrichtsmethodischen Einzelheiten voranzuge-hen habe. Hier wird am ehesten deutlich, daß Waldorfpädagogik nicht ohneAnthroposophie als ihren erkenntniswissenschaftlichen Bezugshorizont gedachtwerden kann. Von dort holt sie nicht nur ihre menschenkundliche Begründung,sondern auch und vor allem ihre ethischen Impulse. Handelt es sich bei denbisher angesprochenen Charakteristika der Waldorfpädagogik um allgemein zu-gängliche Probleme einer empirischen Anthropologie, wie sie an jeder wissen-schaftlichen Hochschule behandelt und weiter erforscht werden könnten, so be-rühren wir hier den sensiblen Bereich dessen, was Steiner mit einem heute viel-fach mißbrauchten und entsprechend belasteten Wort »Esoterik« genannt hat.Von übersinnlichem Wahrnehmen ist da die Rede, vom »Geist« im Kosmos, vonEngeln und Elementarwesen, von Reinkarnation und Karma, von besonderenSchulungswegen, auf denen das alles zugänglich sein soll. Ein weites Feld. Wirbeschränken uns hier darauf, zum einen festzuhalten, daß für Steiner zwischenempirischer Forschung, die von sinnlichen, und anthroposophischer Forschung,die von übersinnlichen Wahrnehmungen ausgeht, kein Widerspruch besteht.Beide Forschungsweisen sind für ihn bis in jede Einzelheit kompatibel. Sie lassensich in einer gemeinsamen »Philosophie über den Menschen« vereinigen (Steiner1983). Zum anderen machen wir auf die meditativen Leitsätze aufmerksam, mitdenen Steiner im Jahre 1919 seinen Einführungskurs für das Lehrerkollegium derersten Waldorfschule abgeschlossen hat (Steiner 1992). Von der für den Lehrerbe-ruf notwendigen Initiativkraft spricht er dort, von umfassendem Weltinteresse,vom Einstehen für die Wahrheit, die man erkannt hat, von Phantasie und Humor,von Verantwortungsgefühl. Eine genauere Interpretation könnte zeigen, wie sichdie anthropologischen Grundideen Steiners in diese Leitsätze gleichsam verdich-tet haben, um in meditativer Übung zu persönlich verantwortetem Leben er-

291

weckt zu werden. Ein solches Üben – in den anthroposophischen GrundwerkenSteiners vielfältig dargestellt – gehört zu den elementaren Lebensbedingungendes Waldorflehrerberufs. Es kann niemals von außen verordnet, es muß aus eige-nem Antrieb entdeckt werden. Vor dem Hintergrund der meditativen Übungs-praxis des »klassischen« Waldorflehrers klingt der vielzitierte Ketzersatz Hart-mut von Hentigs, das wichtigste Curriculum des Lehrers sei seine Person, wiealtvertraut.

Lehrfreiheit fordern

Wesentlich aus seiner Überzeugung von der Wichtigkeit eines pädagogischenEthos für jede moderne Schule ergab sich für Steiner die Forderung nach einerumfassenden Befreiung des Kultur- und Bildungslebens von den Einflüssen desStaates und der Wirtschaft. Seine Kampagne für die »Dreigliederung des sozia-len Organismus« im Jahre 1919, unmittelbar vor der Gründung der ersten Wal-dorfschule, ist von Albert Schmelzer in einer umsichtigen, gründlich recherchier-ten Studie auf die zeitgenössische politische und soziale Situation bezogen undin ihrer gegenwärtigen Aktualität erörtert worden (Schmelzer 1991). Die voreinigen Jahren so plötzlich in Gang gekommene Autonomiedebatte im Bereichdes staatlich verwalteten Schulwesens ist zweifellos von der jahrzehntelangenAufklärungsarbeit der Waldorfschulen und der anthroposophisch orientiertenSoziologen in erheblichem Ausmaß mit vorbereitet worden. Diese Debatte drohtgegenwärtig aus durchsichtigem bildungspolitischem Interesse auf die Reservat-bezirke schulinterner Organisationsentwicklung und Lehrerfortbildung einge-schränkt zu werden. Das sozial schädliche Auslese- und Berechtigungswesen derstaatlichen Schule, die althergebrachten Standesunterschiede in der Lehrer-schaft, die ministerielle Weisungsbefugnis stehen nicht zur Diskussion. In dieserSituation ist es wichtig, auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Errungenschaf-ten guter Waldorfschulen hinzuweisen, die inzwischen breit dokumentiert sind(Brüll 1984, Leber 1991, Leist 1988). Eine bedeutende Rolle bei innovativen Ver-suchen in dieser Richtung spielen die an Steiners Anthropologie und seiner Sozi-allehre orientierten Institutionen der Organisationsentwicklung und Konfliktbe-ratung und mehrere Bank-Einrichtungen, vor allem die von Wilhelm Ernst Bark-hoff im Zuge des Aufbaus der ersten Waldorfschule im Ruhrgebiet ins Lebengerufene GLS-Gemeinschaftsbank in Bochum (Zeitschrift »Bankspiegel«). Auchdas gehört zum besonderen Profil der Waldorf-Anthropologie: Sie engt den Blicknicht auf die Schule ein; sie erweitert ihn auf das Leben in seiner ganzen Vielfaltund in den Wechselbezügen, innerhalb deren sich Pädagogik heute in Freiheit zubehaupten lernen muß.

Literatur:

Bankspiegel: Zeitschrift für ein modernes Bankwesen. Zu beziehen von der GLS Gemein-schaftsbank, Postfach 100829, D-44708 Bochum

292

Barz, H.: Der Waldorfkindergarten, Weinheim und Basel 1984Berg, H. Ch. / Steffens, U. (Hrsg.): Schulqualität und Schulvielfalt. Das Saarbrücker Schul-

gütesymposion 1988, Wiesbaden 1991Böttcher, W. / Weishaupt, H. / Weiß, M.: Wege zu einer neuen Bildungsökonomie, Wein-

heim, München 1997Brüll, D.: Der anthroposophische Sozialimpuls, Schaffhausen 1984Cassirer, E.: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur,

Frankfurt a. M. 1990Gardner, H.: Frames of mind: The theory of multiple intelligences, New York 1983Goleman, D.: Emotionale Intelligenz. München und Wien 1996Kiersch, J.: Freie Lehrerbildung, Stuttgart 1978- : Einführung und Kommentar zu Rudolf Steiner: Allgemeine Menschenkunde, Dornach

1995Kranich, E.-M.: Anthropologie – das Fundament der pädagogischen Praxis. In: Bohnsack,

F. /Kranich, E.-M.: Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik, Weinheim und Ba-sel 1990, S. 96-139

Leber, S.: Die Sozialgestalt der Waldorfschule, Stuttgart 1991- : Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik, Stuttgart 1993Leist, M.: Eltern und Lehrer, Stuttgart 21988Lindenberg, Ch.: Die Lebensbedingungen des Erziehens, Reinbek bei Hamburg 1981Schmelzer, A.: Die Dreigliederungsbewegung 1919. Rudolf Steiners Einsatz für den Selbst-

verwaltungsimpuls, Stuttgart 1991Steiner, R.: Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis, Dornach 1972 (GA 302 a)- : Von Seelenrätseln, Dornach 51983 (GA 21)- : Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, Dornach 91992 (GA 293)Willmann, C.: Waldorfpädagogik. Theologische und religionspädagogische Befunde,

Köln u. a. 1998

Zum Autor: Johannes Kiersch, geb. 1935, Studium der Anglistik, Geschichte und Pädago-gik in Berlin und Tübingen. Waldorflehrer in Frankfurt und Bochum. Ab 1973 am Aufbaudes Instituts für Waldorfpädagogik in Witten/Ruhr beteiligt. Publikationen u. a.: Die Wal-dorfpädagogik, Stuttgart 81997. Fremdsprachen in der Waldorfschule, Stuttgart 1992.

Medizinisch-Pädagogische KonferenzRundbrief für Ärzte, Erzieher, Lehrer und Therapeuten

Herausgeben von Dr. Claudia McKeen, Peter Fischer-Wasels

Aus dem Inhalt von Heft 8/1999:

Uwe Wulff : Gestörtes beidäugiges Sehen und Schulversagen Gabriele Meyer-Hamme : Schulärztliche Augenuntersuchung

Heide Mende-Kurz :Warum nehmen Sprachentwicklungsstörungen so enorm zu?Friedwart Husemann : Der Epochenunterricht als psychiatrische Prophylaxe

Sigrid Jaa : Erfahrungen mit beratender Elternarbeit

Tagungsberichte – Ankündigungen – Aktuelle Informationen –

Buchbesprechungen – Fragen aus dem Leserkreis – an den Leserkreis

Bestellungen/Abonnements: Medizinisch-Pädagogische Konferenz, Eveline Staub-Hug, Ehrenhalde 1, 70192 StuttgartJahresabo DM 24,– zzgl. Porto, Einzelheft DM 6,– zzgl. Porto; erscheint drei- bis viermal im Jahr

293

Anzeige VFG

294

Gestaltpädagogik – was ist das?Im folgenden geben wir Claudio Hofmann,Gestalttherapeut und Professor am Institutfür Arbeitslehre an der TU Berlin, Gelegen-heit zu einer Skizze der Gestaltpädagogik.Seine vergleichenden Blicke auf die Wal-dorfpädagogik vermitteln einmal eine Per-spektive »von außen«. Red.

Es ist für mich besonders reizvoll, in dieserZeitschrift die Grundlagen der Gestaltpäd-agogik vorzustellen, gerade auch weil mei-ne Beziehungen zur Gestaltpädagogik undzur Waldorfpädagogik sehr unterschiedlichsind. Während ich die Waldorfpädagogiknur aus der Theorie, von Hospitationen unddurch Freunde kenne, habe ich an der Ent-wicklung der gestaltpädagogischen Kon-zepte und ihrer praktischen Umsetzung sel-ber mitgewirkt, besonders auch in der ge-staltpädagogischen Fortbildung von Lehre-rinnen und Lehrern.

Wurzeln der Gestaltpädagogik

Die Gestaltpädagogik bezieht sich sowohlin ihrer Entstehung wie auch bei ihrem Na-men und ihren wichtigsten Konzepten aufdie Gestalttherapie. Diese ist in den 50erJahren in den USA von Fritz Perls im Zu-sammenhang mit der Humanistischen Psy-chologie als dritte therapeutische Strömungnach der Psychoanalyse und der Verhal-tenspsychologie entwickelt worden.

Die Gestalttherapie geht von den Wech-selwirkungen zwischen dem menschlichenOrganismus und seiner Umwelt aus. DieseWechselwirkungen werden nach den vonder Berliner Gestaltpsychologie entdecktenGesetzen als ganzheitliche psychophysi-sche Zusammenhänge verstanden. Wie sichdiese Wechselwirkungen in vielfältigen Le-benssituationen auswirken, wird in der Ge-

stalttherapie auf der Grundlage von Theori-en der Kontaktprozesse untersucht. Denn essind Beziehungsvorgänge, die eine Assimi-lation der Umwelt ermöglichen und damitWachstum bewirken. Sinn der Gestaltthera-pie ist es, sich der eigenen Blockierungen insolchen Kontaktprozessen bewußt zu wer-den und mehr Verantwortung für die Er-weiterung der eigenen Handlungsmöglich-keiten zu übernehmen.

Und hier setzt auch die Gestaltpädagogikan, indem Lehren und Lernen als bewußteKontaktprozesse verstanden und gestaltetwerden. Und da nicht nur am ersten Schul-tag, sondern in allen pädagogischen Situa-tionen der Kontakt zwischen den am Lehr-Lern-Prozeß Beteiligten entscheidend fürdas weitere Gelingen des Lehrens und Ler-nens ist, sind die Beziehungen zwischenLehrenden und Lernenden (also auch zwi-schen Lehrenden untereinander, Lernendenuntereinander) die gestaltpädagogische Ba-sis aller Lernprozesse.

Gestaltpädagogik hat sich in den letztenJahren in verschiedenen schulischen undaußerschulischen Bereichen eingerichtetund entwickelt. So finden wir gestaltpäd-agogisch orientierten Unterricht in vielenSchulen der alten Bundesländer, auch inÖsterreich, England, Holland, der Schweizund in den USA. Es gibt eine gestaltpädago-gische Schule in Graz und in Schiltwald(Schweiz); gestaltpädagogische Fortbildun-gen finden in vielen Bundesländern einegroße Beteiligung. Die Gestaltpäd. Vereini-gung gibt die Zeitschrift »G.« heraus.

Zum Konzept der Gestaltpädagogik

Die Gestaltpädagogik versteht sich nicht alsein geschlossenes pädagogisches System,das über eine spezifische Entwicklungs-

IM GESPRÄCH

295

theorie, eine Schultheorie und eine eigen-ständige Didaktik verfügt. Sie versucht viel-mehr, Lehr-Lern-Prozesse als persönlicheErfahrungen ganzheitlich zu begreifen undin Gang zu setzen, wobei Konzepte der Ge-stalttherapie, der Humanistischen Psycho-logie und auch reformpädagogische Ansät-ze einbezogen werden.

Lernen wird in der Gestaltpädagogik alsein Austauschprozeß zwischen den einzel-nen Individuen und ihrer Umwelt verstan-den. Die Umwelt kann dabei z. B. die Geigein meiner Hand sein, aber auch der Geigen-lehrer oder das Thema »Dur und Moll«.Beim Lernen geschieht eine Verbindungzwischen Lernendem und Umwelt, wobeiihr Schwerpunkt von der Geige zum Lehrerund von da zum Thema und wieder zurückwechseln kann. Immer hat Lernen als Kon-taktprozeß zu tun mit Veränderung. Indemich Einfluß nehme auf die Geige, auf einenanderen Menschen, beeinflußt auch michdie Geige, der andere Mensch. So verändereich mich als lernende Persönlichkeit imKontakt mit der Umwelt. Und da dieserProzeß sich nicht auf die eine Geigen- oderSchulstunde beschränkt, entsteht eine gan-ze individuelle Lerngeschichte, die in alleweiteren Lernvorgänge hineinspielt.

Lehrer, die an einer gestaltpädagogischenFortbildung teilnehmen, setzen sich deshalbzuerst mit ihrer eigenen Lerngeschichte, derpersönlichen Bedeutsamkeit ihrer Berufssi-tuation und ihrer Beziehungskompetenzauseinander. Erst dann sind die Lehrendenbefähigt, aus den allgemeinen gestaltpäd-agogischen Konzepten konkrete inhaltlicheStrukturierungen und methodische Vorge-hensweisen zu entwickeln. Das soll hier aneinem Beispiel angedeutet werden.

Beispiel: Malen

Die Kinder (acht Jahre) erzählen von der Se-samstraße im Fernsehen. Alle haben schonmehrere Sendungen gesehen, einige sehensie sogar regelmäßig. Die Lehrerin schlägt

ihnen vor, eine Person oder eine Situationzu malen, die sie besonders gern haben.Alle sind eifrig bei der Sache. Nur Julianmacht nicht mit. »Ich habe heute keineLust.« Die Lehrerin hat den Eindruck, daßJulian müde ist. »Bist Du müde?« »Nur einbißchen.« »Dann ruh Dich doch ein bißchenaus, und wenn Du dann doch noch Lusthast, kannst Du es ja immer noch probie-ren.« Julian legt für ein paar Minuten seinenKopf in die Arme auf den Tisch und fängtdann später an zu malen: Samson, schla-fend in der Hängematte. Die Lehrerin sagt:»Ich freue mich über Dein Bild.« Wer will,kann später über sein Bild sprechen. Julianerzählt: »Ich bin Samson, der Bär, und habeeine tiefe Stimme. Ich war so müde, weil ichso spät eingeschlafen bin, denn ich hatteStreit mit meiner Mutter. Nun habe ich michausgeruht und bin ganz munter.«

Die Lehrerin setzt hier bei der Lernbio-graphie der Kinder an, die heute normaler-weise stark durch audiovisuelle Medien ge-prägt ist. Durch die Wahlmöglichkeit einerFigur oder einer Situation eröffnet die Leh-rerin den Zugang zum persönlich bedeutsa-men Lernen. Und sie nimmt diesen Zugangernst, indem sie die Müdigkeit als Teil desProzesses wahrnimmt und ihr (ohne falscheErmunterung oder Interpretation) Raumgibt. So kann die Müdigkeit ihren schöpferi-schen Ausdruck finden. In der Identifikati-on mit Samson eröffnet sich dem Kind derKontakt zur Ursache seiner Müdigkeit, demStreit mit der Mutter. Indem der Streit aus-gesprochen ist, hat sich die Gestalt des Mü-deseins geschlossen. Julian ist nun offen fürneue Lernprozesse.

Sicher hätten viele Lehrerinnen und Leh-rer auch ohne Gestaltpädagogik so oder an-ders gut reagiert. Die Gestaltpädagogik gibtaber die Möglichkeit, diese Kompetenzenzu beachten, sie sich anzueignen und sichdarin immer wieder bewußt zu bewähren.Wichtig ist auch, daß die Lehrerin ihre eige-nen Wahrnehmungen (Julians Müdigkeit)und ihre Gefühle (Freude über das Bild) be-

296

achtet, eventuell auch mitteilt und zurStrukturierung des Lernprozesses nützt.

Identifikation und Imagination

Wie hier bei der Identifikation mit Samsonkönnen Identifikationen im gestaltpädago-gischen Sinne vielfältig angewendet wer-den. Das Kind identifiziert sich dabei miteinem Teil der Umwelt, so daß die Grenzenzwischen Kind und Umwelt vorüberge-hend aufgehoben sind. Es findet im Kontakteine Verschmelzung statt, in der sich dasKind den Gegenstand innerlich aneignet. InMathematik können Kinder zum Beispieldie einzelnen Glieder einer Gleichung dar-stellen, in Grammatik Substantiv, Adjektiv,Verben, in Biologie die Bestandteile einerZelle. Besonders naheliegend ist die Arbeitmit Identifikationen in allen musischen undkreativen Bereichen. Immer wird durch sol-che Identifikationen der Lernprozeß an per-sönlicher Bedeutsamkeit gewinnen und sozugleich besser in der Person integriert wer-den. Statt einer Identifikation mit Dingenkann die Lehrerin oder der Lehrer auch eineImagination (auch Phantasiereise genannt)anleiten, in der die Kinder angeregt werden,eigene Veränderungen oder die eines Ge-genstandes, z. B. eines Baumes, durch dieJahreszeiten zu verfolgen. Diese Phantasie-reisen, die am häufigsten mit Gestaltpäd-agogik assoziiert werden, können eine star-ke Intensivierung des Kontakts zwischenUmwelt und Individuum bewirken, wobeihier auch unbewußte Schichten angespro-chen werden können (und somit Vorsichtgeboten ist für darin unerfahrene Kollegin-nen und Kollegen). So hat die Gestaltpäd-agogik viele andere Methoden entwickelt,die mit der Initiierung und Bewußtwer-dung von Wahrnehmungsprozessen der äu-ßeren Welt, der eigenen Persönlichkeit unddes Gruppengeschehens zu tun haben unddie sprechend, schreibend, malend oderkörperlich und auch technisch-medial aus-gedrückt werden können.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daßGestaltpädagogik mit vielen anderen re-formpädagogischen und alternativen An-sätzen die Kritik an einem Schulsystem teilt,in dem Lernen auf lebensferne Wissensver-mittlung im 45-Minuten-Takt reduziertwird und persönliche Belange der Schülerund Lehrer nicht wichtig sind. Neu daranist, daß Gestaltpädagogik nicht durch Pro-klamierung eines »pädagogischen Bezugs«,sondern durch Trainingsprogramme für dieLehrenden und ausgearbeitete Methodenfür die Lernenden Möglichkeiten eröffnet,den Lehr-Lern-Prozeß als Teil der Persön-lichkeitsentwicklung zu gestalten, wobeisowohl die Ebenen des Denkens, Fühlensund Handelns wie auch die Konzentrationauf das Thema, auf die Gruppe und auf dasIch in eine immer wieder neu zu entdecken-de Gestalt gebracht werden.

Waldorfpädagogik und Gestalt-pädagogik: drei Blicke

Auf den ersten Blick scheinen Waldorf- undGestaltpädagogik an konträren Enden einesKontinuums des pädagogischen Handelnsangesiedelt: hier ein in sich geschlossenespädagogisches System auf der Grundlageeiner von Rudolf Steiner entworfenen An-thropologie, das sich fast ein Jahrhundertlang in vielen Schulen und anderen Institu-tionen bewährt hat. Da ein offenes, in Ent-wicklung befindliches System, das auchElemente anderer Konzepte einbezieht. Aber ein zweiter Blick zeigt durchaus Ge-meinsamkeiten: Da ist vor allem die starkeBetonung der Lehrerpersönlichkeit mit ei-ner Grundhaltung der Achtung und Wert-schätzung der Kinder. Weiter fällt die Nähevon Erziehen und Heilen (bzw. Therapie)auf und damit zusammenhängend die Vor-stellung, daß Lernen nicht nur Wissensver-mittlung sein darf, sondern auch die Per-sönlichkeitsentwicklung der Kinder und Ju-gendlichen im Rahmen einer Gemeinschaftfördern soll. Gemeinsam ist schließlich auch

297

die Idee der Ganzheitlichkeit: Hier die Ent-faltung der Seelenkräfte des Wollens, Füh-lens, Denkens und da die Verbindung vonkognitiven, emotionalen und körperlichenDimensionen des Lernprozesses.

Aber ein dritter Blick muß schließlichwieder differenzieren. Während beim Wal-dorflehrer die Vorbild- und Führungsfunk-tion im Vordergrund steht, ist für die Ge-staltpädagogik die Authentizität der Leh-rer-Schüler-Beziehung entscheidend. DieFrage: »Wie geht es mir dabei?« ist nicht nurfür Schüler und Schülerinnen ein zentralesKriterium ihrer Lernprozesse, sondern alsAusgangspunkt einer berufsbezogenenSelbstreflexion auch für die Lehrendenwichtig bei der kurz- und langfristigen Ge-staltung des Unterrichts. Die Einsicht, daßPädagogisches und Persönliches sich stän-dig wechselseitig beeinflussen, wird zumHintergrund aller Lehr- und Lern-Prozesse.Und da Lernen in der Schule immer inGruppen stattfindet, wird die sensible Ein-übung von Beziehungs- und Konfliktfähig-keit zu einer wichtigen Grundlage gemein-samen Lernens, wobei Gruppenprozesseimmer neu reflektiert und gestaltet werden.

Um diesen dritten Blick in einen Ausblickzu erweitern, soll abschließend der Bezugzu den gegenwärtigen Veränderungen vonKindheit und Jugend angedeutet werden.Kinder und Jugendliche werden zuneh-mend mit sozialen Problemen, Zukunfts-ängsten, Orientierungs- und Perspektivlo-sigkeit konfrontiert bei gleichzeitigem re-pressivem Konsum- und Medienangebot.In dieser gefährlichen Situation ist es für dieErziehenden naheliegend, sich auf das Be-währte zu verlassen, um in der Ordnung ei-nes begründeten Systems Kindern und Ju-gendlichen, aber auch den Erziehern einenverläßlichen Rahmen zu bieten. Darin seheich in einigen Bereichen die Aktualität derWaldorfpädagogik, insbesondere auch fürdie neuen Bundesländer, begründet.

Die Gestaltpädagogen und -pädagogin-nen versuchen einen anderen Weg, indemsie gerade die Unsicherheit, die Ängste undsozialen Konflikte von Kindern, Jugendli-chen und Erziehern/Erzieherinnen zumAusgangspunkt von Lehren und Lernenwerden lassen, um so zwar keine vorgege-bene Orientierung, aber Achtsamkeit undOrientierungsfähigkeit, keine sozialen Har-monien, aber Beziehungs- und Konfliktfä-higkeit, keinen Wissenskanon, aber Denkfä-higkeit zu erlangen.

Aus dieser Sicht erscheint es mir, daß zwi-schen Waldorfpädagogik und Gestaltpäd-agogik eine grundsätzlichere Entscheidungangebracht ist, um den verschiedenen Vor-stellungen der pädagogischen Beziehungenund der menschlichen Entwicklungen zuentsprechen. Während sich die Montessori-Pädagogik mit ihrer Materialbezogenheitund die Gestaltpädagogik in der Personen-zentrierung komplementär ergänzen kön-nen, scheinen mir bei Waldorf- und Gestalt-pädagogik eher gegenseitige Anregungennützlich und nötig. So können Gestaltpäd-agogen viel vom handwerklich-künstleri-schen Unterricht und überhaupt von derUnterrichtsgestaltung an Waldorfschulenlernen, während sich Waldorflehrer viel-leicht für gestaltpädagogische Aspekte despersönlich bedeutsamen Lernens und derGruppenprozesse interessieren könnten. Sowürde ich mich freuen, wenn dieser kleineArtikel Anlaß wäre für gegenseitiges Ken-nenlernen und Austausch.

Claudio Hofmann

Zum Autor: Claudio Hofmann, geb. 1936. Studi-um der Physik und Mathematik; Promotion überAllgemeine Relativitätstheorie. Professor für All-gemeine Pädagogik seit 1974 an der PH Berlin,seit 1980 an der TU Berlin. Gestalt-Therapeut;Mitbegründer und Lehrtrainer der Sektion Ge-staltpädagogik am Gestalt-Zentrum Berlin.

298

Öffnung für neueUnterrichtsmethoden

Beim Besuch des Waldorfstandes anläßlichder Interschul-Messe in Dortmund vor ei-nem Jahr wurde der geneigte Interessentbeim Durchblättern ausliegender Epochen-hefte freundlich mit den Worten begrüßt:»Das sind unsere Schulbücher!« Im sich an-schließenden Gespräch wurde der aus-kunftgebende Mitbetreuer des Standes, mitArgumenten konfrontiert, die auf zahlrei-chen Elternabenden von ratsuchenden El-tern vorgebracht wurden, zunehmend unsi-cherer. Nicht zuletzt dieses Erlebnis hat denAutor veranlaßt, sich dem Thema einmaltiefergehend zu widmen.

Während der Waldorflehrerausbildungund im anschließenden Tätigsein an einerWaldorfschule erlebt man immer wieder,daß die Themen Schulbücher und Unter-richtsmaterialien mit einer gewissen Abnei-gung, Scheu und förmlicher Ablehnung be-handelt werden. Häufig wird das Argu-ment gebracht, daß Waldorfschüler keineBücher brauchen, denn sie haben ja ihreEpochenhefte. Unterrichtsmaterialien seienvorgefertigte Produkte, die die Phantasie-kräfte lähmten und zu innerer Inaktivitätführten.

Auf Elternabenden werden diesen Argu-menten oftmals die Fragen entgegenge-stellt: Was macht ein Schüler, der durchKrankheit wesentliche Teile einer Epocheverpaßt hat, um sich den Stoff dennoch an-zueignen? Wie sollen Eltern von lernschwa-chen Kindern helfen, wenn sie nicht auf dieHilfe eines Buches zurückgreifen können,da die Inhalte der Epochenhefte ihrer Kin-der in der Regel unvollständig bzw. falschsind? Wie kann in einer Klasse mit über 30Kindern eine individuelle Differenzierungvorgenommen werden, wenn für die Pha-sen der Stillarbeit keine entsprechendenUnterrichtsmaterialien zum Einsatz kom-men, weil nicht vorhanden?

Dies ist nur eine kleine Auswahl von Fra-gen, denen sich Waldorflehrer bzw. derenKollegien in zunehmendem Maße stellenmüssen. Dabei erscheint es wenig hilfreich,wenn gebetsmühlenhaft die oben genann-ten Argumente wiederholt werden, weil siebei den Fragenden ohnehin nicht hinrei-chend zur Klärung beitragen. Vielmehr soll-te einmal bei den Quellen geforscht werden,was z. B. in der dreibändigen Ausgabe der»Konferenzen«1 zum Thema »Epochenhef-te« und »Schulbücher« nachzulesen ist. Nä-hert man sich der Fragestellung quantitativ,so verblüfft zunächst einmal folgendes Ver-hältnis: Es finden sich zum Thema Epo-chenhefte nur zwei Stellen,2 während esbeim Thema Schulbücher 19 sind.3

Nach landläufiger Meinung sollte mannun annehmen, daß R. Steiner sehr vielRaum und Zeit brauchte, um sich negativüber den Gebrauch von Schulbüchern aus-zulassen und sich in seiner bekannten Artund Weise knapp und prägnant für die Be-tonung und Ausarbeitung von Epochenhef-ten ausgesprochen hat.

Bei näherem Studium wird der interes-sierte Leser allerdings eines anderen be-lehrt. Nicht an einer Stelle findet sich einekategorische Ablehnung von Schulbüchern.Es wird lediglich die Qualität der Schulbü-cher angesprochen und der Hinweis gege-ben, daß sie nicht »trivial« sein sollen bzw.der Wert eines selbstgeschriebenen Bucheshöher ist, weil es »dazu beiträgt, daß mandas auch weiß, was darin steht.« (R. Steiner:Konferenzen, Bd. III., S. 52) – so sollte manmeinen. Aber die Realität läßt einen daranoftmals zweifeln, wenn man zum Beispielam Ende einer Epoche eine Klassenarbeitschreibt, die sich auf die Inhalte des Epo-chenheftes bezieht.

1 R. Steiner: Konferenzen mit den Lehrern derFreien Waldorfschule Stuttgart, GA 300 a, b, c

2 im dritten Band (GA 300 c) auf den Seiten 52, 533 in Bd. I die Seiten 70, 71, 105, 106, 118, 250; in

Bd. II die Seiten 39, 55, 64, 114, 115, 147, 176,177, 290, 291; in Bd. III die Seiten 40, 52

299

Für das Anlegen von Epochenheftenspricht die Tatsache, daß der Schüler sich»ökonomisch« auf das beschränken kann,was er auch später in den Prüfungen kön-nen muß: »Bei diesen Dingen kommt es anauf das Ökonomische des Zusammenfas-sens. In den Schulen wird es so gemacht,daß die Kinder unterstreichen müssen, wassie büffeln sollen. Sie müssen schon in ihrerZeit die Sachen bewältigen. Von der 10.Klasse ab ein solches Geschichtsheft diktie-ren.« (R. Steiner: Konferenzen, Bd. III, ebd.)

Angesichts der heute gebräuchlichen In-formationsquellen ist m. E. selbst diese Aus-sage nicht mehr zeitgemäß, insbesonderedas Diktieren in der 10. Klasse. Denn schonim Grundschulalter beziehen die Kinder imgünstigeren Fall ihre Informationen aus denbeliebten, von Oma und Opa oder den El-tern verschenkten und von den Beschenk-ten gerne gelesenen »Was ist Was« – oderähnlichen Büchern. Fortgeschrittene undbrennend interessierte Schüler ergreifenmittlerweile den Computer, nutzen eineeinschlägige CD-ROM zu Fremdsprachen,Naturwissenschaften, Geschichte und Geo-graphie bzw. steigen bei entsprechenderKenntnis und Vermögen in das Internet ein.

Wenn angesichts dieser Dimensionennach wie vor der alte Glaube an das Epo-chenheft die Lehrplanauslegung und Un-terrichtsgestaltung beherrscht, muß geradewegen der Entwicklungen an anderen Stel-len des Bildungswesens, wo innovative undbegrüßenswerte Bemühungen zu beobach-ten sind, die berechtigte Frage auftreten: Istdie Waldorfpädagogik, so wie sie im Um-gang mit Medien und Unterrichtsmateriali-en praktiziert wird, noch zeitgemäß, wennsie auf den Betrachter von außen in ihrerMethodik erstarrt und schwerfällig wirkt.Sofern dieser ein erziehungswissenschaftli-cher Insider ist, stellt sich ihm zudem dieFrage, warum eine Pädagogik, die ihre In-halte einzig von der Beobachtung des »wer-denden Menschen« und seinen Bedürfnis-sen bestimmt sieht, in ihren Methoden und

ihrer Unterrichtspraxis sich mit Innovatio-nen so schwer tut. Interessant wäre in die-sem Zusammenhang zu erfahren, ob dieBertelsmann-Stiftung, die seit 1996 einenPreis für »innovative Schulen« ausschreibt,unter den zuletzt über 300 Meldungen(Frankfurter Rundschau vom 7. Januar1999, S. 6) auch einige von Waldorfschulenerhielt.

Wohlgemerkt, der Autor ist mit Leib undSeele Waldorflehrer und konnte auch nachreichhaltigen Erfahrungen an der staatli-chen Schule nicht umhin, wieder in die»heimelige Atmosphäre« der Waldorfschu-le einzutreten. Mit Freude erlebt er immerwieder, mit welcher Hingabe und Zunei-gung – von Ausnahmen einmal abgesehen –die Schüler ihre Epochenhefte anlegen undausgestalten. Allerdings stellen sich ihm im-mer häufiger Fragen, ob denn das tradierteBild und der Umgang mit den gewohntenPauschalaussagen nicht zur Selbstgefällig-keit verführen.

Es ist unbestritten, daß bei einer künstle-risch-zeichnenden Gestaltung der erstenEpochenhefte der Wiedererkennungsgradz. B. der über das Bild eingeführten Buch-staben positiv unterstützt wird. Zudem för-dert eine entsprechende Vorgehensweiseauch das ästhetische Empfinden und denkreativen Umgang mit Formen und Farben.Diese Einsichten sind im übrigen auchschon bei einigen Schulbuchverlagen in derAnlage und Ausgestaltung von Schulbü-chern erkennbar, die an der staatlichenSchule eingesetzt werden. Dort dann aller-dings schon in der ersten Klasse. In der Wal-dorfschule findet der Einsatz des Lesebuchs(z. B. »Der Sonne liebes Licht« o. a.) in derRegel ab dem zweiten Schuljahr statt. Im-merhin werden hier Bücher eingesetzt, diesich m. E. auch – zumindest über weiteStrecken – gut bewährt haben. Was dannfolgt, sind allenfalls noch die bekanntenund ebenfalls bewährten Lesebücher zurTier- und Pflanzenkunde. Für andere Fä-cher bzw. Epochen gibt es meines Wissens

300

allerdings nichts Gleichwertiges auf dem»Waldorfmarkt«. Also sind Kollegen, sofernsie Bücher einsetzen wollen und diese ausZeitgründen nicht selbst schreiben können,auf das Angebot der Schulbuchverlage an-gewiesen. Dort gibt es bemerkenswerteTendenzen und in Auszügen auch gute Bü-cher z. B. zur Geographie oder Geschichte,allerdings scheitert meist schon im Kollegi-umsgespräch die Anschaffung, weil ausden oben genannten Argumenten für das»Epochenheft als Schulbuch« kein Konsenszur Bereitstellung der entsprechenden Mit-tel zu erzielen ist. Stattdessen werden, wiedies verstärkt zu beobachten ist, die Schülermit Kopien aus einschlägigen Fachbüchernüberflutet, was zum einen rechtlich nichtstatthaft ist und zum anderen den Wert ih-rer Inhalte herabwürdigt. Dies ist daran zubeobachten, daß diese Kopien achtlos imRanzen oder im Papierkorb entsorgt wer-den.

In der Diskussion um die zunehmendenSchwierigkeiten, alle Kinder und Jugendli-chen im Unterricht gebührend zu erreichenund in einen sinnvollen Lernprozeß zubringen, tauchen immer häufiger Forderun-gen nach anderen oder neuen Methodender Unterrichtsgestaltung auf. Binnendiffe-renzierung oder handlungsorientierter Un-terricht sind dabei zentrale Begriffe. DieseForderungen sollten für die Waldorfschuleeigentlich bekannt sein. Sind es nicht letzt-lich ihre eigenen Grundzüge und Ansprü-che, jedes Kind individuell zu fördern, in-dem es aus dem eigenen Tun heraus sich diegedanklichen Hintergründe und Gesetzmä-ßigkeiten selber aneignet? Diese Differen-zierung und das Recht, das Lerntempo undden Lernerfolg aus den eigenen Begabun-gen und Fähigkeiten heraus gestalten zukönnen, kann aber nur dann eintreten,wenn entsprechende Methoden und Mate-rialien zum eigenständigen Erarbeiten vonUnterrichtsinhalten mit Bedacht, Phantasieund Mut entwickelt und eingesetzt werden.Der bedingungslos lehrerzentrierte Unter-

richt erreicht die Schüler heute nicht mehrund kratzt sehr an der liebevollen Autorität,die ja doch zumindest für das zweite Jahr-siebt angestrebt sein sollte.

Fazit: Manche liebgewonnene Auffas-sung, und dazu zählt die Kontroverse Epo-chenheft – Schulbuch nur als ein Beispielunter vielen, läßt sich vor der geändertenSchulwirklichkeit neu auf ihre Richtigkeithin überprüfen. Es ist geradezu die Pflichteines jeden Kollegiums, eigene Denk-, Ver-haltens- und Unterrichtsmuster einer kriti-schen Bestandsaufnahme zu unterziehen.Insbesondere nach der jahrzehntelangenfaktischen Isolation der Waldorfschule ge-genüber der Entwicklung in der sonstigenErziehungslandschaft kann durch eine Öff-nung und Prüfung von neuen methodi-schen Überlegungen und Ansätzen (wieWochenplanarbeit, fächerübergreifenderProjektunterricht, Aufhebung des 45-Minu-tentaktes o. ä.) der Dialog und der Aus-tausch mit anderen Ansätzen belebt wer-den. Dazu ist es aber an der Zeit, daß sichWaldorfschulen öffnen, und zwar nicht nur,indem sie einseitig Hospitationen von Stu-denten, Referendaren und Lehrern zulas-sen, sondern sich selbst auch auf den Wegbegeben, um an anderen Schulen Ausschauzu halten, wie sich Kollegen dort auf dasneue Jahrhundert in ihrem Bildungs- undErziehungsauftrag einstellen. Wenn eineRegelschule (z. B. die Theodor-W.-Adorno-Schule in Elze) vom Kultusministerium inHannover als Projektschule für die Expo2000 ausgewählt wurde (Frankfurter Rund-schau vom 7. Januar 1999), weil sich dortdas Kollegium auf einen innovativen Wegbegeben hat, müßte dies doch Ansporn fürdie Waldorfschulen sein, auch etwas quali-tativ Neues und Gutes hinzuzufügen.

Joachim Fuß, Bad Nauheim

Wie eine Waldorfschule bereits Kontakt und Aus-tausch mit einer benachbarten Gesamtschule rea-lisiert, wird in diesem Heft auf S. 306 ff. berichtet.

301

Verschlafene Kollegien?

Der in der Februarausgabe der »Erziehungs-kunst« erschienene Artikel von Sonja Gaik»Keine Praktika für Seminaristen« (S. 179)ließ bei mir die Frage aufsteigen, ob Wal-dorfkollegien bei der Eigenfestsetzung ihrerArbeitsbedingungen gelegentlich zurSelbstgefälligkeit neigten. – Sicher: Mankann nicht behaupten, daß Waldorflehrerwenig arbeiten. Wer eigenunternehmerischhandelt, arbeitet i.d.R. mehr als einer, dersein Arbeitspensum von einer Chefetage ge-regelt bekommt. – Aber ermöglicht dieSelbstverwaltung nicht trotzdem eine ge-wisse Selbstgefälligkeit? Welche Instanzkontrolliert Entscheidungen der Schulfüh-rung? Wo ist ein System der »checks and ba-lances« z. B. zwischen Vorstand, Schulfüh-rung und Landesarbeitsgemeinschaft reali-siert? Fallen in der unkontrollierten Selbst-verwaltung der Lehrer gewisse notwendigeDinge nicht viel zu oft »unter den Tisch«?Sei es, weil keiner sie machen will, sei es,weil nicht genügend Entlastung denjenigengewährt wird, die dazu bereit wären?

Ein Beispiel unter vielen anderen wäre dieBetreuung von Seminaristen. Diese Proble-matik ist besonders paradox. Denn hiergeht es um das Überleben der Waldorfschul-bewegung als solcher: Ohne gut qualifizier-te Lehrer kann sie nicht gedeihen! Diese Ein-sicht der Vernunft scheint aber nicht denWeg in ausreichende Willensentschlüsse ge-funden zu haben, wenn es nicht einmal allenwerdenden Waldorflehrerinnen und -leh-rern gelingt, einen Praktikumsplatz an einerWaldorfschule zu bekommen. Zur selbenZeit beklagen die Schulen aber, daß die Se-minare nicht voll belegt sind und nichtgenügend ausgebildete Lehrer zur Verfü-gung stehen.

Könnte die Tatsache, daß immer öfterSchülern »Willensschwäche« attestiert wird,auch mit einer Widerspiegelung der Kollegi-en zu tun haben? Muß man nicht folgern,

daß die Selbstverwaltung grob fahrlässighandelt, wenn sie nicht die Lehrer (also sichselbst!) dazu verpflichtet, Seminaristen auf-zunehmen und nicht entsprechende Rah-menbedingungen dafür schafft?

Fehlende Verbindlichkeit bei den allerele-mentarsten Dingen: Das scheint mir dasHauptproblem von Waldorfschulen heutezu sein. Denn oft bedeutet die Gremienwirt-schaft, daß sich keiner für Belange, die überden eigenen Unterricht hinausgehen, richtigverantwortlich fühlt.

Nur die Verantwortung des Einzelnenkann das Problem lösen, besonders, wennEinzelne in kleinsten Delegationsgruppenzusammenarbeiten und dort verbindlicheEntscheidungen treffen können, auch wenndiese nicht immer populär sind. Große Gre-mien können prinzipiell keine Verantwor-tung tragen. Darum ist die hohle Phrase,Schulführungskonferenzen müßten verant-wortliche Entscheidungen treffen, stets Zei-chen für ein Verantwortungsvakuum.

Was hat Steiner am meisten an seinen Mit-streitern kritisiert? Daß sie ihre Schlafmüt-zen immer tiefer ins Gesicht zogen. Wir sindin guter Tradition. Nur führt diese Traditionin den Verderb. Anthroposophische Päd-agogik kann nicht richtig verstanden sein,wenn sie Selbstverständlichkeiten außerKraft setzt, die überall sonst in der Weltpraktiziert werden. Wie anthroposophischeMedizin stets zu Recht betont, ist sie eineerweiterte�Heilkunst, welche auf gewöhnli-che schulmedizinische Erkenntnisse auf-baut. So sollte sich auch die Waldorfschul-bewegung einer erweiterten�Pädagogik ver-schreiben, einschließlich aller vernünftigenSelbstverständlichkeiten wie verbindlicheStrukturen und Sanktionen beim Nichtein-halten von Abmachungen. Dabei würdeman an das Vorbild eines äußerst lebens-praktischen Menschen wieder direkt an-knüpfen: Rudolf Steiner hieß der Gründerder ersten Waldorfschule. Detlef Hardorp,

Bildungspolitischer Sprecher derWaldorfschulen in Berlin-Brandenburg

302

1 Auch nach dem Ergebnis des »Bildungs-Del-phi« des Bundesministeriums für Bildung undForschung schätzt die Mehrheit eines reprä-sentativen Querschnitts von Bildungsexpertendie Erwartungen auf mehr Pluralität hinsicht-lich kultureller, lokaler und weltanschaulicherSchulprofile generell skeptisch ein: Abschluß-bericht der DELPHI-BEFRAGUNG 1996/1998»Potentiale und Dimensionen der Wissensge-sellschaft – Auswirkungen auf Bildungspro-zesse und Bildungsstrukturen«, S. 91 des Ab-schlußberichts zum Bildungs-Delphi (1999).

ZEICHEN DER ZEIT

Mit »Ein Land im Aufbruch« überschreibtder Innovationsbeirat der Landesregierungvon Baden-Württemberg seinen »Leitbild-entwurf für Staat und Gesellschaft, Wirt-schaft und Beschäftigung, Bildung undWissenschaft, Forschung und Technologie«.Darin kommen führende Persönlichkeitenaus Wirtschaft und Wissenschaft zu spekta-kulären bildungspolitischen Forderungen,die der baden-württembergischen Landesre-gierung zu denken geben müssen.In Anlehnung an die »Ruck«-Rede vonBundespräsident Roman Herzog fordert derInnovationsbeirat grundlegende Änderun-gen und Innovationen im deutschen Schul-wesen. Eine breite Diskussion der Thesendes Leitbildentwurfs wird ausdrücklich ge-wünscht. Der Bund der Freien Waldorf-schulen und die LandesarbeitsgemeinschaftBaden-Württemberg haben dazu eine ge-meinsame Stellungnahme abgegeben, dienachfolgend abgedruckt ist. Darin wird derAufruf zum »Aufbrechen verkrusteterStrukturen« begrüßt, aber die Nennungkonkreter Reformschritte gefordert, ohne diedie gewünschte Innovation im Bildungswe-sen nicht in Gang kommen könne.

Der Bund der Freien Waldorfschulen unddie Landesarbeitsgemeinschaft der FreienWaldorfschulen Baden-Württemberg be-grüßen den Entwurf eines Leitbildes des In-novationsbeirates der Landesregierungzum Bereich Bildung und Wissenschaft. Ins-besondere verdient die Feststellung des Be-richtes hervorgehoben zu werden, nach der»die verstärkte Schaffung von privatenSchulen eine Chance böte, verkrusteteStrukturen aufzubrechen«, sowie die Forde-

Ein Land im Aufbruch?Stellungnahme zu einem bildungspolitischen Leitbild

rung, es müsse »mehr Offenheit für das Ex-periment und Mut zum Wettbewerb zwi-schen privaten und staatlichen Einrichtun-gen bestehen«. Derartige Forderungen sindschon wiederholt geltend gemacht worden,etwa von Alt-Bundespräsident Richard vonWeizsäcker und zuletzt von Bundespräsi-dent Roman Herzog in seiner richtungswei-senden »Ruck-Rede« vom 5.11.1997, in derer ausdrücklich dazu aufforderte, privateInitiativen zu ermutigen und keine »Angstvor Freiheit« im Bildungswesen zu haben.Solche Aufrufe blieben – soweit es die Schu-len in freier Trägerschaft betrifft – in Baden-Württemberg bisher ohne bemerkbare Wir-kung. Das »Aufbrechen verkrusteter Struk-turen« wird ohne eine grundlegende Ab-kehr von der traditionellen Haltung Baden-Württembergs, die sich vor allem im Selbst-verständnis und der Wirkung der staatli-chen Schulaufsicht manifestiert, kaum mög-lich sein.1 Deshalb erscheint eine genaue Be-schreibung von Maßnahmen zur Umset-zung derartiger Ziele unerläßlich.Der angemahnte Wettbewerb zwischen pri-vaten und staatlichen Einrichtungen ist vonvornherein dadurch maßgeblich behindert,daß der Staat als Betreiber des staatlichen

303

Schulwesens den Aktionsradius der priva-ten Schulen (richtig: Schulen in freier Trä-gerschaft) über die Schulaufsicht weitge-hend bestimmen kann. Im Grundschulur-teil2 stellt das Bundesverfassungsgericht da-her fest, daß der Staat als Betreiber desstaatlichen Schulwesens gegenüber freienSchulen »insofern keine neutrale Stellungeinnimmt, als er zugleich die Interessen deröffentlichen Schulen wahrnimmt, zu denendie privaten Ersatzschulen in Konkurrenztreten.« Auf die Verhältnisse der Wirtschaftübertragen, wäre sofort einsichtig, daßWettbewerb nicht funktionieren kann,wenn etwa das größte Unternehmen einerBranche die Gewerbeaufsicht über die Mit-bewerber am Markt übernehmen würde. Esbedarf daher verfahrenssichernder Rege-lungen, um die Nicht-Neutralität der staat-lichen Schulverwaltung zu kompensieren.

Das »Wettbewerbsklima« des Schulwe-sens in Baden-Württemberg hat dement-sprechend gelitten: Baden-Württemberghat wie kaum ein anderes Land seit 1980einen dramatischen Verfall der finanziellenUnterstützung von Schulen in freier Trä-gerschaft erlebt. Stand es 1980 noch an derSpitze der Flächenstaaten, kann es sich heu-te mit Niedersachsen um den letzten Platzim Ländervergleich (der alten Bundeslän-der) streiten. Das ist insofern besonders be-merkenswert, als Baden-Württemberg sichin früheren Jahren stets seiner besonderen»Privatschulfreundlichkeit« gerühmt hat,andererseits aber die bekannte, jedoch un-zutreffende Metapher von den Privatschu-len, die wie »Pilze aus dem Boden schie-ßen«, geprägt und durch Einführung finan-zieller Durststrecken ohne staatliche Unter-stützung »erfolgreich« Schulneugründun-gen erschwert oder verhindert hat. Der zah-lenmäßige Anteil freier Schulen ist in Ba-den-Württemberg im Ländervergleichkaum durchschnittlich, im europäischenVergleich sogar weit unterdurchschnittlich.

Vom staatlichen »Vorbild« abweichendepädagogische Formen wie die der Waldorf-

schulen und anderer alternativer Modellehatten und haben in Baden-Württembergstets um die Anerkennung ihres Profils zukämpfen. Erst durch einen Spruch des Bun-desverfassungsgerichtes aus dem Jahre1994 wurde beispielsweise klargestellt, daßWaldorfschulen auch in Baden-Württem-berg (wie in der BRD überall sonst) über-haupt »Ersatzschulen« im Sinne des Art. 7Abs. IV Grundgesetz – und dies seit 1949 –sind und damit entsprechenden staatlichenSchulen, wenn auch nicht finanziell, sodoch formal gleichgestellt werden müssen.Dies geschieht immer noch lediglich übereine Ausnahmebestimmung (§ 3 des Geset-zes über Schulen in Freier Trägerschaft), sodaß nach wie vor andere pädagogische Mo-delle kaum zum Zuge kommen können –ein Beispiel für das fehlende Grundver-ständnis unternehmerischer Initiative.

Für die Entfaltung und Wirksamkeit frei-er Bildungsinitiative von noch wesentliche-rer Bedeutung ist aber die freiheitliche Ge-staltung des Abschluß- und Prüfungswe-sens. Die auf Vereinheitlichung angelegteStruktur des Prüfungswesens verhindertweitgehend die Berücksichtigung andersar-tiger, aber gleichwertiger Inhalte und Me-thoden. Es bedarf hier der Verankerung desfür staatliche Schulen selbstverständlichenGrundsatzes: »Geprüft wird, was gelehrtwird«, auch für (genehmigte) Ersatzschu-len, und der Einräumung der Möglichkeit,eigenständige Abschlußverfahren einzu-richten. Darüber hinaus ist die bürokrati-sche Vorgabe möglichst einheitlicher Bil-dungsinhalte für alle Schulen ohnehin eineFehlentwicklung, die auch von Bundesprä-sident Herzog in der o. a. Rede als falschgekennzeichnet wurde.3

Es ist daher festzuhalten: Die vom Leit-

2 vom 16.12.92 BVerfGE 88, 40 ff.3 So auch der »Integrierte Abschlußbericht« der

Delphi-Befragung (s. Anm. 1), S. 110: »Je hete-rogener sich der Qualifikationsbedarf entwik-kelt, um so unterschiedlicher werden letztlichdie individuellen Bildungswege verlaufen.«

304

bildentwurf angemahnte Vielfalt und derWettbewerb im Bildungswesen sind nurherzustellen, wenn die rechtlichen Bedin-gungen und die Verwaltungspraxis so ge-staltet werden, daß der Staat sich darauf be-schränkt, solche Rahmenbedingungen zusetzen, unter denen Vielfalt tatsächlich ent-stehen und vor allem sich fruchtbar entwik-keln kann. Das würde bedeuten, daß derStaat sich ernsthaft von seiner bisher in An-spruch genommenen »Leitbild«-Hoheit fürprivate Initiativen verabschiedet. Dies for-dert auch der vom ehemaligen EU-Kom-missionspräsidenten Jacques Delors verant-wortete, in Deutschland viel zu wenig be-achtete UNESCO-Bericht zur Bildung fürdas 21. Jahrhundert, wo es zur Rolle desStaates u. a. heißt: »Seine Aufgabe bestehteher darin, Energien zu steuern, Initiativenzu fördern und Bedingungen zu schaffen,unter denen neue Synergien entstehen kön-nen. Ebenso müssen Chancengleichheitund Bildungsqualität gesichert werden.«4

In diese Richtung weist nun auch der Vor-schlag des Leitbildentwurfs, nach dem Uni-versitäten und Gymnasien eigenverant-wortlich über Organisation, Personal undFinanzen entscheiden sollen. Das alleinwird aber die innovative Wirkung für dasBildungswesen nicht in gewünschtemMaße haben.5 Denn ein effizientes Bil-dungssystem braucht nicht nur organisato-rische Freiheiten, sondern vor allem Freiheitund Vielfalt in den Methoden, Inhalten undZielen mit den entsprechenden verfahrens-rechtlichen Absicherungen (s. oben). Man-gelnde Vielfalt in der Unterrichtsmethodikist beispielsweise eine wesentliche Ursacheder unbefriedigenden Ergebnisse der viel-diskutierten internationalen Vergleichsstu-die TIMMS6. Schulerfolg und Schulqualitäthängen – so die Bildungsforschung – we-sentlich von einer Profilbildung der einzel-nen Schule ab, die von einer selbstbestimm-ten und kommunikativen Ethik getragenwird.7

Der Leitbildentwurf beschränkt sich hier

im wesentlichen auf Bemerkungen zumnotwendigen Wissen und zur Organisie-rung von Lernen. Unerwähnt bleibt dabei,was auch nach Auffassung des UNESCO-Berichtes das Entscheidende für die Zu-kunft ist: Kreativität, Sozial- und Hand-lungskompetenz der Jugendlichen zu ent-wickeln. Nicht die »Abbildung der heutigenWirklichkeit« ist die »optimale Vorberei-tung der Schüler auf das Leben« (so der Ent-wurf S. 32), nicht der Erwerb heutigen Wis-sens – so wichtig dies in der unmittelbarenBerufsausbildung ist –, sondern die Schaf-fung von Voraussetzungen zur Bewälti-gung heute noch unbekannter Anforderun-gen und die Entwicklung von Fähigkeitenin diesem Sinne macht erst Zukunftsfähig-keit aus. Erst auf der Grundlage solcherKompetenzen wird die »Wissensgesell-schaft« Bestand und Perspektive haben.

In den Worten des UNESCO-Berichtes:»Während die formalen Bildungssystemedem Wissenserwerb als solchem Vorrangeinräumen und andere Arten des Lernenseher vernachlässigen, ist es heute außeror-dentlich wichtig, Erziehung in ihrer Ge-samtheit zu begreifen. Bildungsreformenund Bildungspolitik sollten sich deshalb inZukunft sowohl bei den Inhalten als auchbei den Methoden an dieser Vision orientie-ren« (S. 83). Hans-Jürgen Bader

4 S. 141 der bei Luchterhand 1997 erschienenenÜbersetzung »Lernfähigkeit: Unser verborge-ner Reichtum«.

5 Nach dem Ergebnis des »Bildungs-Delphi« be-steht ohnehin eine »eher resignative Grundhal-tung« der mit dem Bildungswesen befaßtenExperten im Hinblick auf Veränderungen imBildungswesen, vgl. Abschlußbericht zum Bil-dungs-Delphi, S. 105, s.o. Fußnote 1.

6 Vgl. Prof. Weinert, MPI München, in: »Eine Un-terrichtsmethodik allein wird nicht genügen«,FAZ v. 23.11.98, der die Unterrichtsmethodikals zu wissensbezogen und zu wenig verständ-nis- und lernorientiert charakterisiert.

7 So Frank-Rüdiger Jach, Schulverfassung undBürgergesellschaft in Europa, Duncker &Humblot, 1999, S. 63, dort auch zum Stand derForschung.

305

Anzeige VFG

306

AUS DER SCHULBEWEGUNG

Um nicht in Resignation zu versinken,entschloß sich die Schulgemeinschaft nunzu einem wichtigen Schritt: Sie stellte einenhauptamtlichen Baugeschäftsführer ein. Erunterzog alle denkbaren Möglichkeiten ei-ner vergleichenden Analyse und schlug alsErgebnis seiner Recherchen vor, ein Grund-stück im Kölner Norden zu erwerben, des-sen Vorzüge er der Schulgemeinschaft na-hezubringen wußte. Es handelte sich umein Gelände in Köln-Chorweiler, das bereitsals Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen warund am Rande einer intensiven Hochhaus-bebauung dieses in den sechziger Jahrenneu entstandenen Stadtteils lag. Hier warman zwar immer noch weit außerhalb derursprünglichen Kölner Stadtteile, hatte aberschöne Möglichkeiten der Geländegestal-tung und vor allem günstige Verkehrsver-bindungen. Allerdings warf der Stadtteilmit seinem Ruf als »sozialer Brennpunkt«manche Fragen und Sorgen auf, aberschließlich siegte die Zustimmung dazu,diese Herausforderung anzunehmen.

Blick von Südosten auf die Schule: Im Hintergrund links das Hauptgebäude, rechts davon die Hausmei-sterwohnung und Turnhalle mit angrenzendem Gartenbauraum

Odyssee einer Schule

Die Kölner Waldorfschule wurde 1980 inWorringen, einem kleinen Ortsteil am nörd-lichsten Stadtrand, mit vier Klassen eröffnet– in einer umgebauten alten Dorfkirche,idyllisch in Nähe der Rheinwiesen gelegen.Da leider keinerlei Möglichkeiten zu Aus-bau oder Erweiterung bestanden, mußte diegeliebte Idylle 1982 verlassen werden.

Das neue Domizil im Stadtteil Esch wareine ehemalige staatliche Schule, jedochverkehrsmäßig schlecht erreichbar undohne einen Raum, in dem sich die ganzeSchule versammeln konnte. Als die Schule1989 mit 13 Klassen voll ausgebaut war,platzte sie aus allen Nähten.

Die Suche nach einem endgültigen Stand-ort gestaltete sich langwierig und schwie-rig. Publikumswirksame Aktionen wie dieBeteiligung am Karnevalszug oder eine Mo-natsfeier unter freiem Himmel in unmittel-barer Nähe des Kölner Doms, offiziell alsDemonstration genehmigt, machten zwardie Öffentlichkeit auf das Problem aufmerk-sam, halfen aber konkret auch nicht weiter.

Neubau der Freien Waldorfschule KölnGemeinsame Projekte mit der benachbarten Gesamtschule

307

Blick von Nordwesten auf das Hauptgebäude: Im Vordergrund mit abfallenden Dächern Aula, Bühnen-hinterräume mit rechts und links angrenzenden Musik- und Eurythmieräumen

Im Hintergrund die Hausmeisterwohnung und die Turnhalle

Mut zum Träumen

Eine Schule erträumen, die schönste Schuleder Welt – das war die Aufgabe, die uns Ar-chitekt Peter Hübner zu Beginn der Pla-nung stellte. Daraufhin bauten die Schüleraus Pappe, Filz und Holz ihre Klassenräu-me, die Lehrer beschrieben auf Zetteln idea-le Unterrichtsbedingungen, an Arbeitswo-chenenden wurden mit den Eltern Modellegebaut. Die neue Schule sollte ein Ort derBegegnung, offen und lichterfüllt sein. Siesollte den Kleinen die Wärme eines Nestesvermitteln, Nischen und Geborgenheit bie-ten, zugleich aber auch klar und leicht inder baulichen Struktur sein. In Material undGestalt sollte sie »ehrlich«, in der Konstruk-tion durchschaubar und erlebbar sein. DerArchitekt verstand es, die Begeisterung undPhantasie aller Beteiligten mit sprechendenBildern und Metaphern anzuregen. So dasBild vom Marktplatz inmitten der umge-

benden Häuser (Klassenräume), wo mansich versammelt und begegnet, ein Markt-platz mit Ecken und Nischen, Licht undSchatten, Pflanzen und Wasser und ganzunterschiedlichen Raumqualitäten. Es wardann die Aufgabe des Architekten, denTräumen und Vorstellungsbildern die Formeines Gebäudes zu geben und diesesschließlich auch zu errechnen. Der Entwick-lungsprozeß dauerte insgesamt fast zweiJahre; zuletzt stand fest, daß die neue Schu-le aus zwei größeren Einheiten bestehensollte: einem Hauptgebäude mit den Klas-sen- und Fachräumen, dem Saal und derVerwaltung sowie der Turnhalle mit denWerkstätten und der Hausmeisterwoh-nung. Zu einem historischen Datum derKölner Schule wurde der einstimmige Bau-beschluß der Schulgemeinschaft im Juli1995. Der erste Spatenstich erfolgte siebenWochen später.

308

Träume wurden Realität

Die Werkstätten und die angrenzendeHausmeisterwohnung wurden in Eigenlei-stung von der Schulgemeinschaft ausge-baut. Mit hoher Motivation ergriff die El-ternschaft im Sommer 1996 diese erste Bau-aufgabe, auch die Schüler der 9. und 10.Klasse halfen in Baupraktika während zweiSchuljahren mit. Die Eigenleistung trugnicht nur dazu bei, Geld zu sparen, sondernermöglichte allen Beteiligten auch, sich mitdem neuen Schulgebäude zu identifizieren.Neben der Elternselbsthilfe kam dem Bau-kreis eine besondere Bedeutung zu, da er alsVertreter des Bauherrn durch sein Geschickin den Verhandlungen mit Behörden, Pla-nern und Unternehmern wesentlich zumGelingen des Bauablaufs und seiner Finan-zierung beitrug.

In der frühen Planungsphase hatte sichdem Architekten die Rose als Leitbild erge-ben: der Stengel als die tragende Stütze unddarum herum die Klassenräume. Das Fünf-gliedrige der Rose wurde in der Folge zumKonstruktionsprinzip für das Dachtrag-werk und die Fassaden, für die Klassenauf-teilung und die Klassengeometrie. Um dieStütze ist ein zentraler Raum entstanden,der Marktplatz oder die Oase. Hier wach-sen Palmen und plätschert Wasser. Von hiergehen alle Wege aus. In der Oase trifft undsieht man sich, hier spielen die Kleinen, aufden Treppengalerien kann man flanieren,kann andere sehen und gesehen werden.Um diesen Raum gliedern sich die Klassen-und Fachräume, die Verwaltung, das Leh-rerzimmer und der Saal. Er ist knapp be-messen, doch in Form und Größe so gestal-tet, daß vielfältige Nutzungen möglich sind.Mit seiner guten Akustik sind größere Ver-anstaltungen, Klassenspiele und Schulfei-ern schon zu einem erfreulichen Erlebnisgeworden. Das Tageslicht, das durch dasGlasdach der Pyramide hereinfällt, erfülltden zentralen Innenraum mit Helligkeitund wechselnden Lichtstimmungen. Die

farbliche Ausgestaltung der Schule, welcheder Farbgestalter Heiner Nienhaus unterMitwirkung von Lehrern, Eltern und Archi-tekt entwickelte und umsetzte, trägt we-sentlich zum Gesamteindruck bei. Unter-schiedliche Materialien, zunächst Holz undBeton, sind in ihren konstruktiven Funktio-nen und ihren unterschiedlichen haptischenWirkungen der Oberflächen erlebbar. Auchaus Kostengründen wurden in der Oaseund den Oberstufenklassen tragende Be-tonwände unverputzt lasiert. Dadurch tre-ten die Spuren der Bearbeitung des Materi-als – beim Beton Verschalung oder Luftbla-sen – in Erscheinung. Diese Spuren, oftdurch Fehler oder Ungenauigkeiten verur-sacht, wurden, solange sie keine baulichenMängel darstellten, bewußt stehengelassen.

Ökologische und ökonomischeAspekte

Ein zusätzlicher Anspruch beim Bau desSchulgebäudes war der verantwortungs-volle Umgang mit der Umwelt. Durch einausgeklügeltes Lüftungskonzept wurde einsparsamer Umgang mit Heizenergie undein hoher Raumluftkomfort in den Klassenund im Saal ermöglicht. Unterirdische Erd-kanäle versorgen die Schule mit für die Jah-reszeit vortemperierter Luft, ohne Einsatzvon Klima- und Lüftungstechnik. Grasdä-cher auf der Turnhalle, den Werkstätten undeinem Teil des Hauptgebäudes sorgen füreine gute Isolierung und für eine natürlicheEinbettung in die Landschaft. Nutzflächeund umbauter Raum stehen in einem opti-malen Verhältnis, wobei die Nutzfläche mitder vom Land tatsächlich geförderten Flä-che fast identisch ist.

Die Außenanlagen wurden parallel mitdem Gebäude geplant und erstellt. Garten-und Landschaftsarchitekt Christoph Harmsarbeitete mit Architekt Hübner Hand inHand. Das Prinzip von Nischen und cha-rakteristischen Orten wurde auch in der Ge-ländegestaltung verwirklicht, wobei hier

309

vieles erst noch im Entstehen ist. Mit einemTeich soll ein Biotop entstehen; der Garten-bau und die Sportanlagen, ebenso die Klas-sengärten und die entsprechenden Spielge-räte sind noch im Aufbau.

Unerwartete Folgen der Standortwahl

Der neue Standort, eine Hochhaussiedlungmit hohem Ausländeranteil und großer Ar-beitslosigkeit, wurde von uns anfangs sehrkontrovers diskutiert. Bei der Entscheidungfür diesen Ort haben wir uns zur Auflagegemacht, eine Beziehung zu unserer neuenUmgebung herzustellen und uns so weitwie möglich für die Nachbarschaft zu öff-nen. Neben dem Kennenlernen der Institu-tionen des Bezirks war ein entscheidenderSchritt die Einrichtung von Kursen in unse-ren Werkstätten für Jugendliche der direk-ten Umgebung, von denen viele »bildungs-benachteiligt« sind. Unser Werklehrernahm frühzeitig Kontakte zu verschiedenenInitiativen im Stadtteil auf und stieß dabeiauf ein Kooperationsprojekt, das sich be-müht, den Übergang von der Schule ins Be-rufsleben zu unterstützen. Da dieses Projektmit Landesmitteln gefördert wird, konntenwir eine halbe Stelle für einen Mitarbeitereinrichten, der mit den Jugendlichen ausder Nachbarschaft sowohl in unseren Holz-werkstätten als auch im benachbarten Ju-gendzentrum arbeitete. Dadurch war unserBau schon in der Entstehung kein Fremd-körper für die Umgebung. Das war sicher-lich wesentlich, da während der Grund-steinlegung ein paar Eier über den Bauzaungeflogen waren. Hinzu kam die wichtigeEntscheidung, daß unser Hausmeister aufdem Grundstück wohnen muß. So konnteer bereits während der Bauphase durch sei-ne Präsenz all jene Jugendlichen kennenler-nen, die die Baustelle als Spielplatz benutz-ten.

Nach dem Einzug bekamen wir natürlichtrotzdem Probleme. Einerseits »Besuch«während des Vormittages und der Abend-

veranstaltungen, andererseits kam es zuHandgreiflichkeiten vor der Schule und amS-Bahnhof. An dieser Stelle ist es wichtig,darauf hinzuweisen, daß sich dieses Viertelnicht nur durch seine dichte Bebauung aus-zeichnet, sondern auch durch die Anzahlder Schulen. Auf einer Fläche von etwazweieinhalb Quadratkilometern befindensich acht Schulen, darunter eine der größtenGesamtschulen und eine der größtenGrundschulen Nordrhein-Westfalens, ins-gesamt werden hier etwa 6000 Schüler un-terrichtet. Sechs Wochen nach unserem Ein-zug wurde zum erstenmal ein Schüler aufdem S-Bahnhof geschlagen. Was tun? DreiMonate später kam es erneut zu Handgreif-lichkeiten an der S-Bahn, die jetzt gleichmehrere Schüler betrafen.

Projektwochen mit der Gesamtschule

Zur Lösung kamen wir auf einem Umweg.Schon drei Jahre zuvor hatten wir Kontaktzur Gesamtschule in Köln-Chorweiler auf-genommen und dort das Klassenspiel derzwölften Klasse aufgeführt. Während derProbenzeit war die Idee entstanden, nachdem Umzug gemeinsam eine Projektwochedurchzuführen. Der Kontakt blieb über ei-nen Lehrer erhalten, der mit seinen Pädago-gikkursen regelmäßig unsere Schule be-suchte. Ein Jahr vor unserem Umzug, imFrühjahr ‘96, setzte sich ein kleiner Kreisvon Lehrern der Gesamtschule und derWaldorfschule zusammen, um die künftigeNachbarschaft zu besprechen. Das Interessewar bei einigen Kollegen auf beiden Seitensehr groß, aber auch das Erstaunen darüber,wie wenig wir über die andere Schule wuß-ten. Bereits für den Herbst nahmen wir unsdie gemeinsame Projektwoche vor, ahnend,daß die organisatorischen Schwierigkeitengroß würden. Es haben dann nur insgesamtzwei Schüler unserer Schule an einer Pro-jektgruppe der Gesamtschule teilgenom-men. Ihre Berichte waren äußerst positivund die Kontakte, die sie hergestellt hatten,

310

Blick vom Erdgeschoß auf die Galerien des 1. und 2. Stocks

Blick vom 2. Obergeschoß in den Innenraum

brachte er für uns noch ein weite-res Ergebnis. Unsere Schüler er-kannten dabei Jugendliche, diesie an und in der S-Bahn attak-kiert hatten. Hier zeigte sich dieGesamtschule erfreulich hilfsbe-reit, obwohl sich bald herausstell-te, daß diese Jugendlichen garnicht Schüler der Gesamtschulewaren. Durch die Hilfe von Schü-lern und Lehrern konnten wir er-mitteln, um wen es sich handelte.Unsere Schüler waren in dendazu notwendigen Gesprächen

erstaunt, wie zielstrebig die Lehrer der Ge-samtschule da vorgehen und wie diszipli-niert es in den Klassen zugeht. Das machtedeutlich, welche Vorurteile hier vorgelegenhaben. Auch die Gespräche mit den Jugend-lichen der anderen Schulen verliefen bis aufeine Ausnahme konstruktiv und führtenauf beiden Seiten zu mehr Verständnis.

Im März ‘98 begann die Vorbereitung der

für uns sehr nützlich. Wir trafen uns dannim Frühjahr ’97, kurz nach unserem Um-zug, mit Kollegen der Gesamtschule undstellten unsere Schulsysteme vor. Bei dendoch erheblichen Unterschieden sowohlder Schulen als auch der Schülerschaft er-staunte uns die Ähnlichkeit der Problemean vielen Stellen und unterstrich den Sinneiner Kooperation. In der Folge luden wirdie Gesamtschule zu unseren Klassenspie-len ein; unsere Oberstufenschüler konntenan Vorträgen und Diskussionen in der Ge-samtschule teilnehmen.

Dann planten wir die nächste gemeinsa-me Projektwoche. Die Gesamtschule veran-staltete eine »klassenübergreifende« Pro-jektwoche nur für die Jahrgangsstufen 11und 12 (ca. 160 Schüler), wir dagegen fürdie Klassen 9 bis 12 (ca. 140 Schüler). JedeSchule stellte auf ihre Weise ihre Projekt-gruppen zusammen; eine Lehrerin der Ge-samtschule und ein Lehrer von uns über-nahmen dann die mühsame Aufgabe, denmit viel Detailarbeit verbundenen Aus-tausch zu realisieren. Daß er gelungen ist,zeigte das Abschlußplenum, bei dem einemGesamtschüler, der das erweiterte Angebotund die angenehme Atmosphäre lobte,mächtig applaudiert wurde. Im Novemberbesuchten wir mit achtzig Schülern unsererSchule den Vortrag »ZukunftsfähigesDeutschland?« in der Gesamtschule. Nebender hervorragenden inhaltlichen Qualität

311

greifen können. Andererseits haben Lehrervon uns bereits an zwei von der Gesamt-schule veranstalteten Fortbildungen zumeigenverantwortlichen Arbeiten und zuLernmethoden teilgenommen, was sich alsäußerst fruchtbar erwies.

Die Entscheidung für Chorweiler ist ausder Schwierigkeit entstanden, in Köln einenangemessenen Standort zu finden. UnsereZusammenarbeit ist aus der Einsicht ent-standen, sich in einem fremden Umfeldnicht isolieren zu können und gleichzeitigdie Verantwortung zu übernehmen, die unsaus unserem pädagogischen Ansatz er-wächst. Wie befruchtend dabei die Zusam-menarbeit mit städtischen Institutionenund staatlichen Schulen, sowohl die Orga-nisation als auch die Inhalte betreffend, seinkann, war für manche von uns überra-schend. Markus Schulze

nächsten Projektwoche. Die Gesamtschulegriff jetzt unsere Vorgehensweise auf, dieSchüler an der Auswahl der Projektgruppenzu beteiligen, während wir von der Organi-sation der Gesamtschule etwas lernenkonnten. Der Austausch der Schüler klapp-te jetzt besser. Auch Neuntkläßler gingen indie Gesamtschule. Gemischte Gruppen wa-ren also noch häufiger und die Ergebnissedurchaus erfreulich. Interessant war, daß inder Projektgruppe »Kriminalität« Gesamt-schüler und Waldorfschüler die Konfliktezwischen Jugendlichen aus Chorweiler undWaldorfschülern szenisch darstellten. DasPotential der Möglichkeiten zeigte sichauch deutlich in einer Theatergruppe, dieselbst ein Stück entwarf. Hierbei kamen na-türlich die unterschiedlichen Erfahrungenauf den Tisch, die dann spielerisch bearbei-tet werden konnten. An dieser Stelle sei an-gemerkt, daß wir eine ABM-Stelle beantragtund bereits zugesagt bekommen haben füreinen Theaterpädagogen, der mit Chorwei-ler Jugendlichen arbeiten soll.

Überlegungen zu weiteren Berührungs-punkten führten dazu, daß sich einige Leh-rer der Gesamtschule die Präsentation derJahresarbeiten unserer 12. Klasse ansahenmit der Frage, ob sie diese Arbeitsweise auf-

Volkstanzübungen der sechsten Klasse auf demSchulhof – im Hintergrund das Hauptgebäude

Das Licht fällt durch das Glasdach in die Oase –inzwischen ist dieses Foto oft verwendetes Motivauf Plakaten.

312

Besuch in einem Waldorfkindergarten derSioux-IndianerWaldorfkindergärten haben sich in vielenLändern der Erde angesiedelt. So ist es nichtungewöhnlich, daß es auch einen bei denIndianern Nordamerikas gibt, nämlich imPine Ridge Reservat in South Dakota, USA.Dort sollte meine dreiwöchige Reise hinge-hen: zu den Indianer-Kindern vom Stammeder Oglala Lakota, dem Volk des Friedensund der Freundschaft. Das Reservat befin-det sich im Südwesten von South Dakotaund ist mit einer Fläche von 5.000 Quadrat-meilen das zweitgrößte in den USA und dieHeimat von etwa 20.000 Stammesmitglie-dern.

Bei der Anfahrt war in der Dunkelheit dieWeite und Einsamkeit der Prärie zu erah-nen, aber noch nicht sichtbar. Vom klarenSternenhimmel fiel eine Sternschnuppe her-ab – ein schönes Willkommenszeichen. DerWeg führte teilweise durch den BadlandsNationalpark, und nach eineinhalb Stundenwar der Kindergarten, etwas außerhalb derkleinen Ortschaft Kyle, erreicht. Ein einfa-ches Häuschen mitten in der Prärie.

Der erste Tag im Kindergarten begannmit überraschendem Neuschnee, der amnächsten Tag wieder dahinschmolz undnasse, matschige Wege hinterließ. MeineAufgabe war es, bald täglich den Schulbuszu fahren und die neun Kinder in Kyle ab-zuholen. Dabei begleitete mich der indiani-sche Busfahrer Mason Young Bull Bear, undwir waren etwa eine Stunde unterwegs. Diemeisten Kinder haben berufstätige Eltern,d. h. Eltern, die von der Arbeitslosigkeit(90 Prozent) nicht betroffen sind. Wir holtensie zu Hause, am Arbeitsplatz der Elternoder bei einer Tagesmutter ab.

Einige Eltern sind Lehrer an der indiani-schen Reservatsschule und haben sich fürden Waldorfkindergarten entschieden, dadie anderen Einrichtungen es oft nicht er-möglichen, die indianische Kultur und Tra-

dition genügend zu pflegen. Dazu gehörendie inneren Werte und Tugenden, wie Auf-richtigkeit, Ehrbarkeit, gegenseitiger Re-spekt und Ehrfurcht vor Natur und Land.

Wir versorgten morgens die Kinder, dieohne wetterfeste Kleidung kamen, und be-gannen täglich den Aufstieg auf den Hügel.Dort oben liegt ein kleiner Steinkreis, undum diesen herum versammelt, spürten wirden frischen Präriewind und sprachen denMorgenspruch:

The earth is firm beneath our feet,The sun shines bright above.And here we stand so straight and tall,All things to know and love.Good morning dear earth,And all the rocks and plants and animals,Good morning dear sun,Good morning everyone.

Freudig rannten wir den Hügel hinunterund stärkten uns mit einem guten Früh-stück aus Getreidebrei, pancakes, toast oderscrambled eggs mit Milch oder Wasser. Da-nach begann das Freispiel.

Während dieser Zeit fingen die beiden In-dianerfrauen Agnes und Marlene mit denVorbereitungen für das Mittagessen an, undwir schnitten mit den Kindern die frischenZutaten klein.

Im Reigen bearbeiteten wir die Beete, sä-ten, wässerten die Blümchen und freutenuns an ihrem Wachstum. Beim zweiten Frei-spiel draußen arbeiteten wir dann richtigmit unseren kleinen Gartengeräten und ge-nossen die Wärme der Frühlingssonne. ImMärchenkreis hörten wir kleine Geschich-ten und Legenden über Indianer, Büffel,Waschbären, Rehe und die Prärie.

Einmal machten wir mit den Kindern ei-nen kleinen Ausflug, einen »field trip«. Wirsaßen alle hinten auf der Ladefläche desPick-up und holperten über die Unebenhei-

313

ten der Präriehügel. Wir fuhren einen Hügelhoch, direkt auf einen einsamen Baum zu.Dort liegt die Grabstätte von Robert Stad-nick, der 1992 die Wolakota Waldorf Societygründete, und streuten Wildblumen-Samenaus.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen be-dankten wir uns bei »Tunkansila«, dem gro-ßen Vater im Himmel:

Tunkansila, who is guarding us,Be thou a smooth path before us,Be thou a shining star above us,Be thou a kind shepherd behind us,Today, tonight when the stars are shining,Brightly and forever.

Meine freie Zeit widmete ich den Büchernund Filmen der Bibliothek des Oglala Lako-ta Colleges (Piya Wiconi) in Kyle. Dort stu-dieren etwa 1.000 Indianer und Weiße. We-gen der großen Entfernungen im Reservatunterrichten die Dozenten auch in kleinenAußenstellen, die über das gesamte Reser-vat verstreut sind. Es werden Kurse überdie Kultur der Lakotas, Geschichte, Kunst,Agrarwirtschaft, Handwerk, Wirtschaft,Waldorfpädagogik und vieles mehr ange-boten.

An einem Abend lernte ich von den india-nischen Frauen die traditionelle Handarbeit»quillwork«. Mit den Stacheln des Stachel-schweines schmückten die Indianer früherihre Lederkleidung; später folgten »beads«,kleine Glasperlen. Untereinander sprachendie Indianerinnen ihre Lakota-Sprache.

Ich erfuhr von ihnen, wie das Leben imReservat früher gewesen ist. Viele Indianer-kinder wurden vom weißen Mann wegge-holt und zu Internatsschulen gebracht. DieEltern versuchten, ihre Kinder zu verstek-ken, jedoch nicht immer erfolgreich. DenKindern wurden die langen schwarzenHaare abgeschnitten, sie durften ihre Leder-kleidung nicht mehr tragen und ihre Mut-tersprache nicht mehr sprechen. Dieserschwerwiegende Eingriff unterbrach die in-dianische Erziehung der jungen Generati-

Buffalo Ceremony: Die Büffelsuppe wirdtraditonell im Büffelmagen gekocht

on, denn früher war der gesamte Stamm ander Kindererziehung beteiligt.

Einmal konnte ich eine traditionelle »buf-falo ceremony« miterleben. Am Morgenwurde ein stammeseigener Büffel geschos-sen und am Nachmittag traditionell verar-beitet. Daran waren alle beteiligt, Erwachse-ne und Kinder, alte und junge Menschen.Nach indianischer Sitte steht niemand mitden Händen in den Taschen da, sondern allehelfen, da wo es nötig ist, und lösen andereab. Ich half beim Backen des »indian frybread« auf offenem Feuer. Nachdem die Ar-beit beendet war, wurde zum Büffeltanz ge-trommelt, gesungen und gebetet. Danachgab es Essen für alle, mit dem Brot, demBüffeleintopf, »wastunkala« (Maissuppe)und »wozapi« (Beerengrütze).

Für mich ging die Zeit viel zu schnell zuEnde. Ich hoffe, daß viele Menschen helfen,damit der Kindergarten weiter bestehenkann und der Wunsch einer Schulgründungvon Bob Stadnick in Erfüllung geht!

314

Im Waldorfkindergarten der Sioux-Indianer im Pine Ridge Reservat/South Dakota

Kontaktadresse in Deutschland: Elke Lorenzi, Hohensteinstr. 32, 96117 Memmelsdorf, Tel.0951-43554, Fax 0951-4071773. Brigitte C. Kögler, Waldorflehrerin in Dietzenbach

Sun Dance Shade am Oglala-Lakota-College

315

Ausflug mit dem Pick-up in die Prärie zur Grabstätte von Robert Stadnick, dem Begründerder Waldorfinitiative

Kindergartenkinder beim Freispiel im Neuschnee

316

Alles Sand, oder was?Erfahrungen aus einem israelischen Kibbuz

Seit vielen Jahren stand mein Wunsch fest,Israel kennenzulernen. Auch wenn einSchüleraustausch in der 10. Klasse nichtnach Israel, sondern nach New York führte,so hat er mich doch nur in meinem Ent-schluß gestärkt. Schließlich begann ich inNew York, intensiv Hebräisch zu lernen,und nach dem Abitur sollte es losgehen.

Über die Kibbuzzentrale in Frankfurt ließich mir Adressen geben und bat verschiede-ne Kibbuzim um Informationen, denn ichwollte nicht in jeden beliebigen Kibbuz ein-geteilt werden. Trotz aller Skepsis am politi-schen Geschehen in Israel, trotz der Sorgevon seiten meiner Eltern (wohl beeinflußtdurch die tatsächlich furchteinflößendenMedienberichte), ob es nicht doch etwas ge-fährlich dort sei, stieg ich Anfang Septem-ber ins Flugzeug nach Tel Aviv.

Kreativ im Kollektiv

Vor zehn Jahren gründete eine JerusalemerGruppe von achtzig Menschen im südli-chen Negev einen Kibbuz mit dem Ziel,eine Gemeinschaft zu schaffen, die es er-möglichen würde, durch ein »kreatives, kol-lektives Arbeitsleben« zu lernen, was Ko-operation und Zusammenleben bedeutet,und zu den Wurzeln des Zionismus zurück-zufinden.

Aus der Initiative entwickelte sich eineReihe von Wirtschaftszweigen, wie den hierüblichen Dattelplantagen und Zitruskultu-ren, aber auch bio-organische Landwirt-schaft mit Wein- und Olivenpflanzungen,einem großen Obstgarten, einer Ziegenfarmund Gemüsegärten. Der Bau eines kleinenProduktionsbetriebes soll der Verarbeitungder organischen Produkte dienen, so z. B.von Molkereierzeugnissen, Wein, Olivenölund Honig. Weitere, nicht landwirtschaftli-che Projekte beinhalten die Unterhaltung ei-

nes Souvenirladens im Flughafen, einerkleinen Raststätte, weiter eine Dokumentar-film-Gesellschaft und den Bau eines Kunst-und Handwerkszentrums, in dem für dieZukunft Seminare geplant sind. Die ca. 150Bewohner sind teils Mitglieder, teils jungeMenschen (unter ihnen auch einige aus denUSA und Europa), die hier für einige Jahrearbeiten, und schließlich eine Anzahl be-zahlter, aber recht gut integrierter Gastar-beiter aus Ost- und Südostasien.

4.15 Uhr. Noch ist es dunkel und kühl. Ineiner halben Stunde treffen wir uns im Es-sensraum, um gemeinsam und in Ruhe denTag zu beginnen. Schon wird es hell, undwir teilen uns auf zur Arbeit. Da geradeErntezeit ist, arbeiten wir in großen Grup-pen, was für alle eine Abwechslung bedeu-tet; aber für mich ist alles neu und interes-sant, so daß mir auch die zunehmende Hit-ze nichts ausmacht. Die Traktoren besitzeneine Hebebühne, auf der wir direkt unterdie Palmblätter gefahren werden, von woaus wir die reifen Datteln abschütteln kön-nen. Später wird sortiert und zur Weiterver-arbeitung und zum Export in eine Gemein-schaftsfabrik einiger Kibbuzim geliefert.

Wer in einem dickwandigen Steinhaus imZentrum des Kibbuz wohnt, wo die Bäumegenug Schatten bieten, hat Glück. MeinZimmer befindet sich jedoch im neuen,noch jung bepflanzten Teil, und die dünnenPappwände des Caravans halten wedertags Hitze noch nachts Kälte ab, so daß nurdie lärmende Klimaanlage hilft. Zumindesthat man hier das Gefühl, wirklich in derWüste zu leben. Läßt man das Fenster einenSpalt offen, so erinnert einen spätestens dieStaubdecke auf Fußboden, Bett und Regalnach dem nächsten Sandsturm daran, woman sich befindet.

Um 19 Uhr treffen wir uns zum zweitenTeil der Arbeit. Alle Mitglieder und Gäste

317

nehmen am Bau eines Kunstzentrums teil,in dem später Kurse stattfinden sollen. Ichbin im Fußbodenteam und werde in alleAufgaben so eingeführt, daß es selbst ohnejegliche Vorkenntnisse möglich ist, ordentli-che Betonböden in verschiedensten Formenund Farben herzustellen. Zuerst müssen dieSkizzen von Figuren und Formen auf denGrund übertragen werden, dann werdenentsprechend den Vorgaben Aluleisten ge-bogen und in Halterungen auf dem Bodenangebracht. Jetzt kann der Beton zubereitetund gegossen werden, wobei uns die chine-sischen und thailändischen Gastarbeiter un-terstützen, die als einzige berufliche Erfah-rung mitbrachten. Schließlich muß der festeBeton geschliffen werden – eine endlose Ar-beit. Mittlerweile ist es fast 23 Uhr und spätgenug, um aufzuhören – müde, aber glück-lich.

Zu mehreren Leuten ein Projekt wie die-ses vorwärtszutreiben ist eine seltene Gele-genheit, gerade weil das Gebäude viele Be-sonderheiten aufweist, die es sowohl künst-lerisch als auch technisch-praktisch zu einerNeuheit in der Wüstenarchitektur machen.Als Beispiel sei hier ein absolut umwelt-freundliches passives Kühlsystem erwähnt,welches allerdings noch versuchsweise ent-wickelt wird.

Jeder bekommt, was er benötigt

Nach einigen Wochen ändern sich die Zei-ten. Im Winter ist es nachts zu kalt und mor-gens zu lange dunkel, um so früh anzufan-gen. Zudem lassen sich die Tagestempera-turen aushalten. Also geht es an einemStück bis zum späten Nachmittag zur Ar-beit. Wer einmal frei haben möchte, dernimmt sich einen Tag Urlaub, ohne daß je-mand zählt. Bezahlung gibt es ohnehinnicht. Wer zusätzlich zu Verpflegung, Un-terkunft, Wäscheversorgung, allgemeinemKleiderlager usw. Geld braucht, z. B. füreine Fahrt nach Eilat o. ä., der bekommt,was er benötigt, unabhängig davon, ob er

halbtags oder 24 Stunden gearbeitet hat. Zuletzterem findet man immer Möglichkeiten.Fast jeden Nachmittag werden Freiwilligegesucht zu Pflanzaktionen im Obst- oderGemüsegarten, zur Errichtung eines Zau-nes rund um den Kibbuz, zu Küchenarbei-ten usw. Auch am Schabbat geht es weiter –mehr oder weniger freiwillig. Aus religiö-sen Gründen nicht zu arbeiten oder auchmal auszuruhen wird problemlos akzep-tiert, aber generell soll und will man dochhelfen, und das gemeinschaftliche Tunbringt ohne Ausnahme viel neue Energieund Spaß, besonders die großen Pflanzak-tionen an Feiertagen wie dem Laubhütten-fest und Tu bi’Schwat (Neujahr der Bäume),der auch als »Nationalfeiertag« dieses Kib-buz betrachtet wird. Sogar die Kinder hel-fen mit, Grünflächen anzulegen, wo zuvornichts als harter Wüstenboden war.

Beim Bananenpflanzen auf den steilenund engen Terrassen, wo zwischen dendicht beieinanderliegenden Löchern kaumPlatz zum Laufen ist, werden Menschenket-ten mit bis zu dreißig Gliedern gebildet,vom Anhänger diagonal über mehrere Ter-rassen zu den Stauden, und in rasendemTempo werden die schweren Sandeimervon Hand zu Hand gereicht oder sich zuge-worfen, unabgesprochene »Sportwett-kämpfe« veranstaltet, bei denen jeder ver-sucht, möglichst weite Strecken zwischenseinen Nachbarn zu rennen, über Grubenzu springen und den Sand weiterzureichen.

Nach einiger Zeit kehrt man zu ruhigemWeitergeben zurück – mittlerweile schwitztman doch genug, und die Kraft läßt auchirgendwann nach. Die 350 Stauden lassensich auch langsamer pflanzen, zumal zurZeit, d. h. an Pessach 1998, der Scharaw dieheißesten Tage seit dreißig Jahren bringt.

Der Winter dagegen ist kurz, kann aberauch sehr kalt sein.

In der Plantage, in der ich nun im festenTeam arbeite, zu fünf Männern und Frauenund fast 2000 Bäumen, fallen in der kaltenJahreszeit die besonders anstrengenden Ar-

318

zel- oder Kreistänze zu selbstgeschriebenerMusik, manchmal Theateraufführungender Kinder.

Unterwegs durch das Land

Auf einer Tour Richtung Norden erreichenwir Jerusalem, wo wir einige Tage verbrin-gen, ein preisgünstiges Quartier in der Alt-stadt finden, in den arabischen Basaren zuSpottpreisen gute Sachen erstehen (nachtüchtigem Handeln, versteht sich!), von be-duinischen Juwelieren zum Tee eingeladen,von Händlern in ihre Läden gezerrt werdenund nur mit dem Motto »no time, nomoney« entkommen, die üblichen Sehens-würdigkeiten ansehen (wie die Westmauer,den Felsendom, die Grabeskirche, die be-rühmten Chagallfenster usw.). Ist man öf-fentlich unterwegs, darf man sich nicht dar-an stören, als einziger in Zivil gekleideterTourist zwischen uniformierten und teilsbewaffneten Soldaten zu sitzen, da in Israelsowohl Männer als auch Frauen drei bzw.zwei Jahre Militärdienst leisten müssen undauch später ein jährlicher Reservedienstverlangt wird.

Zur Zeit der Spannungen im Irak, wo dasLand in akuter Kriegsgefahr steht, Gasmas-ken erneuert, im Zentrum Plastikfolien zurAbdichtung von Häusern vor chemischen

Bei der Arbeit in der Dattelplantage

Pflanzaktion im Kibbuz

geßlichen Ereignis. Derzweite Abend dort ist Schab-batvorabend, an dem dasfeierliche Element wie auchim Kibbuz nicht zu kurzkommt. Mit weißen Tisch-decken, Kerzen und Weinläßt sich auch in der »Wild-nis« etwas Schabbat-Atmo-sphäre schaffen; es wird ge-sungen, diskutiert oder stilldagesessen. Meist findennachher Treffen statt, entwe-der Gespräche zu bestimm-ten Themen oder Tänze, Ein-

beiten an: das Beschneiden mit hydrauli-schen Baumscheren und das Entfernen derStacheln von den Palmblättern mit der Ma-chete. Mit oder ohne Leiter klettern wir denStamm hoch, suchen uns in 10 bis 15 MeterHöhe eine bequeme Stellung auf den Blät-tern, schneiden die Dornen ab, während wirmit Machete in der Hand eine Umrundungdes Baumes vollziehen, und steigen nachfünf Minuten wieder herab.

Ein dreitägiger Ausflug zur Olivenernteführt in die Nähe von Jerusalem und wird –inkl. Nachtwache am Lagerfeuer und Schla-fen unter freiem Himmel – zu einem unver-

319

Angriffen aufgekauft, der Süden und Nor-den des Landes als Ausweichwohnsitze an-gestrebt werden, da beginnt man spätestenszu begreifen, daß doch eine gewisse Not-wendigkeit militärischer Ausbildung be-steht.

Auch inmitten der Wüste spüren wirdeutlich die Erleichterung, als es im Golfvorerst zu einer Einigung kommt. Schließ-lich hat fast jeder Verwandte oder Bekanntein Tel Aviv oder Jerusalem und hat größten-teils persönlich Luftangriffe o. ä. sowie denVerlust Nahestehender miterlebt. Trotz al-lem hört man nicht selten: »Ich habe keineAngst vor Saddam. Ich habe Angst vor derPanik der Menschen.« Nie höre ich ein Wortallgemeiner Feindschaft gegenüber der Ira-ker Bevölkerung. Eine negative Einstellungrichtet sich allein gegen die dortige politi-sche Führung. Das Verhältnis zu den imLand lebenden Arabern ist schwierig, abernicht antagonistisch. Alle sind sich der pro-blematischen Situation bewußt, wissen aberkeine Lösung und sind teils auch müde,nach einer zu suchen.

Die Frage menschlicher Beziehungen je-der Art gehört zur Ideologie dieses Kibbuz,der sich als Schule betrachtet, und in vielenGesprächen, gemeinsamen Aktivitäten,Ausflügen zu Arbeitseinsätzen wie der zurOlivenernte, nächtlichen Wanderungen,

aber auch im Umgang mit dem Alleinsein,versucht man einiges davon zu verwirkli-chen. Menschliches Zusammenleben kannman überall erfahren und daraus lernen,nur ist es manchmal schwer, aus seinen Ge-wohnheiten herauszukommen.

Carola Eimermacher

Das Kunstzentrum

Blick übersLand

320

Wenn Lehrer Schüler werden …Sechste Fortbildungswoche für Schulmusiker in Bexbach

Waldorflehrer spielen mit Steinchen, um ih-nen Töne zu entlocken, sie nehmen eineKinderleier in die Hand oder muten sichdas Erlernen des Gitarrenspiels zu … So ge-schehen im Januar in Bexbach/Saarland,wo sich rund 100 Musiklehrer für fünf Tagein Schüler verwandelten. In Kursen, Work-shops, Gesprächskreisen, beim Morgenchorund den vielfältigen »Begegnungen neben-her« wurde erübt und gelernt, was dieSchüler der Freien Waldorfschule Saar-Pfalzdann auch auf einer Schulfeier zu Auge undOhr bekamen. Staunend erlebten sie, daßLehrer nicht nur streng und abgekämpftsind, sondern mit fröhlich-entspannten Ge-sichtern trommeln, Metallstäbe erklingenlassen oder afrikanische Gospels singen …

Es war schon eine Wucht, diese Tagung –eine Tankstelle für Seele, Geist und die Un-terrichtsvorbereitung. Da gab es Workshopswie das Spielen mit Naturinstrumenten,wo nicht nur erstaunliche Klänge mit Stein-chen oder Hölzern erzeugt, sondern auchelementare Erfahrungen in Gruppenimpro-visation gemacht wurden: Wo ist die Balan-ce zwischen Kommunikation und Experi-mentierfreude, wenn zwei oder mehr Men-schen in ein »klingendes Gespräch« treten?Was können uns die Elemente der Naturlehren mit den ihnen zugeordneten »tönen-

den« Stoffen Stein/Keramik – Früchte/Holz – Tierhäute/Metall – Luft/Schall?

Im zweimal täglich stattfindenden Work-shop Der Atem der Trommel begeisterte einLeib-und-Seele-Trommler (der als jungerMensch die Waldorfschule wegen dieserLeidenschaft verlassen mußte …) so stark,daß die Teilnehmer zu »begeisterten Grenz-gängern des Hörens« wurden und noch lan-ge danach eine »Vibration der Fingerspit-zen« fühlten. Wolfgang Wünsch ermutigtedie Mitgestalter in seiner Einführung inMusikwerke durch Improvisation, dies imUnterricht doch öfter zu tun und mutig»Fehler in Impulse zu verwandeln«. Vom»Heiligtum« Leier, das uns »neue Tore er-öffnen« könne und nur in die Hand genom-men werden solle, hieß es bei der Anmel-dung zu einem Leierkreis: »Mitzubringen:ein wenig Mut!«. Kursleiter Peter Rebbe ausHamburg fand bei der Schulfeier andächtiglauschende Schüler, die sogar leise mitsum-men durften.

Von den 14 Kursen fand jeder viermalstatt, d.h. zu drei Zeiten am Tag konnte mansich lernend betätigen. Zu den genanntenkamen hinzu: Gitarrenspiel, Flötenchor,Musik–Spiel–Bewegung, zwei Gesprächs-kreise (Meditativ erarbeitete Menschenkun-de und Musikunterricht an der Oberstufe)

sowie Von der Bewegung zumKlang.

Als ein Höhepunkt wurde vonvielen der zweimal täglich angebo-tene Kurs Sängerische Kompetenzdes Musiklehrers von Heinz Bähler(Glarisegg/Schweiz) erlebt. MitEinfühlungsvermögen und Begei-sterung brachte er Idee und Inhaltder Werbeck-Methode (Schule der

Musiklehrer erleben den»Atem der Trommel«

321

Stimmenthüllung) nahe. Die Fülle vonÜbungen war in erster Linie zur Selbstschu-lung des Lehrers gedacht, doch gab er auchAnregungen zur Arbeit vor der Klasse – be-gonnen in der Unterstufe – mit auf den Weg.Gekrönt wurden die 90 Kursminuten je-weils von kräftig geschmetterten Beetho-ven- und Schubert-Balladen.

Eröffnet wurde der Arbeitstag von einemanderen mitreißenden Erlebnis: dem mor-gendlichen Chorsingen mit Thomas Nick,Musiklehrer, Kantor, Allrounder an derRendsburger Waldorfschule. Wir alleschlossen das Miserere des Grigorio Allegriins Herz. (Dieses fünfstimmige Chorwerkwurde seinerzeit durch den 14jährigen Mo-zart bekannt, der es aus dem Gedächtnis (!)niederschrieb.) Daneben sangen wir zweietwas ungewohnt klingende Werke FritzBüchtgers (1903-1978) sowie Leonard Bern-steins Chichester-Psalm in hebräisch!

Was wäre eine Schulmusiker-Tagungohne die substantiellen Beiträge von Ste-phan Ronner vom Stuttgarter Seminar? Ihmverdanken die Teilnehmer wertvolle Anre-gungen, die er im Vormittagskurs Motivezu einem schöpferischen Lehrplanverständ-nis gab. Was uns an Zukünftigem in denKindern (und zuweilen in zeitgenössischerMusik) entgegenkommt, gelte es in seinerKeimhaftigkeit zu pflegen. Das kann sichnicht im bloßen »Einpassen« an Geworde-nes, im Anpassen an Alltägliches gestalten.Da gilt es, dem Sinne nach anknüpfend anJulius Knieriem (1919-1.1.1999), ein neuesHören, eine Pflege des Musizierens aus dermenschlichen Mitte heraus, ein erfahrendesErforschen musikalischer Urelemente zuüben. – Der einseitig ausgerichteten Nivel-lierung musikalischer Kultur zu einer ArtGlobalfolklore (Standardisierung der Musikrund um den Erdball wie Cola und Marlbo-ro) muß eine Offensive des erweiterten Hö-rens, ebenso einer neuen Musik entgegen-treten. Avancierte Musikpädagogik trägthier eine hohe Verantwortung gegenübereiner sinnerfüllten Zukunft. Anhand eines

monumentalen selbstentworfenen Tafelbil-des erläuterte Stephan Ronner die den ein-zelnen Entwicklungsphasen des Kindesentsprechenden Beziehungen zur Musikund die daraus abzuleitenden Aufgabendes Schulmusikers. Damit bezog er sich amdeutlichsten auf das Tagungsthema »Tradi-tionsstrom, Geistes-Gegenwart und Zu-kunftsimpuls im musikalischen Schulall-tag«. Kommentar eines Anwesenden: Indiesem Kurs hat er ein ganzes Semester un-tergebracht. –

Einen nicht zu unterschätzenden Platznahmen zwei Abendveranstaltungen ein,welche sich in besonderer Weise der Musikunseres Jahrhunderts widmeten. Ein Stu-denten-Ensemble der Saarländischen Mu-sikhochschule präsentierte in überzeugen-der Vollkommenheit die Hommage à T. S.Eliot der russischen Komponistin Sofia Gu-baidulina (Jahrgang 1931). Sie gilt als »diebedeutendste Komponistenpersönlichkeitihrer Generation aus der ehemaligen So-wjetunion« (Programmtext) und schriebdieses siebenteilige Werk für Sopran undOktett als Reaktion auf die Lektüre der FourQuartetts, welche T. S. Eliot kurz vor sei-nem Tod 1941 dichtete. Am Abend zuvorhatten wir Gelegenheit, das Leben dieser

322

begabten Frau kennenzulernen, welcheheute als geachtete Komponistin inDeutschland lebt. Michael Kurtz – er arbei-tet derzeit an einer Biographie über Gubai-dulina – ließ die Zuhörer gleichzeitig an ei-ner »Reise durch die Musikwelten des 20.Jahrhunderts« teilhaben.

Neben all diesen anspruchsvollen undimpulsierenden »Highlights« gab es diemittlerweile traditionelle Notentauschbörse(ein ganzer Saal voller Notenblätter, hie undda probierende, musizierende, singendeLehrer) und den ebenso traditionellen»Bunten Abend«, bei dem Gedichte inMundart vorgetragen, der Zusammenhang

von Gerade – Krumme und der Reise ins21. Jahrhundert erläutert oder in völligemSaaldunkel Tierstimmen (»Vox Humani-mals«) zu Viola-Variationen ertönen durf-ten. Hinterher konnten alle das Tanzbein zufrisch erlernten Paartänzen schwingen …Erwähnenswert nicht zuletzt die lehrreicheSchulführung des Geschäftsführers dieser»aus nichts«, aber »auf Kohle« erbautenSchule und die geführte Besichtigung desBergbaumuseums und SteinkohlestollensBexbach. Insgesamt kann man resümieren:eine hervorragende Tagung (»Zeitgeist waranwesend«).

So freuen sich alle aufs Wiedersehen inLübeck … am 9. Januar 2000.

Freimut Schade

BUCHBESPRECHUNGEN –LITERATURHINWEISE

Freie AlternativschulenManfred Borchert / Michael Maas (Hrsg.):Freie Alternativschulen. Die Zukunft derSchule hat schon begonnen. 264 S., kart.DM 35,–. Klinkhardt Verlag, Bad Heil-brunn / Obb. 1998

Welchen Anlaß haben Waldorf-Eltern und-Lehrer, sich um die sog. Freien Elternschu-len oder Freien Alternativschulen (FAS) zukümmern? Sind nicht die dort angewand-ten antiautoritären Prinzipien der Pädago-gik Rudolf Steiners so entgegengesetzt wienur möglich? Einen Gesichtspunkt zumin-dest gibt es, der diese Schulen für uns wich-tig macht: Sie vertreten als einzige reform-pädagogische Richtung in nennenswertemUmfang die Auffassung, daß die Pädagogikder Zukunft eine staatsfreie Pädagogik zusein habe. Wenn wir nicht vergessen wollen,

daß Rudolf Steiner mit der Begründung derFreien Waldorfschule einen ersten Schrittfür die Befreiung des Bildungswesens ins-gesamt tun wollte, müssen uns die FreienElternschulen wertvolle Nachbarn sein.

Über diese Schulen gibt es nun eine be-merkenswerte Neuerscheinung, die so gutwie bisher keine andere Publikation einenEinblick in das Werden dieses neuestenZweiges am Baum der europäischen Re-formpädagogik gewährt und außerdemeine Menge wichtiger Informationen überihren gegenwärtigen Stand vermittelt. DasBuch verbindet auf anregende Weise einekritische Zwischenbilanz mit lebendigen,farbigen Darstellungen einzelner Schulmo-delle und ist zugleich ein Ratgeber für alle,die erwägen, sich in ähnlicher Richtungselbst zu betätigen.

Man erfährt zunächst überrascht, daß die

323

Anzeige VFG

324

Freien Alternativschulen, von denen es inder BRD nach mehr als zehn Aufbaujahren1984/85 erst 8, drei Jahre später dann schon18 gab, gegenwärtig (Mai 1998) bereits auf36 Schulen angewachsen sind, mit insge-samt etwa 1600 Schülerinnen und Schülern,dazu 10 Gründungsinitiativen. Diese Aus-weitung hängt mit der deutschen Wieder-vereinigung zusammen, die mehrere Neu-gründungen in den neuen Ländern zur Fol-ge hatte, aber auch mit einem liberalen Ur-teil des Bundesverfassungsgerichts, dasNeugründungen wesentlich erleichtert hat.

Überrascht wird man auch durch deninformativen Beitrag von Michael Maas(S. 15 ff.), der im Sinne einer selbstkritischenZwischenbilanz über »Geschichte, Mythenund Erfolge der Alternativschulbewegung«berichtet. Hierin wird deutlich, daß die Frei-en Elternschulen, die im Gefolge der 68erStudentenbewegung mit radikal antiautori-tären Konzepten wie den »Kinderläden« be-gonnen und sich an der amerikanischenFree-school-Bewegung, an Alexander Neills»Summerhill« oder an den dänischenTvind-Schulen orientiert hatten, durch kriti-sche Reflexion ihrer Arbeit vieles von ihrerursprünglichen Radikalität zurückgenom-men haben, ohne doch dabei ihr zentralesBemühen um unbedingte Offenheit gegen-über den Lebensäußerungen und -bedürf-nissen eines jeden einzelnen Kindes dabeiaufzugeben. Was gegenwärtig dort als ge-meinsame Zielvorstellung gilt, ist in derGrundsatzerklärung des Bundes der FreienAlternativschulen vom April 1986 festgehal-ten, die in voller Länge wiedergegeben wird(S. 19 f.). Maas schreibt dazu: »Anders alsetwa in der Waldorfpädagogik, gibt es in derAlternativschulpädagogik keine detaillier-ten Vorschläge oder gar Vorschriften, wiediese Zielvorstellungen in der Praxis kon-kret umzusetzen seien.« Ein Satz, der zumNachdenken anregt. – Anschließend werdendann eine Reihe von »Mythen« der FreienAlternativschulen revidiert: daß diese Schu-len »Schulen ohne Zwang« seien, daß alles

Lernen wie von selber laufen müsse, daßeine konturierte Didaktik überflüssig seiund daß es zu den Alternativschulen keineAlternative gebe. Durchweg zeigt sich, daßdie Freien Elternschulen im Verlauf ihrerAnnäherung an die Realitäten des Alltagsmanches bewährte Element aus anderen re-formpädagogischen Richtungen zwanglosassimiliert haben. Abschließend wird aufdie bildungspolitische Bedeutung der Frei-en Alternativschulen hingewiesen, die sieals Vorreiter einer »Schulreform von unten«mit den Waldorfschulen gemeinsam haben.

Manfred Borchert, derzeit Geschäftsfüh-rer des Bundesverbandes der Freien Alter-nativschulen, ist mit drei besonders infor-mativen Beiträgen vertreten. In einer sorg-fältig erarbeiteten, umsichtigen Darstellunggeht er der Frage nach, worin sich die Schu-len seiner Richtung von anderen reformpäd-agogischen Schulen unterscheiden. Er cha-rakterisiert dabei das pädagogische Men-schenbild, die Auffassungen über die Ent-wicklung des Kindes und die Didaktik derverschiedenen Richtungen. Für einen Wal-dorfpädagogen ist es ausgesprochen anre-gend, sich in einem solchen Vergleich, derschließlich bis in eine tabellarische Über-sicht hinein verdichtet wird, gespiegelt zufinden. Der zweite Beitrag berichtet überden Kampf der Freien Alternativschulen umihre staatliche Anerkennung. Der abschlie-ßende dritte Beitrag gibt in gedrängter FormRatschläge für alle Eltern und Lehrer, die aufden mutigen Gedanken kommen, selbst einesolche Schule gründen zu wollen, vom er-sten Schritt (»MitmacherInnen finden«) biszum zwölften (»die Schuleröffnungsfeier«).Man sollte diesen »Ratgeber«-Beitrag als se-parates Flugblatt verbreiten. Er ist bemer-kenswert praxisgesättigt.

Eine ausführliche Selbstdarstellung inmehreren Beiträgen haben die Mitarbeiterder Freien Schule Bochum in das Buch ein-gebracht. Aber auch aus anderen Freien Al-ternativschulen wird berichtet. Natürlich istdie bekannte Glocksee-Schule in Hannover

325

mit dabei, mit 210 Kindern und Jugendli-chen der Jahrgänge 1 bis 10 derzeit die größ-te der Freien Alternativschulen. Mit beson-derer Bewegung liest man den Bericht vonSiegfried Scharff über die Freie AlternativeSchule Leipzig und den von Jutta Krausüber die Freie Schule »Spatz« in Offenburg,eine Kleinstschule für Kinder, die von denzuständigen staatlichen Schulen als nichtmehr beschulbar eingestuft wurden und indieser freien Initiative, aus schwierigstensozialen Verhältnissen stammend, eineneue Heimat gefunden haben. Insgesamtein bemerkenswert informatives Buch, daswohl für längere Zeit die wichtigste Selbst-darstellung der Freien Alternativschulbe-wegung bleiben wird. Johannes Kiersch

Schule neu denkenHartmut von Hentig: Die Schule neu den-ken. 280 S., geb. DM 34,–. Hanser Verlag,München 1994

In diesem Buch setzt sich Hartmut von Hen-tig bewußt und gekonnt zwischen sämtlicheStühle. Nicht nur, daß er profunde Gesell-schafts- und Schulkritik übt, auch die Bil-dungsbürokratie, die Standesorganisatio-nen und Berufsverbände bekommen ihreLektion. Tabula rasa? Streckenweise hatman diesen Eindruck, dennoch kann mansich Hentigs Argumenten nicht entziehen,sind sie doch immer aus dem historischenKontext entwickelt und anschaulich auf dieProbleme der Gegenwart bezogen. Daß dieGesellschaft und mit ihr die Schule nichtdurch Sozialmanagement oder Reformen zuverändern ist, konstatiert Hentig bereits aufden ersten Seiten: »Wir müßten unser Lebenändern, mit verbessertem Unterricht undmehr Sozialpädagogik ist dem nicht beizu-kommen«. (S. 12) Erst recht nicht mit moder-nem Unterricht, sprich Computertechnolo-gie. Ob der Computer denkt, ist eine Frageder Definition. Hentig: »Die Antwort ›nein‹ist schon deshalb in Ordnung, weil der Satz

›er denkt‹ ein Subjekt hat; der Computeraber ist keines, höchstens ein grammati-sches. Vollends ist die Antwort ›nein‹ zutref-fend, insofern zum Denken auch das Verste-hen, Zweifeln, Fragen und Nachdenken ge-hören: das Denken über das Denken (…)Das Bedenklichste, was uns der Computerantut, ist die Vorstellung, die wir uns von›Wissen‹ machen. Unter seinem Einflußwird daraus endgültig eine beliebig anhäuf-bare ›Sache‹. Darum kann man ›Wissen‹ mit›Information‹ gleichsetzen – und es quantifi-zieren. … Wissen ist immer mit einer philo-sophischen Anstrengung verbunden – un-praktischerweise (…) Schule hat, vor allemin der platonisch-sokratischen Tradition, ge-lehrt, daß ungeprüftes Wissen gefährlichesScheinwissen ist, und hat also dazu angehal-ten, das Wissen dem Denken zu unterwer-fen.« (S. 42 f.) So reduziert Schule von heute»Wissen« auf Informationsvermittlung undengt damit das Denken ein.

Hentig plädiert dagegen für ein Erfah-rungslernen in der erreichbaren, natürli-chen Welt. In der Kindheit habe der Com-puter keine Lebensfunktion, denn es gehtum die »sinnliche Wahrnehmung der Welt,die Entfaltung der Einbildungskraft, die Er-probung des Willens und seiner Grenzen,um Sympathie und elementare Verantwor-tung (für ein Tier z.B.) und um das Wahr-nehmen der Rätsel, Schwierigkeiten, Wider-stände, die dabei aufkommen …« (S. 67)

Hentig schlägt nun einen großen Bogenüber die Gesellschaftskritik mit den Proble-men der Gewalt und der multikulturellenEntwicklung zu den »verfehlten Antwor-ten« der Politiker, Pädagogen und Eltern.Stecken wir in einer Kulturkrise, die in ei-nen Kulturpessimismus führen wird?»Wenn in den Schulen Gewalt, Willkür,Chaos herrschen und Jugendliche andereBürger terrorisieren, kann man das eine Bil-dungskrise nennen. Wenn die Erwachsenenmit den Problemen der Welt nicht zurecht-kommen, auch. (…) Es gibt Menschen, diein der Bildungskrise Ausdruck einer Kul-

326

turkrise sehen. Es gibt andere, die meinen,die Bildungskrise könnte eine Kulturkrisezur Folge haben. Es gibt schließlich dritte,zu denen ich mich zähle, die sich gegen diemitschwingende Dramatik in beiden Erklä-rungen wehren. Auch für sie ist Krise keinNormalzustand; sie ist vielmehr ein Mo-ment, in dem eine Unentschiedenheit mitbesonderer Deutlichkeit in Erscheinungtritt.« (S. 129 f.)

So ist der eigene Blick auf die Gegenwartimmer befangen, getrübt und könnte unsdavon abhalten, diese neu zu entwerfen.Gerade aber des Mutes, Gesellschaft undmit ihr die Schule neu zu denken, bedarf es.Hentig unterscheidet zwischen Schule ver-bessern, Schule verändern und Schule neudenken. Verbessern kann sich dabei auf dieWirksamkeit der Methoden des Lernensund Lehrens, auf die Unterrichtsvorberei-tung, auf den Lehrplan, die Zusammenar-beit u. ä. erstrecken. Verändern ist nachHentig oft die Folge von Verbessern. So be-wirken die Verbessungsmaßnahmen, sindsie umfangreich genug, Reformen für deneinzelnen Bereich. Schule neu denken, gehtdarüber hinaus. »Daß die Menschen überdie Schule klagen, (…) gehört zu ihr wie dasKopfschütteln zur Modernen Kunst und dieEntrüstung zur Politik. Wären die Schulennicht beschwerlich, die Kunst nicht unver-ständlich, die Politik nicht bestreitbar, ih-nen fehlte etwas, und man hätte Anlaß zurBeunruhigung.« (S. 181)

Im letzten Drittel des Buches geht Hentigüber die Theorie der Schule hinaus undstellt konkrete Forderungen. Schule müssezuvorderst die Lebensprobleme der Kinder»aufnehmen«, bevor die Lernprobleme zulösen wären. Da die Schüler in der Schuleeinen beträchtlichen Teil ihrer Lebenszeitverbringen, sollte sie als ihr Lebensort ver-standen werden. Dies hieße Schule bewußtzu einem Ort wichtiger Lebenserfahrungenzu machen. Weiterhin schwebt Hentig eineArt »Schulpolis« vor, die ihre Angelegen-heiten, wie ein kleines, überschaubares Ge-

meinwesen nach Gesetzen und Pflichten ge-ordnet, kompetent und eigenverantwort-lich regelt und damit letztlich zur »Politik-fähigkeit« in der Gesellschaft erzieht. Schu-le soll ein Lernort sein, an dem die Kinderwiederholt die Erfahrung machen: »Ichwerde gebraucht …«. (S. 195)

Tschernobyl und Waldsterben, Gewaltund Hungerkatastrophen: »Es geht nichtnur um mehr Belehrung über die Übel die-ser Welt, sondern (...) um die Erfahrung,daß wir einzelnen unser Leben ändern müs-sen und können«. (S. 199)

In der Auseinandersetzung mit den Un-terrichtsformen und -inhalten der gegebe-nen Schule zeigt Hentig im abschließendenTeil konkrete Alternativen für den Lern-und Lebensort Schule auf. Zentral ist seinewiederholte Forderung, daß sich in diesem»Lebensraum« der ganze Mensch entfaltensollte. Belehrung sei, wo immer dies mög-lich erscheint, durch Erfahrung zu ersetzenoder durch sie zu ergänzen. GespeichertesWissen sollte nicht zum Verlust des Verste-hens führen, Verantwortung nicht auf Zu-ständigkeit reduziert werden. Hentig gibteine Fülle von Anregungen, teils gehen sieweit über die Möglichkeiten gegebenerSchulen hinaus, teils sind sie integrierbar.So die geforderte Autonomie der Schule, dienicht nur curriculare Freiheit und freie Zeit-planung, sondern auch Personalhoheit miteinschließt. Die Waldorfschulen, die er hiererwähnen könnte, übersieht er leider.

Hentig würde nicht seinem Ruf als kriti-scher und aufklärerischer Pädagoge ge-recht, nähme er nicht mögliche Einwändegegen seine Position vorweg (S. 260 ff.), under wäre nicht der idealistische Pädagoge,wenn er nicht mit einer Art optimistischenBetrachtung über »die Verantwortung, dieVerständigung und das Vertrauen« als not-wendig zu entwickelnde Qualitäten dermündigen Bürger der »polis« schließenwürde. »Es ist darum angebracht, am Endedieses Buches über Zivilisation und das an-gemessene Verhalten des einzelnen in ihr,

327

die Zivilität, nachzudenken: wie man sie er-wirbt und bewahrt.« (S. 266)

Ein Buch mit einer Fülle von Anregungen– auch für den Waldorflehrer. Schule, da sieauf Vergangenem ruht, muß, um ihrer Zu-kunft willen, immer wieder »neu gedacht«werden. Achim Hellmich

Organismus SchuleMatthias Karutz: Gemeinschaften gestalten– aber wie? Anregungen aus der Praxis ei-ner Waldorfschule. 100 S., brosch. DM 18,–. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1998

Die vorliegende Arbeit ist die Frucht einerlangjährigen Tätigkeit als Lehrer an einerWaldorfschule mit dem besonderen Anlie-gen, den Impuls der sozialen Dreigliede-rung, der ja der Gründung der Waldorfschu-le innewohnt, in der Praxis aufzuzeigen.

So findet man denn beide Blickrichtungenin einer sich gegenseitig wohltuend befruch-tenden Weise vereinigt. Einmal sieht derBlick mehr das Eigenwesen einer Waldorf-schule mit dem Auftrag der Selbstverwal-tung, also der Zusammenarbeit von Eltern,Lehrern und Schulvorständen zum Wohleder Kinder. Zum anderen weitet er sich indie gesellschaftliche Dimension, in einerdurchweg praxisnahen, ganz auf die aktuel-le Gegenwart bezogenen Betrachtungswei-se. Der Verfasser entwickelt das Konzept derDreigliederung des sozialen Organismus,indem er die unterschiedlichen Qualitätendes Kulturlebens, der rechtlichen Organisa-tion und der Wirtschaft aufzeigt. Dieser Fra-gestellung sind insbesondere die ersten dreiKapitel gewidmet. Aber schon im drittenKapitel lernen wir hautnah die Aufgaben ei-nes selbstverwalteten Organismus, wie eseine Waldorfschule ist, kennen. Dies wirdanhand des konkreten Beispieles der FreienWaldorfschule am Kräherwald in Stuttgartvor Augen geführt.

Diese Darstellung macht sichtbar, wieauch in den mesosozialen Organismus, wie

es eine Schule ist, die drei Bereiche von Gei-stesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsle-ben hineinragen und in ihren Qualitäten be-achtet werden müssen. Anhand von vielenkonkreten Beispielen werden die Funktio-nen der verschiedenen Kreise beschrieben,und dem Leser wird vorgeführt, daß dieseFormen durchaus nicht normierend wirken,sondern ständig auch in Entwicklung be-griffen sind. Der Verfasser macht durch sei-ne Darstellung deutlich, daß, wenn ein ge-schärftes Bewußtsein für die verschiedenenProzesse vorhanden ist, dann auch die derjeweiligen Gemeinschaft spezifischen sozia-len Formen der Zusammenarbeit gefundenwerden können. Anhand eines anschauli-chen Beispieles, einer wichtigen Personal-entscheidung, nehmen wir an dem Vorganginnerhalb der Lehrerkonferenz teil, wofürebenfalls alle drei Qualitäten, nämlich dieFreiheit, die Gleichheit und die Brüderlich-keit an verschiedenen Stellen in Betrachtkommen. Dann weitet sich der Gesichts-punkt wieder zu gesamtwirtschaftlichenFragestellungen, schließlich zu Rechtsfra-gen, die in das Beispiel eines Vereines einerfreien Schule einmünden. Einige Einzelfra-gen runden das Buch ab.

Es gelingt dem Verfasser, in einer ver-ständlichen Sprache und anhand vieler an-schaulicher Beispiele undogmatisch dieAufgaben eines gemeinschaftlichen Zusam-menwirkens darzulegen. Man wünscht derArbeit daher eine gute Aufnahme.

Heinz Zimmermann

Professionelle PR-ArbeitArmin Krenz: Handbuch Öffentlichkeitsar-beit. Professionelle Selbstdarstellung fürKindergarten, Kindertagesstätte und Hort.236 S., kart. DM 34,–. Verlag Herder, Frei-burg 1997

Tue Gutes und rede darüber – dieses Mottomuß sich auch jeder Waldorfkindergartenzu Herzen nehmen. Denn in Zeiten wach-

328

sender Angebote und damit verbunden zu-nehmender Konkurrenz im Kindergarten-bereich einerseits, zunehmender Angriffeauf die Waldorfpädagogik andererseitskann es nicht mehr damit getan sein, quali-tätsvoll mit den Kindern zu arbeiten. JederKindergarten, jede Erzieherin ist gefordert,auch nach außen zu treten, sich der Öffent-lichkeit zu stellen. Mehr noch: Ob sie wollenoder nicht – Öffentlichkeitsarbeit findet im-mer statt, auch wenn sich ein Kindergartengar nicht an die Öffentlichkeit traut. Eskommt nur darauf an, wie er sie macht: mitgutem oder schlechtem Ergebnis.

Auf diesem Hintergrund ist es an derZeit, daß ein Handbuch zur Öffentlichkeits-arbeit erscheint: damit eine Verständigungstattfindet, was darunter zu verstehen ist,wem sie nutzt, welche Anforderungen einegute Öffentlichkeitsarbeit erfüllt und wel-che Formen es gibt. Armin Krenz hat es vor-gelegt und geht dabei ganz systematischvor – mit einer Fülle von alltagsbezogenenBeispielen aus allen Bereichen. So legt ererst die Kriterien für eine hochwertige Öf-fentlichkeitsarbeit fest (professionell, plan-mäßig und strukturiert, zielvoll, aktiv undbewußt), erläutert danach die einzelnenPunkte und führt zugleich Beispiele an.

Sehr hilfreich dürfte das Kapitel sein,wem Öffentlichkeitsarbeit eigentlich nützt.Hier spannt Krenz den Bogen vom einzel-nen Mitarbeiter und seiner Persönlichkeits-entwicklung über eine Präzisierung des Be-rufsbildes der Erzieher, über den Nutzen,den Kinder und Eltern davon haben, bis zurProfilierung der Einrichtung und des Trä-gers. Es wird immer deutlicher: Wer wirk-lich umfassend gute Arbeit im Kindergartenleisten will, kommt an einer qualifiziertenÖffentlichkeitsarbeit nicht mehr vorbei.

Doch auf dieser allgemeinen Ebene derAussage bleibt der Autor nicht stehen: In 21Thesen charakterisiert er, was er unter qua-lifizierter Öffentlichkeitsarbeit versteht.Dazu zählt zum Beispiel, daß sie Neugierdewecken und Diskussionen in Gang setzen

muß, sie soll aktuell, strukturiert und miteiner Perspektive und einem Ziel verbun-den sein, sie muß das Image der Einrich-tung auf- und Berührungsängste abbauen.

Leicht gesagt. Doch wie werden diese An-forderungen konkret umgesetzt? Im Kapitel»Formen der Öffentlichkeitsarbeit« stelltKrenz über 40 Aktivitäten vor, die dazu bei-tragen sollen, die Arbeit der Einrichtungtransparent zu machen sowie ihr Ansehenund Vertrauen zu steigern: angefangen beieiner sogenannten Personalleiste, überBriefpapier, Ausstattung der Räume, Mög-lichkeit zu Hospitationen, Elternfragebö-gen, Publikationen, Elternabende oder Fei-ern bis hin zu direkter Pressearbeit undSponsoring. Alles Maßnahmen, die ein Kin-dergarten und die damit verbundenenMenschen ergreifen können – aber es müs-sen nicht alle diese und können ganz anderesein.

Damit sind auch die Grenzen diesesHandbuches bereits angedeutet: Sicherlichist es eine wertvolle Hilfe, sich über die Not-wendigkeit von bewußter und geplanterÖffentlichkeitsarbeit zu verständigen, dieScheu davor zu verlieren und Kriterien da-für an die Hand zu bekommen. Insofern istes sicherlich für jede Einrichtung empfeh-lenswert. Aber auf der anderen Seite kannes nur Gefäße und Formen beschreiben,während die Inhalte, mit denen ein Kinder-garten qualifiziert an die Öffentlichkeitgeht, jede Einrichtung selbst herausarbeitenmuß – ausgerichtet an konkreten Zielen,Adressaten und Betroffenen. Dafür kann eskein allgemeingültiges Handbuch geben.

Susanne Pühler

Feldmeß-HilfeHeinz Fuhrer: Feldmessen und Kartogra-phie. 238 S. mit 212 Abb., kart. DM 58,–.Klett-Perthes, Gotha 1998

Ein beginnender Waldorf-Mathematikleh-rer befand sich nicht selten in der Situation,

329

das Vermessungspraktikum der 10. Klassemit einem diesbezüglich schmalen Wissens-und Erfahrungsfundament durchführen zumüssen. Abhilfe schuf vor einigen Jahrendankenswerterweise ein interner Druck derPädagogischen Forschungsstelle in Kassel.Zu dem Thema ist jetzt eine weitere Ab-handlung von dem erfahrenen SchweizerWaldorflehrer Heinz Fuhrer erschienen, dieaußer dem Feldmessen noch eine weitereim »Waldorflehrplan« vorgesehene Epoche,die Kartographie in der 11. Klasse, be-schreibt.

Dabei läßt schon seine Einführung deut-lich werden, daß hier ein Mensch spricht,dem es ein persönliches Anliegen ist, dieseTätigkeiten jedem Menschen als erziehe-risch wertvoll nahezubringen. Der Autorzielt sowohl auf Kollegen aller Schulartenals auch auf Schüler als mögliche Leser sei-nes Buches. Man darf also, wenn man es zurHand nimmt, eine gewisse Ausführlichkeitund Gründlichkeit erwarten und wird nichtenttäuscht. Die Vielzahl der Abbildungenverschiedenster Art – Schülerzeichnungen,amtliche Karten, eigene geometrische Zeich-nungen, Fotos u. a. –, jeweils gut beschrie-ben und kommentiert, stellt ein reiches, illu-stratives und nützliches Material dar, dasden Informationsgehalt des Buches wesent-lich über den des reinen Textes erhöht.

Nach dem Kapitel über die Frage, wozuder Mensch Karten braucht, folgt eine Ein-führung in Koordinatensysteme und dasGradnetz der Erde. Schon hier muß Bezugauf die Geschichte genommen werden; die-ser allein widmet sich dann das folgendeKapitel. Ein Einschub über die Erforschungder Erdgröße und -gestalt folgt vor denzwei zentralen Kapiteln über das Feldmeß-praktikum und die Kartographie. Es be-zeichnet die Qualität des Buches und die In-tentionen des Autors, wenn er zunächst ei-niges über praktische Detailfragen bei derVorbereitung des Praktikums ausführt. Da-bei legt er seine persönliche Vorgehenswei-se durchsichtig dar, so daß ein Anfänger sie

unmittelbar annehmen oder daran eigeneVorstellungen entwickeln kann. Eine glei-che, durchaus praktische Penibilität durch-zieht die Beschreibung der Meßmethoden.Das Kapitel über die Kartographie vereinigtdie wichtigsten Projektionen und Entwürfe,die entweder gedanklich, historisch oderaktuell bedeutend sind. Gegliedert sind sienach der jeweiligen Invarianz, denn eineKugel läßt sich ja nicht so auf einer Ebeneabbilden, daß Winkel und Flächeninhaltegleichzeitig unverändert bleiben. Sehr hilf-reich ist auch der letzte Abschnitt, in demmoderne Verfahren der Kartographie undder Ortsbestimmung auf der Erde skizziertwerden.

Das vorgestellte Buch ist eine umfassendeund für die Vorbereitung der Feldmeß- undder Kartographie-Epoche sehr gut geeigne-te Materialsammlung. Besonders hervorzu-heben ist zum einen die Ausrichtung an derUnterrichtspraxis, die in mancher pädago-gischen (Neben-)Bemerkung deutlich wird.Zum anderen bietet die Einbettung inmenschheitlich-geschichtliche Zusammen-hänge dem Lehrer die Möglichkeit, entspre-chende Betrachtungen in den Unterrichteinfließen zu lassen (nicht nur an Regenta-gen im Praktikum!).

Es ist dem Buch zu wünschen, daß es Ver-breitung über den Waldorfschulkreis hin-aus findet. Auch fachfremden Interessiertenkann es empfohlen werden. Dirk Wegner

Den eigenen Weg findenMark O’Sullivan: Mehr als nur ein Spiel.206 S., geb. DM 28,–. Verlag Freies Geistes-leben, Stuttgart 1998

Die Frage nach dem Sinn des Lebens be-schäftigt heute immer mehr Menschen:Warum lebe ich, was ist meine Aufgabe?Die sichere Geborgenheit, die die Familie infrüheren Zeiten geboten hat, trägt nichtmehr. Viele Menschen suchen Hilfe, etwabeim Psychoanalytiker, zuweilen entsteht

330

dadurch dann noch ein unauflöslicher Haßauf die Familie und die Eltern. Diesen kannder erwachsene Mensch lösen, sich aus denDenkschemata wieder befreien, sein Lebenselbst in die Hand nehmen und Mitgebrach-tes wandeln. Wie ist das aber für Kinder undJugendliche, die noch stark in die Familieneingebunden sind? Haben sie eine Chance,sich aus dem Schicksal der Eltern zu befrei-en und ihren eigenen Weg zu finden?

Des Buch erzählt von zwei Mädchen, de-nen es gelingt, ihren eigenen Weg zu findenund dadurch verwandelnd in ihren Famili-en zu wirken. Die Geschichte führt uns nachIrland in das Jahr 1948, das scheint langeher, ist aber in seiner Aussage durchausauch für unsere Zeit zutreffend.

Lida Hendel, ein vierzehnjähriges Mäd-chen, ist isoliert und fremd in der kleinenStadt, obwohl ihre Eltern schon lange hierleben. Ihr Vater kam vor dem Krieg ausDeutschland hierher, um beim Aufbau einerFabrik das Geld für ein eigenes Heim inMähren zu verdienen. Doch als die Familiesich am Ziel ihrer Wünsche sah, brach derKrieg aus, und an eine Heimkehr war nichtmehr zu denken. Nach dem Krieg wurdeder private Besitz verstaatlicht, und so wares dem Vater niemals möglich, sein Landund sein Haus zu betreten und dort ein neu-es Leben zu beginnen. Daß er sich trotz al-lem als Deutscher fühlt und zu Hause auchnur deutsch gesprochen werden darf,macht der Familie ein Vertrautwerden imfremden Land unmöglich und stellt sie fürdie Nachbarn außerdem in den Ruf der Hit-lerverehrer. Lida rettet sich ins Tennisspiel.Sie ist erfolgreich, was ihr aber keine Freun-de bringt, statt dessen zieht sie damit dieNeider auf den Plan, bis Ginny erscheint.

Ginny Stannix scheint das ganze Gegen-teil von Lida zu sein. Sie ist reich und be-gabt. Ihr Vater steht in dem Ruf, als Kriegs-held gefallen zu sein, und alle achten dieTrauer ihrer Mutter, aber etwas bedrückendMerkwürdiges liegt über der Familie, unddann ist da noch der irregewordene Onkel

… Lida fühlt sich bedroht, sie hat Angst, ih-ren Meistertitel an die reichere, also auchbessere Ginny zu verlieren. Aber Ginny istnicht das arrogante, verzogene Püppchen,sie gewinnt Lidas Freundschaft und ge-meinsam gelingt es den beiden, die Verwor-renheiten ihrer Familien zu lösen und einneues Leben zu beginnen. Auch die Tennis-meisterschaft, in der sie sich als Gegner ge-genüberstehen, kann daran nichts mehr än-dern, sondern stellen auch Lidas Familie inder Öffentlichkeit in ein neues Licht. DerBann des Vergangenen, der auf den Väternlag, ist durch die Kinder gelöst.

Ein spannendes Buch, das in feinfühligerWeise Vorurteile auflöst, ermuntert, Alteszu hinterfragen und neue Wege zu suchen.

Cornelia Garbe

Feste feiern mit KindernAnne und Peter Thomas: Bunte Kinderfestedurchs ganze Jahr. 126 S., geb. DM 36,–.Verlag Urachhaus, Stuttgart 1998

Oh je, schon wieder steht ein Kinderge-burtstag ins Haus! Die Frage, ob wir imSchwimmbad oder bei McDonalds feiernoder doch lieber den teuren Zauberer enga-gieren sollen, stellt sich uns zwar nicht, wirwollen aber doch ein nettes Fest veranstal-ten, das den Kindern Freude und den Elternnicht allzuviel Arbeit macht. Aber welcheSpiele sind für dieses Alter richtig? Wannverschicken wir die Einladungen? Was ma-chen wir, wenn der Regen die »Schnitzel«mit uns jagen will? Das »Kinderfestebuch«(von Christiane Kutik, Verlag Freies Gei-stesleben, Stuttgart 1995) ist uns über dieJahre zu einem treuen Begleiter geworden.

Da unsere Gäste inzwischen alle Kuchen-rezepte durchprobiert haben, freuen wiruns, daß es nun einen Partner bekommenhat: »Bunte Kinderfeste durchs ganze Jahr«.In vielem stimmen die beiden Bücher über-ein, das zweite bietet aber auch viele neueIdeen und Spielvorschläge, so daß es durch-

331

aus sinnvoll ist, beide zum Vorbereiten zuRate zu ziehen. Nach einigen einführendenGedanken zum altersgemäßen Feiern gehtes um konkrete Fragen der Vorbereitungund des Ablaufs. Hier findet man zum Bei-spiel Antwort darauf, ob man der Fünfjähri-gen tatsächlich erlauben soll, »alle Kindervom Kindergarten« einzuladen, aber aucheinfache Anleitungen zum Fertigen einerGirlande. Interessant sind die »Feste mitMotto«, die mit einer Rahmenhandlungund Spielvorschlägen beschrieben werden.Zwei Kapitel über Puppenspiele und Re-zepte laden zum Ausprobieren ein. ImHauptteil des Buches, der auch farblich ab-gesetzt ist, sind 240 Spiele aller Art ver-zeichnet, die kurz und verständlich erklärtwerden. Die munteren Illustrationen tragendas ihrige dazu bei, daß man gerne aucheinfach einmal blättert und sich inspirierenläßt. Jedes Spiel ist zusätzlich durch eineSymbolreihe gekennzeichnet, die jedochmehr verwirrt als erklärt: Was der Stern be-deutet, fällt einem bestimmt nicht ohneNachschlagen ein; und daß »4+« nicht »abvier Jahren« bedeutet, sondern »ab vier Per-sonen«, bemerkt man hoffentlich noch vordem Fest. Eine kleine Klappe im Buch, diedie Zeichen ständig sichtbar macht, wärehier eine Hilfe, denn daß die Symbole hilf-reich sind, beweist der Registerteil amSchluß. Die Auswahl der Spiele reicht vonder »Reise nach Jerusalem« bis zum Her-stellen von Anziehpuppen. Natürlich weißman, wie »Blinde Kuh« gespielt wird, beimSuchen ist man aber dann vielleicht dochfroh, gerade darauf gestoßen zu sein, zumaldie Kinder auch viele der »Klassiker« nochnicht kennen werden.

So kann dieses Buch über Jahre zu einerIdeenquelle werden und mithelfen, eineSpielkultur in der Familie zu entwickeln.

Ulrike Schmoller

Mathematik und PhysikIm folgenden sollen einige Neuerscheinun-gen aus dem mathematisch-physikalischenBereich empfohlen werden, ohne daß dieseausführlich rezensiert werden. Eine Voll-ständigkeit ist natürlich nicht angestrebt.

Simon Singh: Fermats letzter Satz. Dieabenteuerliche Geschichte eines mathemati-schen Rätsels. 364 S., geb. DM 49,80. Han-ser Verlag, München 1998Hier wird die Geschichte der berühmtenFermat’schen Vermutung, nämlich daß eskeine Zahlen a, b, c gibt, für die die Glei-chung an + bn = cn mit n > 2 erfüllt ist, undihres Beweises durch Andrew Wiles vor we-nigen Jahren erzählt. Der Bericht ist so span-nend und lehrreich geschrieben, daß er fürSchüler und Lehrer gleichermaßen wärm-stens empfohlen werden kann. Man lerntein Stück Mathematikgeschichte mit einerFülle von Anekdoten kennen, bekommtaber auch einen Einblick in den Wissen-schaftsbetrieb und die Arbeit der Wissen-schaftler. Einfachere mathematische Bei-spiele finden sich im Anhang, der Mathe-matiklehrer wird sie kennen, der Schülerkann sich dran versuchen.

George Greenstein, Arthur Zajonc: TheQuantum Challenge. Modern Research onthe Foundations of Quantum Mechanics.224 S., London 1997Die meisten Einführungen in die Quanten-mechanik und die Probleme der modernenPhysik sind für den »entwöhnten« Lehrerund erst recht den interessierten Schülerunzugänglich, außerdem besteht die Ge-fahr, daß die realen Verständnisproblemeverdeckt werden. Hier hat der Autor desbekannten Buches »Die gemeinsame Ge-schichte von Licht und Bewußtsein«, der alsPhysiker und Anthroposoph weithin be-kannt ist, zusammen mit einem Kollegeneine Einführung in die Quantenmechanikgeschrieben, die an Experimenten orientiertist und gerade die Probleme hervorhebt.

332

Dabei stand die Idee im Hintergrund, eineArt »Goetheanistischer Quantenmechanik«zu schreiben. Ob das möglich und gelungenist, braucht hier nicht beurteilt zu werden.Auf jeden Fall beschreibt das Buch außeror-dentlich interessant die gedanklichen Her-ausforderungen der modernen Physik. WieLicht sich verhält, bietet eben heute auchdem Physiker Anlaß, sich zu wundern. –Außerdem lernt man in mancher Hinsichtden aktuellen Forschungsstand kennen. Diegebotene Mathematik mag für interessierteZwölftkläßler noch zumutbar sein, derFachlehrer sollte keine Probleme haben.Man muß nur englisch lesen können.

David L. Goodstein, Judith R. Goodstein:Feynman’s verschollene Vorlesungen. DieBewegung der Planeten um die Sonne.233 S., geb. DM 39,80. Piper Verlag, Mün-chen 1998Neben einigen weiteren schönen Anekdo-ten über den berühmten Physiker findetsich in diesem Buch eine geometrische Her-leitung des Zusammenhangs zwischen denKepler’schen Gesetzen und dem New-ton’schen Gravitationsgesetz, wie Feynmanihn einmal in einer Vorlesung dargestellthat. Manches davon kann in der Oberstufeverwendet werden. Das Buch liest sichleicht, teilweise amüsant, man kann es auchinteressierten Schülern empfehlen.

Robert Kraut e.a.: Internet Paradox: A Soci-al Technology that Reduces Social Involve-ment and Psychological Well-Being? Ame-rican Psychologist, Vol. 53, No. 9, pp. 1017-1031 September 1998Von dieser Studie über die Auswirkungender Benutzung des Internets auf das sozialeLeben der Benutzer ist in der Presse schonvielfach berichtet worden. Sie ergab – fürdie Sponsoren aus der Computerindustrieerstaunlich – als Ergebnis, daß die Kommu-nikation mit Familienmitgliedern und dersoziale Umkreis zurückging, während De-pression und Einsamkeitsgefühl zunah-men. Dieser Effekt wird auch mit dem Ein-

fluß des Fernsehens verglichen, wo ähnli-ches eintritt. Dazu gibt es eine Fülle von Li-teraturhinweisen. Die Kenntnis der Studiemag für manche Diskussion nützlich sein,deswegen soll hier die Originalveröffentli-chung genannt werden, die man im übrigenauch im Internet unter der folgenden Adres-se finden kann: http://www.apa.org/jour-nals/amp/amp5393-037.html

Martin Basfeld: Wärme: Urmaterie undIch-Leib. Beiträge zur Anthropologie undKosmologie. 222 S., kart. DM 39,–. VerlagFreies Geistesleben, Stuttgart 1998Dieses Buch ist in der Wochenschrift »DasGoetheanum« (3. Januar 1999) ausführlichbesprochen worden. Hier soll daher nurknapp darauf hingewiesen werden, da esneben dem authentischen Zugang zur An-throposophie auch manches für den Physik-lehrer Interessante zu einer goetheanisti-schen Wärmelehre und zur Phänomenolo-gie des Wärmesinns enthält.

Hartmut Ramm: Der Sonne dunkle Flek-ken. Die Jahrtausendwende im Zeichen ei-nes jungen kosmologischen Symptoms. 429S. mit Abb., geb. DM 59,–. Verlag am Goe-theanum, Dornach 1998.Für denjenigen, der sich mit dem Gebiet derSonnenflecken gründlicher von einem an-throposophischen Gesichtspunkt beschäfti-gen will, sei auf diese Neuerscheinung hin-gewiesen. Man findet neben der Geschichteder Entdeckungen und des aktuellen For-schungsstandes wertvolle Hinweise zurEntsprechung kosmischer und irdischerRhythmen, namentlich auch bezüglich derGeschichte des 20. Jahrhunderts und derEntwicklung der Anthroposophie. Auchwird deutlich, wie interessiert Rudolf Stei-ner die fachwissenschaftlichen Ergebnisseseiner Zeit verfolgt hat und wie auf mancheseiner Äußerungen vom heutigen Kennt-nisstand geblickt werden kann. Eine aus-führliche Besprechung dieses Werkes wärewünschenswert. Johannes Kühl

333

Anzeige VFG

334

MITTEILENSWERTES IN KÜRZEAustausch zu Fragen der Qualitäts-pflege auf europäischer Ebene

Angeregt durch das ECSWS (EuropäischerRat der Steiner-Waldorf-Schulen) fand am22. und 23. Januar in Rotterdam (NL) einAustausch über die verschiedenen Ansätzeder europäischen Waldorfschulbewegun-gen im Hinblick auf die Frage der Qualitäts-pflege statt. Allen Beiträgen gemeinsamwar, daß die Impulsierung zu dieser The-matik sowohl von außerhalb als auch ausden Schulen selbst kommt. Die Tendenz,daß der Staat, wenn er öffentliche Aufgabenvon freien Trägern durchführen läßt unddiesen Vorgang (mit-)finanziert, eine Absi-cherung hinsichtlich der Mittelverwendunghaben möchte, ist allerorts zu beobachten.Diese Absicherung durch den Nachweis ei-ner anerkannten Qualitätspflege oder -si-cherung wird z. B. in der Schweiz in weni-gen Jahren die Voraussetzung für staatlicheZuschüsse an heilpädagogische Einrichtun-gen. Gut beraten fühlen sich daher freie Trä-ger, wenn sie rechtzeitig der Eigenart ihrerEinrichtung entsprechende Konzepte ent-wickelt haben, bevor ihnen etwas von au-ßen übergestülpt wird. Neben dieser Kom-ponente gibt es aber auch das Motiv, be-wußter die eigene Einrichtung durchdrin-gen und gemeinsam gestalten zu wollen.Hierzu bedarf es einer Verständigung übergemeinsame Ziele und darüber, wie man sieerreichen will. Neben den interessantenEinblicken in die unterschiedlichen Kon-zepte der Waldorffreunde aus der Schweiz,aus Schweden, den Niederlanden, aus Eng-land war es Prof. Ernst Marx (NL), der Maß-stäbe zur Beurteilung der Entwicklungsstu-fen einer Schulgemeinschaft vorstellte (evtl.späterer Bericht). Der Wunsch aller Beteilig-ten war es, eine derartige Austauschmög-lichkeit nach einiger Zeit der Erfahrungenwieder einzurichten. Dies auch, um sich aufdem Weg der bewußteren und stärkerselbstkritischen Führung unserer Schulengegenseitig zu ermutigen. Walter Hiller

TV-Film: »Ätherleib und Kräuterkraft«

Wer ißt nicht gerne Demeter-Brot, wünschtsich nicht Waldorfpädagogik für sein Kind,schluckt auch gern mal ein paar Globuliund läßt sich Weleda- oder Wala-Produktevom Arzt verschreiben? Nun entdeckte dieARD die Anthroposophie und sendete am17.1.99 zur besten Sendezeit einen Film vonGisela und Udo Kilimann mit dem Titel:»Ätherleib und Kräuterkraft. Vom Geheim-nis der Anthroposophie«. Auffällig daranwar dreierlei: Der Film wirkte erstens au-ßerordentlich ästhetisch durch Kamerafüh-rung, Beleuchtung und Farbgebung: langeEinstellungen, ruhiges Verweilen bei denPersonen, behutsame Schwenks, sinnerhal-tene Schneidetechnik. Besonders deutlichwurde dies bei den Ausschnitten über dieSchülerin Jasmine und bei der Eurythmie.Zweitens: Der Film war ein Live-Bericht ausder anthroposophischen Arbeit (Schule,Landwirtschaft, Therapien), in dem sich dieBeteiligten über ihre Erfahrungen ohnewertende Kommentare der Filmemacheraussprechen konnten. Anthroposophie, die-ser Gedanke wurde den Zuschauern nahe-gelegt, steht mitten in der Welt, beschäftigtsich mit den wichtigsten gesellschaftlichenFragen und arbeitet mit einer eigenen Vor-gehensweise erfolgreich in wichtigen Le-bensbereichen. – Ein wirklichkeitsnaherFilm? Sicher, käme nicht drittens, derSchlußkommentar der Filmemacher dazu:»... viele anthroposophische Methoden sindlängst populär. Nur die Lehren des RudolfSteiners von Kräuterpräparaten, Ätherleibund Wiedergeburt bleiben schwer verdau-lich.« Bereits in der Mitte des Films ver-wechselte der Kommentator den Physi-schen Leib mit dem Ätherleib, schon daswar wohl eine zu schwere Kost für dasFilmteam. Die Trennung zwischen Werkenund geistigen Grundlagen der Anthroposo-phie entspricht dem schnellen Verwer-tungsinteresse unserer Gesellschaft, was je-doch dem hier behandelten Gegenstandnicht gerecht wird. Achim Hellmich

335

Schulgeld abgesetzbar

Schulgeld kann nach den Angaben von SPDund Grünen weiter von der Steuer abgesetztwerden. Eine zunächst vorgesehene Strei-chung des Freibetrages im Steuerentla-stungsgesetz sei vom Tisch, sagte der bil-dungspolitische Sprecher der SPD-Bundes-tagsfraktion, Stephan Hilsberg, am 28. Janu-ar in Bonn. Auch Grünen-Fraktionschef Rez-zo Schlauch meinte: »Es bleibt so, wie es ist.«Beide Fraktionspartner hatten bei dieserSteuerentlastung besonders Kinder an denWaldorfschulen im Blick. Im Herbst stehedie Schulgeldfrage noch einmal auf der Ta-gesordnung und soll dann mit dem Famili-enentlastungsgesetz geregelt werden.

M.M./dpa

»Freunde« weiter gewachsen

1998 konnten die »Freunde der Erziehungs-kunst Rudolf Steiners« einen weiteren An-stieg der an die internationale Waldorf-schul- und heilpädagogische Bewegungweitergeleiteten Spenden und Zuwendun-gen verzeichnen. Mit etwas über acht Mil-lionen Mark lagen die weitergeleitetenSpenden und Zuwendungen (incl. öffentli-cher Mittel) weit über dem Ergebnis desVorjahres. Damit hat sich im vergangenenJahr das Spendenvolumen im Vergleichzum Vorjahr um etwa 12 Prozent erhöht.1999 werden die »Freunde« für weitere gro-ße Projekte öffentliche Mittel beantragen, sozugunsten einer Ausbildung für Lehrer anSlumschulen in Kalkutta und zum erstenMal zugunsten eines heilpädagogischenProjektes in Vietnam. Die Ausstellung »Wal-dorfpädagogik weltweit« wird weiter aufReisen und noch in diesem Jahr in Island,Finnland, in mehreren Städten Deutsch-lands und vermutlich in Ostafrika zu sehensein. Nana Göbel

Investitionskapital für Bildung

Außerhalb Deutschlands, Hollands und derskandinavischen Länder werden Kinder-gärten und Schulen in freier Trägerschaftnicht vom Staat bezuschußt, oder – wieetwa in Rußland und Rumänien – die Staa-ten verfügen nicht über das notwendige Ka-

pital, um im Bildungsbereich zu investie-ren. Oft ist daher die Erstellung eines geeig-neten Gebäudes eine unüberwindliche Hür-de. Ohne zumindest einfache Gebäude kön-nen aber keine Waldorfschulen betriebenwerden. Viele Waldorfschulen aus demAusland wenden sich daher an die GLS-Ge-meinschaftsbank oder an die Gemeinnützi-ge Treuhandstelle in Bochum, an die»Freunde der Erziehungskunst« in Berlinoder an die IONA-Stiftung in Amsterdammit der Bitte, ihnen bei der Finanzierungder Gebäude zu helfen. Da es schwierig ist,Bankdarlehen ins Ausland zu geben undandere Einrichtungen nicht über genügendKapital verfügen, haben sich die Gemein-nützige Treuhandstelle, die »Freunde derErziehungskunst«, die AnthroposophischeGesellschaft in Deutschland und die IONA-Stiftung zu einer Arbeitsgruppe zusam-mengeschlossen, um in Zukunft bei derAufbringung von Kapital zusammenzuar-beiten. Die »Freunde« werden die Projekt-vorbereitung, -betreuung und -durchfüh-rung übernehmen und mit den entspre-chenden Schulen, Kindergärten oder heil-pädagogischen Instituten eng zusammenar-beiten. Dabei wird auch darauf zu achtensein, daß diese Einrichtungen die admini-strativen Voraussetzungen erfüllen undeine geordnete Schulselbstverwaltung auf-bauen. Weitere Informationen: »Freundeder Erziehungskunst«, Tel. 030-61702630.

Nana Göbel

Schleswig-Holstein: Volksinitiativevor dem Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhewird sich mit dem Verfassungsentwurf derVolksinitiative »Schule in Freiheit« befas-sen. Die Volksinitiative hatte dem Landtagim vergangenen Mai 37.000 Unterschriftenübergeben, die ihre Forderung nach einerauf die Mündigkeit von Eltern und Lehrernsetzenden Schulverfassung unterstützten.In einer turbulenten Plenarsitzung hatte derLandtag am 4. September 1998 mit der par-lamentarischen Mehrheit von CDU undSPD und gegen die Stimmen der anderenFraktionen die Nichtzulassung der Volksin-itiative beschlossen.

336

Gegen diese Entscheidung hatten die Ver-treter der Initiative beim Bundesverfas-sungsgericht Widerspruch eingelegt. MitSchreiben vom 26.1.99 wurde ihnen jetztmitgeteilt, daß der Widerspruch zugelassensei und daß der schleswig-holsteinischeLandtag, die schleswig-holsteinische Lan-desregierung und die Bundesregierung biszum 30. März 1999 ihre Stellungnahmen zurSache einreichen könnten.

Henning Kullak-Ublick

Jugend-Literaturwettbewerb »Faust«

Im Zusammenhang mit dem Goethe-Jahrund der »Faust«-Aufführung am Goethea-num/Dornach findet ein Literaturwettbe-werb für Schüler und Studenten statt.Schaut man sich den »Faust« von Goethean, so werden dort bereits viele Themen an-geschnitten, die heute existentiell gewordensind; so die Frage nach der Erkenntnis, nachBeziehung oder auch nach Gentechnik.Könnte man heute vielleicht aus der Be-schäftigung mit Faust zu einer zeitgemäßenLösung der dringenden Probleme kom-men? Sind dort schon Ansätze vorhanden,die eine neue Richtung aufzeigen? – DieseFragen können auf vielfältige Weise behan-delt werden, z. B. in Form einer Kurzge-schichte, eines Essays, eines Gedichtes oderauch einer Szene, eines Einakters. Es wirdzwei Kategorien geben, eine bis 19 Jahre, dieandere von 20 bis 25 Jahre. Stichtag ist der6.8.99. Die Texte sollen in zweifacher Aus-führung computer- oder maschinenge-schrieben und maximal 10 Seiten lang sein.Eine Buch-Veröffentlichung der besten Ein-sendungen wird angestrebt. Preisgelder inHöhe von insgesamt 10.000 sFr stehen fürdie fünf Besten der jeweiligen Alterskatego-rie zur Verfügung. Anschrift: Jugendsekti-on am Goetheanum, Dorneckstr. 1, CH-4143Dornach, Tel. 0041-61-7064391, Fax: 0041-61-7064392. Stephanie Spitta

Vorhersehbare Problemkinder

Psychologen können mit einer Treffsicher-heit von 77 Prozent vorhersagen, welchenKindern ein schwerer Start ins Leben dieZukunft verbauen wird und welchen nicht.Es sei kein persönliches Versagen, sondern

die Summe der negativen Einflüsse in derUmgebung, die »Aussteiger« erzeuge. Be-sonders wichtig für ein gelungenes Lebensei der Zuspruch von Eltern oder anderennahestehenden Erwachsenen. Man könnebereits Dreijährigen prophezeien, ob sie ein-mal eine höhere Ausbildung absolvieren,frühzeitig die Schule abbrechen werdenoder nach einem Ausstieg im zweiten An-lauf Erfolg haben werden. Die Ergebnissemehrerer jahrzehntelanger Studien faßtenForscher am 21. Januar auf der Jahresta-gung des Amerikanischen Verbandes zurFörderung der Wissenschaft (AAAS) inAnaheim (Kalifornien) zusammen. Sie giltals weltgrößte Informationsbörse für For-scher. M.M./dpa

Mathe-Tests in Rheinland-Pfalz

Mit einer Qualitätsoffensive will Bildungs-minister Jürgen Zöllner (SPD) den Unter-richt an den Schulen in Rheinland-Pfalz ver-bessern. Dafür sind zunächst zentral ange-legte Tests im Fach Mathematik geplant,teilte das Bildungsministerium am 2. Febru-ar mit. Eine Arbeitsgruppe unter Leitungdes Bildungsforschers Klaus Klemm werdeein Konzept für ein umfassendes Qualitäts-management entwerfen.Gedacht ist daran, die Schüler aller achtenKlassen im kommenden Schuljahr zu prü-fen. Dies soll am selben Tag und an allenSchularten durchgeführt werden. Die Testssollten für die Schulen zunächst klären, wosie jetzt stehen. Dabei gehe es weder umSchulbeschimpfungen noch um Ranglisten.

M.M./dpa

Bayern: Schwächen in Mathematik

Bayerns Schüler haben teils große Schwä-chen in Mathematik. Dieses Ergebnis eineslandesweiten Mathematiktests an Gymna-sien und Realschulen stellte das Kultusmi-nisterium am 21. Januar im Bildungsaus-schuß des Landtags vor. Von rund 31.500Gymnasiasten der Jahrgangsstufe neunkonnte gerade jeder sechste Schüler Aufga-ben zur Raumgeometrie richtig beantwor-ten. Eine Aufgabe zur Prozentrechnung be-antworteten fast 58 Prozent der Teilnehmerfalsch.

337

Den Test hatte das Kultusministerium alsKonsequenz aus dem internationalen Ver-gleichstests TIMSS entwickelt. Er hatte auchBayerns Schüler international nur im Mit-telfeld gesehen. Das Ministerium wollte mitder Untersuchung gezielt die Schwachstel-len im Mathematikunterricht herausfinden,um Verbesserungsmöglichkeiten zu erar-beiten. M.M./dpa

Unwort des Jahres 1998

»Sozialverträgliches Frühableben« ist dasUnwort des Jahres 1998. Der polemischeAngriff von Ärztepräsident Karsten Vilmarauf die Gesundheitspolitik der rot-grünenBundesregierung ist von einer sechsköpfi-gen Jury als sprachlicher Mißgriff des Jahresausgewählt worden. Vilmar habe – wennauch in ironischer Absicht – gesagt, Ärztemüßten sich überlegen, ob sie den vorzeiti-gen Tod von Patienten »fördern« müßten.Weiterhin wurden die Begriffe »Beleg-schaftsaltlasten« und »Humankapital« alsUnworte angeprangert. M.M./dpa

Studie: Gewalt an hessischen Schulen

Gewalt ist an Hessens Schulen weniger ver-breitet als allgemein angenommen. Zu die-sem Ergebnis kommt eine Studie der Uni-versität Bielefeld, die am 29. Januar veröf-fentlicht wurde.Vier Prozent der befragten Schüler gabenan, mehrmals monatlich bedroht oder ge-schlagen worden zu sein. Dieser Wert liegenicht wesentlich höher als in früheren Un-tersuchungen. »Wir schätzen, daß etwa 15Prozent der Schulen in Hessen ein Gewalt-problem haben«, räumte der Wissenschaft-ler Klaus-Jürgen Tillmann ein. »Die wildenVermutungen über Gewalt an Schulen, dieseit Anfang der Neunziger Jahre kursieren,haben sich damit nicht bestätigt.«Befragt wurden im Zeitraum von 1993 bis1997 rund 3.540 Schüler aller Schulformen.Überdurchschnittlich hoch war die Gewalt-bereitschaft bei Haupt- und Sonderschü-lern: Fast 40 Prozent waren im Verlauf desSchuljahres geschlagen worden (Gymnasia-sten: neun Prozent). Bei allen körperlichenGewalthandlungen waren Jungen etwadoppelt bis dreimal so oft beteiligt wie

Mädchen. Unterschiede zeigten sich auchzwischen den Altersstufen: Die Gruppe der13- bis 14jährigen war in allen Schulformenam stärksten durch physische Gewalt bela-stet. M.M./dpa

Eltern und Microsoft für Computer

Bundeselternrat und die Firma Microsoftwollen gemeinsam für das Lernen mit demComputer werben. Der Umgang mit welt-weit zugänglichem Wissen müsse rechtzei-tig von den Jugendlichen gelernt werden,erläuterten die Elternratsvorsitzende, Rena-te Hendricks, und die Microsoft-VertreterinChristine Silbermann am 26. Januar in Bonndie Ziele ihrer neuen Kooperation. Fast keinBeruf komme mehr ohne Computerkennt-nisse aus. Die Kinder müßten in der Schulenrechtzeitig lernen, sich gewünschte Infor-mationen zugänglich zu machen und ausder Wissensflut auszuwählen. Erste Voraus-setzung dafür sei allerdings eine bessereAusstattung der deutschen Schulen mitComputern. M.M./dpa

Alle Schulen ans Internet

Bis zum Jahr 2001 sollen die etwa 44.000Schulen in Deutschland einen Internet-Zu-gang bekommen, so Bundeskanzler Schrö-der am 4. Februar in Bonn bei einer Preis-verleihung für Internet-Arbeiten von Schü-lern. Bislang seien etwa 10.000 Schulen amNetz. Gemeinsam mit der Telecom fördereder Bund die Länder bei diesem Vorhabenmit 160 Millionen Mark. Bei der Feierstundezeichnete Schröder zusammen mit Bill Ga-tes, dem Präsidenten des Computerkon-zerns Microsoft, drei Schulklassen für ihreOnline-Arbeiten aus. M.M./dpa

Forum Mensch und Medien

Zum dritten Mal lädt der anthroposphischeMedienforschungskreis zu einem öffentli-chen Forum unter dem Titel »Medien undComputer: reine Werkzeuge?« nach Stutt-gart ein. Anliegen des Forums ist neben derDarstellung der Arbeit des Medienfor-schungskreises eine gemeinsame Arbeit mitden Teilnehmern in Form von Übungen,Gesprächen und einer Podiumsdiskussion

338

zum Tagungsthema. Die gemeinsame Ar-beit soll dabei als Grundlage zu einer eigen-ständigen Urteilsbildung gegenüber denMedienfragen der Gegenwart dienen. DasForum findet vom 12. bis 13.6.1999 im Ru-dolf-Steiner-Haus, Zur Uhlandshöhe 10, inStuttgart statt.Programme bei: Rainer Patzlaff, Zur Uh-landshöhe 12b, 70188 Stuttgart, Tel. 0711-2364860. Uwe Buermann

Katholischer Religionsunterricht

Zum zehnten Mal trafen sich Ende Januarkatholische Religionslehrerinnen an Wal-dorfschulen in NRW mit Waldorfpädago-gen zu einem intensiveren Austausch, als erim Schulalltag möglich ist. Waren die frühe-ren Tagungen in den Vorträgen und Gesprä-chen mehr von freundschaftlichen Kontro-versen geprägt, so hat sich inzwischen einbeachtliches gegenseitiges Verstehen her-ausgebildet. Und zum diesjährigen Treffenhatten sich die Referenten sogar das Themaaufgeteilt und arbeiteten Hand in Hand. Esging um die Frage, ob im Religionsunter-richt durch die Betrachtung von Christus-Darstellungen großer Maler ein religiösesErleben vermittelt werden kann. Dies wur-de gesprächsweise an Grünewalds »Isen-heimer Altar« erprobt, und zwar in metho-dischen Schritten, die von einer Art Be-standsaufnahme des Bildes über eine Kom-positionsanalyse bis zu der Frage führten:Was löst das Bild in mir aus? Allerdingswurde klar, daß eine solche Systematik nurin den oberen Klassen angebracht ist undauch dort nur als ein übender Durchgangzu einer intuitiven Begegnung. Bei jüngerenSchülern ist viel durch eine hinführende Er-zählung zu erreichen.In einer AG zu Oberstufenfragen brach dasProblem auf, daß katholische Religionsleh-rerinnen, die frisch von der Hochschule aneine Waldorfschule kommen, oft am Gegen-satz ihrer Methodik zum Unterrichtsstil derWaldorfschule scheitern. Frühzeitiger Aus-tausch mit den Waldorflehrern kann hilf-reich sein, sollte aber nicht zu einem Anpas-sungsdruck führen, sondern zu einem be-wußteren Ergreifen der Situation. – Künst-lerische Übungen (Leierspiel, Aquarellma-

len) und gemeinsame liturgische Feiern wa-ren wieder wesentliche Elemente der Be-gegnung. – Kontaktadresse: Elisabeth Schu-mann, Virchowstr. 21, 44801 Bochum. K.S.

Studien zum neuen Goetheanumsaal

Auf Initiative des »Studienkreises zum Bau-impuls R. Steiners« in Mannheim und imEinvernehmen mit der Sektion für BildendeKünste am Goetheanum in Dornach kameine Tagung über den neuen Saalbau zu-stande. Als nach seiner Eröffnung deutlichwurde, daß eine große Anzahl von Mitglie-dern der Anthroposophischen Gesellschaftdiese Erneuerung nicht mittragen wollen,wurde der Wunsch nach positiver Kritik ge-äußert.Es kann in der Kunst nun der Einzelne ent-scheiden, wie das Entstandene zu beurtei-len ist. So lag es nahe, im gemeinsamen »Be-trachten« sich dieser Frage zu nähern, ohne»Gesamturteile« zu fällen. Die Tagungsteil-nehmer vertieften sich zunächst betrach-tend und dann zeichnend unter der Leitungvon Ulrich Schöne in die Originalformenvon Rudolf Steiners erstem Goetheanum-bau. Anschließend wurden die vergleichba-ren »neuen Formen« im Saal aufgesuchtund im Gespräch und nachfolgend imZeichnen zum Eigenerlebnis gebracht.Es war nicht leicht, die eigenen Erfahrun-gen objektiv zu gegenteiligen Beobachtun-gen zu stellen, ohne den »anderen« Betrach-ter als Falschseher zu bezeichnen. Im »Ver-stehenwollen« der anderen Erlebnisse lagdie Kraft dieses Zusammentreffens. Es gabkein Ergebnis, keine gemeinsame Beurtei-lung des »Neuen Saales«.Der Wunsch, das »Angefangene« weiterfortzusetzen, wird von den Initiatoren wei-ter verfolgt. Günter Luft

Werklehrertagung in Dornach

Liebe zur Jugend auf ihrem »dunklen Weg«– das ist eine mögliche Überschrift zumjahrzehntelangen Bemühen der Werklehrerwährend ihrer Herbsttagungen am Goe-theanum. Der seit drei Jahren bearbeiteteWerkbereich in der Oberstufe stellt massiveAnforderungen. Trotzdem waren sich dies-

339

mal die Teilnehmer einig – es zeigen sicherste Früchte.Der eröffnende Beitrag von Donath Aebitraf, ausgehend von der Novelle »Derdunkle Weg« (H. Hesse), ins Zentrum derinneren Situation der Jugendlichen. In denWerkarbeiten der 9. und 10. Klasse über-zeugte das Vorgehen zuerst mit streng ge-führten Übungsreihen und dann eigenenfreien Gestaltungen plastischer Formen,wie es in der 9. Klasse in dem Motiv von inBeziehung zueinander stehenden Men-schengruppen zum Ausdruck kam. Die 10.Klasse erarbeitete freie Formmotive zusprechenden Gebärden (z. B. Geborgenheit,Aggressivität usw.) in Ton und Gips oderfeinen Holzreliefs. – Aebis Leitsatz für die-ses Alter lautete: »Laß’ mich frei, aber laß’mich nicht im Stich.« Jean Dumas doku-mentierte mit einer Fülle von Ton-, Holz-und Steinarbeiten seinen Unterricht. Aucher beginnt mit geführten Formprozessen –z. B. bei der Gestaltung von Menschen beicharakteristischen Tätigkeiten (9. Klasse),um dann zu kraftvoll raumgreifenden undfreien Formen überzugehen (10. Klasse).Die Schritte zum Relief (Ton und Holz, 11.Klasse) und daraus entwickelte Arbeitenam menschlichen Haupt (12. Klasse) ma-chen die verborgene innere Situation derjungen Persönlichkeit plastisch aussprech-bar. Auch der dritte Hauptbeitrag zur Ober-stufe von Günter Luft zeigte mit gediegengeschnitzten Reliefs in verschiedenen Holz-arten und Modellierübungen in Brenntondas engagierte Schaffen der Schüler. Daszentrale Anliegen, durch künstlerische Ar-beit seelische Entwicklung zu stützen, führ-te durch seine Darstellung. Borge Marningführte in seinem Beitrag mitten in die Span-nungen des Jugendalters zwischen Kunstund Technik hinein. Er stellte überzeugenddar, wie das Künstlerische das Willenslebenso zu ordnen und die Urteilskraft so zu stär-ken vermag, daß selbst im Umgang mit dermodernen Computertechnik der menschli-che Freiheitsraum erhalten bleibt.Diese und noch andere Facetten rundetensich in lebhaften Gesprächen über das Ju-gendalter ab, ergänzt durch die eigene tägli-che plastische Arbeit.Abschließend sei Raoul Ratnowsky und

Mia Rist von der Plastikschule am Goethea-num gedankt, die über Jahrzehnte dafürSorge trugen, daß die Werklehrer einenpädagogisch fördernden Beitrag leistenkonnten. Uwe Conradt

Hannover: Tagesmutter-Ausbildung

»Aus der Not der Zeit muß geboren werdender Mut zur Tat«: Diese Worte Rudolf Stei-ners haben uns 1992 angeregt, einen erstenAusbildungskurs für Tagesmütter und Ta-gesväter im Waldorfkindergartenseminar inHannover anzubieten. Inzwischen ist dieseTagesmütter-/väter-Ausbildung fest in dasKindergartenseminar integriert; sie begannim Februar mit ihrem zehnten Durchgang.Der Ansatzpunkt, der uns damals bewogenhat, eine solche Ausbildung zu beginnen,war die Not der Kinder in unserer Zeit.Nicht jedes Kind kann heute in der Gebor-genheit einer Familie heranwachsen. In derNachbarschaft, im Kindergarten, in derSchulgemeinschaft begegnen uns Eltern,die ihr Kind oft schon im frühesten Altereiner fremden Betreuung übergeben müs-sen. Sie tun es in den allerwenigsten Fällenfreiwillig. Um ihren Kindern dennoch eineindividuelle und liebevolle Betreuung zu-kommen zu lassen, suchen sie nach einerTagesmutter/einem Tagesvater, die jedochrar sind.So soll diese Ausbildung die Menschen an-regen, Mut und Sicherheit zu gewinnen, umden verantwortungsvollen Beruf einer Ta-gesmutter/vaters zu ergreifen.Weitere Informationen bei: Waldorfkinder-gartenseminar, Rudolf-von-Bennigsen-Ufer70 b, 30173 Hannover, Tel. 0511-884033, Fax0511-884034. Margret Costantini

Kurse für Bienenhaltung

Von Nord- bis Süddeutschland gibt es Ein-führungskurse in die Praxis wesensgemä-ßer Bienenhaltung. Einige Pioniere wesens-gemäßer Bienenhaltung haben sich zu ei-nem Ausbildungsverbund zusammenge-schlossen. In verschiedenen Imkereien wirdan sechs Samstagen zwischen April undNovember eine grundlegende theoretischeund praktische Einführung in die Imkerei

340

angeboten. Besondere Voraussetzungensind nicht erforderlich. Informationen: Aus-bildungsverbund wesensgemäße Bienen-haltung, Fischermühle, 72348 Rosenfeld,Tel. 07428-935460, Fax 07428-935450.

Thomas Radetzki

Eurythmie-Schule mit neuem Profil

Durch die Berufung von Carina Schmidnach Dornach ergeben sich für die Euryth-mie-Schule Hamburg nach 22 Jahren ein-schneidende Veränderungen: Zum 1. Sep-tember 1999 wird die Verantwortung für dieEurythmie-Schule an Stefan Hasler überge-hen. Damit ist auch eine Neuorientierungder Eurythmie-Ausbildung verbunden.Zwei Neuerungen unterscheiden prinzipi-ell das bisherige von dem neuen Studienan-gebot: Erstens werden regelmäßige Gast-epochen über verschiedene Themen der Eu-rythmie stattfinden. Zweitens wird es Pro-jektwochen und einen reinen Projekttag ge-ben. Hier können sich die Studenten kurs-übergreifend Themen wählen, bei deren Er-arbeitung verschiedene Eurythmisten ausdem Hamburger Umfeld die Betreuungübernehmen werden, um gezielt auf die

verschiedenen Berufsziele des Eurythmi-sten hinzuarbeiten.Im Herbst 1999 wird ein neuer Kurs begin-nen. Weitere Informationen und Bewerbun-gen: Eurythmie-Schule Hamburg, Mittel-weg 12, 20148 Hamburg, Tel. 040-445106,Fax 040-456159. Klaus Hussi

Stibill-Gesellschaft gegründet

Freunde des im Jahre 1995 verstorbenenDichters und Lehrers Rudolf Stibill habenim vergangenen Jahr eine Gesellschaft ge-gründet, deren Ziel es ist, den Nachlaß zuveröffentlichen und sein einfaches Domizilim Südburgenland zeitgemäß herzurichten.Es soll Literaten als Erholungs- undSchreibstelle zur Verfügung stehen und imJahr 2000 seiner Bestimmung übergebenwerden. Die Gesellschaft hat in Österreichund Deutschland ihren Sitz und ist für alleInteressenten zugänglich.Wer mehr wissen oder Mitglied werdenmöchte, wende sich bitte an das Franz NablInstitut für Literaturforschung, Rudolf Sti-bill Gesellschaft e. V., Humboldtstraße 9,A-8010 Graz. Gisela Stibill

TERMINE19. bis 21. März 1999:24. Tanztagung der Freien Waldorfschulen: »Ost-West, die Spiegelung der Volksseele im Tanz«.Mit Vortr. von M. Voegele. Ort: Loheland. Ausk./Anm.: H. Luther, Waldsaum 62, 45134 Essen, Tel.0201-472100.

Frühjahr 1999:Berufsbegleitendes Waldorflehrer-Seminar inFreiburg an der St. Georgener Waldorfschule ge-plant. Ausk.: Frau Blaschke, Tel. 07633-50436.

27. bis 28. März 1999:»Das angstgestimmte Weltverhältnis«. Immermehr Kinder leiden unter »beängstigendenAngstzuständen«. Was können Eltern tun? Wel-che Therapiemöglichkeiten gibt es? Vorträge/Ge-spräche mit H. Köhler. Ausk./Anm.: Janusz-Korczak-Institut, Hirschstr. 4/5, 72649 Wolfschlu-gen, Tel. 07022-55505.

27. März bis 1. April 1999:»40 Jahre leben und arbeiten mit entwicklungsbe-hinderten Menschen«. Orientierungskurs überanthroposophische Sozialtherapie. Ausk./Anm.:Sozialtherap. Gemeinschaften Weckelweiler e.V.,z. Hd. Armin Twerdy, Heimstr. 10, 74592 Kirch-berg, Tel. 07954-970164, Fax 07954-970160.

27. März bis 4. April 1999:Zweites Islam-Seminar für Religionslehrer anWaldorfschulen mit I. Abouleish. Ort: Sekem-Farm nahe Kairo/Ägypten. 12 Teilnehmer. Ver-bindl. Anmeldung an: Dietmar Kreuer,Behringstr. 19, 32756 Detmold, Tel./Fax 05231-20066.

30. März 1999, 19.30 Uhr:»Naturerlebnis Schulhöfe und Kindergärten«.Diavortrag mit R. Witt. Ort: NaturfreundehausSteinbergle, Stresemannstr. 6, 70191 Stuttgart-Kil-lesberg (Nähe Messe). Veranstalter: Blattwerk

341

Gartengestaltung GmbH., Libanonstr. 70-72,70184 Stuttgart, Tel. 0711-468408, Fax 0711-468422.

1. bis 4. April 1999:»Stirb und Werde« – Goethe und Schiller – Wegeder Selbstverwandlung. Ostertagung am Goe-theanum Dornach. Mit T. Didden, G. Glöckler, M.Glöckler, R. Grimm, W. Hammacher, W. Held, C.Hitsch, B. Junge-Dybilasz, M. Klett, H. Kühl, J.Kühl, P. Lappalainen, F. v. Nell, C. Peter, R.Schmidt, M. Schmidt-Brabant, T. Thiersch, G. Un-ger, D. Vollen, H. Zimmermann. Anm. bis 10.3.99:Goetheanum, Tagungsbüro, Postfach, CH-4143Dornach 1, Tel. 0041-61-7064444, Fax 0041-61-7064446.

18. bis 24. April 1999:25. Pädagogische Arbeits- und Besinnungswo-che: »Quellkräfte des Erziehens. Von Lebensfra-gen der Erziehenden«. Anregungen aus der Päd-agogik Rudolf Steiners. Mit F. Vogt. Ort: Bil-dungsstätte Schloss Glarisegg bei Steckborn.Ausk./Anm.: K. u. B. Schneebeli, Tanneberg, CH-8496 Steg, Tel. 0041-55-2451644.

19. bis 22. April 1999:»Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa« /»Jugend und Medien in Europa«. 6. SaarbrückerMedientage und EU-Expertenseminar. Inf. unter:http://www.saarbruecker-medientage.de

23. April 1999, 19.30 Uhr:»Die Schule der Zukunft ist mündig«. Podiums-diskussion im Rahmen des Wirtschafts- und Kul-turfestivals »Vision Schleswig-Holstein«. Inf.:FWS Flensburg, Tel. 0461-903250.

23. bis 25. April 1999:»Familienkultur aus Menschenerkenntnis – Hausund Familie zwischen Chaos und Kosmos«. Ta-gung des Fachbereiches Familienkultur der Sekti-on für Sozialwissenschaft am Goetheanum.Anm.: Tagungsbüro am Goetheanum, Tel. 0041-61-7064444, oder Sektion für Sozialwissenschaft,Tel. 0041-61-7064311, Fax 0041-61-7064314.

7. Mai 1999, 19 Uhr:»Lebensenergie – Bewegungsfreude und ihreVoraussetzungen«. Bewußtseinswandel in derKleinkindpädagogik. Vortr. A. Tardos. Ort: Hum-boldt Universität Berlin, Unter den Linden 6,Raum 2002 (Hauptgebäude).

13. bis 15. Mai 1999:»Zweitklaßlehrer bereiten sich vor«. Seminar fürLehrer, die eine zweite Klasse im Schulj. 1999/2000 führen werden. Ort: FWS Freiburg-St. Geor-gen, Tel. 0761-41214, Fax 0761-4764940.

12. bis 13. Juni 1999:Forum Mensch und Medien. »Medien und Com-puter: reine Werkzeuge?« Öffentl. Tagung des

Medienforschungskreises. Mit R. Patzlaff, U.Buermann, W. Lückemann, E. Müller, F. Vogt, G.Wickenhäuser. Ort: Rudolf-Steiner-Haus, ZurUhlandshöhe 10, Stuttgart. Inf.: R. Patzlaff, ZurUhlandshöhe 12b, 70188 Stuttgart, Tel. 0711-2364860.

11. bis 16. Juli 1999:»Parlons français 1999«. Französischlehrertagungim Institut Rudolf Steiner, 5 rue Georges Cle-menceau, F-78400 Chatou. Anm.: Académie d'artde la parole, 3 rue des Chênes, F-78110 Le Vésinet,France, Tel./Fax 0033-130-534002.

29. Juli bis 5. August 1999:Jugendtagung am Goetheanum: »Faust« – unge-kürzte Gesamtaufführung, Workshops, Ge-sprächsgruppen usw. Mit W. Barfod, A. Behrens,U. Buermann, H. P. Fiechter, W. Held, D. Hering,M. Jermann, B. Kolass, J. Kühl, J. Lanhans, J.Kuhnt, B. Ljubic, H. Lubin, M. Malcherek, B. v.Plato, F. Roder, R. Schmidt, S. Spitta, G. Stockmar,B. Stuten, H. Zimmermann. Info: Jugendsektion,Dorneckstr. 1, CH-4143 Dornach, Tel. 0041-61-7064391, Fax 0041-61-7064392. Anm.: Goethea-num Tagungsbüro, Postfach, CH-4143 Dornach 1,Fax 0041-61-7064446.

Freie Hochschule Stuttgart, Seminar für Wal-dorfpädagogik, Haußmannstr. 44 A, 70188 Stutt-gart, Tel. 0711-210940, Fax 0711-2348913:Geänderter Termin: Beginn Oberstufenkurs: 12.Apr. 1999. 19.-23. Apr. 1999: Frühjahrstagung.

Freie Hochschul-Kurse für Musik Stuttgart, Se-minar für Waldorfpädagogik, Haußmannstr.44 A, 70188 Stuttgart:12.-16. Mai 1999: Kammermusikkurs im SchloßWeikersheim. Thema: Beethoven und die Ent-wicklung des Rhythmus. Mit F. Gleissner, B.Haag, V. Killian, C. Killian, F. Lindenmaier, V. Pe-ter, P.-M. Riehm, G. Roither, J. Trommler. Anm.Schluß: 10.4.1999. 28.-30. Mai 1999: Musikpäd-agogische Tagung. Thema: Das Kräftespiel vonBewegung und Form. Mit H. O. Fank, R. Killian,C. Lang, O. Peter, V. Peter, P.-M. Riehm, P. Schaub,W. Wünsch. Ort: Seminar für Waldorfpädagogik,Stuttgart.

Seminar für Waldorfpädagogik in Hamburge. V., Hufnerstr. 18, 22083 Hamburg, Tel. und Fax040-2983030:Fortbildungskurse: 5.-7. März 1999: »Spracheund Gebärden«. Sprachlehre und Biologie für die6. Klasse; mit D. v. Winterfeldt, H. Eller. 16.-18.Apr. 1999: »… triffst Du nur das Zauberwort«.Fremdsprachen in den Klassen 4 bis 6; mit H.Hell. 10.-12. Sept. 1999: »Es ziehen die Wolken, eswandern die Sterne …«. Himmels- und Wetter-kunde für Klassenlehrer. Mit H. Eller.

342

Lehrerseminar für Waldorfpädagogik, Braban-terstr. 43, 34131 Kassel, Tel. 0561-3162786 oder37206, Fax 0561-3162189:26. März-1. Apr. 1999: Fortbildungswoche fürOberstufenlehrer, Thema: 9. Klasse. 6. Apr.-1.Mai 1999: Blockausbildung für Klassenlehrer. 18.Apr.-1. Mai 1999: Blockausbildung für Oberstu-fenlehrer (Schwerpunkt 11. Klasse). 19.-31. Juli1999: Kommentierte Alpenexkursion. 19.-31. Juli1999: Kommentierte Kunstexkursion (Elsaß, Bur-gund, Chartres), Handarbeitslehrer. 8.-13. Aug.1999: Summercamp der 12. Sommeruniversität(Exkursion Schwäb. Alb, Sonnenfinsternis). 15.Aug.-3. Sept. 1999: 12. Sommeruniversität.

Freie Hochschule für anthroposophische Päd-agogik, Zielstr. 28, 68169 Mannheim, Tel. 0621-309480, Fax 0621-3094850:Fortbildung für Sprachlehrer. SiebenwöchigerKurs in drei Abschnitten: 5. - 24. Sept. 1999;24. Jan. - 4. Febr. 2000; 30. Apr. - 12. Mai 2000.8. März 1999, 18 Uhr: »Fragt den Wundermann,wie man entstehen und sich verwandeln kann«.Vortr. – Goethe Abend. Mit H. Jäger-Mertin. 16.März 1999, 18 Uhr: Informationsveranstaltung zuden Ausbildungsgängen: Studium in Waldorf-pädagogik, Heilpädagogik, Aufbaustudium,Fortbildungskurse. Ort: FWS Frankfurt, Friedle-benstr. 52, Tel. 069-953060. 19. März 1999, 20 Uhr:»Schwierige Kinder – unsere Chance, unsere Her-ausforderung«. Vortr. H. Köhler.Waldorfkindergartenseminar Hannover, Ru-dolf-von-Bennigsen-Ufer 70 b, 30173 Hannover,Tel. 0511-884033, Fax 0511-884034:8.-12. März 1999: Neubeginn der Fortbildung»Heilpädagogik« für tätige Erzieherinnen. 2. Wo-che: 27.9.-1.10.1999. Es folgen noch zwei Wochen.

Institut für soziale Gegenwartsfragen e. V.,Haußmannstr. 44 A, 70188 Stuttgart, Tel. 0711-2368950, Fax 0711-2360218:20. bis 21. März 1999: »Qualitätssicherung in an-throposophischen Einrichtungen – Wege zurQualität«. Mit U. Herrmannstorfer, R. Thomas,M. Brater. Ort: Rudolf-Steiner-Haus Stuttgart. 28.bis 30. Mai 1999: Praktische Fragen der Selbstver-waltung. Wochenendseminar mit C. Strawe, U.Herrmannstorfer. Ort: FWS Kiel, Hofholzallee 20.Anm.: Armin Alles, Kronshagener Weg 15, 24114Kiel, Tel. 0431-526217, Fax 0431-673503. 2. bis 6.Juni 1999: »Anthroposophie und Dreigliederungdes sozialen Organismus – eine Einführung«. MitM. Bindelli, U. Herrmannstorfer, C. Strawe. Ort:Rudolf-Steiner-Haus Stuttgart.

Forum Kreuzberg e. V., Freie Volkshochschule,Eisenbahnstr. 21, 10997 Berlin, Tel. 030-611089-22, Fax 030-611089-29:7.-12. März 1999: Lernen vom Schicksal – Grund-lagenseminar. Mit C. van Houten, K.-H. Finke.

12.-14. März 1999: Lernen vom Schicksal. Auf-bauseminar für Gruppenbegleiter. Mit C. vanHouten, K.-H. Finke. 26.-28. März 1999: DieSelbstschulung des Ausbilders. Mit C. van Hou-ten, K.-H. Finke. 28. März - 3. Apr. 1999: »Geistes-gegenwart im Gespräch – Begegnen und Verste-hen«. Mit C. van Houten, C. van Dijk, K.-H. Fin-ke. 5.-8. Mai 1999: »Der alltägliche Streß«. Mit C.van Houten, C. van Dijk, K.-H. Finke, S. Services,K. Fischer. Ort: Loheland bei Fulda. 12.-17. Mai1999: »Schicksalsereignisse: Widerstände – Lern-momente – Chancen.« Biographiearbeit (Grund-lagenseminar). Mit C. v. Dijk, K.-H. Finke. 3. Juni1999: Lernen vom Schicksal – Arbeitsweise undmethodische Grundlagen. Vertiefungsseminar.Mit C. van Dijk, K.-H. Finke.

Albertus Magnus-Haus, Zechenweg 2, 79111Freiburg, Tel. 0761-455590:6.-10. Apr. 1999: Weckung der Sinne, Belebungder Sprache, rhythmisches Tätigsein. Mit M.Mansikkala, M. Nüesch, A. Kimpfler, F. Schnei-der. 10.-11. Apr. 1999: Gemeinsame Zukunft ineinem vielfältigen Europa. Mit A. Kimpfler, M.Nüesch, P. Ernst. 27.-30. Mai 1999: Die Bewälti-gung von Ängsten und Aggressionen – Zur Be-gegnung von Anthroposophie und Psychothera-pie. Mit A. Liebhart, A. Kimpfler, F. Schneider.

Ita Wegmann-Therapeutikum, Beurhausstr. 7,44137 Dortmund. Anm. über Praxis Dr. Vögler,Tel. 0231-161908 (nur wenn erforderl.):Drei Vorträge und Gespräch mit H. Vögler: 7.Mai 1999, 20 Uhr: Der Tod. 14. Mai 1999, 20 Uhr:Die Geburt. 21. Mai 1999, 20 Uhr: Selbstbestim-mung in Leben und Sterben. 4. Juni 1999, 20 Uhr:Reinkarnation und Karma in der aktuellen Dis-kussion. Vortr. u. Gespr. mit N. Rohlfs. 5.-6. Juni1999: Gestalt und Physiognomie und ihr Zusam-menhang mit dem menschlichen Karma.Übungswochenende für Pädagogen u. Therapeu-ten, mit N. Rohlfs (Anm. erforderl.).

Hogeschool Helicon, Nico de Bruin, Socrates-laan 22 A, NL-3707 GL Zeist, Tel. 0031-30-6937900, Fax 0031-30-6911440:Fortbildung zum Thema UnterstufenunterrichtMathematik – »Rechnen in Bewegung« – fürKlassenlehrer u. a. Der Kurs umfaßt ca. 120 Std.Studium im Zeitr. von 1 1/2 Jahren. Termine undOrte: 3.-6. Juni 1999: Christian Morgensternschu-le Wuppertal. 24.-27. Sept. 1999: FWS Hannover-Maschsee. 5.-7. Nov. 1999: Christian Morgen-sternschule Wuppertal. 7.-9. Jan. 2000: FWS Han-nover-Maschsee.

Förderverein Rudolf-Steiner-Haus Weimar, Eu-ropäische Begegnungsstätte e. V., Meyerstr. 10,99423 Weimar, Tel./Fax 03643-402223:Weimarer Goethe-Zyklus: 12.-14. März 1999:Goethes Kenner- und Könnerschaft um das Rät-

343

sel der Zeit, mit W. Schad. 14.-15. Mai 1999: Goe-the und die Pflanzenwelt, mit M. Kranich. 28.Mai 1999: Johann Wolfgang von Goethe und Ru-dolf Steiner. Vortr. von W. Kugler. (Der genaueVeranstaltungsort wird nach Anmeldung denTeilnehmern bekanntgegeben.)

Eurythmeum Stuttgart, Else-Klink-Ensemble,Zur Uhlandshöhe 8, 70188 Stuttgart, Tel. 0711-2364230, Fax 0711-2364335:Veranstaltungen 1. Halbjahr 1999: 7.3., 20 Uhr:»O Russland, Russland …«, FWS St. Georgen,Freiburg. 12.3., 20 Uhr: dto., FWS Flensburg.13.3., 20 Uhr: Gastspiel: »Kaspar – Er wahrlichliebte die Sonne« – Motive aus dem Leben KasparHausers, mit A. Mothes. Eurythmeum Stuttgart.14.3., 15.30 Uhr: »Die Tochter der Blumenköni-gin«. Altenheim Sonnengarten, CH-Hombrechti-kon. 20.3., 15 Uhr: dto., Goetheanum Dornach.24.4., 16 Uhr: dto., Johanneshaus Öschelbronn.27.4., 20.15 Uhr: Else-Klink-Ensemble. Ort: Ne-therlands Danstheater, NL-Den Haag. 29.4., 20Uhr: Gastspiel – Eurythmieensemble Fundevo-gel, Wien. Eurythmeum Stuttgart. 18.6., 20 Uhr;19.6., 16 Uhr; 20.6., 16 Uhr: Abschlüsse des 4. Aus-bildungsjahres. Eurythmeum Stuttgart. 27.6., 18Uhr: »Die Tochter der Blumenkönigin«. Filderkli-nik Filderstadt.

Eurythmie Bühne Hamburg e. V., Mittelweg 12,20148 Hamburg, Tel. 040-418869, Fax 040-456159:Aufführungen »… an die Erde«: 6.3., 20.30 Uhr:Goetheanum Dornach. 7.3., 20 Uhr: Wilhelma-Theater, Stuttgart. 28.3., 20 Uhr: Altonaer Theater,Hamburg.

Schweizerische Schulbewegung 1999:Treffen der Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Stei-ner Schulen: 15.5.1999: Zürich. 18.9.1999: Sar-gans. 20.11.1999: Wil.11. März 1999: »Wege zur Qualität«: Einführungfür Schulen. Ort: Zürich. Am 15. März 1999 inBern-Ittigen. 20. März 1999: Schweizerische Kin-dergartentagung in Marbach. 31. März 1999:Kunstlehrer-Treffen in Zürich. 28.-29. Mai 1999:Tagung der Religionslehrer in Dornach. 4. Sept.1999: Religionslehrer-Zusammenkunft in Steffis-burg. 13. Nov. 1999: Schweizerische Oberstufen-konferenz in Kreuzlingen. 25.-29. Apr. 2000: Welt-lehrertagung.

Aus dem Terminkalender 1999 des Bundes derFreien Waldorfschulen, Heidehofstr. 32, 70184Stuttgart, Tel. (0711) 210420, Fax: 2104219:April 199930.4.-2.5.: Eltern-Lehrer-Schüler-Tagung, 37. Jah-restagung des Bundes in Lübeck.Mai 199914.-16.: Meeting des European Council of Rudolf-Steiner-Waldorf Schools in Ljubljana. 21.-27.:Turnlehrertagung in Freiburg.Juni 199916.-24.: Öffentl. pädagogische Arbeitswoche,Wanne-Eickel: »Eine neue Welt gestalten –Schwellenerlebnisse des modernen Menschen«.Juli 199928.7.-4.8.: Öffentl. pädagogische Arbeitswoche,Stuttgart: »Das Menschheitliche und das Persön-liche in der Entwicklung – Beschleunigung undStillstand – Ein Jahrhundert schließt«.

Anschriften der Verfasser:

Hans-Jürgen Bader, Bund der Freien Waldorfschulen, Heidehofstr. 32, 70184 StuttgartUlli Bögershausen, Großer Kamp 11, 33619 BielefeldCarola Eimermacher, Wallfahrtskottenweg 10, 48167 Münster/W.Joachim Fuß, Mühlgasse 13, 61231 Bad NauheimCornelia Garbe, Opfinger Str. 65, 79114 FreiburgDr. Christoph Göpfert, Bohnekampsheide 2a, 49565 BramscheDr. Detlef Hardorp, Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 46, 14612 FalkenseeAchim Hellmich, Bjoernsonstraße 6, 12163 BerlinProf. Dr. Claudio Hofmann, Ersteiner Str. 25, 14169 BerlinJohannes Kiersch, Institut für Waldorfpädagogik, Annener Berg 15, 58455 WittenBrigitte Kögler, Rudolf Steiner Schule, An der Vogelhecke 1, 63128 DietzenbachJohannes Kühl, Naturwissenschaftliche Sektion am Goetheanum, Postfach 134, CH-4143 DornachProf. Dr. Harm Paschen, Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik, Postfach 100131, 33501 BielefeldSusanne Pühler, Chopinstr. 68, 70195 StuttgartRüdiger Reichle, Ohlstedter Str. 6, 22949 AmmersbekFreimut Schade, Hohensteiner Weg 3, 15345 KlosterdorfUlrike Schmoller, Ostalbstr. 21, 89555 SteinheimMarkus Schulze, Freie Waldorfschule Köln, Weichselring 6-8, 50765 KölnDr. Dirk Wegner, Am Hünenberg 3, 24340 WindebyDr. Heinz Zimmermann, Pädagogische Sektion am Goetheanum, Postfach 134, CH-4143 Dornach

265

Ulli Bögershausen

Erfahrungen eines Vatersmit der Laborschule Bielefeld

Meine Zeit als Laborschulvater begann 1985 mit der Einschulung meines SohnesFabian und endete mit der Schulentlassung meiner Tochter Nina im Juni 1998. 13lange Jahre, die ich im Rückblick als bedeutende Etappe in meinem Leben emp-finde, da meine Kinder eine Schule besucht haben, die das Familienleben invielerlei Hinsicht beeinflußt und bereichert hat.

Die schönste und intensivste Zeit waren zweifellos die Jahre, die meine Kinderin Haus 1 verbracht haben. Laborschüler fangen als »Nuller« an, d. h. sie werdenbereits mit fünf Jahren eingeschult und beginnen ihre Schulzeit in einer festenStammgruppe in einem eigenen Gebäude. Die Gruppe besteht aus 15 Kindern(5 Nuller, 5 Einer und 5 Zweier). Erst mit dem Übergang in Haus 2 formieren sichaltershomogene Gruppen. 3 Stammgruppen bilden in Haus 1 eine »Fläche«: Sielernen und spielen in ihren jeweiligen Bereichen, jedoch innerhalb eines großenRaumes. Ein Raum, der aber durch Treppchen, eine Galerie, Teppichboden, Lichtvon oben, Kuschel- und Spielecken mehr Gemütlichkeit ausstrahlt, als allgemeinangenommen wird. Es entsteht eine geborgene Atmosphäre, in die Eltern ihreKinder sorglos abgeben können, in der es keine Schulklingel gibt, in der dieLehrerinnen und Erzieherinnen geduzt werden, mit denen sogar gekuschelt wer-den darf. Die »Einer« helfen als Paten den »Nullern«, sich in der neuen Umge-bung zurechtzufinden.

Eine anrührende Einführungszeremonie nimmt die ersten Ängste vor der neu-en Situation. Jedes Kind wird persönlich – traditionell mit einer Sonnenblume –begrüßt und in die Gruppe eingeführt. Ich kann mich noch lebhaft an die Ein-schulung meiner eigenen Kinder erinnern, die seinerzeit noch von Hartmut vonHentig persönlich durchgeführt wurde. Alle Kinder (und auch ihre Eltern)lauschten fasziniert einer märchenhaften Geschichte, die in allen das Gefühl aus-löste, daß es in dieser Schule Spannendes zu lernen geben müßte.

Ein Haus des Lernens

Natürlich kann kein Schulalltag so knisternd sein wie dieser erste Tag, und den-noch: Alle hatten begriffen, das dieses »Haus des Lernens« durchaus Spaß ma-chen darf, daß auch im Spiel gelernt werden kann und daß diese Schule nichtüber äußeren Druck Erfolge erreichen will.

Vielfältige Anregungen warteten darauf, erfahren zu werden: jede Menge Bau-klötze, aus denen phantasievolle Bauten entstanden; der Schulgarten, in dem

266

kleine Gruppen für bestimmte Beete zuständig waren; die Werkstatt, das Fotola-bor, der Schulzoo, in dem ebenfalls Kinder-Teams Verantwortung für Hamsterund Kaninchen trugen.

Es gab aber auch immer wieder Highlights, in denen die ganze Schule feierte,z. B. die Nicaragua-Matinee, eine Feier, die in engem Bezug zur Partnerschule inEsteli steht, oder die Karnevalsfeier in Haus 1, ein rauschendes Fest, das auch diejüngeren Jahrgänge aus Haus 2 immer wieder anzog.

In Haus 1 wurde auch das gelernt, was in herkömmlichem Sinne als Schulstoffverstanden wird. Schreiben etwa, meistens am großen Tisch der Stammgruppe,anhand von Unterrichtsmaterialien, die auf das jeweilige Lernvermögen undLerntempo der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind. Ziel war und ist es,daß möglichst alle Schülerinnen und Schüler beim Übergang in Haus 2 lesen undschreiben können. Wer dennoch mehr Zeit braucht, erhält sie auch. Daß sichLernen nicht nur linear, sondern auch in Sprüngen vollziehen kann, wird indieser Schule sichtbar. Leistungen werden durch individuelle Berichte bestätigt,der Druck von Noten ist bis zur neunten Klasse unbekannt und entsteht erst,wenn in der 10. Klasse der Übergang in andere Schulen ins Blickfeld gerät.

Gelernt wird aber auch, in freier Rede (etwa von einem Ausflug am Wochenen-de) vor der Stammgruppe zu erzählen oder gar die Versammlung der ganzenFläche (45 Kinder) zu leiten; gelernt wird ebenfalls, sich als »Einer« ein Jahr langals Pate eines »Nullers« zu engagieren.

Die Schule ist von Anfang an bunt, bunt gemischt in sozialer und kulturellerHinsicht. Die Laborschule als UNESCO-Projektschule ist für internationale Part-nerschaften und Begegnungen höchst aufgeschlossen. Alle Schüler erleben wäh-rend ihrer Schulzeit in Haus 2 mindestens zweimal einen mehrwöchigen Aus-tausch mit anderen europäischen Schulen. Die Heranbildung des Menschen als

Unten: Blick auf die Eingangsstufe der Laborschule (Schuljahr 0 - 2), Kleingruppe beimVorlesen. Man steckt gemütlich die Köpfe zusammen

267

soziales Wesen, insbesondere gegenüber Kindern anderer Hautfarbe, ist gelebtesMotto. Gastkinder aus den entferntesten Regionen der Erde, die manchmal imGefolge ihrer Eltern, die an der Uni arbeiteten, nur für begrenzte Zeit auf derSchule waren, wurden ebenso wie Migrantenkinder begeistert aufgenommen,war von ihnen doch so viel Spannendes zu erfahren. Ausländerfeindlichkeithabe ich persönlich in den 13 Jahren an dieser Schule nicht erlebt.

Härtere Anforderungen mit dem Größerwerden

Der Übergang in Haus 2 markiert für viele Schüler eine harte Zäsur. Die liebevol-le, wohlbehütete Atmosphäre von Haus 1 verlassen zu müssen, läßt erahnen, daßmit dem Größerwerden auch härtere Anforderungen gestellt werden. Haus 2 istgrößer, voller, leider z. T. auch lauter und unruhiger. Auch für uns Eltern, die inHaus 1 familiär eingebunden waren, z. B. durch die Vorbereitung von Festenoder die Begleitung ihrer Kleinen beim Schwimmkurs (Erwerb des »Seepferd-chens«), begann eine neue Etappe. Alle mußten lernen, daß es Konflikte undAggressionen gibt, daß die süßen Kleinen sich durchaus unterschiedlich entwik-keln können. Eine schwere Herausforderung, diese Konflikte zu benennen undauszutragen, insbesondere in einer Schule, die bislang so harmonisch erlebt wor-den war. Die Diskussionen (auch auf Elternabenden) wurden intensiver, die päd-agogischen Probleme (und Differenzen) auch.

In Haus 2 (für 3. bis 10. Schuljahr), Gruppenarbeit 8. Klasse

268

In den höheren Jahrgängen schleicht sich die Binnendifferenzierung hier undda durch die Hintertür ein. Schüler beginnen sich zu vergleichen, und wenn siees nicht tun, tauchen Eltern auf, die ungewohnte Ansprüche von außen in dieSchule tragen. Hinzu kommt der politische Druck von außen, ständige Versuche,vornehmlich aus Kreisen der CDU, Etats zusammenzustreichen, der Versuchs-schule den privilegierten Sonderstatus zu kürzen oder sie am besten gleich ganzaufzulösen.

Gemeinsame Leitung und wissenschaftliche Begleitung

Der Elternrat diskutiert neben pädagogischen Fragen immer auch politische Stra-tegien, um den vielen Anfeindungen von außen widerstehen zu können. Dabeiist diese Schule Versuchsschule des Landes NRW: Alle Lehrerinnen und Lehrerarbeiten auch in der Forschung und liefern wichtige Erkenntnisse an die Pädago-gische Fakultät der Universität Bielefeld. An der Laborschule erprobte Erfahrun-gen, wie der Frühbeginn in der englischen Sprache ab der dritten Klasse, Verzichtauf Noten zumindest in den ersten Schuljahren, Spiel- und Kuschel-ecken, wur-den schon vor etlichen Jahren in anderen Bundesländern übernommen.

Es gibt eine »Gemeinsame Leitung« aus Fakultät und Schulkollegium, derenMitglied als Elternvertreter ich jahrelang war. Diese »Gemeinsame Leitung« setztsich aus Vertretern der Schule, der Fakultät und einem Elternvertreter zusam-men. Ihre Aufgabe ist es u. a., einen Forschungs- und Entwicklungsplan zu er-stellen, in dem die vielfältigen Forschungsprojekte koordiniert werden. Koedu-kation von Jungen und Mädchen im Sportunterricht, die Integration von Kin-dern mit »sonderpädagogischem Förderbedarf«, ein Curriculum für denFrühbeginn in Englisch sind einige Beispiele für Forschungsprojekte, die vonLehrern der Laborschule durchgeführt wurden und von der »WissenschaftlichenEinrichtung Laborschule«, einer Abteilung der Pädagogischen Fakultät, begleitetwurden. Der wissenschaftliche Output an Büchern und Zeitschriftenbeiträgenist außerordentlich und nähert sich der 1000er Marke.

Eine solche Schule zu betreiben ist teurer, bringt aber auch mehr. Die Erziehungunserer Kinder sollte uns diese Ausgaben unbedingt wert sein.

Diese Schule lebt aber auch vom Engagement ihrer Lehrerinnen und Lehrer,der Tatkraft, aber auch der hohen Sensibilität ihrer Schulleitung und der Neu-gierde und Kompetenz der sie begleitenden Wissenschaftler. Wer sich dafür ent-schieden hat, hier zu unterrichten und zu forschen, weiß vorher, daß an dieserSchule meistens ganzer Einsatz verlangt wird; weiß aber auch, daß diese SchuleSpaß macht und vieles zurückgibt, was eingebracht wurde.

Überraschende soziale Kompetenz

Inzwischen sind meine Kinder selbst Laborschulabsolventen, und ich kenne dar-über hinaus noch viele andere, die sich ausgezeichnet in weiterführenden Schu-

269

len bewähren. In der Öffentlichkeit ist meistens nur bekannt, daß diese SchülerSchwächen in Mathematik haben (die sie auf anderen Schulen allerdings mei-stens sehr schnell kompensieren können). Wichtiger erscheint mir, daß sich hierjunge Persönlichkeiten entwickelt haben, die gelernt haben, ihre weitere Lauf-bahn eigenständig zu organisieren, die z. B. mit einer Bibliothek umgehen kön-nen (die Laborschule hat eine eigene, außerdem liegt die Schule gleich neben derUniversität), die selbständig lernen können, die in Gruppenversammlungen undin der intensiven Theaterarbeit gelernt haben, frei zu sprechen und sich selbstbe-wußt zu artikulieren, die auf anderen Schulen immer wieder mit ihrer sozialenKompetenz überraschen.

Meine Kinder haben in Polen an einem Umweltprojekt teilgenommen, warenauf einer Skifreizeit, waren entweder in Finnland oder in England, Frankreichund Italien, haben einige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt mit ihremEinsatz für ein Mahnmal zur Erinnerung an Deportationen in der Zeit des Natio-nalsozialismus und haben immer wieder wochenlang an Theaterprojekten gear-beitet, die in höchst anspruchsvolle Aufführungen mündeten. Die Schule war fürsie 11 Jahre lang »Lebens- und Erfahrungsraum« und als solcher ein fester Be-standteil des eigenen Lebens.

Beide Male waren die Abschiede tränenreich für Schüler, Schülerinnen undEltern und schließlich auch für die Lehrerinnen und Lehrer. Kein schlechtesZeugnis für eine Schule.

Als ich im Jahre 1976 die Laborschule Biele-feld besuchte, um dort den Unterricht zubegleiten, kam am Nachmittag Hartmutvon Hentig zu einer gemeinsamen Auswer-tung.

Beeindruckte schon die offene und anre-gende Atmosphäre der Schule und das En-gagement der Kolleginnen und Kollegen, sowar die Begegnung mit Hentig das prä-gnanteste Erlebnis. Seine schlanke Gestaltmit dem asketischen Gesicht, seine sprü-hend-strahlenden Augen und seine inzwi-

schen weißen Haare ließen aufblicken.Nach längerem Zuhören lockerte er das Ge-spräch auf, fragte und gewichtete. Langsamentstand eine Struktur, und das Gesprächintensivierte sich. Es ging um das sozialeMiteinander der Schülergruppen.

Hentig brachte Beispiele und schilderteseine Erfahrungen mit den Kindern so pla-stisch und nachvollziehbar, daß unser Vor-stellen und Denken beflügelt wurde. DieMischung zwischen Zurückhaltung undEngagement, von profundem Wissen und

»Belehrung verhindert Erkenntnis« Hartmut von Hentig – ein Porträt

Zum Autor: Ulli Bögershausen, Jahrgang 1954, Soziologiestudium mit Abschluß als M. A.1979 in Berlin. Seit 1980 hauptberuflich Musiker (Sologitarre mit eigenen Kompositionen).Laborschulvater von 1986 bis 1998.

270

ner Frau M. von Kügelgen geboren. DieDiplomatentätigkeit seines Vaters imauswärtigen Dienst brachte es mit sich,daß Hartmut Kindheit und Jugend invielen Ländern verbrachte und 13 ver-schiedene Schulen besuchte. »Die Land-schaft meiner Kindheit liegt irgendwozwischen Sparta und Kosmopolis«,schreibt er in seinen Erinnerungen(»Aufgeräumte Erfahrungen«). MitSparta ist der preußisch-prinzipientreueVater gemeint, der seinem Sohn zumVorbild wird. Obwohl sein Vater gegendas Naziregime eingestellt ist, mit Wi-derstandskreisen konspiriert und ver-folgten Juden mehrfach hilft, toleriert erdie Entscheidung seines Sohnes, derHitlerjugend beizutreten. Diese geistigeFreiheit und doch wertmäßige Klarheitdes Elternhauses gibt Hartmut ein tra-gendes Fundament. Die Erfahrungenim Krieg und der allmähliche Durch-blick, den er politisch gewinnt, prägenschließlich seine politisch-moralischeÜberzeugung und führen zur Gegner-schaft zum NS-Regime.

Hartmut von Hentig bekam zum 70. Geburts-tag von der Laborschule und dem Oberstufen-kolleg Apfelbäume geschenkt

Sensibilität im Umgang mit uns, war es,was Nähe und Vertrautheit erzeugte. Hilde-gard Hamm-Brücher nannte ihn einmal»überzart und hochsensibel« und bewun-derte ihn, der in den politischen Auseinan-dersetzungen um die Bildungsreform derEntschiedenste war und so »standhaft aufseiner Position zwischen den Stühlen be-stand«.

Hartmut von Hentig wird mitunter derweiße Rabe seiner Zunft genannt, ein Mann,der nie Pädagogik studierte und doch –oder gerade deshalb? – Deutschlands ein-flußreichster Pädagoge und Schulkritikerist. Er gehört, auch heute noch mit 73 Jah-ren, zu den wichtigsten Theoretikern undPraktikern der Bildungsreform.

Am 23. September 1925 wurde Hentig inPosen als Sohn des Otto von Hentig und sei-

1945 beginnt Hentig mit dem Studium deralten Sprachen in Göttingen, es folgen Chi-cago und Tübingen. Nach dem Master-of-Arts-Examen promoviert er zum Dr. phil.und legt das erste und zweite Lehrerex-amen für das Lehramt in den Fächern Eng-lisch, Latein und Griechisch ab. Bereits sei-ne Lehrertätigkeit ist ungewöhnlich: GeorgPicht holt ihn als Latein- und Griechischleh-rer an das Internat Birklehof, später geht ernach Tübingen und praktiziert eine neueFremdsprachenmethode: Spielerisch undtheatermäßig wird mit dem Lernen umge-gangen, keine Belehrung, kein Pauken,denn »Belehrung verhindert Erkenntnis«,wie Hentig schreibt (»Platonisches Lehren.Probleme der Didaktik, dargestellt am Mo-dell des altsprachlichen Unterrichts«, 1966).Nach 10jähriger Lehrertätigkeit wird erzum Professor für Pädagogik nach Göttin-

271

gen berufen und folgt 1968 einem Rufan die neue Universität Bielefeld.

In den 60er Jahren ist Hentig der ersteeinflußreiche Schulkritiker. Er setzt sei-ne Schulkritik und Theorie in die Praxisum: Die Laborschule und das Oberstu-fenkolleg Bielefeld werden gegründet,zwei großangelegte pädagogische Mo-delle zur Veränderung der Schule.

Hentig gehört zu den »großen Päd-agogen unserer Zeit, die die Fähigkeitbesitzen, in einem weiten Bogen von derantiken Welt bis heute Strukturen desDenkens sichtbar zu machen« (OskarNegt). Man könnte Hentig, der auf dieKraft der Ideen und des lebendigenDenkens vertraut, einen modernen Pla-toniker nennen. »Wir müssen Menschenzum Aushalten von Offenheit und vonAmbivalenz, von Zweiwertigkeit erzie-hen und nicht den kleinen Menschleinimmer schon sagen, es läuft alles nachdieser Regel: Der Ablativ folgt immerwenn … Ihnen nicht einprägen, daß dieWelt geordnet ist wie ein Rechenschieber.Sie darauf vorbereiten, daß das, was manihnen jetzt gibt, Mittel sind für unterschied-liche Lagen: Alles kann ganz anders sein,und du bist vor allem immer wieder andersals ich. Deine Lösung könnte besser sein,probier mal aus!« (»Bildung«, 1996). Bil-dung ist nach Hentig die Kunst, sich immerwieder zu erfinden, sie ist eine Leistung desIndividuums, das es versteht, seine Schwä-che, seinen Mangel in Stärke zu verwan-deln. Diese Entwicklungsbedürftigkeit desMenschen in einer liebevollen, fehlertole-ranten und erfahrungsorientierten Lernat-mosphäre ist Hentigs Credo. 1988 ließ sichHentig vorzeitig emeritieren, um die Zeitstärker zum Schreiben zu nutzen. Seine um-fangreichen Publikationen reichen von derantiken Bildung über die Auseinanderset-zung mit Ivan Illichs Ideen bis zur aktuellenBildungsituation unser Zeit. Hier seien nurseine letzten Bücher erwähnt: Das Buch

»Die Schule neu denken« (1994) wurde hef-tig diskutiert. Es folgten »Bildung« (1996)und 1998 seine Schrift »Kreativität« (alleHanser Verlag).

Zu seinem 70. Geburtstag, 1995, nannteihn Marion Gräfin Dönhoff »einen Abenteu-rer des Geistes, der jugendlich-jung, ela-stisch und kreativ wirkt«. Das ist auch heutenoch so, der Geist altert nicht.

Sehr anregend, spannend und aufklärendgeschrieben sind v. Hentigs: »AufgeräumteErfahrungen«, München 1998. Es handeltsich um zusammengestellte autobiographi-sche Texte, die nicht nur über den Autor be-richten, sondern gleichzeitig ein Stück Zeit-und Bildungsgeschichte der letzten 60 Jahrewiedergeben. Achim Hellmich

Autorennotiz siehe unter: »Die LaborschuleBielefeld«.

Diese Schüler machten während einerProjektwoche als Team eine Zeitung

272

Achim Hellmich

Die Laborschule BielefeldSchule als Lebens- und Erfahrungsraum

Laborschule? Der Name läßt den Pädagogen in mir leicht erschauern, Schule alsLabor und Kinder als Versuchsobjekte in einer keimfreien Versuchsanordnung?Glücklicherweise ist dieses »Labor« weder eine Art Gruselkabinett des Dr. Cali-gari noch eine technologisch durchgeplante Regelschule. Der Begriff »Labor-schule« stammt aus ihrer Gründungszeit: 1974 entstand diese Schule mit demAnliegen, die Ergebnisse der Bildungsreformdebatte in einer staatlichen Ver-suchsschule mit experimentellem Charakter zu konkretisieren. Initiator und prä-gende Persönlichkeit dieser inzwischen einzigartigen Schule in Europa warHartmut von Hentig.

Betrachtet man die Laborschule als Ganzes, so hat sie, obwohl sie mit ca. 660Schülern nur eine mittelgroße Schule in der Schullandschaft der BundesrepublikDeutschland darstellt, eine herausragende Bedeutung und wirkt immer wiederals Impulsgeber für Reformen im staatlichen Schulwesen. Selbst wenn finanziellund personell die günstigen Bedingungen dieser Versuchsschule nicht auf dieRegelschule übertragbar sind, so wird hier doch modellhaft vorgeführt, daßSchule und Lernen anregend, spannend, lustvoll, weitgehend gewaltfrei underfolgreich sein kann. Leben und Lernen in der Laborschule sind auf Verantwor-tung, Selbständigkeit, Kooperation und soziale Durchsetzungsfähigkeit ange-legt. Wie stark sich auch die Lehrkräfte engagieren, zeigt sich nicht nur im Unter-richt, sondern in der Öffentlichkeit durch die vielen Publikationen gerade auchder Lehrer über ihre Schule und in ihrer Präsenz auf Tagungen und Kongressen.Durch die Forschungsaufgaben der Schule und ihre enge Verbindung zur päd-agogischen Forschung der Universität besteht ein nachhaltiger Aufforderungs-impuls an das Kollegium, sich über Schule und Unterricht (curriculare Entwick-lung, Unterrichtsformen und -probleme) auszutauschen, die Erfahrungen zuhinterfragen und öffentlich zu machen.

Die Schulgebäude, zwei langgestreckte Zweckbauten, wurden nach der spezi-ellen Schulkonzeption gebaut. Betritt man das Gebäude, so sucht man vergeblichtraditionelle Klassenzimmer, es gibt sie nicht. Lernen geschieht in »Lebens- undErfahrungsräumen«: Die Klassenräume sind zugunsten offener Lern- und Akti-onsebenen, die vielfältig untergliedert sind, aufgelöst.

Kinder der Vorschulgruppe spielen abgeschirmt, andere malen oder schneidenetwa aus. Eine Treppe führt zur nächsten Ebene, dort arbeiten einige Kinder derersten Klasse mit ihrer Lehrerin, andere lösen für sich Übungsaufgaben, der Restder Gruppe betreut gerade mit einer Erzieherin die Tiere des Schulzoos.

Die Eingangsstufe reicht vom Vorschuljahr bis zur 2. Klasse und arbeitet alters-

273

gemischt. Auf vier gegliederten Flächen befinden sich jeweils drei Gruppen zu je15 Kindern mit drei Lehrern und einer Erzieherin. Die Kinder haben zwar ihreeigene »Stammgruppe« und ihren speziellen Lernbereich, dennoch: Die Grenzenzwischen den Gruppen sind fließend, und die Lehrkräfte arbeiten im Team. Die-se insgesamt 180 Kinder der Eingangsstufe haben ein eigenes Schulgebäude, dassogenannte Haus 1.

Die Schule öffnet bereits um 7.45 Uhr. Der Unterricht beginnt um 8.30 Uhr inden ersten Jahren mit dem »Morgenkreis«. Die Kinder erzählen von ihren Erleb-nissen, stimmen sich auf den Tag ein, eine Vorschau auf den Tag wird gegeben. Inder Sekundarstufe (ab 5. Schuljahr) wird dies mit der Betreuungsstunde amMontagmorgen fortgesetzt, eine Zeit, in der das Wochenende zur Sprachekommt und notwendige Vereinbarungen für die Woche getroffen werden. Zumschulischen Alltag gehört »eine intensive Gesprächskultur, in der das Reden überÄrger, Freude, Ängste und Erwartungen, Ansprüche und Forderungen selbst-verständlich ist. In der Eingangsstufe finden Versammlungen statt, in denen dieKinder (bis zu 60) der gesamten Fläche zusammenkommen, gemeinsam singenund spielen, Projekte besprechen und sich über das Miteinander austauschen, inder Sekundarstufe gibt es, neben den täglichen Kurzversammlungen, die Betreu-ungsstunden«.1

In Haus 2 ist die Sekundarstufe untergebracht. Dort sind, die Lernebenen er-gänzend, sogenannte Funktionsflächen für die naturwissenschaftlichen Bereicheausgewiesen. Bis zum 5. Schuljahr ist der Unterricht ganzheitlich – noch nicht inFächer aufgeteilt – und auf den Lernrhythmus des Kindes mit seinen wechseln-den Bedürfnissen ausgerichtet, danach gliedert sich das Lernfeld in Erfahrungs-bereiche auf, die über den üblichen Fächerkanon der Regelschule hinausgehen:Wahrnehmen und Gestalten, Sprache, Mathematik, Körpererziehung, Sport undSpiel, Sozial- und Naturwissenschaft. Künstlerisches Gestalten, Werken, Sport,Musik sind so verteilt, daß sie zusammen mit der Freizeitarbeit ein Gegenge-wicht zu den »Kopffächern« bilden.

Allgemeine Merkmale

Die Schule umfaßt die Jahrgänge ab der Vorschule bis zur 10. Klasse. Als Gesamt-und Ganztagsschule besonderer Prägung selektiert die Schule nicht nach Lei-stung, es gibt kein Sitzenbleiben und ein Notenzeugnis erst ab 9. Klasse. DieSchule ist nach Jahrgängen in vier Stufen gegliedert und dadurch altersgemischt.Für die erste Stufe dauert der Unterricht bis mittags, für die nächsten bis in denNachmittag hinein. Dienstag ist Konferenztag. Neben dem Pflichtteil wird mitzunehmendem Alter der Wahlbereich immer umfassender, zuletzt bis zu einemDrittel der Unterrichtszeit. Das ermöglicht den Schülern, eigene Wissens- undInteressengebiete auszubilden, und verstärkt das individuelle Lernen.

1 S. Thurn/K.-J. Tillmann (Hrsg.): Unsere Schule ist ein Haus des Lernens, Reinbek 1997,S. 176

274

Pädagogische Leitlinien

Lebensnahes Lernen: Unterrichten heißt, das Lernen, wann immer es möglich ist,an und aus der Erfahrung zu entwickeln, die Prinzipien des »Offenen Unter-richts« bilden hierzu die Grundlage. Schule als Erfahrungsort muß, wie es dieLaborschule tut, umfassende Lerngelegenheiten anbieten. Das beginnt bereitsmit dem Schulgarten und der Versorgung von Tieren, später geschieht es durchdie Arbeit in Unterrichtsprojekten, im Theaterspiel, durch die Betriebspraktikau.ä. Die Unterrichtszeit ist am Lernrhythmus der Kinder und am Lerninhaltorientiert, es gibt folglich keinen 45-Minuten-Rhythmus..Schule als Teil der Gesellschaft

Die Schulgemeinschaft wird besonders betont. In dieser Gemeinschaft geltenRegeln und Verhaltensweisen, die grundsätzliche Bedeutung haben, wie dassinnvolle Regeln gemeinsamer Aufgaben, Übernahme von Verantwortung, en-gagiertes Handeln, gewaltfreies Lösen von Konflikten und Vermittlung und Ein-übung von »Streitkultur«. Hierzu dienen auch die regelmäßigen Unterrichtsbe-sprechungen am Wochenanfang, die Gespräche zum Beginn des jeweiligen Un-terrichtstages, die großen Versammlungen der jahrgangsübergreifendenGruppen und später in der Sekundarstufe zusätzlich die Betreuungsstunden unddie täglichen Kurzversammlungen. Letztlich wird damit eine Entwicklung de-mokratischer Kommunikations- und Verkehrsformen angestrebt.

Erste Schritte am Computer – die aber (noch) kein fester Bestandteil des Unterrichts sind

275

Methodisch-didaktische Gliederung des Unterrichts

Der Stufung der Jahrgänge entsprechend wird methodisch differenziert unter-richtet. In den ersten Klassen ist der Unterricht spielerisch-anschaulich, ganzheit-lich-ungefächert, »am Tag entlang«. Ruhe und Bewegung, Konzentration undEntspannung sollen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. In der 3. Klassekommt der Fremdsprachenunterricht hinzu. Der Unterrichtsstil ist »sozial-inte-grativ« und »schülerzentriert«. Sozial-integrativ bezeichnet einen Unterrichts-stil, der im Gegensatz zur traditionellen Schule kein Konkurrenzverhalten derSchüler untereinander aufbaut. Leistungen werden nicht im Vergleich der Schü-ler untereinander bewertet, sondern individuell, von den Möglichkeiten derSchüler her angesehen. So hat beispielsweise Sabine das Blumenamt übernom-men und führt es verläßlicher aus als vorher Klaus, der stattdessen mit Uteregelmäßig die Hasen füttert und dadurch lernt, Verantwortung zu übernehmen.Beim Lesen hat Fabian keinerlei Schwierigkeiten und liest gern vor, Gerharddagegen braucht noch viel Zeit und übt in einer Kleingruppe mit Lesekärtchenund Bildtexten.

In der Laborschule geht es nie um ein besser oder schlechter im Vergleich mitanderen Schülern, sondern die Kinder lernen, richtig oder falsch, besser oderschlechter mit einer Anforderung, einem Sachverhalt oder auf eine Tätigkeit be-zogen, umzugehen.

Schulzoo in der Laborschule, von Kindern betreut, die besonderen seelischen Schutz undZärtlichkeit brauchen oder sich einfach für Tiere interessieren

276

Eine Unterrichtsmethode, die »schülerzentriert« statt »lehrerzentriert« arbei-tet, bedeutet nicht nur, den Frontalunterricht durch eine neue Sitzordnung(Gruppentische oder Sitzkreis) aufzulösen, denn die Form allein schafft nochkeinen neuen Inhalt, sie ist höchstens eine Folgeerscheinung. Die Methode sagtetwas über das Verhältnis Lehrer – Lerngruppe aus. Beim lehrerzentrierten Un-terricht läuft die Kommunikation fast ausschließlich über den Lehrer: Der Lehrererklärt, ordnet an, stellt Fragen, bekommt Antworten, überprüft, urteilt usw.Beim schülerzentrierten Unterricht stellt der Lehrer »lediglich« im moralischenund sozialen Sinne eine Autorität dar. Für die Unterrichtsinhalte ist er zwarweitgehend Initiator und Experte, die Kommunikationsformen (Fragen/Ant-worten/Vorschläge/Entscheidungen usw.) sind dagegen deutlich stärker überdie Schülergruppe verteilt: Diskussionen untereinander mit einem Schüler alsDiskussionsleiter, gemeinsame Planungen von Unterrichtsvorhaben, ihre Durch-führung und Auswertung u. ä. prägen den Unterrichtsstil.

Der Unterricht ist nicht nach einer Entwicklungstheorie des Kindes aufgebaut,sondern folgt einer, zwar nicht dezidiert beschriebenen, aber doch erkennbarenLerntheorie. Nicht durch den Lehrer soll das Kind motiviert werden (»extrinsi-sche Motivation«), sondern von der Sache her, d. h. »intrinsisch«.

Eng damit verbunden ist das Prinzip des »ganzheitlichen Lernens« in Grup-pen- und Jahrgangsprojekten und verstärktes Angebotslernen im »Offenen Un-terricht«.

Ganzheitliches Lernen und offener Unterricht

Beim ganzheitlichen Lernen sollen Kopf, Herz und Hand gleichermaßen ange-sprochen werden. Der methodische Schritt führt »vom Konkreten zum Abstrak-ten« (das heißt von der Eigenerfahrung zur Verallgemeinerung) und »von derAnschaulichkeit zum Handlungsbezug« (das heißt, Sachverhalte sollen mög-lichst direkt erfahrbar, Einsichten im Tun umsetzbar sein).

Das Prinzip »Kopf, Herz und Hand« unterliegt keiner Wertigkeit oder Steige-rung im Sinne von: »Erst wenn ich den Sachverhalt mit dem Verstand erfaßthabe, ist die höchste Stufe des Lernens erreicht«, sondern das »denkerische Be-greifen«, die Einsicht, wird neben dem »gefühlsmäßigen Verbinden« und dem»lustvollen oder auch verantwortlichen Tun« bereits von der Eingangsstufe anals gleichwertig angesehen.

Der »Offene Unterricht« ist eine Methode zum individuellen Lernen. Nicht nurunterschiedliche Lerntempi werden zugelassen, sondern es sind auch die Lern-angebote individualisiert. Während zum Beispiel einige Schüler in der Bücherek-ke lesen, sind andere am Experimentieren, Basteln oder Malen. Einzelne Schülerhaben sich Übmaterialien zum Lesen oder Rechnen genommen und arbeiten.Das Erlernen der Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) geschieht zwargemeinsam in Kursen, das Üben jedoch individualisiert. Der Lehrer hilft, wo esnötig ist. Der Leistungsstand wird regelmäßig kontrolliert.

277

In der 5. bis 8. Klasse kommen die experimentellen Naturwissenschaften hin-zu, die wahlweisen Angebote werden verstärkt. In den letzten beiden Schuljah-ren fördert die verstärkte Angebotsdifferenzierung von Wahl- und Leistungskur-sen eine eigene Profilierung der Jugendlichen. Drei Betriebspraktika vermittelneinen ersten Einblick in das Wirtschaftsleben. Ein jeweils dreiwöchiger Schüler-austausch im europäischen Ausland folgt. In den Abschlußklassen werden dreigrößere praktische oder theoretische Arbeiten angefertigt.

Ziele, Räumlichkeiten, Tätigkeiten

Die Laborschule betont insbesondere die Selbständigkeit in der Klassen- undSchulgemeinschaft, sie orientiert sich an den gemeinsamen Sozialisationsschrit-ten und an dem Zukunftsbild des mündigen Bürgers. Schule selbst wird nichtauf den »Ort des Lernens« eingeengt, sondern als »Lebens- und Erfahrungs-raum« für Schüler und Lehrer gesehen. Was heißt das?

Die Planer gingen von dem Gedanken aus, es müsse »Räume für Kommunika-tion«, Rückzugsmöglichkeiten für Einzelne und Kleingruppen, daneben denRaum für die ganze Schulgemeinde, für Feste, Konzerte und Theateraufführun-gen geben. Ausstellungsflächen für Schüler- und Lehrerarbeiten würden ge-braucht, die Küche für ein Festessen, das Podium für einen Vortrag, ein Ruhe-raum, die Bibliothek zur ungestörten Lektüre, Werkstätten und andere Funkti-onsräume und schließlich variierbare Reviere für einzelne Lerngruppen:insgesamt ein Raum, der in gemeinsamer Verantwortung verwaltet, gestaltetund in Ordnung gehalten wird. Zur Laborschule gehören in diesem Sinne eineBibliothek, ein kleiner Zoo, der Schulgarten, ein Bauspielplatz, eine Fahrrad-werkstatt, das Computerzentrum, eine Medienstelle, die Schulküche, ein Schü-lercafé, eine Disco, die Sport- und Gymnastikhalle, ein Rollschuhplatz, und nichtzuletzt, ein Beratungsraum für schulpsychologische und sozialpädagogischeDienste. Dazu kommen die Funktionsräume für Musik- und Naturwissenschaf-ten und schließlich die »Flächen« für die einzelnen »Stammgruppen« (Klassen).Dies sind die strukturellen, materiellen Gegebenheiten.

Pädagogische Forschung

Aus der engen Verbindung zur Universität ergibt sich eine intensive Schulfor-schung. Während Anfang des Jahrhunderts Koedukation ein revolutionäres No-vum darstellte, wird sie heute wieder kritisch hinterfragt. Mädchen scheinen ineinzelnen Fächern von Jungen dominiert zu werden und bauen dadurch Lern-blockaden auf. Die Laborschule zog aus diesen Forschungsergebnissen nicht dieKonsequenz, bestimmte Jahrgänge z. B. in den Naturwissenschaften grundsätz-lich nach Geschlechtern zu trennen. Die Forschungsgruppe »Mädchen und Jun-gen in der Schule« schlug einen anderen Weg vor: Neu konzipierte Unterrichts-einheiten nach kritisch-koedukativen Gesichtspunkten wurden zusammenge-stellt, die Geschlechter in verschiedenen Fächern getrennt und neu »gemixt«.

Forschung an der Laborschule ist immer experimentelle, angewandte Feldfor-

278

schung. So gibt es seit 1990 mehrereProjekte zum differenzierten Um-gang zwischen Jungen und Mäd-chen und immer wieder Mädchen-und Jungenkurse mit der Zielset-zung, einen Freiraum für »unge-störte Selbstfindung« zu schaffen,um eigene Probleme artikulierenzu können. (Einige Projekte: »Er-weiterung sozialer Kompetenz vonJungen und Mädchen«, »Mädchenund Jungen im Sportunterricht«,»Meinen Beruf finden – mein Lebengestalten«, »KörperorientierteSelbsterfahrung für Mädchen ander Laborschule« u. ä .m.)

»Die Schule neu denken«

Die Laborschule ist mit der Zielset-zung angetreten, exemplarisch zuzeigen, wie Veränderungen in derRegelschule durchgeführt werdenkönnten. Hartmut von Hentig hatte

Projekt »Kindheitsmuseum«: 5-7jährige, vonKlee angeregt, basteln Vögel und Bretter für sie

vor Jahren gesagt, die Laborschule sei zwar als Vorbild gelobt worden, habe abertrotz aller nachweisbaren Erfolge die Regelschule nicht verändern können undsei deshalb mit ihrem eigentlichen Anliegen gescheitert. Veränderungen im Bil-dungswesen benötigen lange Zeitspannen. Nach der Bildungseuphorie der 70erJahre und der nachfolgenden Stagnation kann man heute sagen, daß auch in den

Im Großraum der Eingangsstufe (Schuljahre 0 - 2): Es gibt keine Klassenzimmer

279

2 H. v. Hentig: Die Schule neu denken, München 1993, S. 206. (Eine Rezension des Buchesbefindet sich in diesem Heft)

staatlichen Schulen einiges in Bewegung gekommen ist und die Veränderung derSchule wieder verstärkt in das Bewußtsein der Eltern, Lehrer und Bildungspla-nern gerückt ist. H. von Hentigs Buch: »Die Schule neu denken« von 19932 hat dieDiskussion nachhaltig belebt, und die Laborschule ist zu einem wichtigen Im-pulsgeber zur Veränderung der Schullandschaft geworden. So reifen vielleichtspät doch noch die Früchte dessen, was v. Hentig vor Jahrzehnten gesät undgepflanzt hat.

Bildnachweis zur Laborschule: Die Fotos auf S. 266, 274 u. 275 stammen von Rainer Drexel(Geo Redaktion Wissen), die restlichen Fotos von Andreas Hub (Kölner Stadtanzeiger)

Zum Autor: Achim Hellmich, Dipl. Päd., geb. 1942. Lehrertätigkeit an staatlichen Schulenund Waldorfschule. Seit 1980 als Akademischer Rat und Lektor an der Technischen Univer-sität Berlin als Dozent in der Lehrerausbildung tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen zurPädagogik. Zur Zeit freiberufliche Tätigkeit (Seminar- und Vortragsarbeit). Korrespondentder Wochenschrift »Das Goetheanum«.

Ein weiterer Literaturhinweis: Schulentwicklung konkret. In: PÄD FORUM Juni 1998. Indiesem Heft werden zwei Schulmodelle (die Laborschule und die Georg-Christoph-Lich-tenberg-Gesamtschule) materialreich und kritisch vorgestellt. – Das Buch von S. Thurn/K.-J. Tillmann (s. Anm. 1) bietet eine aktuelle und anregende Beschreibung des Schullebensund der Pädagogik. Eine Rezension des Buches s. INFO 3, Heft 11/1998.

Demokratie lernen: Demonstration von Schülern aus ganz Bielefeld gegen die beabsichtig-ten Kürzungen von Bildungsausgaben